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| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-02-05 23:23:42 -0800 |
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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Weltuntergang - Geschichtliche Erzählung aus dem Jahre 1000 nach Christus - -Author: Felix Dahn - -Release Date: June 2, 2016 [EBook #52222] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WELTUNTERGANG *** - - - - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - - - - - - - - - Anmerkungen zur Transkription - - - Das Original ist in Fraktur gesetzt. - - Im Original gesperrter Text ist +so ausgezeichnet+. - - Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so markiert~. - - Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des - Buches. - - - - - Weltuntergang - - Geschichtliche Erzählung aus dem Jahre 1000 - nach Christus - - von - - Felix Dahn - - Neunte Auflage - - [Illustration] - - Leipzig - Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel - 1912 - - - - -Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. - - - - - Den Freunden - - Karl Gareis, Lorenz Grasberger, - Mathias von Lexer - - und - - Anton Freiherrn von Tröltsch - - in dankbarem Gedenken gemeinsam zu Würzburg - verlebter Tage - - zugeeignet. - - - - - »Dem Stift Wirzburg viel Gutes hat gethan - Bischof Heinrich, der herrliche Man, - Das muß man von ihm sagen! - Zwei Grafschaften bracht' er daran, - Drei neue Kloster fing er an - Zu bauen bei seinen Tagen: - Neumünster, Haug und Sankt Stephan, - Darin des Gottesdienstes pflagen - Viel fromme Chorherrn sonder Wahn: - Sankt Benediktus Ordensban - Thäten's alle jagen.« - - Alter Spruch. - - * * * * * - -In ew'ger Gegenwart steht alles Leben. -- -- - - - - -Vorbemerkung. - - -Die Gedichte, welche +Gedanken+ und +Namen+ -- +beides+ -- -nachfolgender Erzählung tragen, sind bereits 1868 entstanden, 1873 in -der ersten Auflage der zweiten Sammlung meiner Gedichte (Stuttgart, J. -G. Cotta) zuerst, zuletzt in der dritten Auflage dieser Sammlung (1883, -Leipzig, Breitkopf und Härtel) veröffentlicht worden. - - - - -Erstes Buch. - - -I. - -Gar wunderhold, wie sonst kaum irgendwo auf deutscher Erde, zieht der -Frühling ein zu Würzburg an dem Main. - -Frühzeitiger als anderwärts kehrt er zu: im Hornung schon flötet die -Amsel ihr melodisch Lied hoch vom Ulmenwipfel, wann die Sonne zu Rüste -geht über dem Guttenberger Wald, Thal und Rebgelände tauchend in eitel -Gold und Segen. Frühe sprießen an sonniger Halde die Veilchen hervor -und wie leuchten, wie duften sie in den Weingärten der sanften Hügel, -die wilden, gelben Tulpen! Dankbar gedenkt, wer je sein genoß, des -Würzburger Lenzes. -- - -Und ganz besonders schön, herrlicher denn je zuvor, meinten die frohen -Menschen, war der liebe Lenz in das Mainthal eingefahren im Jahre des -Herrn Eintausend. - -Das Land weithin stand in eitel Maienblust. - -Das Wildgedörn, das die Rebgärten rings an den sanft aufsteigenden -Hängen umhegte -- Weißdorn und Rotdorn und zahllose Hagerosen -- -blühte so reich, daß der süße Duft, vom Südwind getragen, berauschend -flußabwärts zog. In den dichten Hecken vor der Stadtmauer, aber auch in -den häufigen Gärten innerhalb der Umwallung sang die Mönchsgrasmücke, -sang die Nachtigall ihr feurig Lied. -- - -Am Abend eines wunderschönen Maientages leuchteten vom linken Flußufer -her über den Wall am rechten Ufer, zumal über die Mainbrücke hin, die -Strahlen der versinkenden Sonne: sie trafen voll auf den ragenden Dom -und das unmittelbar im Süden daranstoßende »Bischofshaus«: das heißt -das gemeinsame Wohnhaus der Kanoniker. Brücke und Dom standen damals -bereits genau an derselben Stelle wie heute: aber beide waren von Holz -gebaut und erheblich schmäler als dermalen. - -In dem Hauptsaale -- der Bücherei -- des Bischofshauses, in dem -einzigen Stockwerk oberhalb des Erdgeschosses, stand an dem -hochgewölbten romanischen Rundbogenfenster ein ernster Mann in -mittleren Jahren. Er hatte soeben den von zierlichen Querlatten -gebildeten Fensterladen, der den heißen Tag über verschlossen gehalten -worden, nach außen aufgestoßen und blickte nun hinaus. -- - -Wo sich heute bergab, gegen den Fluß zu, die »Domstraße« senkt, lag -damals ein offener Platz, nur in weitem Abstand vom Dom und dessen -Anbauten durch ein paar unverbundene »Höfe« begrenzt. - -Der einsame Mann neigte das braunhaarige, aber stark ergrauende Haupt -leicht hinaus; er strich langsam mit der Linken über den breiten, fast -völlig weißen Bart; er schloß die grauen, schwermütigen Augen; seltsame -Augen waren es: nicht schön von Form oder Farbe: müde von vielem Lesen: --- vielleicht auch von anderem: -- aber doch war ihr Blick scharf, --- wie der des Falken -- und unvergeßbar für jeden, der ihn aus der -verhaltenen, ja trüben Ruhe hatte plötzlich aufleuchten sehen in -flammendem Blitz. -- - -Aber jetzt, als er sie wieder aufschlug, war der Ausdruck dieser -sinnigen Augen tief verträumt. Lange blickte er schweigend hinaus. -»Wie schön,« sprach er endlich leise vor sich hin, »wie friedevoll! -Des Herrgotts reichster Segen ruht auf Gau und Stadt. Soll ich -- darf -ich -- diesen Frieden stören? -- Aber muß ich nicht? -- Und wird nicht --- wie sie sagen -- vielleicht der Herrgott diesen Frieden in wenigen -Wochen wandeln in flammende Zerstörung, in Verderben? -- Er nach einem -unerforschlichen Ratschluß im großen -- ich im kleinen, nach Pflicht -meines von ihm mir verliehenen Amtes, also doch auch nach +seinem+ -Ratschluß.« - -Er richtete sich hoch auf, trat von dem Fenster zurück und machte einen -Gang durch den geräumigen, durch zwei Reihen von Holzpfeilern mit -Rundbogen gegliederten Saal. - -Die Einrichtung war einfach, ohne Prunk, aber würdevoll; das -ansehnlichste Gerät bildete eine Art Baldachin, der an der Ostwand -gegenüber den nach Westen blickenden Fenstern, von zierlich -geschnitzten Rundpfeilern getragen, eine lange Truhe überhöhte, deren -Deckel, mit weichen Decken belegt, als Rücksitz diente; in der Mitte -der Bücherei stand ein mächtiger runder Tisch, dessen weiße Ahornplatte -mit Schreibgerät und mit vielen Pergamenten bedeckt war, an welchen an -Lederriemen und bunten Schnüren große Siegel in hölzernen, bleiernen -und silbernen Kapseln herabhingen. - -»Mein Amt?« raunte er nun leise. »Ist es nur des Amtes Pflicht, was -dich treibt, Heinrich von Rothenburg! Oder ist es die alte Lust am -Kampf?« -- Er ballte die Rechte wie um Schwertesknauf und spannte die -Muskeln des eingebogenen Armes. -- »Am Kampfe, -- zumal gegen +diesen+ -Feind? -- -- Also Sünde? -- Sünde also plante ich, während der Rächer -aller Sünde vielleicht schon die Wolken zusammenballt, auf denen er -niederfahren wird, zu richten die Lebendigen und die Toten!« -- - -Er hielt erschauernd inne in seinem hastigen Gang und schlug andächtig -ein Kreuz über Stirn und Brust. -- - -»Sünde?« -- begann er aufs neue, wieder ausschreitend. »Jawohl! --- Hätte ich nicht dringendere Pflichten, -- vielleicht! -- aber -die meinen immer noch weltlichen Sinn weniger befriedigen, meine -Kampfesfreude schwächer -- locken? Denn +diese+ Pflicht des Amtes lockt -dich, Heinrich! Ist das nicht ein Zeichen, daß sie weniger Pflicht als --- -- Leidenschaft?« - -Er stieß bei einer raschen Wendung an den Rundtisch: eine der Urkunden -glitt herab und rollte vor seine Füße. Er hob sie auf und warf einen -Blick auf das daranhängende Siegel. »Kaiser Karls Verleihung! Sie -selbst! -- War das ein Wink, eine Mahnung des Herrn? Wüßt' ich es nur, --- zweifelfrei: -- ich nähme sie ja so gern auf mich, die Pflicht und -den Kampf.« -- Er drückte das Pergament heftig an die Brustfalten -seines langwallenden dunkel-porphyrfarbigen geistlichen Gewandes. - - -II. - -Da ward die in das Vorgemach -- nach Süden -- führende Thüre des Saales -geräuschlos geöffnet und ebenfalls in geistlichem, aber ganz schwarzem -Gewande trat ein wenige Jahre älterer Mann ein. Dicht an der Schwelle, -zwischen den dunkelgelben Thürvorhängen, blieb er stehen; demütig -neigte er tief das ganz glattgeschorene Haupt und mit leiser Stimme hob -er ehrerbietig an: »Hochehrwürdiger Herr Bischof, Ihr habt befohlen.« - -Der Angeredete trachtete, seine lebhafte Erregung zu bändigen, zu -verbergen; er legte die aufgeraffte Urkunde ganz sacht auf den Tisch: --- er suchte, vor denselben tretend, sie dem Blicke des Besuchers zu -entziehen. »Laß diese unterthänige Weise, Bruder Berengar«, sprach -er gütevoll. »Sind wir doch Kampfgesellen: du bist mein eifrigster -Mitstreiter.« - -Der andere trat näher, langsamen Schrittes. Die starren Züge des -langen, hageren, gelbfahlen Gesichtes blieben unbeweglich, die schmalen -Lippen öffneten sich kaum, die tiefschwarzen Augen hielt er streng zu -Boden gerichtet, als er sanft erwiderte: »ich darf nicht anders. -- -Euer Vorgänger, der hochselige Herr Bischof Bernwart, hat mir solches -Gebahren besonders auferlegt zur Buße für meine hochfärtige Überhebung.« - -»Ja, ja,« lächelte Herr Heinrich -- und die freundliche Heitre stand -dem wohlgebildeten Antlitz, den feinen Zügen herzgewinnend gut, »Mein -gestrenger Oheim war ein stolzgemuter Herr« -- »Er durfte es sein. -- -War er doch ein Graf von Rothenburg, -- wie Ihr.« Der Bischof zuckte -die Achseln: »Edle Geburt ist wertvoll.« »Ha, wirklich?« flüsterte der -Priester, aber ganz unhörbar. -- - -»Doch ist sie kein Verdienst. -- Aber er hatte dich im Verdacht, -Archidiakon«, -- und er hob mit lächelnder Drohung den Finger -- -»erstens schon bei seinen Lebzeiten Bistum und Bischof beherrschen und -zweitens um jeden Preis sein Nachfolger werden zu wollen.« -- »Was -doch nur abermals ein Rothenburger werden sollte.« Ganz tonlos und -unterwürfig kam das aus den kaum geöffneten Lippen. Aber der Bischof -schüttelte lebhaft das Haupt und hob, schmerzlich berührt, in Abwehr -die Hand: »Da irrst du, Freund. -- Mein Oheim konnte nicht ahnen ... -War ich doch ein Kriegsmann! Ein Mann der Staatskunst ...« -- »Und -was für einer! In keiner Heerfahrt des Kaisers Otto des Roten und -des jungen Otto fehltet Ihr auf deutscher, wendischer und zumal auch -meiner italischen Heimaterde. Wie oft ginget Ihr als der Frau Kaiserin -Theophano Vertrauter in Gesandtschaft nach Rom, ja selbst nach Byzanz!« - -»Also!« unterbrach Herr Heinrich, kopfschüttelnd. »Mein Ohm und ich --- wir dachten wahrlich nicht daran, daß ich weltlicher, mit viel -Schlachtenblut befleckter Mann jemals geistlich, vollends Nachfolger -des heiligen Burchhard werden würde. Du -- Archidiakon, es ist wahr --- hattest das nächste Anrecht auf diesen Stuhl.« -- »Kaiser Otto -der Junge dachte anders, weiser -- als er Euch -- noch nicht sehr -lange trugt Ihr geistlich Gewand -- das Bistum gab.« Der Rothenburger -seufzte: »Ja: +Er+ gab es mir.« Beschwichtigend fiel der Archidiakonus -ein: »Ihr seid vom Kapitel gewählt.« -- »Ja, ja, aber warum? Weil der -Kaiser es wünschte.« -- »Nachdem er und die Regentin so sehr überrascht -waren durch Euern Rücktritt aus der Welt.« »Sieh, Berengar,« fuhr -der Bischof fort, »das ist es ja, was mir den Entschluß so schwer -macht. Er -- der König -- setzt mich in dies Würzburg, vertrauend, daß -ich sein Recht und seinen Vorteil hier nach Kräften wahre. Und nun -soll ich Stadt und Grafschaft ihm entreißen!« Der Archidiakon glitt -geräuschlos näher; scharf richtete er auf den Ringenden die dunkeln -Augen, die unter kohlschwarzen, streng regelmäßig geschwungenen -Brauen hervorblitzten. »Verzeiht,« sprach er ruhig, »Herr Bischof: -das ist nicht bischöflich geredet.« -- »Mag sein! Aber es ist ehrlich -gedacht: -- mit Gedanken treuer Lehenschaft.« -- »Ihr aber seid vor -allem Sankt Peters Vasall! Von ihm, nicht vom deutschen König oder -römischen Kaiser, tragt Ihr den Bischofstab zu Lehen. Sankt Peters und -Eures großen Vorgängers, Sankt Burchhards, Recht habt Ihr zu wahren, -auch gegen des Königs Vorteil. Und nicht im Recht, im Unrecht ist der -König! Gedenkt des Briefes Kaiser Karls! -- Scharf sah ich es, wie ich -eintrat: -- er hatte Euch gerade wieder beschäftigt! Diese ehrwürdige -Urkunde giebt Euch nicht nur das +Recht+, -- hört es, Herr Bischof! -- -sie legt Euch die +Pflicht+ auf, in jenen Kampf einzutreten und nicht -zu rasten noch zu wanken, bis Ihr Gott erstritten habt, was Gottes ist. -Dem Kaiser bleibe, was des Kaisers ist.« -- »Dann bleibt ihm wenig -genug in Stadt und Gau!« -- »Gleichviel! Habt Ihr des Kaisers Sache zu -führen oder die der heiligen Kirche? Wollt Ihr, nachdem Ihr das gute, -klare Recht des Bistums entdeckt habt, es diesem Bistum vorenthalten -- -aus Schwäche, aus Menschenfurcht?« - -Unwillig fuhr der Bischof auf und griff an die Stelle, wo er einst im -Wehrgehäng das Schwert getragen hatte. - -»Verzeiht: aus Liebe zu diesem Kaiserjüngling vorenthalten, was der -große Karl aus Ehrfurcht vor Sankt Kilian und Sankt Burchhard dem -Stuhle zugewandt? Erkennt Ihr nicht den Finger Gottes darin, daß er -Euch -- gerade +Euch!+ -- durch Zufall, -- sagen die Weltleute -- -durch ein Wunder der Heiligen, ziemt uns Geistlichen zu sagen -- in -der Kämmerei, unter altem wertlosem Gerät und Gerümpel dieses kostbare -Pergament auffinden ließ?« - -»Ja, es ist erstaunlich,« sprach Herr Heinrich nachdenksam, das Kinn -in die linke Hand schmiegend. »Ist wirklich wundersam! Unter Bischof -Dietho -- vor achtzig Jahren -- verbrennen mit dem damals erst seit -siebenundzwanzig Jahren vollendeten Dom -- hier, an der Stelle des -jetzigen, stand auch er -- in der Sakristei alle Urkunden des Bistums, -aber auch alle! So daß, als Bischof Burchhard der Jüngere, der wackere -Henneberger, vor etwa zwei Menschenaltern dies Gotteshaus hier neu -erbaute, auch nicht Eine Urkunde, nicht Ein Beweismittel für all -unsere Rechte vorhanden war: mußten alle vom König, von den Erben -der anderen Schenker und Verleiher neu ausgestellt werden -- auf -vieles Bitten meiner Vorgänger. Und nun muß ich vor wenigen Monaten -in einer alten Truhe der Kämmerei unter abgetragenen, zerschlissenen -Meßgewändern und angebrannten Altardecken dieses unschätzbare Kleinod -auffinden! Wie kann das aus der Bücherei oder aus dem Archiv dahin -geraten sein?« - -Berengar zuckte die Achseln: »Wer soll das wissen? Vielleicht gelang -einem der Brüder die Rettung dieses wertvollsten Stückes aus dem -brennenden Archiv: -- er selbst mag darüber umgekommen sein.« »Ja, ja,« -bestätigte der Bischof, »es sind mehrere bei dem Brand erstickt, und -zwar gerade auch -- in der Kanzlei -- der Protonotar, der dem ganzen -Urkundenwesen vorstand, der pflichtgetreue Bruder Skapelarius.« -- -»Die Kämmerei lag auch damals im Erdgeschoß -- die Urkunde, in die -Altardecke gewickelt, kann von dem Kanzleifenster -- hier, im ersten -Stock -- in das offene Fenster der Kämmerei geworfen worden sein, als -der Protonotar, der sie retten wollte, erkannte, daß er selbst nicht -mehr zu entkommen vermöge.« - -»Klingt ganz glaublich! -- Aber weshalb lassen die Heiligen die -wichtige Urkunde sechzig Jahre verborgen bleiben und sie auffinden -gerade durch +meine+ weltliche, schwertgewohnte, vom Schlachtenblut -befleckte Hand?« -- »Gerade darin erblickt und verehrt die weise Fügung -der Vorsehung.« -- »Wie meinst du das, Archidiakon?« »Heinrich von -Rothenburg,« erwiderte dieser feierlich, wieder leis einen Schritt -näher gleitend, »gebt der Wahrheit die Ehre, hier im Kämmerlein -vertrauter Zwiesprache: mehr vom Kriegsmann, als vom Geistlichen, mehr -vom Staatsmann, denn vom Priester, mehr vom rechts- und waffenkundigen -Grafen, als vom Bischof habt Ihr an Euch -- immer noch!« »Ja, leider,« -seufzte Herr Heinrich demütig, »immer noch!« »Weshalb -- vor fünfzehn -Jahren etwa -- der tapferste Graf über alles deutsche Land, die rechte -Hand der schönen Kaiserwitwe und Reichsregentin, Frau Theophano, -plötzlich das Schwert ablegte und Priester ward -- -- kein Mensch weiß -es ...« Er zögerte: er schien gespannt auf Auskunft zu warten. Allein -Herr Heinrich sprach nur leise zu sich selbst: »Aber Gott weiß es« und -drückte die schwermütigen Augen zu. - -Der Welsche wartete noch eine Weile: da aber der andere beharrlich -schwieg, fuhr er fort: »Aus der Haut konntet Ihr eben nicht fahren, -wie aus der Brünne, auch nicht, als Ihr, nach kurzer Priesterzeit, -hier Bischof wurdet. Nach wie vor weilen Eure Gedanken noch häufiger -bei Recht und Gericht und weltlicher Wohlfahrt und weltlicher Gewalt, -denn bei Beten und Büßen und bei dem Jenseits.« »Leider!« wiederholte -Herr Heinrich betrübt. »Nein, nicht leider: zum Heile dieses Bistums! -Seht Ihr denn nicht? Deshalb eben führten die Heiligen Kaiser -Karls Verleihungsbrief gerade in +Eure+ starke Hand! +Euch+, Eurem -weltkundigen Sinn vertraute Sankt Burchhard, Eurer weltlichen Klugheit, -Eurer frischen Manneskraft seine Rechte an, nicht Euren Vorgängern, -meist mönchischen weltflüchtigen Psallierern. Der Bischof, nicht der -Graf, muß herrschen über diese Mainstadt und den Waldsassengau, darin -sie liegt. Vor allem über die Stadt! So wollte Kaiser Karl! So will -es Gott! Seht hier auf diesen Plan der Stadt« -- er wies auf eines -der Pergamente, die auf dem Tische ausgebreitet lagen -- ein langes -Jagdmesser war darüber gelegt, es auseinandergespreitet zu halten --- »Ihr selbst habt ihn -- mit der Hand des kundigen Feldherrn -- -entworfen: glaubt Ihr, es ist ohne Bedeutung, daß die Stadt ein Fünfeck -bildet, genau wie Eure Bischofsmütze, die dort liegt, Herr Heinrich?« -»Spiel des Zufalls!« erwiderte dieser. Aber der Einfall behagte ihm. --- »+Ihr+ seid der Mann, des Bistums Recht zu wahren, mit scharfem -Wort und -- muß es sein -- mit scharfem Schwert. Sankt Burchhard, -Sankt Kilian, Sankt Petrus, ja Gott selber rufen Euch in diesen -heiligen Kampf. Heinrich von Rothenburg, der Mann ist ein Felon, der -irdischem Lehnsherrn die geschuldete Heerpflicht weigert: Heinrich von -Rothenburg, willst du sie dem himmlischen Lehnsherrn weigern?« - -»Nein! Bei meinem Schwerte!« rief der Starke und seine grauen Augen -blitzten auf. »In solchem Lichte sah ich's noch nie. +Gott+ ruft zum -Streit. So will ich denn streiten bis zum Sieg oder -- Untergang! Ich -fürcht' ihn nicht, den Grafen Gerwalt!« »Gewiß nicht! Und« -- der -Welsche trat näher und flüsterte -- »jene Weissagung des arabischen -Magiers in Kalabrien, die Ihr mir vertraut -- wie war es doch?« »Ich -werde nicht sterben -- so las er in meiner rechten Hand -- bis ich mit -dieser Hand meinen schlimmsten Feind auf Erden erschlagen,« sprach Herr -Heinrich mit grimmiger Freude. »Nun also! Und das ist doch ohne Zweifel ---« »Graf Gerwalt!« nickte der Bischof. - -»Aber,« fuhr Berengar fort, »es wird zum Waffenkampfe gar nicht kommen -müssen. Ihr werdet schon auf dem Wege Rechtens -- vor dem Reichstag -gewinnen. Sicher! +Das+ Gericht möchte ich sehen --« und hier flog ein -stolzes Lächeln um die schmalen, allzu schmalen Lippen des Lombarden -und seine schwarzen Augen funkelten -- »das Gericht möchte ich sehen, -welches gegen jene Urkunde Kaiser Karls irgend eine Einwendung gelten -lassen könnte.« »Allein,« warf der Bischof ein -- »warum haben -alle meine Vorgänger seit bald zwei Jahrhunderten das Recht aus der -Verleihung nicht geltend gemacht?« - -Berengar zuckte die Achseln: »Wer kann solche Fragen beantworten? -Soviel steht fest: Graf Gerwalt, Euer schlimmster Feind ... --« »Der -Welsche weiß nicht,« flüsterte Herr Heinrich zu sich selbst, »wie sehr -sein Wort die Wahrheit trifft!« -- »Kannte die Urkunde nicht. Und groß -war sein Erstaunen, ja sein Zorn, als ich sie ihm -- wohlweislich nur -in Abschrift -- übersandte. Diese Urkunde ist unanfechtbar. Nicht -umsonst hab' ich Jahre um Jahre in der Rechtsschule zu Pavia geistlich -Recht, Lehenrecht, Landrecht gelernt bei den ersten Lehrern. Viele, -viele hundert Urkunden von Königen und Kaisern hab' ich eingesehen, -viele Dutzend hab' ich abgeschrieben, hab' ich selbst verfaßt im -Auftrag des Pfalzrichters daselbst. Erkennt Kaiser Otto unser Recht -nicht an, so rufen wir das Urteil des Reichsgerichts am Reichstage -an. Nach dem Rechte +muß+ es für uns ausfallen! Siegt aber in dem -barbarischen Reichstag dieser plumpen Deutschen -- verzeiht, aber -manchmal bricht das Blut Italiens in mir durch! -- die Scheu vor -dem Herrn König, so lebt noch ein anderer Richter, der uns -- das -heißt Sankt Kilian und Sankt Petrus! -- unzweifelhaft zu unserem -Recht verhelfen wird.« »Gott der Herr!« sprach der Bischof fromm. -»Der ist gar fern und unberechenbar! -- Nein, der Herr Papst zu Rom. -Nicht rasten will ich und nicht ruhen, bis wir gesiegt -- für Sankt -Burchhard. Und müßt' ich auf meinen Knieen im Sankt Peter dem heiligen -Vater Bann und Interdikt über König und Reich der Deutschen entwinden!« -»Nein! Nimmermehr!« rief der Rothenburger erschrocken. »Ich sollte den -Bann herabbeschwören auf des großen Otto Enkel, meines teuren Feldherrn -in so vielen Schlachten? Das Interdikt auf diese geliebte deutsche -Erde, auf dieses blühende Mainthal? Es ist nicht +deine+ Heimat, -Lombarde!« - -»In die Hölle stoß' ich ganz Lombardenland, das abgefallene, um diesen -Sieg!« schrie der Welsche, fortgerissen von wilder Leidenschaft. - -Betroffen sah Herr Heinrich auf ihn herab: »Abgefallen? Von wem?« - -»Von ... sich selbst!« rief Berengar noch heiß erregt, dann fuhr er -zusammen und erläuterte: »Von seinem wahren Heil -- das heißt: von der -Herrschaft der deutschen Könige.« - -»Aber wie,« fiel Herr Heinrich, plötzlich stehenbleibend, ein, »wenn -all unser Planen und Trachten gar nicht mehr Zeit fände, sich zu -vollenden? Wenn es sündhaft, frevelhaft wäre, solch' irdischer Sorgen -zu pflegen, an Herrschaft über Stadt und Gau und an weltliche Macht -zu denken, während Stadt und Gau und Welt in wenigen Wochen ...?« Er -brach ab. Der Welsche lächelte; es zuckte wie Hohn über seine sonst so -starren Züge hin. »Ihr meint? Auch Ihr? Jene Weissagung -- aus meiner -Heimat kam sie über die Berge -- unheimlich -- wie der schwüle Südwind -... --« »Es ist der Glaube ja weit verbreitet,« sprach der Bischof -ernst. »Viel gelehrtere und viel frommere Männer als ich hegen keinen -Zweifel. Ich -- ich kann's noch nicht recht glauben. Entscheidend ist -mir der Ausspruch des Herrn Papstes. Und der, so schreibt man mir aus -Rom, schwankt hin und her.« - -»Wie? Papst Sylvester? Er? Der große Gerbert von Reims, der Schüler der -Araber in Spanien, der Lehrer des Erdkreises, von fast übermenschlicher -Weisheit! Wenn der nicht daran glaubt, dann ...« -- »Ich sage Euch ja, -er soll zweifeln. Seine Auslegung der Schrift und der Väter führte ihn -nicht zur Bejahung.« -- »Nun also.« -- »Aber ein heiliger Einsiedler --- den Namen erfuhr ich nicht -- soll stets wachsenden Glauben nicht -nur bei dem ganzen Volke in Welschland, auch bei dem tief gelehrten -Papste finden. Doch, wie dem sei! Ich muß der Kirche, des Oberhauptes -der Kirche Weisung einholen, nicht nur für meine Belehrung, sondern -darüber, wie ich mich als Bischof gegenüber meiner Gemeinde zu -verhalten habe.« »Mich würde der nahe Untergang herzlich wenig freuen,« -meinte Berengar spöttisch. »Noch gar viel hab' ich vor in der Welt.« - -»Ist das ein Grund für den Himmelsherrn, sie noch zu erhalten, wenn das -Maß der Sünden voll? Ich fürchte sehr, solcher Wunsch, solch weltlich -Begehren ist auch für mich der letzte Grund, der, unbewußt in der -Tiefe der Seele wirkend und wühlend, mich abhält, daran zu glauben. -Und so hab' ich denn über die Alpen, nach Rom, an den Herrn Papst -einen ganz eigen gearteten Boten gesandt.« »Wen?« forschte Berengar -eifrig. »Es fehlt keiner aus unserem -- wollte sagen: Eurem Klerus.« -Der Bischof schwieg; ein heiteres Lächeln schwebte um seinen feinen -Mund. »Denn,« fuhr der Archidiakon eifrig fort, »es kommt oft sehr -auf den Boten an, welche Botschaft er heimbringt. Wenn einer von den -Schwarmgeistern, den Träumern, den geheimnisbrünstigen Priestern, wie -sie Kloster Cluny züchtet --« Herr Heinrich lachte. »Nun, hat keine -Gefahr! Ungefähr das Gegenteil von solcher Art hab' ich zur Kundschaft -ausgeschickt. Wenn +dieser+ Bote, der welt- und lebensfreudigste -Mann --« -- »Dann meint Ihr Arn aus Bayerland, Euren Jägermeister! -Richtig! Er fehlt seit Wochen!« -- »Wenn +der+ in Welschland dazu -bekehrt wird, an den Untergang der Welt zu glauben --« »Arn? Ja dann,« -lächelte der Lombarde, »dann muß sie vorher schon halb untergegangen -sein. Einstweilen aber: -- ruhet nicht, handelt, Herr Bischof. Die -Zeit ist günstig; der Mann, der von Amts wegen ebenso berufen ist für -den Kaiser, wie +Ihr+ für Sankt Burchhard zu handeln -- der Graf des -Gaues, ist fern -- man sagt, in Italien. Wenigstens seine Reisigen und -Vasallen alle hat der König nach Rom entboten: der Marienberg da drüben -ist fast unbesetzt: ein rascher Handstreich und -- aber --« er stockte -und sprach leiser zu sich selbst -- »es scheint beinah, Er -- der -andere -- hat recht.« Herr Heinrich stutzte. »Wer? -- Was zischelt Ihr -da?« -- »Ich? -- Oh nichts!« - -»Doch! Ich hörte genug, um mehr hören zu müssen! +Wer+ hat recht?« -Drohend, ahnungsvoll trat er näher. -- »Nicht doch,« wich der Welsche -aus. »Lasset ab, Herr! Nicht gerne nenn' ich Euch diesen Namen. Er -pflegt Euch zu ergrimmen!« »Graf Gerwalt!« rief Herr Heinrich und -seine Augen blitzten. »Dacht' ich's doch! Was -- was hat er gewagt, -von mir zu sagen?« »Es wird Euch erbittern!« warnte Berengar. »Oh -nein,« knirschte der Bischof und zerbrach mit der starken Rechten die -Armlehne von Eichenholz des hohen Stuhles, den er ergriffen, »ich bin -ja ganz ruhig! -- -- Was hat er ...?« -- »Nun -- vor seiner Abreise -- -er war ja nur ein paar Tage auf der Burg -- an der Brücke war's -- der -Zollwart erhob den Zoll von den Mainschelchen, welche den Fluß zu Berg -getreidelt wurden und meinte --: ›Nun wird der Zoll, wie jedes Gefäll -in der Stadt, bald nicht mehr in des Herrn Grafen Jagdranzen, in des -Herrn Bischofs Kirchenbüchse wird er wandern.‹ Da lachte der Graf, -wie er zu Pferde stieg, -- er und sein Jagdtroß sperrten mir den Weg -über die Brücke -- und meinte: ›Bah, es wird gehen wie immer zwischen -uns. Wo ich gegen ihn vortrete--‹« -- »Nun? Was ...?« -- »›Tritt der -Rothenburger zurück‹« »Ah, ah, ah!« schrie der Gepeinigte auf, wie von -einer Natter gebissen. »+Das+ hat er gesagt? Er soll sich irren! Graf -Gerwalt liebt es zwar, an sich zu reißen, was nicht ihm, -- was mir -gehört: aber doch nur, wenn ich fern, wenn ich wehrlos bin gegen ihn. -Doch Sankt Burchhards Recht soll er mir nicht entreißen. Und wehrlos? -Noch bin ich's zwar -- nicht lange mehr will ich's sein! -- Wo ...?« Er -schritt, hastig, heiß erregt, durch den Saal. »Wo stehen die Wenden? Du -weißt: die Söldner, von denen wir sprachen?« - -Der Archidiakon war nun dicht an den Tisch getreten: er legte beide -Hände auf die hohe Lehne des Eichenstuhles und hielt sich fest daran: -er drückte darauf, während seine Augen wachsam jedem Schritte, jeder -Miene des Erbitterten folgten. »Mainaufwärts, wenige Tagemärsche. -Noch auf deutscher Erde, aber nahe der böhmischen Mark. Sie sind von -Markgraf Eckhard von Meißen -- nach tapferen Diensten -- entlassen. -Ihr Führer, Zwentibold, verhandelt um neuen Dienst mit Herzog Boleslav -von Polen. Kommt der zum Abschluß, dann ziehen sie nach dem fernen -Osten ... --« -- »Nichts da! Wir müssen sie an der Hand, zur Verfügung -bereit haben. -- Noch diese Nacht muß an sie ein geheimer Bote -- ein -verlässiger Mann ... wen schicken wir?« Berengar folgte dem Gange des -Bischofs durch die Halle: »Ich will gehen: ich selbst,« sagte er mit -leiser, aber fester Stimme. -- »Du wolltest? Es ist halsgefährlich!« - -Berengar zuckte die Achseln: »Ich trage dieses Haupt nur für Sankt -Burchhard und für Euch.« -- »Gut! Dank! ... Aber höre! -- Noch nicht -fest abschließen! -- Ich bin jetzt -- ein wenig -- erregt! In der -Hitze soll man nichts beschließen. -- Nichts übereilen« -- »Aber auch -nichts versäumen soll man! Die Söldner sind viel umworben. Auch der -Magdeburger Erzbischof, Herr Gisiler, will sie dingen ...« -- »Die -Wenden sollen warten! ... Nur noch kurze Zeit!« -- »Das thun sie nicht --- ohne Wartegeld.« -- »Freilich! Freilich! und die Kammer ist ...?« --- »Leer. Nur der fällige Betrag für die Armen -- das Drittel der -Einkünfte ...« -- »Nein! Nichts da! Kein Schilling davon! Aber -- wie -steht es denn mit dem Gelde für meine Bauten in der neuen Vorstadt?« --- »+Euerer+ Vorstadt: auf dem Sande?« -- »Jawohl! Das Waisenhaus und -die Klosterschule ... freilich: der Verschlag, in dem jetzt beide -untergebracht sind -- recht elend ist er. Aber bah! -- Menschenalter -hindurch hat es genügen müssen: -- bessere ich es, ist's mein eigenstes -Werk. Drängt sich mir nun Notwendigeres vor, so ...! Die Waisen, die -Schüler können warten: die Wenden, -- du hast recht -- die warten -nicht. Nimm das Geld für meine Bauten in der Sandvorstadt. Bezahle -Zwentibold die Wartezeit.« -- »Es wird nicht reichen.« -- »So nimm die -Summe für das geplante Siechenhaus bei Sankt Andreas überm Main dazu. -Aber eile.« -- »Ihr sollt mit meinem Eifer zufrieden sein.« Er stand -schon in den Vorhängen der Thüre. -- »Aber noch nicht abschließen: nur -Wartegeld! hörst du?« Die Vorhänge rauschten. -- Ohne Erwiderung war -Berengar verschwunden. - - -III. - -Gar früh am Tage -- wie heute noch bei unseren Bauern auf dem Lande -- -begann dazumal auch in den Städten das Leben. - -Mit Sonnenaufgang und den Vögelein erhob man sich vom Lager: um elf -Uhr pflegte das Mittagmahl gehalten zu werden: bald nach Einbruch der -Dunkelheit suchte man den Schlaf: die recht spärliche Beleuchtung der -Zimmer lud nicht dazu ein, Arbeit oder geselligen Verkehr im Hause in -die Dunkelheit zu verlängern. - -So war denn auch an dem schönen Maientage, der auf Berengars rasche -Abreise folgte, das Leben in dem Städtlein früh erwacht. Bei der ersten -Hahnenkraht war diejenige Rotte der speertragenden Bürger, die für -diese Nacht die Reihepflicht der Wache an den Thoren, in den Türmen -und auf den bezinnten Mauern getroffen hatte, abgelöst worden von der -»Tagwacht«. - -Und der »Morgengruß«, den, sobald die Sonne über die Höhen -emporgestiegen war, die Türmer weithin über die Holzdächer der kleinen -Siedelung aus ihren langen, gewundenen »Tuthörnern« schmettern ließen, -weckte überall in den wenigen schmalen Gassen, in den zahlreichen -»Höfen« der freien Plätze sofort rühriges Regen. - -Die Runde der neu aufziehenden Wache bedurfte nicht langer Zeit, den -ganzen Umfang der Umwallung abzuschreiten Denn das liebe, liebliche -Würzburg war dazumal noch gar enge beschlossen: zählte doch die -Umwallung, eingerechnet die Geistlichen, die Mönche, die bischöflichen -Dienstmannen und die Reisigen des Grafen auf dem Marienberge, nicht -mehr als etwa viertausend Bewohner. - -Der Archidiakon hatte recht, als er die Gestalt der Stadt einer -Bischofsmütze verglich. Denn sie bildete damals ein Fünfeck und dessen -Grundlage der von Süd nach Nord, dann nach Nordwest gerichtete Lauf des -Mains. - -Eine Holzbrücke, wie bemerkt, gerade an der Stelle der heutigen schönen -und breiten Steinbrücke, bezeichnete ungefähr die Mitte der ganzen, -damals noch auf das rechte Ufer beschränkten Stadt: auf dem linken Ufer -lagerten sich an den Fuß der alten Feste, um ein paar Kapellen und ein -Kloster nur wenige Hütten armer Fischer. Die Siedelung auf dem rechten -Ufer hatte erst vor etwa achtzig Jahren Erdwälle, hier und da durch -steinerne Mauern verstärkt, und davor einen schützenden Graben erhalten -zur Abwehr der ungarischen Raubreiter, die wiederholt so weit westlich -gestreift und alles nicht ummauerte Land verbrannt und verheert hatten. - -Damals hatte der bisher offene Flecken zugleich Stadtrecht empfangen; -aber auch die neue »Stadt« war unter der Amtsgewalt des Grafen des -Gaues, -- Waldsassen hieß er -- zu welchem sie gehörte, geblieben. - -Die Brücke oder -- in ihrer Verlängerung -- der ihr im Osten gerade -gegenüberstehende Dom schied die Stadt in zwei ungefähr gleich große -Teile. Denn von der Brücke lief die Ringmauer mainaufwärts gen Süden, -wandte sich dann in scharfer Biegung nach Osten bis an den Zwinger, das -heißt den Zwingergraben, vor dem Wall, und bog von da nach Nordosten, -die Wiesen östlich außerhalb des Grabens belassend. Von dort zog sich -die Umwallung weiter gen Nordwesten, dann von Ost nach West, wandte -sich dem dermalen noch sogenannten »inneren« Graben entlang dem Flusse -zu und erreichte stromaufwärts von Nord nach Süd den Ort, von dem wir -ausgegangen: die Mainbrücke. - -So war also die ganze damalige Stadt eingeschlossen durch die Grenzen, -die heute der Fluß im Westen, die Neubaugasse im Süden, die Kettengasse -und die Theaterstraße im Osten, der innere Graben im Norden bilden. Auf -dem linken, dem westlichen Ufer schaute von dem Marienberg die Burg des -Grafen, das »Castellum Virteburch«, weithin über Stadt und Gau. - -Die von dem Fünfeck der Umwallung umhegten Häuser bildeten nun aber -sehr selten Straßen oder Gassen: waren es doch »Höfe«, ganz wie -die Siedelungen der Landsassen draußen vor den Thoren im Gau, fast -ausschließlich aus Holz aufgezimmert, nur etwa der Unterbau aus Stein: -die vornehmeren »Höfer« liebten es wohl hier, ein paar Platten des -wunderschönen fränkischen roten Sandsteins als Treppenstufen vor die -alsdann etwas erhöhte Thüre des Wohnhauses zu legen. Dies war aber -- -ganz wie auf dem Lande draußen -- stets umfriedet von einem manneshohen -Hofzaun aus Pfahlwerk: der »Hofwehre«; das Hofthor mußte so weit -sein, daß die zweispännigen breiten Wirtschaftswagen bequem ein- und -ausfahren konnten. Denn Ackerbürger waren sie, diese ~burgenses~, und -die Anfänge von Handel und Gewerk noch sehr bescheiden. So lagen auch -innerhalb der Mauern weite Strecken von Wiesen, lagen Äcker, besonders -aber Gärten, in welchen Wein, Obst, Gemüse gepflegt wurden. - - * * * * * - -Alsbald nachdem bei Sonnenaufgang von der Zinne des Brückenturmes -der Thorwart seinen Morgengruß geschmettert, antwortete ein höchst -friedlicher Schall: auf dem Widderhorn blies der Gemeindehirte seine -Herde von blökenden Schafen und meckernden Ziegen zusammen. Er fing -damit an im Nordwesten der Stadt, hielt vor jedem Hof und wartete, bis -der Viehschalk die bereits aus der Stallthüre entlassenen und an dem -verschlossenen Hofthore sich drängenden Tiere aus diesem zu dem Hirten -hinausließ. - -So zog er die Kreuz und die Quer an allen Höfen vorbei, bis er an das -»Südthor« gelangt war. Wie im Norden und im Osten zog sich auch im -Süden um die Stadt, hart vor Graben und Wall beginnend, ein breiter -Gürtel von Wiesen und Gärten innerhalb des »Pfahlhags«, den an -geeigneten Stellen ein paar Blockhäuser, aus festen Balken gefügt, -verstärkten; hier wohnten kleine Leute, die als Taglöhner, Gärtner, -Zeidler, Winzer, Fischer ihr Leben fristeten. - -Gleich hinter den wenigen ärmlichen Lehmhütten und Holzhäuslein dieser -werdenden »Vorstadt« begann die weitgestreckte, bis zu dem »Acker des -Randahar« sich hinziehende »Allmännde«, das Gemeindegut der Stadt, -bestehend aus Weide, Wiese und buschigem Wald, von den »Burgensen« -besonders zur Weide für Rinder und Schafe verwendet; während manches -Borstentier mit grunzendem Wohlbehagen in den häufigen Pfützen sich -sielte, die, an Stelle von gepflasterten Straßen, Hof von Hof zu -trennen pflegten. - - -IV. - -Rado, der graubärtige, hünenhaft lange und starkknochige Gemeindehirte, -kam nicht so rasch hinweg von den meisten Höfen als er wünschte: -- -denn ihm war nur wohl draußen in Wald und Heide: in der Stadt, diesem -ummauerten Grabe, müsse er ersticken, schalt er. - -Und er war ein Liebling der Leute, der Alte: Hausherr und Hausfrau, -Knecht und Magd, zumal aber die Kinder ließen ihn nicht leicht los ohne -ein paar Fragen. Er wußte gar so viel, so vielerlei, was sonst kein -Mensch mehr wußte: von Jagd und Fischfang und Viehzucht, von gesunden -und kranken Tieren. Das Wetter verstand er ganz genau vorher zu sagen, -manche meinten, geheimnisvoll nickend, weil er es selbst -- ein wenig --- mache. - -Und alte Geschichten vollends wußte er zu erzählen -- von seiner -verstorbenen Mutter her -- und Mären und Sagen, daß Kinder und Große -offenen Mundes lauschten; und Segen: Wundsegen, Jagdsegen, Kampfsegen, -Reisesegen, Biersegen, Viehsegen, Fischsegen -- in mannigfaltigster -Auswahl: seltsam nur, daß er sie alle plötzlich vergaß, trat in den -Kreis seiner Hörer ein »Geschorener«, wie er unwillig sagte. Herr -Heinrich schalt wohl oft darüber, aber er lächelte dazu und ließ -ihn gewähren: denn der Hüne war in jungen Jahren ein gar treuer und -trefflicher Waffenknecht der Rothenburger Grafen gewesen und hatte --- so sagte man -- dem Vater Herrn Heinrichs das Leben gerettet in -Welschland. - -Während nun der Hirt von Knecht und Magd und Kind an dem Hofthor -aufgehalten ward mit Frag' und Antwort, wartete der vorwärtsdrängenden -Herde gar oft -- und auch heut' -- ein anmutvolles Kind mit dicken, -langen, dunkelblonden Zöpfen, die durch die lebhafte Kleine stets in -Bewegung gehalten wurden, daß die hellblauen Bändlein an deren Enden -hin- und herflatterten. Sie zeigte weit über ihre vierzehn Jahre hinaus -voll und üppig entwickelte Formen, aber sie war so mutwillig und so -kindlich wie die springenden, bockenden Zicklein ihrer Herde. - -Als der Alte aus dem letzten Hofe vor dem Thor der Sandvorstadt -zurückkam, fand er die Kleine aus vollem Halse lachend: lachend, daß -ihr aus den hellgrauen Augen die Thränen über die dicken, runden -Kinderbacken liefen. Sie hielt sich vor Lachen kaum aufrecht an dem -langen, gebogenen Schäferstab, den sie einstweilen dem Alten abgenommen -hatte. - -»Was hast du, Fullrun?« fragte der. »Dich reiten wohl wieder die -Elben!« »Es ist zum Zerspringen!« keuchte sie, sich mit der umgewandten -Linken über die Augen fahrend. -- »Was?« -- »Schau ihm nur nach, Ohm! -Da -- links hin! -- humpelt er davon. Sieh nur, wie er ausschaut! Ganz -weiß vom trockenen Straßenstaub. Wie der Müller aus der Au! Nur nicht -so sauber!« - -Der Alte reckte die hohe Gestalt und hielt die Hand vor die buschigen -Augenbrauen: denn die Morgensonne blendete von dort her: »Ei, das -ist ja Junker Blandinus, der Sohn des Dogen aus Venetia, der jüngst -erst ankam, Korn zu kaufen von dem Juden Renatus. Was hat der hier --- in deiner Nähe wieder! -- gesucht?« Und er nahm ihr den Stab -aus der Hand und hob ihn drohend, daß sein langer Mantel, aus drei -Wolfsfellen zusammengenäht, von seinen Schultern zurückwallte. »Weiß -nicht, Ohm. Aber was er auch suchte: -- gefunden hat er was anderes. -Er ist immer um die Wege, mit seinem seidenen Mäntelein und dem bunten -gezipfelten Wams. Wäre gar nicht so übel im Gesicht, putzte er sich -nicht so weibisch heraus. Kaum warst du im Hammerhof verschwunden, da -bog er flugs um die Ecke der Wirsinge und stand vor mir. ›Jungfrau -Fullrun!‹ flüsterte er in seinem welschen weichen Ton, ›segne Euch -Sankt Amor!‹ ›Ich heiße die runde Runel und mein Schutzheiliger heißt -Sankt Kilian!‹ rief ich. ›Wer ist Euch wohl der Liebste auf der Welt -nach Euren Gesippen?‹ fragte er und machte ganz verschwommene Augen. -›Schnufilo!‹ erwiderte ich rasch ohne Besinnen. Denn es ist ja auch -wahr. ›S--Se--ch? -- Schn--ufilo?‹ wiederholte er lispelnd. ›Wo ist -er? Ist er ein Ritter, daß ich ihn bestehen mag? Ich durchspeere ihn!‹ -›Durchspeeren? -- Meinen Herzens-Schnufilo? Nun wartet! Komm!‹ schrie -ich ›faß, Schnuf, faß!‹ Und grimmig bellend sprang der herzige Schnuf -herzu und fuhr ihm an die Waden. - -›Oh -- ~ohimè~ -- Eine ~bestia~? Ein ~monstro~!‹ Nun trat der -Schwarzkopf wieder näher: die dunkeln Locken -- 's ist wahr -- lassen -ihm nicht übel! Aber sein Haar stank süß von Salben! Ich hielt mir die -Nase zu! -- So!« Und sie machte es dem Alten vor: -- so drollig, daß -er lachen mußte. »Und wisperte: ›Wißt Ihr auch, schöne Runa, wie man -in Venetia küßt?‹ ›Nein,‹ sagte ich. ›Ich küsse überhaupt nur Schnuf -und Schnee.‹ ›S--ch--nee? Ist das auch so eine Beißbestia?‹ forschte -er, besorgt um sich blickend. ›Nein, hier mein Mailämmlein.‹ ›So will -ich Euch küssen lehren!‹ lächelte er und machte einen Schritt. Aber --- o Sankt Kilian sei gepriesen! -- er trat, nur auf mich guckend -- -auf das Ferkelein, das da -- nun wieder! -- in der Pfütze liegt. Laut -aufquiekend fuhr ihm das zwischen die langen Beine -- er stolperte -und fiel bäuchlings in den weißen Staub daneben. Nun fuhr auch Schnuf -ganz erbost wieder gegen ihn und zerriß ihm den langen erdbeerroten -Flattermantel. Fluchend sprang er auf und entwich eilfertig.« - -»Kommt er wieder,« drohte Rado, »lehr' ich ihn, wie man im -Waldsassengau -- haut! -- Auf, Thorwart, auf mit dem Gitter!« -- Und -nun flüsterte er ganz andächtig, gen Himmel blickend: - - »Unsern Ausgang - Geleite der graue - Wandrer, weise der Wege. - Die Wölfe wehr' er - Von Herde wie Hirt.« - -»Hier, Giero, hier!« Er pfiff dem mächtigen grauen Hund: der trieb -in unablässigem Umkreisen die zerstreuten Schafe und Ziegen auf dem -weiten Platze rasch zusammen, so daß sie nun in guter Ordnung durch das -geöffnete Thor und dann über den an eisernen Ketten herabgelassenen -schmalen Steg über den Graben trippelten. Draußen begrüßte das kluge -Tier freudig in lustigen Sätzen und laut bellend die Freiheit. -Einverstanden klopfte ihm der Alte den Kopf. Fullrun folgte zuletzt; -sie trug über den geländerlosen Steg gar sorgsam auf ihrem vollen -linken Arm ein schneeweißes Lämmchen, das sie aus der blökenden Menge -gegriffen hatte: mit der Rechten hob sie den Saum ihres rotbraunen -Röckleins bis über den Knöchel des unbeschuhten Fußes: im Morgenwind -flog das krause kurze Haar an ihren Schläfen: mit vollen Zügen sog sie -den frischen Hauch des Morgens in die junge Brust. - - -V. - -An demselben Morgen trabte, nachdem die Frühmesse in dem Dom zu Ende, -ein bunter Reiterzug den freien Platz hinab auf die Mainbrücke zu. - -Die Hengste der Männer und auch zwei zeltende Paßgänger für Frauen -- -mit zierlich gegitterten hohen Seitenwänden an den weichen Sätteln -aus spanischem Leder -- waren neben der Kirche von mehreren Knappen -in Bereitschaft gehalten worden. Als das gemeine Volk aus den -weitgeöffneten schön geschmiedeten Doppelthüren und über die vier roten -Sandsteinstufen des Eingangs hinab sich verstreut hatte, wurden die -Pferde dicht an die kniehohen »Roßsteine« geführt, die, an dem Dom, -wie an gar manchem Eckgebäude angebracht, das Aufsteigen und Absteigen -reitender Damen erleichterten. - -Ein schlanker Jüngling von nicht allzuhohem, aber zierlichem Wuchs und -von auffallend anmutvoller Haltung geleitete gar höfisch, nur an den -Fingerspitzen ihren hellgelben Reithandschuh berührend, ein schönes -junges Mädchen die Stufen des Domes hinab. Das veilchenfarbene Barett, -geschmückt mit dem weißen Gefieder der Silbermöwe, stand gut zu dem -dunkelbraunen dichten Gelock des jungen Ritters mit dem etwas helleren -Bart, der überall das feine Gesicht umrahmte. Das enganliegende -Wams, von gleicher Farbe wie das Barett, zeigte vorteilhaft die -geschmeidigen, wohlgestalteten Glieder: die zarten Gelenke der Hände -und der Knöchel schienen nicht deutsche oder doch nicht ungemischt -deutsche Abkunft zu bekunden. - -Lebhaft sprach er zu der jungen Dame, feurig blickte er ihr -- und -recht nah! -- in die großen Augen von hellstem sonnig goldenem Braun, -welche unter blonden, nicht allzustarken Brauen hervor freundlich -und freudig in die schöne Welt hineinleuchteten. Ihre Wangen waren -hold wie vom Flaum des Pfirsichs überzogen: die frischen, ein wenig -aufgeworfenen Lippen lächelten gar gern und zeigten dann zierlich -gereiht die weißesten Zähnlein. Ein Reiterhut von weißem weichstem Filz -mit sehr breitem Rand und schwarzer Feder wiegte sich keck auf dem ganz -hellbraunen, aber leicht von einem roten Schimmer durchleuchteten Haar. -Gar anmutvoll war die Bewegung ihrer schmalen langen Hand, mit der -sie das weitflutende weiße Wollkleid aufhob, wie die feinknöcheligen -Füßlein über die Steinstufen vorsichtig hinabglitten. Herzhaft lehnte -sie dabei den vollen warmen Arm auf den des Ritters; der führte sie an -den weißen iberischen Zelter mit hellrotem Sattel- und Zaumzeug, der, -ungeduldig harrend, mit dem rechten Vorderhuf gescharrt hatte und nun, -die schöne Herrin erkennend, sie freudig begrüßend laut wieherte. - -Der Junker hielt ihr beim Aufsteigen die Hand unter den Schuh und -umspannte dabei den feinen Knöchel erheblich fester, als die Sicherheit -der Reiterin gerade würde erheischt haben. Diese zürnte aber nicht, -sondern sowie sie sich sicher im Sattelsitz fühlte, neigte sie ihm das -wunderschöne Antlitz zu in gar holdseligem Lächeln: er erglühte vor -Glück über soviel Huld, seine dunkelgrauen Augen blitzten und freudig -schwang er sich auf seinen feurigen friesischen Rapphengst. - -Hinter diesem Paar schritt langsam ein zweites die Domstufen hinab: -gleich jung, gleich schön, aber in ganz anderer Haltung und Stimmung, -so schien es. -- - -Zwar der Ritter, dessen blondes Haar dicht aus der ehernen Sturmhaube -quoll, ließ die blauen Augen gar sehnend ruhen auf dem schmalen, -blassen, nur ganz zart rosig überhauchten Antlitz der Dame; aber -diese preßte den kleinen, stolzen Mund fest zusammen, schlug die -Augen unerbittlich nieder und furchte streng die Brauen, deren tief -dunkelbraune Farbe scharf abstach von dem fast weißgelben Geriesel -ihres gewellten Haares, das unter der himmelblauen runden Seidenkappe -hervor auf den gleichfarbigen langen Mantel frei, gelöst, flutete; -dieser Gegensatz der fast schwarzen Brauen zu dem weißblonden Haar -verlieh dem höchst vornehmen, edeln, aber marmorkalten Antlitz -eigenartig fesselnden Reiz: wer diese stolzen, feinen Züge einmal -geschaut, -- er mußte ihrer gedenken für und für. Die ganze schlanke -hohe Schilfgestalt schien ein schönes, aber herbes Rätsel; man -mußte nachgrübelnd fragen, welch Geheimnis das junge Herz so streng -verschlossen hüte? Denn die hellgrauen Augen, die sie selten aufschlug, -schienen auch dann nicht in die Welt, schienen nach innen zu schauen, -fest entschlossen, um keinen Preis zu verraten, was sie in diesen -Tiefen erblickten. - -Schweigend, sinnend, zögernd, wie widerstrebend, schritt sie nun die -Stufen hinab: sie waren noch feucht vom Morgentau: -- sie glitt ein -wenig aus: -- der Jüngling hielt ihr rasch den rechten Arm hin: aber -sie achtete dessen nicht: noch schärfer die langgestreckten Brauen -furchend richtete sie sich -- allein -- rasch auf zu ihrer vollen -Höhe, schritt sicheren Fußes fürbaß und winkte, auf der letzten Stufe -angelangt, einen grauhaarigen Knappen herbei: der mußte ihr auf den -Rücken ihres Falben helfen. Dem Jüngling klirrte laut Schuppenbrünne, -Wehrgut und Schwertknauf aneinander, wie er sich nun hastig auf das -starke Streitroß schwang, einen braunen Flanderer schwersten Schlages. - -Die beiden Junker ritten jetzt an die Seite der beiden Edelfräulein und -nun ging's in raschem Trab hinab an die Brücke: -- deren Thor ward von -den Wächtern ehrerbietig aufgethan: -- nun über die dröhnenden Balken -und drüben aufwärts auf dem linken Ufer, wo sich der Leinpfad zum -Schleppen für die Mainschelche hinzog. - -Ein Holzverhack sperrte den schmalen Weg zwischen dem Fluß zur Linken -und dem steil abfallenden Felsen des Marienbergs zur Rechten: jenseit -eines engen Durchlasses in dem Verhack wartete der beiden Paare -ein Häuflein von Jägern mit Pferden, Hunden und Falken: denn der -Falkenjagd, der Reiherbeize galt dieser Morgenritt. - - -VI. - -Das Jagdgeleit bestand aus nur Einer »Rotte«: das heißt dem -Falkenmeister und drei Falkenieren; alle vier waren beritten; -die letzteren hielten abwechselnd den Falkenrahmen, eine leichte -viereckige Trage, aus weißem Holze zierlich geschnitzt, auf welcher -zwei Beizvögel, mit einer langen Kette unter dem Flügelbug und einer -kurzen um den rechten Lauf und Fang angefesselt, saßen: zierlich stand -den schlanken Vögeln die Falkenhaube, ein Käppchen von rotem Leder -aus Cordoba, oben mit weißen Federn, unten mit kleinen silbernen -Schellenkügelein geschmückt: ein schmales Lederriemchen hielt die -Haube, über Kopf und Augen gezogen, unter der Kehle festgeschnallt. -Den Berittenen folgten zu Fuß drei Hundekoppeler, von denen jeder zwei -Stöberhunde an der Koppelleine führte: mächtig zerrten sie vorwärts, -die starken, grauhaarigen, hochbeinigen Rüden aus Ungarland: aber -scharf erzogen, gaben sie bei aller Jagdgier nicht Laut. - -»Was habt Ihr heute für Vögel auf den Rahmen gesetzt, Herr Fulko?« -fragte die Braunlockige, anmutvoll den Kopf und den breitrandigen -Hut nach ihrem Begleiter zurückwendend. »Geht es auf hohen oder auf -niederen Flug?« »Wer mit schön Minnegardis jagt -- und für sie, --- denkt nur an hohen Flug,« erwiderte der Junker mit weicher, -wohllautender Stimme. »Die Falkeniere haben Reiher angesagt in den -Altwassern des Mains, nahe der Fähre bei den Höfen der Heitinge: sogar -einen --, nun, nicht vor der Jagd von der Strecke plaudern, sonst -verfällt sie dem +wilden+ Jäger! Heute wollen wir erproben, Freund -Hellmuth, ob des Herrn Bischofs isländischer Girofalk besser arbeitet -oder mein Wanderfalk: ich holte ihn, gerade flügge geworden, selbst -aus dem Horst auf dem Geiersberg im Spechteshart.« - -»Deiner steigt besser und streicht gehorsamer zurück auf die Faust -zur Atzung,« antwortete der Blonde; trüb war, gedämpft der Ton seiner -Rede. »Ei ja,« rief Fulko, »er hat mir auch manch Federspiel zerzaust, -bis er's gehörig lernte. Der Isländer ist nicht gut abgetragen: denn -Freund Arn, der Jägermeister, der's besser als wir alle kann, ward -vom Herrn plötzlich verschickt, bevor der teure Vogel stoßreif war. -Aber nun, habt acht, Jungfrau Minnegardis! Die Stöberer springen ein.« -»Da platschen sie ins Röhricht,« rief das Mädchen, und setzte in -hellem Jagdeifer ihren Zelter in lustigen Trab. »Seht, schon müssen -die vordersten schwimmen: da ist's schon tief.« -- »Ja, ein altes -Weidmannswort scherzt: ›Reiher ist von höherem Stand denn Rüde‹. -Aber jetzt -- den Rahmen herbei!« Die Ritter lösten den Vögeln beide -Fesseln, nahmen sie von der Trage und setzten einen derselben je einem -der Fräulein, -- Minnegard den Wanderfalk, Edel den Isländer -- auf den -seidengestickten Handschuh der rechten Hand, so daß die scharfrandigen -Krallen den Zeigefinger fest umschlossen; die Kappen blieben noch -unbehoben. - -Es war nun gar schön zu schauen, wie die beiden holden Reiterinnen in -raschem Trabe den Fluß entlang dahinflogen, mit wehenden Federn, Locken -und Mänteln, die stolzen Vögel auf dem anmutig gebogenen Handgelenk. - -»Hört ihr?« rief Fulko. »Da schlagen die Stöberhunde den Reihergruß. -Lüpft die Kappen! Werft eure Vögel, edle Jägerinnen!« Die Mädchen -schnallten den Vögeln rasch die Kappenriemen ab, ließen die von dem -plötzlichen Lichteinfall Geblendeten noch einen Augenblick in den -Himmel schauen, wiesen ihnen dann Beute und Flug, sie in der Richtung -der rasch enteilenden Reiher in die Höhe hebend, und schnellten sie -mit kräftigem Schwunge des Gelenks in die Luft mit dem lauten Rufe: -»Holî! Holî!« - -Sofort hatten die Falken das steigende Wild eräugt und stiegen nach, -pfeilschnell, mit gellendem Schrei, dem der kreischende Angstruf der -Reiher »krätsch! kraitsch!« antwortete. Beide Flüchtlinge blieben auf -dem linken Ufer und eilten flußaufwärts: die Berittenen hatten also -nur die nebenherziehende breite Heerstraße einzuhalten, so konnten sie -leicht folgen. - -Herrlich war der Anblick der Flucht und der Verfolgung durch die Lüfte. -Zuerst entleerten die beiden Sumpfvögel die Kröpfe des Fraßes, ihren -Flug zu erleichtern: denn sie hatten mit Erfolg in dem Schilfwasser -gefischt, stets gegen die Sonne stehend und watend, damit der hinter -sie fallende Schatten die Fische nach vorn ihrem Schnabel zutreibe. -Dann legte jeder den langen kegelförmig zugespitzten Schnabel mit den -messerscharfen Schneiden auf den Kropf, streckte die langen Ständer -gerade hinter sich und sausend ging es nun in die Höhe, immer höher, -immer höher, dem Verfolger das Überfliegen unmöglich zu machen. - -Denn der Falke konnte den viel größeren Feind nur zwingen, wenn -er ihn überstieg und dann von oben her schlug, ihm zwischen den -Flügelschultern und dem Ansatz des Halses den Haken des Schnabels mit -dem scharf ausgeschnittenen dreieckigen Zahn des Oberkiefers einhieb, -die beiden Fänge aber mit den kräftigen spitzen Krallen unter den -ausgespannten Flügeln -- vor deren Bug -- in den Rumpf schlug und so -schon durch den Druck von oben den keineswegs immer tödlich getroffenen -Reiher zum sausenden Sturz brachte; der Falkenier eilte dann herzu -und tötete oder fing den Verwundeten, während der Falke, wenn gut -abgetragen, auf die Hand der Herrin zurückstrich. - -Aber nicht gerade aufwärts stiegen die Reiher, sondern -schraubenförmig, ähnlich den Lerchen, in immer höher und höher -gezogenen Ringen: der schwere Vogel konnte nicht senkrecht oder sehr -steil schräg fliegen, während der Falke schnurgerade, nur stets etwas -höher zielend als sein Gegner flog, auf diesen losstürmte. - -Übrigens kamen diesmal die beiden Paare in den Lüften und demgemäß die -beiden Jägerpaare auf der Erde bald ziemlich weit auseinander. Edel -hatte ihren Vogel früher geworfen als Minnegard: derselbe ersah daher -den zuerst aufgestandenen grauen Reiher: dieser und sein Verfolger, der -Isländer, gewann rasch starken Vorsprung in die Höhe und in die Weite -vor dem Wanderfalk, der den zweiten etwas größeren Reiher -- weiß wie -Schnee leuchtete im Sonnenglast dessen Gefieder -- stets vom Wasser ab -nach dem Walde hin zu treiben suchte. - - -VII. - -Edel und Hellmuth sprengten an dem anderen Paare vorbei und hatten bald -Mühe, zu Pferd den raschen Fliegern zu folgen. - -Lange vermochte der Isländer nicht, dem Feinde nachzukommen: endlich, -endlich aber hatte er ihn überstiegen -- etwa um sechs Fuß -- und -sofort stürzte er sich nun aus dieser Höhe auf seine Beute. Allein -blitzschnell hatte der Reiher den bisher abwärts auf dem Kropfe -getragenen starken, spitzen und langen Schnabel -- eine fürchterliche, -oft den Augen des Jägers sogar, der den wunden Vogel greifen will, -gefährliche Waffe -- senkrecht nach oben gekehrt: der Falke, der mit -voller Wucht herabstieß, spießte sich dabei die Brust auf wie auf -einem Speer, so daß die Spitze des Reiherschnabels ihm im Rücken -zwischen den Flügeln hervordrang. Der Sieger aber konnte sich nicht -von dem verendenden Feinde losmachen, nicht unter dem Drucke dieser -Last den Schnabel aus der Wunde reißen und so taumelte er denn, den -Rücken nach unten, sausend zur Erde. Kaum war er aufgefallen, -- -zwischen der Straße und dem Fluß -- war Hellmuth schon zur Stelle, -Edel folgte. Der Junker sprang ab, riß den toten Falken von dem Reiher -los, faßte diesen mit der Rechten im Genick an beiden Fittigen und -warf ihn hoch in die Luft: »Geh!« rief er dem hastig Enteilenden nach. -»Du hast dich ritterlich gewehrt -- hast gesiegt: ich mag dich nicht -unritterlich erwürgen. -- Ich habe doch recht gethan?« fragte er zu -Edel hinaufblickend, die nun dicht hinter ihm auf dem schnaubenden -Falben hielt. »Gegen Reiher seid Ihr ritterlich,« erwiderte sie herb, -ohne eine Miene zu verziehen, wandte das Roß und ritt langsam zu dem -anderen Paare zurück. - -Auch dessen Beize war ausgebeizt. Gar bald hatte der Wanderfalk den -großen, glänzendweißen Vogel überhöht, und ihn von dem Flusse, den er -nun überschreiten wollte, ab- und auf das linke Ufer zurückgedrängt: -auf den ersten Stoß gelang ihm das Schlagen: Reiher und Falk taumelten, -aber der Falke rittlings auf seiner Beute sitzend, auf die blumige -Wiese zur Rechten der Heerstraße. »Ruft ihn, ruft ihn rasch,« drängte -Fulko die Jägerin, während beide heransprengten. »Er verliert sonst -die Zucht und den Heimstrich.« »Hilô! Hilô!« rief Minnegardis freudig -und setzte in vollem Jagen über den breiten Graben auf die Wiese: ihre -schwarze Feder flog, ihre Locken flatterten. Entzückt folgte Fulko der -zierlichen Gestalt der mutigen Reiterin. - -Gehorsam kam der kluge Vogel zurückgestrichen und ließ sich auf dem -Handgelenk der Herrin nieder: vergnügt die beiden Schwingen leicht -schlagend rief er ganz leise, -- nicht den gellenden Kampfschrei -- und -sah mit seinen nußbraunen Augen in Minnegardens Antlitz: ein Falkenier -brachte ihr eilig auf goldenem Stäblein ein Stück Rinderherz und hielt -ihr den Zügel, während der Vogel aus ihrer Linken behaglich und mit -leisem Dankrufe gierig kröpfte: dann ward er wieder gehaubt und auf die -Trage zurückgebracht. - -Nicht eher doch hatte der Falke seinen Gefangenen freigegeben, bis -Fulko, vom Rosse gesprungen, denselben an beiden Schwingenknochen -gefaßt hatte; er hielt ihn nun der Jägerin hin, die sich anmutvoll -aus dem Sattel herabbeugte. »Welch herrlich Tier!« rief sie erfreut. -»Welch leuchtend Weiß! Nie sah ich seinesgleichen!« -- »Es ist ein -Silberreiher. Ich wollt' es nicht -- vor der Zeit! -- verkünden. -Aber ich hatte ihn gestern abend angeschlichen.« -- »Er ist -- wie -es scheint -- ganz unverletzt?« -- »Fast ganz. Nur wenig blutet hier -der Hals. Das hab' ich ihn gelehrt, den klugen Greif, am Federspiel: --- für den Silbervogel! -- nur fangen, nicht morden!« -- »Oh! dann -wollen wir das edle Tier freilassen! Nicht?« -- »Gewiß: Ihr seid ja -seine Fängerin, nicht ich! Und ich: -- im voraus erriet ich Euer gütig -Herz.« Er griff in die kleine von Stricken geflochtene Jagdtasche, -die er am Wehrgurt trug. »Das mögt Ihr jetzt leicht sagen,« lächelte -sie. »Ich beweis es, Herrin!« gab er zur Antwort. -- »Wie? Was wollt -Ihr thun?« -- »Wie immer: Euren Willen -- Nur ein Andenken an diesen -frohen Morgen soll Euch Euer schöner Gefangener lassen. Seht Ihr die -beiden silberweißen Federn hier auf seinem Haupt?« -- »Wie stolz sie -wallen! Schaut, sie reichen noch weit über seinen Rücken.« -- »Wie -prächtig werden sie sich abheben von Eurem Jagdhut und von Eurem Haar.« -Er zog nun mit sanfter Gewalt dem Vogel die beiden Kopffedern aus und -überreichte sie der Jägerin, die sie freudig dankend nahm und sofort in -dem Goldring ihres Hutes befestigte. Sie schmückte sich so gern! Für -sich und für andere. Und jeder einfachste Schmuck ließ ihr so gut. Aber -nun vollends diese stolze fürstliche Zier! - -»Ihr seht aus wie die Königin von Avalon, dem Feenland!« -- »Wenigstens -trägt keine Königin schöneren Schmuck.« -- »Und keine Kaiserin würdiger -denn Ihr.« -- »Dank! Recht von Herzen Dank!« -- »Aber nun wollen wir -ihm die Freiheit geben, dem Glücklichen, der Euch erfreuen und Euch -zieren durfte. -- Seht, lange hab' ich vorgedacht für diese Jagd.« Und -er zeigte ihr, was er aus der Netztasche hervorgeholt: es war eine -kleine, runde Goldplatte an einer länglichen, rohrartigen, innen hohlen -Schließe aus Silber: »Was hab' ich darauf ritzen lassen von Meister -Aaron, dem kundigen Goldschmied zu Frankfurt? Schon vor Wochen ritt ich -deshalb hinüber.« - -Und das Mädchen las mit holdem Erröten: - - »Mich fing die wunderschöne Minnegard - Und gab mich wieder frei: - Der Freiheit wenig Dank ihr ward: - Denn wen sie fing, die holde Fei, - Will, daß er ewig ihr Gefangner sei.« - -»Ihr seid ein Schalk,« lächelte sie, »wie alle Sänger, aber ein -feiner.« -- »Und was +Ihr+ seid, -- das singen und sagen alle Sänger -der Erde nicht aus! -- Nun fliege, Reiher, und verkünde in allen Landen -vom Maine bis zum Jordan Minnegardens Schönheit!« Er hatte nun das -Silberröhrlein um den linken Ständer des Gefangenen zusammengedrückt, -die Schnalle geschlossen und gab ihn jetzt frei: der Reiher reckte sich -in die Höhe, hob den langen Hals, breitete dann die mächtigen Schwingen -aus, stieß vom Boden ab, hob sich und flog, mit lautem frohem Ruf der -Erlösung, schwirrend in die Höhe: bald war er im fernen Blau wie ein -schimmernd weiß Gewölk verschwunden. - - -VIII. - -Das Jagdgeleit ward nun entlassen, es kehrte in die Stadt zurück; die -beiden Paare jedoch, gefolgt von einigen Dienern zu Pferd, wandten sich -von der Heerstraße und dem Flußufer ab nach Westen die Hügel hinan -dem schönen Walde zu, der jetzt der Guttenberger heißt, damals der -Königswald genannt wurde. - -Sobald der kleine Zug wieder beisammen war, gab Minnegard ihrem -Zelter, aber auch dem Falben ihrer Genossin einen leichten Schlag mit -der Gerte, die ihr Fulko von einer Weide gebrochen: »Ei,« rief sie, -»gestrenge Edel, nun wollen wir sehen, welcher Reiterin Rößlein rascher -läuft: deren Herz schlägt auch wohl mutiger.« »Rascher das deine, -aber mutiger nicht!« erwiderte die Blonde ernst und schoß weit an ihr -vorüber. Sie wollte sichtlich allein sein; Hellmuth folgte ihr nicht; -er hielt den Hengst an und blieb so auch hinter dem anderen Paare -zurück. - -Der steil ansteigende Weg ward bald so schmal, daß zwei Pferde nur -gerade zur Not nebeneinander Raum fanden. Dies machte sich Junker -Fulko zu nutze. Gar bald hatte er seinen Rappen dicht neben Minnegards -Weißrößlein gelenkt und nun wich er nicht mehr von ihrer Seite. -Geraume Zeit ritten sie, nur stumme Blicke tauschend, nebeneinander -hin, damit begnügt, Aug' in Auge zu senken. -- Da strauchelte das -Tier der Reiterin -- allzuwenig achtete sie des Weges! -- über eine -knorrige Wurzel, die den Pfad kreuzte: es drohte, auf die Vorderfüße -zu fallen und seine leichte Last vornüber zu schleudern. Mit raschem -Griff riß der Junker das Pferd empor und schob die Errötende in dem -Sattel zurecht. Sie war wohl ein wenig erschrocken: aber sie lächelte -schon wieder mit schalkhafter Fröhlichkeit: »Dank!« rief sie. »Waret -Ihr nicht an meiner Seite ... --« -- »O dürft' ich's immer sein!« -»Ausreden lassen!« schalt sie. »Waret Ihr nicht an meiner Seite, -hätte mich dies Unheil nicht bedroht.« -- »Wieso?« -- »Ei, dann hätte -ich wohl besser, zwischen den Ohren meines Rößleins durch, gerade -vor mich auf den Weg geschaut, wie mich Herr Bischof Heinrich, mein -geistlicher Reitlehrer und reisiger Beichtiger, gelehrt hat. Da Ihr -mich in Gefahr gebracht, mußtet Ihr mich freilich auch beschützen.« --- »O könnt' ich Euch auf meinen Armen über alle Gefahren hinweg -- -durch's Leben -- tragen.« -- »Gemach, Herr Ritter von Yvonne! Zunächst -müßtet Ihr mich dann tragen -- in das Kloster, das zu schmücken ich -bestimmt bin.« -- »Ihr seid noch nicht darin!« -- »Aber bald werd' -ich's sein.« -- »Arme Minnegard!« -- »Und armes Kloster!« -- »Man -kann Euch nicht zwingen.« »Ich zwinge mich selbst. War es doch der -letzte Wunsch meiner sterbenden Mutter. Meine Oheime, die Bischöfe von -Köln und von Würzburg, kennen diesen Wunsch und ...! Oder vielmehr,« -lächelte sie, -- »weshalb wähnt Ihr, daß es des Zwangs bedürfe? Warum -soll ich nicht gern eine Heilige werden?« »Weil's ein Frevel ist!« -brach der Junker los, »eine Sünde wider die Natur, die Euch holdes -Wunder, so wunder-anmutvoll geschaffen hat! O Minnegard, Ihr gleicht -an holdem Reiz, an blühender Schöne der Alpenrose, die Euerer wie -meiner grünen Heimat Berge schmückt. Ihr seid geboren, zu beglücken und -beglückt zu sein! Schon Euch anschauen ist wie heiße Qual, so heiße -Wonne, heiße Seligkeit! Und all dieser Reiz -- er soll verblühen? O -viel edle Dame! Ich sah einmal -- zu Paris war's -- in der Basilika -der heiligen Genoveva -- hinter einem Gegitter von Golddraht auf dem -Seitenaltar schöne, wirklich wunderschöne vollblühende Blumen: Lilien, -Rosen, Krokus, -- auch eine Alpenrose war darunter! -- Staunend trat -ich näher: denn draußen lagen fußhoch Eis und Schnee: allein ach! meine -Freude schwand! Gemacht waren sie, diese armen Blumen, aus Flitter, -aus Lappen, auf Draht gezogen, seelenlos, duftlos: -- vielmehr ging -ein Geruch von Staub, von dumpfem Moder von ihnen aus! -- Das, o holde -Alpenrose, ist die Nonne! Und +Ihr+ solltet also vertrocknen? Diese -leuchtenden Augen sollten nicht Liebe strahlen? Diese roten, weißen, -weichen Lippen ...« -- »Hört auf, Herr Fulko von Yvonne! Vernähmen es -die Leute, sie dächten, Ihr wüßtet drum, ob meine Lippen weich oder -hart. Und davon wißt Ihr doch so wenig wie ...« -- »Ach ja! wie Ihr von -meiner heißen Liebe!« -- »Ei, meint Ihr? Ich glaube, davon weiß ich -doch ein wenig mehr!« - -Und sie schaute ihn dabei so freundlich an und sie lächelte dabei so -hold, daß er, kühn gemacht durch soviel Huld, fortgerissen von soviel -Liebreiz seine verlangenden Lippen sehr nah unter ihren breitrandigen -Jagdhut wagte. »Oho, Reitersmann!« rief sie, sich weit von ihm -abbeugend. »Jetzt, -- so scheint's -- seid +Ihr+ gestolpert -- sehr -stark sogar! Gemach! Sind das die gepriesenen Sitten der Provence? Oder -sind's die Sitten in Poetenland? Man sagt, die Sänger brauchen den Mund -mehr zum Singen denn zum Beten, mehr zum Trinken denn zum Singen und -noch mehr als zum Trinken zum -- nun, zu was anderem! Ihr pflückt wohl -jedes Röslein an Eurem Wege?« -- »O Minnegard, wer kann Euch sehen und -noch nach anderem Reiz begehren? Und Küssen ohne Liebe: -- das ist -niederträchtig!« - -Sein Auge blitzte in edlem Zorn, Glut schoß ihm in die Wangen: er ließ -ihm sehr schön, dieser heilige Zorn der Reinheit. Sie sah zu ihm empor -mit warmem Blick. »Dank Euch, Herr Fulko! Das war ein schönes Wort. Nie -werd' ich's Euch vergessen! Ihr seid ... Doch nein! Wozu braucht Ihr -zu wissen, wie Ihr seid? Könnt' Euch am Ende eitel machen! Und unter -Euern vielen, wimmelnd vielen Fehlern hab' ich die Eitelkeit -- noch! --- nicht entdeckt. Nicht mal auf Eure Liedkunst seid Ihr eitel. Und -das gehört doch sonst wohl zum Dichter wie zum Pfau das Radschlagen? -Ihr geizt mit Eurer Kunst. Man muß Euch überlisten, sollt Ihr singen! -Deshalb hab' ich Euren Waffenträger bestochen, -- ich verhieß ihm ein -Küßlein meiner Zofe: (denn sie lieben sich!) -- heute unter seinem -Mantel versteckt Eure kleine welsche -- wie sagtet Ihr jüngst? Die -Citole! -- mitzunehmen. Seht Ihr ihn dort hinten reiten? Da guckt -an seinem Halse das blaue Tragband hervor. Sind wir im Waldesgrunde -gelagert, dann, Herr Sänger von Yvonne, singt Ihr uns ein Lied. Nicht -wahr? Ich bitte!« -- »+Ihr+ -- +mich+ -- bitten? O vielsüße ...!« -- -»Gemach! Ihr sprecht zu einer künftigen Äbtissin. Singt Ihr uns?« -- -»Gern. Aber -- den anderen nicht. Dir, dir allein!« Verweisend hob sie -den Zeigefinger. »Man sagt: ›Euch, Jungfrau Minnegardis.‹ -- Ein altes -Lied? Das ich schon kenne?« -- »Nein. Ein neues.« -- »Wann gedichtet?« - -»Noch gar nicht!« -- »Ja, wie wollt Ihr dann Euer Wort lösen?« -- »Wie? -O Herrin: - - Lieg' ich nun bald im Moos zu deinen Füßen, - In deines Auges Himmel will ich schaun: - Begeistrung wird mir in die Seele taun, - Aus meinem Lied dein eigner Reiz dich grüßen!« - - -IX. - -Alsbald waren nun die ersten Bäume des »Königswaldes« oben auf der -Hügelkrone erreicht: schlanke hochstämmige Buchen waren es meist -schon damals, wie sie heute an jenem schönen Fleck deutscher Erde den -Wanderer erfreuen. - -Aber dazumal war der noch nicht durchforstete Urwald noch viel häufiger -und dichter mit Unterholz und Buschwerk bestanden: daher nisteten dort -viel zahlreicher als heute die Vögel, deren noch zwei Jahrhunderte -später Herr Walther sich erfreuen mochte. Als die kleine Schar die -Raststätte, eine runde Lichtung, erreicht hatte, auf welcher schon -während der Jagd vorausgesandte Diener über das weiche, hier in der -Waldeskühle noch vom Tau funkelnde Moos Decken gespreitet und Körbe -und Krüge für einen kurzen Weidmannsimbiß bereit gestellt hatten, -stiegen die beiden Paare von den Pferden und lagerten sich auf der -sammetweichen Waldwiese. Die Diener stellten das »Lägel« Wein, die -Zinnbecher und die mitgeführten Speisen zurecht und gingen dann mit den -Rossen seitab. - -Freudig glitzerte die Morgensonne des schönen Maientages durch die -Wipfel der hohen Buchen und warf auf den Waldboden ein goldiggrün -Gegitter. Die Bienen, den Sonnenschein suchend, flogen häufig um den -Agelei und die großblumigen Blauglocken, die an hochaufgeschossenen -Stielen nickten. Würzigen Harzduft atmeten im Sonnenbrand die dunkeln -Tannen, die hin und wieder neben der milden »Frau Buche« wie ernste -waffentragende Kriegsmänner Wache zu halten schienen. Aus den dichten -Wipfellauben scholl bis herunter in der lauschenden jungen Paare Ohr -das kosige Girren und Gurren der Wildtaube und weither aus der Tiefe -des Buchwaldes klang der Goldamsel metallischer Ruf. Gar schön war's -und freudig auf der stillen, sonnigen Waldwiese. - -Die warmblütige Tochter der Alpen empfand voll den Zauber des Ortes, -der Stunde: ihre fröhlichen hellbraunen Augen suchten den feurigen -Blick Fulkos: -- sie hatten nicht lang zu suchen: -- er lag im dichten -Gras zu ihren Füßen. Denn den beiden Fräulein war über das hoch aus dem -Boden ragende Wurzelgedräng einer breitstämmigen Buche als erhöhter -Sitz ein weicher Teppich aus Lombardenland gespreitet worden, so daß -die beiden Jünglinge tiefer lagerten. - -Auch Edel spürte wohl, daß Hellmuths Auge unablässig nach dem ihren -suchte; doch unerbittbar hielt sie die langen Wimpern niedergesenkt, -und mußte sie dieselben aufschlagen, verstand sie es meisterlich, -seinen Blick zu vermeiden. - -Fröhlich den blinkenden Zinnbecher schwenkend rief Minnegard: »Wie -wohlig ist's doch hier im Walde! Frisch, aber doch nicht kühl, -sonnenhell, aber nicht sengend! Und alles in Laub und Blumen so -jugendfroh! Das lieb' ich! Es scheint, -- in solcher Stunde -- das -Leben noch so leicht, so einfach selbstverständlich! Und doch! -- Was -mußte nicht alles geschehen, bis gerade wir vier Menschenkinder an -dieser Stelle, zu dieser Stunde zusammentrafen, zwei gute Gesellen, -zwei herzvertraute Gesellinnen!« Und sie griff mit der rundlichen -warmen Rechten nach Edels langen, schmalen, kühlen Fingern. - -»Das ist noch nicht genug!« rief Fulko. »Auch jeder Gesell muß sich -eine Gesellin gewinnen; was meinst du, Freund?« Aber Hellmuth schwieg: -denn Edel runzelte die Stirn. - -»Es ist so kurz erst,« begann die Braune aufs neue, »daß wir alle vier -zusammengetroffen sind in dem freundlichen Städtlein am gelben Main. -Wir wissen noch gar zu wenig voneinander. Wie wär' es, wenn wir hier -einander erzählten, was uns hergeführt und wie wir früher gelebt? Eine -Waldbeichte! Die Tauben da oben -- hörst du ihr zärtlich Gurren, Edel? --- singen die Waldmesse dazu.« »Ja, beichten wir!« fiel Fulko bei. -»Aber Ihr, schön Minnegard, macht den Anfang. Ihr habt gewiß von uns -vieren das meiste Unheil in der Welt angerichtet. Uns anderen wird's -dann leichter.« »Mein junges Leben,« lachte sie, die weißen Zähnlein -zeigend, »ist gar bald auserzählt. Geboren bin ich fern im schönen -Hochgebirg des Bayerlandes, wo, an den Schroffen des Wettersteins, -die Partnach schäumend durch die Felsen bricht, die Kanker murmelnd -durch die Büsche zieht, die Alpenrose bis herab zum Thalgrund blüht: -dort ragt ein altes Schloß seit grauer Zeit: -- des Werto Fels: das -ist mein Heimatthal, auf jener Burg stand meine Wiege. Früh starb die -gute Mutter, bald folgte ihr der Vater, Herr Werinher von Rothenburg, -des Königs Graf im Sundergau. Da ward mein Muntwalt sein Bruder, der -Herr Erzbischof Heribert von Köln; der ließ mich zu sich bringen an den -Rhein. Als ich den achtzehnten Winter vollendet hatte, teilte er mir -mit, der letzte Wunsch meiner Mutter habe mich dem Kloster bestimmt: -dieser Wunsch solle mir heilig sein. Ich erschrak! Thränen brachen -mir aus den Augen. Das Kloster, das mich aufnehmen soll, darf ich mir -wählen.« - -»Gut, sagt mir's vorher. Ich steck's in Brand,« grollte Fulko leise. - -»Ich erbat vor allem Aufschub. Und da der Oheim als Reichskanzler den -Herrn Kaiser auf unabsehbar lange Zeit nach Welschland über die Berge -zu begleiten hatte, gab er für immerdar die Vormundschaft über mich ab -an seinen jüngeren Bruder, den Herrn Bischof Heinrich, und sandte mich -hierher. +Diesen+ Oheim lob ich mir! Ist's ein Mann!« - -»Ein Held ohnegleichen!« rief der wortkarge Hellmuth begeistert und -seine traurigen Augen blitzten dabei auf. »Eine Faust von Erz!« »Und -ein Herz von Gold!« ergänzte der Sänger, den Becher frisch füllend und -hebend. »Ich trinke auf sein Heil!« »Wir thun Bescheid,« fielen die -andern ein und selbst Edels strenge Züge wurden freundlich: sie stieß -mit dem frohen Paare an; Hellmuth machte gar nicht den Versuch, seinen -Pokal ihrer Trinkschale zu nähern. »Allein auch er,« seufzte Minnegard, -»hält es für Pflicht, dem letzten Wunsch der Mutter nachzuleben.« »Wäre -nur Frau Heilfriede nicht so fern,« meinte Edel, mitleidig auf die -Freundin blickend, »die vieledle Gräfin, die hilfreiche, die ratkluge. -Sie fände wohl Rat auch für deine Not!« -- »Ja, die vielgütige Frau. -Wie hat sie mir in Köln die Mutter ersetzt, solange ihr Gatte, Graf -Gerwalt, des Deutzgau's waltete.« -- »Hat sie doch sogar mich, die -Fremde, wie eine Tochter gehalten und gepflegt, als ich erkrankte, -während mich Herr Heinrich dorthin gesandt hatte, dich zu besuchen.« --- »Und in hohem Ansehen stand sie bei dem Herrn Kanzler.« -- »Dagegen -hier sah ich sie noch nie im Bischofshof.« -- »Sie weilt ja nun -schon geraume Zeit mit ihrem Gemahl in Welschland.« »Und noch nicht -gar lange ist's her,« ergänzte Hellmuth, »daß Graf Gerwalt diesen, -den Waldsassengau, erhielt.« »Die heilige Gräfin, wie wir sie alle -nannten,« fuhr Minnegard fort, »sah wohl mein Widerstreben; ich -glaube, sie hat auch einmal bei Herrn Heribert für mich gesprochen -Aber ohne Erfolg! So werde ich denn --« und hier spielte schon -wieder ein schelmisch Lächeln um ihre Mundwinkel -- »in irgend einem -weltvergessenen Klösterlein dereinst als ›heilige Äbtissin‹ für euch -drei sündhafte Weltkinder beten. Vielleicht, Edel, läßt du dich dort -vor meinem Altare trauen.« - -»Ich werde mich nie vermählen,« sprach diese gepreßt und sah scharf -in die Ferne. Gespannt folgten Hellmuths Augen diesem Blicke. »Oho!« -lachte der Ritter von Yvonne und warf den krausgelockten Kopf in -den Nacken. »So hat schon manch Jungfräulein gesprochen, das als -Urgroßmutter starb. Die eine +soll+ nicht heiraten, die andere +will+ -nicht! Ja, soll die Welt aussterben? Zwingen muß man euch zu eurem -Glück, vielholde Thörinnen!« -- »Welcher Mann zwingt mich?« Scharf, -wie drohend flog die Frage aus Edels stolzen Lippen und ein blitzender -Zornesblick aus den hellgrauen Augen schoß auf Fulko. »Nicht ein Mann, -aber eine Frau, strenge Edel von Edelhag,« erwiderte der rasch: »Frau -Minne! Die ist doch noch mächtiger denn Euer Herzenstrotz.« »Und,« -forschte sie bitter, »giebt es wirklich kein anderes Glück als Liebe -und Ehe?« -- »Für das Weib -- nein! - - Wenig weise wähn' ich das Weib, - Welches weigert der Liebe den Leib - Und süßem Sehnen die Seele: - Freudlos verblüht sie, darbend verdorrt sie, - Keinem zur Wonne, sich selber zum Weh!« - -»Ich fand noch keinen,« sprach Edel laut und fest, »der meiner Liebe -wert.« Dabei wandte sie das stolze schöne Haupt und sah mit zürnenden -Augen Hellmuth voll in das Antlitz; es war der erste Blick, der ihm -heute ward. Der senkte demütig den Kopf: »Ihr werdet nie einen finden,« -sprach er leise, nickend. »Doch, doch!« rief der Junker von Yvonne. -»Herr Hellmuth vom hohen Horst, trauter Genoß, -- das war -- mit Urlaub -der herben Jungfrau dort sei es gesagt! -- das war herzlich thöricht -geredet. Verdienen zwar kann der Mensch die Liebe überhaupt nicht: - - Lenz, Leben, Liebe, Sonnenschein - Kannst nicht als Recht verlangen: - Drum mußt du fein bescheiden sein - Und sie geschenkt empfangen.« - -»Das ist hübsch,« rief Minnegard. »Ist gewiß provençalisch Gewächs?« - -Der Sänger neigte sich höfisch und fuhr gegen Edel gewendet fort: »Aber -dieser Spruch gilt von Weib wie von Mann. Die anders dächte, der sagte -ich: - - Der Starke ist der Schönheit wert - Und gleich der Rose gilt das Schwert. - -Und dir, du junger Aar vom hohen Horst, du Sieger in fast so viel -Gefechten als du Jahre zählst: -- schon nennt man dich weit über -Frankenland hinaus bis zu den Wenden den Rennespeer, den Junker -Siegespeer! -- dir sag' ich: es lebt kein Mädchen noch so schön und -noch so stolz-gemut, dessen du nicht würdig wärest!« »Eia wohl!« -wollte Minnegard rufen, aber die Stimme versagte ihr: sie erschrak, so -zornig klang nun Edels Frage, die sie Hellmuth zuschleuderte wie einen -spitzen Speer: »Euer letzter Sieg, Herr Ritter, war der zu Worms im -Lanzenstechen -- nicht?« Er errötete über und über; er ließ das Haupt -noch tiefer auf die Brust sinken und erwiderte, ohne sie anzublicken: -»Ich habe seither keine Waffe mehr geschwungen.« »Ja, allen Heiligen -sei's geklagt!« schalt Fulko laut. »Ein Kopfhänger ist er seither -worden! Kein Mensch begreift, warum? Nach dem glänzendsten Siege, der -seit Menschengedenken in einem Stechen gewonnen ward, so erzählte der -Herr Bischof.« »Jawohl,« bestätigte Minnegard. »Auch mir rühmte der -Ohm -- weiß nicht, Herr von Yvonne, warum er uns beide damals zu Hause -sitzen ließ! -- den Sieg des ›Rennespeers‹. Du aber, Edel, -- erzähle -doch! -- du warst ja mit dem Herrn Bischof damals zu Worms.« »Jawohl,« -fiel Fulko ein. »Wart nicht Ihr es, edle Jungfrau, die damals den -Siegesdank zu reichen hatte?« - -Die Frage blieb ohne Antwort. Denn ungestüm sprang Hellmuth auf. »Es -wird schwül im Walde!« rief er und ging mit langen Schritten auf und -nieder. Und zornig, schweigend, mit zusammengedrückten Lippen sah ihm -Edel nach. - - -X. - -»Halt an, Freund!« rief Fulko. »Du darfst nicht entweichen mit deiner -Lebensgeschichte. Beichte!« Hellmuth erwiderte nicht, er strich nur -das schlichte, kurze, dichte Blondhaar aus den heißen Schläfen. -»Jawohl,« pflichtete Minnegard bei und haschte ihn, da er wieder an ihr -vorüberstürmte, am braunen, lang nachflatternden Mantel. »Steht! Und -steht Rede!« »Ist bald geschehen,« erwiderte gelassen der Traurige. -»Heiße, wie ihr wisset, Hellmuth ...« -- »Trübmuth solltest du heißen!« --- »-- vom hohen Horst. Fern, aus dem Lande der Ostfalen stammte der -Vater. Der trat in den Dienst Sankt Burchhards zu Würzburg. Als des -Bistums Dienstmann bin ich geboren und trage seit der Schwertleite -des Bistums Waffen. Das ist alles.« »Nein,« rief der Ritter von -Yvonne, »+wie+ du sie trugst, -- +das+ ist die Hauptsache. Noch zählst -du nicht dreißig Jahre und seit vierzehn Jahren hast du in keinem -Gefechte gefehlt auf deutscher, welscher, wendischer Erde, darin Sankt -Burchhards Fähnlein geflattert und jedesmal ... --« »Bist du nun -fertig, Lobposaune?« schalt der Sachse, kurz vor ihm Halt machend. -»O nein, noch lange nicht!« lachte der Provençale. »Denn du wirst -noch lange ruhmreich weiterkämpfen in Ernst und Spiel.« -- »Glaubst -du? In einem Spielkampfe spiel' ich nie mehr mit. Ich hab's gelobt. -Nur in den nächsten Ernstkampf, der bevorsteht, -- in den reit' ich -noch ein.« -- Und als er wieder fern von den anderen war auf seinem -hastigen Gang, fügte er bei: »und nimmermehr heraus!« -- »Und du, -schöne Edel, vielgestrenge Vetterin, -- willst du uns auch nicht mehr -Worte gönnen als dieser eiserne Rennespeer?« -- »Noch wenigere. Ihr -wißt, ich bin von der Spindelseite eine fern versippte Niftel der Herrn -von Rothenburg, aber aus Nordalbingien von der Eider stammen mir die -Ahnen, von den Markgrafen von Esesfeld. Weit von hier im Nordgau lag -meines Vaters Volkfried Lehen, nahe der Wendenmark. Sie brachen gar oft -ein, die wilden Berunzanen. Und einmal trafen ihre weitgeschleuderten -vergifteten Wurfdolche den Vater vor der Burg am Edelhag bei -Wolframsdorf ...« - -»Ja, sind gar arg liebe Leute!« meinte Fulko, grimmig lachend. - -»Sie drangen mit den Fliehenden in die Burg und verbrannten sie mit -meiner armen Mutter: -- Muthgard hieß sie, nach einer Ahnin -- und -allem, was darin lebte. Nur mich flüchtete, aus der Wiege mich reißend -und aus den Flammen, ein treuer Knecht in den Taubergau zu meinen -Gesippen nach Rothenburg. Dort und, seit Herr Heinrich Bischof ward, -hier, haben sie mich mit milder Hand geborgen. Die Heiligen werden es -den Gütigen vergelten!« -- Sie schwieg eine Weile. Dann fuhr sie, weich -geworden, fort, in das Ohr der Freundin flüsternd: »Du +sollst+ ins -Kloster, Liebe, und ich -- +will+.« Minnegard erschrak. »Du wolltest -- -noch vor kurzem -- so wenig davon hören wie ich!« -- »Jetzt aber will -ich! Der Herr Bischof scheint -- -- anderes zu wünschen. Dürft' ich mit -dir tauschen! So wär' uns beiden geholfen.« »Aber wohl nicht allen,« -lächelte das Kind der Alpen, mit einem heiteren Blick auf Hellmuth. -Jedoch das Lächeln verflog ihr sofort, sowie sie Edels Auge, das sie -suchte, feindlich den Schritten des Junkers folgen fand. Sie trachtete -eifrig, das dunkle Gewölk solcher Stimmung zu verscheuchen: -- lachte -sie doch selbst so gern und hörte sie doch so gern andere fröhlich -lachen! -- - -»Nun,« rief sie mit ihrer glockenhellen Stimme, »Herr Fulko von -Yvonne, nun ist's an Euch. Da werden wir wohl viel mehr Worte und viel -weniger Wahrheit hören. Seid Ihr doch ein Sänger: -- oder wie sagt man -jetzt oft? -- ein Dichter!« -- »Gelogen ist nicht gedichtet, schönes -Fräulein. Ja, wer lügt, der ist kein Sänger. Und mein Wahlspruch -lautet: Wahre Schönheit ist schöne Wahrheit.« -- »Nicht ganz übel! --- Nun, so sagt uns denn auch schön die Wahrheit über -- Euch! -Nämlich! ...« -- Sie schwieg beharrlich. -- »Was will dies nämlich?« --- »Nämlich: -- -- ich kam einmal in Euere Kammer! ...« -- »Nun?« --- »Nämlich der Herr Bischof schickte mich: -- denn er wußte, Ihr -waret fern: -- mit den Junkern Hellmuth und Blandinus saßet Ihr, wie -gewöhnlich um die Mittagszeit, im schmalen Rebgarten des Hatharlin, -der den besten Wein verzapfen soll, unter seinen grünen Bäumen ... ---« -- »Weiß Dame Abonde, dort trinkt sich's gut mit fröhlichen -Gesellen!« »Der Herr Bischof, der selbst noch zuweilen die Laute -zupft wie in seinen Welttagen, gebot mir, Euere Citole zu holen. Oder -vielleicht auch« -- sie errötete -- »erbot ich mich dazu an Supfos des -Kellermeisters Statt. Denn längst war ich ein wenig neugierig, wie es -wohl bei ... Nun -- ich fand Euere große, große Truhe offen.« -- »Hab' -leider keine Ursach', sie zu schließen!« -- »Und fand -- bei Eurer -welschen Laute! -- gar sonderbare, mannigfaltige Herrlichkeiten. -- -Beutestücke wohl? Siegeszeichen?« -- »Was meint Ihr da?« »Ei nun, welke -Blumen, darunter noch in der Welke gar schöne, mir unbekannte, wohl an -Durance und Garonne aufgeblüht, ganze oder auch in der Mitte geteilte -Schapel, seidene Bänder, buntfarbige Schleifen, goldene Knöpflein, -Ringlein und Spangen und allerlei solch' Zeug. Wenn +die+ erzählen -könnten, -- was würden wir da alles erfahren!« drohte sie mit dem -Zeigefinger. - -»Daß Fulko von Yvonne mit Schwert und Laute durch gar manches Herren -Land geritten ist vom Pyrenäenberg bis über den Main, daß er in gar -mancher Schloßhalle und mancher Kemenate gesungen und unverdientes -Lob gewonnen, auch gar manch' üppige Frau, manch' schlanke Maid -gesehen und schön gefunden und ihr das auch vorgesungen, -- aber nur -Eine geliebt hat. Wollt Ihr deren Namen wissen, Jungfrau Minnegard?« -»Behüte! Mädchen sind nicht neugierig,« fiel sie hastig abwehrend ein, -aber sie lächelte und errötete. »Jedoch ein anderes wüßten wir gern -von Euch: Euer Wesen schillert zwiefach: seid Ihr ein Welscher oder -ein Deutscher?« -- »Beides, o wißbegieriges Fräulein. Ich verbinde -beider Völker Tugenden.« -- »Oder doch Laster! Aber erzählt!« -- »Mein -Vater war ein Neckarschwab; er kam auf einem Kriegszuge unter Kaiser -Ott dem Roten nach Frankreich: das schöne Land gefiel ihm: er blieb -nach dem Friedensschluß darin, nahm Lehen von Kaiser Otts treuem -Verbündeten, dem Grafen Gottfried vom Ardennerland, zog mit diesem in -allerlei Fehden tief in den Süden bis in die Provence und erstürmte -dort einmal das feste Schloß Yvonne, das hoch von steilem rotem Fels -durch Rebgelände niederschaut auf die wild schäumende Durance, nahm den -Burgherrn, Graf Eudo von Yvonne, gefangen und machte mit dem Graukopfe -wenig Umstände ...« »Pfui, wie unmenschlich!« schalt Minnegard. -- -»Nun, das ist doch zuviel gesagt. Er that ihm gar nicht weh dabei, als -er ihn ... --« -- »Schweigt! Wie grausam!« -- »Zu seinem Schwiegervater -machte.« Da lachte die Braune hellauf und selbst das andere Paar konnte -sich des Lächelns nicht erwehren. - -»Ja, das blieb nicht die einzige Unmenschlichkeit, die er ihm anthat. -Schon zehn Monate danach erhob er ihn -- aus lauter Ehrfurcht für sein -graues Haar! -- zu noch höherer Ehre, indem er ihn --« -- »Nun?« -- -»Zu meinem Großvater machte. Meine Mutter aber, Frau Jolanthe, war die -wunderschönste Frau über all Septimanien, Aquitanien und Provence. -Noch jetzt ist sie gar hold zu schauen, wie Ihr bald selbst sehen und -gestehen werdet, Jungfrau Minnegard. Gott segne ihre lieben Augen. -Heil mir: ich hab' sie niemals im Leben weinen machen.« -- »Das -- das -war ein hübsches Wort -- das beste, was ich noch von Euch gehört. Aber -was schwatzt Ihr da von Sehen? Wie sollte Eure Frau Mutter an den Main -kommen?« -- »Aber +Ihr+ kommt -- sicher! -- an die Durance. -- -- Der -Vater sandte mich schon früh von Yvonne an die Lehnhöfe zu Orleans, -zu Paris, zu Givet: -- denn ein Junker, meinte er, wird nirgends -schlechter erzogen als daheim. Von Givet aus geleitete ich unseren -Lehnsherrn, Graf Gottfried, zu dem jungen Kaiser, der damals noch in -Deutschland weilte, erhielt Urlaub, unsere schwäbischen Gesippen am -Neckar zu besuchen, ward auf dem Rückwege hier von Bischof Heinrich, -altem Waffenbruder meines Vaters, väterlich aufgenommen und ... --« -»Und es scheint Euch hier nicht übel zu behagen,« meinte Minnegard. -»Schon recht lange erfreut Ihr den Main und uns durch Euren Anblick.« -»Der Bischof hat ihn gar lieb gewonnen, den Schalk,« sprach Hellmuth, -die Hand auf des Freundes Schulter legend, »wie wir alle. Wir lassen -ihn gar nicht wieder fort.« -- »Ja, ich lasse mich erbitten, noch zu -bleiben. Denn ich muß dabei sein, wenn Jungfrau Minnegard den Schleier -nimmt. Ganz notwendig muß ich dabei sein.« »Wie schadenfroh!« schalt -diese. -- »Ich meine ja nicht den +Nonnenschleier+: -- den +anderen+ -meine ich!« flüsterte er ihr ins Ohr, sich so nahe vorbeugend, daß sein -braun Gelock ihre Wange streifte. »Jetzt ist's Zeit, aufzubrechen,« -rief sie. »Es wird immer heißer hier im Walde.« - -Hellmuth und Edel sprangen hastig auf: sie fanden das Beisammen kaum zu -tragen; sie schritten dem Rastorte der Rosse zu. Aber dem anderen Paare -schien's nun nicht so zu eilen: -- auch dem Mädchen auf einmal nicht. -»Ihr habt noch ein Wort einzulösen,« mahnte sie, ruhig sitzen bleibend. --- »Ich weiß: ein Lied!« -- »Nun wird es zu Tage kommen, daß Ihr gar -nicht, wie Ihr geprahlt, aus dem Stegreif dichten +könnt+.« -- »Doch! -Aber -- wenn's Euch dann nur auch gefällt. Ihr müßt's dann nehmen, wie -mir's aus der Seele bricht. Und bei mir heißt's: Feuer in die Leier -oder Leier ins Feuer.« - -»Nur zu! Fangt nur an. Ich fürchte mich nicht vor dem Feuer. Ich -gleiche der Schwalbe: die Kälte verscheucht mich, die Wärme zieht mich -an. Da! Nehmt!« Sie reichte ihm die kleine, zierliche, welsche Laute, -die sie schon vorher neben sich bereitgelegt hatte. Er strich einmal -über die Saiten, hob das schöne Gesicht in recht bedrohliche Nähe zu -dem ihrigen, sah ihr tief, suchend, in die haselbraunen Augen und hob -an: - - »Zu deinen Füßen lieg ich hier - Und schau' dir in die Augen: - O könnt' ich all dein Wesen mir - Heiß in die Seele saugen! - - Du trägst empor zu Sternenhöhn - Die glanzbeglückten Sinne: - Du bist so schön, so zauberschön, - So wonnig wie Frau Minne. - - Streifst mein Barett nur an dein Kleid, - Durchrieselt mich's wie Feuer: - Du meine Qual und Seligkeit, - Du mehr als Gott mir teuer! - - Man sagt, bald wird die Welt verwehn - In Brand und Funkenstieben: - Doch nicht in Glut kann untergehn - Mein noch viel heißres Lieben. - - Die Liebe, die ich -- unerkannt! -- - Fühl' hier im Herzen schlagen, - Sie wird dich durch den Weltenbrand, - Ein Flammenmantel, tragen!« - -Bei der letzten Zeile sprangen beide, heiß bewegt, auf: die Laute flog -in das Moos, und wer weiß, was das Rotkehlchen, welches neugierig aus -der Weißdornhecke auf das Paar hervorguckte, würde zu sehen bekommen -haben, -- hätten nicht gerade in diesem Augenblick die Diener den -Zelter des Fräuleins herangeführt. - - - - -Zweites Buch. - - -I. - -Der Herr Bischof von Würzburg war nicht recht mit sich zufrieden. - -Er sagte sich das, wie er an einem heißen Nachmittag in der Bücherei -auf und nieder wanderte. »Schon all diese Zeit her ist mir nicht -geheuer, seit ich Berengar entsendet habe; eigentlich doch mehr nur: -habe ziehen lassen. Und ich hab' ihm streng eingeschärft, noch nicht -abzuschließen mit den wilden Wenden. Ich scheue mich, sie in den Gau -hereinzurufen, am Ende gar in die Stadt einlassen zu müssen. Wenn diese -Heiden ...« Er blieb plötzlich stehen und griff mit der Hand an die -heiße Stirne. - -»Ah bah,« fuhr er, wieder ausschreitend, fort, »ich habe doch schon oft -schlimmes Kriegsvolk in Zucht gehalten, werd' auch mit diesen fertig -werden. Der erste, der stiehlt, hängt. -- Es ist nicht das! -- Aber -gegen den Kaiser! Gegen den deutschen König! Gegen diesen Jüngling: -- -er, seine Mutter, sein Vater haben mich mit Huld, mit Ehren überhäuft. -Undank wird er's nennen. Er -- und die Welt! Ich trotze dem lauten -Wort der ganzen Welt, wenn das stille Wort hier -- hier in der Brust -mich freispricht. Und es +muß+ mich freisprechen. Ich +muß+ Sankt -Burchhards Rechte wahren! -- Wäre doch Arn zurück mit der Entscheidung -des Papstes. -- Ja: die Entscheidung! Wäre ihre Stunde doch da! -- -Inzwischen verzehrt mich die Ungeduld! -- Immer beten! -- Kann's nicht! --- Und auch nicht immer lesen! -- Es ist so eng, so dumpf, so staubig -hier unter all den alten Pergamenten! -- Ich bin büchermüde. Menschen -will ich sehen! Hinaus ins Freie! Aber was draußen thun? Fechten darf -ich gar nicht mehr. Jagen soll ich nur zahm und selten. Der Bischof, -der Priester soll --! O Weh und Pein! Der Priester! Warum Priester, -warum? Ah falsches, treuloses Weib! Was hast du zu verantworten! Was -hast du angerichtet in mir, Verräterin!« Und er drückte die geballte -Faust vor das Auge. - -»Der Priester, -- der Bischof -- was kann er thun draußen unter den -Menschen? Ihnen wohlthun! Ja, und das will ich! ›Seelsorge!‹ Schönes -Wort! ›Herzenssorge‹ wäre auch gar schön, aber wer auf Herzen baut --! -Ah was! Fort damit. - -Geht es dir schlecht, soll's andern desto besser gehen! Hinaus, -Heinrich, und hilf, wo du kannst!« - -Er stieß den halbgeschlossenen Laden auf und blickte über die Stadt hin -gegen den Main. - -»Die Sonne geht zu Gold. Bald sinkt sie hinter die Buchenwipfel des -Königswaldes. -- Aber noch ist's Zeit genug, Gutes zu wirken, bevor der -Tag verronnen ist. Es kommt die Nacht, da niemand mehr wirken mag. Die -Nacht! Am Ende gar -- für diese Welt -- bald die ewige Nacht.« - -Er schritt aus dem Büchersaal in das Vorgemach, dann auf den breiten -Gang, in welchen die Holztreppe mündete, stieg diese herab und wollte -sich der Hauptthüre zuwenden, die aus dem Bischofshause ins Freie -- in -der Richtung nach Westen, gegen die Brücke hin, -- führte. - -Allein in der Mitte der Vorhalle ward er angerufen von einer Stimme, -die aus der Unterwelt emporzudringen schien. »Hezilo! Herr Graf! -- -Hochwürdiger Herr Bischof, wollt' ich sagen.« -- »Du, Supfo? Was -soll's? Was willst du?« - -Und er wandte sich zur Rechten, wo einige Stufen in die Keller des -Hauses hinunterführten. Auf der obersten derselben tauchte jetzt dort -eine behäbige drollige Gestalt auf, die aus lauter aufeinandergesetzten -Kugeln aufgebaut schien. - -Kugelform hatte das grüne Mützlein aus steifem Wolltuch, das, vorn -höher als hinten, etwas schief auf dem rundgeschorenen Grauhaar des -runden Kopfes saß. Aus dem ganz glattgeschorenen Gesicht traten -die stark geröteten Wangen halbkugelig hervor unter den runden -vergnügten Äugelein, die frisch und hell in die Welt schauten; unter -dem hellbraunen Schurzfell erhob sich ein Bäuchlein, das sich der -Kugelgestalt nach Kräften zu nähern trachtete und auch die roten -Wadenstrümpfe zwischen Knie und Knöchel hatten Mühe, ihren geschwellten -Inhalt zu bergen. Fröhlich, treuherzig und dabei recht gescheit, ja -schelmisch-witzig war der Ausdruck der angenehmen Züge: auch Herrn -Heinrich schien der Anblick zu vergnügen: heiter ward seine bewölkte -Stirne, während er auf die Antwort des dicken Männleins wartete. Diese -kam etwas langsam, denn der Rundliche hinkte ein wenig beim Ersteigen -der Stufen und schnaufte ganz gewaltig. »Uf! Heiß ist's im lieben -Würzburg im Brachmond sogar im kühlen Keller.« »Ja freilich,« drohte -der Bischof lächelnd, »wird dem Kellermeister warm, wenn er so fleißig -seines Amtes waltet -- im Vorkosten! Aber was willst du?« -- »Was ich -will? O Hezilo, lieber Herr, -- das krieg' ich doch nie wieder.« -- -»Was ist's?« -- »Meinen Hezilo von ehemals möcht' ich wieder haben! -Den aus der guten Rothenburger Zeit. Hei wie wir jagten mit dem alten -Rado in dem waldgrünen Taubergrund! Den +Grafen+ Heinrich möcht' ich -wieder haben, den jagdfrohen, waffenfrohen, weinfrohen, frauenfrohen -...« Hier furchte der Bischof die hohe Stirn. »Den weltfrohen Liebling -von Jung und Alt, von Mann und Weib!« »Ja, Vielgetreuer,« seufzte Herr -Heinrich, »der ist gestorben und begraben! Lange schon!« -- »Ich weiß! -Ich weiß! Weiß auch den Todestag, die Todesstunde -- zu Pfingsten -war's. -- -- Hätt's nie von ihr geglaubt! Der arme Herr!« brummte er -unhörbar. »Schad' um Euch, Graf Hezilo! Was war's für eine Freude, -mit Euch leben im Frieden, und im Krieg erst recht! Wißt Ihr noch den -schlimmen Julitag von Squillace? Wetter und Strahl, dort in Kalabrien -war's doch noch heißer als hier am Main! Da Ihr -- Ihr allein den -Herrn Kaiser Ott den Jüngeren -- noch seh ich ihn vor mir in seinem -jugendlichen welligen roten Bart! -- vor der Gefangennehmung gerettet -habt? Sie glauben falsch, diese Saracenen, aber dreinschlagen thun sie -ganz richtig. Auf einmal waren sie da, wie vom Himmel heruntergeflogen, -unzählbar viele! Nichts sah man mehr -- vorn, hinten und links -- -als ihre weißen Flattermäntel fliegen! Es war wie ein unabsehbar -Schneegestöber.« - -»Ja,« fiel Herr Heinrich eifrig ein. »Und welch' ein furchtbar -Kampfesfeld für uns! Ich hatte treu davor gewarnt, von der breiten -alten Straße oben auf den Berghöhen herabzuziehen auf den Schmalpfad -unten an der See. Nun hatten wir's! Vorn und hinten die Araber zu -Roß: auf den Felsen aber zur Linken -- wie steil stiegen sie empor! --- die arabischen Pfeilschützen zu Fuß, unsichtbar, unerreichbar: und -hart zur Rechten -- das brausende Meer, gierig, jeden Ausgleitenden -zu verschlingen.« »Wie viele starben damals,« fuhr Supfo fort, »des -Herrn Kaisers Entkommen zu decken! -- Wißt Ihr noch, wie er zuletzt --- auf geliehenem Roß! -- in das Meer hineinsprang und schwimmend ein -Schifflein erreichte?« -- »Da fielen alle um ihn her, Herr Richari, -sein Lanzenträger, und die Markgrafen Berchtold und Günther, die -Grafen Udo, mein Vetter, Gebhard, Ezelin.« -- »Landulf von Capua und -Atenulf, die edeln Langobarden.« »Und sogar der alte ehrwürdige Herr -Bischof Heinrich von Augsburg kämpfte dort und starb für seinen Kaiser. -Beneidenswerter Tod für einen Bischof!« seufzte Herr Heinrich. -- »Da -lag sie hingestreckt, seine ganze Stechschar. Nur Einer daraus stand -noch aufrecht, seine Flucht zu decken. Aber zu Fuß, denn das eigne -Pferd hatte er dem Kaiser aufgedrängt, da dessen Rotroß, von Pfeilen -gespickt, unter ihm zusammengebrochen war. Und dieser, stets der -vorderste am Feind, im Weichen der letzte, der hieß -- Heinrich von -Rothenburg.« -- »Nein! der vorletzte hieß so. Denn der letzte, der den -Schild über mich hielt, der hieß Supfo, der von der Taubermühle. So -oft ich dich den linken Fuß ein wenig nachschleppen sehe, denk' ich -des Schwerthiebes, den du damals für mich aufgefangen.« »Bah,« lachte -Supfo, »der Heide, der den Hieb schlug, ist doch schlimmer daran. Zwar -schleppt er den Fuß nicht nach, aber auch den Kopf nicht mehr mit! -- -Ja, das waren noch Zeiten! Achtzehn Jahre sind's nun bald! -- Aber -auch noch nach des Herrn Kaisers frühem Tode erging's uns gar gut. Wir -sonnten uns unter der warmen, -- recht warmen! -- Gnade der schönen -Kaiserwitwe. Weiß Sankt Kilian, Ihr und ich, wir beide regierten damals -die Frau Regentin samt dem heiligen römischen Reich!« - -Herr Heinrich mußte lachen. - -»Als der falsche Vetter von Bayerland sie verriet, ihren Knaben stahl, -das Reich an sich riß, viele, viele geistliche und weltliche Fürsten -abfielen von der vereinsamten Witwe und ihrem guten Recht, da habt Ihr -bei der vielschönen Griechin nahezu allein ausgeharrt, -- wie einst bei -ihrem Gatten in der Schlacht -- ein Turm in ringsher brandender Flut, -und habt endlich ihre Sache zum Siege durchgekämpft. Das war lustig. -Fast jede Woche ein Gefecht! Und jed' Gefecht ein Sieg. Und die Sieger -immer Ihr und Graf Gerwalt.« - -Der Bischof schloß die Augen. - -»Und in dem Hoflager der Regentin die edle, holde Jungfrau Heilfriede! -Wie oft hat sie nach erfochtenem Sieg Euch den Helm mit Eichenlaub -gekränzt! Euch oder Graf Gerwalt.« - -»Was hast du von des Grafen Gerwalt Eheweib zu schwätzen?« -- Recht -unwillig war das gefragt. -- »Und wozu riefst du mich an?« - -»Zu nichts Bösem wahrlich! Ich wollt' Euch bitten, den Lautertrunk vom -vorvorigen Herbst zu kosten: ich sag' Euch -- der ist fein geraten!« --- »Ist mir nicht danach zu Mut. -- Mich rufen Pflichten.« Und er -wollte sich zur Thüre wenden, aber der Kellerer hielt ihn am langen -porphyrroten Bischofsgewande fest. - -»Auch +das+ ist Pflicht, zu erproben, wie herrlich der milde -Himmelsherr Eurer müheschweren, klugen, ja weisen Arbeit gelohnt hat. -Viele Jahre sind's nun, seit Ihr, -- kaum waret Ihr hier eingesetzet --- befohlen habt, auch die unwirtlichen Hügelhalden im Norden der -Stadt dem Weinbau zu gewinnen. Eitel Geröll und Gestein bis dahin! Den -›Stein‹ schalten die unzufriedenen Bauern den ganzen unnützen Berg, -auf dem nur ein paar Ziegen kletterten. Aber die liebe Mittagssonne -liegt darauf so lang und so heiß sie irgend kann! Die Blust der Trauben -verweht dort nie ein rauher Wind: -- des Berges hoher und breiter -Rücken schließt ihn aus. Schwer Geld hat's Euch gekostet, die edelsten -Rebschößlinge tief aus Welschland zu beziehen: -- den ersten habt Ihr -mit eigener Hand gepflanzt und gesegnet, und unverdrossen habt Ihr -all die Jahre lang bei dem müheharten Winzerwerk selbst mitgearbeitet -in Sommerbrand und in Herbstnebel. Zum erstenmal nun kelterten wir -vor zwei Jahren dies welsche Gewächs auf ostfränkischem Boden -- treu -und liebevoll, wie eines Liebchens, pflegte ich des Fasses! -- und -nun kommt in den Keller und schmeckt, genießt, was Ihr da Köstliches -geschafft. Es rollt wie flüssig Feuer durch die Adern. Noch späte Enkel -werden Euch drum danken.« -- »Ich hab' gelernt, der Menschen Dank -entsagen. Ich gehe, um ...« -- »Nein, Herr, bitte, bleibt nur noch ein -weniges. Ich ... ich habe Euch im Keller etwas mitteilen wollen: -- es -wäre gerade der rechte Ort dafür gewesen: auf einem Fäßlein sitzend -und von Weinduft umweht -- so muß man das lesen und anhören. Denn es -ist ...« er lachte herzlich. -- »Nun was ist's?« -- »Ein Brieflein -von Arn!« -- »Wie? Von Arn? Aus Welschland? Wohl gar aus Rom? Was? An -dich schreibt er und mich, der ich so schmerzlich auf Nachricht, auf -Entscheidung warte, mich läßt er ohne Kunde? Das ist ja ...« -- »Nein, -nein, Herr Graf, es ist kein Unrecht wider Euch: -- Ihr werdet's gleich -selbst einsehen: aber, bitte, laßt Euch einen Augenblick nieder -- dort -auf der Hallenbank.« -- »Ich nicht! Aber du! Dein Fuß! Verzeih mir, -Freund, daß ich dich so lange stehen ließ.« Und fürsorglich geleitete -er den Humpelnden an die Bank und ließ ihn auf dieselbe niedergleiten. - - -II. - -»Wie gut er ist!« flüsterte der Runde. »Und immer so allein! So -trübselig! Unter den verwünschten heiligen Pergamenten. Gott verzeih -mir's: ich wollte sie wären lauter Fässer voll Stein und Leisten!« --- »Nun also! Was schreibt mein träger Bote?« -- »Vor allem, er ist -noch nicht in Rom. Der Brief ist geschrieben in einem Dörflein hinter -Florentia und erst vor einer halben Stunde brachte ihn ein Laienbruder -aus dem Sankt Gundberts Kloster zu Onoldesbach (dem mußt' ich doch den -Willkommbecher vom Fasse füllen!) dort, bei den guten Mönchen, liegt -Arns Reitknecht wund: er stürzte mit dem Gaul schon auf dem Brennerberg -und schleppte sich seither all den weiten Weg durch Bayerland und -Schwabenland bis in unser liebes Franken. Darum währte das so lang. Nun -hört, was der wilde Bayer schreibt: mir ist, ich seh' ihn vor mir und -hör' ihn! Die armen Welschen, die ihn angehen wollen! Der Riese steckt -zwei von ihnen, wie etwa Euer zwiebelgelber Berengar ist, unter jeden -Arm und trägt sie ins Wasser wie junge Katzen. - -›Unsern huldvollen Gruß und geistlichen Segen zuvor ...‹« »Der -Unverschämte!« lachte der Bischof. -- »Unserem lieben und getreuen, -aber durstigen Supfo. ›Meinem gnädigen Herren, dem Bischof, hast du -sofort zu melden, daß nichts Entscheidendes zu melden ist.‹« -- »Noch -immer nicht! Ja freilich, wenn er erst bei Florenz ist!« -- »Verzeiht, -Herr Hezilo, der Brief ist ja viele Wochen alt: -- wegen des Boten, der -lange Zeit schon zu Wilten am Fuße des Brennerberges liegen bleiben -mußte: -- einstweilen muß der Bayer längst am Tiberstrom angelangt, ja -er kann schon bald wieder zurück sein! -- ›Dem hochehrwürdigen Herrn -Bischof -- oder wie ich lieber sage -- denn so durft' ich sagen in den -schönsten Jahren meines Lebens! -- dem tapfern Herrn Grafen also Gott -zum Gruß voraus. Aber dann gleich Weidmannsheil und Weinfreude vollauf! - -Schon einige Male hab' ich ihm durch Boten Nachricht gesandt, wie -es mir ergangen auf meiner frommen Fahrt, zu der er mich unfrommen -Jägersmann auserkoren hat. Wundert mich nur, daß er mir nicht Rado, -den Heiden, mitgegeben hat als Begleiter. (Grüße mir den Alten und -er soll mir noch ein paar Stück Wild übriglassen im Grafenwald!) -Hat meine Aussendung Herrn Heinrich der heilige Geist eingegeben, -so war der gerade in sehr guter Laune. Denn mir geht's soweit ganz -gut. Lieber zwar ritt ich mit Junker Hellmuth auf die Wolfsjagd oder -säße mit dir, Freund Kugilo, in dem geheimen Kellerverschlag, wo du -Schlauer die Griechenweine birgst, und mit dem lustigen Junker Fulko: --- grüß' ihn schön, und sag' ihm, ich habe zwischen Main und Arno keine -zweite Minnegard gesehen, ja keine, die würdig wäre, jener ersten -den Strumpf über den feinen Knöchel zu streifen.‹« »Ich werd' ihm!« -unterbrach heftig der Bischof. »Du unterfängst dich nicht, dem kecken -Provençalen ...! So weit ist das schon? Nun, warte Jungfräulein! Das -führt dich noch rascher ins Kloster.« Supfo wollte etwas einwenden, -aber dies zornige Antlitz vertrug jetzt kein Widerwort; so fuhr er -fort: »›Als daß ich hier im heißen Welschland erkunden soll, -- höchst -überflüssigerweise! -- ob nicht demnächst die Welt untergehen wird. -Es fällt ihr gar nicht ein. Sie schaut gar nicht danach aus! Zwar -wahr ist: je weiter man gen Mittag reitet, desto häufiger findet man -diesen dummen Wahn in den Köpfen der Leute und desto verbissener -und versessener sind sie darauf. Aber das macht nicht die größere -Weisheit, sondern die größere Hitze, bei der ja die klügsten Rüden, die -oft viel gescheiter sind als die Menschen, toll werden. In Augsburg -glaubte noch kein Mensch daran: -- nur ein paar Nonnen! -- in Bozen -schon viel mehr Leute, auch Weltliche: in Mailand ist noch kaum ein -Vernünftiger -- ausgenommen Herrn Heinrichs Bruder, der Herr Erzbischof -Kanzler Heribert: -- der sagte mir: er glaube es erst, wenn's der Herr -Papst befehle ...‹« Der Bischof nickte: »So schrieb mir Heribert, und -also halt' ich's auch.« Der Runde legte das Pergamentblatt nieder auf -seine Kniee und sah ihn an -- mit einem vielsagenden Lächeln. »So --- --?« fragte er gedehnt. »So? -- Ich ... ich halt' es anders.« -- -Rasch, wie um einer Frage zuvorzukommen, las er weiter. »›Vollends -aber in dieser sonst gar lieblichen Stadt Florentia! -- ich kenne sie -gut von früher! -- jedoch davon alsbald. Es ist mir also immer gut -gegangen, Freund Supfissimo, wie man dich hier zu Lande nennen würde, -abgesehen von der landesgebräuchlichen grausamen Hitze: die verträgt -mein zottiger Kopf und mein vollblütiger Leib gar schlecht. Denn siehst -du: die unsinnige Hitze macht unsinnigen Durst, der unsinnige Durst -macht ein Trinken, das auch nicht alle Tage sinnig bleibt und dann -macht das starke Trinken wieder noch stärkere Hitze und so geht es in -der Runde fort wie beim Rosenkranzbeten. - -Zumal ich doch die edle Gottesgabe, die hier wächst -- fast schwarzrot -ist der starkduftende Feuerwein! -- wahrlich nicht wie diese -erbärmlichen Welschen mit sündhaftem Wasser verschänden werde. Nun, -und im Rausch giebt's dann manchmal einen gelinden Raufhandel. Denn -mich macht der Rausch nicht weinerlich, sondern minnegehrend wider -die Weiblein und kampfgehrend gegen die Mannsleut' --‹ Ich muß schon -sagen,« unterbrach sich der Dicke hier, »einen gar frommen Boten -habt Ihr an den heiligen Vater geschickt. Der wird eine Freude haben -an Arn aus Bayerland! -- ›Trittst du aus den kühlen, kellergleichen -Weingewölben auf den glutheißen, in grellstem Sonnenbrand bratenden -Marktplatz so einer welschen Stadt, dann glaubst du ohnehin, du stehst -mitten in einer sausenden Windmühle: so geschwind drehen sich Säulen -und Kirchen und Bettelbuben und Heiligenbilder und Cypressen und -Marktweiber um deinen armen Schädel. -- Nun, und da bin ich auch schon -manchmal einem schwarzlockigen, glutäugigen Mägdlein oder auch einer -Ehefrau -- man kann's doch nicht immer gleich erraten, zumal sie hier -ihre Ringhand mit Handschützen zudecken! -- nachgestolpert ... --‹« - -Hier sah sich zur Abwechselung der Bischof zu einer Unterbrechung -veranlaßt: »Nun warte, Bayer! Geht die Welt +nicht+ unter, sollst du -mir fasten und dursten, daß dir die Üppigkeit vergeht.« »Hilft nicht. -Kommt nicht wieder!« meinte Supfo trocken und las weiter. »›Schon in -Verona, in Mailand hab' ich daher leider manchen Degenstoß auffangen -und zurückgeben müssen, wenn mir so ein neugieriger Vater, Bruder -oder wenig duldsamer Ehemann dabei in den Weg lief. Aber in dieser -schönen Stadt Florentia: -- das gab einen Spaß ohnegleichen! Schon -lange erzürnte mich, daß, je tiefer ich in das schöne Land hineinreite, -desto mehr die Hitze zu- und der Verstand abnimmt, so daß sie mir -achselzuckend ›barbarische Wildheit‹ an den Kopf werfen, weil ich an -jenes Gewäsch vom Weltende nicht glaube. - -Hatt' ich mich da in meiner Herberge den ganzen Abend herumgestritten -mit zwei edlen Florentinern und zwei Mönchen von Cluny -- die nicht -zu trinken, sondern zu bekehren in die Weinherbergen gingen, tranken -zwar doch bei der Bekehrung, aber ich mehr als alle vier! -- und als -der eine Pfaff boshaft wurde und von ›dummen Deutschen‹ und ›groben -Bayern‹ sprach, erklärte ich, ihn hinausthun zu müssen: -- und zwar, -weil's näher sei, zum Fenster: -- es war nämlich im Erdgeschoß und -nicht gar zu hoch -- und da ich es ihm einmal versprochen, ließ ich -ihn auch nicht lange warten. Sein Genosse entwich kreischend durch -die Thüre. Aber da die beiden florentinischen Valvassori dem andern -helfen wollten, hatte ich sie diesem vorausschicken müssen. Nun, so was -bringt das Blut in leise Wallung. Und wie ich nun den Schlaf suchen -will auf meinem elenden Lager -- ungleich weniger Strohhalme denn Flöhe -barg der Sack, der also richtiger ein Floh- denn ein Strohsack würde -geheißen haben, von anderem Getier, nicht so groß wie Skorpione, aber -viel häufiger, zu schweigen! -- da ertoset ein unglaublich Heulen und -Winseln auf dem weiten Platz vor meinem Fenster, als ob tausend Teufel -tausend alte Weiber zwackten. Ich springe mit einem Salzachfluch ans -Fenster und seh' im Mondschein und im Licht von düster rotflammenden -Pechfackeln einen langen, langmächtigen Zug von Pfaffen und Laien und -Männern und Weibern und Kindern und gewaffneten Valvassoren und schön -geputzten Edelfrauen und zerlumpten Bettlern, alles einträchtiglich -nebeneinander, und all das wälzt sich, betend und singend, gegen die -alte Basilika mir gegenüber. Und trugen eine Menge Wachskerzen und -Fackeln und Kreuze und Bandièren und Heiligenbilder: und heulten aus -eitel Furcht vor dem nahenden Tod und Teufel und Weltgericht, daß es -die Steine erbarmte; oder doch die Hunde von Florenz, denn die heulten -mit gottsjämmerlich. Und scholl's da durcheinander auf Latein und auf -Welsch und sangen: ›Wehe! Reue! Buße! Besserung! Glaube! Der Diabolus -droht. Das Weltgericht! Und vorher geht umher der Antichrist.‹ - -Gute Nacht, Schlaf! sagte ich. Flöh' im Stroh, vor dem Fenster Weiber, -Hunde, Pfaffen heulend um die Wette -- mir ward's zuviel. Gut' Nacht, -Florentia, denk' ich. In hellem Zorn lauf' ich hinunter in den Stall --- ziehe meinen Hengst heraus -- den Reitknecht hatte ich schon -vorausgeschickt nach Germinianum: denn der hatte -- er ist aus Passau -und ein wenig grob! -- mit dem Wirte einen unerheblichen Raufhandel -gehabt: -- drei Zähne, aber nur florentinische! -- Und will auf und -davonreiten noch in der Nacht. Suche aber den Wirt, weil ich die -Zeche immer zahle, wie hoch sie sei. Alles leer! Wirt und Wirtin und -Kammermagd und Stallknecht: -- alle halfen wohl da draußen das Ende -der Welt herbeiheulen. Und wie ich durch all die kleinen engen Kammern -laufe -- (in wahren Mauslöchern hausen sie, diese Welschen! Warum? -Liegen immer auf der Straße) ... Jetzt weiß ich aber nicht mehr, wie -ich den langen Satz angefangen habe, denn auch hier in Germinianum ist -der Wein ziemlich stark: ich mußte ihn sogar auch in die Tinte träufen -(~atramento~ sagen sie hier), und ist immer im Eintrocknen, wegen Hitze -der Natur und Seltenheit des Schreibens ... also hier geht es mit den -Worten nicht ganz zusammen, wohl weil die Tinte -- nicht ich! -- des -Weines allzuviel getrunken, aber du wirst es schon verstehen -- also -daher finde ich keine Seele. Aber in einer Gewandkammer, in die der -Mond voll hineinscheint, wär' ich schier erschrocken. Denn da hing -einer. An einem Thürhaken. Sah aus wie der leibhaftige Teufel, etwa wie -ihn die Buben bei uns am Ostersonntag auf der Bleichwiese vor der Stadt -verbrennen im Osterfeuer. Schwarze Tarnkappe mit zwei Gemshörnern, -schwarze Kapuze, glühendrote Augen, rote Zunge, lang heraushängend -aus bleckenden weißen Beißzähnen -- Fledermausflügel an den Schultern --- langer schwarzer Mantel, der die ganze Gestalt verhüllt -- eine -zweizinkige Feuergabel lehnte daneben. Die Welschen haben solche -Mummerei im Hornung. Ein lustiger Gesell hatte wohl für manchen -vertrunkenen Krug Chlavintowein den kostbaren Seidenmantel als Pfand -zurückgelassen. Die Verlarvung sehen und laut aufschreien vor Spaß war -eins bei mir! Flugs stak ich drin: vom Hirn bis zum Knöchel der Teufel. -Flugs auch saß ich auf meinem schwarzen Gaul und, die Zackengabel -schwingend, jage ich, was das Roß nur laufen kann, schreiend, wie auf -einer Salzburger Hochzeit, plötzlich in den heulenden Zug. Von der -Seite her kam ich: ganz ungesehen, bis ich mitten drin war unter den -heulenden und zähneklappernden Weibern und Pfaffen. Da schrie ich in -meinem besten Florentinisch: ›Ja! Ja! Der Teufel! Der Teufel! Ihr habt -ihn gerufen. Jetzt kommt er, euch holen!‹ O Supfo mein! Hättest du das -mitangesehen! Du hättest dir das Bäuchlein gehalten vor Lachen! Hättest -du den Schrecken gesehen, den ich, der Eine Mann, der verachtete -Barbar aus Deutschland, all diesen überklugen, feingeistigen Welschen -einjagte. Auseinander stoben sie wie ein Flug Sperlinge, darein der -Habicht stößt. - -Männer wie Weiber, Ritter wie Pfaffen, die Kerzen, die Fackeln, -die Kreuze, die Fahnen warfen sie weg, über den Haufen rannten sie -sich, alles drängte, die Kirche, den rettenden Altar mit seinen -Heiligenknochen zu gewinnen. ›Der Teufel! Der Diabolo! Der Antichrist! -Der Dämon!‹ schrieen sie durcheinander. ›Gleich greift er mich. Er hat -mich schon.‹ - -So sprengte ich zwei-, dreimal von links nach rechts und von rechts -nach links quer durch den langen Zug, der in seinen Windungen sich -mehrfach über den weiten Marktplatz hin dehnte. Und nicht einer hatte -den Mut zu stehen, meinem Gaul in den Zügel zu fallen. Nachdem ich, -der Eine Salzburger, etwa zweitausend Florentiner in die Flucht der -Todesangst gejagt, sprengte ich davon, und riß mir, als ich an das -römische Thor gelangt war, die Teufelslarve ab. Hier ward ich eine -kleine Weile aufgehalten. Der Thorwart hatte meine Entmummung gesehen -und leider kannte mich der Mann von meiner letzten Fahrt durch Florenz: -und nicht gerade von meiner tugendlichsten Seite: denn er hatte -damals eine Nichte gehabt, eine dralle Dirne von üppigem Wuchs und -Wesen. Der unchristlich lang nachtragende Oheim stürzt also, sobald -er mich erkennt, auf den Platz vor dem Thore mit gefälltem Speere: -›Halt,‹ schreit er, ›ruchloser Arn, du trägst mit Recht des Teufels -Gewand.‹ Und wirklich mußte ich ihm erst den Speer aus der Hand und die -Sturmhaube vom Kopfe schlagen, bevor ich an ihm vorbei ins Freie jagen -konnte. Die Zeche blieb -- zu meinem großen Kummer! -- unbezahlt: ein -halbes Brot, ein Käse und siebzehn Krüge Wein. Der Teufel, für den sie -mich genommen, mag sie zahlen, kommt er einmal wirklich nach Florenz. - -Nun Gott befohlen, Supfo. Trinke den Griechenwein nicht allen allein -aus, bevor ich wieder zurück bin. Ich komme durstiger aus diesem Lande -der Heiligen heim als ich hineingeritten. Noch heute geht's nach Rom -weiter. Ich freue mich auf den heiligen Vater. Aber noch viel mehr auf -die unheiligen Römerinnen, die stolzbusigen, wie man sie nennt, und -auf den Wein der Campagnatrauben. Das soll der feurigste sein. Gegeben -in einer Taverna zu Germinianum, wo es auch wieder Flöhe hat. Aber es -sind doch andere. Es grüßt dich Arn von der Salzach, Jägermeister zu -Würzburg und Teufel zu Florenz.‹« - - -III. - -Der Bischof schüttelte den Kopf, aber er mußte doch lachen. »Es ist nur -ein Glück, daß mir der wilde Bayer die Entscheidung des heiligen Vaters -schriftlich zu bringen hat. Seinem mündlichen Bericht ...!« »Nun ist's -schon recht,« rief Supfo heiter, sich erhebend von der Bank und das -Pergament wieder in den Gürtel des Schurzfells steckend. »Der freche -Brief hat doch was Gutes gewirkt: Ihr habt gelächelt, Herr Hezilo, und -die böse Falte auf der Stirn, mit der Ihr kamt, hat sich verzogen. -Wißt Ihr was? Wollt Ihr mir nicht in den Keller folgen, so verstattet, -daß ich mit Euch gehe. Meine Gesellschaft ist doch noch besser als die -Eurer Gedanken in der Einsamkeit.« -- »Du hast weit mehr recht hierin, -als du ahnst! -- Komm mit!« -- »Gleich, teurer Herr, gleich! Aber da, -nehmt, bitte, diesen Schattenhut: -- ich habe ihn für Euch erstanden -auf dem letzten Markt von den Dalmatinern -- er hängt nun immer hier -an der Hallenthüre für Euch bereit -- er ist von feinem Stroh, gar -leicht und luftig: -- die Sonne schießt noch heiße Pfeile über den Main -herüber. Wo steht mein Krückstock? Da in der Ecke. Ich schreite doch -besser damit und manchmal gilt's, ein bissig Schwein von den Waden zu -wehren! So!« Er öffnete die breite Thüre der Halle. »Im Namen Gottes!« -betete der Bischof im Hinausschreiten. »Er segne unsern Ausgang.« -Beide stiegen nun die Sandsteinstufen hinab auf den freien Platz vor -Bischofshaus und Dom. »Wohin zuerst?« fragte der Kellermeister. -- -»Ich will einen Rundgang der Seelsorge machen und der guten Werke; es -gilt gleich, wo wir beginnen: führe du. Du kennst der Menschen Not und -Wünsche gut, fast besser als ich, was traurig zu gestehen,« schloß der -Bischof seufzend. »Ja freilich,« meinte Supfo und schlug die Richtung -von dem Domplatz nach links, nach Süden, ein. »Für die letzte Zeit -mag's zutreffen. Ihr zieht Euch ja immer mehr in Euch selbst zurück. -Oft seh' ich noch nach Mitternacht vom Hof aus in der Bücherei Euer -Öllämplein glimmen. Immer beten!« -- »Wenn's doch gebetet wäre!« -- -»Oder höre unten in unserm Schlafzimmer Eueren Schritt ob meinem Haupte -rastlos -- rastlos -- auf und nieder! Seit Ihr diesen schwarzhaarigen -Welschen ...« -- »Schweig, Supfo. Ich weiß, du hassest ihn bitter. -Das ist unchristlich.« -- »Aber unvermeidlich! Der hagere Kerl mit -seinem graugelben Gesicht -- wie ein unreif verfaulter Apfel! -- sein -Anblick schon zieht mir das Wasser im Mund zusammen wie der Saure von -Dürrbach.« -- »Er hat sich als mein -- und was viel mehr ist -- dieses -Bistums eifrigster Freund bewährt.« -- »Wer's glaubt wird selig, -- -oder angeführt! Er ist glücklich fort seit ein paar Tagen. Sankt Kilian -schenk' ihm eine lange Reise! -- Seht hier, Herr Bischof, könnt Ihr -gleich anfangen mit guten Werken!« Und er blieb stehen. - - -IV. - -»Was? Hier?« rief der Bischof unwillig. »Bei dem Hause des Geizhalses, -des Kornwucherers? Wenig erbaut bin ich vom Treiben dieses Renatus.« - -»Nennt ihn doch nicht Renatus. Isaak heißt der Jud'.« -- »Er ist -getauft.« Supfo lachte. »Tauft ihn nochmal! -- deshalb führt' ich -Euch her! -- Aufs erstemal half's wenig, aber besser: laßt es ganz -bleiben! Wein kann man wassern, nicht Blut.« -- »Ich verbiete dir, so -von dem heiligen Sakrament zu sprechen.« -- »Verzeiht mir, Herr. Aber -ist's nicht so? Der Glaube wird danach -- vielleicht, vielleicht auch -nicht! -- geändert: aber das Geblüt? Wisset Ihr noch in Neapolis, der -schönen Stadt, des Herrn Kaisers Mohren aus Äthiopia? Die Welschen -hatten ihn bei ihrem Mummenschanz vor Aschermittwoch mit weißem -Mehlkleister überstrichen -- fingerdick! Aber sowie er schwitzte beim -Tanzen und Springen, da bröckelte die weiße Tünche ab von Stirne, -Wangen und Händen und allüberall kam die angeborne schwarze Haut wieder -zum Vorschein. Gedenkt Ihr's noch? Nun seht, gerade so steht's mit -dieses Juden Taufe. Wird der Mensch in ihm warm und rührt sich, -- -bröckelt der Christ ab und der Jude kommt zum Vorschein. Da lob' ich -mir die Ungetauften: -- unter denen sind die Besten!« -- »Du sprichst -unchristlich. Die Taufe bringt ihnen das Heil.« -- »Ja, aber nur, -wenn sie daran glauben, wenn sie das Sakrament deshalb suchen. Wenn -sie's aber suchen, weil sie sich ihres Volkes schämen und lieber mit -den Christen die Juden placken wollen als sich mit den Juden von den -Christen placken zu lassen ...« - -»Und geplackt müssen sie doch nun einmal werden, nicht, Supfo?« -lächelte der Bischof. -- »Gewiß, dafür sind's Juden. Sind ja das -›auserwählte Volk‹. So hat sie der Herr, nachdem sie seinem Sohn Gewalt -und Unrecht gethan, auserwählt, Gewalt und Unrecht zu leiden. Das ist -doch klar und höchst gerecht. Ihr Volk verleugnen diese Abtrünnigen -und Euch, Herr Bischof, lügen sie vor, sie glauben: Untreue und Lüge -aber bringt nicht Heil, sondern Schmach. Dagegen des Juden Mutter, -- -das ist ein prächtig Weib! Seht, da tritt sie gerade hervor aus ihrem -Hofthor.« Vor der Außenthüre des ansehnlichen Holzhauses erschien eine -stattliche alte Frau mit edeln, vornehmen Zügen des tief gebräunten -Gesichtes. Sie trug die phantastische, kleidsame, weitfaltige Gewandung -der Orientalen. Ein gelbes Brusttuch von feinster Wolle verhüllte -den Oberleib, gelb waren auch die spitzen Schnabelschuhe, die aus -dem langen, dunkelblauen Rock hervorsahen; ein ganz enganliegendes, -turbanähnlich gebundenes Kopftuch von schwarzer Seide verbarg -sorgfältig jedes Haar der Witwe. Sie kreuzte ehrerbietig die Arme -über der Brust, neigte, gleich einer Palme, das hohe Haupt vornüber -und sprach mit niedergeschlagenen Augen: »Der Gott meiner Väter segne -dich und behüte dich, großgewaltiger und -- was siebenmal mehr ist! --- großgütiger Herr Bischof. Und er lohne dir, daß du bist ebensogut -als du bist gewaltig.« »Mit der großen Gewalt, Sarah,« erwiderte der -Gelobte, »ist das so schwach bestellt wie -- leider! -- mit der Güte.« -»Laßt Euch nicht irren, kluge und schöne Frau!« fiel Supfo ein. »Wären -wir nur so fröhlich, als wir gut sind.« »Unnütze Reden!« verwies der -Bischof. »Jawohl,« sprach die Greisin mit sanfter, wohllautender -Stimme und schlug die langen, schwarzen Wimpern auf: -- die schönen -dunkelbraunen Augen leuchteten immer noch -- »unnütz, denn man +kennt+ -Eures Herzens Güte! Mein Eheherr Manasse, -- lang ruhet er, gesegnet -sei sein Gedächtnis für und für und sein Name sei nicht vergessen in -Israel! -- oft hat er es uns geschildert, Isaak, unserm Sohn, und mir, -wann wir saßen in Frieden vor den brennenden Leuchtern und aßen vom -Passahlamm und Ruhe waltete im Haus und ringsum im Lande und Sicherheit -in der Stadt. ›Die Ruhe‹ -- hat er gesagt, -- ›und die Sicherheit -verdanken wir nach Gott dem Herrn dem Mann, der da ist wie ein Turm -der Stärke und ein Streitwagen von Erz, dem Löwen von Rothenburg. Der -Graf ist fern, denn leer steht da oben die Grafenburg der Gewalt. Er -steuert -- der Bischof -- dem Raub auf den Handelsstraßen und auf dem -Flusse und er hat die bösen Buben gebändigt, die schlimme Rotte, die -da plündern wollte mein Frachtschiff auf dem Main und einbrachen mit -Beilen in das Haus unsres Friedens. Der Engel des Herrn ist mit diesem -Bischof der Christen!‹ Und so hab' ich mich gewöhnt zu Euch, starker -und guter und weiser Herr, emporzuschauen alle Zeit als zu einem Helfer -in der Not. Und so bin ich hinausgeeilt aus meinem Witwengemach, wie -ich von fern Euch kommen sah des Weges und stehe hier vor der Thüre -meines Hauses, eine alte, kummervolle Frau, und greife Euren Mantel und -lasse Euch nicht, bis Ihr mir habt geholfen in meinem großen Leid!« -Und sie glitt langsam vor ihm nieder auf beide Kniee und haschte sein -weites Obergewand mit ihrer magern Hand und küßte demütig dessen Saum. - -»Steht auf, alte Frau,« mahnte der Kellermeister, sie aufrichtend, »wir -mögen das nicht leiden. Sagt kurz, was oder wer Euch quält.« - -»Es ist,« sprach sie, sich erhebend, aber den Saum nicht aus der Hand -lassend, »Isaak, mein Sohn, mein einzig Kind. Was oder wer sonst könnte -mich auch quälen auf der Welt? Hab' ich doch auf Erden nichts als ihn. -Und ach! ihn hab' ich nicht mehr, seit ... Nun, seit er die Taufe -nahm zu Mainz.« Der Bischof furchte die Brauen: »Daran, Jüdin, that -er recht. Aber er wußte wohl, weshalb er nicht von mir das Sakrament -erbat, sondern zu Mainz, wo Herr Erzbischof Willigis nicht so viel -von ihm weiß wie wir leider hier von ihm wissen. Ich hätte ihm zur -Bedingung gemacht -- vorher -- ein Gelübde, daß er nun auch innerlich -den Christen anziehe und von sich werfe seinen jüdischen Wucher und -Geiz.« »Jüdischer Wucher und Geiz!« stöhnte die alte Frau und ein so -schmerzlicher, vorwurfsreicher Blick der dunkeln Rehaugen traf Herrn -Heinrich, daß er leicht errötete und rasch einfiel: »Ich weiß, was -Ihr sagen wollt. Euer Gatte -- Manasse -- hat in der großen Kornnot -aus seinen Speichern die verhungernden Christen in allen Städten -und Dörfern am Main gespeist von Staffelstein bis Mainz. Er war ein -Wohlthäter der Armen: -- Gott möge ihm die Strafe seiner Verstocktheit -mildern, Sankt Burchhard und Sankt Kilian mögen für ihn bitten, wie -ich, deren unwürdiger Nachfolger, es dankbaren Herzens gar oft thue. -Aber Euer Sohn ist ein ...« -- »Herr, er ist krank, glaubet mir. Er -ist besessen von übeln Geistern! Wir haben ja zu eigen soviel Güter -der Erde, -- der Herr hatte gesegnet meines Manasse Redlichkeit und -Fleiß! -- daß wir wahrlich nicht sorgen müßten um unsere Lebsucht. -Aber -- es ist wahr -- er ist so ... sparsam, mein armer Isaak, daß -er sich nicht gönnet eine Neige Weines am Sabbath des Herrn!« »Und -Euch, scheint's,« schalt Supfo zornig, die hagere Gestalt musternd, -»Euch, seiner alten Mutter, auch an den andern Tagen keinen Bissen -Fleisch.« -- »Vollends aber seit ein paar Tagen ist er ganz krank im -Gehirn und wirr in seinen sonst so klugen, scharfen Gedanken. Denn er -ist gar scharf, mein geliebter Isaak.« »Wir wissen's!« bestätigte der -Kellerer. »Allzuscharf! Möchte seine Seele nicht sehen! Muß voller -Scharten sein!« -- »Seit wann, arme Frau?« forschte der Bischof voll -Mitgefühls. Ihn jammerte um die leidende Mutter und es ergriff ihn, -über das ehrwürdige, schöne Gesicht langsam zwei große Thränen rinnen -zu sehen. -- »Seit das Gerede überhandnimmt unter den Burgensen hier -und seinen Geschäftskunden in andern Städten, die Welt werde demnächst -untergehen. Das hat ihm ganz verstört die Gedanken. Er kann nicht -mehr schlafen seitdem. Und immerfort, in der eifrigsten Arbeit, im -Rechnen sogar oder wann er wiegt auf seiner Wage die Goldmünzen des -Herrn Kaisers -- wobei ihn sonst nichts störte, ja nicht einmal -Blitzschlag ins Haus des Nachbars Hesso: er wog ruhig fort. Jetzt -spricht er dabei mit sich selbst wirre Worte und unterbricht sich und -rechnet falsch -- der Isaak! -- und stiert vor sich hin und stöhnt: -›wenn's wahr ist, bin ich ein Narr gewesen vom Knaben an und Narretei -war all' mein Thun, mein Raffen, Listen, Geizen! Wenn's wahr ist -- -wüßt' ich's nur! -- noch heute werd' ich ein Schlemmer, ein Fresser, -ein Säufer wie diese ...‹« »Diese Deutschen, sagte er wohl,« ergänzte -scharfsinnig, aber grimmig, der Kellerer. -- »›Ein Spieler werd' ich, -ein Kleiderthor, und halte mir Jagdrosse und Eberhunde und Reiherfalken -und ... anderes! Ob's wahr ist!‹ stöhnt er dann wieder und rauft sich -Haar und Bart, ›ob's wahr ist?‹ -- So quält er mich, -- aber was liegt -an mir! -- so quält er sich selbst, meines Manasse Sohn, er quält sich -Nacht und Tag mit Grübeln. Jetzt ist er fortgeritten gen Frankfurt, -einzuheimsen den Gewinn von einem großen, großen Geschäft, das er hat -gemacht in Goldkörnern, Silberbarren und edlem Gestein! Aber, o wehe -wehe geschrieen! Es hat ihn nicht gefreut das reiche Geschäft! Und wie -er mir vorrechnet den Gewinn, verrechnet er sich wieder! Zu seinem -Schaden verrechnet er sich, der Isaak! Das war noch nie! Wie muß er -sein ungesund! Und warum verrechnet er sich? Weil er mitten drin immer -wieder stutzt und fragt: ›ob's wahr ist? Ob's wohl wahr ist?‹ Und als -er steigen will auf das Pferd zu reiten nach dem Gewinn, steigt er -daneben statt in den Bügel, weil er gen Himmel schaut und fragt ›ob's -wohl wahr ist?‹ Und er findet und findet nicht Ruhe, bis er's weiß, so -oder so. Ich bin eine unweise Frau, ich kann's ihm nicht sagen. Und es -kann ja sein, daß es geht zu Ende: denn oft hat es gelesen Manasse aus -den Rollen, daß die Welt wird einmal vergehen und Elias wiederkommen -im feurigen Wagen. Aber Ihr, Herr Bischof, guter Mann und weiser, -Ihr kennet die Schriften, Ihr wisset viel. So sagt nur ja oder nein, -daß ich beruhige meinen wirren Sohn, wann er wird wiederkommen, und -beschwichte sein fiebernd Gehirn!« - -Und wieder wollte sich die Weinende vor ihm niederwerfen. Er hielt sie -fest am Arm und sprach: »Frau, Ihr thut mir leid in der Seele! +Ihr+: --- merkt! -- nicht Euer Sohn, den auch die letzten Dinge der Menschheit -nur schwanken lassen zwischen dem alten sündhaften Wucher oder neuem -sündhaften Sinnentaumel! Pfui über den Juden und schade um das -vergeudete Taufwasser! -- Höret denn, gute Frau, -- +Ihr+ wäret würdig -christlicher Gemeinschaft! -- Ich selbst habe davon keine Wissenschaft. -Allein ich habe das Haupt der Christenheit befragt: bald muß der -Bescheid eintreffen. Dann werd ich ihn allem Volke dieser Stadt, dieses -Bistums, verkünden. Bis dahin aber sagt Euerm Sohn: ›der Herr Christus -hat nicht Freude an denen, die da nehmen die Taufe, aber nicht lassen -vom Wucher. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: man kann nicht Gott -dienen und dem Mammon‹. Das hat der Herr schon Eurem Volke offenbart: --- aber mit dieser Offenbarung hat er von allen seinen Worten den -wenigsten Glauben gefunden in Israel. Ihr jedoch, gute Sarah, Euch rate -ich: nehmet die Taufe. An Euch werden die Heiligen Freude erleben! Mag -das Gericht nun nahe sein oder fern: rettet Euere unsterbliche Seele!« -Und er löste mit sanfter Gewalt sein Gewand aus der Hand der Greisin, -die es immer noch festgehalten hatte, und schritt hinweg von ihr mit -gütigem Nicken des Kopfes. - -Die alte Frau sah ihm lange nach. Dann sprach sie, kopfschüttelnd und -mit der Hand über die Augen wischend: »Ich glaube es nicht, daß wir -Kinder Israel verdammt sind. Wäre es aber so: -- lieber mit Manasse in -der Hölle, als mit Isaak im Himmel der Christen. Ich will beten für uns -und für die Christen -- für den armen Isaak und für den guten Bischof --- zum Gott meiner Väter!« - -Und sie schritt langsam zurück in den Hof. - - -V. - -Von dem Hofe des Kaufmanns hinweg übernahm zunächst Herr Heinrich die -Führung des Rundganges. Er wollte nach dem Stand der neuen Bauten -sehen in der Vorstadt vor dem Südthor »auf dem Sande«, die er als -sein eigenstes wohlthätiges Werk betrieb; vor allem den großen Bau -des Klosters und der Kirche -- nur diese war bereits vollendet -- die -er dort den Apostelfürsten Sankt Peter, Sankt Paul und dem frühest -berufenen Blutzeugen: Sankt Stephan, zu Ehren gestiftet hatte. - -Schwer fiel es dem Bauherrn aufs Herz, als er sich jenseit des Thores -der Baustätte näherte, von der her sonst, weithin vernehmbar, der -fröhliche Klang des Beilschlags, der Reihengesang der Arbeiter, -der Befehlsruf der Werkmeister ihn begrüßte, daß statt dessen eine -Grabesstille waltete. - -In die Luft hinauf stiegen die hohen Gerüste: -- aber sie waren -leer, verlassen; sie schienen zu trauern; die halbfertigen Holzwände -sahen wie vom Feinde zerstört aus. Nur ein einsamer Mann schlich, die -Verödung betrachtend, über den leeren Bauplatz; als er den Bischof -von weitem erkannte, wollte er hinter einem großen Bretterhaufen -verschwinden. Aber Herr Heinrich hatte ihn erkannt und rief ihn an: -»Hallo! Haltet an, Hesso! Was lauft Ihr vor Eurem Bauherrn davon, -Werkmeister?« - -Der Angerufene, eine starke stattliche Männergestalt mit treuen Augen -in dem gebräunten Gesicht, machte Halt, zog ehrerbietig, aber mißmutig -den kurzrandigen Filzhut und erwiderte trübselig: »Werkmeister ohne -Werk: -- Bauherr ohne Bau.« Verstimmt und verdüstert entgegnete der -Bischof: »Nun -- eine kurze Unterbrechung! Wird soviel nicht schaden! -Bald dürft Ihr wieder hauen und hämmern lassen hier, Meister Hesso.« -Der Mann zuckte die breiten Achseln. »Schade! Wir waren so gut im -Zuge. Die Arbeiter willig und geschickt. Nun haben sich die besten -schon verlaufen. Und der Bau des neuen Münsters zu Sankt Johannis -Ehren und des Stiftes in der Nordvorstadt, der Hochvorstadt, des -Siechenhauses und des Waisenhauses und der Schule! Alles unterbrochen! -Warum? Weil kein Geld in der Kammer sei, log der verfluchte Welsche. -Aber am gleichen Tage hatte er Speere, Sturmhauben, Brünnen für -die bischöflichen Dienstmannen gekauft und bar bezahlt bei dem -Waffenschmied Gericho im Eisenhof! Als er nun mit seinen Lügen hier auf -das Gerüst trat und die Arbeiter ablohnte und fortwies, -- gern hätt' -ich ihn im Namen und zu Ehren der heiligen Petrus, Paulus und Stephanus -herabgeworfen von den Balken« -- »Geduld! sag' ich Euch. Ihr müßt -warten.« - -»+Ich+ kann warten. Aber die Waisen, die Schulknaben in dem feuchten -Loch am Main und die Siechen, die nun auf den Gassen im Stroh liegen? -Die können nicht warten, Herr Bischof. Jedoch Speere und Brünnen für -die bischöflichen Dienstmannen: -- das eilte wohl! Uns bedroht ringsum -kein Feind weit und breit!« »Hört doch auf,« mahnte Supfo. »Ihr seht --- Ihr sagt da ...« -- »Ich sehe, der Herr Bischof zürnt, aber ich -sage die Wahrheit! Und das Schlimmste ist -- die Armen!« »Wieso?« -grollte Herr Heinrich. »Ihr Teil ward nicht angetastet.« -- »Nein, -aber durch die plötzliche Einstellung all dieser -- sechs -- großen -Bauten haben doch recht viele Brot und Lohn verloren. Wohl waren -viele Bauleute Unfreie des Stifts -- allein gar mancher kleine Freie -fand doch auch bei der Arbeit Lohn und Brot für Weib und Kind. Die -hungern nun! Sind aus der Stadt gelaufen, rotten sich zusammen im Gau, -stehlen und rauben.« »Wie Wetter Gottes fahr' ich unter sie,« rief Herr -Heinrich. »Ich will sie! Wenn der Graf des Waldsassengaus schläft ...« --- »Er schläft nicht, der wackere Herr Gerwalt, aber er ist fern, in -Welschland. Wißt Ihr das nicht, Herr Bischof?« »Die Bauten werden bald -wieder aufgenommen, sagt das den Leuten. Und den Gauräubern sollen -meine Ritter Hellmuth und Fulko den fehlenden Herrn Grafen mehr als -ersetzen, das gelob' ich.« Unmutig schritt er davon, ziellos, weiter -gen Süden. - -»Nichts für ungut, Herr Bischof!« rief ihm der Werkmeister nach. -»Aber nehmt sie bald wieder auf, Eure Bauwerke: sind gott- und -menschen-gefällig.« »Gott und Menschen gefällig,« wiederholte der -Enteilende bei sich. »Jawohl. Zweifellos. Und das Werk, dem ich diese -Bauten geopfert, wird den Menschen nicht gefallen. Und Gott? --« - -Erregt hastete er weiter, immer gerade aus nach Süden. Der treue -Supfo hatte mit seinen klugen Augen schon bei den ersten Worten des -Baumeisters das Gewölk gesehen, das aufstieg auf der hohen Stirne -Herrn Heinrichs. »Auch hinter diesem Unheil steckt,« brummte er, »-- -wie hinter allem! -- Berengar. Ich muß den Herrn auf andere Gedanken -bringen. -- Ei sieh da!« rief er. »Was verschwindet da so fluchteilig, -links, hinter dem Buschwerk, vor dem Graben? Ich meine, ich kenne -sie, diese fliegenden Zöpfe mit den roten Bändern! Da könntet Ihr -schon wieder ein gutes Werk thun, Herr Bischof Heinzelein!« -- »War -der Bursche, der nach dem Maine zu davonstob, nicht Gericho, ehedem -meines Hellmuth Waffenträger, jetzt Waffenschmied in dem Eisenhof?« --- »Jawohl! Und das hübsche runde Kind, das da entsprang, das war die -braune Rosbertha, die Tochter des Bezzo, der da ein Gärtlein hat und -eine kleine Verzapfung östlich vom Südthor.« -- »Hm! Was thaten die -beiden da drüben?« -- »Ei, was werden sie groß gethan haben? Dort -ist ja der Ziehbrunnen des Wolfilo. Gericho hat wohl dem zarten Kind -geholfen, den schweren Eimer heraufzuwinden.« »Du mußt deinen Bischof -nicht anlügen, Supfilo,« lächelte Herr Heinrich. »Zumal ich als junger -Knab' zu Rothenburg auch wohl einmal hinter einem Ziehbrunnen stand. -Der Eimer wartete schon ganz ruhig auf dem Brunnenrand. Aber der -Bursche stand immer noch bei ihr hinter der Brunnenmauer. Recht nah -stand er. Und hielt sie, glaub' ich, an der Hand.« - -»Nun ja, soll er das arme Kind etwa in den Brunnen stürzen lassen?« -Herr Heinrich mußte doch wieder lachen. »Und welch' gut Werk hätte -ich hier zu thun? Das Mägdlein verwarnen, den Burschen schelten --?« --- »Bewahre! Hilft so wenig wie bei Arn!« -- »Und dem Vater Bezzo die -Augen aufthun.« -- »Ja freilich! Aber nicht darüber, daß die beiden -jungen Leute sich gern haben, -- so dumm, das nicht zu sehen, ist -der Bezzo auch nicht! -- sondern darüber, daß es sündhaft ist, das -frische junge Blut, statt es dem hübschen tapfern Gericho zu geben, -dem alten Stedilo zu verkuppeln, dem reichen Büttner, nur weil er -fromm und reich ist, der dicke. Er hat nämlich nicht eine thatfreudige -Frömmigkeit an sich, sondern eine feige, sozusagen eine muffige! Und -nicht eine liebliche Rundlichkeit hat er: wie ... nun wie sie Sankt -Urban seinen Lieblingen gewährt, sondern sozusagen: eine aufgedunsene, -eine Wanstigkeit. Ihr solltet ... --« -- »Supfilo, ich bin nicht junger -Minne Feind und Verfolger. Nein, mich freut's, wenn treue junge Liebe -siegt, -- wenn solche wirklich lebt, außer in Fulkos Liedern! Aber du -kannst doch wirklich deinem Bischof nicht das gute Werk auflegen, junge -Maide wider väterliche Muntschaft aufzustacheln!« -- »Das wäre hier gar -nicht mehr nötig. Nur ein wenig -- stützen. Aber ich vertraue, der Alte -lernt noch rechtzeitig frisches Mark und feiges Fett unterscheiden.« --- -- »Er sah schon wieder recht ernst darein,« sagte er nach einem -raschen Blick der hellen runden Augen zu sich selbst. »Ich darf ihn -nicht ins Grübeln versinken lassen --« Er spähte ziemlich ratlos umher: -da fiel sein Blick auf einen Schwirreflug von weißen Tauben, die jetzt, -bei stärker einbrechender Dämmerung des Brachmondtages, aus den nahen -Feldern nach ihrer Heimstätte flüchteten. Die lag in dem spitzen, -hochragenden Giebel eines alten braunen, vielfach mit Moos geflickten -Strohdaches: rechts, westlich von der großen Straße, die damals -schon wie heute auf dem östlichen Mainufer flußaufwärts nach Süden -führte. Dort fielen sie ein: blendend blitzte dabei in den letzten -Sonnenstrahlen ihr helles Gefieder. -- - -»Dorthin!« dachte der Treue. »Frau Ute! Und Wartold mit seinen Blumen! -Das wird ihm gut thun. Und sie -- das liebe, schlimme Kind! Und ein -wenig Ärger über den andern? -- Ei was, wird ihm auch gut thun, so ein -gesunder streitbarer Ärger. -- Und im geheimen mag er den Alten doch -ganz gut leiden -- noch aus der alten, das heißt der jungen, fröhlichen -Zeit.« Er begann nun: »Ihr solltet doch wieder einmal einsprechen da, --- da vorn mein' ich, wo die Tauben einfielen, bei der alten Mutter -Ute. Trägt ihr hartes Los so fromm! Aber manchmal ein wenig Trost thut -ihr doch recht wohl.« -- »Ja! -- Und ein paar Worte Christentums können -nicht schaden in dem alten Hirtenhaus. Dem Heidenhaus! Ist die letzte -Trutzburg der halb vergessenen Unholde, an welche die Leute hier zu -Lande glaubten, bevor Sankt Kilian sie erleuchtete. Wohl, laß uns in -Rados Haus gehen. Dort braucht's wirklich Seelsorge!« »Wenn der Alte -still hält dazu,« dachte Supfo. Aber er sagte es nicht. - - -VI. - -Rüstig ausschreitend hatten beide bald das Pfahlbürgerhüttlein erreicht. - -Der starke Wolfshund vor dem Zaun schlug an, wie sie sich von Osten her -dem kleinen Nebenpförtlein näherten: gleich darauf stob eilfertig zu -dem großen Hofthor ein Reiter hinaus und verschwand alsbald gen Süden -im Staube der Straße. Herr Heinrich schaute ihm merksam nach: er hielt -die Hand vor die Augen: denn die jetzt wagrecht einfallenden Strahlen -der Sonne blendeten ungeachtet des Schattenhutes; er sah nur den Mantel -des Reiters noch flattern. »Ich meine fast, das war -- auf seinem -braunen Hengst -- mein Junker Hellmuth. Was hat der hier zu suchen?« -Der Kellerer machte sein ahnungslosestes Gesicht: -- der Frager sah ihm -nämlich scharf in die Augen. »Nun? Du weißt doch sonst gar viel von ihm --- steckst immer mit ihm zusammen und mit dem lustigen Provençalen.« -»Das macht: der steckt gern bei meinem Lauterwein,« schmunzelte Supfo. -»Aber Junker Hellmuth ... Kaum trinkt er noch! Und lachen hab' ich ihn -schon seit unser lieben Frauen Verkündigung nicht mehr hören.« »Was -sucht der hier?« wiederholte Herr Heinrich, nachdenklich. »Schon einmal -traf ich ihn hier um die Wege. -- Heda, halt, Rado!« rief er dem Hirten -im grauen Wolfsmantel zu, der des nahenden Bischofs offenbar ansichtig -geworden und gleichwohl beflissen war, durch eine schmale Lücke im -Zaun zu entweichen. Er pfiff seinem großen Hund und enteilte gar -hastig. »Komm, Giero!« rief er alsdann, diesem über den zottigen Kopf -streichend, wie das Tier auf der Straße in mächtigen Sätzen neben ihm -her sprang, »wir gehn zu Walde, zur alten Esche ... zu unserm wahren -Herrn! Seit der Held von Rothenburg ein Geschorener geworden! ...« - -Der Bischof schüttelte das Haupt: »er entläuft dem Hirten seiner Seele! -In der Schlacht entlief er nie. Damals folgte er mir blind.« »Und würde -Euch auch heute gerne folgen in die Schlacht: -- viel leichter denn in -den Beichtstuhl!« meinte der Runde und schloß das Zaunpförtlein hinter -dem Bischof. - -Gegenüber der Verwahrlosung und Unreinlichkeit, in welcher die -Häuser der geringeren Leute fast ausnahmslos lagen, berührte in -diesem bescheidenen Höflein das Auge gar wohlthätig die Reinlichkeit -und Wohlgepflegtheit des ganzen Anwesens. Die Wiesenfläche vor -dem Wohnhäuschen war durchschnitten von säuberlich mit rotem Sand -bestreuten Wegen: daneben zeigten sich in dem Gras ausgeschnitten -- -regelmäßig mit der Schnur gezogen -- bald längliche, bald kreisrunde -Beete, in welchen Blumen, oft auch nicht deutscher Heimat, glänzten und -dufteten, während an dem gen Mittag gekehrten Holzzaun Spalierbäume -von Edelfrüchten, sorgfältig aufgebunden und liebevoll gewartet, -nebeneinander in Reih' und Glied standen. - -Wohlgefällig wies Herr Heinrich seinen Begleiter darauf hin: »Welcher -Fleiß! Welche Reinlichkeit! Leider selten bei unsern Gauleuten!« »Ja, -ja,« nickte der Kellermeister. »Auch ganz leidlichen Wein züchtet der -alte Wartold ... für einen Laien in der edeln Winzerei. Ein ungleich -Brüderpaar. Der Gärtner gerade so sanft, friedlich, fromm ...« -- »Als -Rado der Jäger -- denn er jagt, fürcht' ich, mehr die Wölfe als er die -Schafe hütet! -- wild und rauh und unfromm. Muß einmal den Archidiakon -über ihn schicken. Der ist schärfer als ich. Mich erweicht immer das -Gedenken an die alte Zeit. Aber Berengar mag ihn ...« -- »Laßt den -beiseite, lieber Herr. Der treibt die Leute leichter aus der Kirche -denn hinein.« - - -VII. - -Wie sie unter solchem Gespräch auf dem mittleren Sandweg gegen die -Thüre der Wohnhütte vorschritten, hüpfte ihnen etwas entgegen mit -wehendem Gezöpf, gefolgt von einem desgleichen hüpfenden Hündlein, -das gar lustig bellte und mit dem struppigen Schweif wedelte. »Kind,« -lächelte der Bischof, und strich über das wirre Haar der Kleinen, -während sie ihm ehrfürchtig die Hand küßte, »weißt du's wohl? ›Das -schlimme Kind‹ nennen sie dich -- alle.« -- »Aber sie haben mich doch -gern -- alle, hochheiliger Herr.« -- »Mir ist, du bist nicht schlimm. --- Und ein Kind ist sie auch nicht mehr,« sprach er zu sich selber. -»Sollte vielleicht Junker Hellmuth ...? Doch nein! Den traf doch wohl -ein andrer Pfeil! -- Aber immerhin, laß sehen. Mein fröhlich Vögelein,« -begann er wieder zu ihr, »hab' dich lange nicht gesehen. Hast du -keinen Wunsch?« »Doch, lieber -- hochlieber -- nein -- hochheiliger -Herr Bischof. Doch!« sprach sie und senkte das blonde Köpflein. -»Urgroßmutter befahl mir, Euren stärksten Segen zu erbitten gegen ... -gegen meinen argen Mutwillen, wie sie's nennt.« »Herr Heinrich, spart -Müh' und Segen!« lachte der Kellerer, der Kleinen in die volle Wange -kneifend, »der den Mutwillen auszutreiben, -- dazu brauchte es stärkern -Exorcismus als sogar der gelehrte Herr Papst Sylvester kennt. Was -meinst du selber, Hexlein?« »Daß Ihr recht habt, kluger Herr Supfo,« -antwortete sie ganz betrübt und kleinlaut. »Seht, es ist ein Kreuz und -ein Elend mit mir. Mein Mutwille, wie sie's alle heißen -- der ist -gerade wie -- wie meines -- Gott! wo ist er denn jetzt schon wieder -hin? -- wie meines Schnufilos Fell vom Schnauzbart bis zum Zagel. Immer -und immer kämm' und bürst' ich ihn glatt und Schnuf verspricht auch, -er solle nun glatt bleiben: -- und er schüttelt sich und 's ist alles -beim alten und zottel-rauh-zottig, zum Fürchten! Heiliger Kilian,« -seufzte sie, »ich weiß nicht, was in mir steckt. Aber es läßt mich -nicht! Ich muß!« -- »Nun, +was+ mußt du denn, Kleine?« -- »Lachen -muß ich! In einem fort lachen! Vom Aufstehn an, wann der Knecht so -tölpisch daher tappt mit den Wassereimern bis zur Vesper, wann die -Zicklein so närrisch gesprungen kommen von der Weide. Möchte oft gern -ernsthaft sein, -- werde soviel gescholten! Aber es läßt mich nicht! -Seh immer an allen Sachen und Tieren und Menschen was zum Lachen!« -»So? Zum Beispiel auch an mir?« forschte der Bischof. »Ei freilich!« -lachte sie. So geschwind kam die Antwort aus den kirschroten Lippen, -daß Herr und Diener mitlachen mußten. »Was? Daß Ihr Euren Abendgang -mit dem Kugelmännlein da machen müßt, armer heiliger Herr, und stünd' -Euch so gut zu Arm und Antlitz, ein stattlich Ehgemahl. -- Aber o weh, -das -- ich seh's an Euren Augen! -- das ist mehr zum Weinen als zum -Lachen.« »Wein und Kinder sagen die Wahrheit,« seufzte der Kellerer. --- »Also den Segen für mich ... Herr Süpfelin hat recht! -- er ist -doch wohl vergeudet -- den möcht' ich umtauschen statt für mich -- für -einen andern.« »So? Und für wen?« forschte der Bischof ernst. »Etwa für -Ritter Hellmuth, der soeben mit Euch sprach?« »Der?« lachte sie. »Mit -mir? Behüte! Kein Wort. Sieht mich gar nicht. Nur mit Ohm Rado raunt er -immer heimlich. -- Aber den Segen möchte ich haben für den, der mir -- -nach den Gesippen -- aber +gleich+ nach ihnen! der Liebste ist auf der -ganzen Welt. Seht Ihr. Da kommt er. Dort links!« - -Argwöhnisch, wenig erfreut drehte sich der Seelsorger um und spähte -scharf nach links. »Seht, meines Herzens Schnufilo! -- O gnadenreiche -Jungfrau, wie schaut er wieder aus! -- Voll Schmutz, und blutend am -Mündlein. -- Jetzt hat er schon wieder gerauft mit des Nachbars großem -Kater! Meint Ihr, Herr Bischof, er läßt es? Nein! O +den+ segnet mir. -Er hat soviele Verfolger und Unterdrücker unter den Bürgerschweinen -und Bürgerhunden und den Beißkatern. Er kommt oft heim, zerzaust und -zerrissen und blutend, wie die heiligen Märtyrer im Sankt Burchhard -drüben in der Kapelle auf dem scheußlichen, greulichen, heiligen Bild! -Ich bitt' Euch um Euern kräftigsten Hundesegen. Ist er doch mein -herzallerliebster Schatz!« schloß sie seufzend. - -Herr Heinrich hatte die Stirn in Falten legen wollen, aber -- »es -ließ ihn nicht«: -- er mußte lächeln, wie er der hübschen Kleinen -heiligen Ernst und des wirrhaarigen Köters Liebesblick zu ihr empor -aus den ringsumzottelten Augen gewahrte. »Möge er noch lange dein -Herzallerliebster bleiben und du noch lange die schlimme Fullrun,« -sprach er freundlich und schritt fürbaß. Supfo verweilte noch bei der -Verdutztem: »einen Hundesegen, tolle runde Runel, holt man nicht beim -Herrn Bischof, sondern von ... einem andern Jäger. Frage nur Rado -- -aber ja nicht die Urmutter!« »Behüte! Weiß schon!« lachte sie, »komm, -Schnufelschatz!« und sie sprang davon in hohen Sätzen, daß Zöpflein -und Röcklein flogen, bis Schnufilo sie zornig bellend daran fing und -festhalten wollte. Aber sie schleifte ihn nach und lachte, daß es -schallte. Der Kellerer sah ihr nach: »Und das -- +das!+ -- soll der -liebe Himmelsherr demnächst zu Zunder und Asche verbrennen? Er müßte -sich ja schämen! Nein. Unser Herrgott hat das Herz am rechten Fleck -- -trotz unsereinem. Ich mag's nicht von ihm glauben!« - - -VIII. - -Wie nun die Besucher dem Hüttlein unter dem Moosdach sich näherten, -öffnete sich die niedere Thür und heraus trat eine sehr alte Frau, -gestützt auf ihren auch schon betagten, aber noch vollrüstigen Enkel. -Die Züge der Greisin waren immer noch schön -- so friedlich waren sie! --- und das silberweiße Haar stand ihr gut zu den rosigen Wangen. Diese -zarte Gesichtsfarbe und das Milde in den Mienen und im ganzen Wesen -hatte der Enkel von ihr geerbt. - -»+Dort+ steht der hochehrwürdige Herr Bischof, dort, zur Rechten, -Großmütterlein!« mahnte der Führer, indem er den aus Mainschilf -geflochtenen Flachhut, wie ihn in der heißen Zeit während der Arbeit -in den Weinbergen die Winzer trugen, demütig abnahm. »Dank Euch, Herr -Bischof, daß Ihr auch die Hütten der Geringen aufsucht. Ihr seid wie -des lieben Herrgotts Sonne! Die grüßt und erfreut auch nicht bloß, -was ihr stolz das hohe Haupt entgegenrecken mag, -- auch das geringe -Blümlein sucht sie segnend auf, das sich bescheiden duckt am Raine.« -Der Bischof nickte ihm freundlich zu: »Ich fand schon oft, wer viel mit -Blumen und Pflanzen zu thun hat, dessen Seele wird sanft und sinnig.« -Er faßte jetzt die Hand der Alten: »Nun, Mutter Ute, wie steht's? -Ihr tragt Euer schweres Los so lang -- so lange schon! -- mit echt -christlicher Geduld.« -- »Ach, gütiger Herr Bischof, es ist nicht -schwer, wenn man nur einen recht festen Glauben hat. Und den, seht, -- -den hab' ich! -- Und daß ich ihn habe, -- das dank' ich auch -- +Ihm+!« --- »Gott dem Herrn!« »Mag wohl sein,« erwiderte die Greisin zögernd. -»Will gewiß nicht nein sagen. Der Herr mag es wohl meinem armen Konrad -auf die Lippen gelegt haben, bevor er starb.« -- »Euer Mann! Was hat -er Euch gesagt damals? Er starb', mein' ich, in derselben Nacht, da -Ihr, da die Ungarn --« -- »Ganz recht, Herr Bischof! Hunnen nannte man -sie. Bald sind's nun siebzig Jahre.« »Siebzig Jahre blind!« seufzte -der Kellerer mitleidig. »Ja, das war noch unter Bischof Dietho,« fuhr -die Alte fort, immer lebhafter redend in dem Eifer der Erinnerung -und wiederholt mit der Hand über ihr dichtes weißes Haar streichend. -»Damals war noch Sankt Burchhards heiliger Leib nicht erhoben. Da war -der Graben um die Stadt noch nicht gezogen, noch nicht einmal der -Pfahlhag war ganz fertig geworden. Wir wohnten in einem Hüttlein dicht -hinter dem Pfahl im Osten der Stadt am dürren Bach. Mein Mann, ein -Freigelassener des Bistums, war gar geschickt, mit Axt und Stemmeisen -zu bauen und zu zimmern; er war vom Knaben auf im Bischofshaus als -Zimmerer verwendet worden, hatte daselbst gar frommen, frommen Sinn -gewonnen und nun hatte ihm vor Jahr und Tag der Herr Bischof Dietho -das Hüttlein am dürren Bache zur Leihe gegeben, damit er mich heiraten -konnte: ich war Magd von Sankt Andreas, wie man damals statt Sankt -Burchhard noch sagte. Ich hatte meinem Konrad gerade ein paar Nächte -vorher Zwillinge gebracht: -- einen Knaben und ein Mägdlein. Wir waren -so glücklich! Auf einmal -- in der Nacht -- ein Gejohle, wie wenn der -Höllenwirt tausend böse Geister losgelassen hätte! Konrad springt -ans Fenster -- das war offen: denn warmer Sommer war's, wie jetzt -- -›Helft‹ rief er, ›Sankt Kilian, Sankt Koloman und Sankt Tetnan!‹ -- -Rings Feuer! Rings Flammenschein! Des Nachbars Hütte zur Rechten brennt -lichterloh! Und in dem Flammenschein Hunderte von Teufeln und Unholden, -zu Roß, zu Fuß, schreiend, jauchzend, mit Äxten an die Nachbarhöfe -zur Linken, auch schon an unsere Hausthüre schlagend. ›Das sind die -Hunnen!‹ rief mein Konrad, schloß rasch den Laden und griff nach einem -Beil. Wie aus dem Abgrund aufgestiegen, so plötzlich waren sie da. -Schon brannte auch unser Heim, das Strohdach und die rechte Holzwand! -Aber hinaus? Wehe, wir sahen durch die Ritzen des Ladens, wie die -Unholde da draußen die Weiber, die Kinder, die aus den brennenden -Hütten flüchteten, griffen und in ihre Lanzen oder zurück in die -Flammen warfen. - -So blieben wir an dem Herd zusammengedrängt, mein Kurt das Mägdlein, -ich den Knaben im Arm und beide schreiend zu Gott und den Heiligen. -Da plötzlich -- von oben her -- ein Krach und eine Lohe über uns hin! -Der Firstbalken war gerade auf uns herabgestürzt, über meine Augen ein -brennender Span. Das that weh, Herr Bischof! Noch spür' ich's, denk' -ich daran. ›Kurt,‹ gellte ich in grellem Schmerz, ›wo bist du, ich sehe -dich nicht.‹ ›Hier,‹ stöhnte er, ›ich sterbe, arme Ute.‹ ›Wo? Wo denn?‹ -schrie ich und tastete nach ihm. Ach -- ich sah ihn nicht mehr -- ihn -nicht und nichts mehr auf Erden. Er merkte es bald: ›Utelein,‹ sprach -er, ›liebes Weib, schönes Weib‹ -- so sagte er, Herr Bischof: O ich -hab' mir's seither vorgesagt tausend, tausendmal! -- ›das Mägdlein an -meiner Brust ist tot, zerschmettert. Und ich -- ich muß sterben. Aber -der Knabe in deinem Arm ist ganz unversehrt. Du -- glaub' ich -- siehst -nicht mehr ganz gut. Das ist hart! Aber sei getrost: der Himmelsherr -hat's so gewollt. Und horch -- es wird schon stiller draußen -- die -Hunnen haben sich verzogen‹. ›Blind!‹ schrie ich. ›Blind fürs Leben? -So soll ich niemals dein helles Antlitz, wiedersehen?‹ ›Du vergissest, -liebes Weib,‹ sprach er sanft, ›ich muß jetzt sterben. Aber dereinst, -wann auch +du+ stirbst, dann wirst du wieder sehen. Im Himmelreich da -oben, bei dem milden Gott, giebt es keine Lahmen, Krüppel und Blinde: -dort ist lauter Vollkommenheit: erst gestern hat's der Herr Bischof -gepredigt im Dom. Also sei ganz getrost! Kommst du zu sterben, wirst du -sehen, wirst du mich wiedersehen. Mit dem Mägdlein auf dem Arme schweb' -ich dir aus den Wolken entgegen und hole dich ab aus der Not und der -Nacht der Erde in das ewige Licht. Leb' wohl! Gewiß ist's wahr -- -glaub' mir -- du wirst mich wiedersehen, wann du stirbst.‹ Das war sein -letztes Wort. - -Bald darauf gruben mich die Reisigen des Herrn Grafen und die -Dienstmannen des Herrn Bischofs -- die Hunnen waren hinweggestoben, -nachdem sie die Häuser vor der Mauer verbrannt -- aus dem noch -qualmenden Schutt, mich und den unverletzten Knaben und ach! die beiden -Toten. -- Und nun leb' ich und zehr' ich bald siebzig Jahre von dem -letzten Wort meines Konrad. Ich glaube an sein Wort wie an Gottes Wort -so fest.« - -Gerührt sprach der Bischof: »Gott der Herr hat dich gesegnet, arme -Frau, in deinem Elend durch deinen Glauben.« »Ja, Herr, da sprecht Ihr -wahr,« bestätigte ihr Enkel, sich aufrichtend: er hatte sich gebückt, -die Schnecken von seinen Blumen abzulesen und auf dem Sandwege zu -zertreten. »In aller Not hat sie dies Wort aufrecht erhalten. Und es -ging ihr früher doch oft recht übel.« »Nicht Schuld meines braven -Sohnes Konrad,« fiel die Alte eifrig ein -- »und seines lieben Weibes: -Gott lohnt ihnen längst schon beiden in der lichten Himmelsaue! Und -auch wahrlich nicht, sobald die irgend eine Arbeit leisten konnten -- -meine beiden Enkel. Denn darin muß ich den Schwarzen loben wie den -Blonden -- so ungleich sonst sie geartet sind, die seltsamen Brüder. -Auch mein Rado -- ... wo ist er? ich höre ihn nicht --?« -- »Zu Walde -gegangen, Großmutter.« »Schon wieder!« seufzte die Greisin. »Das ist -sein Unsegen! Weiß Sankt Kilian, immer in den finstern, verrufenen -Grafenwald! Böse Geister sollen dort hausen« -- sie bekreuzte sich -Stirn und Brust -- »der wilde Jäger hetzt ob seinen Wipfeln und jagt -die Holzweiblein darin mit lautem Huhu, Huhu. Bald als Hirt, bald -als Jäger, bald als Köhler, aber immer in jenem Wald macht er sich zu -schaffen. Schon vom Knaben auf! Seine Mutter -- will sie sonst gewiß -nicht schelten! -- ist schuld daran: sie erzählte ihm viel, viel mehr -vom wilden Jäger und vom bergentrückten Kaiser und von Waldschrat und -Rauchries' und Drachenries' als von den lieben Heiligen. Aber was er -früher im Waffendienst der Rothenburger verdiente und was er später -hier im Hirtendienst der Bürger erarbeitete, -- alles brachte er mir, -der Schwarze wie mein Blonder -- wie ihr Vater sie nannte. Aber der -Blonde ist immer gern bei mir geblieben.« - -»Nun, Großmütterlein, jetzt sind wir schon lange beide grau. Und es ist -doch nicht mein Verdienst, daß es mich von Kind auf mehr freute, hier -im Gehöft zu bleiben, das die Bürger dem Vater als Gemeindehirten zur -Erbleihe gegeben und dies Gärtlein anzulegen und meiner lieben, lieben -Blumen zu pflegen und an den Zäunen des Edelobstes und der Reben.« -- -»Er hat eine so glückliche Hand, mein Wartold. Alles gedeiht unter -seinen geschickten, geschmeidigen Fingern ...« »Der Herr hat sie ihm -gesegnet, diese Hand,« sprach der Bischof, »die so getreulich die -blinde Ahnin geführt hat.« »Aber auch Rados Hand!« fiel der Gärtner -eifrig ein. »Wohl ist sie härter als die meine hier, aber stärker -und sicherer. Er trifft den fließenden Fisch im Main! Und Bär, Luchs -und Wolf, sie kennen seinen Speerwurf gut.« »Wie weiland Saracenen, -Wenden und Welsche,« nickte Herr Heinrich. »Aber die Heiligen schlecht -sein Beten!« »Zürnt ihm nicht, Herr,« bat Wartold. »Lieber Gott,« -raunte Supfo ungeduldig, »ich kenne einen, -- einen Seelenhüter, nicht -bloß Gemeindehüter -- der hat die längste Zeit seines Lebens auch -viel lieber den Auerhahn im Buchenwald balzen als den Pfaffen im Dom -Messe singen hören.« »Und nun geht ja doch bald alles zu Ende, Gott -sei Dank,« erinnerte Frau Ute. »Da gönnt ihm doch noch sein bischen -Jagen.« -- »Meint Ihr, gute Frau? Noch hat sich die heilige Kirche -nicht ausgesprochen über jenen Glauben.« »Herr Bischof,« fragte -Wartold, sehr ernsthaft, »was meint Ihr? Giebt's im Himmelreich auch -Blumen?« Herr Heinrich schwieg verdutzt einen Augenblick. »Das ... das -hat mich noch kein Mensch gefragt! Und ich mich selber auch nicht! --- Blumen? -- Weiß nicht! -- Aber ja! Doch wohl! Palmen, Palmen für -die Märtyrer.« »Ach, die wachsen nicht bei uns,« klagte Wartold ganz -betrübt. »Hab' sie immer nur gemalt gesehen in den Kapellen. Von denen -hab' ich kein Verständnis; werde sie am Ende zu trocken halten,« schloß -er nachdenksam. »Die Wipfel in Glut, die Wurzeln in Wasser taucht die -Palme, so lehrte mich der Araber, den Ihr eine Weile hier als Geisel -gehalten.« »Nun, Gärtner, verzagt mir nur nicht,« lachte Herr Heinrich. -»Eben fällt mir bei: auch Lilien brauchen sie da oben für die Jungfrau -Maria. Und um die Stirnen der Seligen zu kränzen. Und auch Engelein sah -ich zu Rom im Sankt Peter auf Goldgrund fliegen, -- die trugen weiße -Lilien in den Händen.« »Eia, Eia!« rief der Alte vergnügt und rieb sich -die Hände in heller Freude. »Gott lohn' Euch dieses Wort, Herr Bischof! -Lilien! Lilien, sagt Ihr? Nun seht: das sind ja gerade meine Lieblinge. -Und ein klein wenig,« nickte er lächelnd, »ein klein wenig verstehe -ich mich auf deren Pflege! Habe dafür am meisten Geschicklichkeit. -- -Oder Gnade von Sankt Gertraud, will ich sagen. Seht nur, frommer Herr -Bischof, dort das runde Beet. Zwei neue Arten! Haben hier zu Lande -noch nie geblüht. Die eine -- die weiße -- gefüllt! Und die andre -- -die feuerrote -- noch viel süßer duftend als die weißen! Ein Freund -von mir, der Klostergärtner von Herrieden, der seinen Abt auf einer -Pilgerfahrt nach Rom begleiten durfte, brachte mir die Zwiebeln mit -aus einer welschen Stadt: -- die soll nach den Blumen benannt sein: -ach diese Stadt möcht' ich wohl gesehen haben! Aber nun ist's zu -spät. Seht nur, wie sie gedeihen! Und noch schönere hab' ich in dem -Neubruch, den ich angelegt -- weiter gegen die Stadt und den Main hin, -die solltet Ihr mal sehen!« »Der Alte hat eine Liebe zu den unnützen -Stingel-Stengeln,« brummte Supfo, »als wären's wirklich Reben vom -Stein!« - -»O, Herr Bischof,« fuhr Wartold fort und faltete die Hände, »komme ich --- Unwürdiger! -- doch etwa in den Himmel ... --« »Er ist dir sicher, -schon wegen des vierten Gebots,« sprach die Blinde. -- »Dann legt ein -gutes Wort für mich ein bei Eurem Amtsbruder, Sankt Petrus -- der hat -ja doch wohl das Ganze des himmlischen Hauswesens unter sich, nicht? -Ich meine: die Vergebung der Ämter zu Lehen! -- Bittet, daß ich sein -Gärtner ..., ach so, wegen der Palmen? Nun, die werd' ich mir wohl auch -anlernen können! -- o wenn ich nur sein Gärtnergehilfe werden darf. -Ewiglich der Lilien pflegen, wie selig!« Und seine sanften blauen Augen -leuchteten ganz verklärt. »~Sancta simplicitas!~« sprach Herr Heinrich -gerührt zu sich selber. »Mir ist, diesem reinen Herzen ist der Himmel -gewisser als mir.« »Soll ich einmal selig werden im Himmel -- aber es -eilt nicht, gar nicht!« -- raunte Supfo -- »reiß' ich ihm die Lilien -aus und setze Leistenschößlinge!« -- »Wenn nur dein wilder Bruder,« -warnte Herr Heinrich, »nichts Ähnliches wünscht wie du: zwar nicht -ewig gärtnern, aber ewig jagen!« »Sankt Kilian schütze ihn,« rief die -Alte, »vor solch' frevelem Wort! Da müßte er ja dem wilden Jäger folgen -immerdar.« - -Der Bischof wandte sich zum Gehen; vorher aber zog er noch ein -Geldstück aus seiner ledernen Gürteltasche, reichte es dem Alten und -sprach: »Da! Nimm! Ich kaufe dir all' deine Lilien ab. Das heißt: --- erschrick nur nicht! -- alles soll dein eigen bleiben: Beet und -Zwiebeln und Stengel und Blätter und Blüten --« -- »Ja, aber was -- was -ist denn dann die Ware, die Ihr kauft?« -- »Du sollst mir nur, soviel -ich davon brauche, an Sonntagen zum Schmuck des Hauptaltars des Domes -liefern. Bist du's zufrieden?« -- »Gewiß, Herr! Welche Ehre für meine -Blumen! Meine Fullrun soll sie Euch immer, frisch geschnitten, bringen. -Aber -- es ist des Geldes ja viel zu viel. Und für so kurze Zeit! Wie -viele Wochen wird denn die Welt noch stehen?« »Es ist zum Lachen,« -schalt Supfo in sich hinein. »Sie glauben fest an die Dummheit.« -- -»Nun, für so lange eben gilt der Handel, als die Welt, der Dom und die -Lilien noch stehen.« -- »Gut, gut. Aber ...« -- »Noch ein Bedenken, -Alter?« -- »Wenn der jüngste Tag an einem Sonntag gerade hereinbricht -...?« -- »Nun, was dann?« »Dann,« rief der Greis tief erregt, »dann -geht der Himmel Euerem Altare vor! Die letzten, die ich hier gezogen, -die nehm' ich mit hinauf, die Stirnen der Seligen dort oben damit -zu schmücken. Zumal Eine Stirne ...!« Die Stimme versagte ihm: -- -die blauen Augen wurden feucht. »Nun, Wartoldchen, mein Junge, nun!« -tröstete die Blinde. »Mußt nicht weinen! Siehst sie ja nun bald wieder, -Friedlindis, deine gute Frau! Hast sie nicht so lange entbehren müssen -wie ich meinen Kurt. Sie starb, nachdem sie ihm das liebe, schlimme -Kind geboren. Sind erst fünfzehn Jahre. Da thut so was noch heiß und -bitter weh!« »Sind erst fünfzehn Jahre,« wiederholte Herr Heinrich -tonlos, »da thut so was noch heiß und bitter weh. Ach, und er hat nur -ihren Leib, nicht ihr Herz verloren!« brütete er still weiter. »Und -kann der Mann ein Weibesherz verlieren, das er einmal besessen? Weh, -ich bilde mir nur ein, ich hab's verloren. Sie +hat+ kein Herz. Oder -ich hab's nie besessen.« - -»Was ist Euch, Herr Bischof?« fragte die Blinde. »Ihr leidet! Ich -hör's! Ihr atmet so schwer.« Supfo zupfte sie am Rock, sie möge -schweigen. - -Aber Herr Heinrich hatte sich schon wieder emporgerafft: »Lebt wohl, -ihr guten Leutchen. Bald komm' ich wieder zu euch. -- Friedlich ist's -bei deinen Blumen, Wartold. Ich will beten für euer Heil im Himmel. -Betet ihr für meinen Frieden -- auf Erden! Komm, Supfo! Nach Hause! In -die Einsamkeit.« Und hastigen Schrittes eilte er aus dem Garten. - - -IX. - -In einem dem Bischofshause benachbarten und dem Bistum gehörigen Hofe -hatte schon Herrn Heinrichs Oheim und Vorgänger Edel, unter der Obhut -der Frau Malwine, einer alten verwitweten Dienerin des Rothenburgschen -Hauses, geborgen; der jetzige Bischof hatte sie hier belassen und -Minnegard während ihres Besuches am Main bei seiner Schutzbefohlenen --- ihrer Freundin -- untergebracht, bis die künftige Nonne in einem -Religiosenhause von frommen Schwestern am Nordthor in Empfang genommen -und für den Eintritt in ein eigentliches Kloster vorbereitet werden -sollte: das hatte ihr Herr Heinrich als nahe bevorstehend angekündigt. - -Ziemlich trübselig daher erwartete sie an diesem Abend in der -schmuckarmen Kemenate des schmalen Holzhauses den Ohm zum Nachtmahle. - -Statt seiner erschien der Kellerer mit einer Absage: »Der Herr Hezilo -ist von einem Rundgang ganz weich- und wehmütig nach Hause gekommen,« -meldete der Treue kopfschüttelnd. »Er hat als Abendspeisung nur trocken -Brot und Wasser bestellt; ich sollte es ihm in die Bücherei tragen. -Das Brot bracht' ich ihm ganz gehorsam. Das Wasser aber? Ich schickte -es ihm durch den Brunnenmeister und ließ ihm sagen, bischöflicher -Keller führe das Gewächs nicht! O das bedeutet wieder einmal eine zu -durchwachende Nacht! Er geht jetzt wieder auf und nieder, auf und -nieder, und summt dazu -- aber nicht ein Gebet! Die erste Zeile hab' -ich erlauscht: 's ist, glaub' ich, aus einem alten Liede, das der -Junker von Yvonne einmal vortrug: - - ›Nicht Feuer und nicht Gift im Blut --‹ - -aber das andere hab' ich nicht verstanden. -- Vielschöne Jungfrau -Minnegard,« rief er näher tretend, »ich sag' Euch: wenn das noch lange -so fortgeht, dann geht's nimmer lang so fort! Er schläft nicht mehr, -er ißt nicht -- das, glaub' ich, hat er nie gelernt -- er trinkt nicht -mehr! Und wenn nun vollends auch Ihr noch uns verlaßt! Dann weicht von -uns der letzte Sonnenstrahl. Über Euch und Eure Schalkheit hat er doch -noch manchmal gelächelt mit seinem lieben, feinen, sonst so traurigen -Mund. Wer sollte auch an Euch nicht seine helle Freude haben!« - -»Ja, mein treues Supfolein,« seufzte das schöne Mädchen und trug von -dem säuberlich von ihrer Hand gedeckten Tisch des Bischofs silbernen -Teller und goldenen Becher hinweg und stellte sie, sich zierlich auf -den Zehen reckend -- »wie steht ihr alles so anmutig!« dachte Supfo -dabei -- auf das vorspringende Kruggesims an der lindengetäfelten -Wand. »Ich weiß es wohl, -- Ihr habt mich lieb gewonnen in Eurem treuen -Herzen und in Euren klugen Gedanken, -- soviel der Oheim und der Wein -Raum darin leer gelassen haben. Bitte, gießt ein wenig Öl aus jenem -Krüglein auf die Ampel -- aus Byzanz, Geschenk von Frau Theophano, -nicht wahr? Die hätt' ich gern gesehen. Denn ich meine immer ...! Nicht -wahr, sie war argschön?« -- »Schöner vielleicht sogar als Ihr, und das -heißt was! Aber nicht so anmutvoll. So mehr wie die marmornen Göttinnen -in Rom.« -- »Sie soll aber gar nicht von Stein gewesen sein, die üppige -junge Witwe, wenigstens nicht gegen ...! -- Ach, wer doch von Stein -wäre! Glaubt Ihr, herzgescheiter Mensch, ich gehe gern von Euch und -mit Vergnügen in das Kloster?« »Ist ein Schandfleck für alle deutsche -Jugendschaft!« schrie der Dicke und ward rot im Gesicht. »Hei, wär' ich -ein Junker wie wir hier zwei oder drei herumstolzieren haben: -- auf -dem Wege zu den Schmachtnonnen, ja noch hinter dem Klostergitter hervor -würd' ich Euch retten. Für Euch selbst und für ...« -- »Am Ende gar für -Euch selbst? Hört, Ihr werdet ganz gefährlich in Eurem Mitleid! Ich -rufe mir Aufsicht herbei -- und was für gestrenge! -- komm, Edel, komm -heraus. Erscheine, du Heilige, und hilf mir wider die Anläufe dieses -dicken Dämons. Wir armen Jungfräulein müssen wieder einmal allein zu -Abend speisen.« »Die?« flüsterte Supfo. »Ja, die vertreibt mich. Denn -Junker Hellmuth ist mir nah ans Herz gewachsen. +So+ blond, +so+ schön -und +so+ widervernünftig!« Und er verschwand. - - -X. - -Nachdem der Ruf ohne Erfolg blieb, schlug die Braune den dunkelroten -Vorhang zurück, welcher das Nebengemach zur Linken abschied. - -Da erblickte sie im trüben Dämmerlicht einer Hängeampel die Freundin -auf dem Betschemel knien, die schmalen, langen, weißen Hände gefaltet -zu brünstigem Gebet vor einem dunkelfarbigen Kreuz; das stammte aus -Jerusalem; Herr Heinrich hatte es aus Monte Casino mit heimgebracht. -Rasch erhob sich nun die Beterin, strich ihr tiefblaues langfaltiges -Gewand zurecht und trat in das Vorderzimmer; mit leisem Kopfschütteln -empfing sie Minnegard. »Der Bischof kommt nicht,« seufzte sie. »Und -also auch nicht das junge Geleit, das er manchmal mitbringt.« »Desto -besser,« erwiderte Edel, die schönen dunkeln Brauen zusammenziehend. -»Du denkst nur an dich,« meinte die andere und öffnete einen in der -Wand angebrachten Verschlag, Schüssel und Teller daraus hervorholend. -»Vergieb!« bat Edel weich. »Es war selbstisch.« Sie griff nach der -Freundin Hand, sie half ihr, die Teller aufstellen. »Glaube nur, ich -gönne dir von Herzen das Vergnügen, das dir der Ritter von Yvonne zu -gewähren scheint. -- Ich gönn' es dir, -- obgleich ich es beklage.« --- »Jetzt ... erst setze dich, Edel! +Wir+ wollen unser Nachtmahl -nicht versäumen! Ist doch morgen ohnehin schon wieder Fasttag! Weil -an diesem Tag vor vielen hundert Jahren irgendwo ein sehr heiliger -Mann -- wer kann sich alle merken! -- geboren oder gestorben oder -›transferiert‹ worden ist. Komm! Greif zu! Der kalte Rehbraten wird -dir munden, -- du wirst ihm nicht anschmecken, daß der verhaßte Fulko -den Bock erlegt hat. Sage nur, weshalb du wie auf -- den andern -- -o! ich nenne ihn nicht! -- auch auf den fröhlichen Singemund deinen -Groll geworfen hast?« -- »Ich trage dem Ritter Fulko keinen Groll.« --- »Aber er mißfällt dir?« »Doch nicht! Denn bei allem Übermut ist er -...« sie brach ab. -- »Warum dann beklagst du, daß ich ›Vergnügen‹ -- -wie du das nanntest -- an ihm finde?« -- »Warum? -- Weil ich fürchte, -holde Thörin, es ist weit mehr als Vergnügen, mehr als Scherz.« »Und -wenn es Ernst wäre?« erwiderte Minnegardis sehr rasch. -- »O liebes -Herz! Das eben fürchtete ich, -- sah ich. Bedenke doch! Wie soll das -enden? Du -- im Kloster. Und im Herzen das Bild eines Mannes! Hast du -das wohl je bedacht?« Da ward das schöne Gesicht des heiteren Mädchens -plötzlich sehr ernst, -- der edle Ausdruck ließ ihr doch noch viel -besser denn der Mutwille! -- und sie antwortete nachdrücklich: »Ja, -Edel, ich +hab'+ es bedacht. Oft, lang und tief. Sieh, dieser Gedanke -ist mein Halt, er ist mein Trost, er ist mein einzig Glück. Mögen sie -mir ein Geschick aufnötigen, dem ich widerstrebe mit Leib und Seele: --- nur den Leib doch können sie einsperren und zwingen, die Seele -nicht! Und muß ich aller andern Lebensfreuden darben, nach denen ich -- -ach! so lechzend heiß begehre -- das Eine Glück --, es ist mir ja zu -gönnen, das bloße Glück der Gedanken! -- können sie mir nicht rauben: -das Glück, sein liebes, schönes Bild tief in der Brust zu tragen, das -Glück, ihn zu lieben und -- o ich weiß es! -- heiß von ihm geliebt zu -sein. Und Heil mir! Er ist es so voll wert, daß ich ihn liebe!« - -Da schluchzte plötzlich Edel laut auf: strömende Thränen brachen -aus ihren Augen, sie schlug beide Hände vor das blasse, schmale -Antlitz, bog das Haupt dicht an die Stuhllehne zurück und seufzte: »Du -Beneidenswerte!« - -Erschrocken sprang Minnegard auf: nie hatte sie solchen Ausbruch -des Gefühls erlebt bei der so streng verhaltenen, bis zur Härte -und Herbheit spröden und scheinbar so kühlen Freundin. »Edel, mein -Liebling!« rief sie, kniete sich zu ihren Füßen auf das Bärenfell des -Estrichs und umschlang mit beiden Armen die schmalen Hüften. »Was ist -dir? O sprich! Wirf endlich dieses starre, stolze Schweigen ab! Es -schmerzt ja doch dich wie -- wie mich! Vertrau' dein stummes Weh meinem -treuen Herzen! Sprich es aus! Es wird dir gut thun! Sieh, ich ahne ja -doch so manches! Hab' ich doch wochen- und monatelang gelebt neben -dir und --« »Nenn' ihn nicht!« brachte die Ringende schwer aus den -halbgeschlossenen Zähnen hervor. »Hab' ich's doch mit angesehen, wie --- allmählich! -- sogar deines allzustolzen Herzens Eisrinde endlich -schmolz. Ist auch wahrlich kein Wunder! Ist er doch ...« -- »Lob' ihn -nicht! Es ist all' nicht wahr! --« Bitter, schmerzlich kam das heraus. -»Ach was! Wohl ist's wahr! Er ist -- leider Gottes: er +war+! -- der -freudigste junge Held (-- in Blond! --), den man sich träumen konnte, -wenn man nicht lieber von -- was Braunem träumte. Wie lobte ihn der -Bischof! Und auch dir gefiel sein ritterlich Wesen. Er taugte so gut -zu deiner stummen, stolzen, ehernen Art. So gut zu +dir+ -- wie -- -- -ein anderer zu +meiner+ Weise. Und zuletzt -- unnahbar wie du bist -- -du nahmst es an, sein edel zurückhaltend, zartes Werben!« -- »Edel -zurückhaltend -- zartes -- Werben!« Sie riß die Hände von dem Gesicht, -ein funkelnder Zornblick schoß aus den grauen Augen, die Flügel der -feinen Nase zuckten. »Bis auf einmal -- nach jenem Stechen zu Worms! --- O wie ihr daher zurückkamt! -- Er vom Tage seines höchsten Ruhmes -wie ein weidwund geschossener Edelhirsch. Und du -- wie jene zürnende -Göttin der Jagd, von der uns Fulko verdeutschte aus Meister Ovidius. -Und wie hängt er noch immer an jedem Blick deines Auges, so grausam -auch du mit ihm umgehst! Mich wundert, daß dich seiner nicht erbarmt. -Bedenke! Wenn wirklich die nächste Sunnwend' ein Ende macht mit uns -allen ...!« - -Da flog ein leichtes Erbeben über Edels feine Gestalt: ihre Züge -wechselten den Ausdruck: an Stelle des Zornes trat ein Etwas wie -Wehmut, wie Trauer: die Kluge ersah das und fuhr eifrig fort: »Wodurch -immer er deinen Zorn gereizt hat, -- willst du unversöhnt mit ihm -hinübergehen in die Ewigkeit?« - -Edel schwieg und schlug die langen Wimpern nieder. - -»Willst du, Grimm und Groll im Herzen gegen ihn, der dir so ganz -ergeben, vor den ewigen Richter treten, vor Christus, der seinen -Mördern selbst vergeben hat? O Edel -- ich überraschte dich -- nicht -das erste Mal! -- im Gebet: wenn du denn so fromm bist: wie lehrte uns -der Heiland beten? ›Gleich wie wir vergeben unsern Schuldigern.‹ Was -immer du gebetet hast, -- das Rechte -- +dies+ Gebet! -- du hast es -nicht gebetet!« -- »Ich ... ich betete -- wie schon so oft! ... für -ihn!« -- »Edel! -- Wie gut du bist!« -- »Nein, nein! Hoffart war mein -Gebet: -- ich sehe es jetzt ein! Ich fühlt' es bei deinen +wahrhaft+ -frommen Worten. Ich betete immer nur ...« -- »Nun, was?« -- »Gott möge -ihm seine Schuld gegen mich verzeihen.« -- »Und du hast beigefügt: -gleich wie ich, Edel, ihm verzeihe?« Beschämt senkte Edel das Haupt -auf die wogende Brust. Minnegard hob es zärtlich und gelinde, mit dem -Finger unter dem Kinn, in die Höhe. - -»Du schweigst, kleiner Trotzkopf?« -- »Ich ... ich will nicht ..., daß -ihm um meinetwillen Gott zürne und ihn strafe.« -- »Aber du, du zürnst -und strafest fort! Geh du dem lieben Gott mit gutem Beispiel voran! -Verzeihe du zuerst.« -- »Ich ... ich kann nicht ... will nicht.« -- -»Weil du ihn eben nicht liebst! Du +kannst+ wohl gar nicht lieben!« Da -traf sie ein blitzender Blick aus den plötzlich voll aufgeschlagenen -grauen Augen: »Glaubst du?« -- »Noch einmal, Edel, bedenke: wenn nun -wirklich demnächst alles aus ist? -- Wenn ich dessen erst sicher bin --- +ganz+ gewiß! -- dann ...!« -- »Nun? Was wirst du dann thun?« -- -»Dann ...!« Minnegard sprang heftig vom Boden auf. »Ja, siehst du, -ganz genau weiß ich noch nicht, was ich dann thue. Aber einmal noch im -Leben, thu' ich dann, -- wozu das Herz, -- dies heiße Herz! -- mich -treibt, unbekümmert um das Geschelte der Welt: -- sie hat ja dann nicht -mehr viel Zeit, zu schelten.« -- »Kind -- du glühst! -- Was wogt in -dir? Was treibt dich um?« Ohne die Frage zu beantworten, fuhr Minnegard -fort, heiß erregt in der engen Kemenate auf und nieder zu schreiten; -sie hob die vollen Arme in die Höhe und holte tief Atem: »Mit einer -Halbheit in der Seele, mit ungestilltem Sehnen, mit unbefriedigtem -Begehr: -- ich weiß freilich nicht, wonach! -- aber nach Liebe, nach -einer süßen Wonne -- mit dieser schmerzenden Leere hier in der Brust --- hinübergehen in das Jenseits, wo nicht geliebt wird, nicht gefreit -und nicht ... geküßt, also nie -- in Ewigkeit nie! -- erfahren, wie die -Minne beglückt -- das -- das also wird dann mein Los? O wie traurig!« -Sie blieb plötzlich hart vor Edel stehen. »Und du vollends! Du willst -deinen Haß mit hinübertragen gegen den Mann, der dich so herzverzehrend -liebt? Willst du dann vor den Richter treten und verlangen: bestrafe -ihn!« -- »Nein doch! Nein! Ich bete ja das Gegenteil!« -- »Dann wird -der Richter sprechen: Und du verzeihst nicht? Die ganze Welt ist -vergangen, aber nicht dieses Mädchens Haß?« Die so Bedrängte erhob -sich rasch vom Stuhle: »laß mich! Ich kann nicht anders! Laß mich -ringen im Gebet mit meinem Stolz, mit mir selbst! Laß mich wieder -beten.« -- »Gut, Schwester, bete! Geh wieder hinein zu dem Kreuze des -Allvergebers. Junker Hellmuth ist ein Ritter ohne Makel: er kann nicht -Unvergebbares verbrochen haben. Auch ich werde beten: aber nicht, daß -Gott ihm, daß er +dir+ verzeihe deinen lang nachtragenden, deinen -unversöhnlichen Groll.« - - -XI. - -Zu der gleichen Stunde saß in dem Speisesaal in dem Erdgeschosse -des Bischofshauses an dem runden Tisch mit der Ahornplatte Hellmuth -in stummem Brüten vor dem unberührten Weinkrug; er hatte den linken -Ellbogen auf den Tisch gelehnt und das blonde Haupt auf die Hand -gestützt. Da trat Fulko ein und warf zorngemut das reiherbefiederte -Barett auf die Bank. »Nichts ist's!« rief er unmutig. »Der Herr -Bischof beliebt wieder einmal zu fasten, nicht zu Nacht zu speisen -und gönnt uns die gleiche Frömmigkeit.« »Ist gelogen, mit Verlaub, -Herr Ritter von Yvonne,« lachte Supfo, der eben eintrat und eine -stattlich mit allerlei Kaltfleisch gefüllte Silberschüssel auftrug, -sich neben den beiden Freunden niederließ und alsbald tapfrer als -beide zusammen auf den Braten einhieb. »Fasten müßt ihr heute Abend -nur in der Minne, richtiger gesagt: im hungrigen Anschauen einer -allerdings fast unerlaubt schönen Jungfrau. Daß sie letzteres noch -ist, Herr Ritter, ist nicht Euer Verdienst.« »Verschafft sie mir zum -Eheweib und ich erhebe Euch zu +meinem+ Kellermeister,« rief der -Provençale und schenkte sich den Zinnbecher wieder voll. »Leichter -Amt wär' es als hier,« erwiderte Supfo und trank ihm zu. »Warum?« -- -»Nun: immer leerer Keller, weil immer durst'ger Herr. -- Übrigens, wo -steckt Junker Blandinus? Der pflegt doch sonst häufig euer Abendgast -zu sein! Wo läuft er noch so spät herum?« -- »Jedenfalls hinter -einem Weiberrock! Schad' um ihn.« -- »Er ist nicht übel.« -- »Nicht -dumm und nicht feige.« -- »Beides nicht!« -- »Aber die verfluchte -Eitelkeit!« -- »Und die Verliebtheit! Nach allen Seiten hin!« -- »Es -ist ihm eigentlich gar nicht drum. Er meint nur, als Venetianer, als -Dogensohn und schmucker Bursch -- denn er ist wirklich hübsch! -- -müsse er überall um Minne werben. Wenn ich ihn nur einmal gehörig zum -Fechten und Schlagen bringe! Dann kann noch ein Mann aus ihm werden.« --- »Bis dahin -- in ein, zwei Jahren -- ist auch die schlimme Runel -kein Kind mehr; und wer weiß, ob der Schwarzlockige dann nicht doch -den graulockigen Schnufilo verdrängt in ihrem trutzigen Herzlein.« --- »Bah, was schwatzen wir da von ein, zwei Jahren -- und sind nur -noch ein paar Wochen bis Sunnwend' und Weltend'! Sagt, schlauer -Supfo, wie findet Ihr Euch ab gegenüber den Schrecken des Gerichts -und Eurem Gewissen?« »Ich?« lachte der Dicke und schob ein mächtig -Stück Rehbraten in den Mund. »Ich habe das beste Gewissen, das mir -je bei einem Menschen vorgekommen ist.« -- »Wieso?« -- »Es ist so -gut. So weinfromm. Besser als Euer Rapphengst, Herr Fulko, der beißt -zuweilen: und mein Gewissen, -- das beißt mich nie. Ich kann ihm viel -bieten, bis es nur, warnend, schnappt. Aber beißen? Nie! -- Und das -andre ...?« -- Er hob den Becher an die Nase. (»Köstlich der Ruch, -dieses weißen Leisten! --) -- das andre: der Weltuntergang? -- Das ist -dummes Zeug!« -- »Aber Supfo!« Sogar Hellmuth fuhr hier aus seiner -trübsinnigen Träumerei auf und warf dem Dicken einen fragenden Blick -zu. Jedoch der rümpfte unverzagt die rötliche Nase, verzog den Mund -wie bei einer Weinprobe und sprach bedächtig: »da hab' ich von unserem -Herrgott eine viel bessere Meinung denn ihr alle.« »Wenn's aber der -Herr Papst selber sagt?« forschte Hellmuth. -- »Hat er's schon gesagt? -Nein! Und +wenn+ er's sagt, --« »Nun, dann aber?« meinte Fulko. »Dann -ist's doch bewiesen.« »Daß er's glaubt!« schloß Supfo und stellte den -Becher nieder, daß er klirrte. »Mehr nicht. Ich glaub's mal nicht vom -braven Himmelsherrn. Man glaubt auch sonst gar viel, was nie geschah -und nie geschieht. Diese seine Welt sollte er selbst zerstören? Wer -weiß, ob er eine neue so schön wieder zusammenbrächte! Und nun gerade -heuer, da wir des Trunks der Steinrebe froh werden wollen! Heuer, da in -meiner Neupflanzung auf dem Harfenhügel schon jetzt -- vor Johannis -- -alles so wundervoll abgeblüht hat. Habt ihr alle zwei den Duft nicht -verspürt vor lauter Verliebtheit? -- Übrigens --« er sog und schlürfte -nun langsam, verständnisinnig einen Schluck durch die gespitzten Lippen -(-- »ah, ist das ein Weinlein! Viel zu gut für euch unmerksame Knaben! ---) übrigens hab' ich eine prächtige Wetterprobe für Gewitter, Erdbeben -und all' dergleichen Erfreulichkeiten. Eine Prophetissa -- sagt man -in Welschland --, der glaub' ich mehr als sieben Päpsten.« »Ihr redet -recht lästerlich, Supfo,« sprach Hellmuth verweisend. »Für Erdbeben -- -Ihr?« zweifelte Fulko. »Jawohl, Herr Sänger! -- Meint Ihr, nur Ihr mit -Eurer Laute seid in der Welt umhergekommen. Oho! Wir waren auch schon -draußen! Sind mit Kaiser Ott dem Roten unter dem Rothenburger Fähnlein -in Welschland auf Heldenschaft gefahren. Lagen wir da vor Napoli, der -schönen Stadt. Sehr schön. Aber heiß! Und dreckig! Wir lagen vor den -Thoren, als Beschirmer nämlich gegen die Saracenen. Nicht in Zelten -oder Holzhütten, sondern in den Häusern der Bauern lagen wir: -- sind -alle von Stein vom Grund bis unters Dach. Da drüben rauchte ganz -behaglich und gemütlich der Feuerberg, der Mons Vesuvius: -- wir waren -schon so daran gewöhnt in all' den Wochen, wie daß man den Atem sieht -im Winter. Mein Hauswirt -- Gaudenzio hieß der Wackere -- hatte eine -Katze, die liebte er mehr, beteuerte er oft, als seine gelbhäutige, -schnurrbärtige Ehefrau. ›Denn warum?‹ sagte er. ›Meine Lucia kratzt -nur, fängt aber keine Mäuse und verkürzt mir das Leben, während Mucia -zwar gelegentlich kratzt -- aber nicht mich, nur Lucia (woran sie -recht thut), Mäuse fängt und mein Leben verlängert, meine schwarze -Prophetissa!‹« »Wieso?« fragte Fulko. »Ja, wieso? genau meine Worte von -damals! (woran man erkennen kann, was Ihr für ein kluger Knab' seid!) -›Ja,‹ sagte Gaudenzio und streichelte die Katze, die gleich schnurrte. -›Nämlich wir haben hier gar oft die landesüblichen Erdbeben. Ist weiter -gar kein Vergnügen nicht, sag' ich Euch, Supfone, wenn Ihr gar nicht -getrunken habt und doch wackeln müßt mit den Beinen, weil nämlich das -Land unter ihnen wackelt, als habe das Land einen Rausch. Und wenn Euch -das eigne Haus auf den Kopf fällt, so genau und platt, wie der Deckel -auf einer Schildkröte liegt -- nur, daß Ihr nicht damit davonkrabbeln -könnt, sondern gar keinen Leichenstein mehr zu bestellen braucht! Nun -also, kurz bevor Santo Vesuvio da drüben -- Santo Januario, bitt' für -uns bei ihm! -- ein wenig rappelig wird über die Sünden seiner lieben -Napolitaner, an die er nun doch schon seit mehr als einem Jahrtausend -gewöhnt sein könnte, -- aber er ist ein unberechenbarer Heiliger! -- -also bevor der liebe gute alte Vater da drüben -- mit dem dürfen wir's -noch weniger verderben als mit der heiligen Jungfrau! -- auch nur ein -kleines rappelig wird, wird Mucia -- schon ziemlich lange vorher! -- -ganz rappelig, miaut, wie wenn sie ihr Fleisch durch Gesang verdienen -müßte, springt bald gegen mich, bald gegen die verschlossene Hausthür -und ruht nicht, bis sie im Freien ist: -- sie und ich auch. Nach -Lucia schaut sie gar nicht um.‹ Ich begreife Eure Liebe zu dem Tier, -sprach ich verständnisvoll. Nun gut: -- ein paar Nächte nach dieser -Unterredung weckt mich mein Gaudenzio aus dem tiefsten Schnarchschlaf: --- denn der schwarzrote Amalfitaner ist gut, aber schwer! -- reißt -mich aus dem Strohlager und stößt mich zur Thüre hinaus ins Freie. -Ich wollte ihn gerade niederschlagen, da schrie er: ›Die Katze! die -Katze! Mucia hat gewarnt.‹ Und kaum senk' ich den erhobenen Arm, -- -da taumel' ich und wanke, als hätt' ich den Amalfitaner nicht ganz -verschlafen -- war aber hecht-nüchtern -- und auf einmal -- pardauz! --- lag sein ganzes Steinhaus platt auf dem Bauch, wie ein Frosch, -drüber ein Lastwagen fuhr. Die Ungewarnte lag leider darunter. Am -andern Morgen zog unsere Heerschar ab. Zum Abschied schenkte mir mein -Wirt seine Katze. ›Denn warum?‹ sagte er treuherzig unter Thränen. -›Brauch' sie nicht mehr. Baue kein Steinhaus mehr. Und nehme -- ganz -gewiß! -- keine Frau mehr. Denn warum? Lucia war doch so böse, wie -ich keine mehr fände. Und jetzt thut es mir gleichwohl leid um sie. -Nun denket erst, wie leid mir eine sanftere thäte! Also wozu Katze?‹ -So nahm ich Mucia mit. Auf meinem Rucksack quer durch ganz Welschland -über den Brenner trug ich sie bis in die Heimat. Sie verläßt mich nie. -Hört ihr sie draußen miaun? Ich komme, Schätzlein, ich komme. -- Nun -seht: merkte Mucia das bißchen Erbrechen von dem lumpigen Vesuvio da -drunten und jedes Erdbeblein, das dort zu Lande so häufig wie bei uns -das Nießen im Schnupfen, und zeigt sie -- wie sie immer thut -- hier -jedes Gewitter an, lange bevor es vom Königswald heraufzieht! -- da -wird's die Prophetissa doch wohl auch merken, wenn alsbald die ganze -Welt zerkrachen soll. -- Ich komme schon, Liebelein! -- Ich nehme sie, --- an dem Vorabend -- mit in einen Ort, wo -- nun, wo man dem Kern -der Erde näher ist als anderwärts. Bleibt sie ruhig, bleib' ich auch -ruhig. Die Zeit soll uns dabei schon nicht lang werden: denn an jenem -heimlichen Orte giebt's für Mucia viele Mäuse und für mich -- nun, für -mich giebt's da auch was. Wir sehen uns dann schon wieder, Jungherrn. -Entweder in der ewigen Seligkeit oder -- was ich eine Zeitlang noch -vorziehe -- hier in diesem Jammerthal. Aber dann, Herr Fulko, dann -singen wir erst recht das Lied, das mir von all' Euren Schelmenweisen -zumeist gefallen hat!« -- »Welches? Sind ja viele so nichtsnutzig, daß -sie +Euch+ gefallen können.« -- »Ich meine das: - - Nun woll'n wir erst heben ein Trinken an, - Daß der Herr Gott es nicht kann fassen, - Und spricht: ›wenn der Mensch +so+ viel trinken kann, - Mehr Wein muß ich wachsen lassen!‹ - -Ich komme, Prophetin des Herrn. Ich bringe dir deinen Prophetenlohn -heraus,« und er nahm ein leckres Stück Braten aus der Schüssel. -»Traumselige Nacht, ihr Herren. Ihr, Fulko, küsset für mich mit!« Und -er humpelte hinaus und verschwand. - - -XII. - -»Ein guter Gesell,« lachte Fulko. -- »Aber ach, meine Gesellin! Nun -ist es heute abend wieder nichts! Ohne den Bischof läßt uns die -Tugendverwalterin und Unschuldbeschließerin und geheime Obervestalin --- wie heißt sie doch? aus Schottland stammt sie -- richtig: Malwine! --- dadrüben gar nicht über die Schwelle am Abend. Und wie heiß hatte -ich mich gesehnt, wieder einmal in das süße, klare, holde Gesicht zu -schauen! Ist ja wenig genug, weiß die heilige Aphrodite! für mein -wildes Begehren. Aber als der Teufel einmal sehr durstig war, trank er -Wasser. Sind wir daher doch auf das Zabelspiel gekommen. Kenne keinen -Zug! Aber dabei konnten wir uns doch an den Abenden manche gute Weile -einander gegenüber setzen, uns -- recht nahe! -- in die Augen schauen -und manchmal stießen unsere Finger durch Zufall aneinander, während -wir auf dem Brett die Steine rückten. Denn dergleichen mußten wir -schon zuweilen thun. Jüngst trat Herr Heinrich an unsern Marbeltisch -im Erker, wo wir schon drei Stunden saßen -- die ganze Vesper hatten -wir darüber versäumt -- und sprach: ›Nun, wie steht das Spiel?‹ -Heilige Eulalia von Barcelona! Wir hatten in all' der Zeit ja erst -einen Zug gethan. Und das lose Mädchen hatte mir, während ich ihr die -Rechte drückte und ihr selig in die Augen sah, ganz verstohlen mit der -Linken meinen König vom Brette genommen und in ihrem leer getrunkenen -Goldbecher in Gefangenschaft gesetzt! Es war schrecklich. Lächelnd -befreite ihn der Gütige, hob ihn heraus, stellte ihn auf seinen Platz -und fragte: ›hoffentlich ist dies nicht noch immer das erste Spiel?‹ -Er war so freundlich, mir das Lügen zu sparen: er schritt hinweg, -ohne meine Antwort abzuwarten. Ein prächtig Herz! War wohl auch einmal -jung und heiß. Und noch jünger war Frau Theophano ...« »Gieb acht,« -warnte Hellmuth. »Man hört da draußen auf dem Gang, was hier so laut -gesprochen wird.« »Nun,« lachte Fulko, »das flüstert man vom Danevirke -bis Salerno! War sie doch Witwe! Wär' ein schönes Paar geworden! -- -Aber das Zabelbrett war auch sonst so willig! Konnte meinem holden -Schatz stets abends meine den Tag über gedichteten Minnelieder -darunter durchschieben. Wie geschickt zog sie mit den wachsweißen -langen schmalen Fingerlein die Blätter auf der andern Seite heraus! -Und hui! waren sie verschwunden in ihrem lang herunterhängenden Ärmel. -Jetzt müssen meine armen Reime wieder Messe hören!« -- »Wie das?« --- »Nun ja! Morgen früh in der Kirche halte ich sie ihr wieder vor -das zierliche Näslein und sie singt daraus die lateinischen Psalmen. -Ist aber gefährlich! Neulich stand der fürwitzige Venetianer hinter -mir, guckte über meine und ihre Schulter, las ein paar Zeilen und -fragte mich lachend, ob ich das hohe Lied Salomonis in das Deutsche -übersetzt hätte? Nicht schlecht! Lache doch, Hellmuth! Oder trinke -wenigstens! Thu' Bescheid. Unserer Herrinnen Minne.« Aber Hellmuth -schob kopfschüttelnd den Becher zur Seite. »Nun, willst du nicht reden, -so höre wenigstens. Du hattest immer Freude an meinen Versen.« »Gewiß, -Freund. Denn du kannst sagen, was ich nur fühlen und -- leiden kann. -Zwar schmerzt es, zu hören, welch' Glück erwiderte Minne gewähren -mag: aber es ist ein Weh, das wohl thut mitten im Schmerz. Bitte, -beginne.« Fulko war ein Dichter: zweimal ließ er sich nicht bitten. -Er trank erst herzhaft, griff dann in den Brustlatz, holte ein paar -Pergamentblättlein hervor und las: - - Du hast gesiegt, du starke Liebe! - Hinweg, Besinnung und Bedacht! - Und ob sie ins Verderben triebe: -- - Nimm ganz mich auf in deine Macht! - - Die Vorsicht sprach: »das wird nicht frommen,« - Die Sitte sprach: »vernimm mein Wort:« -- -- - Da ist der Strom der Liebe kommen - Und ohne Wahl riß er mich fort. - - So trage mich, du heil'ge Welle, - Und, wenn du dies Verlangen stillst, -- - In Todesnacht, in Himmelshelle, -- - Ich folge dir wohin du willst. - - * * * * * - - Die Eiche rief zum Wolkensitz: - »Ich trotze dir, du starker Blitz.« - Der aber sprach: »Du ziehst mich an! - Sieh, ob dein Trotz dir helfen kann, - Ich bin ein rascher Freiersmann:« -- - Und Schlag und Glut und Wetterschein: -- - In Flammen ward die Eiche sein. - - Die Uferrose sprach zum Fluß: - »Du flehst umsonst um meinen Kuß:« - Der aber sprach: »Hilft denn kein Flehn, - Sollst du ein andres Werben sehn, - Jetzt, Rose, ist's um dich geschehn.« - Er stieg empor in stolzer Lust - Und riß sie fort an seine Brust. - - Das ist der Liebe Prob' und Macht, - Wenn sie in echtem Mann erwacht, - Daß sie des echten Weibes Herz, - Und hüllte sich's in dreifach Erz, - Doch mit sich fortreißt sternenwärts - Und zur Geliebten siegbewußt - Und triumphierend spricht: »du mußt.« - - * * * * * - - Wenn aus der Erde dunklem Schose - Zur Schönheit aufgeknospt die Rose - Und wenn sie dann in Wonnetagen, - Indes die Nachtigallen schlagen, - Ihr ganzes süßes junges Leben - Dem Kuß der Sonne hingegeben, -- - Erfüllt hat auch die schönste Rose - Die schönsten ihr bestimmten Lose. - - * * * * * - - So sind bestimmt des Menschen Lose: - Nur höchstem Mut wird höchster Preis; - Am Abgrund blüht die Alpenrose - Und dicht beim Tod das Edelweiß! - -Er schloß ab und that einen tiefen Trunk. - - -XIII. - -»Das Edelweiß!« wiederholte Hellmuth. »Sechsmal würd' ich sterben, -könnt' ich dadurch sie -- nicht gewinnen, -- ach! nur versöhnen! Danke -dir, mein Fulko. Deine Verse sind --« -- »Bah, Verse sind's! Nicht -Küsse! Bittere Tinte und trocken Pergament! Das ist all' nichts, gar -nichts! Ich halt' es nicht mehr aus! Immer bloß das verfluchte Reimen -von ihrem roten Mund und heißen Kuß! Morgen -- ganz in der Frühe -- -paß ich's ab! Wenn sie aus der Kemenate tritt -- immer allein: -- -Malwine, die Verwalterin des Anstands, hütet alsdann die Tugend noch -im Traum: und Jungfrau Edel verbetet sich immer um ein Weilchen! -dann trete ich hin vor diese Minnegard und fasse sie und frage sie -nicht lang und küsse sie, daß sie -- nun, nicht gerade ganz erstickt, -aber recht beinahe.« Da sprang Hellmuth auf, legte die Hand auf des -Freundes Schulter und rief: »Nein! Um Gottes willen nicht! Thu's nicht! -Wag' es nicht!« -- »Warum nicht? Ich mein', ich kann es wagen!« -- -»Thu's nicht, mein Fulko! Willst du so elend werden wie -- ach! wie -mich viel, viel bescheidneres Wagnis gemacht hat?« Und er schlug die -geballte Faust vor die Stirne. Der andre zog ihm mit sanfter Gewalt -Arm und Hand herab: »Hellmuth, tapfrer Gesell! Sprich! Sprich's doch -endlich einmal aus: was ist geschehen zu Worms? -- Du weißt, ich bin -getreu und verschwiegen!« -- »Ich weiß es! Und darum sollst du -- du -allein von meiner Schuld, -- meiner schweren Schuld! -- erfahren!« Er -seufzte tief. »Bin gespannt! -- Alle Augen hier im Bischofshaus sahen -nicht bloß, daß du ... auch, daß sie dir -- allmählich! -- gut ward. -Herr Heinrich selbst sah's auch und hatte wahrlich nichts dawider! -›Ein schönes Paar und trefflich gepaart,‹ rief er mir einmal aus dem -Sattel zu, als ihr auf dem Rennweg uns entgegengesprengt kamt. ›Der -liebe Gott scheint sie für einander geschaffen zu haben.‹ So werdet -+Ihr+ sie nicht scheiden wollen? fragte ich rasch. ›+Ich?+ Junge -Liebe scheiden? +Ich+ doch gewiß nicht! -- Es sei denn‹, -- warnte -er und sah mir scharf ins Auge -- ›daß zwischen Wunsch und Erfüllung -steht -- ein Kloster.‹ Und als der Bischof nach Worms nur euch beide -mitnahm, da sagten wir: die kommen zurück mit den Ringlein am Finger. -Aber wie kamt ihr zurück! Sie wie die Eisjungfrau und du wie ein in -ihren Armen Erfrorner. Was ist geschehen, sprich, an jenem Tage deiner -schönsten Siege?« -- »Ach, ich verfluche sie. Sie haben mir all' das -Unheil angerichtet. Sieh, Fulko: du weißt, eitel und eingebildet bin -ich wahrhaftig nicht ...« -- »Behüte! Deine Bescheidenheit ist dein -größter Fehler. Könntest mir drei Viertel abgeben, -- wär' uns beiden -geholfen.« -- »So hätt' ich auch wahrlich nie gewagt, mir einzubilden, -die stolzeste der Jungfrauen werde mir, bevor ich feierlich beim -Bischof um sie geworben und dessen Ja wie das ihre erhalten, das -geringste Zeichen von Gunst gewähren.« »Verkehrt,« meinte Fulko und -trank seinen Becher aus. »Einmal muß man doch anfangen! Weib will -gewonnen sein durch Wagen.« -- »Als ich nun aber in dem Lanzenstechen -alle -- wirklich alle! -- Gegner aus dem Sattel gehoben -- zuletzt auch -Siboto, den zähen blonden Friesen, und den starken Richard, den Grafen -zu Winklarn, -- nie noch hatte ich die beiden zwingen können! -- und -als nun rings die Drommeten schmetternd meinen Sieg verkündeten und -die Herolde mich auf dem schnaubenden Roß dreimal durch den Kampfkreis -führten und alles Volk mir ›Heilô!‹ und ›Siegô!‹ zujauchzte, und der -Herr Bischof mir huldvoll zunickte von seiner Altane herab an Edels -Seite und als ich nun heranritt, aus ihrer weißen Hand den Preis, den -dreifach gewundenen Eichenkranz mit der goldenen Schnur, mir auf das -Haupt setzen zu lassen, als ich sie nun vor mir sah, schön wie nie -zuvor, strahlend vor Anmut und -- wie ich wähnte! -- auch ein klein -wenig vor stolzer Freude an mir, als sie sich über mich beugte, als ich -den zarten, leisen Druck ihrer beiden lieben Hände auf meinem Haupte -fühlte, -- da schlug ich entzückt die Augen zu ihr auf: durch mein -Herz jagte das Blut in wilden Sprüngen: -- die Hitze des Kampfes tobte -noch nach in meinen Adern -- und all' der Lärm, der Glanz ringsum, die -Freude, daß +sie+ meinen Sieg gesehen -- all' das zusammen berauschte -mich! Sehnsüchtig, -- aus aller Kraft der Seele! -- suchte ich nach -ihrem Auge, nach nur Einem Blick! -- - -Allein beharrlich, eigensinnig, trotzig -- ach! oder war es süße -jungfräuliche Scham? -- hielt sie die langen, langen, die feierlichen -Wimpern gesenkt. Ich flehte leise: ›Edel! Einen Blick -- nur Einen,‹ -hauchte ich. -- Umsonst! -- Da ergriff mich Stolz, Trotz, heiße Wut: --- ich wollte mir den Blick erzwingen, wie ich mir den Sieg erzwungen. -Mit der Rechten griff ich -- kein Mensch konnte es gewahren, der dichte -Kranz und ihr vorflutend Haar verbargen völlig meine Hand -- ganz leis -an ihr Kinn und hob es mit Gewalt empor: ›Einen Blick!‹ wiederholte ich -dringend! --« -- »Nun? Da sah sie auf?« -- »Ach ja! Da sah sie auf! Da -+erhielt+ ich einen Blick, aber welchen Blick! Wie blaues Feuer blitzte -mir Zorn, Haß, Empörung, Verachtung entgegen aus den sonst so sanften -Augen. -- Sie bog sich zurück, soweit sie irgend konnte, ach! mir war, -zwei scharfe Pfeile flogen durch mein Herz! Ich wankte im Sattel: --- in Verzweiflung sprengte ich aus der Stechbahn: -- draußen glitt -ich besinnungslos vom Gaul! ›'s ist die Hitze, die schwere Rüstung‹, -hieß es. Ach wär' ich nicht mehr aufgewacht! -- Seitdem hab' ich sie -verloren für Zeit und Ewigkeit. Nie -- ich kenne dieses Herz von -Diamant! -- niemals verzeiht ihr gekränkter Mädchenstolz.« Und er brach -zusammen auf der Bank und stützte die Stirn auf die Hand. »Hm! Armer -Freund!« sprach Fulko nach einer Weile. »So hat sie dich denn wirklich -nie geliebt? -- Denn liebt ein Weib, -- ein +echtes+ Weib -- und ich -will das dieser herben Edel nicht bestreiten, -- so verzeiht es, unter -Thränen, ja im Zorne lächelnd, der Kühnheit des Geliebten. Und was ist -es denn, was du gewagt? Gar nichts! -- Nein, Hellmuth,« -- er sprang -auf -- »dein Geschick kann mich nicht warnen. Nein! Geht wirklich -demnächst die Welt zu Grunde, dann ...! Bei einem Kuß laß ich's dann -nicht bewenden. Dann, schöne Minnegardis, wirst du mein, magst du -darüber grollen oder nicht. Liebst du mich aber -- wie ich's hoffe! -- -mitten im Grolle wirst du verzeih'n und -- selig sein in diesen Armen. --- Komm, Hellmuth, laß uns schlafen. Es wird spät.« - -Der Blonde erhob sich nun ebenfalls. »Ich schlafe nicht. -- Auch +ich+ -habe mir ausgesonnen -- bin nur über eins dabei nicht aufgeklärt! -- -wie +ich+ die letzte Stunde dieser Welt verbringen, wie ich sterben -werde. Nicht so süß umarmt wie du und nicht so weich gebettet: -- aber -auch nicht übel umarmt und auch nicht übel gebettet: -- hart, jedoch -herrlich. Allein vorher muß ich noch manches erkunden. -- Schlaf -wohl! Ich reite aus!« -- »So spät! Wohin? Zu wem?« »Zu wem?« lächelte -Hellmuth grimmig. »Nicht zu einem Liebchen. Vielleicht -- zum wilden -Jäger!« - -Und klirrend in seinen Waffen schritt er hinaus. - - -XIV. - -Angesehene Leute fanden in jenen Zeiten auf ihren Reisen fast immer -Unterkunft bei Gastfreunden; auf dem flachen Land in Burgen der Ritter -oder in Höfen der bäuerlichen Landsassen, in Klöstern oder in den --- freilich noch seltenen -- Städten in den Häusern der Burgensen. -Die schmutzigen Herbergen in den Dörfern und Städten aufzusuchen und -darin zu nächtigen, vermied man gern: es ging gar unsauber, wüst und -lärmend darin her. Häßlich und unbehaglich sah es denn auch aus in -einem solchen Leuthaus des Nordgaues südlich der Eger nahe der Mark -der böhmischen Berunzanen. In der großen Schenkstube lag auf den -löcherigen Dielen schmutzig Schilf; und nicht nur von ehrlichem Ruße -waren die Wände aus ungehobeltem Kiefernholz so dunkelfarbig geworden; -ein paar rote Flecken in dem Schmutz des Bodens verrieten verdächtige -Ähnlichkeit mit der Farbe des Blutes. - -Um den viereckigen Schenktisch -- dessen Platte ein mittendurch -zersprungener Schieferstein bildete, sie ruhte auf vier geschrägten -Balken -- saßen auf niedrigen Schemeln, rohen Eichstrünken, zwei Männer -in eifrigem, oft im Flüsterton geführtem Gespräch. Die lange nicht -mehr gesäuberte, hohe, schmale enghalsige Zinnkanne und zwei Becher -aus leichtem Tannenholz enthielten ein gelblich braunes, säuerlich -riechendes Getränk; nur einer der Gäste sprach ihm zu: der andere -- -in geistlicher Tracht -- schob mit widerwilliger Handbewegung seinen -Becher so weit von sich hinweg, daß der Geruch des Nasses ihm nicht -mehr in die Nase steigen möchte. »Ihr trinket gar nix, Archidiakon?« -fragte der eifrige Zecher in einem Deutsch, dem slavische Zischlaute -einen seltsamen Anklang liehen. »Verbietet's ein Gelübde? Oder eures -Magens Eigenart?« »Mein Gaumen gebietet mir und meines Wesens Eigenart, -nur Wein, -- guten Wein -- zu trinken, nicht dies Gärgebräu, das zu -einer gewissen Ähnlichkeit mit kahnigem Traubensaft verdorben ist und -das diese deutschen Barbaren Bier nennen.« »O, ist nix schlecht,« -meinte der andere und füllte sich den Becher aufs neue. Obwohl es -ein warmer Sommerabend war, bestand seine Tracht aus Pelz: sein -enganliegendes, bis an die nackten Kniee reichendes Wams war aus -vielen hunderten von schwarzen Maulwurfsfellen zusammengenäht; um -die Hüften hielt es ihm ein breiter Dolchgurt aus mattem schwarzem -Leder zusammen: die Waden steckten in Strümpfen aus dem gleichen -schwarzen Rauhwerk: die Schuhe wurden ersetzt durch strohgeflochtene -Sohlen und ein Kreuzgeschnür von dunkeln Riemen. Die sammetschwarzen -und sammetweichen, jeder Biegung der geschmeidigen Glieder sich eng -anschmiegenden Fellchen sahen aus wie die angewachsene Haut selbst des -Wenden und gaben ihm bei seinen weichen, katzengleichen Bewegungen -Ähnlichkeit mit einem schwarzen Panther. - -Aus dem dunkelbraunen Gesicht über den häßlich vorstehenden breiten -Backenknochen zu beiden Seiten der aufgestülpten Nase funkelten ein -paar tiefschwarze, aber feurige Augen; der Bart war glatt abgeschoren, -ausgenommen zwei sehr lange schmale Stränge des Schnurrbarts, welche -ihm rechts und links vom Munde hingen: er strich und drehte daran -unablässig mit der Linken. Auf dem schwarzen, kleingekrausten Haar saß -ihm schief, aber kecklich, eine hohe viereckige Mütze aus dem gleichen -schwarzen Fell, von dem ein paar schwarz-weiße Elsterfedern grell -abstachen; die rechte Hand fuhr ihm öfter an den Horngriff des langen -krummen Säbels als für die Gemütlichkeit der Unterhaltung ersprießlich -war: gereinigt war alles, was er am Leibe trug, niemals worden und der -Leib selbst recht selten. »Ist ganz gut hinunterschütten,« wiederholte -er, den Becher niedersetzend und sich den triefenden Schnauzbart mit -der Rückseite der Hand wischend. -- »Ja, Ihr seid nicht verwöhnt, -Herr Berunzane. Weder in Trank noch in Speise. Wahrscheinlich habt -Ihr all die armen Schermäuslein auch verspeist, denen ihr die weichen -Wämmslein abgestreift.« -- »Aber gewiß! Leckerer Braten! Besser sogar -noch als Engerlinge! Sind wir nix so reich, wir armen Brüderlein, wie -diese Deutschen.« -- »Wißt Ihr auch warum, mein Fürst?« -- »Oh ja. Weil -nix arbeiten, wie die Bauerntölpel. Deutschen ist Hand gewachsen zum -Pflugziehen, uns, zu nehmen, was Deutscher erarbeitet hat.« -- »Ja, -ja, Eure Leute treiben's arg mit Stehlen im Nordgau. Deshalb will ja -Euch und Eure Haufen weder Ritter noch Freibauer noch Abt aufnehmen in -Burg, Hof oder Kloster. Deshalb muß ich heute in diesem übelstinkenden -Bretterverschlag mit Euch sitzen, Fürst Zwentibold, Spithinieffs edler -Sproß!« -- Der Fürst der Maulwürfe zuckte die Achseln: »Ich hab' Euch -nix gesucht, Ihr mich. Und was wir zu verhandeln hatten, brauchte weder -Laie noch Pfaff zu hören.« -- »Wir sind nun doch einig -- in allen -Stücken?« -- »Ganz einig. Der Handel gilt: ›Blut gegen Gold‹. -- Nur -eines wurmt mich noch.« -- »Und das wäre, wackrer Held?« -- »Daß Ihr -mir nur die Hälfte des Geldes ausgezahlt habt.« -- »Die andere nach -dem Sieg.« -- »Das will sagen: Ihr traut mir nix. Aber +ich+ soll -+Euch+ trauen. Und seht, Herr Archipfaff, das ist zu viel verlangt.« --- »Herr Wende!« -- »Nun ja! Schaut, ich und meine lieben Wölflein, --- wir sind hier fremd im Land. Daß wir -- gegen gutes Gold! -- gern -gegen die verhaßten Deutschen losschlagen, daß wir gerne dazu helfen, -wenn deutscher Bischof gegen deutschen König kämpft und Königsgraf, -- -das! -- beim großen Zrnbog! -- das mag man füglich von uns glauben. -Wer aber bürgt uns, daß +Ihr+ Euch nicht wieder vertragt mit den -anderen Deutschen? Wer bürgt für die Zähe +Eures+ Hasses? Ihr seid -...« -- »Kein Deutscher!« -- »Wohl, wohl. Weiß! Seid Lombarde! Aber -Kaiser Otto ist auch +Euer+ Landesherr. Wie Deutschland gehöret ihm -Lamparten!« Da erschrak der Wende: denn der sonst so kühle Priester -schlug plötzlich mit der Faust auf die Schieferplatte, daß die Becher -aufhüpften: und tödlicher Haß sprühte aus den dunkeln Augen unter -den starken Brauen, als er mit einer vom Zorn halb erstickten Stimme -hervorstieß: »Ja, leider! Fluch ihm dafür! Fluch und Verderben allen -Deutschen.« »Beim schwarzen Zrnbog!« rief der Slave, zurückprallend -auf seinen Schemel. »Welche Wuth! Woher?« »Woher? Warum? Weil ...! -Wohlan: Ihr sollt' es wissen! Ihr +müßt+ sogar darum wissen, sollt -Ihr das eine -- das letzte -- verstehen, was wir noch +nicht+ beredet -haben und was mir doch das Wichtigste von allem.« Mißtrauisch fuhr der -Häuptling an den Schwertgriff und warf die dicken wulstigen Lippen auf: -»Nix einen Finger rühr' ich über das Versprochene hinaus für das wenige -Geld, den Bettelsold. Ein Knicker ist er, euer Bischof von Würzburg.« -»Es ist nicht viel,« gab der Priester zu: »Nicht meine Schuld! Der -Weichmütige wollte nicht einmal diesen Betrag -- ›einstweilen nur!‹ --- seinen frommen Bauten entziehen. Säße ich auf dem reichen Stuhl -des reichen Würzburg, -- Euer Lohn sollte ...! Aber Ihr fragt, woher -mein Haß gegen diesen Kaiser-Knaben, gegen alles, was Deutsch? O der -Haß ist trefflich begründet. Ihr wißt nicht, wen Ihr vor Euch habt, -tapferer Häuptling.« -- »Den Archidiakon von Würzburg,« sagte dieser, -offenbar ohne sehr hohe Meinung von einem solchen Wesen. -- »Gott -sei's geklagt! Aber in des Priesters Adern fließt königliches Blut.« --- »Das wäre!« staunte der Wende und riß die Augen auf. »Und ging' es -nach Recht und Gerechtigkeit, so säße ich in diesem Augenblick statt -in dieser schmutzigen deutschen Herberge auf dem goldenen Throne zu -Pavia und dies Haupt trüge, statt der Tonsur, die Königskrone des -Lombardenreichs.« -- »Ihr seid ...?« -- »Ich bin der Sohn Berengars, -des letzten rechtmäßigen Königs von Italia, und der einzige Erbe seines -Rechts und seiner Krone. Mein armer Vater! Überwunden und gefangen -von jenem schrecklichen eisernen Otto, verbannt für immer aus unserer -schönen Heimat starb er -- hier in der Nähe -- zu Bamberg. Anmaßer, -Gewaltherren, Thronräuber, Tyrannen sind alle Ottonen wie jener erste, -der meinem Vater das Scepter aus der Hand riß.« -- »Aber,« wandte der -Slave ein, »in Welschland sagte man mir, die Welschen selbst haben -jenen ersten Otto ins Land gerufen, damit er endlich Ordnung und Ruhe -...« »Tyrannen sind sie!« schrie der Lombarde, ohne auf die Worte zu -achten. »Auch mich, ein Knäblein damals, hat der fremde Zwingherr mit -meinen Eltern über die Alpen geschickt in dies Land voll Eis und Nebel -und nach des Vaters Tod zu Würzburg erziehen lassen.« -- »Das war -unvorsichtig, sehr! Bei uns zu Land erdrosselt man die Knaben besiegter -Fürsten.« -- »Teuflisch grausam war es! Denn in einem Kloster -- zum -Priester! -- ward ich erzogen. Der Welt, den Waffen sollte ich für -immer entrückt, unschädlich sollte ich gemacht werden. Ein Pfaffe kann -Italien nicht befreien vom Joche der Barbaren! Und doch ist die Lust an -weltlicher Macht, die Gier, zu herrschen, ja -- und ich fühl's! -- auch -die +Gabe+, zu herrschen, Land und Leute zu regieren, staatsmännische -Pläne zu schmieden mit des Vaters Herrscherblut auf mich vererbt. -Statt dessen -- was bin ich?« -- »Nun, wie sich soeben zeigt, auch in -weltlichen Dingen nix ohne Gewalt: -- die rechte Hand eines deutschen -Kirchenfürsten ...« -- »Verschling' ihn der Abgrund der Hölle!« schrie -der Lombarde. -- »Hui, welch heißer Haß! Und dennoch dient Ihr ihm so -eifrig? -- Wie soll ich das verstehen?« -- »Ihr +müßt's+ verstehen -lernen! Hört weiter! Als ich zum Jüngling, zum Manne herangewachsen -war und den Frevel begriff, den diese Deutschen an meinem Vaterland, -an meinem Vater, an mir begangen, da knirschte ich in das Gebiß, mit -dem sie mich wehrlos gemacht hatten. Tag und Nacht sann ich darauf, -es abzustreifen. Aber tief verbarg ich Haß und Groll und Hoffnungen! -So gut gelang mir die Verstellung, daß ich das vollste Vertrauen -der häufig wechselnden Bischöfe in der Mainstadt gewann. Bald ward -ich ihr Apokrisiar, Vorstand ihres gesamten Urkundenwesens: diesseit -der Alpen lebt kein zweiter, der dies Schrifttum so fein versteht. -So konnte es geschehen -- daß ... O ich hatte jahrelang nur gehofft, -als Flüchtling über die Alpen zu entkommen, um dort ganz Italia zur -Freiheit aufzurufen, mein Königsrecht mit dem Schwerte zu verfechten. -Und nun geschah das Wunderbare, daß mich Bischof Poppo -- der zweite -dieses Namens -- selbst mit sich nahm auf einer Romfahrt. Wie erglühte -mein Blut! Wie pochte mein Herz, als ich jenseit der Berge zuerst -lombardischen Boden betrat, mein Erbgut! Wir weilten viele Monate -in Pavia, in Mailand: Zeit übergenug für einen Kopf wie ich, einen -Aufstand vorzubereiten. Und, -- bei meines Vaters Grab! -- ich war -nicht müßig. Aber Schmach und Verderben! Was mußte ich erleben?« -- -Und er verstummte vor Ingrimm, warf beide Arme aus den Tisch und legte -das Gesicht darauf. -- »Nun? Was ist? Nix traurig werden!« -- »Was -antworteten sie mir? Sie, meine Landsleute, meine Stammesgenossen, -ging's nach dem Rechte -- meine Unterthanen! ›Nie -- solange wir -zurückdenken mögen und unsere Jahrbücher berichten -- nie seit den -Tagen des großen Carolus, hat solch weise, friedliche, und doch starke, -Recht schirmende Herrschaft gewaltet in unserm Heimatland von Verona -bis Benevent und Napoli, wie unter diesen rotbärtigen Ottonen. Das -Land ist glücklich und zufrieden -- laß es so!‹ -- Und da ich nicht -abstand, zu schüren, zur Freiheit aufzumahmen, da drohten sie, -- meine -eignen Vettern in Pavia! -- mich dem deutschen Zwingherrn anzuzeigen! -Ah Schmach und Weh! Vernichtet war da, zertreten für immerdar all' mein -Hoffen, des Vaters Krone mir wieder zu erkämpfen, diese knechtischen -Seelen zu entflammen. Ich eilte nun nach Deutschland, nach Würzburg -zurück. In der entarteten Heimat Macht und Herrschaft zu gewinnen, --- ich hatte es erfahren! -- war unmöglich. Allein ich wußte längst, -ich sah es täglich vor Augen an Köln, und Mainz, ja auch an Würzburg, -wie im deutschen Reiche Männer von Geistesschärfe und Willenskraft -- -lange nicht soviel davon eignete ihnen wie dem Königssohne von Italien! --- von ihren Bischofssitzen aus den Staat leiteten -- den deutschen -und den italischen dazu. König von Italien konnte ich nicht werden, -aber Kanzler des deutschen Reichs wie der Kölner, -- wie schon so -mancher Bischof das ward. Und einstweilen war es auch nicht übel, als -Bischof von Würzburg zu walten! Unablässig war ich daher bemüht, die -Gerechtsame dieses Bischofs zu erweitern, durch erbetene Verleihungen -des Königs, durch Geltendmachung alter, vergessener Ansprüche, die oft -nur durch meine Gelehrsamkeit -- oder ›Findigkeit!‹ -- aus Urkunden, -die ich erst wieder entdeckte, zu erweisen waren. Sie staunten über -mich, die blöden Thoren, Bischof und Domherren! Sie lobten, sie -lohnten meinen unermüdbaren Eifer für Sankt Burchhards Recht, wie sie -es nannten. Diese deutschen Tölpel! Als ob ich mich für den ersten -lange toten oder auch für den jetzigen lebendigen Bischof zu Würzburg -also mühte! Nein: für den +nächsten+ Bischof: und der sollte heißen: -Berengar!« - -»Ah, verstehe jetzt. Versteh! Nix dumm!« nickte der Fürst, kratzte sich -eindringlich, -- aber vergeblich am Kopf und trank. - -»Drei Bischöfe -- Poppo, Hugo und Bernward -- hatte ich, höher und -höher steigend in geistlichen Würden, erlebt. Nun hatte ich allen -Grund, anzunehmen, -- mein Amt als Archidiakon, als Apokrisiar, meine -von allen laut anerkannten Verdienste um das Bistum gaben mir ein -Recht dazu -- bei der nächsten Erledigung des Stuhls könne keinen -andern die Wahl treffen als mich. Ich zählte schon so fest darauf, daß -ich -- vielleicht unvorsichtig! aber wie hatte ich mich jahrzehntelang -zusammengehalten! -- den Stolz, das Gefühl des geborenen Herrschers, -der Überlegenheit fühlen oder doch erraten, ahnen ließ -- kurz, Bischof -Bernward verfiel in seinen letzten Zeiten in Mißtrauen, wirkte bei -dem Kaiser, bei den Domherren gegen mich und als er starb, der alte -Rothenburger, da folgte ihm nicht ich, sondern sein Neffe Heinrich!« --- »Ja, der Rothenburger,« knirschte Zwentibold und griff ans Schwert. -»Der arge Wolf des Waldes fresse seine Seele! Was hat er uns früher -viele Brüderlein erschlagen.« -- »Dieser höchst ungeistliche Graf, der -erst vor ein paar Jahren -- plötzlich -- der Welt entsagt hatte! Dieser -Weltling schnappte mir mein schwer verdientes Bistum weg! Bei meines -Vaters Grab! Er soll's nicht lang mehr tragen.« - -Zwentibold lehnte sich zurück, blinzelte dem Priester zu und wölbte -die dicken Lippen zu einem gelinden, aber ausdrucksvollen Pfeifen: -»Ahi! Aho! Fange an zu begreifen!« -- »Das geht -- scheint's -- -langsam, Fürst, bei Berunzanen wie bei Deutschen. Meintet Ihr wirklich -bisher, für eines andern Macht müht sich der Königssohn Italiens so -emsig ab, feilscht um die Hilfe Eurer wilden Horde, begiebt sich in -hohe Fährlichkeit? Denn Reichsverrat ist was wir treiben: -- ich, mit -Wollust, in klarem Bewußtsein: -- der ehrenfeste Bischof unbewußt, aber -doch mit mahnendem Gewissen. Das Leben kann mir's kosten: -- im Gefecht -oder -- nach der Niederlage: -- am Galgen. Denn Graf Gerwalt versteht -keinen Scherz.« »Mich wundert doch,« sprach der Wende, kopfschüttelnd, -»daß es der Rothenburger thut. Er focht so treu für dieses Reich.« -- -»Gerade so treu ficht er jetzt für seines Bistums Recht. Aber Ihr -habt nicht Unrecht. Ich hätte ihn nicht soweit getrieben ohne einen -glücklichen Zufall. Der Graf, dem er den Gau zunächst abkämpfen muß, -dieser Graf Gerwalt, -- er haßt ihn tödlich.« -- »Warum?« -- »Weiß -nicht. Man flüstert in der Stadt, der Graf habe ihn ausgestochen in -der Gunst der schönen Kaiserwitwe. Ich entdeckte diesen Haß, als -- -erst ganz vor kurzem -- Gerwalt, bisher Graf des Deutzgaues gegenüber -Köln, den Waldsassengau mit Würzburg erhielt. Der Rothenburger wurde -glutrot vor Zorn bei der Nachricht. Erst seit es gegen Gerwalt fechten -heißt, will er -- im Notfall -- fechten. Im Notfall! wie er meint: denn -erst will er den Spruch des Reichstags abwarten: -- nur falls dieser -sein sonnenklares Recht nicht anerkennt ...« »Kann nix solang warten,« -grollte der Slave. »Gewiß nicht! Deshalb hab' ich, statt Euch erst -Wartegeld zu zahlen, gleich fest mit Euch abgeschlossen. Wann brecht -Ihr auf?« - -»Sobald mein frischer Zuzug eingetroffen aus Tethin: zweihundert -Lanzen!« -- »Gut! Seid Ihr einmal -- in seinem Namen -- eingebrochen -in den Gau, kann er nicht mehr zurück. Er darf nicht mehr Zeit haben, -zu bereuen. Deshalb wollen wir auch gleich wegziehen von hier und -unsere Spur verbergen, damit mich seine etwaigen Boten nicht finden und -abrufen können. Denn es gelang mir doch nur dadurch ihn fortzureißen, -daß ich dem verhaßten Grafen Droh- und Hohnworte in den Mund legte, -die dieser nie gesprochen! Ich erfand sie -- jenem Gerücht angepaßt! -Das half! Wie der Stier aufs rote Tuch stürmte der plumpe Deutsche -darauf hin los. Aber nun merkt auf. Jetzt kommt die Hauptsache. Der -Rothenburger --« er stand auf, trat vor die halb offene Thür in das -Freie und überzeugte sich, daß dort niemand das Ohr an die dünne -Bretterwand lehnte. Dann kam er zurück, warf einen Blick in die -anstoßende Küche, sah, daß diese völlig leer war, trat nun dicht an -seinen Verbündeten heran und flüsterte diesem in das Ohr: »der Bischof -darf seinen Sieg nicht überleben.« »Aha,« nickte der Slave. »Meint Ihr, -ich will noch jahrelang in seinem Dienst, als sein Knecht, zusehen, wie -er mit den von Kaiser Karl verliehenen Rechten den Gau beherrscht, den -er mir verdankt? O nein! Ohne Zweifel werde ich zu seinem Nachfolger -gewählt: -- er selbst hat im voraus, falls er stürbe, die Stimmen -des Kapitels für mich gewonnen: -- so möge denn sein eigener Wunsch -geschehen: -- aber bald.« -- »Jedoch wie soll ...?« -- »Merkt auf! Er -wird nicht fehlen in dem Gefecht! Er läßt sich's nicht nehmen, selbst -den Überfall der Burg -- denn die vor allem müssen wir nehmen! -- zu -leiten.« -- »Ich führe meine Wölflein selbst,« erwiderte der Häuptling -schroff. »Und nicht schlecht, glaubt mir. Hab' was gelernt im Dienst -der Byzantiner! Nix so tölpelig bloß dreinschlagen wie diese Deutschen!« - -»Schon gut. Aber der Rothenburger kämpft jedenfalls mit. Nun wohl! -Nach dem Sieg -- den soll er uns noch erkämpfen helfen! -- fliegt -nicht ein Pfeil oft irr im Gefecht? Auf der Verfolgung der Fliehenden? -Kann ihn nicht ein Geschoß -- falsch gezielt -- von Euren eigenen -Leuten treffen?« Zwentibold sprang auf: »Oder ein geworfenes Messer! -Sind vergiftet. Ein Hautritz -- muß sterben. Fehle nie meinen Mann. -Es gilt! Aber dann ...« -- »Das Doppelte!« -- »Nix genug.« -- »Wie, -Unersättlicher? Ich bringe -- auch als Bischof -- nicht mehr auf.« --- »Nix mehr an Geld. Erst das Doppelte. Dann -- andres. Ist wilder, -lustiger! Vorerst: meine Wölflein müßt Ihr auch in die Thore hinein -lassen.« -- »Er will's zwar nicht. Aber der Überfall der Burg -- -der Kriegsmann in ihm wird's einsehen -- gelingt am sichersten so. -Ihr sollt hinein!« -- »Hui wohl! Dann -- liegt er erst tot -- nix -zahm die Hand hinhalten, wie Bettler um Geschenklein -- dann --« Die -Augen des Slaven funkelten, wie die des Raubtieres, das zum Sprunge -niederduckt. »Nun, was dann?« »Plündern!« stieß Zwentibold hervor mit -schnalzender Zunge. »Nur zwölf Stunden! Mit Brand und Blut und -- nix -zu vergessen! -- die Weiblein küssen, -- ohne kirchlichen Segen. Ihr -wißt, wir brauchen den nix,« höhnte er, »sind nix getauft!« -- »Das muß -ich doch ...« -- »Erst überlegen? Nix! Herr Bischof Berengar +muß+!« -Seine Faust fuhr an den Schwertgriff. »Oho! Es giebt der Söldner noch -mehr.« »Wohl«, lachte der Häuptling, daß seine weißen Zähne blitzten. -»Aber Zwentibold, Spithinieffs Sohn, kennt jetzt des Herrn Archidiakons -Geheimnisse.« »Was wollt Ihr damit sagen?« fragte der Lombarde, -scheinbar ruhig, aber er ward ganz bleich unter seiner gelben Haut. - -»Ihr seid nix so dumm, das nicht zu erraten! Entweder Ihr thut nach -meinem Willen oder ich fange an, Geschichtlein zu erzählen. Dankbare -Hörer, gut zahlende, werd' ich finden: den Herrn Kaiser, den Grafen -Gerwalt und -- nicht zum mindesten -- den Bischof Heinrich.« Er sprang -auf. Berengar that desgleichen und reichte ihm die Hand. »Es sei! Ich -gönn' es diesen Deutschen!« - - - - -Drittes Buch. - - -I. - -Es war ein strahlend schöner sonniger Sonntag im Brachmond, ein paar -Stunden nach Mittag: da wogte auf den weitgestreckten Gemeindewiesen -vor der Vorstadt »auf dem Sande« eine festlich-fröhliche Menge. - -Denn der Verband der Bogenschützen feierte die Wiederkehr des Tages, -an dem vor fünfzig Jahren König Otto der Große ihnen durch einen -Gnadenbrief die Rechte einer Genossenschaft und allerlei Freiheiten -und Befugnisse verliehen, auch die königliche Kammer angewiesen hatte, -alle fünf Jahre drei große Stückfässer Wein der Schützenschaft zu -verabreichen, wenn sie an diesem Tag ein Bogenschießen halten wolle; -sie hatte es immer gewollt! - -Auch heute drängte sich da draußen vor dem Südthor so ziemlich alles, -was die Beine rühren und die enge, heiße Stadt verlassen konnte: denn -zur Lustbarkeit ließen sie sich schon damals recht leicht bewegen, die -guten Burgensen der fröhlichen Stadt am Main. - -Männer und Weiber, diese gar oft ganz kleine Kinder auf den Armen oder -auch auf dem Rücken in einem Huckekorb oder einer »Butte« festgebunden -tragend, Laien und Priester und Mönche, bischöfliche Dienstmannen, -Pfahlbürger und zumal auch viele Bauern und Winzer aus den -benachbarten Dörfern und Höfen wallten und wogten hier durcheinander; -es fiel auf, daß die Reisigen des Grafen fehlten: aber die wenigen, -welche ihm nicht über die Alpen gefolgt waren, durften die Burgwacht -nicht verlassen. - -Gerade an der Stelle, wo sich heute die Straßen nach Randersacker -und nach Heidingsfeld gabeln und wo auch dermalen -- gegenüber dem -Ehehaltenhause -- ein Wirtshaus steht, hatte ein Wirt für das allzeit -durstige Völklein -- denn die drei Fässer reichten bei weitem nicht! --- zu dem Festtage eine sehr bescheidene Schenke aufgezimmert: über -ein paar tannenen Tischen und Bänken spannte sich, von belaubten -Birkenstämmlein getragen, aus Segeltuch ein lustiges Gezelt: grüne -Gewinde von Schilf und Zweigen waren darüber hingezogen: oberhalb -des Eingangspförtleins schwankte ein Kranz von Rebenblättern: roter -Teufelsabbiß, weißer Ehrenpreis, zierlicher Frauenschuh waren -hineingeflochten. - -Hastig lief der Wirt, der sonst gar behäbige Bezzo, mit den Zinnkrügen -und Holzbechern voll billigen weißen Weines zwischen den Bänken -auf und ab, sein rosig Töchterlein zu gleichem Eifer mit manchem -Scheltwort treibend. »Röschen! daß dich der Donner verschlag! Was -steckst du wieder solang bei dem Schlingel von einem Waffenschmied? -Und der würdige Kapellan von Sankt Burchhard und sogar der Nachbar -Spedilo, der brave und gerechte Büttnermeister, müssen schier vor Durst -verschmachten! Der Bettelbub, der Scheibennarr zahlt dir doch nie ein -Handgeld über die Schuldigkeit hinaus.« - -Verschämt wischte sich die Kleine das Mündchen: »Ei, ich bin mit -dem Mundgeld zufrieden!« und eilig sprang sie nun zu der Bank, wo -mehrere Geistliche und ältere angesehene Bürger der Stadt um einen -weißgescheuerten Ahorntisch versammelt saßen, dabei der dicke Büttner, -der sich vergeblich bemühte, der Flinken den Arm um die schlanken -Hüften zu legen; der junge Waffenschmied aber rief, sich das braune -Bärtchen streichend: »Ei, Vater Bezzo, +Ihr+ müßtet von Rechts -wegen dem Gast noch Mundgeld obendrein zahlen, der Euern sauern -Rostputzerwein hinunterwürgt.« - -»Gelbschnabel, unverschämter! Für dich wird wohl eigens Herr Supfo -den Edeltrank vom Stein- oder vom Harfenhang schenken? Wann zahlst du -deinen letzten, vorletzten und drittvorletzten Trunk?« -- »Auf der -Hochzeit mit Röschen, Vater Bezzo!« -- »Der Teufel ist dein Vater.« -- -»Nein, der wird ja mein Schwiegervater!« -- »Ich werd' euch,« grollte -von dem geistlichen Tische her der Baß des Kapellans, »wer nennt da so -keck den üblen Höllenwirt? Dann kommt er gar rasch herbei.« »Fürcht' -ihn nit!« lachte der Waffenschmied, »ich schieß' ihn zusammen auf -fünfhundert Schritt wie einen alten Auerhahn. Mein früherer Herr, -Junker Hellmuth, hat's gesagt: zwei Burschen wie er und ich reiten -allen Teufeln entgegen. Da kommt der Ritter! Er soll euch zeigen, daß -er noch viel besser schießt als ich.« - -Damit sprang der hübsche Bursche auf und eilte einem ansehnlichen Zug -entgegen, der eben von der Stadt her auf die Festwiese gelangte. Es war -der Bischof selbst, begleitet von vielen seiner Geistlichen, von seinen -Junkern und den Edelfräulein. Während Herr Heinrich von den Ältesten -der Schützengilde ehrerbietig empfangen und mit seinem geistlichen -Gefolg in eine vorbehaltene festlich geschmückte Laube geleitet ward, -mischten sich seine weltlichen Begleiter unter die Menge. - -»Ich hörte schon unterwegs,« begann Hellmuth, »von Gästen, die von -der Wiese bereits nach Hause trachten, wer heute -- wieder einmal! --- den besten Schuß gethan.« -- »Ja, bis jetzt -- weil +Ihr+ nicht -mit geschossen. Kommt, Herr! Bogen und Pfeile liegen bereit. Dort: -den Rebhügel aufwärts, vor der Weinbergmauer des Geigilo steht die -Scheibe. Nun reißt die Augen auf, ihr Stümper: jetzt sollt ihr sehen, -was treffen heißt.« »Ich schieße nicht mehr -- im Spiele, Gericho;« -düsteren Blickes schritt er weiter. »Wie schade! -- Bei dem letzten -Wettschießen, mein Röslein« (denn sie war schon wieder an seiner -Seite! --) »zu Werthheim traf ich das Rote so genau in der Mitte, daß -ein besserer Schuß nicht möglich schien. Aber was that er? Was that -mein Herr? Er traf doch noch viel, viel besser. Denn er schoß meinen -Pfeil mitten entzwei. -- Wo lebt -- alles in allem -- ein junger Held -seinesgleichen?« - -Diese Worte schlugen an Edels Ohr wie sie, vom Gedräng aufgehalten, -mit Minnegard einen Augenblick verweilen mußte: sie schlug die Augen -auf, glühendes Rot schoß aus dem stolzen, verhaltenen Herzen in die -bleichen Wangen bis unter die lieblich krausen Haare über der Stirn; -ganz verstohlen, von keinem gesehen, flog von der Seite ein leuchtender -Blick stolzer Freude über die edle Gestalt des Jünglings hin. Aber -auch die folgenden Worte Gerichos, obwohl er sie seinem Liebchen leise -zuflüsterte, vernahm ihr feines Ohr. - -»Der Unselige! Ganz verwandelt ist er. Er lacht nicht mehr. Sogar Roß -und Speer, und all' seine Waffenfreude sind ihm verleidet. Er muß -verzaubert sein von irgend einem Neider, der ihm den vielen Ruhm nicht -gegönnt hat. Wüßt' ich den Zauberer, ich riß ihm das Herz aus dem -Leibe.« - -»Vielleicht ist's eine Zauberin, die ihn verwunschen,« meinte Rosbertha -mit leisem Grauen. »Es giebt solche. Er ist gar schön. Vielleicht -that's Eifersucht -- verschmähte Liebe.« -- »Oder auch: er grämt sich -um ein Weib.« Hastig schritt Edel fürbaß, Minnegard an der Hand mit -sich ziehend. - -»Nun, Nachbar Bezzo,« rief der dicke Büttner dem Wirte zu, »wann -endlich schließen wir ab? Ich bin jeden Tag bereit, den Muntschatz zu -zahlen -- soviel Ihr fordern mögt. Ich kann's! Ich hab's liegen. Ich -bin ein Mann, der Frau und Kind ernähren kann.« »Könnt Ihr sie auch -beschützen?« fragte Gericho, blitzenden Auges hinzutretend. »Schämt -Ihr Euch nicht, alter Kahlkopf? Rösleins Großvater könntet Ihr sein!« -»Immer noch jung genug,« erwiderte der Dicke, »dich, Nestling, zu -züchtigen«: und er holte mit der Rechten, zornig aufstehend, zum -Schlage aus. »Ihr? mich?« lachte der. »Versucht's! Für Euch brauch' ich -nur die Linke. Da! Seht! Meine Rechte leg' ich auf den Rücken -- so! -- -und rühre sie nicht, bis Ihr am Boden liegt. Kommt an!« - -»Nachbar,« meinte Bezzo, »das könntet Ihr wagen, mein ich. Gebt dem -Keckling eine Lehre.« Sichtlich nicht gerade gern befolgte Spedilo -seines Freundes Mahnung, hob die beiden Fäuste und schritt drohend -gegen den Burschen heran. - -Der unterlief ihn, schlang den linken Arm um seinen Leib und, ohne -den rechten Arm vom Rücken zu lösen, lupfte er den schweren Gegner -ein wenig in die Höhe, drehte ihn um und warf ihn bäuchlings in das -weiche Gras der Wiese. Lautes Gelächter, tosender Beifall erscholl von -allen Seiten und Gericho hob nun die Rechte, dem schwerfällig sich -Aufrichtenden einen herzhaften Schlag auf die untersten Grenzgebiete -seines Rückens zu versetzen. - -Aber mitten im Ausholen hielt er ein: er lauschte, vorgebeugt, -flußaufwärts und rief: »Halt! Haltet an! Still ein wenig! Was ist -das?« Und er ließ den erhobenen Arm sinken. -- »Jawohl! Stille!« -- -»Horcht! Gebt Ruh.« -- »Was für ein Gedröhn!« -- »Dort von Mittag her --- auf der großen Straße!« -- »Sind's Feinde?« -- »Die Hunnen kommen -wieder!« rief entsetzt ein altes Weiblein. »Nein! Es sind Drommeten!« --- »Nein! Posaunen!« -- »Aber nicht das deutsche Heerhorn!« -- »Und -Grabgesänge tönen drein!« -- »Wie schauerlich!« -- »Immer näher -kommt's.« -- »Schon sieht man die Staubwolken!« -- »Viele, viele -Reiter!« -- »Und Wagen.« -- »Da! Da sind die ersten Reiter schon!« -- -»Was bringen sie? Was hat das zu bedeuten?« - -Und die mehr als zweitausend Menschen auf der Wiese gerieten in wirre -Bewegung: Alles drängte den die breite Heerstraße heranziehenden -Ankömmlingen entgegen. - - -II. - -Noch bevor die staubbedeckten Reiter -- meist Bauern aus den nächsten -stromaufwärts gelegenen Dörfern -- abgesprungen waren und den neugierig -Fragenden Bescheid gegeben hatten, kam bereits ein gar schauerlich -aussehend Gefährt in Sicht. - -Vier schwarze, mit schwarzem Trauerzeug über und über bedeckte Rosse -zogen einen gewaltigen, auf hohen Rädern stehenden Wagen, einen -italienischen »~carroccio~«: auf diesem aber war ein bühnenartiges -Gerüst aufgeschlagen, das, wie der ganze Wagen, auf allen Seiten -ebenfalls mit schwarzen Tüchern behangen war. - -In den vier Ecken des langgestreckten breiten Wagens, der nahezu -die ganze Heerstraße füllte, standen vier Mönche in schwarzen Kutten -mit weithin hallenden ehernen langen Posaunen in den Händen, in der -Mitte aber, sie alle überragend, ein fünfter riesenhoher Mönch, der -die schwarze Kapuze bis an die Augen über die Stirn gezogen hatte: in -der Rechten trug er eine lang hinwallende schwere Fahne von schwarzer -Wolle, in welche mit weißer Farbe plump ein Totenkopf über zwei -geschrägten Knochen gemalt war: alle fünf aber sangen in schauerlichen -Tönen -- nach den Weisen eines römischen Grabgesanges -- ein Lied: und -schauerlich stimmten sie ein, die vielen Hunderte von Männern, Frauen, -Kindern, die vor dem Wagen schritten oder demselben folgten, alle -vom Staube langer Wanderschaft über und über bedeckt, die meisten in -schwarze Gewande gehüllt, viele davon mit Geißeln und Stöcken sich auf -die entblößten Schultern und den Rücken schlagend. - -Das Lied aber lautete: - - »Hört ihr die Posaunen dröhnen - Und der Bußgesänge Chor? - Wehe, weh' euch, Adams Söhnen: - Euer Ende steht bevor! - - Wann des Sommers Sonne wendet, - Bricht der jüngste Tag herein: - Unter geht die Welt und endet - Und euch droht die ewge Pein. - - Auf den Wolken kehrt hernieder - Fürchterlich des Menschen Sohn, - Rauschend Cherubimgefieder - Schwirrt um seinen Richterthron. - - Und sie reißen aus den Grüften - Sünder aus vermorschtem Sarg - Und sie zerren aus den Klüften, - Was sich zitternd lebend barg. - - Alle, die im Erdschos schliefen, - Bannt der Richter sich daher - Und gehorsam aus den Tiefen - Seine Toten speit das Meer. - - Weh euch Männern, weh euch Weibern - Die ihr lebend dies erschaut! - Weh den Seelen! Weh den Leibern! - Wie mich schauert! Wie mir graut! - - Thuet Buße! Streuet Asche, - Asche auf das sündge Haupt, - Daß euch Satan nicht erhasche, - Der im Höllen-Abgrund schnaubt. - - Euch verkündet Papst Sylvester, - Dem's der heilge Geist enthüllt, - Nicht ein Wort des Herrn steht fester: - Was er weissagt, wird erfüllt: - - Hört's, ihr Kleinen, hört's, ihr Großen: - Euer Ende bricht herein: - Wer noch zweifelt, ist verstoßen - Aus der Kirche Heilverein. - - Wann die Sommersonne wendet, - Mit dem Schlag der Mitternacht, -- - Unter geht die Welt und endet: -- - Habt auf eure Seelen acht!« - - -III. - -Die Wirkung des Liedes, des ganzen Aufzuges auf die wirre Menge war -eine furchtbare. - -Nur wenige zwar verstanden genau die Worte des Gesanges: aber von -den dem Wagen nächsten aus verbreitete sich mit Windeseile bis in -die hintersten Reihen der Herandrängenden das kurze, vernichtende -Wort: »Es ist so. Die Welt geht unter. Der Papst hat's selbst gesagt. -Er hat befohlen, es zu glauben.« Was monatelang nur wie ein fernher -drohendes Gewölk über den Gedanken der Menschen geschwebt hatte -- -die allermeisten der leichtlebigen Franken hatten gehofft, es werde -sich zerstreuen -- das hatte sich nun plötzlich zu einer furchtbaren -schwarzen Wetterwolke über ihren Häuptern geballt und donnernd zu -entladen begonnen. Keiner von den Tausenden zweifelte mehr. Heulend -und schreiend liefen sie durcheinander, Männer wie Weiber, zerrissen -die Kleider, rauften sich das Haar; einzelne rannten in wahnsinniger -Angst gegen den Fluß zu, sich zu ertränken. Die meisten strömten in -wilder Flucht nach der Stadt zurück -- manch' alt' Weiblein ward -dabei umgeworfen und überrannt -- die zurückgelassenen Ihrigen zu -benachrichtigen, zu warnen oder in den Kirchen an den Altären, bei -den Überbleibseln der Heiligen zu beten. Die paar Hunderte aber, die -wahrgenommen hatten, daß der lang erwartete Bischof bereits vor dem -schrecklichen Aufzug eingetroffen war auf der Wiese, drängten alle, -wie eine Herde Schafe, die der Wolf bedroht, auf ihren Hirten, so auf -ihren Bischof zu um Hilfe, Rat, Trost, Auskunft, Rettung. »Helft, -helft, helft, Herr Bischof! Herr Heinrich, was sollen wir thun?« riefen -Hunderte von Stimmen. Und der Herr Heinrich that seine Hirtenpflicht. - -Seine Ritter hatten ihm alsbald Bahn gebrochen durch die wogende Menge, -so daß er ziemlich in die Nähe des schauerlichen Wagens gelangte und -den Sinn des Liedes genau verstehen konnte. Seine Junker und er selbst, -mächtig den Fliehenden sich entgegenstemmend, die beiden Mädchen hinter -sich deckend, hielten auch nun, nachdem der Gesang zu Ende, in dem -Gedränge stand. Endlich legte sich der Lärm, es entstand um den Wagen -her eine todesbange Stille: Herr Heinrich drang durch die letzten -Reihen des Volkes, die ihn noch von dem schwarzen Gespann trennten: -scharf spähten seine Augen auf die Gesichter und Gestalten der fünf -Mönche: er kannte keinen. »Wer ist es,« rief er mit starker Stimme, -weithin vernehmbar allem Volk, »der solche Schrecken zu erregen wagt? -Wer will hier das Wort führen im Namen Sylvesters, des heiligen Vaters?« - -Da schlug der riesenhafte Mönch in der Mitte des Wagens die Kapuze -zurück und sprach: »Ich!« - -»Arn!« rief der Bischof mit Entsetzen. »Du! Arn!« - -»Nein! Nicht mehr Arn, Bruder Monitor ist mein Name. Abgelegt für -immer, abgeschworen habe ich, was an mein sündhaftes Leben in der Welt -erinnert.« Der Bischof entgegnete: »Wohl! -- Aber das ist unweise -gehandelt und nicht im Sinne der Kirche, diese gewaltige Wirrnis, -plötzlich, ohne Vorbereitung, unter den großen Haufen zu werfen. Schau' -hin, welch' Unheil du angerichtet hast. Da tragen sie blutende Kinder, -ohnmächtige Weiber vorüber!« -- »Heil ihnen, nehmen sie Schaden an -ihren Leibern und retten ihre Seelen.« -- »Warum hast du nicht -- -in alter Treue -- mir, deinem Dienstherrn, deinem Lehnsherrn, zuvor -vertraute Kunde geschickt, wie es gutem Boten ziemte?« -- »Ich weiß -nichts mehr von Treue, Dienst und Lehen! Ich bin Mönch, habe weder -Allod noch Lehen und diene nur den Heiligen.« »Nun,« erwiderte Herr -Heinrich heftig, »so bin ich doch Euer Bischof geblieben und als Euer -Bischof verbiete ich Euch, den Schrecken in solcher Weise weiter unter -meine Gemeinde zu werfen und Verzweiflung zu verbreiten. Ich verbiete -Euch, weiter in diesem Aufzug durch meinen Sprengel zu fahren. Als -mein Bote seid Ihr ausgesendet worden und mir allein habt Ihr genauen -Bericht zu erstatten. Ich werde ihn prüfen und werde, was davon für die -Gläubigen zu erfahren ersprießlich ist, unter gehöriger bischöflicher -Vermahnung und Anleitung mitteilen. Herunter mit Euch von dem Gerüst! -Spannt die Pferde von dem Wagen ab!« Und drohend trat Herr Heinrich -dicht an das Gespann. Aber der Mönch riß aus seinem Gürtelstrick -eine Pergamentrolle, hielt sie ihm entgegen und schrie mit gellender -Stimme: »Nichts hast du mir zu befehlen, du allzuweltlicher Bischof von -Würzburg! Als +dein+ Bote ritt ich aus, als Bote des Herrn +Papstes+ -kehre ich wieder. Schau' her! Kennst du das Siegel? Lies! Mein Orden, -der Orden des schwarzen Bundes von Garganus, neu gestiftet unter den -furchtbaren Offenbarungen dieser Wochen von Sankt Nil, dem größten -Heiligen und Wunderthäter der Christenheit, steht unmittelbar unter dem -Papst: nur der Bischof von Rom ist mein Bischof, er hat mir mit eigner -Hand diese schwarze Fahne gereichet und mich zu seinem Bandalarius, -zum Bannerträger und Herold des drohenden Gerichts bestellt. Und der -heilige Vater selbst -- lest doch, leset auch ihr, Ritter und edle -Fräulein! -- hat mir Auftrag und Befehl gegeben, mit vier andern -Brüdern aus Deutschland in die Heimat zurückzueilen und hier vom -Brennerberg an von Gau zu Gau zu ziehen, rastlos und unhemmbar, bis -zur Dänenmark und überall in jedem Dorf, in jeder Stadt zu verkünden: -›das Ende bricht herein. Thuet Buße! Bereitet euch, den fürchterlichen -Richter zu empfangen‹. Und Ihr seht, mit welchem Erfolg ich das Wort -vom Gericht verkündet habe. All' diese vielen Hunderte hinter mir, -zu Roß, zu Fuß, zu Wagen, von meiner Verkündung hingerissen, haben -vom Inn bis zum Main Haus und Hof und Habe verlassen und folgen mir -nach freiwillig: Männer und Frauen, Jünglinge und Greise, um die -schreckende Kunde weiterzutragen und die eignen Seelen zu retten, indem -sie andre warnen, aufrütteln und erretten vor dem ewigen Verderben. Und -überall will ich laut verkünden vor allem Volk -- nicht vor Bischof -oder Priester im geheimen! -- das große Wunder, das der Herr in -Welschland an mir gethan.« - -Inzwischen hatte der Bischof das Pergament durchflogen, das ihm der -Mönch von dem Wagen herunter gereicht: -- er prüfte nun und erkannte -als echt das große daran hangende päpstliche Siegel: seufzend gab er -das Schreiben dem Mönche zurück und mahnte seine Junker, welche bereits -sich anschickten, die schwarz behangenen Pferde auszuspannen, davon -abzulassen. - -»Kein Zweifel,« sprach er. »Es ist alles, wie er sagt. Ich habe kein -Recht, dem Boten des heiligen Vaters das Wort zu verbieten. So redet -denn in Gottes und der Heiligen Namen! -- Seid Ihr zu Ende, wird der -Bischof anordnen, welche geistlichen Vorbereitungen geschehen sollen.« - -Er trat nun mit seinem Gefolg ein paar Schritte von dem Wagen zurück: -auf einen Wink Monitors stießen die andern Mönche wieder dreimal in die -ehernen Posaunen: -- weit dröhnten sie über das Blachfeld hin: eine -bange, eine ungeheure Stille entstand. - - -IV. - -Der Bischof und die Seinen betrachteten mit Staunen, mit leisem Grauen -die Verwandlung, welche die Gestalt des hünenhaften, breitschultrigen -Jägermeisters verändert hatte. Er war kaum wieder zu erkennen. Zum -Knochengerippe war der einst kraftstrotzende Leib abgemagert, mit Mühe -hielt die hagere Gestalt sich auf den Fahnenschaft gestützt aufrecht, -die Wangen waren völlig eingefallen und von wachsgelber Leichenfarbe, -die Backenknochen ragten spitz hervor, unablässig zuckte es krampfhaft -um die glattgeschornen Lippen und aus den tiefen, von schwarzen -Schatten umränderten Höhlen schossen die unheimlichen Augen Blicke -von fanatischem Wahnsinn. Er zitterte am ganzen Leib: -- es war wohl -das welsche Fieber: -- oft unterbrach das Klappern der Zähne den Fluß -seiner Worte. - -Und die gewaltige Fahne mit der Linken an seine Brust drückend hob -er an mit lauter schriller, markdurchgellender Stimme: »Höret mich! -Höre mich, alles Volk der Deutschen! Wer Ohren hat zu hören, der höre! -Denn aus meinem, ihres unwürdigsten Knechtes, Mund redet der heilige -Geist, redet Sankt Petrus, redet dessen Statthalter auf Erden, der -Herr Papst zu Rom, redet der große Wunderthäter Sankt Nil im Land -Italia und redet auch der oberste Herr der Weltlichkeit auf Erden -- -solang sie noch bestehen wird! -- der Herr Kaiser Otto. Euch, ihr -Ritter, Geistliche und Dienstmannen des Bischofs von Würzburg, bin -ich allen wohl bekannt. Aber auch die meisten Bürger dieser Stadt und -gar viel Bauern der Dörfer und Höfe kennen mich gut, der ich in der -Weltlichkeit Arn hieß, des Helmbrecht Sohn aus Salzburg. Und wisset -wohl: ich war der Jägermeister des Bischofs und war aller Weltlinge -weltlichster und sündigster. Aus dem Bayerland war ich und allerwegs -gerichtet nicht auf das Geistliche und Himmlische, sondern auf das -Fleischliche und Irdische: kein Felsgrat in meinen Bergen war mir zu -steil vom Wetterstein bis zum hohen Ortler: wohin der schwindelfreie -Gemsbock stieg, da stieg ich nach. Des Weines trank ich mehr als drei -Männer zusammen und mit drei Männern zumal zu raufen hab' ich mich nie -gescheut. Dem Bären ging ich an den Leib, allein, Schwert in Hand. -Beim Reigentanz war ich der erste auf dem Platz und der letzte, aber -auch beim Waffentanz in Pusterthal und Krain mit Wenden, mit Arabern -und Welschen in Calabria. Ach und manche Maid in manchem Land hab' ich -zerstört durch meine wilde Minne! Und viel, viel Blut von Erschlagenen --- in Krieg und in Frieden! -- klebt an meinen Händen. Viel öfter -lief ich zu Wald mit Rado, dem argen, argen Heiden -- dort steht er -und wendet sich finster von mir! -- als in den Dom, wann der Bischof -die Messe sang. Diese Welt, diese lustige Erde, mit Jagdhornklang und -Becherschwang und Speeredrang und Mädchenfang: -- sie war mein alles. -Und als nun vor vielen Monden zuerst das Wort vom nahenden Gericht -auch in unseren Gau drang, da war keiner unter all den Dienstleuten -des Bischofs, der weniger daran glaubte, der übermütiger, frevelhafter --- verzeihe mir Sankt Petrus! -- darüber spottete als ich. Und gerade -mich wählte er als seinen Boten nach Rom. Wie lachte mein sündhaft -begehrlich Herz bei dem willkommenen Auftrag! Ich freute mich auf -ein üppig Feld von Sünden und ich trieb's danach von hier bis Rom. -Auch Rom machte mich durchaus nicht besser. Nicht einmal das Grab der -Apostelfürsten! Aber bald darauf -- da kam über mich die erlösende -Zermalmung, die beseligende Zerknirschung, die errettende Verfinsterung -des natürlichen Verstandes durch das Übernatürliche, das Wunder, das -unsrer sündhaft stolzen Vernunft eitel Thorheit ist.« - - -V. - -»Ich erforschte, der Papst weilte zur Zeit nicht in der ewigen Stadt. -Er war mit dem Herrn Kaiser und mit großem Gefolge von Geistlichen und -Laien -- und viele Tausende von Römern und Welschen aus der Campagna -hatten sich alsbald dem Zug angeschlossen -- gepilgert nach dem Kloster -des heiligen Michael auf dem Berge Garganus zu Nilus, dem greisen -Einsiedler, der in einer Höhle jenes Berges hauste. Viele, viele Wunder -hatte der Herr durch ihn bereits gethan, der auch zuerst schon seit -Monaten die große Botschaft von dem nahenden Gericht verkündet hatte. -Der Herr Papst hatte sich heftig wider jene Verkündung gesträubt: er -beschloß, mit allen seinen gelehrtesten Priestern und Scholarchen und -mit einem ganzen Lastwagen voll heiliger Schriften -- den Beweismitteln -für seinen Unglauben! -- selbst hinzuziehen zu dem Manne Gottes: denn -der hatte sich geweigert, auf den Ruf des Herrn Papstes nach Rom zu -diesem zu kommen: Sankt Petrus hatte ihm im Traumgesicht verboten, die -enge Felsenhöhle zu verlassen, bevor die Engel des Gerichts ihn selbst -daraus abholen würden. Und wollte der Herr Papst durch seine fast -zauberhafte Gelehrsamkeit den schlichten Einsiedler widerlegen, und -ihm -- bei Strafe der Ausstoßung aus der kirchlichen Gemeinschaft -- -verbieten, -- ganz wie vorhin jener Bischof mir! -- solche Schrecknisse -zu verbreiten unter dem Volke. Der Herr Kaiser begleitete ihn: seine -schwärmerisch glühende Jünglingsseele vertraute viel mehr als der -gelehrte Papst dem Worte des großen Büßers: denn der Greis hatte ihm -schon manches geweissagt von Plänen seiner Feinde in Rom, und alles -war eingetroffen Ich aber -- als sie mir das erzählten -- ich Frevler -lachte laut und spottete -- der Heilige hat es mir in der Beichte -vergeben! --: ›ei, hat der alte Schlaukopf so gute Späher in Rom?‹ Und -also, lachenden, höhnenden Mundes all den Weg über, eilte ich tagelang -von Rom gen Süden bis zum Berge Garganus durch das Volk hin, das zu -vielen, vielen Tausenden zu Fuß, oft auf den Knieen rutschend, schwere -Eisenketten schleppend, die nackten Rücken geißelnd bis aufs Blut, -unablässig Psalmen singend und betend alle Wege, die von Nord nach Süd -zu dem Weissager führten, wimmelnd bedeckten wie wandernde Ämsen. Und -als ich endlich an dem Fuße des steilen Berges vom Gaule sprang, rief -ich meinem Roßknecht zu: ›Jetzt paß auf! Denn jedenfalls erlebst du -heut' ein Wunder. Ich steige jetzt da hinauf zu dem Alten. Steige ich -ungläubig herunter -- ist's ein großes Wunder für all' die Tausende, -die da herum kriechen und knieen und klettern. Steig' ich aber gläubig -herunter, mein Sohn, dann ist's ein noch viel größer Wunder -- für -mich.‹ - -Aber ich stieg gar nicht mehr herunter! Ein Weltling stieg hinauf: --- einen Mönch trugen sie herab. Denn ... ah meine Freunde! Wie -soll ich's euch schildern! Als ich endlich durch das Gedränge der -Hunderte und Tausende die Höhe erstiegen hatte, da ergriff mich, den -schwindelfreien Gemsenschütz, alsbald ein seltsam kreiselnd Schwirren -im Kopfe. Furchtbar heiß brannte die kalabrische Mittagssonne gerade -senkrecht auf die nackten Schieferfelsen: nirgends ein Baum, ein -Strauch, nirgends ein Streifen Schattens! -- Und stundenlang mußte -ich so harren, an dem Platz, an dem mich, nachdem ich die Hochplatte -erstiegen, ein Priester eingereiht hatte hinter vielen hundert andern -Pilgern, die vor mir eingetroffen waren und nun alle harren mußten, bis -sie nachrücken konnten in die enge Höhle. Viele Stunden stand ich so! - -Die Welschen sind's gewöhnt, barhaupt in der ärgsten Sonnenglut -auszuhalten: und ich -- ich -- mußte es nun auch. Denn meinen -breitrandigen Reisehut, den ich allein trotzig auf dem Kopf behalten -hatte, als ich in die Reihe trat, den hatten sie mir flugs abgerissen -und den Felshang hinuntergeworfen: -- raufen konnt' ich nicht: konnt' -ich doch die Arme nicht heben, so eng war ich eingekeilt. Und mir war, -als finge unter der stechenden Mittagssonne mein Gehirn an zu sieden, -nein, zu braten: ich konnte kaum mehr denken: in meinen Ohren sang es -wie das Gesumms von ganzen Heerscharen von Mücken! - -Endlich -- traf uns die Reihe. - -Kaum trugen mich die Füße noch die paar Schritte bis an den Eingang der -Höhle: meine Schläfe pochten. Da empfing mich in dem Eingang ein solch -furchtbares Geschmetter von Posaunen und Drommeten, daß ich glaubte, -der Kopf platze mir auseinander. - -Und ein Weihrauchduft, wie ich ihn so süß, aber auch so betäubend stark -nie geschmeckt, quoll und qualmte mir entgegen: mit Mühe rang ich nach -Luft! Und aus dem Hintergrund der schmalen, aber sehr langen Grotte -strahlte mir in dem ganz dunkeln Eingang entgegen ein Meer von Licht, -von tausend und aber tausend Kerzen: geblendet, schloß ich die Augen: -sie zuckten mir vor Schmerz. Aber gleich that ich sie wieder auf, -erschrocken, erschüttert bis in den Grund der Seele. - -Denn eine Mark durchbohrende Stimme, die aus dem Grabe, -- nein doch! -aus der andern Welt! -- zu dringen schien, schlug an mein Ohr: »Bereue! -Büße! Das Gericht ist nah.« - -Und ich sah mir gegenüber den Heiligen! - -O meine Lieben, das war kein Mensch mehr! Eine hohe hagere Gestalt, -nackt bis zum Gürtel. Das gewaltige Haupt umflattert von wirrem weißem -Haar: aus tiefen Höhlen sprühten die kohlschwarzen verzückten Augen -Feuer: man sah ihnen an, die schauten Himmel und Hölle offen. Und -neben ihm kniete, in einem härenen Gewand, Asche auf dem Haupte -- gar -wohl kannte ich ihn aus unserem letzten Kriegszuge gegen die empörten -Römer, -- der Herr Papst, der gelehrte Sylvester, und er, der Stolz der -Wissenschaft, küßte demütig die halbnackten Füße und umschlang seine -Kniee und rief: ›Ich büße! ich bereue! Ich bereue meinen hochfärtigen -Unglauben! Denn wahrlich, wahrlich ich sage euch: diesem Ungelehrten -hat der Herr sich offenbart. Und das Gericht des Herrn ist nahe.‹ - -Wohl schlug mir das Herz vor Grauen an die Rippen, daß ich meinte, es -müsse mir zerspringen. Aber es war ein gar trotzig Herz und wollte -nicht nachgeben. ›Ach was,‹ sagte zu mir dies sündhafte Herz: ›Pfaff -ist Pfaff: auch der Herr Papst ist Pfaff: -- leicht glaubt er dem -andern Pfaffen.‹ Aber da -- o meine Geliebten ...!« - -Und überwältigt von der Erinnerung knickte die hünenhafte Gestalt -zusammen; der Mönch brach in lautes Schluchzen aus, der Kopf schlug ihm -mit der Stirn auf dem Gerüst auf. - -Das wirkte noch mehr als alle seine Worte. Ein Murmeln des Grauens -lief durch die Menge. Die Männer zitterten vor Erregung, viele Weiber -ergriff krampfhaftes Weinen: selbst Herr Heinrich preßte die Linke auf -das tapfere Herz. - - -VI. - -Aber schon erhob Monitor wieder das Haupt und fuhr fort: »Da ersah -ich zur Linken des Heiligen einen andern knieen! Wohl kannt' ich auch -den -- und doch! -- ich erkannte ihn kaum wieder. Eine herrliche -blühende Jünglingsgestalt -- von goldenem Gelock das Haupt umwallt --- schön wie die marmornen nackten Götter, die man zu Rom aus dem -Schutte der Heidentempel gräbt. Nackt war auch der Jüngling, bis -auf einen Lendenschurz von schwarzer Schafwolle: -- und in Bächen, -in Strömen rieselte ihm das rote Blut von Rücken, Brust, Seiten und -Beinen. Denn unablässig, grimmig, mit aller Kraft seines Armes geißelte -sich vor allem Volk der Jüngling mit einer siebensträngigen Geißel, -ein Eisenstachel am Ende jedes Stranges, und unablässig schrie und -keuchte er mit schon versagender Stimme: ›Ich büße, ich bereue. Ich -bereue jeden Gedanken, den ich jemals der Welt und ihrer nichtigen -Herrlichkeit zugewendet und dem Reiche des Herrn entzogen habe. Denn --- schon seh' ich es vor Augen! -- es nahet das Gericht des Herrn!‹ -Und nun -- denn ich meinte, die Stimme zu erkennen -- nun schärfte -ich meine Augen, auch das Antlitz des schönen Jünglings in der -Weihrauchwolke genau zu sehen ... - --- O Heiland der Welt! -- -- -- - -Ja, er war es! Aber wie furchtbar verwandelt, wie entstellt, wie -abgethan all' der freudigen stolzen Herrlichkeit, die einst ihn -geschmückt, unsere Freude, unseren Stolz. Denn -- hört es, höret es -alle! -- er, der uns allen das leuchtende Beispiel des Glaubens und der -blutigsten Büßung gab -- er, der zum Entsetzen herabgemagert, nackt, -wie ein Verbrecher bei dem Staupenschlag, vor allem Volk sich selbst -zergeißelte -- Er war es -- mein Herr, euer, unser aller Herr: es war -des großen Otto herrlicher Enkel, der Deutschen und der Lombarden -König, des römischen Kaisers Majestät, der Herr der Welt -- Herr Otto -war's der Dritte!« - -Da ging ein Stöhnen, ein dumpfer Schrei des tiefsten Wehs über den -Jammer aller irdischen Größe und doch auch einer gewissen grausigen -Wonne durch die vielen Hunderte hin. - -»Und nun,« fuhr der Mönch, sich hoch aufrichtend, fort: »Nun geschah -mir das Ärgste. Ich wankte, meiner Sinne nicht mehr mächtig, dem -blutüberströmten nackten Jüngling entgegen, ich streckte meine beiden -Hände gegen ihn aus: -- da -- da traf sein Auge auf das meine, er -erkannte mich und in wildem Schrecken schrie er: ›Wehe, weh! Ich kenne -dich! Du bist Arn, der wilde, arge Arn, der Genosse so vieler meiner -Sünden in Krieg und Jagd und Gelag. Ach, du heiliger Mann Gottes! Das -ist derselbe -- man hat ihn erkannt, wie er davonjagte aus dem Thore -von Florenz und hat es mir gemeldet -- der auf dem Marktplatz dort, -auf Antrieb und in der Larve des Teufels, unter die Büßenden sprengte. -Er trägt einen Dämon im Leib. Er ist besessen. Heiliger Mann Gottes, -treibe den Teufel aus seiner Seele.‹ - -Und ohnmächtig sank der junge Kaiser zusammen. - -Nun aber -- wehe! wie geschah mir! Alle, alle um mich her schrieen: -›Er hat einen Dämon! Er hat einen Dämon!‹ Und der fürchterliche, der -hagere Heilige schritt gerade gegen mich heran und streckte die beiden -knöchernen Arme gegen mich aus und bohrte mir die brennenden Augen in -meine glanzgeblendeten, schmerzenden Augen und sprach in schauerlichem -Grabeston: ›Ja, ich sehe es, mein Sohn: aber nicht Einen Dämon, -vier Dämonen trägst du in dir von Jugend auf: den Saufdämon, den -Wollustdämon, den Kampfdämon, den Spottdämon. Ich aber -- ich bin vom -Herrn berufen sie von dir auszutreiben und deshalb hat dich der Herr -hierher gesandt zu dieser Stunde. Auf, ihr Gerechten und Geheiligten, -greift ihn, bindet ihn und geißelt ihn bis aufs Blut.‹ - -Ich schrie auf! - -Aber nicht aus Furcht vor den Schlägen, die nun von zwanzig Geißeln auf -mich niederhagelten: nein, wahrlich nein! Sondern ich schrie auf vor -Entsetzen über mich selbst, vor Grauen über mein vergangenes Leben, -aus Furcht vor den Teufeln in mir. Ich schrie, weil ich's fühlte, weil -ich's denken mußte in meinem brennenden Hirn: ›Er hat Recht! Weissagend -hat der Heilige, der mich nie gesehen, mein Inneres, und den Inhalt -meines Lebens aus meinen Augen gelesen.‹ Und ich spürte, wie die -Dämonen in mir sich bäumten und wanden, wie aufsteigende Schlangen. Und -ich schrie mit letzter Kraft: ›Ja, ja, ihr Frommen! Der Heilige sprach -wahr. Ein Wunder! Ein Wunder! Er hat sie erkannt, -- die Dämonen, von -denen ich besessen bin dreißig Jahre. O treibt sie aus! O rettet meine -Seele.‹ - -Das war das letzte, was ich hörte und wußte auf lange, lange Zeit. - -Als ich meiner Sinne wieder mächtig war, lag ich in dem Krankensaal -des Klosters des heiligen Michael und stak in der Kutte der schwarzen -Brüder von Garganus. - -Und an meinem Pfühle saßen der Herr Kaiser zur Linken und der Herr -Papst zur Rechten, zu meinen Häupten aber stand der Heilige, und -sprach: ›Sehet, es ist geschehen, wie ich gebetet, wie ich geweissagt. -Er sollte ja sterben müssen, sprach euer griechischer Arzt, Herr -Kaiser, an »~sideratio~« wie er's nannte: -- Sonnenstich, das sollte -das ganze Wunder sein! Ich aber fragte den gelehrten Spötter: Ei, hat -die Sonne auch seine +Seele+ gestochen? Warum ist er geworden aus einem -Saulus ein Paulus? Wahrlich, wahrlich ich sage euch: ich kleide diesen -geretteten Sünder in das Gewand meiner schwarzen Brüder und er wird -nicht sterben. Oder, wenn er stirbt, wird er nach dreien Tagen wieder -auferstehen von den Toten. So sprach ich. Wohlan: es ist der dritte Tag --- er schlägt die Augen auf -- er ist genesen. Ausgefahren aber von ihm -auf immerdar sind seine vier Dämonen.‹ -- - -Und er beugte sich über mich und sah mir in den Grund der Seele mit -diesen überirdischen Augen und forschte feierlich: ›Ich frage dich im -Namen des Herrn, mein Sohn: nicht wahr, du bereuest, du büßest und du -glaubst an das Nahen des Gerichts?‹ Und bei dem Klange dieser Stimme -kam mir zurück die Erinnerung an alles, was ich in der Höhle gehört, -gesehen und erlebt, und erschauernd sprach ich: ›Ja, du Heiliger des -Herrn, ich bereue, ich büße und ich glaube an das Nahen des Gerichts.‹ -Da warfen sich der Herr Papst und der Herr Kaiser zu des Heiligen Füßen -und umfingen seine Kniee und küßten sie und der Herr Papst rief: ›Heil -mir, nun hab ich, was ich immer gewünscht zur Verscheuchung meiner -Zweifel: nun hab ich eines deiner Wunder mit Augen gesehen!‹ - -Der junge Kaiser aber schluchzte unter Thränen: ›Wohl mir, daß ich -nie an dir gezweifelt, du Heiliger des Herrn.‹ Und ich beichtete dem -Propheten. Und als Buße -- ach wie geringe Buße! -- legte er mir auf, -von Stund an nie mehr im Leben Fleisch zu essen und überhaupt nur jeden -dritten Tags Speise zu nehmen und nie mehr Wein. Und sprach zuletzt: -›Du ziehest aus als des heiligen Vaters Sendbote und als der meine. -Weil du verspottet hast das Nahen des Gerichts, sollst du das Nahen -des Gerichts verkünden unter den Menschen deiner Heimat, in dem Land -Italien aber nur auf dem Marktplatz zu Florenz: wo der Dämon des Hohnes -aus dir sprach, soll der heilige Geist der Wahrheit aus dir sprechen. -Und wenn dir in deiner Heimat die Weltlinge nicht glauben und dich -verhöhnen, so wird das die gerechte Strafe sein deines Hohnes. Wenn sie -dir aber glauben, wirst du noch vor dem Nahen des Gerichts erretten die -Seelen Vieler und dadurch auch die eigene: denn jener Errettung wird -dir der ewige Richter anrechnen als ein gutes Werk.‹ - -Und bald darauf erhielt ich des Herrn Papstes Brief und Siegel und -diese schwarze Fahne und vom Herrn Kaiser diesen stattlichen Wagen und -die vier Rappen und zog aus auf meine heilige Sendung. Und der Herr hat -sie gesegnet von Florentia an, -- wo sie mein Carroccio ausspannten und -den bekehrten Sünder im Triumph auf ihren Schultern über den Marktplatz -in die Kirche trugen, -- bis hierher: ihr sehet diese Hunderte von -Geretteten. - -Ihr aber, o Bischof und ihr Priester von Würzburg und ihr -Bischofsmannen und Bürger und Bauern -- o thuet desgleichen wie diese. -Verstocket nicht eure Herzen! Ihr seht das Wunder vor Augen: das -große, das der Heilige gethan hat an Arn, dem argen Sünder. So befolgt -denn des Herrn Papstes, des Herrn Kaisers, des heiligen Nilus Gebot. -Büßet, büßet und glaubet, das Gericht ist nah: um Mitternacht dieser -Sommersonnwend -- noch wenige Wochen sind's -- geht die Welt in Flammen -auf und der jüngste Tag bricht an.« - -Da stürzte der Mönch bewußtlos zusammen: Schaum trat ihm vor die -Lippen: seine Kraft war erschöpft: er sank mitsamt seiner riesigen -schwarzen Fahne in die Arme eines seiner Genossen: die drei andern aber -setzten wieder die Posaunen an den Mund und bliesen und schmetterten, -als erschallten schon jetzt die Posaunen des Gerichts: sie hieben auf -die schwarzen Rosse ein: diese zogen an -- vorwärts rollte langsam der -schwere hohe Wagen und ihm folgte singend und schreiend und heulend -alles Volk, die Hunderte von Ankömmlingen, und die Tausende von Bürgern -und Bauern -- alles wälzte sich unaufhaltsam gegen die Stadt zu: der -Bischof und sein Gefolge vermochten weder seitwärts auszuweichen noch -den gewaltigen Strom der wild Erregten, der Verzweifelnden aufzuhalten: -willenlos wurden sie mit fortgetragen von dem wogenden Gewühl. - - - - -Viertes Buch. - - -I. - -Jetzt gab es Arbeit für den Bischof von Würzburg, geistliche und -weltliche! -- - -Die Wirkungen des Glaubens an das demnächst hereinbrechende Weltende -waren im ganzen Abendland gewaltig. Freilich nicht überall gleich -starke: In Italien, im Süden von Frankreich wurde die Bevölkerung, -an sich von lebhafterer Empfindungsweise und leichter erregbar, in -größeren Mengen und leidenschaftlicher ergriffen, weil so nahe den -Quellen, von denen die Verkündung ausströmte: süditalische Einsiedler, -zuletzt auch Rom. Die kühleren Deutschen nahmen die Sache kühler, mit -häufigerer Bezweifelung und, auch wo sie glaubten, mit festerer Haltung -auf; in manche Landschaften des Nordens und Ostens war das Gerücht kaum -gelangt. - -Allein wo, wie im Würzburgischen geschehen war, ein Bote, unmittelbar -von Papst und Kaiser und heiligem Wunderthäter entsendet, ein Bote, -befeuert von schwärmerisch verzücktem, felsenfestem Glauben, selbst -durch ein Wunder erst zu diesem Glauben bekehrt, das schaurige Wort -verkündete, -- da war die Wirkung eine furchtbare, eine fortreißende. -Nicht einer und nicht eine, die den Aufzug des Mönches und seine -Bußmahnung auf jener Festwiese gesehen und gehört, verharrte im -Unglauben, hegte noch Zweifel; sogar der alte Rado raunte Hellmuth zu: -»Ja, zur Sonnwend! Ist richtig! Ich wußt' es längst. Die Welt geht -unter, -- aber +anders+ als die Pfaffen wähnen.« - -Supfo hatte wichtiger Geschäfte gewaltet und an jenem Nachmittag den -Keller nicht verlassen. - -Noch am selben Tage hatte sich der Zug des Mönches durch die Stadt -hindurch den Fluß hinab weiter gewälzt: der Bischof hatte, mancherlei -Wirren in der Gemeinde besorgend, die baldige Entfernung des starken -Haufens in jeder Weise begünstigt und beschleunigt. - -Eines der ersten Geschäfte Herrn Heinrichs, sobald er in seinen Hof -zurückgelangt war, bestand darin, daß er einen Eilboten in die Gegend -von Bamberg sandte, wo er noch die Lagerung der wendischen Söldner -vermutete, mit dem strengen Befehl an Berengar, die Verhandlungen -abzubrechen, das etwa bereits Bezahlte zu opfern und schleunigst -zurückzukehren. Es hatte keinen Sinn mehr, für Sankt Burchhard eine -Grafschaft zu erkämpfen, die in wenigen Wochen in Feuer aufging. - -Im übrigen aber hielt der tüchtige, klar-verständige Mann streng -darauf, daß, unerachtet der frommen Vorbereitung durch Gebet und Bußen, -jeder seine obliegenden weltlichen Pflichten streng und genau wie immer -erfülle, gleichwie er selbst mit bestem Beispiel darin voranging: er -sah voraus, was die Erfahrung der nächsten Tage schon bestätigte, daß -die Wirkungen jenes Glaubens keineswegs bloß fromme, wohlthätige, -sittliche sein würden. - -Gegenüber der maßlosen Aufregung der Gemüter, der Furcht vor Tod und -Hölle, die zu unthätigem Brüten, zu leidenschaftlichen Ausbrüchen, -zur Lockerung aller hergebrachten Bande, zur Vernachlässigung aller -Gewohnheiten und Geschäfte verführte, war das einzige Heilmittel -die strenge treue Erfüllung jeder Pflicht, auch der weltlichen. -Unermüdlich schärfte er das wie in seinen nun täglichen Predigten, so -im Beichtstuhl und im Verkehr mit Geistlichen und Laien ein. - -Und wahrlich: es that not! - -Die meisten freilich, die Frauen und Mädchen fast ausnahmslos, und -auch der weitaus größte Teil der Männer wurden durch die Erwartung des -nahenden Endes zur Zerknirschung, Reue und Buße getrieben. Und die -Furcht vor dem Zorne des allwissenden Richters bewog Unzählige, nach -der sehr bedenklichen Sittenlehre nicht der Kirche zwar, wohl aber -der Zeit, die Heiligen zu bestechen, ihre Fürsprache bei dem Herrn -dadurch zu gewinnen, daß sie den Heiligen: das heißt deren Kirchen, -Klöstern und frommen Stiftungen Geschenke zuwendeten soviel sie nur -konnten. Viele, viele Tausende errichteten damals Schenkungen an die -Kirchen von Land und Leuten, von nutzbringenden Hoheitsrechten, von -Häusern und Feldern, von barem Geld, von Gold- und Silbergerät und -Schmuck. Auch dem Bischof von Würzburg wurden jetzt für Sankt Kilian, -Sankt Burchhard und andre Heilige solche Vergabungen in einer kaum zu -bewältigenden Fülle aufgedrängt. Wenig Freude hatte Herr Heinrich an -diesen Äußerungen einer Frömmigkeit, die dem Schenker den Genuß nur auf -drei Wochen noch entzog, dem Heiligen nur auf drei Wochen zuwandte und -durchaus nicht in Selbstverleugnung, sondern in jämmerlicher Furcht vor -den Höllenqualen ihren Beweggrund hatte. - -Allein ausschlagen durfte er das Dargebrachte nicht: -- das verboten -die Canones! -- Auch würde die Zurückweisung die Leute erbittert, -zur Verzweiflung, zu wüstem vergeudenden Genuß getrieben haben. In -solchen Mengen aber drängten sich Schenkungsurkunden und geschenkte -Fahrhabe zusammen, daß er außer dem Bischofshaus auch noch andre -verfügbare Räume zur Aufnahme anweisen mußte. Auch das bisher von den -beiden Mädchen bewohnte Haus ward hierzu bestimmt: die Freundinnen -mußten sich trennen. Denn der Bischof bestand darauf, daß der Eintritt -Minnegardens in das Kloster nun doch noch zu geschehen habe. Das -Widerstreben der Weinenden, die geltend machte, nun könne es doch -darauf nicht mehr ankommen, ob sie nächstens als Weltkind oder als -Nonne sterbe, wies er gütig, aber bestimmt zurück. Er würde, gestand er -ihr, wäre der Bescheid des Papstes anders ausgefallen, ihr vielleicht -nachgegeben haben, da er längst erkannt habe, wie wenig das Alpenkind -zum Kloster neige und dafür tauge, wie so ganz auf andre Dinge ihr -Sinn gerichtet sei. Aber nun, da alle solche Hoffnungen und Wünsche -doch ausgeschlossen, nun sei es Pflicht, den letzten Wunsch der Mutter -zu erfüllen: auch teilte er den allgemeinen festen Glauben der Zeit, -es sterbe sich viel seliger im Nonnen- oder Mönchsgewand denn in -weltlicher Tracht; er machte mit dieser Versicherung freilich wenig -Eindruck auf das Mädchen! Schon daß sie sterben müsse, bevor sie in das -Himmelreich eintreten könne, fand sie recht hart; sie hatte gemeint, -nachdem der Herr die Menschen, die er lebend antreffe, lebend richte, -könnte er sie wohl auch gleich lebend mit in den Himmel nehmen. Da -hatte sie denn zu lernen, daß jenes Leben ein andres als das auf Erden -und daß nur wenigen Auserwählten verstattet sei, ohne den Tod zu -schauen, in den Himmel einzugehen. - -So ward die Tieftraurige untergebracht in das Haus der »Religiosen«, -das nördlich der Stadt vor dem Holzthor, aber innerhalb des -Pfahlhags auf dem rechten Ufer flußabwärts an der heutigen Straße -nach Veitshöchheim lag: hier ward sie von den frommen Frauen für -die Einkleidung vorbereitet, die -- nach Anordnung des Bischofs -- -von diesem selbst in dem Dom in der letzten Stunde vor Mitternacht -vorgenommen werden sollte. - -Edel bezog mit Malwine, der alten Pflegerin, ein kleines, dem Bischof -gehöriges Häuslein, das, gerade dem Religiosenhaus entgegengesetzt, -flußaufwärts vor dem Südthor und der Sandvorstadt in der Nähe der -großen Festwiese, aber auch außerhalb des Pfahlhags lag. Sonder -Abschied hatte Fulko die Geliebte müssen ziehen lassen; denn -er wie Hellmuth wurden gleich in den nächsten Tagen nach jenem -verhängnisvollen Schützenfest von Herrn Heinrich sehr häufig außerhalb -der Stadt im Gau verwendet. Der waffenfrohe Bischof fand nämlich -neben der unablässigen geistlichen auch weltliche, kriegerische -Arbeit in diesen Wochen. Denn keineswegs alle Seelen wurden durch -den Gedanken des nahen Endes zerknirscht: es gab doch auch gar viele -rohe, kraftstrotzende Männer, in der Vollkraft der Jahre, in welchen -umgekehrt die Flammen der Genußgier noch einmal wild aufloderten bei -der Vorstellung des baldigen Erlöschens für immerdar. Von wahnsinnigem -Drang nach Erdenlust jeder Art ergriffen, betäubten sie ihre Angst -vor dem Tod und fröhnten zugleich ihrer Sinnengier in wüsten und -verbrecherischen Thaten gegen alle Gebote der Kirche und gegen alle -Gesetze des Reichs. - -In der Stadt selbst hielt Herr Heinrich solche Ausbrüche nieder mit -eherner Faust. Es war dem tapfern Manne sehr erwünscht, daß die -Abwesenheit desjenigen, der durch sein Amt berufen war, den Landfrieden -zu wahren, des Grafen, mit fast all seinen Reisigen in Italien, dem -Bischof die Erfüllung dieser Pflicht zwar keineswegs von Rechts wegen -aufzwang, aber doch ermöglichte und nahelegte. - -Wie in anderen Teilen Deutschlands hatten sich im Waldsassen- -und Rangau bei Würzburg, zumal aber auch in den armen Gegenden -des Spessart, dann im Maingau, wohin der Mönch Monitor seine -aufregende Verkündung zunächst getragen hatte, bewaffnete Scharen -zusammengerottet. Sie suchten mit Raub und Brand die nächsten -Herrensitze, ja auch Klöster heim, sie erbrachen hier die vollen -Weinkeller, die strotzenden Vorratskammern ihrer Herren -- die oft ihre -Peiniger gewesen waren -- oder ihrer reicheren Nachbarn und nahmen -sich mit der Faust zu einem letzten Rausch, zu einer letzten Völlerei, -was ja doch in wenigen Tagen dem Untergang geweiht war: auch manche -Weiber und Mädchen rissen sie zu wilden, schamlosen Reigen und oft zu -schlimmeren Dingen fort. - -Es waren meist Unfreie, die ihren Herren entlaufen waren, entsprungene -Gefangene, Landstreicher, Waldgänger, Räuber, unzufriedene verarmte -Kleinbauern. Schwer aber fiel es Herrn Heinrich aufs Herz, als ihm -gemeldet wurde, auch viele jener Bauleute seien darunter, die er -plötzlich aus Arbeit, Brot und Lohn entlassen hatte. - -Daß so er -- er selbst! -- die Scharen jener Mordbrenner verstärkt -habe, -- das legte ihm die rasche, kraftvolle Dämpfung der Unruhen noch -besonders als Pflicht auf das Gewissen. - -So gab er sich denn mit heißem Eifer wie mit altbewährter Stärke -und Umsicht dieser kriegerischen, staatlichen Aufgabe hin. In einer -kampffreudigen Predigt in der in diesen Tagen immer bis auf den letzten -Fleck gefüllten Domkirche forderte er alle wehrfähigen Bürger der -Stadt und des Gaues auf, sich zu waffnen: -- er stellte ihnen die -eigne reiche Waffensammlung zur Verfügung -- und zusammen mit seinen -Dienstmannen unter Führung seiner Ritter die Umgegend zu durchstreifen, -die bedrohten offenen Landsitze, Dörfer und Klöster zu schützen, die -Banden aufzusuchen und zu zerstreuen. - -Seine flammende Beredsamkeit -- »wie ein Herzog sprach er, nicht wie -ein Pfaff,« meinte Fulko begeistert -- hatte guten Erfolg: wohl ein -paar hundert Bewaffnete sammelten sich alsbald um den Bischofshof: -hatte er doch solches Thun für gottwohlgefälliger und verdienstlicher -noch denn Fasten und Beten erklärt! Und eine Freude und heiß erwünschte -Erholung von den jetzt fast erdrückenden geistlichen Geschäften war es -ihm, gelegentlich selbst, hoch zu Roß, die Sturmhaube auf dem Haupt, -das Schwert in der Faust auszuziehen -- nicht gerade ganz im Geist -der Canones! -- an der Spitze einer solchen gewaffneten Schar und -eine Rotte von Räubern und Landbrennern auseinanderzusprengen, wie -sie Aschaffenburg im Nordwesten, Kissingen im Südosten bedroht und -geschädigt, aber auch im Waldsassengau in der Nähe von Würzburg selbst -Holzkirchen, Helmstädt, Utingen, Römlingen, Fotingen, Birkenfeld, -Himmelstadt, Steinbach, Trifenfeld heimgesucht hatten mit Gewalt und -Plünderung. Da hatten außer dem Bischof selbst seine Junker die Hände -voll kriegerischer Arbeit. »Es ist all nicht genug,« schalt gleichwohl -Hellmuth. »Sie halten nicht Stand, die feigen Schächer. O nur noch Ein -tüchtig Einhauen vor dem Ende!« - - -II. - -Aber neben allen geistlichen und weltlichen Aufregungen dieser Wochen -irdischen Daseins gingen doch die Dinge des täglichen Lebens, dessen -Erfordernisse und Bedingungen -- in seltsamem Gegensatz zu jenen -außerordentlichen Geschehnissen -- ihren hergebrachten Gang: die Leute -sahen dem Ende entgegen: aber einstweilen wollten sie doch schlafen und -trinken und -- wenn sie nicht gerade das Fasten sich vorgesteckt hatten --- auch essen. - -Herr Heinrich hörte einmal, wie er die Eingangshalle des Erdgeschosses -durchschritt, seines treuen Supfo Stimme gewaltig schelten: laut drang -aus der Tiefe des Kellergewölbes seine schallende Rede an die Oberwelt, -verbrämt mit manchem nicht gerade bischöflich gedachten Kernfluch. -Das bewog den Seelenhirten, zu verweilen und an seinem Kellermeister -im Vorüberwandeln ein wenig Seelsorge zu treiben. Er blieb stehen, -beugte sich über das Geländer der steinernen Kellerstufen und rief -hinab: »Aber Supfo! Schämst du dich nicht? Es wird wohl dein Werk, -was immer es sei, auch ungeflucht von statten gehen. Aber nichts als: -›Donner!‹ und ›Donnerstrahl!‹ Was bringt dich denn so auf?« »Nun, Herr -Hezilo!« antwortete der Runde, der langsam ein paar Stufen entgegen -humpelte. »Wenn +das+ einen Christenmenschen nicht aufbringen soll! Was -haben sie gethan, diese Eselfüllen von Kellerjungen? Den köstlichen -Trank vom Stein schon aufgespundet. Jetzt hält er sich kaum mehr zwei -Jahre!« -- »Aber Supfo! In zwei Wochen ist ja alles aus!« -- »Ja -- ja! --- Jawohl! -- Aber nichtsdestoweniger! -- Wie habt Ihr erst gestern -wieder so schön gepredigt in der Vesper (-- wie jetzt schon so oft, daß -ich's auswendig weiß!)? ›Geliebte in dem Herrn! Vor allem fahret fort, -eure Pflicht zu thun in allen Stücken, im kleinen wie im großen‹ (der -Steinwein ist aber nichts Kleines!) ›als ginge es noch immer so fort -wie von je.‹« - -»›Ohne doch (fügte ich bei) durch solche Geschäfte euere Gedanken -ablenken zu lassen von dem nahen Ende.‹ -- Du aber scheinst ein -sehr gutes Gewissen oder -- noch immer! -- einen herzhaften Vorrat -Leichtsinn zu besitzen.« »Beides, lieber Herr,« beteuerte der Kellerer -treuherzig, die Hand auf sein Schurzfell legend in die Grenzgebiete -zwischen Herz und Bauch. »Was hast du denn aber da?« forschte der -Bischof sich tiefer bückend. »In der großen Kiste, die du dort in den -Nebenkeller schaffen lässest?« -- »Das? Das ...? Das kleine Kästlein, -meint Ihr? O ... das ... das ist nichts ... von Bedeutung.« -- »Was ist -darin? Kirchengerät?« -- »O nein, im Gegenteil -- sozusagen! Es sind -Schläuche -- von ... von dem Griechenwein, den weiland Frau Theophano, --- Gott hab' sie selig! (werdet sie ja auch nun bald wiederschauen: ob -sie wohl noch so schön ist?) -- Euch oder vielmehr, wie es in ihrem -Schreiben hieß, Sankt Burchhard (der aber schon lange -- zu Lichtmeß -waren es zweihundertsechsundvierzig Jahre! -- seinen letzten Trunk -gethan), also doch wohl Euch verehrt hat. Der Griechenwein steht hier -der Kellerarbeit im Wege und ...« »Lauter überflüssig Thun!« schalt der -Bischof und schritt zum Thor hinaus, im nahen Dom wieder Beichte zu -hören. »Ganz unnütz!« »Wer weiß?« meinte Supfo und sah ihm verschmitzt -lächelnd nach. - - -III. - -Wenige Tage danach -- es war schon dunkler Abend -- kam Junker Fulko -von einem Streifzug in der Umgegend -- mainaufwärts -- gegen die -Landschädiger zurück. Er hatte sein Häuflein in dem Thore der Vorstadt -auf dem Sand entlassen, Orco, seinen schönen Rapphengst, dem Roßwart -übergeben und schritt nun in tiefe -- ach! nicht mehr hoffnungsfreudige --- Gedanken verloren durch die schmale Gasse, die innerhalb der -Umwallung von Ost nach West an den Fluß führte; er wollte sich von da -allmählich an das Religiosenhaus heranpirschen, zu versuchen, ob es -nicht endlich gelinge, einen Blick auf oder von Minnegard zu erhaschen; -bisher war die Hut der frommen Schwestern nicht zu durchbrechen -gewesen! Er summte den Anfang eines werdenden Liedchens vor sich hin in -der Dämmerung: - - »Wes Auge je dein inne ward, - O zauberschöne Minnegard ...« - -Da drang aus der noch engeren Quergasse, welche die Straße von Nord -nach Süd kreuzte, lautes Gekläff eines Hundes, dazwischen durch der -Streit zweier menschlicher Stimmen, zuletzt etwas wie ein Hilfeschrei: -und das war nicht eines Mannes Stimme. - -Im Augenblick stand der Ritter in der ziemlich dunkeln Gasse: an deren -Südende sah er gerade noch zwei blonde Zöpfe fliegen, während ein -zottiges Grauhündlein, mit zornigem Gebell vorstoßend, den Rückzug -seiner Herrin deckte. - -»He, Junker Blandinus! Bei Euerem Sankt Markus! Schon wieder einmal -beim Kinderquälen und im Köterkampf?« rief Fulko. »Könnt Ihr denn nicht -warten bis diese Kirsche reif? Noch ist sie zu sauer -- wenigstens für -Euch. Ja so! Warten! -- In vierzehn Tagen ...! Gleichviel, laßt mir das -dicke Kind zufrieden oder ...« »Tod und Teufel! Ich liebe das holde -Geschöpf und würde sie zur Dogaressa machen, ging nicht -- leider! -- -vorher -- zufällig die Welt unter!« rief der Venetianer, blitzschnell -sich wendend und die schmale Stoßklinge herausreißend. »Was geht's -Euch an, Provençale! Seid Ihr des Mädchens Muntwalt oder der meine? -Zieht! Was habt Ihr mich zu stören? Zieht, sag ich.« Aber Herr Fulko -hatte schon gezogen und wehrte ruhig, jedoch nachdrücklich die hitzigen -Stöße ab, mit welchen der Erbitterte auf ihn eindrang. »Brav, brav,« -lachte der Sänger. »Das war sogar recht hübsch, dieser Doppelstoß. -Aber nun ist's doch genug.« Des Venetianers Klinge flog in die Luft, -Fulko haschte sie behend vom Boden auf und reichte ihm mit anmutiger -Verbeugung den reichvergoldeten Griff hin; beschämt steckte sie der -Entwaffnete ein. - -»Seht,« fuhr der Sieger gutmütig fort, »so gut wie jetzt habt Ihr mir -in Eurem ganzen Leben noch nicht gefallen. Das war doch ein Anflug von -Mannheit, wenigstens ein Flackerzorn, und ein ganz leidlich Fechten. -Hätte Euch dabei das hübsche Kind gesehen, -- ich glaube, Ihr hättet -stark bei ihr gewonnen. Glaubt mir, ich mein' es gut mit Euch, junger -Löwe von San Marko. Es steckt was in Euch, Ihr seid gar nicht so übel. -Nur laßt -- für die paar noch übrigen Tage -- die verfluchte Geckerei -und Ziererei! -- Erst werdet ein Mann, eh' Ihr Weiber gewinnen wollt. -Bei Sankt Amor, +ich+ schelte Euch nicht drum, daß Ihr verliebt seid -im Angesicht des jüngsten Tages. Es wäre recht sündhaft von mir! Aber -alles hübsch nach der Reihe. Nur der Starke ist des Schönen wert! -Glaubt mir, merken die Mädchen, an Eurem Auftreten gegen die Männer, -Ihr seid ein Mann, dann werden sie Euch nicht mehr auslachen, tretet -Ihr auch gegen sie auf mit dem Begehr, weil mit dem Recht des Mannes. -Hätt' ich nur mehr Zeit, zu predigen, und Ihr, mir zu folgen. Folgt -mir doch noch diese Spanne Zeit. Und nun gerade erst recht in diesen -Tagen. Wenn Ihr nun in Bälde steht vor Sankt Georg, dem Erzengel, der -uns Ritter unter sich hat, und er Euch fragt: ›Junker Blandinus aus -Venetia, was habt Ihr beschafft auf Erden? Womit habt Ihr die zwanzig -Jahre, seit Ihr Hosen tragt, ausgefüllt?‹ Ihr müßtet ja doch vor Scham -in die Erde sinken (wenn sie noch da wäre!), könntet Ihr nur sagen: -›Den Mädchen bin ich nachgelaufen -- und noch dazu oft sonder Erfolg!‹« - -»Ihr ... Ihr habt nicht Unrecht, glaub ich,« sprach zögernd Blandinus, -mit niedergeschlagenen Augen, -- »ich will's befolgen.« -- »Wollt -Ihr? Das ist recht! Morgen zieht einmal mit mir aus wider die tollen -Bauern. Ich stehe Euch dafür: der Mann findet ganz gehörig zu reiten, -zu fechten und zu trinken, der auf Kampf und Abenteuer zieht mit Fulko -von Yvonne.« - - -IV. - -In der diesem Abend folgenden Nacht sprengte auf der Heerstraße von dem -Südthor flußaufwärts ein ungeduldiger Reiter; immer wieder trieb er den -ohnehin wacker ausgreifenden Braunen zu rascherem Lauf an. -- - -Die Höhen gegen Randersacker hin, auf denen heute ein edler Trank -gewonnen wird, überzog damals noch dichtes Gehölz: im Unterschied von -dem »Königswald« auf dem linken Ufer hieß es der »Grafenwald«: denn -es gehörte zu dem Amtslehen des Grafen des Waldsassengaues. Etwa eine -Stunde oberhalb der Allmänndewiese bog von der breiten Heerstraße ein -schmaler Reitweg links nach Osten ab und schlängelte sich durch das -buschige Gelände bis zu der Höhenkrone mit ihrem finstern Urwald hinan. -Diesen engen Pfad schlug der nächtliche Reiter ein. - -Er mußte der Örtlichkeit genau kundig sein: denn nicht eben leicht -war durch Weißdorn- und Hartriegelgesträuch der schmale Streif des -Weges zu verfolgen. Freilich warf der Mond, bereits über den Höhenzug -emporgestiegen, von Osten her sein phantastisches Licht auf die Abhänge -gen Westen, auf die Heerstraße und den silbern glitzernden, ruhig -ziehenden Fluß. - -Allein der Wind trieb unablässig ziehend Gewölk über die noch nicht -gefüllte Scheibe, so daß das wechselvolle Licht, geraume Zeit völlig -versagend, dann wieder plötzlich auf kurze Weile grell und blendend -vorbrechend aus den schwarzgrauen Wolkenflügen, vielfach mehr störte -als förderte. Alsbald sah sich der Reiter, wie der Pfad steiler -anstieg, genötigt, abzuspringen und das Roß am Zügel langsam bergan zu -führen: trotzdem stolperte es zuweilen über die Knorrwurzeln, welche, -wie dunkle Schlangen, quer über den Waldweg liefen. »Gemach, Falk! -hübsch bedächtig,« mahnte er das erschrockene Tier. »Sieh, bei Tage -trägst du mich! bei Nacht, im Dunkel, wie billig, führ ich dich! Treue -um Treue. Erschrick nicht! Das war nur ein Glühwurm! Aber freilich, es -hauset mancherlei im nächtlichen Tanne, was mit eisigem Grausen auch -an die Brust des Weidmanns rühren mag. Schon mancher zog zu Walde zur -Nacht -- kam nicht mit heilen Sinnen wieder daraus hervor. -- Ruhig, -Brauner! Das war eine fauchende Eule -- und was da rot leuchtet an -dem alten Baumstumpf, das ist Morschholz. Vorwärts und scheue nicht! -Wir sind nicht auf schlimmem Gang!« Nach einer scharfen Rechtsbiegung -des Pfades ward oben auf der Höhe in einiger Entfernung ein schwach -glimmendes Licht sichtbar. Dahin zog nun der Weg. -- - -Da schlug der Vorderhuf des Pferdes, das sonst ganz geräuschlos auf das -Waldgras trat, an einen Stein: weit klirrte der helle Ton durch die -schweigende Nacht: gleich erscholl lautes, wütendes Hundegebell von der -Höhe her und in mächtigen Sätzen rannte ein gewaltiges Tier zornmütig -auf die Ruhestörer herab: kaum war es abzuwehren durch den umgewendeten -Speerschaft, welchen der einsame Wanderer ihm entgegenstreckte. -»Giero! Treuer Herdenwart! kennst du mich nicht mehr?« rief er dabei -beschwichtend. Da stutzte die grimme Rüde, schnob und schnupperte gegen -den Wind und hüpfte gleich danach friedlich und freundlich an Mann und -Pferd hinauf. »Schon gut, du wachbarer Freund! Besser zu viel Vorsicht -als zu wenig. Nun komm hinauf zu deinem Herrn.« Bald standen nun, von -dem freudig bellenden und meldenden Hunde geführt, Reiter und Roß auf -der Höhe, wo in einer runden, wie es schien, schon lang bestehenden -Waldlichtung an dem Fuß einer uralten gewaltigen Esche ein schwaches -Reisigfeuer mehr Qualm als Licht verbreitete. - -Neben der Glut lehnte an dem Stamme, hoch aufgerichtet, ein hagerer -Mann in einem Mantel aus Wolfsfellen, eine ungeheuere Schürstange, wie -sie die Köhler führen, in der Faust; er hatte nach oben geschaut, in -den gerade wieder hervorgleitenden Mond; schweigend, nur mit leichtem -Nicken des grauen Hauptes, begrüßte er den Ankömmling, der sein Pferd -seitab, geschützt vor dem Zug des Rauchqualms im Südwestwind, an eine -junge Buche band. - -»Nun Rado, kam ich noch zu rechter Zeit?« -- Hastig entflog die Frage. -»Du weißt: gleich durft' ich dir nicht folgen: es war noch zu hell; und -der Bischof, der mit seiner Streifschar zurückkam, noch ganz nah. Ich -fürchte, er erkannte mich, wie damals in Eurem Hof. Gar manchen Ritt im -Zickzack macht' ich noch, meine Spur zu verbergen, falls er mir einen -seiner Reiter nachgesandt hätte. Und doch -- streng schärftest du's -ein -- mußt' ich die Stunde einhalten.« - -Der Alte, den Schürbaum weglehnend, nickte. - - »Nur zu ziemender Zeit, - An bestimmter Stätte, - Geschieht mit Gedeihen - Weihevoll Werk! - -So der Spruch der Ahnen. Wir haben noch Zeit. Seht Ihr, Junker -Hellmuth, dort rechts vom milden Herrn Mond das kleine Sternchen? -›Hollespang‹ heißt er: und ist unserer lieben weißen Frau Holle -Busenspange. Er darf nur mehr drei Handbreiten von dem Mondrand -abstehen. So müssen wir noch warten. Und fragt jetzt, was Ihr noch zu -fragen habt: denn - - wann das Werk begonnen, - darf es nicht wirren - Wort und Widerwort.« - - -V. - -»Wie soll ich dir danken, Rado, treuer Rado? Du erfüllst den letzten -heißen Wunsch meines Lebens, der mir noch übriggeblieben!« - -»Danken? Ihr? Gar nicht! Euer Vater hat mir vorausgedankt für alle -Zeiten. Die vielen Jahre, die ich, von den Rothenburger Herren ihm als -Waffenträger zugeteilt, ihm dienen durfte in Jagdfahrt und Heerfahrt, --- das waren die besten, die ich gesehen. - -Seit er gestorben, Herr Heinrich Pfaff und ich Hirt der Burgensen -geworden, -- wenig Freude habe ich mehr am Leben. Nur daß ich im -Wildwald hausen darf als Jäger und Köhler -- neben der Herden-Hut -- -das thut mir wohl in der Seele. -- Und wißt Ihr, was mir das Liebste -war an Euerm Vater? Nicht, daß er mir Lohn und Beuteanteil gab mit -vollen Händen, -- nein, daß er sich so gern von mir erzählen ließ von --- von den Alten -- Ihr wisset schon! ... Und daß er davon vieles -glaubte, was ich von meiner Mutter überkommen. Mein Bruder Wartold, -Großmutter Ute bekreuzen sich dabei, Fullrun ist zu kindjung und -mutwillig. Aber Wartold wird's schon erleben, -- gar bald! -- daß ich -recht habe. Und daß auch Ihr, obwohl des Bischofs Lieblingsritter, mir -glaubt ... --« -- »Manches, Rado! Beileibe nicht alles! Ich bin ein -guter Christ und will es bleiben. Ich glaube dir von deinen Sachen -nur ...« »Was Euch anzieht, was Euch gefällt,« schmunzelte der Alte. -»Ihr werdet nicht bereuen, daß Ihr glaubt: ›reich lohnt Woden treue -Freundschaft,‹« brummte er leis in den grauen Bart. »Und seht:« fuhr er -laut fort, »Eins hat mir -- all diese Monate her! -- so gut gefallen -von Euch.« -- »Nun?« -- »Daß Ihr etwas +nicht+ gethan, +nicht+ von mir -verlangt habt!« -- »Bin gespannt!« -- »Keinen Minnezauber!« »Rado!« -rief der Jüngling und errötete über und über. -- »Nun, ich sage nichts -weiter. Aber wer Euch und -- Eine im Winter selbander zur Jagd reiten -sah, -- Aug' in Auge! -- und Euch jetzt beisammen sieht, der merkt -was. Und doch verlangtet Ihr nicht -- wie so viele -- von mir einen -Liebeszauber.« »Niemals!« rief Hellmuth. »Lieber dreimal drüber sterben -als ihren keuschen Willen brechen -- durch Zauber!« -- »Ja, das eben -ist mein Hellmuth, den ich vom Kind an kenne und seine lichte Seele: -sie ist durchsichtig wie ein klarer Waldquell und kein trüber Fleck -darin. Ihr leidet so schwer.« -- »Bald ist nun ja auch diese Qual zu -Ende. -- Aber sage, wie kommt es, daß du, der sonst allzuwenig den -Worten der Priester glaubt, gerade diese Verkündung gleich von Anfang --- lange bevor der Papst durch den Mönch es gebot! -- so gläubig, ja so -eifrig, so gierig aufgenommen hast? Was nur die Allergelehrtesten und -Allerfrömmsten der Kirche ergrübelt hatten ... -- ...« »Hm,« lachte der -Alte. »Und wie lang ist's her, daß die das lehren?« -- »Noch nicht Jahr -und Tag.« -- »So? -- Nun da weiß ich's etwas länger -- so seit vierzig -Wintern etwa! Mich hat's die Mutter gelehrt, als ich meinen ersten -Fuchs geschossen. ›Ei,‹ sagte sie, ›ein wacker Werk. Du hast Herrn -Loges Heer gemindert.‹ ›Herrn Loges Heer?‹ forschte ich. Und nun hob -sie an zu erzählen, was sie von ihrer Mutter gehört und die wieder von -ihrem Ahn. Ich glaube,« grübelte er vor sich hin, »unsere Sippe wußte -es von je.« »Aber was, was wißt Ihr?« unterbrach Hellmuth ungeduldig. -»Das andre ist mir all gleichgültig: nur das will ich nun endlich -genau wissen, von den letzten Geheimnissen, was Ihr immer so dunkel -angedeutet, wo und wie ...?« - -»Hei, ist so kurz nicht zu sagen. Setzt Euch. Hier! Ins trockene -Eschenlaub. Nehmt die Lederflasche. Der Wein, den in der Bergleiste -Frau Sunna kocht, die heiße Herrin, ist feurig. Und da -- in meinem -Netzranzen, das ist Wildeberfleisch. Und nun gebt acht!« Er trank einen -langen Zug und hob an: »›Heilige und Teufel ringen dann‹, sagt der -Bischof? Mag ja wohl sein! Riesen und hohe Helfer sagen wir. Die ringen -und kämpfen unablässig miteinander um die Herrschaft der Welt und um -die Seelen der Menschen: so sagt der Bischof, so sage auch ich. Einst -endet die Welt, so sagen wir beide. Aber wie endet sie? Das weiß der -Bischof nicht --: auch der Papst nicht und der irrsinnig gewordene Arn --- schad' um ihn! den hätten wir als dritten mitgenommen, hätte ihm -nicht die welsche Sonne das Gehirn verbrannt, der Tod sieht ihm aus den -hohlen Augen: ich glaub's nicht, daß er die Sunnwend noch erlebt! Also -Arn, der wußt es auch nicht: sonst hätte er's doch neulich gesagt. Wir -aber wissen's seit grauer Vorzeit der Ahnen: die Welt geht unter -- -freue dich, mein tapfrer Hellmuth! -- in einem ungeheueren herrlichen -Heldenkampf, wie er noch nie gestritten ward auf Erden.« - -Der Ritter sprang auf: »Den kämpf ich mit!« - -Wohlgefällig ruhten die Augen des Alten auf dem edeln, leuchtenden -Antlitz des schönen Jünglings, im Glanze des von der raschen Bewegung -aufflackernden Feuers. »Das sollst du, mein Liebling, an meiner Seite. -Das eben gönn' ich dir -- dir allein -- seit Herr Hezilo sich hat -scheren lassen. Den letzten Sieg, den auf dieser alten Männererde -lichte Helden gewinnen gegen dumpfe Unholde, -- +du+ sollst ihn mit -ersiegen helfen.« -- »Aber wann? Wo? Wie?« -- »Gemach! Heute will ich -das selbst erst erkunden. Deshalb hab' ich dich heute nacht hierher -beschieden. Aber noch ist's nicht an der Stunde. Schau hinauf -- -Hollespang steht noch zu weit rechts.« »Ich erinnere mich,« sprach -der Junker nachdenkend. »Ja, ja! Von einem Kampfe, der dem Gericht -vorangehen wird, sprach auch einmal einer der Dompriester. Aber da -müsse -- als Führer der Frommen -- zuvor Elias wiederkommen.« - -»Wer ist der Held? Hab' nie von ihm gehört!« - -»Ein Prophet der Juden. Und werde der gewaltig streiten.« - -Ziemlich ungläubig zuckte der Alte die breiten Schultern unter dem -Wolfsfell. »Würde mir andern Herzog küren. Vernimm nun die alte Sage -von diesem Kampfe, wie sie mich die liebe Mutter gelehrt.« - - -VI. - -»Einst endet das All, es welket die Welt, wann wilde Gewalten ruchloser -Riesen reißen die kräftigen Ketten, darin sie gefesselt gute Geister. -Und es wollen die Wilden, die wütigen Wölfe, die dräuenden Drachen sich -der Seelen bemeistern der Menschen. - -In Feuer und Flammen hebt sich ein Buhurd: vom hohen Himmel steigen, -stolz und strahlend wie Sterne, uns Helden als Helfer herab und auf -Erden ringen, rennen und reiten alle Edeln, die Waffenwerks weise. -Wird da wild ein kühnes Kämpfen, ein arges, entbrennen, wie nimmer -noch Augen ersahen auf Erden. Es hallet ein Heerhorn, ein gellendes, -goldnes, das da wahret der Wächter des Wegs zu den himmlischen Hallen. -Von drüben dumpf dröhnet der Riesen Ruf: nun treffen die Tapfern in -Eil' aufeinander. - -Es naht eine Natter, ein wütender Wurm, mächtig aus dem Meer, aus -Wogen und Wellen windet und wälzt er sich in Schlangenschuppen ans -steile Gestade: giftigen Geifer speit er in Sprudeln. Es schwimmt ein -Schiff, schwarz und schrecklich: gräßliche Geister stehen am Steuer, -setzen die Segel, rühren die raschen Ruder: Reihen von Riesen lädt -es ans Land. Krächzend krähet der heis're Höllenhahn: es heult der -Helhund. Der Helwolf hat die Bande gebrochen: die Fessel fiel, rasend -rennt er und reißt, was er erreicht. Da beben die Berge, da brechen -die Bäume, entwurzelt erdröhnen uralte Eichen und Fichten im Fall. Es -ächzen die Elben, die zottigen Zwerge, unter den fallenden Felsen. Es -birst der blaue Himmel, der hohe, es birst die Brücke, der reichfarbige -Regenbogen, darauf die Stolzen herabgestiegen. Unter all dem Dröhnen -und Donnern doch dauert der Drang der ringenden Recken: aus den Fugen -fällt die weite Welt, nicht stört das die Starken im Stürmen: fort -fechten sie freudig, unter den Trümmern noch trotzig einer wankenden -Welt.« - -»Fort fechten sie freudig, ... unter den Trümmern noch trotzig einer -wankenden Welt --« wiederholte Hellmuth leuchtenden Auges und drückte -fest die Faust um den Schwertgriff. - -»Es rasen die Rosse der helmfrohen Helden, die wild wiehernden Hengste, -hoch hauenden Hufs: Speere zerspellen: zerschrotene Schilde, zerhackte -Helme, zerbrochene Brünnen decken dicht die alte Erde, die eine einzige -Walstatt wurde. Aber ach! Allmählich werden die Wilden, die argen -Unholde, Meister der Menschen: es wanken und weichen die schimmernden -Scharen der guten Geister, der hohen Helfer. - -Und die ermüdenden Menschen mähet und fället furchtbar der Feinde -finsterer Führer, das schwarze Scheusal, der Rauchriese, ganz gehüllt -in Rauch und in Ruß. Auf dem Rappen rennt er in die Haufen der hellen -Helden. Soll er denn siegen?« - -»Nein,« knirschte Hellmuth, »nicht, solang ich Hand heben mag.« - -»Da rufen die Recken, die bitter bedrängten, blutend aus Verch-Wunden, -sie rufen um Rettung: ›komm, kehre du Kühnster der Kühnen, uns, du -Waltender, wieder! Was wichst du von uns? Was weilte dich, Wandrer, -im Walde? Was barg dich im Berge? Siegvater, siehe die Drangsal der -Deinen!‹ - -Und horch! Da hallet es hin durch die Himmel! Gellender gellt das -helle Horn: und es läuft durch die Lüfte wie Rauschen von Raben und -ein Jauchzen, ein Jagen von raschen Rossen! Und siehe, da sauset, im -mächtigen Mantel, im herrlichen Hochhelm, auf dem großen Grauroß, mit -dem spitzigen Speer uns zur Hilfe heran der herrliche Held: Kaiser -Karl, den in hohler Höhle des Berges geborgen zäher Zauber: verwunschen -war er, als wilder Jäger zu jagen. Aber in äußerster Not nun naht er! - -Der Zauber zerfiel und stolz und strahlend, wie er weiland gewaltet in -hohen Hallen, führt er freudig die Seinen zum Siege! Und siegen darf an -seiner Seite, wer ihm die Seele selber brachte im Bündnis, im treuen -Vertrag, auf ewig zum Opfer! An seiner Seite darf er die dräuenden -Drachen bestehen im Streite und fällen die Feinde. Wir siegen! Wir -siegen! Es fliehen die Feinde, es weichen die Wilden. Wohl verbrennt -in breitem Brande die alte Erde. Doch es taucht aus den Tiefen, den -nächt'gen, aufs neue wonniger wieder eine werdende Welt und hoch dann -und herrlich mit dem hehren Helden haus' ich im Himmel mit allen Edeln -immer und ewig.« - -Er sprang auf und hielt inne, mehr verzückt als erschöpft. - - -VII. - -Hellmuth wollte sprechen: -- aber der Alte kam ihm zuvor: »Still! -Nun sollt Ihr nicht mehr hören, Ihr sollt sehen. Schaut hinauf, das -Sternlein ist dem Mondrand nah. Die Stunde kam.« - -Er bückte sich und hob, nicht ohne Anstrengung, unter den hohen, -mächtig gewölbten Wurzeln der alten Esche eine Rasenscholle aus: --- erst jetzt gewahrte der Jüngling, daß sie auf drei Seiten -eingeschnitten war -- und holte darunter ein Stück Fell hervor: -- es -war ein Hamsterpelz: -- darin lag gehüllt ein etwa zwei Hände breiter -rundlicher Gegenstand. Der Alte wickelte ihn sorgfältig heraus und wies -ihn dem Überraschten dar: es war eine dunkle, ganz glatte Metallscheibe -in ehernem Rahmen: einen in sich gerollten Drachen stellte der -umrahmende Erzreif dar. - -»Ein Spiegel?« rief Hellmuth erstaunt. - -»Ja! Aber nicht der Eitelkeit: -- der Wahrheit. Ein Zukunftspiegel! -In unserer Sippe vererbt von Geschlecht zu Geschlecht! Alle andere -Fahrhabe teilte die liebe Mutter, als sie zu sterben kam, ganz gleich -unter uns beiden Brüdern. Aber diesen Spiegel gab sie mir voraus! Sie -schickte den Bruder, der so kircheneifrig war, hinaus, griff unter -das Kopfpolster und reichte dies Erbstück mir --, weil sie wußte, ich -würde davon schweigen gegen die Geschorenen. ›Und so haben's,‹ sagte -sie, ›die Ahnen gehalten von Geschlecht zu Geschlecht: immer nur Einem --- dem Treuesten! -- haben sie das Erbe der Vorzeit vertraut.‹ -- Und -sie lehrte mich auch, wie ich des Spiegels zu gebrauchen habe. Einst -war er wohl zu eigen den drei seligen Fräulein auf der Karlsburg da -unten am Main: Sankt Kilian soll sie von ihren Herrscherstühlen im -Goldsaal des Schlosses vertrieben und sie verwunschen haben in den -tiefen Ziehbrunnen unten im Burghof. Aber der einsame Hirt, der im -Abenddämmer an der Halde die Ziegen weidet, hört sie noch manchmal -leise singen aus der Tiefe und ein Sonntagskind mag sie wohl auch -in heißester Mittagsschwüle da oben im hohen Grase des Burghofs -überraschen, wie sie ihr Goldhaar strählen mit goldenem Kamme. Und ein -Urahn von uns hat den Spiegel gefunden, da er einst hinabstieg in den -Brunnen, weil ihn das leise Singen und Rauschen lockte. Und die Mutter -sagte, das Ende der Welt wird kommen in einer Sommer-Sunnwendnacht. -In der Sunnwendnacht eines Jahres, da am Tage der letzten Rauchnacht --- heilige drei Könige nennen's die Pfaffen jetzt -- also mitten im -Winter! -- ein mächtig Gewitter wird aufsteigen über dem Stein zur -Mitternachtseite der Stadt und wird der Blitz schlagen -- gerade zu -Mittag -- in diese uralte Heidenesche hier.« - -Da erbleichte der Jüngling: »Das ist dies Jahr! Am Tage der heiligen -drei Könige kam ein Gewitter von Norden und schlug zu Mittag in diese -Esche: -- ich stand ganz nah dabei, auf Wölfe pirschend, und sah es.« --- »+Deshalb+, nicht weil die Geschorenen es predigen, glaub' ich an -das Ende der Welt, in diesem Jahr, in jener Nacht. Zwei Stunden vor -Mitternacht, so lehrte die Mutter --, beginnt der Kampf.« -- »Gut. Die -Stunde weiß ich nun: -- aber wo?« - -»Das zu erfragen kam heute die Nacht: -- nach dem Stand der Gestirne. -Nun laßt mich gewähren und schweigt.« - -Und der Alte streifte den geflochtenen Bundschuh von der linken Sohle, -trat barfuß auf die Breitfläche seines nackten Weidmessers, das er vor -sich niedergeworfen hatte, streifte den Mantel von dem rechten Arm -zurück, riß Gras, Kraut und Erdschollen aus dem Boden neben den Wurzeln -der Heidenesche, streute sie auf sein graues Haar und hielt den runden -Spiegel derart empor, daß die Strahlen des Mondes schräg hineinfielen, -Hellmuth aber wie er selbst auf die Metallscheibe blicken konnten. Er -drehte sich dabei langsam im Kreise und winkte dem Jüngling, ihm zu -folgen. Lange schwieg er. Zuerst hatte er den Spiegel gen Norden -- -nach der Stadt zu -- gehalten: man sah nichts. Dann drehte er ihn gen -Westen dem Flusse zu: -- lange hielt er hier inne. Weiter drehte er -ihn gen Osten -- nichts zeigte die Scheibe. Endlich wandte er sie gen -Süden, -- flußaufwärts. - -Alsbald fuhr er zusammen. »Seht Ihr?« raunte er leise. »Es zuckt durch -meine Hand! Von dorther! Von Mittag -- nein, von Südost also -- reiten -sie an da unten -- auf der großen Heerstraße!« - -In dieser Richtung jagte der rasche Wind dunkles Gewölk wechselnd mit -Helle über die Mondscheibe hin: -- phantastisch wirre Gestalten: -- und -demgemäß verdunkelte und erhellte sich der Spiegel. - -»Schaut!« Dem Alten zuckte und bebte vor Erregung die starke Hand. -»Allen voran der Schwarze! Auf schwarzem Gaul! Den gilt es, vor allen -zu treffen! Und hinter ihm -- seht nur! -- die ganze dunkle Schar, zu -Roß, zu Fuß! Schaut wie sie wimmeln und drängen! Danke dir, Mutter! Nun -weiß ich's gewiß! Ich werde nicht fehlen! In mancher Sturmnacht hab' -ich's geschrieen in die Wolken hinauf: ›Hör' es, Herr Wode oder wilder -Jäger, oder Kaiser Karl oder wie immer du heißest, der da oben brausend -hinfährt über meinem Haupt: ich kämpfe für dich im letzten Kampfe. -Dafür gieb mir Weidmannsheil und treffende Pfeile.‹ Hoch aus den -Wipfeln, lachend, gleich der Eule, rief er Gewährung hernieder: -- nie -fehlte mein Pfeil. So fehle auch ich nicht in seinem letzten Kampfe.« - -»Noch ich,« sprach Hellmuth ernst. »Merke: keinem andern als dem -Himmelsherrn gelob' ich meine Seele. Aber in dem Kampf, der -- auch die -Priester sagen's ja! -- in der Sunnwendnacht gekämpft wird auf Erden -gegen Satan und all sein Heer -- den Kampf kämpf' ich mit, Alter: wir -reiten zusammen in die Teufel! Zur rechten Stunde bin ich da unten -- -wo der Reitweg abbiegt -- zur Stelle.« - -Und von ihm hinweg schreitend zu seinem Roß, sprach er zu sich selber: -»Das höchste Glück der Welt -- es war, in Edels Arm zu ruhn. Es blieb -versagt! Das zweite ist der Siegeskranz von höchster Ritterschaft: -- -den will ich mir ertrotzen. Sankt Georg soll gestehen: ›nie sah ich -Ritter ritterlicher streiten‹ und -- noch einmal -- jenseit des Grabes --- soll mich Edel müssen krönen.« - - -VIII. - -Näher und näher kam der verhängnisvolle Tag der Sonnenwende, der -Johannes dem Täufer geweihte vierundzwanzigste des Brachmonds. - -Da begaben sich seltsame Dinge vor und in dem Hause des reichen -Kaufmanns, des Kornhändlers Renatus. An dem klugen Manne rächte sich -nun der Christenglaube, den er nicht aus Überzeugung, den er aus -heuchlerischer Selbstsucht und aus Feigheit angenommen hatte. Und -damals war es nicht wie später mit dem einmal abgelegten Bekenntnis, -also einer einzigen Lüge, abgethan. Wie alle andern Christen mußte der -neugetaufte Jude all' die durch das ganze Kirchenjahr sich hinziehenden -äußeren Bethätigungen des Glaubens mitmachen vor allem Volk. -Täglich -- wo irgend thunlich -- mußte er die heilige Messe hören, -alle vorgeschriebenen Fasttage einhalten, die öffentlichen Aufzüge -durch die Stadt mit wallenden Fahnen und Umhertragung der hölzernen -Heiligenbilder begleiten, alle die vielen anderen Feste mitfeiern, die -öffentlichen Gebete einhalten und mindestens sechsmal im Jahre zur -Beichte gehen. Scharf überwachte die Seelsorge der geistlichen Oberen -den Neugewonnenen, strenger als die Altchristen: und wehe dem Jüdling, -gab irgend seine Lässigkeit Grund, ihn des Rückfalls zu beargwöhnen! - -So hatte denn auch Renatus viele Jahre lang all diese Christengebräuche -mitgemacht, sorgfältiger noch als andere. Den Glauben an die Lehre -seiner Väter hatte er abgestreift: der christliche Glaube aber hatte -ihn nicht ergriffen, höchstens hier und da ein Stück christlichen -Aberglaubens. - -So hatte sein feiges Herz die Verkündung des nahenden Gerichtes mit -Schrecken erfüllt: zwar glaubte er anfangs nicht unbedingt daran, wann -er aber glaubte, war er der Verzweiflung nah. - -Und als nun die Entscheidung immer näher herankam, da wuchs ihm von Tag -zu Tag wie der Glaube, so die Angst. - -Es war der Morgen des dreiundzwanzigsten im Brachmond angebrochen. Da -sah Renatus mit stieren Augen, wie alles Volk, die vielen Hunderte, -die ohne den leisesten Zweifel felsenfest an das bevorstehende Ende -glaubten, sich in die Kirchen drängten, betend, singend, weinend, -heulend vor Todesfurcht oder vor Gewissensangst. Und er mußte es -erleben, daß auf dem offenen Platze vor seinem Hof, dem Kornhof, die -Leute in dichten Haufen vor einem hochragenden Holzkreuz sich auf die -Kniee warfen, an die Brust schlugen, das Haar rauften, vorbeigehende -Priester mit Gewalt festhielten, ihnen nochmal zu beichten, ja laut -sich solcher Sünden und Verbrechen anzuklagen, die sie nie zuvor über -die Lippen gebracht. - -Und er sah wie die Männer vorüberschreitenden Mönchen das Mönchsgewand -abrissen, sich darein zu hüllen und so seliger zu sterben und sicherer -vor den Krallen der überall unsichtbar in der Luft auf die arme Seele -bei deren Ausfahren aus dem Munde lauernden Teufel. - -Und er sah zuletzt, wie, in immer wachsender Herzensangst, reiche -Frauen heraneilten, vor dem hohen Kreuz ihre Prachtgewande, Schapel, -Schleier, Geschmeide von sich warfen, bis diese Opfergaben der -Todesfurcht und Höllenfurcht zu einem gewaltigen hochgetürmten Haufen -sich aufbauten. - -Und er mußte es mit anhören und mit ansehen, wie endlich eine Stimme -aus der Menge schrie: »Ins Feuer damit. Laßt uns alle diese Sünden -verbrennen.« - -Und alsbald ward der Haufe von Schätzen zum Scheiterhaufen! - -Ein Knecht der nahen Schmiede rannte herzu mit brennendem Span, andere -rissen das Stroh von des Kaufherrn Scheunendach herunter, brachen -Planken und Bretter aus seinem Zaun, und warfen sie, die Glut schürend, -auf die brennenden Kleider: bald stieg die rote Flamme hoch in die -Lüfte. - -Und nun strömten von allen Seiten Männer und Weiber herbei, und -schleuderten Gewänder, Gerät, Schmuck, auch bares Geld, Urkunden, -Schuldverschreibungen unter Schreien und Heulen in die gierig fressende -Lohe. - - -IX. - -Da ergriff es auch ihn mit der ganzen fortreißenden, ansteckenden -Gewalt solch wahnwitzigen Thuns! - -Er sprang mitten in den tobenden Haufen, unter jedem Arm ein paar -vollgestopfte Ledersäcke, gefüllt bis zum Bersten mit goldenen Solidi, -silbernen Denaren, kupfernen Pfennigen: er schnitt die Säcke mitten -durch und ergoß den klingenden klirrenden Inhalt wie einen metallenen -Regen unter die Leute: ja, zuletzt riß er einen kleinen Leinensack, den -er sorgfältig verwahrt auf der nackten Brust nachts wie tags getragen -hatte jahrzehntelang, von der Schnur ab, öffnete ihn und streute Perlen -und Juwelen mit vollen Händen unter die Menge: wie blitzten, wie -funkelten die lichten Steine in dem roten Glast der Flamme! - -»Nehmt doch,« schrie er dabei mit scharf ergellender Stimme. »Nehmt, -ihr Leute! Lest auf! Hier Gold! Da Silber! Hier Smaragden -- o schöne -Smaragden aus Askalon! kostet mich der große da ... ach ich weiß nicht -mehr, wie viel! Nicht ins Feuer werf ich's, wie die Närrinnen dort. Wie -schlecht verstehen sie sich auf ihren Seelenprofit! Ich -- schau her, -Jesus von Nazareth, und hör' auf mich! -- ich schenk es den Armen, zum -Heil meiner Seele! Siehst du's auch wohl genau, Galiläer, in all dem -Qualm? Diamanten sind sogar dabei und viele blaue Saphire! Ich bin der -Schenker, ich, dein Renatus, du Sohn Gottes! Ich bin wohlthätig gegen -die Armen, ganz wie du es hast befohlen, Rabbi. Ihr Leutchen, tretet's -doch nicht mit Füßen! Kauft euch Brot, Wein, Fleisch! Siehst du's, Sohn -Marias der Jungfrau, wie ich speise die Hungernden? Hier du, Alter, -- -wie bist du zerlumpt! -- nimm diesen Topas und kaufe dir einen Mantel. -Schau' her, Stern von Bethlehem und, du heiliger Geist, seht her wie -ich kleide die Nackten. Hab' ich früher wohl genommen mehr als sechs -oder zwölf! -- ach ja! es war manchmal wohl mehr, -- vom Hundert, -- -ich mach' es jetzt gut millionenfach. -- Und, Herr Christus, hier --- schau hier! -- bist ja allgegenwärtig, sagen sie! Hier ist der -Auszug aus dem Taufbuch -- weißt du? -- aus deiner großen Kirche zu -Mainz« -- er riß ein Pergamentblatt aus dem Brustlatz und hielt es -ausgebreitet mit beiden erhobenen Händen gen Himmel: -- »hier! hat's -doch geschrieben deines Herrn Bischofs -- nein, Erzbischofs sogar! -- -eigene Hand: -- wie heißt er doch gleich! Nun, Christus, du mußt es -ja wissen! Willigis heißt er! Dein frommer großer Willigis selbst hat -mich getauft. Ich +bin+ getauft: ich kann's dir beweisen! Also mußt -du's gelten lassen. Und ich glaube auch an dich, o ja! Nicht immer hab' -ich geglaubt. Aber heute -- jetzt -- glaub' ich. Ich zittere, aber ich -glaube. Ich möchte lieber nicht glauben, aber ich muß!« - -Nun wandte er den Blick vom Himmel wieder auf seine Umgebung: »Was!« -schrie er und das dichte, kohlschwarze, struppige Haar sträubte sich -ihm. »Was? Sie nehmen es gar nicht! Sie bücken sich nicht nach meinen -Saphiren! Sie zertreten -- wehe, wehe geschrieen! meine Perlen, meine -weißen Edelperlen, meine Zahlperlen aus Damaskus! Wie! Ihr stoßt gegen -mich mit den Ellbogen? Ihr Undankbaren! Nehmt doch, gute, edle Herren, -schöne Frauen, nehmt: -- wenn nicht für euch -- aus Barmherzigkeit -gegen mich, daß ich kann ausrechnen morgen vor dem Zimmermannssohn, -- -ach nein, vor dem Sohn Gottes, dem Messias! -- gegen kleinen Wucher -großmächtige Wohlthätigkeit und abziehen von meinem armen winzigen -Betrug zu Frankfurt dieses unsinnig reiche Almosen. Ach wehe! Sie hören -gar nicht auf mich! Sie lassen's liegen -- im Kot! O Christus, ich kann -doch nicht dafür, daß sie nicht wollen? Ich habe +gewollt+ -- Gutes -thun.« Da brach er ohnmächtig auf das Gesicht nieder, Geifer und Schaum -standen ihm vor dem Munde. - -Die tobende Menge, die sein kaum geachtet hatte, würde ihn zertreten -haben: aber da warf sich, aus dem Hofthor hervoreilend, in den -dichtesten Haufen eine hohe Gestalt in dunklem Gewand: furchtlos sprang -sie unter die Rasenden, ergriff mit beiden Armen des Bewußtlosen Haupt -und zog ihn -- ihn aufzuheben vermochte sie nicht -- quer über den -Platz und durch das Hofthor, das sie sorgfältig hinter ihm verschloß. -Sie besprengte seine heißen pochenden Schläfe mit Wasser aus dem nahen -Brunnentrog: da schlug er die Augen auf. - -»Er lebt!« frohlockte die alte Frau. »Er lebt, mein Isaak, meines -Manasse Blut! Gott meiner Väter, ich danke dir: deine Gnade währet -ewiglich! -- Zwar wie wird er rasen übermorgen, wann er sieht, die -Welt, Jehovahs weises Werk, ist nicht untergegangen -- denn ich habe -nachgelesen in den Rollen und kann es nicht finden darin und kann es -nicht glauben! -- und er hat geworfen all sein Geld und Gut auf die -Straße! Er wird verfluchen sich und Gott und die Welt, und mich wird -er schlagen, grausam schlagen! Aber! -- nun ist er eingeschlafen! -- -wie schwer er atmet! -- aber verzweifle nicht, mein armer Liebling. -Nun ist es doch gut, daß die alte Mutter -- wie hast du oft gescholten -ihre Dummheit! -- dir nie hat aufgedeckt den großmächtigen Schatz, den -dein Vater hat vergraben als Notpfennig tief unter dem alten Birnbaum -im Wurzgärtlein! Das wird dich trösten in deiner Trübsal und du wirst -streichen der alten Mutter Kinn, daß sie dich errettet von dem Bettel. -Und wirst erkennen, daß es nichts ist mit dem Glauben der Christen und -daß sich geirrt hat der große Bischof in Rom und geirrt hat auch der -gute Herr Bischof hier, als er ihm folgte. Und wirst einsehen, daß -da ist kein anderer Gott als der Gott deiner Väter, Jehovah ist sein -Name, der hat über dich gebracht, wie einst über Hiob, diese Prüfung zu -deiner Läuterung. Verloren hast du viel Geld, aber zurückgewinnen wirst -du deinen Glauben. Und wirst thun nach dem Rat deiner alten Mutter und -abschütteln von deinen Schuhen den Staub dieses Landes, wo wir doch -immer, ob wir nun verleugnen unsern Glauben oder ihn bekennen, werden -bleiben Fremdlinge und Verachtete, in diesem wilden Volk der Gojim, der -Waffengewalt, und wirst nehmen den Wanderstab und wirst mit mir wandern -an den Jordan, wo die Palmen rauschen, und wirst begraben mit frommen -Händen deine alte Mutter am Jordan unter rauschenden Palmen.« - - * * * * * - -Als bald darauf Fulko und Blandinus -- denn der war in den Waffendienst -Herrn Heinrichs getreten -- mit einer Schar von bischöflichen Reisigen -erschienen, die rasende Menge auseinandertrieben, und das Feuer, das -bereits das Holzkreuz ergriffen hatte und den Kornhof schwer bedrohte, -löschten, da vernahmen sie aus den geschlossenen Läden des Judenhauses -einen leisen eintönigen Gesang. Sie verstanden die hebräischen Worte -nicht: allein sie lauschten, tief ergriffen, dieser eigenartigen -fremdartigen feierlichen Weise; der Sinn der Worte aber war: - - »Ich halte treu an meinem Gott: - Drum leid' ich von den Heiden Spott. - Jedoch aus Spott und Herzeleid - Löst mich der Herr zu rechter Zeit. - Ich bau auf dich, Herr Zebaoth, - Mein Gott ist stark, mein Gott ist groß - Und süß ruht sich's in Abrams Schos.« - - -X. - -Die Sonne dieses Tages neigte sich zur Rüste, die Wipfel der Buchen des -Königswaldes wunderschön vergoldend. - -In tiefster Erregung durchschritt der Bischof nach Erledigung aller -geistlichen und weltlichen Geschäfte -- auch in den Nächten hatte er -zuletzt nicht mehr geschlafen -- lange den geräumigen Büchersaal. - -Ein blaues Wölklein von gar süßem Geruch schwebte kreiselnd durch -den Saal und verzog sich langsam durch das offene Fenster: neben dem -mit Urkunden hoch bedeckten Schreibtisch ruhte auf hohem Erzgestell -ein zierlich gearbeitetes Kohlenbecken, in welchem auf rotglühenden -Kohlen Weihrauch glimmte: der Bischof hatte befohlen, denselben für den -Abendgottesdienst bereit zu stellen. - -Oft und oft ließ er im Wandeln den Blick durch das Fenster auf den -freien Platz, auf den Strom, die Brücke, die ragende Feste und die -Hügelkette im Westen schweifen. - -»Wie schön war sie doch, diese Welt, welche morgen in Flammen aufgeht!« -Er seufzte tief: dann schloß er fromm: »aber nicht mein Wille, -- dein -Wille, o Herr, geschehe!« -- - -Supfo trat ein, offenbar, jemand zu melden. - -Rasch schritt Herr Heinrich auf ihn zu: »Berengar, -- nicht wahr?« -Der Alte schüttelte schweigend den Kopf. »Oder doch Nachricht von -ihm? Auch nicht! Einer meiner Boten -- es ist der vierte, den ich -nach ihm ausgesandt ...?« -- »Ritt eben ein; aber er hat Berengar -sowenig gefunden, wie seine drei Vorgänger. Kein Mensch weiß, wohin die -Söldner, in deren Lager er gesucht werden sollte, sich gewandt haben.« -»Es ist auch gleichgültig,« sprach der Bischof vor sich hin. »Ich -wollte nur, er sollte wissen, daß mich der ganze Plan ... Was willst du -aber, Supfo? Du blickst so ernst -- wie ich es kaum je an dir gesehen. -Fängst du doch endlich auch an, des Gerichtes zu gedenken? Es ist -wahrlich an der Zeit.« Aber Supfo schüttelte noch stärker als zuvor das -Haupt und sprach: »Ich melde Besuch, Herr Hezilo.« - -»Habe jetzt nicht Zeit für Besuch und Unterhaltung.« -- »Wird nicht -sehr unterhaltend werden, rat' ich.« -- »Wer ist's?« -- »Eine Frau. -Bittet um eine Unterredung.« -- »Nein doch. Soll anderwärts Unterredung -suchen. Oder vielmehr, sie soll gar nicht Unterredung suchen, sondern -nachdenken über das nahende Ende.« -- »Gerade darüber will sie mit Euch -reden.« -- »Ah, sich trösten lassen? Soll nachher in die Abendpredigt -kommen. Oder in die Mitternachtsmesse, wie die andern auch. Soll sich -geistlich vorbereiten.« - -»Das eben will sie. Ihr +müßt+ sie hören, diese Frau: sie will Euch -beichten.« -- »Beichten! Dann freilich! Führe sie herein! -- Kennst -du sie?« Der Alte hatte die Frage wohl nicht verstanden; gar eilig -war er hinausgehumpelt. Noch einen friedlosen Gang durch das Gemach: -»Beichte hören! Andrer Sünden würdigen ... im Namen des Heilands den -Reuigen, den Büßenden vergeben! Und ich? Ich selbst! Wer verzeiht +mir+ -im Namen des Heilands meine Erinnerungen, -- die ich nie gebeichtet, -weil ich sie nicht für Sünde hielt, und die mich auch jetzt noch nicht -loslassen? Wer verzeiht mir die unbereute ...?« - -Er brach ab, -- mitten im Schritt -- mitten im Wort. - -Er erschrak: er schlug hastig ein Kreuz: denn er glaubte, sie zu -erkennen, die Frauengestalt, die ganz geräuschlos über die Schwelle -geglitten war, hart an der Thüre stehen blieb und nun den langfaltigen -dunklen Schleier zurückschlug. »Hilf, Sankt Kilian!« flüsterte er, -während ihm das Blut heiß vom Herzen in die Wangen schoß. »Es ist ein -Blendwerk des Versuchers. Ach, gut kennt er die Schwäche meines ...« --- Lauter sprach er nun: »Es ist ja nicht möglich!« -- »Doch. Es ist. -Ich bin Heilfriede.« Unsagbarer Wohllaut klang aus dieser sanften, -lieblichen Stimme, die wie aus dem Mund einer Verklärten zu tönen -schien. Etwas Verschleiertes, Verhülltes, wie ein stets im Verborgenen -gehütetes Heiligtum lag in der Stimme. Und verschleiert auch war der -Blick dieser sanften, lieblichen Augen von mattem Blau unter langen, -langen blonden Wimpern: nicht traurig war der Blick, aber so friedlich, -so wehmutvoll befriedet, so weltentrückt! - -In das lichtblonde, leicht gewellte Haar hatte das häufige Silberweiß -nicht das Alter gestreut: die zarte Frau hatte offenbar das vierzigste -Jahr noch nicht erreicht: diese blassen, weich gerundeten Wangen waren -so jugendlich: nur gar so bleich, so farblos, so nonnenhaft! Der Zug -der Augenbrauen war kaum sichtbar angedeutet durch einen Halbkreis -von Blond: aber die sanfte Weichheit dieses Antlitzes ward auch von -dem bloßen Anschein der Schwäche weit ferngehalten durch den Ausdruck -des kleinen, fein geschnittenen, aber festgeschlossenen Mundes, der -Willenskraft und lang geübte Willensmeisterung bekundete. Wie sie -so dastand, die schmächtige, nur mittelgroße, zarte Gestalt in dem -grauschwarzen Schleier, im dunkelveilchenfarbenen Mantel, der das -Untergewand völlig verhüllte, glich sie einem stummen, wunderschönen, -seelenbeschwichtenden Heiligenbilde. -- -- -- - -Herr Heinrich war regungslos stehen geblieben, weit von ihr: er lag -völlig unter dem Banne des von ihr ausstrahlenden Zaubers, dieser -rührenden Sanftmut, dieser stillen Ergebung, dieser heilig verklärten -Anmut. Lange, lange schauten sich die beiden sprachlos an: sie fanden -keine Worte: vor tiefem stillem Weh oder war's vor geheimer Wonne? - - -XI. - -Endlich that Herr Heinrich, fortgerissen von der Gewalt des Gefühls, -einen raschen Schritt ihr entgegen: er hatte ihr die ausgestreckte Hand -hinreichen wollen. Allein mitten in der Bewegung hielt er inne: er ließ -den rechten Arm schlaff herabfallen. »Frau Gräfin ...!« brachte er nun -leise hervor, kalt, beinahe feindlich. Grimm und Erbitterung malten -sich auf seinen durchgeisteten, von Schmerz durchzuckten Zügen: er -furchte finster die gewaltige Stirne. - -Jedoch wie er nun in die sanften Augen der stillen blassen Frau einen -feuchten Schimmer treten sah, der sie noch schöner und noch viel -rührender machte, -- da versagte ihm die Kraft, zu zürnen und in ganz -anderem Tone fuhr er traurig, tief aufseufzend, fort: »Ach wie lang -ist's her, daß wir uns nicht gesehen!« -- »Fünfzehn Jahre.« -- »Das -ist lang.« -- »Ja. Denn es ist das ganze Leben.« Gegen den Ton dieser -Stimme -- Herrn Heinrichs Jugend klang daraus hervor! -- gab es nicht -Trotz, nicht Groll, nicht Widerstreben. Er wies mit der Hand auf den -erhöhten Platz an der Wand unter dem dunkelroten Baldachin. Aber die -Frau blieb an der Thüre stehen; sie sprach nicht. So mußte er aufs -neue beginnen. Und das war so schwer! -- Milder hob er an: »Was ...? -Was führt Euch zu Heinrich von Rothenburg?« Da richtete sie die Augen -fest auf ihn und sprach mit Nachdruck: »Zu dem Bischof sendet mich mein -Gemahl.« Jäh fuhr Herr Heinrich zurück: »Ah so! -- Freilich! Ich hätte -mir es denken können!« schloß er herb. - -»Gewiß! Ihr konntet nicht annehmen, ich suche Euch gegen, ohne meines -Gatten Willen.« -- »Es hieß ... man ließ mir sagen ... Ihr wolltet -beichten?« -- »Ich will beichten. +Euch+ will ich, muß ich beichten, -keinem andern. Das sagte ich meinem Mann; und dazu schickt er mich.« -Der Bischof war aufs höchste überrascht: aber er wollte es um keinen -Preis verraten; kühl erwiderte er, leicht die Achsel zuckend: »Seine -Pflicht! -- Christenpflicht!« -- »Mich zu +Euch+ als Beichtiger ziehen -zu lassen, zu +schicken+? -- Nein, das verlangte keine Pflicht von -ihm.« Herr Heinrich entgegnete nicht. Er strich nur einmal langsam -mit der umgewandten linken Hand über die stolze Braue: »So beginnet,« -sprach er tonlos. - -»Ich beginne damit, zu gestehen, daß ich mir gerade +Euch+ als -Beichtiger ausgesucht habe nicht nur meinetwillen, auch -- ja mehr -noch! -- um Euretwillen. -- Nein: die ganze Wahrheit muß gesagt sein: -+nur+ um Euretwillen habe ich Euch zum Beichtiger ausgewählt und von -meinem Mann erbeten.« - -Jetzt konnte Herr Heinrich sein Erstaunen nicht mehr verbergen: »Und -auch das ... das habt Ihr ihm gesagt?« -- »Gewiß.« -- »Und er hat -...?« -- »Er hat erwidert: ›Ja. Geh zu ihm. Sag' ihm alles. Alles, was -du soeben +mir+ gesagt. Wenn etwas auf Erden ihm wohlthun kann und -seine Seele retten ...‹« »Graf Gerwalt soll für +seine+ Seele sorgen!« -donnerte der Bischof sehr zornig. Aber ruhig schloß sie: »›... so wird -es das sein.‹ Also sprach mein Mann.« -- »Ich will nicht hören, was -mir Graf Gerwalt sagen läßt -- durch Euch.« -- Trotzig schritt er durch -den Saal. Geduldig wandte die Frau das schmale Gesicht so, daß sie ihm -überall hin folgen konnte mit den Augen. -- - -»Nicht Er,« sprach sie ganz sanft, »meine Seele spricht -- unter -seiner Verstattung -- zu Euch. Bald stehen wir -- wie alle -- vor dem -Richterstuhl des Herrn. Ihr glaubt doch zweifelfrei daran? Sagt mir -das offen, bevor ich weiterrede. Euch glaub' ich unbedingt darin, wie --- wie in allen Stücken. Nur weil übermorgen +doch+ alles klar und -offen wird zwischen Eurer Seele und der meinen -- nur deshalb« ... hier -überflog die bleichen Wangen ein leiser Hauch von zartem Rot -- »konnte -ich mich soweit überwinden. Stehen wir übermorgen vor Gott? Sprecht: -Ja oder Nein? Wenn Nein, bleibt meine Beichte ungebeichtet.« -- »Ja. -Habt Ihr nicht all meine Vorbereitungen in der Stadt gesehen?« -- »Ich -treffe soeben erst ein. -- O Gott sei Dank für dieses: Ja!« Sie faltete -die Hände und sah nach oben. - -»Ein betender Engel!« mußte der Bischof denken. »Aber welche Freude in -diesen Zügen? -- Ihr -- ersehnt, so scheint's, den Tod?« -- »Von ganzer -Seele!« -- »Lange schon?« -- »Seit ... seit vielen Jahren.« -- »Und die -drohenden Schrecken des Weltbrands?« -- »Ich fürchte sie nicht. Ich -segne sie. Sie allein haben mir diese Stunde gebracht. Das Wort der -Erlösung -- ach! nicht nur für mich -- so selbstisch bin ich nicht! -- -für +Euch+ -- -- von bittrem Leid.« - -Vornehm richtete er sich auf zu seiner ganzen Höhe: »Wer sagt Euch,« -fragte er stolz, »daß ich leide oder litt?« Sie wollte ein rasches -Wort erwidern: aber sie erschrak über ihr eigenes Wort, faßte sich -und verbesserte sanft: »Oder doch von bittrem Groll. Leugnet Ihr auch -den?« »Nein, das wäre gelogen!« lachte er grimmig. »Bin kein Erzengel, -nur ein Mensch, ein Mann. Und bin's geblieben, auch als ich Priester -und Bischof ward.« -- »Nun seht, Herr Bischof, daß Ihr +nicht+ mit der -schweren Todsünde dieses Hasses, dieses unversöhnten Grolles auf der -Seele vor den allwissenden Richter tretet, deshalb, o glaubt es mir, -Herr Bischof Heinrich, -- +nur+ deshalb steh ich hier: hört es: nur -Eure Seele zu retten.« - -Er schüttelte finster den Kopf: »Das ist keine Beichte. Habt +Ihr+ -keine Schuld auf der Seele?« - -Aber ohne auf die Frage zu achten, fuhr die Frau in wachsendem Eifer -fort: »Diese Sorge, diese Angst um Euch hat mich ergriffen von dem Tag -an, da ich das nahende Ende erfuhr: diese Qual um Euer ewig Heil hat -mich rastlos umgetrieben Nacht und Tag. Sie hat mich -- ich bin sonst -scheu, wie Ihr vielleicht noch wißt, Herr Heinrich! -- fortgetragen -über alle Bedenken -- hierher zu Euch getragen -- wie auf Flügeln: die -Sorge, die heiße ... Sorge um +Euch+. Beichten konnte ich, nachdem ich -meinem +Manne+ gebeichtet -- +das+ war nicht leicht! -- jedem Priester. -Aber +diese+ Beichte, die ich +Euch+ anvertraue -- o Gott! -- sie soll -ja nicht, wie Beichte sonst, der Beichtenden Seele retten, -- sondern -die +Eure+! Euch retten und erlösen -- bevor der Richter richtet! -- -von dem dumpfen Haß und bitteren Groll gegen meinen Mann und -- ach! -- -gegen mich!« Rasch machte sie einige Schritte -- dann sank sie unter -Thränen auf den vorher abgelehnten Sitz. - -Auch er war tief, mächtig bewegt: die edle Empfindung dieser reinen -Frauenseele hatte ihn erschüttert. Er trat dicht vor sie hin, schaute -scharf auf sie herab und hielt seine beiden zuckenden Hände fest -ineinander geschlossen: »Graf Gerwalt zu hassen, ihm zu grollen, -- -prüf' ich mich -- als Christ -- im Angesicht des nahen Todes -- dazu -hab' ich kein Recht. Wir streiten uns um Zoll und Brückengeld, -- um -Grafenbann und Bischofsrecht: -- wir sind beide aus recht hartem Holz --- da setzt es denn harte Stöße. Aber deshalb Haß und Groll? Nein! -Er glaubt im Recht zu sein, wie ich. -- Und ... das andre? Das vor -fünfzehn Jahren ...?« - -Sie seufzte und zog den Schleier vor die Augen. - -»Beim Donnerstrahl, ich kann's +ihm+ nicht verdenken! Nicht Freunde -waren wir: -- nur Waffengenossen, Jagdgefährten, Bechergesellen -- oder -Nebenbuhler um Ruhm und Glanz und Lebensfreude. Daß er die schönste -Jungfrau liebte, die wir -- beide -- jenseit und diesseit der Alpen -- -gesehen, daran that er recht. Und daß er ihre Hand nahm, als sie ihn -vorzog, daran that er wahrlich nicht unrecht. Also -- will ich -- nur -als Mann, gar nicht als Priester -- fragen -- also warum Haß und Groll -gegen -- +ihn+?« -- »Aber gegen +mich+, nicht wahr?« Das brach aus -ihrer Brust wie aus dem Felsen der Quell, wie aus dem Vulkan das Feuer --- weil sie +müssen+. - -»Ah!« Und mit herzzerreißendem Klageton schlug sie die Stirn gegen die -Holzwand und bedeckte den Kopf mit den beiden durchsichtigen Händen. - - -XII. - -Aber diesmal erweichte sie ihn nicht, die rührende Stimme, den grimmen, -seit langen Jahren verhärteten Groll des Mannes. Einen Augenblick -noch blieb er vor ihr stehen mit festverschlungenen Händen: dann -wandte er sich jäh von ihr ab und stürmte in raschen Schritten -- in -abgebrochenen Sätzen redend -- den Saal auf und nieder. »Kann es anders -sein? -- Bedenkt doch! -- Ihr habt es wohl all vergessen -- in diesen -langen Jahren -- an der Seite des schönen Gemahls? Ich nicht! Ich war -nicht -- abgezogen durch neues Liebesglück! -- Merkt auf, ob ich's noch -weiß. Und straft mich Lügen -- gleich! -- thu' ich Euch unrecht -- nur -mit Einem Wort. -- -- - -Jahrelang kannten wir uns -- am Hofe der Regentin ... Ihr stets in der -hohen Frau Geleit: -- auch ich nur selten fern von ihr. Denn sie hielt -viel auf Euch. Und auch -- ein wenig -- auf mich. Seit ich zuerst Euer -Antlitz geschaut ... -- Genug! -- Ihr merktet es bald -- leugnet es -nicht! -- mußtet es merken! Und nach vielen Monden treuen Werbens -- -durft' ich annehmen -- durft' ich wenigstens hoffen: ... Frau Gräfin: -sagt es offen, wenn es Einbildung eines eitlen jungen Thoren war. -Durfte ich nicht hoffen -- ich sei Euch nicht ganz ... o wie sag' ich -nur?« - -Er stand jetzt wieder dicht vor ihr. - -Da löste sie langsam die langen, schmalen Hände von dem Gesicht, wandte -ihm voll das blasse Antlitz zu, schlug die Augen groß auf und sprach -mit traurigem Blick: »Ja. Ihr durftet annehmen, ich liebe Euch. Denn -es war die Wahrheit. Und ich konnte -- Ja: mehr! Ich +wollte+ es auch -nicht -- weiter verbergen.« - -»Hei! Das gesteht Ihr also zu? Und doch, und doch, Verräterin, verraten -und verlassen!« - -»O Herr Heinrich ...!« -- »Nun, beim Zorne Gottes, der uns morgen -richtet! Ist das +nicht+ Verrat? Ihr liebtet mich, sagt Ihr? Seltsame -Liebe! Sechs Wochen aus den Augen -- für immer aus dem Sinn!« -- »Herr -Heinrich -- war das Heilfriedens Art?« -- »Nein! Freilich nicht! Gewiß -nicht! Ich hätte geeidet als Euer Eidhelfer und Euer Kämpfer -- allein! --- gegen eine Welt von Speeren: -- ›Kein steter, kein verlässiger Herz -hat je in Weibesbrust geschlagen.‹ Daher ja die Verzweiflung! Es war -nicht nur der Schmerz um Euch: -- nicht nur Euch, den Glauben an die -ganze Menschheit hab' ich ja verloren. War mir doch bei der Kunde, als -fielen alle Sterne vom Himmel: +Dieses+ herrliche Geschöpf -- +dieses!+ --- verhehlt mir nicht mehr ihre Liebe. Das war zu Ostern. Ich ziehe -aus in der Regentin Dienst wider die Wenden. Ich wußte, kehrte ich -siegreich zurück an den Hof nach Regensburg, -- die Herzogswürde war -mir zugedacht. Als Herzog wollt' ich um die Hand Heilfriedens werben. -Zu Pfingsten bin ich, sieggekrönt, zurück und sie -- -- ist fort und -des Grafen Gerwalt Weib. O pfui! Wie grenzenlos abscheulich!« Und er -stürmte wieder durch den Saal. - -Matt sprach sie, kaum vernehmbar: »Ja. Fort war sie. -- Und war des -Grafen Gerwalt Weib. -- Wißt Ihr auch, warum?« »Tod und Verderben!« -fuhr er auf. »Welcher Hohn! Weil sie jetzt -- war er doch auch jünger -und schöner! -- auf einmal den Grafen Gerwalt liebte!« Und er blieb -wieder hart vor ihr stehen und schoß flammende Blitze auf sie herab. -»Nein,« sagte sie ruhig und sah ihm voll und fest in die zornigen -Augen. »Weil Kaiserin Theophano befahl.« - -Er taumelte zurück. »Wie? Was? ... Und darum?« - -»O Herr Heinrich,« begann sie liebreich-sanft und beinah heiter in -allem Weh. »Nein, Ihr seid wahrlich nie ein eitler Mann gewesen, der -sich die Gunst der Frauen eingebildet hätte. Ihr sahet sie ja nicht an -vielen von uns, als sie mit Händen zu greifen war. Und nun vollends -+Sie+! Ihr allein merktet nicht, was der ganze Hof wußte.« -- »Aber was -denn? Was?« -- »Die Kaiserwitwe Theophano -- die wunderschöne Griechin --- verwitwet im sechsundzwanzigsten Jahre -- die herrliche, glühende -Frau -- sie hat Euch geliebt aus aller Macht ihres Wesens.« - -»Die Kaiserin? Unmöglich!« - -»Und die schöne, stolze, heiße Frau in ihren blauschwarzen -diademgleichen Flechten,« fuhr sie ruhig fort, »sie entdeckte, der -Graf von Rothenburg, der von so vielen geliebte Held, zeichne vor -allen Frauen und Jungfrauen des Hofes aus das schlichte blonde, arme -Edelfräulein von der Heide, aus dem Lande der Westfalen. Sie konnt' es -nicht begreifen. Sie hatte recht: denn ich begriff auch nicht, warum? -Und deshalb -- so dachte sie wohl -- achtet er gar der Frau Kaiserin -nicht und sieht nicht ihre brennende Liebe. Sie war meine Wohlthäterin, -die Erzieherin meiner verwaisten Jugend. Sie ließ mich kommen, sie -öffnete mir ihr Herz. ›Du mußt ihm aus den Augen,‹ sprach sie, ›blondes -Kind. Du mußt ihm unerreichbar werden. Dann -- ist er mein. Du wirst -nicht so selbstisch sein, ihm den Weg an meiner Seite -- den sichern -Weg zu höchstem Erdenglanz und Ruhm -- zu versperren. Aber auch +du+ -sollst nicht leiden. Behüte! Graf Gerwalt liebt dich, ich weiß es. -Er ist ein schöner wackrer Mann, ein Held wie jener. Du wirst sein -glücklich Weib. Heinrich aber -- er wird wozu ihn Gott vorausbestimmt -hat durch hohe Gaben --: Regent des deutschen und italischen Reiches -und mein Gemahl.‹ Sie befahl. Ich gehorchte. Durft' ich, -- ich armes -Ding! -- dem Aufflug des Adlers zur Sonne im Wege sein?« »Um Gottes -willen!« schrie der Gequälte auf. »Geopfert um meinetwillen?« Und er -warf sich leidenschaftlich vor ihr nieder auf die Kniee. - -Sofort sprang sie auf. - -Weit trat sie weg von ihm zur Thüre. - -»Steht auf, Herr Bischof! Sofort: oder ich verlass' Euch.« - - -XIII. - -Er stand schon wieder. - -Hochaufgerichtet stand er, die geballte rechte Faust auf die -Tischplatte gestemmt, die flache Linke auf das wild pochende Herz -gedrückt, glühendes Rot im Gesicht. - -»Verzeiht, Frau Gräfin ... -- nein: Heilfriede, vergieb, daß ich auf -die Kniee sank! Ich bin's so sehr gewöhnt, vor Heiligen zu knieen. -Und du -- du +bist+ eine Heilige! -- Und ich blinder, wildherziger -Mann habe dich all diese Jahre ... gehaßt? O nein! Ich konnte nicht! -Aber verachten wollt' ich dich und deine Treulosigkeit. ›Die schöne -Verräterin‹ nannte ich dich so gern in meinen schlummerlosen Nächten. -Ach der Spruch: - - ›Nicht Feuer und nicht Gift im Blut - Schmerzt wie verratne Liebe thut,‹ -- - -er war zu meinem Nachtgebet geworden. O dich verachten -- diese Wollust -that so bitter weh! Vergieb mir, Heilfriede! Kannst du mir vergeben?« - -Sie trat nun langsam von der Thüre wieder in die Mitte der Halle -zurück. »Ich hab' mir's wohl gedacht,« erwiderte sie traurig. »Ihr -kanntet mich doch nicht genug, an mich zu glauben auch gegen den -Anschein. +Ich+, Herr Heinrich, würde nie so an Euch gezweifelt -haben.« -- »O sprich, daß du mir verzeihst!« Sie lächelte wehmütig: --- es ließ ihr unendlich schön. »Stände ich hier, wenn ich Euch -nicht vergäbe?« -- »Dank!« -- »Ist doch kaum etwas zu vergeben! Daß -ein ungestümer Mann, gekränkt in seinem Stolz von einem Weibe, das -ihn aufgab, diesem nicht gute Beweggründe beilegt, sondern Schwäche -in seinen vorwurfsvollen Gedanken, -- das ist wohl so der Lauf der -Welt. Aber +Ihr+ ahnt nicht, was +ich+ empfand, als mich, statt der -Nachricht Euerer Verlobung mit der Regentin, wie ein Donnerschlag die -Kunde traf am fernen Rhein: ›Graf Heinrich von Rothenburg hat der Welt -entsagt.‹ Er!« Hier leuchteten die sonst so mattblickenden blauen -Augen zum erstenmal auf in freudigem Stolz. »Der allerersten Helden -des Reiches einer -- mir -- so lange Zeit! -- der Erste! Er nahm die -Weihen! Ward Priester! Umsonst, umsonst -- so sagt' ich mir -- habe -ich mein Herz verleugnet, mein Leben geopfert, ihr und ihm. Weder die -Herrin, vor der ich aus Dankbarkeit zurückstand, noch Er, dem ich den -Weg zu kaiserlichem Glanze bahnen wollte, hat Vorteil davon! -- Ach, -in jenen Nächten ist mein Haar ergraut. Und ich sagte mir doch auch, -welches Weh allein es sein konnte, das den heldenhaften Mann dahin -getrieben, das siegvertraute, das geliebte Schwert sich abzugürten.« -- -»Ja, Heilfriede, auch +das+ that weh.« »O so vergebt +Ihr+ mir!« rief -sie nun in überraschendem Ausbruch des Gefühls, »daß ich +Euere+ Liebe -nicht als so stark erkannt, wie sie es war. Aber seht: darum ließ mir -die Sorge um Eure Seele keine Ruhe! Sollten wir vor Gott treten -- Ihr -belastet mit diesem sündhaften, grundlosen Hasse gegen mich und ich -ohne Eure Verzeihung, daß ich Eure Liebe unterschätzt? Alles, alles -sagte ich meinem wackren Mann in diesen Tagen auf unserer Rückreise aus -Welschland: alles! Und er ließ, ja er hieß mich dennoch zu Euch eilen.« - -»Ich dank' ihm! Sagt ihm das!« In rascher Aufwallung des Edelgefühls -kam das hervorgesprudelt. Zögernd fügte nun der jahrelang genährte -Groll hinzu: »Das heißt: wenn ein Dankeswort von mir bei Graf Gerwalt -gute Stätte findet.« - -»O Herr Heinrich! Ihr habt ihm noch viel, viel mehr zu danken!«-- »Hei -ja, gar manchen Span, Streit und Verdruß! Ein Glück, daß er, seit er -diesen Gau erhalten, immer jenseit der Alpen weilte. Saß er da oben auf -dem Marienberg und ich hier -- es wäre wohl Blut geflossen. So hab' ich -mich nur mit seinen Amtleuten herumzuzanken gehabt. Wo ist er? Wann -folgt er Euch nach?« -- »Heute Nacht oder morgen in aller Frühe. Er hat -noch in seinem andern, im Rangau Geschäfte.« - -»Auch über diesen,« schalt der Bischof, »gab es immer Zank und Hader!« --- »Gerade deshalb hat er ...! Aber nein! Ihr würdet mir nicht glauben. -Und bevor der Erfolg eintreten kann, stehen wir alle drei vor Gott. -Dort -- auf Wiedersehen, Herr Heinrich!« -- »Heilfriede! Wohin?« -- -»Nach Haus' -- in die Burg -- so gebot mein Gemahl -- ihn dort zu -erwarten.« -- »Gut! Gehorcht ihm. Aber noch eine Bitte -- die letzte im -Leben.« -- »Sprecht!« -- »Wann nun die letzten Dinge hereinbrechen -- -wann die Posaunen erdröhnen der Engel des Gerichts -- dann, Heilfriede, -laß uns die Ankunft des Herrn gemeinsam erwarten. Im Dom, am -Hauptaltar, im Schutz aller heiligen Reliquien, versammle ich, lang vor -Mitternacht, die Gemeinde um mich -- so viel der Gläubigen die Kirche -fassen mag. -- O Heilfriede, in solch schirmender Umgebung, an solch -heiliger Stätte erwarte auch du das Ende. Steige rechtzeitig herab von -der Burg und --« - -»Mein Gemahl ist bis dahin sicher hier. Gern wird er mit mir Euren -frommen Vorschlag annehmen. Versöhnt, befriedet, vereint, Hand in -Hand wollen wir dann alle drei das Ende erwarten ... -- Und nun noch« --- ihre Stimme zitterte -- »Euren Segen, Herr Bischof!« Und sie beugte -demütig vor ihm das bleiche Gesicht. - -Er aber winkte ihr abwehrend mit der Hand. »Wer bin ich, daß ich dich -segne? Der Sünder die Heilige! Dich +hat+ der Herr gesegnet aus der -Maßen. Selig sind, die reinen Herzens sind, denn ihrer ... ach, +dein+, -Heilfriede, ist das Himmelreich!« - -Und der starke Mann brach laut aufschluchzend zusammen über dem Tisch. -»Leb wohl! Auf Wiedersehen am Ende, Hezilo!« hauchte sie. »Heilfriede! -Deine Hand! Nur deine Hand --« Er sprang stürmisch auf. - -Sie war verschwunden. Wieder lehnte er sich vorgebeugt, seiner selbst -kaum mehr bewußt auf den Schreibtisch. - -Dabei streifte sein langfaltiger Ärmel eines der Pergamente, es glitt -herab von der Tischplatte und fiel gerade auf das offene Becken der -glühenden Kohlen. - -Hastig raffte er es auf, schon war es leicht angebrannt. - -»Kaiser Karls Verleihung!« rief er erschrocken. »Beinahe ...! Nun, und -+wenn+ sie verbrannte?« lächelte er. »Wie thöricht doch die Gewohnheit -macht! Übermorgen verbrennt sie ja doch! Mit allem was sie mir -- dem -Bistum -- schenkte. O du unselig Pergament! Durch deine zierlichen -Buchstaben hat mich der Welsche bezaubert, durch dich hat er mich -immer wieder angetrieben, wann ich nachgeben wollte. Zwar für Sankt -Burchhards Recht ... ach nein, nein, es ist ja all nicht wahr! - -Heinrich, gesteh' dir's doch endlich -- an +diesem+ Tage -- selber ein, -dir und dem Allwissenden, den du ja doch nicht täuschen kannst, wie du -dich selbst so lange, so gern getäuscht hast. Die Lust, Land und Leute -zu beherrschen, gegen +ihren+ Gatten -- lauter Sünde hat dich dabei -getrieben! Unheilsurkunde! Hätt' ich dich doch nie entdeckt! Wärst du -doch verbrannt mit allen andern damals vor vielen Jahren! Oder jetzt -verbrannt -- in diesen Kohlen, -- eh' ich dich nochmal sehen mußte! - -Dämonisches Geschreibsel!« Zornig zerknitterte er es in der Rechten. -»Wieviel Sünde hast du in mir angerichtet! Ich hasse dich, ich -verfluche dich -- nicht erst übermorgen -- gleich sollst du verbrennen! -Durch +meinen+ Willen! Durch +meine+ Hand! Und so wie ich dich -zerstöre, so thu' ich von mir -- zu Ehren jener bleichen Heiligen -- -allen Haß gegen Gerwalt und jedes -- jedes! -- sündige Verlangen!« - -Und in fiebernder Erregung, seiner Sinne nicht mehr mächtig, riß er das -zähe Pergament mit den beiden starken Händen mitten durch und warf die -beiden länglichen Streifen in die glühenden Kohlen. - -Hoch loderte sofort die helle Flamme auf. Mit seltsamer Lust sah er das -noch: dann stürzte er besinnungslos, ohnmächtig auf den Estrich nieder. - -So fand ihn Supfo, der den schweren Fall gehört hatte und besorgt -herbeieilte. - - - - -Fünftes Buch. - - -I. - -Der furchtbare Tag war angebrochen und nahezu abgelaufen ohne -irgendwelche Störung der Ruhe in der Stadt. - -Das war bei der gewaltigen Aufregung aller Gemüter nur den weisen -und kräftigen Anordnungen zu danken, die der Bischof schon lange für -diese bangen Stunden vorbereitet und nun ins Werk gesetzt hatte. Unter -Supfos treuer Pflege -- er hatte dabei des Steinweins nicht gespart! -- -erholte sich die starke Natur Herrn Heinrichs bald von der Betäubung, -in welche ihn der rasche Wechsel so mannigfaltiger Erregungen gestürzt -hatte; er begab sich noch am Abend zu rechter Zeit in den Dom und -waltete dort seiner heiligen Pflichten. - -Nach durchwachter und durchbeteter Nacht schritt er in feierlichem -Aufzug, gefolgt von seiner ganzen Priesterschaft und allem Volk, -durch die Straßen, zum letztenmal Gott zu danken, seine Gnade und die -Fürbitte der Heiligen anzurufen. Zwar ward gemeldet, daß räuberische -Bauern auch an diesem Tage selbst noch sich ziemlich nahe der Stadt -gezeigt hätten: -- aber auch hiergegen hatte Herr Heinrich wachsame -Vorkehrung getroffen auf den Warttürmen. - -So war der wunderschöne Sommertag friedlich, feierlich, erwartungsvoll -hingegangen. - - * * * * * - -Nun deckten bereits blaue Schatten die fernen, waldigen Höhen an dem -Oberlaufe des Flusses, während in der Stadt auf den Türmen im Umkreis -der Mauern die roten Pechpfannen der Türmer glühten; auch stromabwärts -glomm hier und da ein Licht aus den auf den beiden Ufern verstreuten -Höfen: die Leute wachten in bangem Gebet die Mitternacht heran. - -Schon damals setzte sich wie heute auf dem rechten Mainufer die von -Süden herziehende große Heerstraße unterhalb der Stadt gen Norden hin -fort: im Osten stieß sie dicht an die mit Reben bepflanzten Anhöhen; -aber links, gegen den Fluß hin, erstreckten sich in jener Zeit noch -Wiesen und Buschwerk. - -Wonnesam ist und berauschend die laue Mittsommernacht zu Würzburg und, -wie des Lenzes in jenem gesegneten Mainthal, wird, wer je dort einer -Mittsommernacht genoß, ihrer dankbar gedenken. - -Und diese Nacht, welche da als die letzte ihren weichen dunklen -Schleier werfen sollte auf die Erde, -- diese Nacht war wunderbar vor -den andern vieler Jahre! -- - -Der Mond stand nahezu voll am Himmel: von den Osthöhen aufschwebend -warf er sein bleiches Licht zauberhaft auf den Fluß, auf die ragenden -Mauern der Burg im Westen; leichtes fast durchsichtiges Gewölk, von -rötlich gelben Rändern umsäumt, zog manchmal, vom lauen Südwest -getragen, über die leuchtende Scheibe, durch solchen Wechsel des vollen -und des gedämpften Lichts den Reiz geheimnisvoll erhöhend. - -Jener weiche, warme Südwest -- hauchend, als wär' es Atmen des -Himmels -- führte auf seinen leisen Schwingen den wunderbaren, den süß -berauschenden, den entzückenden Duft der Rebenblüte von den Weingärten -des Burgbergs, zumal der Burgleiste über den Fluß nach Nordosten. -- -Zur Sonnwend gerade stehen dort die Reben in voller Blust und ihr -Duft ist keinem auf Erden vergleichbar! Es ist eitel Poesie, süße, -feurige, heiße Liebeslust atmende Poesie, was die trunkenen Sinne da -einschlürfen in einer Berauschung, viel feiner und beseligender als im -Trunk des Rebensaftes selbst. - -Durch jenes Strauchwerk an der Straße und über die Wiesen hin -flogen Leuchtkäfer in reicher Menge, mit ihrem grünlichen Licht das -Phantastische, Ahnungsvolle dieser halbdunkeln Stunden noch steigernd. - -Das Buschwerk aber bestand zum größten Teil aus wilden Rosen, die so -schön, so starkstämmig, so zahlreich wie dort im sonnigen Mainthal wohl -nirgend mehr gedeihen auf deutscher Erde. - -Vielfach hatten zwar die Rosen schon abgeblüht: aber der überaus warme -und doch feuchte Sommer hatte an vielen Büschen eine zweite Blüte -hervorgelockt: und der honigduftende süße Hauch der Wildrose mischte -sich hier mit dem feineren herberen der Rebe. - -Und in den Rosenbüschen schlugen und schmetterten ihr feurig Lied -ungezählte Nachtigallen! So laut, so lustheiß, so jauchzend in -beglücktem Minnewerben! So stark, wie noch in keiner Nacht dieses -Sommers! Es war, als ahnten die klugen Vögelein, die zwar an den -Untergang der Welt nicht glaubten, daß sie nun bald verstummen mußten -für ein Jahr: und als wollten sie noch einmal aus vollster Kraft den -Wonnejubel der Liebe hinausschmettern in die blaue, die leise atmende -Nacht! -- - -All das: das silberne Mondlicht -- der laue Wind -- der Reben- und -Rosenduft -- das heiße, brünstige Lied der Nachtigall -- wirkte -zusammen zu einer süßen, weichen lustvollen Berauschung der Sinne und -der Seele. -- -- - - -II. - -Der Zauber dieser Stunde befing wohl auch den einsamen Reiter, der aus -dem äußersten flußabwärts vorgeschobenen Blockhaus der Pfahlbefestigung -in raschem Trabe gegen die Stadt geritten kam. - -Er hatte den Helm abgenommen und ließ die laue kosende Nachtluft, den -schmeichlerischen Wind, der ihm entgegenkam, frei durch seine dunkeln -Locken streichen. Er hielt nun das schwarze Roß an, sprang ab und -führte es am Zügel: »Still, Orco, tritt sacht auf! Sie dürfen uns nicht -kommen hören, die frommen Frauen, sonst ...! -- Ich hielt es nicht mehr -aus! Ich mußte! Es riß mich fort so unwiderstehlich -- wie dort der -heiße Sang dem kleinen Vöglein aus der Seele bricht. Diese Nacht! Nie -sah ich ihresgleichen! Du mußt -- du mußt mein werden vor dem Ende. -Magst du wollen oder nicht! Aber du wirst wollen: -- wollen +müssen+! --- denn du liebst mich! Wie lautete doch das Lied, das ich gestern auf -diese Nacht, auf diese Stunde gedichtet? - - Morgen um die zwölfte Stund', - Heia, geht die Welt zu Grund! - Doch nicht eh' bis Minnegard -- - -- Leib und Seel'! -- mein eigen ward! -- - Diese Nacht, - Wann Hut und Wacht - Liegt in Betgeheul und Jammer, - Dann erbrech ich deine Kammer: - Magst erglühen, magst erblassen, -- - Eher nicht will ich dich lassen - Bis du mein! - Dann brich herein, - Ew'ge Pein! - Wirft von deinem roten Mund - Gott mich in der Hölle Schlund: - Du warst doch mein! - -Aber der liebe Gott wird's selber einsehen, daß ich nicht anders -konnte. Was hat er sie so schön geschaffen und mich so heiß? Und ich -hätte ja ganz gern des Bischofs Segen dazu erbeten, wenn ... Aber halt! -Was ist das? Wer kommt da mir entgegen? Eine dunkle Gestalt -- ein Weib --- ganz allein -- heute! in dieser Stunde! -- Sie winkt mit der Hand. -Bei Sankt Martin zu Tours! Wahrhaftig -- sie ist's! sie selbst. -- -Minnegardis!« »Fulko!« schallte es zurück. Und er eilte ihr entgegen, -das Tier nach sich ziehend. Hell trat der Mond aus Gewölk, da sie sich -erreichten. »Geliebte! Du -- hier?« rief er und faßte ihre beiden -Hände. »Wen suchst du?« -- »Dich!« -- »Aber wie konntest du ...?« -- -»Ich ahnte, du würdest, +müßtest+ kommen in der letzten Stunde der -Welt. Ach, ich wußte es!« - -»Woher?« -- »Aus meinem eignen Herzen und Verlangen! Ich erfuhr, -du hast Wache in dem Blockhaus da unten. Da wußte ich, du würdest -versuchen, mit List oder Gewalt zu mir zu dringen, in meine Kemenate -bei den Religiosen. Aber ich wußte auch, es könne dir nicht gelingen.« --- »Ich bin auf dem Weg und mein Schwert ...« -- »Wäre nicht nötig -gewesen. Ich erwartete dich und hätte dir den Laden der Kemenate selbst -geöffnet.« -- »Nun also!« -- »Aber ich sollte ja fort! Der Bischof -ließ mir sagen, er werde mich noch vor der zehnten Stunde durch die -Runde der Wachen abholen lassen in den Dom. Dreißig Speeren konntest -du mich nicht entreißen! Und darum -- o ich sollte wohl vor Scham -vergehen! -- darum, weil du nicht zu mir dringen konntest -- deshalb, -du geliebter Mann, kam ich zu dir! Drang ich, flog ich dir entgegen. -Denn, wisse das, du heiß Begehrter: ich liebe dich über alle Maßen. -Und nicht sterben will ich, bevor du das erfahren und gefühlt. Ich -muß, ich muß! Es reißt mich dir entgegen mit unbezwinglicher Gewalt, -so notwendig wie hier die Rose duftet, dort das Vöglein singt. Dein -will ich sein und dir gehören -- unscheidbar Eins in Ewigkeit. Und -wird -- wie sie lehren -- in der Ewigkeit nicht geküßt und gefreit, -- -so will ich dich küssen und kosen in der letzten Stunde, da die Welt -noch steht. Will mich der gütige Himmelsherr drum strafen, -- -- so -mag er's thun. Ich aber thu', was ich nicht lassen kann. Ich kam, um -dein zu werden, ach nur im Tod: nicht mit dir zu leben, nur mit dir zu -sterben. Ich liebe dich, komm an dies Herz und fühl's, wie ich dich -liebe.« Und weit öffnete sie beide Arme und stürmisch umschlang er sie. -Und er küßte sie, daß ihr der Atem verging. »Komm,« -- flüsterte er -dann -- »hier auf der offenen Heerstraße -- man wird dich vermissen -- -suchen ...« - -Ein leichter Sprung und sie waren westlich von der Straße im dichten -Gebüsch: -- das kluge Roß sprang hinterdrein: -- er schlang den Zügel -um den nächsten Baum: »Nun, treuer Orco, halt Wacht! und warne, kommt -jemand.« Der Rappe wieherte lustig und nickte mit dem Kopf, als hab' er -alles verstanden. -- -- -- - -Und -- nun alles still ringsum ... ganz still. - -Der Mond lugte nur selten und schonend durch das dichte Gebüsch auf -die weiche Wiese. Ein Leuchtkäfer flog über ihre Häupter hin und -ließ sich dicht neben Minnegardens Locken nieder auf das Gras. »Unsre -Hochzeitfackel!« flüsterte er. - -Und der laue Wind trug ganze Wolken Wohlgeruchs von Rebenblüt' und -Rosen ihnen zu. - -Und laut, schmetternd, jubelnd, schlug die Nachtigall im nahen Busch -ihr triumphierend Siegeslied der Minne. -- -- -- - -Sonst rings alles ruhig um sie und weihevoll: rings alles still: auch -sie sprachen nicht vor eitel Seligkeit und eitel Liebe. -- -- -- - - * * * * * - -Plötzlich wurden die Glücklichen aus ihrer süßen Versunkenheit -aufgestört durch einen dröhnenden ehernen kriegerischen Ruf. - -Erschrocken fuhr Minnegard auf unter seiner heißen Liebkosung, strich -das gelöste wirre Haar aus den brennenden Schläfen zurück und rief: -»Horch! Was war das? Die Posaune des Gerichts? Bricht das Ende herein? -Ich fürchte es -- nun -- nicht mehr. Denn du wardst mein und höchste -Seligkeit. Und nicht den strengen Richter: Hand in Hand mit dir tret' -ich vor ihn hin und jauchze: ›Ja, ich liebe ihn, ewig werd' ich ihn -lieben! Strafe mich, Herr, wenn es Sünde war. Aber ich thät's nochmal!‹« - -»Still, Kind! Laß mich horchen! Richtig. Das -- es ist auch noch lange -nicht Mitternacht! -- Das ist nicht die Posaune der Erzengel: -- das -ist das Wächterhorn vom Brückenturm. Aber es bläst den Waffenschrei!« - -Er machte sich los aus ihren Armen und lauschte. - -»Horch! In der Runde antworten die andern Türmer. Es ist der Notruf: -›Feinde!‹ Und schau -- dort -- in der Ferne -- unweit der Stadt -- vor -der Sandvorstadt -- flammt Feuerschein auf. Das sind Mordbrenner, -räuberische Bauern.« - -»Wie? In dieser Nacht? Kurz vor dem Ende?« - -»Gleichviel! Es scholl der Waffenschrei: Herr Heinrich ruft seine -Ritter. Nicht vergeblich soll er Fulko rufen! Auf, mein süßes Lieb, -du mein holdes Eigen: -- rasch in den Sattel! So ist's recht! Halte -dich an der Mähne! Hier bin ich schon hinter dir im Sattel. Noch einen -Kuß! Und noch -- und noch Einen -- den letzten wohl! Und nun, renne -mein Rößlein! Fulko und Minnegard darfst du tragen aus seliger Lust in -seligen Tod.« - -Pfeilschnell sauste das edle Tier durch die Wiesen gegen die Stadt -dahin: es wieherte den schmetternden Trompeten feurig entgegen. - - -III. - -Es waren noch etwa zwei Stunden vor Mitternacht. - -Im Dome standen der Bischof und seine Geistlichen und so viele -Gläubige, als der Raum zu fassen vermochte, Kopf an Kopf gedrängt, -versammelt: auch in allen andern Kirchen und Kapellen hatte, nach -Anordnung des Bischofs, nächtlicher Gottesdienst stattgefunden, ein -paar Stunden nachdem die Vesperfeier vorüber war: auch sie waren -sämtlich überfüllt. - -Zu Hause blieben fast nur die Kranken, die Bett oder Haus nicht -verlassen konnten und oft, aber nicht immer, ein Pfleger -- oder meist -eine Pflegerin! -- welche die Pflicht, bei den Siechen auszuharren, -höher anschlugen als den Trost, das Ende in der Kirche, in der -schützenden Nähe der Heiligtümer zu erleben. - -Nur Eine Ausnahme kam vor: -- der Bischof selbst hatte sie befohlen. - -Die Führer der Thor- und Wallwachen, die er -- in Abwesenheit des -Grafen -- ordnete, waren am Morgen vor ihn getreten und hatten ihn -gefragt, ob sie nicht mit ihren Leuten heut, am letzten Tag der Welt, -ihr kriegerisch Werk einstellen und in den Kirchen der Andacht aller -andern sich anschließen dürften? - -Bei Herrn Heinrich hatten auf diese Bitte hin der Bischof und der -Kriegsmann einen scharfen Kampf geführt; aber der Kriegsmann hatte -gesiegt. Er hatte die Stirne gefurcht und gesprochen: »Nein! Die -Landbrenner sind nah! Jeder auf seinem Posten. Der Bischof vor dem -Altar, der Turmwärter auf dem Turm. Findet uns der Herr dort, so findet -er uns da, wohin wir gehören. Bis zum letzten Augenblick -- die Pflicht -des Dienstes, des weltlichen wie des geistlichen.« - -Mit stillem Kopfnicken hatte er, lange bevor er die Messe begann -- die -letzte, die er zu lesen hatte! -- von dem Ankleidezimmer aus die Gräfin -mit ihren Frauen die Steinstufen des Doms hinaufschreiten sehen. »Sie -hält Wort,« sprach er gerührt; den Grafen Gerwalt sah er noch nicht, -er vermißte auch noch Minnegard und Edel: aber er zweifelte nicht, sie -würden rechtzeitig, wie er geboten, erscheinen. - -Die Messe war gelesen, auch die Predigt zu Ende, in welcher der Bischof -ernst, aber ohne weich zu werden, in mannhaften tapfern Worten zu -seinen Hörern sprach, dem Feldherrn vergleichbar, der seine Sturmschar -ermahnt, dem sichern Tode kühn entgegenzuschauen. -- - -Der Dom hallte wider von dem lateinischen Gesang der Priester und der -Chorknaben, in welchen hin und wieder die Latein- und Sanges-Kundigen -aus der Gemeinde einfielen. -- - -Wallend und wogend zogen dichte Wolken des Weihrauchs durch den von -Öllampen und Kienspänen nur schwach beleuchteten einschiffigen Holzbau: --- bloß der Hauptaltar, wo der Bischof nun segnend stand, strahlte in -der Helle zahlloser Wachskerzen. -- - -Da plötzlich schmetterte durch die offene Thür -- denn die Menge der -Andächtigen drängte vom Chore durch die ganze Kirche und auch durch -die Thüre hinaus bis auf die Stufen und auf den Platz vor dem Dom -- -derselbe eherne Trompetenschall, welcher das wonneberauschte Liebespaar -aufgeschreckt hatte. - -Auch hier würde wohl die Vorstellung des Posaunentons des Weltgerichts --- heute allen die nächstliegende -- die Menge ergriffen und in dem -dichten Gedränge Schrecken und Entsetzen verbreitet haben. -- - -Aber Herr Heinrich kam dem zuvor. - -Sofort erkannte sein an solchen Ruf gewohntes Ohr die Eigenart dieses -Grußes. Er ermaß auch blitzschnell die Gefahr, welche ein falscher -Schreck über die vielen Hunderte, in engem Raum zusammengepferchten, -höchst erregten Menschen bringen mußte. - -So rief er denn mit seiner lauten Stimme, die gewohnt gewesen, mit dem -Ruf des Befehls das Toben der Reiterschlacht zu überdröhnen: »Bleibt -ruhig, ihr Gläubigen! Das ist nicht der Beginn des Gerichts! Ich habe -befohlen, mit der Turmtrompete ... Hört ihr? Es ist die Trompete vom -Sandturm -- jetzt auch vom Brückenturm! -- zu melden, wann sich das -Raubgesindel gegen die Stadt heranzieht. Es sind Brandräuber!« - -Da brach sich durch die Menge vor den Stufen ein ganz Gewaffneter Bahn --- er schob die Bürger, die Frauen, links und rechts kräftig zur Seite --- schon hatte er den Altar erreicht. »Auf, Herr Bischof! Hier Euer -Schwert. Nehmt! Eure Sturmhaube! Euer Roß steht draußen gesattelt. -Feinde vor der Stadt! Es brennen schon mehrere Höfe mainaufwärts. -Kommt und helft!« Es war Blandinus, voll glühenden Eifers: Nie war -sein schön Gesicht so schön gewesen, wie es jetzt unter der Sturmhaube -hervorglänzte. »Helft! Rettet! Herr Bischof!« riefen die Bürger. »Was -sollen wir thun?« »Hierbleiben! Beten!« schrieen die Weiber. - -Aber Herr Heinrich richtete sich auf zu seiner vollen Höhe, riß das -Schwert aus der ihm dargereichten Scheide, warf diese weg, und, hoch -die Klinge schwingend, rief er: »Fechten sollt ihr! Nicht beten! Eure -Stadt, Sankt Burchhards Weihtum, schirmen! Fallt ihr so, so fallt -ihr schön und büßet manche Sünde. Wie können wir besser unsre letzte -Stunde verleben, als im Kampfe für Sankt Kilians Heiligtum? Folgt, ihr -Bürger Würzburgs, folgt euerm Bischof! Hinaus vors Thor und wehe den -Kirchenräubern! Sankt Kilian und Sankt Burchhard ziehn euch voran!« - -Und er stürmte die Stufen des Altars hinab der Domthüre zu. - -»Sankt Kilian und Sankt Burchhard! Steht uns bei!« riefen die Krieger -und folgten ihm. - - -IV. - -Das kühne Vorgehen des streitbaren Bischofs sollte sich aber doch gar -bald als allzukühn erweisen. - -Zwar die Dienstmannen und Reisigen waren rasch zur Stelle und folgten -sofort eifrig ihrem heißgeliebten Führer: Blandinus, dem der Befehl -in der inneren Stadt übertragen war, hatte sie rasch gesammelt: aber -Hellmuth und Fulko konnten nicht zur Stelle sein: ihnen hatte ja Herr -Heinrich die gefährlichste Wacht: die in den beiden entlegensten -Blockhäusern des Pfahlhags flußabwärts und flußaufwärts anvertraut. - -Und das Häuflein, an dessen Spitze jetzt der Bischof durch das Südthor -und die Sandvorstadt sprengte, war doch nur recht klein: zwanzig Rosse -und vierzig Fußknechte: mehr waren es nicht. - -Die Bürger aber zeigten zwar guten Willen, waren auch nicht übel -gerüstet und in den Waffen geübt. Allein es währte recht lange, bis sie -diesmal in genügender Stärke beisammen waren und ihrem Bischof hinaus -nacheilen konnten, der sofort mit seinen Dienstmannen allein dem Feinde -entgegengesprengt war. - -Unbewaffnet waren die Burgensen alle -- den Canones und dem -Landfriedensrecht gemäß -- in den Dom und in die übrigen Gotteshäuser -gekommen: nun mußten sie erst in ihre oft weit entlegenen Höfe -zurück, sich mit Schutz- und Trutzwaffen zu versehen, meist unter dem -Widerstreben, den Bitten und Thränen ihrer Weiber und Kinder, die sie -im Angesicht des nahenden Gerichts nicht von ihrer Seite, nicht aus -dem Hause, am wenigsten vor das Thor hinaus zum Gefecht ziehen lassen -wollten. - -So sammelten sie sich heute nicht, wie herkömmlich war, an den -vorherbestimmten »Schar-Orten«, sondern einzeln, paarweise oder in -ganz kleinen Häuflein, wie sie sich auf dem Wege zu der Sandvorstadt -zufällig gefunden, trafen sie vor dem Südthor weit, weit hinter dem -Bischof auf der Heerstraße oder auf der Allmännde ein, die nun gar bald -zum Schlachtfeld werden sollten. - -Bevor wir aber dieses betreten, müssen wir nachholen, was auf demselben -unmittelbar vorher sich begeben hatte. - - -V. - -Um dieselbe Zeit, da nördlich der Stadt Frau Minne Ritter Fulko und -schön Minnegard einander entgegengeführt hatte, eilte im Süden der -Stadt auf der großen Heerstraße gegen das Südthor zu eine weiße Gestalt. - -Ein lichter Schleier flatterte ihr nach, so hastig schritt sie: -im Glanze des Mondes, den nur selten ziehend Gewölk verdeckte, -leuchtete das freiflutende, hellblonde Haar -- es war aufgegangen: -das zusammenhaltende blaue Band hatte sie bei dem raschen Aufbruch -verloren. Sie drückte den weiten hellgrauen Mantel über der Brust -zusammen. Ihr Auge spähte scharf vorwärts: aber nicht auf die Vorstadt -am Ende der Heerstraße war es gerichtet, sondern links ab von der -Straße, wo, nahe dem Flusse, das äußerste Blockhaus des Pfahlhags vor -dem Südthor ragte. - -»O Gott,« betete die Eilende, »laß mich noch recht kommen. Nun Ein -Wort zu ihm -- von ihm! Dann will ich ja gern in den Dom. Wie spät -mag es schon sein? Ich konnte die Zeit nicht genau erkunden! Wartete -ich länger, mußte ich in Begleitung der andern Frauen gehen und dann -mit ihnen gleich in den Dom. Mag es wohl schon bald Mitternacht sein? -Barmherziger Heiland, o verschiebe die Stunde des Gerichts nur so -lang, bis ich ... Du blickst in mein Herz, heilige Jungfrau! Du weißt, -mich treibt nicht sündiger Liebe Verlangen -- nicht an seine Hand will -ich rühren! -- nie würde ich aus +solchem+ Sehnen die scheue Scham -überwinden, und zerspränge mir darüber das Herz in der Brust. Nein! -Nicht nach solchem steht mein Begehren! Ich will ja nur -- -- -- du -weißt, Gott, was ich will. Darum hilf mir! Bald -- bald bin ich ja -dort. Sehe ich doch schon das schmale Thor, das in das Blockhaus führt. -Gleich muß der Wiesensteig links abbiegen hier unten von der Straße ... -Ah! Was ist das? Dies Thor ...?« - -Sie konnte nicht vollenden. - -Mit Schrecken nahm sie wahr, wie das Blockhausthor, nach welchem Ziel -ihres eilenden nächtlichen Ganges sie so sehnsüchtig ausgeschaut hatte, -sich von innen öffnete und wie aus demselben auf dem engen Wiesenpfad, -der ein wenig hügelan auf die Heerstraße führte, ein Reiter ihr in den -Weg sprengte. - -»Weh mir -- wenn man mich erkennt, anhält, -- aufhält!« - -Sie wankte: sie stützte die Hand auf einen breiten Grenzstein rechts -an der Heerstraße, der hier die Markung der Stadt von den Äckern -des Randahari trennte. Schon hatte der rasche Reiter die Hochstraße -erreicht: ungestüm jagte er heran -- sein Helm glänzte und strahlte -hell im Mondlicht -- ein langer dunkler Mantel flog ihm nach von den -gepanzerten Schultern: -- sie hoffte, er werde an ihr vorbeisausen: -sie glitt ganz hinter die breite Steinsäule -- schon hörte sie das -Schnauben seines Rosses -- schon sah sie ... »Ah! Er! Gott ich danke -dir!« rief sie frohlockend und sprang, beide Arme hoch gen Himmel -erhebend, aus ihrem Versteck hervor. - -Heftig erschrak das Roß, aber nicht der Reiter. »Edel!« rief er, -bändigte kraftvoll das scheuende, hochsteigende Tier, brachte es zum -Stehen, sprang nun ab und schritt ihr, den Zügel in der Hand, entgegen. -»Jungfrau Edel« -- in höchstem Erstaunen sprach er -- »was thut ... -was wollt Ihr hier -- allein ... zu +dieser+ Stunde? Was sucht Ihr?« -»Euch!« rief das Mädchen »Nein doch: +dich+, Hellmuth, +dich+!« Und -beide Hände fest ineinanderringend ließ sie sich vor ihm auf die Kniee -gleiten. »Laß mich! Nicht deine Liebe such' ich mehr -- ich weiß, ich -habe sie verwirkt -- aber deine Verzeihung. Ich kann nicht sterben, -kann nicht vor den ewigen Richter treten mit dieser unverziehenen -Schuld auf meiner Seele, der schweren Sünde der Herzenshärtigkeit, -des verstockten Stolzes, der grausamen Mißhandlung ... Ich habe dich -gequält ... gepeinigt, ich habe dein stummes monatelanges Flehen um -Verzeihung eines ach! so leichten Fehls, -- eines Fehls aus Liebe! --- mit Füßen in den Staub getreten! O es war so schlecht von mir, so -eitel, so sündhaft! Aber sieh: nun -- in der letzten Stunde meines -Lebens -- lieg' ich, Edel, die stolze Edel, vor +dir+ im Staub -- nein, -laß mich! Ich stehe nicht auf, bis ... Und ich flehe dich an: verzeihe -mir! Verzeihe mir um des Heilands willen, der, ein Wunder wirkend, -dich mir hier entgegengesandt hat in +dieser+ Stunde! Ich sprang aus -dem Fenster der Kemenate in den Garten. Ich wußte, wo du zu finden -warst. Ich konnte es nicht mehr ertragen -- ich lief dir entgegen -- es -schob mich vorwärts wie mit unsichtbaren Engelshänden: das Wort, das -in diesen Tagen unablässig uns verkündet ward: -- ›Bereue! Büße!‹ -- -es mahnte mich unwiderstehlich, die schwerste Schuld meines Lebens zu -büßen: die Schuld gegen dich und deine große, deine rührende Liebe. Ich -hätte dich im Blockhaus aufgesucht vor allen deinen Reisigen und dich -dort laut angefleht, wie hier in der heiligen, nur von Gott erschauten -Einsamkeit: Hellmuth, verzeihe mir!« - -Schon hatte er sie vom Boden aufgerissen. »Edel! +Ich+ Euch -- ich -+dir+ verzeihen? Nein, vergieb +du+ mir. Die Liebe riß mich fort. Doch -du kannst das nicht fassen! Denn was weißt du von Liebe!« »Ich?« -- -Sie errötete über und über, wie sie nun mit unendlicher Anmut das edle -langgestreckte weiße Antlitz zu ihm emporhob: es leuchtete geisterhaft -im Glanz des Mondes, umrahmt vom blonden Haar: -- sie richtete einen -langen Blick auf ihn aus den tiefen grauen Augen. -- Dann senkte sie -die dunklen Wimpern und fragte: »Was immer Euch in dieser letzten -Stunde der Welt in die Nacht hinausgetrieben hat, was immer Ihr suchtet --- gewiß war's nicht Edel?« -- »Wie durfte ich das wagen? Nein! Den -Tod, den Heldentod in herrlichem Reiterkampf. Denn wisset -- von -dorther -- von Süden -- nahen alsbald furchtbare Feinde.« »Den Tod? O -so laß mich ihn teilen!« rief sie leidenschaftlich ausbrechend. »Du -hast mir verziehen -- und du liebst mich noch immer -- ich sehe dir -es an: so gewähre mir die letzte Bitte! Im Leben hat mein sündhafter -Stolz uns getrennt: laß nun im Tode meine Demut uns vereinen. Vergönne -mir, mit dir zu sterben.« Und überwältigt von allbezwingender Liebe -sank sie an seine Brust, das schmale Köpflein vorwärts beugend wie -eine tauschwere Blume. »Edel! Geliebte! Ist es wirklich? Bist du -+meine+ Edel?« -- »Ja! +Deine+ Edel! Aber nur im Tode dein!« Und er -küßte sie auf die weiße Stirn: er wagte es nicht, sie auf die so -festgeschlossenen, schmerzumzuckten Lippen zu küssen. - -Es war ganz still um dieses Paar; hier sang keine Nachtigall. -- - -Plötzlich schlug an beider Ohr von Süden her ein schriller gellender -Hornruf. »Horch! Was war das?« rief Edel, erbleichend und sich hoch -aufrichtend. Beide wandten sich nun flußaufwärts nach der Richtung des -Schalles. Alles still. Da flammte in der Ferne rote Lohe auf. »Der -Weltenbrand!« rief Edel. Aber im selben Augenblick antworteten dem -ersten Hornruf zwei, drei lautere dem Paar erheblich näher. »Nein!« -rief Hellmuth. »Gut kenne ich den wilden Ton! -- Das sind wendische -Hörner! Sie blasen den Kriegsruf. Und schau: dort brennt ein zweites -- -wie rot! -- ein drittes Feuer auf -- dort liegen die Höfe des Randahar --- es sind ihre brennenden Strohdächer. Das sind wendische Plünderer! -Sind ja Heiden, glauben nicht an das Weltgericht. Und horch nur! Ich -meine ...« Er warf sich zu Boden und drückte das Ohr fest auf die harte -Heerstraße. Sofort sprang er wieder auf. »Kein Zweifel. Reiter sprengen -heran! Viele, sehr viele! Die Erde dröhnt von Hufengestampf. Das sind -nicht die himmlischen Heerscharen und nicht die Teufel der Lüfte. Auf, -Edel, rasch! In diese Hände darfst du nicht fallen.« - -Er hob sie auf das Pferd und schwang sich hinter ihr in den Sattel. -»Wohin? Was willst du thun?« fragte sie. »Ich warne die Stadt und Herrn -Heinrich.« Und schon jagte der treue Falk sausend zurück nach dem -Südthor. Funken stoben unter seinen klirrenden Hufen aus den Kieseln -der Straße, weithin flog Edels weißer Schleier nach. - - -VI. - -So war es Hellmuth gewesen, welcher zuerst den Turmwart des Südthors -gewarnt und auf die nahenden Feinde merksam gemacht hatte. - -Er führte die bleiche schweigende Edel in die nahe Kirche in jener -Vorstadt der Heiligen Petrus, Paulus und Stephanus. Hier, dicht bei -dem Südthor, fanden sich alsbald viele Frauen und Mädchen der Stadt -aus den nächsten Höfen, aus dem Dom und den andern Kirchen zusammen: -denn hier war man sicher, zufrühest Nachricht von dem Gefecht zu -erhalten, sowie den Bischof und die Seinen bei ihrer Heimkehr zuerst -zu begrüßen. Hierher führte auch Fulko die Geliebte, die er schon -außerhalb des Nordthors vom Rosse gehoben und gar sittsam durch die -von den zusammenlaufenden Bürgern belebten Teile der Stadt geleitet -hatte; bereits vorher war hier aus dem Dome mit ihren Frauen der beiden -Mädchen mütterliche Freundin, die Gräfin Heilfriede, eingetroffen. - -Als der Bischof das Thor hinter sich gelassen hatte und nun auf der -Heerstraße ungestüm vorwärts sprengte, -- vor ihm mit brennender -Fackel Blandinus -- da drängten Hellmuth und Fulko von rechts und von -links ihre schnaubenden Rosse an seine Seite. »Gut, daß ihr da seid. -Willkommen, tapfre Junker, im letzten Gefecht,« rief er ihnen freudig -zu. »Herr Heinrich,« erwiderte Hellmuth, »wollen wir nicht warten, -bis von den Bürgern einige heran sind?« Höchlich erstaunt, ohne im -Vorwärtsjagen einzuhalten, sah der Bischof zu ihm hinüber: »So redet -Hellmuth vom hohen Horst? Um eine kleine Rotte schlecht gewaffneter -Bauern zu zersprengen ...?« -- »Herr, es sind nicht Bauern. Und nicht -eine kleine Rotte! Da! Hört Ihr das Horn? Wenden sind's.« »Gewiß die -Söldner Zwentibolds!« rief Fulko. »Das wolle Gott nicht!« stammelte der -Bischof und erbleichte, ... aber nicht aus Furcht. »Da vorn -- rechts --- brennt schon wieder ein Hof!« rief Blandinus mit der Fackel deutend. -»Das ist, mein' ich,« riet Fulko, »das Haus des Zeidlers Wulfilo, -des Nachbars von Frau Ute. Arme Fullrun, wie mag es dir ergangen -sein! Halt, holla! Hier geblieben, Signor Blandinus!« und er fiel dem -Venetianer in die Zügel, der bei jenem Namen, laut aufschreiend, den -Gaul spornend, nach rechts hin über die Wiesen davonjagen wollte: -»Jetzt heißt's, beisammen bleiben! Wollt Ihr allein die Wenden -schlagen?« »Das Kind wird Gott beschützen,« pflichtete der Bischof bei, -»wir kämen zu spät.« »Da! Da sind sie schon!« rief Hellmuth. »Jawohl,« -lachte Fulko, das Schwert ziehend. »Jetzt hat sie der Teufel schon -da.« »Weiß Gott, die Wenden!« stöhnte der Bischof dumpf. »Und wie -viele!« rief Fulko. »Jetzt, Freund Hellmuth, jetzt heißt's fechten.« -»Ja! Gott sei Dank! -- Das wollen wir,« antwortete der mit blitzenden -Augen. »Wohlan!« sprach der Bischof. »So mögen sie denn zum letztenmal -auf Erden schmettern, die deutschen Drommeten. Bald schallen die -himmlischen Posaunen darein!« - -Noch nicht gleich kam es zum Zusammenstoß: die vorausgeschickten Reiter -der Slaven jagten zurück, offenbar, ihrem Führer Meldung zu bringen. -Und der Bischof gebot Halt, seine Fußknechte nachkommen zu lassen. Wie -er das Ganze übersah, mußte er erkennen, daß sein kleines Häuflein doch -in recht schlimmer, aufs höchste gefährdeter Lage war. - -Was von einer erlesenen Reiterschar gegen einen wenn auch viel -zahlreicheren Haufen schlecht gerüsteter Bauern, die nur zu Fuß -fochten, zu wagen gewesen wäre, das erwies sich als undurchführbar -gegen diese trefflich und mannigfaltig bewaffneten, zum Teil gut -berittenen Soldknechte, die unter ihrem mit wilder Begeisterung -verehrten Häuptling seit einem Jahrzehnt im Dienste gar vieler Fürsten -auf wendischer, deutscher, welscher, byzantinischer Erde gefochten und -gar oft gesiegt hatten. - -»Der Wende,« rief Fulko »-- Gott verdamm ihn! -- versteht den Krieg. -Schau, Hellmuth, wie klug benützt er seine große Übermacht! -- Auf -wieviele schätzest du sie?« Hellmuth hob sich hoch in den Bügeln, bog -das behelmte Haupt vor und spähte nach allen Richtungen: »Die links von -uns in den Weinbergen und im Gehölz kann ich nicht schätzen. Aber da -auf der Straße vor uns und rechts in den Wiesen-- das sind eher vier- -als dreihundert.« - -»Schau -- man sieht es deutlich im Mondlicht! -- hier auf der breiten -Straße schart er seine Reiter zusammen, viele Glieder tief, unsern -Anprall abzuwehren.« -- »Aber auch das Umgehen hat er gelernt! Sieh, -westlich von der Straße -- über die Wiesen hin -- läßt er andere -Reiter vortraben, uns in der Flanke zu fassen.« -- »Und wo bleiben -unsere Bürger? Noch gar wenige sammeln sich auf der Wiese.« -- »Und -seine Fußknechte,« ergänzte der Bischof, »und Pfeilschützen schickt -er östlich von der Straße in die Weingärten und in den Buschwald der -Höhen, uns von links zu packen. Ja, von dort könnten sie sich zwischen -uns und die Stadt werfen und uns auch vom Rücken fassen.« Er gebot den -Junkern, hier zu halten, und ritt langsam voraus, seine vordersten -Reiter zu ordnen. »Nun, die links werden aber nicht viel ausrichten,« -meinte Hellmuth, »bergan, auf den Schmalpfaden zwischen den Weinbergen. -Ein Häuflein entschlossener Männer genügt ...« - -»Sind aber immer noch nicht da, auch zur Linken nicht, die lieben -Bürger von Würzburg!« -- »Oder doch nicht genug. Jetzt hab' acht, Herr -Heinrich winkt mit dem Schwerte!« - - -VII. - -Der Bischof hatte, jener Dreiteilung der Feinde zu begegnen, auch von -seiner ohnehin so schwachen Schar einen rechten und einen linken Flügel -abzweigen müssen. - -Er sandte Boten über Boten in der Richtung gegen die Stadt zurück, die -Bürger zur Eile zu mahnen und sie, wie sie einzeln oder in kleinen -Häuflein herankamen, jenen beiden Flanken zuzuteilen. Er gedachte, -durch das beste, alterprobte Mittel deutscher Kriegskunst -- seit -nämlich die schwer gepanzerte Reiterei (zuerst in den Ungarnkriegen) -wichtiger geworden war als das alte nur zu Fuß kämpfende Aufgebot -des Heerbanns -- gegen alle Feinde: durch das Ansprengen seiner eng -aneinander geschlossenen schwergerüsteten Ritter und berittenen -Heerknappen auf den mächtigen Streithengsten die Wenden auf der -Heerstraße über den Haufen zu rennen, so durch einen gewaltigen Stoß -ihre Mitte zu durchbrechen und die Schlacht zu entscheiden. Mit dem -alten Feldruf der Deutschen: »Christus! Kyrie eleuson!« sprengte er, -hoch das Schwert schwingend, auf seinem leuchtend weißen Dänenhengst an -der Spitze seiner Panzerreiter auf die Wenden an und ein. - -Es erging -- anfangs -- wie er gehofft: die schwächeren Gäule der -Slaven und die geringere Körperkraft ihrer Reiter hielten den deutschen -Ansturm nicht aus: das erste Glied war sofort überritten, das zweite -- -in der Mitte wenigstens -- durchbrochen: aber in der dritten Reihe kam -der Anprall zum Stehen. - -Jetzt kreuzten sich deutsches Ritterschwert und slavischer -Streitkolben: das Gefecht stand. - -Und das war sehr schlimm für die kleine Reiterschar, deren einzige -Siegeshoffnung in raschem Niederreiten der Übermacht bestanden hatte. - -Da ersah Herr Heinrich im roten Licht einer Pechfackel einen -feindlichen Führer in reicher Rüstung mit geschlossenem Helm, der sich -soeben von seinem gestürzten Gaul -- Hellmuth hatte ihn überrannt -- -los machte und behend auf ein anderes Pferd schwang, das ihm ein Wende -zuführte. »Vorwärts!« scholl es aus dem Mundloche des Visiers hervor. -»Nieder mit den Deutschen.« Und die Wurflanze in der Hand wirbelnd ritt -er wieder in die vorderste Reihe. - -»Die Stimme kenne ich!« rief Herr Heinrich, spornte das Roß gegen -den Feind, schwang grimmig das Schwert und schmetterte einen solchen -Streich auf den reich vergoldeten Helm, daß dieser klirrend in zwei -Stücke auseinander sprang. »Berengar!« schrie der Bischof. »Wie -konntest du es wagen? Gegen meinen Befehl ...?« -- »Befiehl du deinen -deutschen Knechten, nicht mir!« gab er zurück und hob scharf zielend -den Speer zum Wurf. - -Allein da wurden sie getrennt, auseinander gerissen durch den Stoß -einer frischen Rotte Fußvolks, die, auf den Befehlsruf eines nicht -sichtbaren Führers, aus der vierten Reihe der Slaven mitten auf der -Heerstraße mit gefällten Lanzen vorbrach und die deutschen Reiter -sofort schwer bedrängte. Diese konnten auf der von gefallenen Pferden -und liegenden wie kämpfenden Menschen vollgestopften Straße nicht mehr -vorsprengen, also ihr wirksamstes Kampfmittel nicht mehr gebrauchen. -Und ein Roß der Bischöflichen nach dem andern brach zusammen: denn -die wendischen Lanzenknechte stießen nicht auf die gepanzerten -Reiter, sondern auf die Pferde. Nur mit äußerster Anstrengung gelang -es Fulko, der sich stets ein wenig vor Herrn Heinrichs Schimmel hielt, -die zahlreichen Speerschäfte niederzuschlagen, welche dies weithin -sichtbare Ziel vor andern bedrohten. - -Da sprengte Hellmuth, welchen der Bischof entsendet hatte, Nachricht -von seiner rechten Flanke einzuholen, wo die Wenden auf den Wiesen, -nach dem Vordringen ihrer Hornrufe zu urteilen, erheblich Raum -gewonnen, auf die Straße zurück und meldete: »Nun geht's wieder da -drüben! Es stand schlimm. Aber ein Häuflein Bürger, das eben eintraf -und das ich und Gericho den wendischen Reitern entgegenwarfen, hat das -Gefecht dort gestellt. Jung Gericho macht seine Sache gut. Allein Übles -vernahm ich von unserm linken Flügel her. Dort scheinen ...« - -Er konnte nicht vollenden. - -Denn von eben dort, von Osten her, sprengte Blandinus, der zu gleichem -Zweck entsendet worden war, auf die linke Seite der Straße: den Helm -hatte er verloren, sein Gesicht war von Blut aus einer klaffenden -Wangenwunde überströmt. »Herr Bischof, wir sind umgangen. Die -feindlichen Pfeilschützen und Fußknechte haben die wenigen Bürger in -den Weinbergen überwältigt. Baumeister Hesso, der starke, treue Mann, -der sie befehligte, ist gefallen: ich führte die Weichenden zu einem -letzten Stoße vor -- umsonst -- -- mich traf ...« Er wankte: Fulko -hielt ihn aufrecht im Sattel. - -Herr Heinrich drückte in bitterem Schmerze die Augen zusammen: »Zurück? -In die Stadt? Nein! Weichen wir einen Fuß breit, -- sind wir verloren -und der Feind dringt mit uns ein. Das soll nicht sein.« -- »Nein!« -rief Hellmuth. »Um keinen Preis! Seht, dort hinten schart sich ein -frischer, ein noch stärkerer Haufe Fußvolks zum Stoße gegen uns. Kommt -zuvor! Laßt uns noch einmal einsprengen, so gut es eben geht, und dabei -fallen, das Gesicht nach vorn!« »Jawohl,« rief Fulko. »Es muß doch -endlich einmal gleich Mitternacht sein. Dann holen die Englein unsere -Seelen hier und die Heiden holt, wie billig, der Teufel. Drauf und -drein, Herr Heinrich! Auf Wiedersehen im Himmel, Minnegard.« - -Und schon wollte der Bischof, zum Tode bereit, den Befehl geben -zum letzten hoffnungslosen Ansprengen wider den entgegenstarrenden -Lanzenrechen, als plötzlich, wie durch ein Wunder, das Gefecht völlig -umschlug. - - -VIII. - -Denn auf dem rechten Flügel der Wenden -- östlich der Straße -- in -den Weingärten und von den Waldhöhen herab ertönte auf einmal wildes, -wüstes, verworrenes Geschrei. - -Freund und Feind stutzte, hielt ein im Kämpfen, wandte dorthin Augen -und Ohren. Und schon stürzten die wendischen Pfeilschützen und -Fußknechte, aufgelöst, in wilder Flucht, die Höhen herab, auf die -Straße, in die rechte Seite der Ihrigen hinein, brachten diese in volle -Verwirrung und warfen sie mit solcher Wucht auf die Mitte und diese auf -die westlichen Nebenmänner, daß diese über die steile Straßenböschung -hinunter in die Wiesen stürzten. - -»Steht, beim Zrnbog! steht! meine Brüderlein,« schrie den flüchtigen -Pfeilschützen eine schrille Stimme zu. Und ein Führer, auf schwarzem -Roß, in ganz schwarzer Gewandung und Rüstung, warf sich ihnen -entgegen, den Nächsten über den Haufen reitend, den zweiten an der -Schulter packend und mit eisernem Griffe festhaltend, daß er wohl -stehen mußte. »Steht doch! Es ist ja schon alles gewonnen!« »Ja, -steht, ihr Memmen!« schrie Berengar herzureitend. »Habt ihr den Teufel -gesehen, daß ihr so lauft?« »Wie? du bist's, Kratochwyl?« rief der -auf dem Rappen. »Bist doch wahrlich kein Feigling! Hab' dir ja den -ganzen rechten Flügel anvertraut! Wer jagt euch denn so?« »Der Teufel,« -keuchte der Wende atemlos. »Wirklich der Christenteufel -- wie der -Christenpfaff gesagt hat. Wir hatten die Bürger vor uns zurückgeworfen --- schon zweimal! -- hatten fast schon den Kamm der Höhe erstiegen, -- -da plötzlich brach aus dem dichtesten finstersten Buschwald in unsere -rechte Flanke -- hoch von oben herab -- ein rasender Riese -- nicht gar -viele hinter ihm! -- Aber ein Riese! In Wolfsfellen! Das muß der Teufel -selber sein! Unverwundbar! Die Pfeile prallten von seiner Wolfsschur -ab. Er sprang mitten unter uns: ›Hilf, Woden! Woden hilf!‹ schrie er -unablässig und bei jedem Schrei schlug er mit einem fürchterlichen -Balken, den er mit beiden Händen schwang, einen, auch zwei von uns zu -Boden. Da zog ich mein Wurfmesser -- du weißt, ich fehle nicht -- und -warf's ihm seitwärts in den Kopf. Es traf: es blieb stecken. Aber er -fiel nicht! Vorwärts sprang er gegen mich und -- ich sterbe. Flieh, -Zwentibold! Es ist der Teufel!« Und er fiel um und war tot. - -Zwentibolds geübtes Auge ersah, daß er die Flucht seines zersprengten -rechten Flügels nicht hemmen konnte. Rasch entschlossen befahl er -seinem Mitteltreffen, vorzurücken und die Fliehenden hinter sich -vorüber fluten zu lassen, wohin sie wollten. - -Er warf einen Blick nach vorn, überzählte die geringe Schar der -deutschen Reiter, fand, daß von den Seinen immer noch genug in Ordnung -standen, sofort vorgeführt zu werden, und befahl mit gellendem Hornruf -den Vorstoß. Jetzt erst zog auch er den krummen Säbel. »Nun hat's -Sinn, daß auch der Feldherr ficht,« rief er Berengar zu. »Drauf, meine -Brüderlein! Wir sind immer noch fünf gegen einen. Werft den Bischof -dort und seine paar Reiter und euer ist die reiche Stadt. Plündert sie -und brennt sie nieder!« - -Ein gellendes Geheul -- wie von Rudeln hungriger Wölfe -- ward ihm -zur Antwort. Vorwärts sprengten und rannten die Wenden und da die -Deutschen, die neue Wendung erkennend, im selben Augenblick anritten, -prallten beide Scharen sofort zusammen. Gewaltig war der Stoß. Gab den -Deutschen die Wucht der Hengste und der Waffen großen Vorteil, -- voll -aufgewogen ward er durch die starke Übermacht der Wenden. Ein wildes, -heißes Ringen auf der Straße: -- nach Osten, die Hügel aufwärts, gab -es kein Ausweichen für die Gäule -- so drängte alles von der Mitte -nach Westen gegen den Fluß hin: da stürzten die Rosse und die Reiter -und die Fußknechte der Wenden, oft, wie Käfer, aneinander zu Klumpen -geballt, in dichten Massen hinunter auf die Wiese. Zwentibold merkte, -daß dort die Seinen schwere Verluste litten; er bahnte sich den Weg -hierher; Berengar war dicht hinter ihm. Beide ersahen an der Spitze -der Deutschen hier einen Gewaltigen auf weißem Roß, der mit sausenden -Streichen seines langen Schlachtschwerts hoch von oben herab die -Fußknechte wie Mohnköpfe niedermähte. »Der Bischof!« riefen beide wie -aus einem Munde. Und alsogleich fielen sie beide ihn an. - -»Schaut links, Herr Heinrich!« schrie Hellmuth und fing mit dem Schild -einen sehr starken Säbelhieb Zwentibolds, während Fulko mit dem -Schwert einen Speerstoß Berengars zur Seite schlug, daß der Schaft -zersprang. Aber da stürzte, von dem Lanzenstoß eines Fußknechts -getroffen, Fulkos Rappe und begrub den Reiter unter sich. Sofort riß -Berengar das Schwert aus der Scheide und hieb auf Herrn Heinrich ein. -Aber der -- nun gewarnt -- schwang ausholend mit aller Kraft -- denn -er war jetzt sehr zornig! -- die Klinge hoch in die Luft und hieb ihm -den Schwertarm samt Hand und funkelndem Schwert hart an der Schulter, -gerade wo er aus der Brünne trat, so säuberlich ab, als wär' er -niemals dort angewachsen gewesen. Aufbrüllend vor Schmerz schlug der -Verstümmelte rücklings aus dem Sattel. - -Allein nun warf sich Zwentibold auf den Bischof. - -Seines bisherigen Gegners Hellmuth, mit dem er blitzschnelle -funkensprühende Hiebe getauscht, hatte er sich soeben entledigt, indem -er des Gegners Roß durch einen tückischen Hieb über die Vorderbeine zu -Fall gebracht. »Hierher, Brüderlein! Alle zu Hauf! Auf den Bischof! Auf -den Schimmel!« schrie er. - - -IX. - -Und nun wäre Herr Heinrich -- bei aller Kraft des Armes und aller -Tapferkeit des Herzens -- doch verloren gewesen. Blandinus, der ihm -beispringen wollte, stürzte, aus nächster Nähe von einem Wurfspeer -mitten auf die Brünne getroffen, aus dem Sattel. Der nächste der -bischöflichen Reiter, der den Schild über seinen Herrn hielt, ward -von Zwentibold über das Gesicht gehauen; und während Herr Heinrich -alle Mühe hatte, sich der raschen Doppelhiebe des Fürsten zu erwehren, -erschaute er die spitzen Speere von vier Fußknechten gegen sich und -sein schon mehrfach verwundetes Roß gezückt. Er sah den Tod vor Augen. -»O Heilfriede!« dachte er noch, »Gott sei mir gnädig!« - -Aber da ergellte ein wilder Schrei vieler Feinde von seiner linken -Seite: -- er verstand die Worte nicht: -- jedoch auf einmal sah er von -der Anhöhe des Weinbergs zu seiner Linken in gewaltigem Satz auf die -Straße herabspringen eine Hünengestalt -- und eine furchtbare Waffe -schmetterte nieder auf das Roß Zwentibolds. »Hilf, Woden!« scholl es -nun ganz nah an seiner Seite, und der Ankömmling schlug mit einem -zweiten Streich den nächsten Lanzenknecht nieder. Die drei andern -ließen zwar noch nicht ab: sie packten des Bischofs Roß am Zügel -und zielten auf den Reiter mit den Speeren. Aber dem einen fuhr mit -wütendem Gebell ein grauer Wolfshund an die Kehle und gleichzeitig -fielen die beiden andern vor den hochgeschwungenen Schwertern Hellmuths -und Fulkos, die sich inzwischen unter ihren Gäulen hervorgearbeitet -hatten. - -Jedoch auch Zwentibold stand schon wieder, katzenbehend, auf seinen -Füßen und wollte -- zum drittenmal -- Herrn Heinrich anfallen. Allein -er kam nicht dazu. - -»Halt, Schwarz-Riese: -- du bist mein. Hilf, Woden!« scholl es ihm -entgegen und Rado hob den furchtbar wuchtigen Schürbaum. -- Der Slave -duckte sich, sprang zurück und kauerte hinter einem toten Gaule nieder -auf den Boden. »Warte, Langer, du kommst später. Dein Bischof hat -den Vortritt.« So zischend nahm er den Säbel zwischen die Zähne, riß -ein kleines, kaum fingerlanges Messer aus dem Wehrgurt, faßte das -Hornheft mit nur den ersten drei Fingern der Rechten und warf die dünne -Klinge gegen Herrn Heinrich. Schwirrend, pfeifend durchschnitt sie -die Luft -- und traf. Gerade, wo zwischen dem Halsrand der Brünne und -dem Sturzrand der Sturmhaube eine schmale Lücke klaffte, oberhalb des -Schlüsselbeins, drang die scharfe Spitze in den Hals. Der Getroffene -glitt langsam nach rückwärts aus dem Roß, das Schwert aber ließ er -nicht aus der Faust. - -Hellmuth und Fulko fingen den Sinkenden auf. - -Gleichzeitig aber sprangen Rado und Zwentibold widereinander, beide in -tödlichem Haß, nicht sich zu decken, nur zu treffen bedacht. -- Und -beide trafen. Dem Alten hatte die geschweifte Säbelklinge die dicke -Sturmhaube aus dreifachem Wolfsfell durchschnitten und war noch tief in -den Schädel gedrungen: -- dem Slaven aber war die schwarze Pelzmütze -und der schwarze Kopf in Eins zusammengeschlagen. - -Das waren fast die letzten Streiche, die geschlagen wurden in diesem -Gefecht. Denn die Söldner auf der Heerstraße entscharte der Schreck, -als sie den Führer fallen sahen, dem sie blind in abgöttischem -Vertrauen zu folgen so lange gewohnt waren. Ohne ihn zu kämpfen, waren -sie nicht fähig. - -Zugleich trafen nun von Osten, von den Höhen und Halden herab, jene -Bürger ein, die unter Rados Führung den rechten Flügel der Wenden -zersprengt hatten. Sie fielen den auf den Wiesen westlich von der -Straße noch im Gefecht mit Gerichos Schar ausharrenden Feinden in den -Rücken und nun floh alles, was noch fliehen konnte zu Roß und zu Fuß -eilfertig flußaufwärts, eifrig verfolgt von den Siegern. - -Das sah noch Herr Heinrich, den seine Ritter unter einer alten Eiche, -die am Wege stand, gebettet hatten. -- - -Er sah's mit strahlenden Augen und faltete die Hände um den Kreuzgriff -seines blutigen Schwertes: »Herr Gott,« sprach er, »dich loben wir. -Sieg! Sankt Burchhards Stadt gerettet! Nun will ich gerne sterben. -- -Und seht -- seht dorthin, meine Freunde! Dort im Osten flammt es lohend -auf! Das -- das sind die Flammenboten -- das sind die Cherubim des -Herrn, der zum Gericht herniedersteigt.« - -»Nein!« jubelte Fulko laut aus voller Brust, mit erhobenem Schwerte -deutend. »Das ist Sonnenaufgang! Mitternacht muß ja längst vorüber -sein! Wir dachten nur nicht dran im Drang des Kampfes! Vorüber ist der -gefürchtete Tag -- und die Welt: -- sie steht noch! -- Es war ein Wahn! --- Herr Gott, wir danken dir aus tiefster Seele! Nein, du wolltest sie -nicht vernichten, deine alte, liebe, schöne Welt!« Und er warf sich auf -die Kniee und hob dankend, frohlockend, beide Arme gen Himmel. - -Da fiel der erste Strahl der Sonne über die Höhen auf sein Antlitz: -trillernd stieg aus den Wiesen eine Heidelerche in den noch grauen -Himmel. -- - -Und Hellmuth und Blandinus und alle, die nicht die Wunde hemmte, thaten -desgleichen, warfen Schwert, Speer und Schild von sich, und aus vielen -hundert Kehlen in die dämmernde Morgenfrühe hinauf -- deutsch und -lateinisch durcheinander -- klang der alte Lobgesang: - - Gnade, du, nicht in Zeit ~Nunquam resolvitur,~ - Nein, in Unendlichkeit, ~Nunquam revolvitur~ - Immer erneut: ~Credens in te:~ - - Herr Gott, wir danken dir, ~Gratias agimus,~ - Herr Gott, dich loben wir ~Gratias canimus~ - Ewig wie heut! ~O domine!~ - - - - -Sechstes Buch. - - -I. - -Prachtvoll ging die Sonne des jungen Tages auf über dem Mainthal: der -Himmel strahlte in wolkenloser Bläue: auf wieviel Glück und Freude sah -er hernieder! - -Viele Tausende von Menschen, die mit Entsetzen, mit Furcht vor schwerer -Strafe durch den allwissenden Richter die Mitternacht herangewacht -hatten, lagen nun auf den Knieen und priesen, unter strömenden Thränen, -die oft von seligem Lächeln, ja von lauten Jubelrufen unterbrochen -wurden, die Gnade des großen, des barmherzigen Gottes, der seinen -Geschöpfen nach wie vor die süße Lust des Atmens belassen und vergönnt -hatte. - -Wo heute in Würzburg nahe der Brücke der stattliche -»Vier-Röhren-Brunnen« steht, da scharen und verweilen sich am Morgen -und am Abend gar gern die Mägde, nachdem sie das Wasser in ihre auf -dem Rücken getragenen »Butten« geschöpft haben. Gar oft läuft die -Butte über, weil zwar sie mit Wasser gefüllt ist, aber noch nicht das -harrende Mägdelein mit den Neuigkeiten -- meist nicht so lauterer -Art wie Brunnenwasser! -- welche ihr die Nachbarsmagd, die Freundin, -zuträgt; oder mit den Koseworten, die ihr der schon lang hier ihrer -wartende Schatz zu sagen hat. - -Damals schon war an derselben Stelle ein tiefer Ziehbrunnen gegraben, -der reichlich Wasser spendete: ein paar Lindenbäume standen im Kreis -um das runde Gemäuer aus rotem Sandstein herum und in den Ästen eines -derselben war das Holzbild Sankt Kilians, in grellsten Farben gemalt, -unter einem vorspringenden dreieckigen Schutzdach angebracht. - -Dieser Brunnen und seine schattige und zugleich geweihte Umgebung war -auch damals schon ein Lieblingsort der Würzburger, die schon damals -erstaunlich viel über sich selbst -- und zumal über andere Leute! -- -zu plaudern hatten; hier und auf den Stufen, die zu der nahen Brücke -hinanführten, drängten sich die Leutchen zusammen, wann es etwas zu -erzählen gab. Und es gab immer etwas zu erzählen zu Würzburg, obwohl --- streng genommen -- nicht gerade sehr viel dort, in der frommen und -weinfrohen Stadt, sich zu ereignen pflegte. - -Aber heute, -- am fünfundzwanzigsten des Brachmondes des Jahres -eintausend, -- da gab es allerdings einiges zu erzählen! Und es ist den -Würzburgern von damals kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie diese -Gelegenheit, sich einmal auszusprechen, sich nicht entgehen ließen, -sondern recht ergiebigen Gebrauch davon machten. Das wichtigste von -allem war ihnen, daß sie überhaupt noch vorhanden waren; auf diese -erfreuliche Thatsache kamen sie immer wieder zurück. - -Um den Brunnen und auf den Stufen der Brücke und auf dieser selbst -wogte eine mächtig bewegte Menge, Männer, Weiber und Kinder, Bürger, -Geistliche, Mönche, Reisige des Bischofs -- alles durcheinander. Es -litt die Menschen nicht in der Einsamkeit, nicht in den engen Häusern: -das Gemüt, von so gewaltigen, widerstreitenden Eindrücken der Furcht, -des Grauens, der aufatmenden, aufjauchzenden Erlösung durchzittert, -suchte nach dem Ausdruck seines aufs tiefste erregten Innern. So liefen -denn die Leute überall zusammen und wurden nicht müde zu reden von -der überstandenen Angst, von dem wilden Kampf mit den Wenden, von der -Gewißheit der Errettung. Zumal auf der Mainbrücke standen die Menschen -dicht gedrängt, sahen flußaufwärts und flußabwärts und hinan zu der -ragenden Burg und freuten sich, daß sie noch lebten, und zeigten -einander, wie schön und freundlich alles sei, die bewaldeten Hügel und -die rebenbewachsenen Gelände und der helle glitzernde Sonnenschein auf -dem lieben alten Main! So schön, meinten sie wohl, sei's noch gar nie -gewesen in der trauten Heimat. -- - -»Nun,« sprach einer der jungen Bürger, -- dem alten Bezzo auf die -Schulter klopfend, »gar manchem kamen die Wenden zum Verderben, aber -Euch kamen sie zur Erleuchtung.« »Und mir zum Glück« rief Gericho, sein -Liebchen um die Hüfte fassend. »Freilich,« lächelte Rosbertha, sich an -ihn schmiegend. »Sonst hätt' der Vater nie eingesehen, wieviel mehr du -wert bist als der dicke Spedilo mit all seinem Gelde.« »Nun ja,« rief -Bezzo gutgelaunt, »wie konnt' ich glauben, daß mein bester Freund ein -solcher Tropf ist? Wir standen nebeneinander auf der Wiese gegen die -wendischen Reiter: -- im ersten Anlauf ritten sie uns über den Haufen! --- ich lag unter einem erstochenen Gaul, der mich schier zu Tode -drückte. Da lief Spedilo an mir vorbei.« »Nach Hause!« lachte Gericho, -unterbrechend. -- »›Hilf mir, Nachbar,‹ keuchte ich, ›hilf mir hervor. -Ich ersticke.‹ Was antwortete mir der Lump? ›Schad' nicht! Erstickt ist -auch gestorben.‹ Und lief weiter. Aber dieser wackre Bursche da -- oft -gab ich ihm zu Unrecht harte Namen! -- er sah mich von fern, brach sich -Bahn mitten durch die Wenden, riß mich unter dem Roß hervor, deckte -mich mit seinem Leib und -- rettete mein Leben.« »Ja, und Hieb und -Stich traf ihn dabei,« klagte Rosbertha zärtlich. »Bah, Kopf und Herz -und auch beide Arme blieben ganz,« lachte Gericho, umschlang und küßte -sie. - -»Aber sagt,« forschte der Alte, »noch weiß ich immer nicht -- wir -standen ja am weitesten rechts ab -- wie kam es denn, daß von links -her der alte Rado -- gerad' noch zu rechter Zeit! -- den Wenden in -die Flanke brach, mitten aus dem Grafenwald hervor?« »Ja,« erwiderte -Gericho, »das hab' ich auch nur zum Teil herausgebracht aus den letzten -Worten, die er mit Junker Hellmuth -- Gott segne seine Klinge! -- -tauschte. Als sie den Herrn Bischof auf den Schild gelegt hatten, -kniete Herr Hellmuth -- ich kam gerade dazu -- neben dem Alten nieder -und wollte seiner Wunde pflegen. Da sprach der: ›Laßt's gut sein! Ich -fahre zu Ihm! Dem Sieghelfer. Gut hat er diesmal geholfen. Lange, -lange harrte ich auf Euch, Junker, an der beredeten Stelle, -- Ihr -kamt nicht --‹« »Versteh' ich nicht,« meinte Bezzo. -- »Versteh's -auch nicht. Aber der Junker verstand ihn; er antwortete: ›Mich führte -höhere Pflicht in die Stadt zurück.‹ Und Rado fuhr fort: ›Plötzlich -entbrannte tief unter mir -- auf der Straße, -- bald auch neben mir -in den Weinbergen der Kampf. Ich sah -- wie wir's vorausgeschaut --- die schwarzen Scharen von Süden gen Norden vorstürmen: -- immer -mehr Raum gewannen sie! -- Da lief ich zu den Bürgern, nördlich von -mir, die in den Weinbergen nur noch schwer standhielten, raffte ein -Häuflein, das mir gern folgte, zusammen, eilte mit ihnen in den Wald -und auf Pfaden, die nur dem Luchs, mir und noch Einem bekannt, führte -ich sie den Unholden in Flanke und Rücken. Und Woden half: er that -das übrige.‹« »Woden!« flüsterte Rosbertha und bekreuzte sich, »den -darf man gar nicht nennen.« -- »Der Junker und ich sahen wohl, daß -der Alte dem Tode nahe sei: denn er redete nun ganz wirr: daß er den -Schwarzen, den Rauchriesen nun doch glücklich erschlagen habe. -- Und -der Junker erfüllte die letzte Bitte des Alten, daß er nicht, wie alle -Verwundeten, in die Stadt gebracht werden solle -- auch die Feinde, -so hatte der Herr Bischof noch befohlen -- zur Heilung und, falls sie -stürben, zur Bestattung: -- sondern vier Bürger trugen Rado auf seinen -Wunsch an den Main hinab unter die alte Rabenesche. Sein grauer Hund, -aus tiefer Wunde blutend, wich nicht von seiner Seite.« - -»Da schaut!« rief Rosbertha. »Wer fährt dort davon -- gegen das Ostthor -hin -- in dem Wagen, -- dem leinwandüberzogenen?« »Das ist Isaak, -der Jude,« antwortete Bezzo. »Aber Vater, er ist ja getauft,« mahnte -Rosbertha. -- »Bah, scheint nicht geholfen zu haben auf die Dauer.« -»Wieso?« fragte Gericho. »Er fehlte nie in der Dommesse.« -- »Wohl! -Aber jetzt -- wißt ihr's noch nicht!« »Nein! Was denn?« fragten viele -Stimmen zugleich. »Heute früh,« erzählte Bezzo, »kam seine Mutter zu -meinem Röschen da --« »Die wackre Frau!« rief das Mädchen. »Hat mir oft -die frühverstorbene Mutter ersetzt.« -- »Und teilte ihr mit, sie und -ihr Sohn verließen für immer die Stadt, ja sogar das Reich. Sie gingen -nach Jerusalem. Ihr Sohn ... --« »Er war oft recht wenig freundlich -gegen sie!« schalt Röschen. -- »Ja, aber jetzt sei er ganz lammfromm -und so voll Ehrfurcht und Gehorsam gegen seine alte Mutter! Und die -Alte übergab meiner Tochter eine Schrift: für den Herrn Bischof -- es -kann ja niemand zu dem Sterbenden! -- darin verschenkt Renatus seinen -Hof in der Stadt und alles, was drin steht und liegt: aber an wen? -Nicht an die Heiligen, nicht an seine Glaubensgenossen, die Christen! -Nein! Der Herr Bischof soll alles verkaufen und der Erlös soll eine -Stiftung werden zur Unterstützung armer -- Juden in Stadt und Bistum. -Da grüßt die Alte nochmal mit der Hand aus dem Wagen! Nun, gute Fahrt -nach Jerusalem!« - -»Ob der Herr Bischof das wohl so ausführt?« - -»Gewiß! Wenn er mit dem Leben davon käme. Aber ...« -- »Man sagt, es -steht sehr, sehr schlecht!« -- »Ja! Das Messer, das seinen Hals traf, -soll vergiftet gewesen sein. Er muß sterben!« - -»O der arme, brave Herr!« klagte Rosbertha. »Der herrliche Held!« rief -Gericho. -- »Seine beiden Junker pflegen ihn.« -- »Und Herr Blandinus.« --- »Nein. Der liegt selber wund danieder.« -- »Wo? Im Bischofshause?« --- »Nein! Bei Wartold draußen. Er eilte, sowie der Bischof -zurückgebracht war, dorthin. Der Knecht Wartolds erzählte es mir, der -in die Stadt lief, einen Arzt zu erbitten von den grauen Mönchen.« »Ja, -ja,« lächelte Röschen. »Der Junker strich immer hinter der runden Runel -drein.« »Blandinus kam eilends, um zu sehen, was aus ihr geworden,« -fuhr Gericho fort. »Als er sie heil und unversehrt fand, atmete er tief -auf und brach zusammen. Er hat sich in dem Strauß -- hätt's ihm nicht -zugetraut! -- manchen Hieb und Stoß geholt. Nun liegt er draußen in dem -Gärtnerhaus und die schlimme Runel pflegt ihn und weint dabei, daß ihr -die hellen Thränen über die dicken Backen laufen und Schnufilo -- sonst -eben nicht sein Freund! -- leckt ihm die Hände. So erzählte der Knecht, -selbst voll Staunen. Ja, ja! es hat sich gar manches gewendet mit der -Sonne in dieser Sonnwendnacht.« - -»Aber sagt,« fragte Bezzo, »wie konnte es nur geschehen, daß die Leute -in dem Gärtnerhof verschont blieben, während doch die Wenden ... --?« -»Da kommt der alte Wartold selbst!« rief Gericho. »Mit einem großen, -wunderschönen Strauß von Lilien,« sprach das Mädchen. »Kommt, Vater -Wartold, Ihr seid müde. Man sieht's an Eurem Schritt. Setzt Euch ein -wenig zu uns, hier, auf den Brunnenrand. Wir rücken zusammen. Erzählt -uns doch, wie es Euch ergangen. Ihr seid gar seltsam bewegt.« - - -II. - -»Dank euch, danke, gute Leute,« erwiderte der freundliche Greis, -mit dem sanften, rosigen Gesicht, vom weißen Haar umwallt. »Bewegt! -Ja, liebe Nachbarn! Welch Gemüt soll da nicht bewegt sein, bei so -wunderbarer Führung durch den Herrn? Den Bruder hab' ich diese Nacht -verloren und die alte Großmutter: und doch hab' ich Gott für reiche -Gnade zu danken.« »Erzählt, erzählt!« drängten alle. »Ja, ja,« begann -er langsam. »Wunderbar sind die Dinge verlaufen in dem kleinen -taubenumflatterten Haus. Es war schon fast dunkel geworden, da sprach -ich zur Großmutter: ›Mutter Ute, gebt mir Urlaub, mir und dem Kind -Fullrun.‹ ›Wohin, mein Sohn?‹ fragte sie. ›Die Stunde des Gerichtes -naht. Wir wollen sie doch miteinander erwarten und erleben.‹ ›Gewiß!‹ -tröstete ich. ›Lange vor Mitternacht sind wir zurück. Ich habe noch -eine dringende Arbeit.‹ ›Aber Wartold!‹ mahnte die Gute. ›In ein paar -Stunden ist alle Menschenarbeit zunichte, und ihre Frucht vergeblich.‹ -›Nicht die meine, Mutter,‹ erwiderte ich. ›Sieh, unsere Lilien hier -im Garten sind verblüht und versengt vor der Zeit. Es war gar so heiß -in diesen letzten Tagen und so trocken hier oben und staubig neben -der großen Straße. Ich gehe hinunter an den Fluß und hole frische aus -meinem Neugarten dort. Soll ich die Stirnen der Seligen mit welken -Lilien schmücken? Für meine Friedlindis ist nur das Schönste schön -genug.‹ In dem weit abgelegenen Neugarten angelangt mit dem Kinde, -konnt' ich mich lange nicht trennen von meinen Blumen, geraume Zeit, -nachdem ich die schönsten ausgesucht und geschnitten. Auch die ich -stehen ließ, sprengte ich -- zum Abschied! -- noch mit Wasser aus dem -Fluß. - -Als ich nun mit meiner Arbeit zu Ende war und allmählich an die -Rückkehr dachte, da loderte in der Ferne südlich von unserem Höflein -eine rote Flamme in den dunkeln Nachthimmel: bald folgte, immer näher -rückend, der Heerstraße entlang, eine zweite, dritte: und während wir -noch zagend berieten, was das zu bedeuten habe, drangen auch schon von -der Stadt her die Waffenrufe der Wächter auf den Walltürmen, ja bald -auch von der Straße her verworrener Lärm, Schreien, Waffenklirren an -unser Ohr. Erschrocken barg ich mich und vor allem mein holdblühendes -Kind in den dichten Gebüschen des Gartens: -- denn daß hier Räuber und -Feinde drohten, war mir bald klar: ich dachte es seien die schlimmen -Bauern! -- Hier lauschten wir, bis der Lärm, der unverkennbare, eines -scharfen Kampfes vertoset war: jetzt erst wagte ich -- immer noch -sehr vorsichtig -- den Rückweg einzuschlagen. Wir trafen unseren -Hof unversehrt: so weit waren die Wenden nur auf ganz kurze Zeit -vorgedrungen, wir fanden bloß die Spuren weniger Rosse im Sandweg des -Gartens, der alten Frau thaten sie nichts zuleid.« »Aber wehe, trafen -sie Fullrun!« rief Gericho. -- »Das nächste Haus, etwa dreihundert -Schritte weiter südlich, stand in hellen Flammen: wie staunten wir, -als wir die blinde Frau auf der Schwelle aufrechtstehend fanden: ihr -weißes Haar flog im Nachtwind: sie wies mit der ausgestreckten Rechten -auf die rote Flammensäule und rief: ›Seid ihr endlich zurück? Ich -erwarte euch schon solange. Sehet ihr, sehet ihr? Alles erfüllt sich -wie mein Konrad gesagt. Der Tag des Gerichts, der Tag des Herrn ist -angebrochen. Hörtet ihr nicht das Gefecht? Und die Drommeten der Engel -des Herrn? Ich hörte sie vorbeirasseln auf ihren Rossen, hörte ihre -Waffen klirren: sie haben gekämpft gegen die Unholde des Abgrunds: -grell schrillte deren Geschrei -- wie einst der Hunnen! -- in mein Ohr: -sie waren schon ganz nah: -- ich meine, ich hörte sie im Garten. Die -Teufel sind geworfen und geflohen. -- Dort aber -- dort -- von wo der -Rauchqualm herweht -- dort -- ich seh' es mit den Augen der Seele! -- -da nahet in flammenden Lohen, im weißen Gewande der Seligen mein Kurt, -das Mägdlein trägt er -- wie damals -- auf dem Arm! Er holt mich! Er -winkt! Er ruft mir. Ich komme. Du hast wahr gesprochen: im Sterben -seh' ich dich wieder. Ich komme.‹ Und sie sank, ein selig Lächeln um -die Lippen, zurück in meine Arme und war tot.« Und er weinte bittre -Thränen, der alte Mann. - -»Welch schöner Tod!« schluchzte Rosbertha, sich an ihren Schatz -schmiegend und die Augen wischend. - -»Die schönsten meiner Lilien wand ich um ihre Stirn. Diese hier bring -ich dem guten Herrn Bischof -- ach! für seinen Dom waren sie bestimmt: --- nun werden sie wohl seine Totenbahre schmücken.« »Und was ist mit -Eurem Bruder?« fragte Gericho. »Der Knecht erzählte -- ist es wahr? ... -er ist nicht gefunden worden unter der Rabenesche?« »Es ist so,« nickte -Wartold. »Weder er noch Giero, sein Hund! Ihr wißt, der Baum steht nahe -dem Fluß: -- es schien auch eine Blutspur über die Wiese an das Ufer -zu führen. Aber vergeblich suchte ich mit dem Knecht und den Nachbarn -das ganze Ufer ab, vergeblich mit den Mainschiffern -- die kennen -gut die Wirbel und die Löcher im Bette -- auch den Fluß. Ich wollte -doch so gern die Leiche in geweihter Erde bestatten, aber wir fanden -nicht Mann, nicht Hund. Und schon -- gleich nachdem das fruchtlose -Suchen vorüber war« -- -- er erschauerte und bekreuzte sich. »Nun? was -geschah?« forschte Röschen in bangem und doch süßem Gruseln. -- »Nichts -geschah, liebes Kind. Aber die Nachbarn, die Schiffer, alle, die davon -hören, raunen -- -- --« - -»Nun was raunen sie denn? Sagt's doch geschwind!« -- »Ihr wisset, der -Rabenbaum ist der Sitz -- ist geweiht dem ... --« »Den man nicht nennen -darf!« warnte das Mädchen und schlug rasch wieder ihr Kreuz. -- »Nun, -eben dem soll -- sagen sie -- mein armer Bruder längst seine Seele -geweiht haben. Und der -- sagen sie -- habe ihn geholt, samt seinem -Hund, ewig mit ihm zu jagen. Ja, ein Schiffer, der sich im Mainschilf -vor den Wenden verborgen hatte, will gesehen haben, wie noch vor vollem -Sonnenaufgang zwei Raben --« »O weh!« schrie das Mädchen. »Das sind -+seine+ Begleiter.« -- »Vom Feuerschein der brennenden Dächer grell -beleuchtet über das tosende Schlachtfeld hin geflogen sind und auf der -Esche aufgebäumt haben. So betet manchmal, liebe Nachbarn, betet für -meines armen Bruders Seele.« - - -III. - -In Vertretung des Bischofs hatten Hellmuth und Fulko alle -erforderlichen Maßregeln getroffen. - -Die Toten vor dem Südthor wurden bestattet, die Spuren und Schäden -des Kampfes nach Möglichkeit getilgt. Hellmuth ritt als Herold, -einen Drommetenbläser voran, durch die Straßen, verkündete den in -der Stadt Verbliebenen, zu welchen doch nur wirre, abgerissene Kunde -der Ereignisse dieser Nacht gelangt war, feierlich das Geschehene -und forderte alle Burgensen auf, mit Weibern, Kindern, Knechten und -Mägden in den Dom und in die übrigen Kirchen und Kapellen der Stadt -zusammenzuströmen, wo überall Dankgottesdienst gehalten werden sollte. -Sie sollten beten für die Erhaltung ihres tapfern Bischofs, der, ein -echter Hirte, sein Blut gelassen in Verteidigung seiner Herde, -- und -den nur ein Wunder Gottes noch vom Tode retten könne. - -Es war allbekannt, die kurzen Wurfmesser der Wenden waren vergiftet. -Und als der Wunde schon während er, von Blut überströmt, auf einem -breiten und langen Standschilde von sechs seiner Reisigen behutsam in -die Stadt zurückgetragen wurde, das Bewußtsein verlor, da gaben seine -Getreuen ihn verloren. Und man wagte doch nicht die tödliche Klinge -aus der Wunde zu ziehen: man fürchtete, alsdann werde der Bischof, der -schon sehr viel Blut verloren, sich rettungslos verbluten. Man hatte -das Lager des bleichen Mannes in dem geräumigsten luftigsten Gelasse -des Dombaues, der Bücherei, aufgeschlagen: man wußte, sie war -- nach -dem Waffensaal, aus dessen Vorräten die Bürger waren ausgerüstet -worden -- der Lieblingsaufenthalt Herrn Heinrichs gewesen. Wie viele -Nachtstunden hatte er hier durchwacht, den schweigenden Gang der Sterne -verfolgend, ein stiller, einsamer Mann, »wachend und betend« und doch -gar oft »in Anfechtung fallend«! - -Der Wunde fand die volle Besinnung nicht wieder: auch nicht, als er -sanft von dem Schild herab auf ein Pfühl in der Bücherei gelegt wurde; -wohl war es ihm einmal, gleich beim Eintritt in die Stadt -- noch -unter dem Thorbogen -- gewesen, als beuge sich ein bleiches, schönes -Frauenantlitz auf ihn herab, als fühle er eine leise Berührung ihres -Mundes: -- dann hatte er eine große, große Erleichterung des Atmens -verspürt -- aber er sagte sich gleich selbst, das sei ein Gebilde -seiner Träume, des Wundfiebers. - -Lange, lange Zeit lag er so. -- - -In dem Bischofshause sammelten sich, nachdem die weltliche Arbeit des -Tages erledigt und der schuldige Dank dem Himmelsherrn dargebracht -war, die nächsten Zugehörigen des wunden Mannes. Es waltete nicht nur -in der Bücherei, auch in den andern Räumen des Hauses jene bange, -atemverhaltende Stille, welche die Sorge um das Leben eines geliebten -Kranken verbreitet; wer einmal ihren beengenden Druck lasten gefühlt -auf der Seele, vergißt sein nie mehr. - - * * * * * - -In einem Vorsaale der Bücherei saßen Hand in Hand die beiden -Liebespaare: sie sprachen in bangem, leisem Flüsterton. - -»Wie traurig!« klagte Fulko. »Wir andern alle dürfen uns der -geschenkten Welt erfreuen. Ist es doch, als habe Gott der Herr die Erde -zum zweitenmal für uns geschaffen! und nur Er -- der Beste von uns -allen! -- soll sich nicht mit uns des gesicherten Daseins erlaben.« -»Ja, aber, Liebster,« koste Minnegard, verschämt das Köpflein an -seiner Schulter versteckend. »Nun steht die Welt immer noch! Und die -Welt und alle Leute werden schelten: -- -- -- es ist schreckbar, +wie+ -sie alle schelten werden! Und wenn sie erst +alles+ wüßten, wie der -liebe Gott es weiß, dann würden sie gar nie mehr aufhören!« - -Fest sah Edel dem Geliebten in die Augen: »Ich sage der Welt und dem -Herrn Bischof, bevor er stirbt, alles. Und fürchte mich nicht.« Er -drückte schweigend ihre Hand. - -»Ja, das ist keine Kunst, streng Schwesterlein,« lächelte die Braune. -»Erstens hat der Herr Bischof dich nie zur Nonne bestimmt: -- was -will er Besseres für dich als einen Eheherrn wie dieser junge Ritter -Georg? Und zweitens« -- sie stockte, sie errötete, und schmiegte das -Haupt wieder an die Brust des Geliebten. »Nun, was, mein Liebling?« -- -»Kann's nicht sagen.« -- »Nur mir ins Ohr -- ins Herz vielmehr.« -- -»Die andre hat wohl nicht soviel zu gestehen: -- oder doch im stillen -zu bereuen: nein,« brach sie leidenschaftlich aus, »nicht soviel zu -bereuen, nein, selig zu bejubeln!« Und sie küßte ihn heiß auf den Mund -und umschlang seinen Nacken mit beiden Armen. - - -IV. - -Schon fielen sie seitlich ein, die Strahlen der sinkenden Sonne des -langen, langen Sommertages durch die Öffnung des Bogenfensters: -- -der dunkelgelbe Vorhang war zurückgeschlagen --: ein goldiger Streif -spielte auf dem dunkelfarbigen Kopfpolster und berührte das bleiche -Antlitz des stillen, blassen Mannes: -- da holte der auf einmal tief -und voll Atem und schlug die Augen weit auf. - -»Wo bin ich?« fragte er matt. »Nicht im Sarg! Nein. Es ist hell. -Nicht im Jenseits -- nein -- das ist -- was da hängt -- o Gott! es -ist mein Schwert! -- Ringsum die Wände -- meine Bücherei. Ja, ja! Die -Welt steht! Mitternacht war ja auch schon vorbei. Gott -- ich danke, -daß du die Heiden von der Stadt gewehrt -- ich sah sie fliehen! -- -nun will ich gern sterben.« »Nein, Herr Bischof, nicht sterben. Leben -sollt -- leben +werdet+ Ihr jetzt,« sprach da eine wunderliebliche -Stimme und über ihn neigte sich ein sanftes bleiches Antlitz und zwei -Thränen fielen auf seine Wangen. »Heilfriede! Nein, das war diesmal -kein Traum. Und wir sind nicht gestorben -- beide?« Sie schwebte leise -an die Thüre des Vorsaals und winkte den dort Harrenden, einzutreten. -»Gestorben? Nein. Gerettet seid Ihr, Herr Bischof!« jubelte Fulko und -küßte seine Hand. »Gerettet durch diese Frau!« rief Edel. »Das ist gar -keine Frau,« besserte Minnegard, »das ist eine Heilige.« »Ein Engel auf -Erden,« schloß Hellmuth. »Und es war auch kein Traum,« lächelte die -stille Frau, die nun zu seiner Linken kniete und ihm einen Heiltrunk -reichte, »daß Ihr mich schon vor Stunden gesehen.« »Wir zagten, wir -verzweifelten ob Eurer Wunde --« begann Fulko. »Wir fürchteten das -Gift, und wußten -- auch der Klosterarzt nicht -- Hilfe,« klagte Edel. -»Aber Frau Heilfriede!« fuhr Minnegardis freudig fort. »Weiß Gott, wie -sie auf einmal, -- schon im Thorbogen -- da war,« rief Fulko. »Sie -beugte sich sofort über Euch,« ergänzte Hellmuth. »Und obwohl der -Klosterarzt verbot, das Messer zu entfernen, zog sie es sanft heraus. -Viel Blut floß nach! Und dann ... Ja dann! Obwohl der Arzt sie warnte, -es gebe Gift, das nicht nur im Blut, auch im Magen den Tod bringe --« -»Kein Wort sprach sie,« rief Fulko, »ihren Mund preßte sie auf Euren -Hals und sog die Wunde aus in tiefen Zügen.« - -Da schaute Herr Heinrich verklärten Blickes auf zu der Errötenden; die -schlug die langen blonden Wimpern nieder. - -Nun schloß auch der Wunde die Augen: -- aber er konnte doch nicht -hindern, daß sie weinten; er griff nach ihrer Hand; sie ließ -sie ihm willig. »Aber auch ich werde nicht sterben,« sprach sie -beschwichtigend. »Viele Stunden ist's her. Längst hätte das Gift -gewirkt. Ich aber -- ich bin ganz wohl. Ach, und ich bin so glücklich.« --- »Wie ... wie war doch alles ... vorher? Nach unsrer Unterredung? --- Was hab' ich doch ... dann -- vor dem Gefecht -- noch gethan?« Da -fiel sein im Saal umhersuchender Blick auf das Räucherbecken. Er stieß -einen jähen Schrei aus und fuhr empor aus den Decken: er wollte sich -aufrichten: aber matt sank er zurück. »Um Gott!« stöhnte er. »Nun -steht die Welt noch! Und ich -- ich Unseliger! Was hab' ich gethan! -Weh mir! Sankt Burchhards Recht -- den Beweis! -- hab' ich zerstört. -Die Schenkung ... die Urkunde Kaiser Karls hab' ich verbrannt!« Und -er hob die beiden geballten Fäuste und wollte sie sich in das Antlitz -schlagen. Schrecken ergriff die andern: aber zwei weiche Hände haschten -die Fäuste und zogen sie sanft hernieder auf die Bettdecke: »Daran -habt Ihr sehr recht gethan, Herr Heinrich,« sprach die herzgewinnende -Stimme. »Ich wollte Euch gerade bitten, es zu thun. Denn sie war -falsch.« »Was? Was sagt Ihr?« rief Heinrich. »Unmöglich! Jener ... -Berengar ... verstand sich scharf auf Urkunden.« -- »Jawohl. Nur allzu -scharf! Er verstand auch, sie zu fälschen. Gemäß Eurem Gebot ward auch -er in die Stadt getragen. Ich sah nach seiner Wunde; ich sagte ihm, -er müsse sterben. Und nun sterbend, in den Qualen des Todes, zitternd -vor der Hölle, hat er all seine Schuld bekannt und bereut. Er hatte -mit Zwentibold abgeschlossen: -- er glaubte nicht an das Ende der -Welt: er wollte die Wenden in die Stadt lassen und Euch ermorden. -Er starb, nachdem er mir aufgetragen, Euch zu bitten, sein Machwerk -zu zerstören.« »Ihr wollt mich ...? Nein, dieses Antlitz kann nicht -täuschen,« rief der Bischof und atmete beseligt auf. -- »Die Schenkung -Kaiser Karls war falsch: Ihr wart im vollen Unrecht gegen meinen Mann. -Aber eine andre Schenkung -- eines andern Kaisers -- die ist echt. Eine -Ersatzurkunde -- für die verbrannte falsche -- ist Euch erworben.« -- -»Ihr ... Ihr habt ...?« -- »Nicht ich. Und nicht aus meiner Hand sollt -Ihr sie nehmen. Aus einer andern Hand. -- Herr Heinrich,« flüsterte -sie in sein Ohr -- »der Herr hat so große Gnade an Euch gethan ...« -- -»Durch seinen lichtesten Engel!« -- »Ihr könnt jetzt nicht Groll in der -Brust tragen.« -- »Nein. Ich vergebe dem toten Fälscher.« - -»Auch nicht gegen Lebende Groll. Herr Heinrich: unten im Waffensaale -steht mein Mann. Er traf bei Sonnenaufgang auf dem Schlachtfeld ein, -mit dem Aufgebot der nächsten Gaue: -- er hatte von dem Zug der -Wenden auf Würzburg gehört, war ihnen auf dem Fuße gefolgt und hat -die Flüchtigen in den Main gesprengt. Er wartet. Er hat Euch was zu -bringen. Aus Italien. Vom Kaiser Otto. Er selber hat's bewirkt, -- -schon vor vielen Wochen -- und mitgebracht. Es ist was Freudiges! -Freude wird Euch nicht schaden -- wird Euch gut thun. Darf ich Graf -Gerwalt rufen?« - -Er konnte nur stumm nicken. - -»Aber vorher noch,« sprach die ernste Frau jetzt gar holdselig -lächelnd -- »vor den Staatsgeschäften -- eine Stärkung. Sagt, ihr -tapfern Junker -- ihr wißt doch sicher, wo hier im Bischofskeller der -beste Wein liegt?« - -Beide waren schon an der Thüre! Die Gräfin und die Mädchen folgten -ihnen. - - -V. - -»Supfo, Supfo!« rief Hellmuth lautschallend durch das Haus. »Wo ist -Supfo? Wo steckt der dicke Schalk?« »Ich hab' eine Ahnung!« lachte -Fulko und eilte durch die Vorhalle auf die Fallthüre zu, welche die -Kellertreppe schloß. - -Da ward diese Thüre von unten aufgestoßen und auf der obersten Stufe -erschien Supfo, ein strahlendes Lächeln auf dem stark geröteten -hübschen rundlichen Gesicht; auf seiner linken Schulter lag, behaglich -schnurrend Mucia, die Kluge, in der Rechten trug er einen mächtigen -erzgetriebenen Krug, aus welchem ein starker, herzerfreuender Duft -aufstieg. - -»Ja Supfo! Wo wart Ihr denn die ganze Zeit?« -- »Da, wo ich hingehöre, -ihr Gelbschnäbel!« -- »Supfo -- ist es möglich? -- Ihr habt? -- während -des Untergangs der Welt ...?« -- »Na, ist sie untergegangen?« -- -»Aber sie sollte doch.« -- »Nicht doch! Sie sollte eben +nicht+! Hab' -ich's euch nicht vorausgesagt? Mucia und ich, wir wußten es besser.« --- »Aber Supfo! -- Wann seid Ihr denn da hinunter?« -- »Vorgestern -Abend.« -- »Und die ganze Zeit verschlafen?« -- »Das ist Verleumdung. -Nur die zweite Hälfte.« -- »Und das Sturmblasen von allen Türmen! Das -Hinaussprengen der Reisigen, den Auszug und den Einzug? Ihr hättet -wirklich die Posaunen des Gerichts auch verschlafen.« -- »Haben sie -geblasen? -- Was ich that in der ersten Hälfte der Zeit? Nun, der -Griechenwein ist zu Ende. Das ist die Neige -- diesen Vollkrug hab' ich -für den Herrn Bischof und für euch gespart. -- Wer war nun der klügste -Mann in ganz Würzburg?« Und er lachte, daß ihm das runde Bäuchlein -bebte, bis ihm Fulko erzählte, aus welchen Gefahren und Sorgen sie -sich eben erst geborgen wußten. Da humpelte der Dicke -- unglaublich -rasch -- die Treppe hinauf und an Herrn Heinrichs Lager und sank dort -auf die Kniee und weinte, weinte Thränen des Schmerzes und der Freude -durcheinander. - - * * * * * - -Während Hellmuth den Grafen Gerwalt aus der Waffenhalle holte, wartete -die Gräfin mit den beiden Mädchen und Fulko im Vorsaal. - -Da trat Minnegard an Frau Heilfriede heran und begann, ziemlich -kleinlaut: sie schlug die Wimpern nieder -- denn allzu glücklich für -eine zage Bitte und geheimen Glückes zu süß bewußt leuchteten -- -sie fühlte das -- ihre minneseligen Augen: »Was soll nun werden aus -... aus uns beiden armen jungen Paaren? Wir hatten uns ganz darauf -eingerichtet, daß heute nur der liebe Gott, der -- leider Gottes! -- -doch ohnehin alles weiß, mit uns rechten werde können über das, was -wir Mädchen diese Nacht gethan -- oder doch: erlitten« seufzte sie, -»und vielleicht nicht ganz heftig genug abgewehrt: -- wer konnte -aber heute Nacht um Hilfe gegen Entführer schreien? Es hätte doch -niemand darauf gehört!« Da lachte Fulko. »Mein süßes ... Kind. Deiner -Mutter Klosterwunsch galt nur für die alte Welt: -- die ist heut' -Nacht versunken: -- nicht bindet er für die neue, die uns der Herr -Gott heute geschenkt.« »Das würde der Herr Bischof schwerlich gelten -lassen,« meinte die Frau Gräfin, drohend den weißen Finger gegen Fulko -hebend: »aber getrost. Herr Heinrich steht so tief in der Schuld des -gnädigen Himmelsherrn, --« »Und in der Eurigen,« riefen die drei -andern. -- »Daß er auch ein Übriges an Güte thun muß -- und wird. Seid -ganz getrost. Ich -- ich führe eure Sache -- aller vier.« - -»Dann ist sie gewonnen!« jubelte Minnegardis, warf sich an ihre Brust -und küßte sie stürmisch. »Wie sollen wir Euch danken?« fragte Edel, -tief gerührt. -- »Mein Dank ist -- euer Glück. Ich war auch einmal -jung. -- Da kommt mein Mann. Nun zu ihm ... zu Herrn Heinrich.« - - * * * * * - -Am Lager Herrn Heinrichs stand Graf Gerwalt, eine stattliche, mannhafte -Kriegergestalt in voller Waffenrüstung, nur ein paar Jahr jünger als -der Bischof, aber sein blondes Haar war weit weniger ergraut. Er hielt -des Wunden Hand gefaßt und sprach: »Ihr habt mir nicht zu danken. -Was ich gethan, ich that's nicht Euch zu lieb' -- ich that's fürs -Reich. Ich kam zu der Einsicht, daß, wie die Dinge hier in der Stadt -und im Gau nun einmal liegen, Bischof und Graf, auch wenn sie beide -nicht solche Streitköpfe sind wie wir, auch bei friedfertigem Sinn --- unablässig in Hader über die Grenzen ihrer Rechte kommen werden, -kommen müssen. Deshalb hab' ich -- und allerdings auch, weil ich -den Rothenburger Heinrich als einen Mann kenne, der Land und Leute -trefflich zu leiten und -- wir haben's diese Nacht wieder erlebt! -- -zu schirmen weiß, bei Kaiser Otto mit Hilfe Eures klugen Bruders, des -Herrn Kanzlers, durchgesetzt, was fortab -- nun, ich lese Euch seine -Urkunde vor«; und er ließ sich von Frau Heilfriede ein Pergament -reichen mit dem großen kaiserlichen Siegel und las: - -»In dem Namen der heiligen unzerteilten Dreifaltigkeit Otto der Dritte, -ein Knecht Jesu Christi und römischer Kaiser, Mehrer des Reichs, nach -dem Willen Gottes, unsres Seligmachers und Erlösers. Was von unserer -Majestät zu Erhöhung der Kirchen Gottes und seiner Heiligen gegeben -wird, das, so hoffen wir, wird sonder Zweifel zur Stätigung unseres -Reiches und uns zur Freude des ewigen Lebens ersprießlich sein. Darum -sei kund allen unsern gegenwärtigen und künftigen Getreuen, daß wir -um Willen der Bitten des ehrwürdigen Erzbischofs und Kanzlers unsres -Reiches, Herrn Heriberts, auch auf verständige und für des Reiches -Nutz zuträgliche eindringliche Vorstellung des tapfern Herrn Gerwalt, -bisher Grafen des Ran- und Waldsassengaues und dazu aus besonderer -Ehrung der wackern Dienste in Krieg und Frieden, die uns Herr Heinrich, -weiland Graf von Rothenburg ob der Tauber, nunmehr aber Bischof von -Würzburg, geleistet hat, diesem Herrn Bischof Heinrich und all seinen -Nachfolgern zu Ehren des allmächtigen Gottes, Seligmachers der Welt, -und der kostbarlichsten Martyrer Sankt Kilian, Sankt Coloman und Sankt -Totnan geweihet haben, geschenkt und gewidmet zwo Grafschaften, genannt -Waldsassen -- mitsamt Stadt und Weichbild von Würzburg -- und genannt -Rangau in dem Lande, das man das Morgenfrankenland heißt, gelegen, -die wir mit allem Zwang, allen Satzungen und unserm königlichen -Banne, mit Ordnung und Gerichtsbarkeit, nichts ausnehmend von dem -allen, was die Grafen oder sonst irgend ein Mensch von Herkommen und -Gewohnheit wegen haben sollen, und dies alles mit aller Nutzbarkeit den -obgeschriebenen Martyrern zu eigen gegeben und aus unsern Rechten und -unsrer Herrlichkeit in des ehrwürdigen Bischofs Heinrich und seiner -Nachfolger Recht und Herrlichkeit gänzlich übertragen haben: nämlich -in der Gestalt, daß gemeldeter, ehrwürdiger Bischof Heinrich und alle -seine Nachfolger die vorgenannten Grafschaften wie immer es ihnen -gefallen wird für und für ordnen, selbst verwalten oder einen andern -als Grafen damit belehnen mögen, ohne daß wir, unsere Nachfolger oder -sonst männiglich Eintrag und Widerspruch erheben mögen. Und damit -diese unsere kaiserliche Übergabe nun und hinfort desto beständiger -verbleibe, haben wir diesen Brief mit eigener Hand gefestigt und zu -besiegeln geboten. Gegeben den dreißigsten Tag des Maien, nach der -Menschwerdung des Herrn im tausendsten Jahr, in der dreizehnten Römer -Zinszahl, in unseres des dritten Otten Königtum dem sechzehnten und -unseres Kaisertums im fünften Jahr. Gegeben zu Rom: seliglich. Amen.« - -Herr Heinrich reichte ihm die Hand und suchte sein Auge, gewaltig hob -sich ihm die Brust in tiefem Atmen. Es dauerte geraume Zeit, bis er -sagen konnte: »Dank! -- Heißen Dank! Und war mir doch geweissagt, ich -würde nicht sterben, bevor ich meinen schlimmsten Feind erschlagen! Ich -meinte, das ... war ...« »Nicht ich!« sprach Graf Gerwalt und strich -ihm über die Stirne. - -»Nein! -- Das war ... ein anderer! -- Aber Graf Gerwalt, was wird aus -Euch?« Heilfriede legte die Hand auf ihres Gatten gepanzerte Schulter -und sprach mit stolzfreudigem Blick: »Markgraf von Meißen wird er, mit -herzoglichem Recht und Rang. Der große Held, Markgraf Eckhart, der -Schreck der Slaven, der Schirmer unserer Marken dort, ist gestorben. -Mein Mann tritt an seine Stelle. Sobald Ihr vom Lager erstanden seid, -brechen wir dorthin auf.« - -Herr Heinrich nickte: »Er hat's verdient. -- Zwei Grafschaften kann -ich allein nicht selbst verwalten. Hellmuth soll den Rangau -- Wo ist -Hellmuth? ah dort! Sieh, Hand in Hand mit Edel? Nun möcht' ich doch -wissen auch von gar manchen andern noch: von dem Geschicke so vieler -der mir anvertrauten Seelen -- wie hat all das gewirkt auf ...? -- ach -auf viele! Und wie kommt es, -- daß Minnegard, -- sie lehnt an Fulkos -Brust! Ei schlimme Mündel! Berichtet und erklärt!« - -»Nein,« sprach Frau Heilfriede sanft, den Finger auf die Lippen legend, -»heute wird nichts mehr berichtet und erklärt. Es ist genug, fast schon -zuviel gewesen für einen wunden Mann. Morgen dann -- da uns der liebe -Gott nicht mehr bedroht! -- morgen ist auch noch ein Tag. Da mögt Ihr -alles vernehmen: -- wird Euch wohl manches wundern! Aber Ihr werdet mir -eine Bitte nicht verweigern, Herr Hezilo?« - -»Keine, Heilfriede!« -- »Jetzt, Herr Bischof, sprecht Euer Nachtgebet. -Es wird draußen schon dunkel. Jetzt scheidet ... auch du, mein Gerwalt --- geht nun alle hinaus. Der Kranke muß ruhen, schlafen.« »Aber er darf -nicht allein bleiben,« rief Minnegard. »Gewiß nicht! Ich will ...« -sprach Edel eifrig. »Nein, liebes Kind,« erwiderte die sanfte Frau, -ihre Wange streichend. »Das ist +mein+ Recht: +ich+ bin doch seine -älteste Freundin.« - - - - - Weitere Anmerkungen zur Transkription - - - Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend - korrigiert. Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht. - - Korrekturen (das korrigierte Wort ist in {} eingeschlossen): - - S. 36: Schatte → Schatten - damit der hinter sie fallende {Schatten} die Fische - - S. 38: nud → und - aus der Wunde reißen {und} so taumelte er denn - - S. 63: kaum → kann - so lang und so heiß sie irgend {kann} - - S. 87: Zaum → Zaun - durch eine schmale Lücke im {Zaun} zu entweichen - - S. 189: nachhher → nachher - Soll {nachher} in die Abendpredigt kommen - - S. 200: Auswallung → Aufwallung - In rascher {Aufwallung} des Edelgefühls kam - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Weltuntergang, by Felix Dahn - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WELTUNTERGANG *** - -***** This file should be named 52222-0.txt or 52222-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/2/2/2/52222/ - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Redistribution is subject to the -trademark license, especially commercial redistribution. - -START: FULL LICENSE - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg-tm License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project -Gutenberg-tm electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. 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Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - diff --git a/old/52222-0.zip b/old/52222-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index a9936d0..0000000 --- a/old/52222-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/52222-h.zip b/old/52222-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index c3e6397..0000000 --- a/old/52222-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/52222-h/52222-h.htm b/old/52222-h/52222-h.htm deleted file mode 100644 index 61cc5c3..0000000 --- a/old/52222-h/52222-h.htm +++ /dev/null @@ -1,9480 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - <head> - <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=utf-8" /> - <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> - <title> - The Project Gutenberg eBook of Weltuntergang, by Felix Dahn. - </title> - <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> - <style type="text/css"> - -body { - margin-left: 10%; - margin-right: 10%; -} - -.chapter { - page-break-before: always; -} - -h1, h2, h3 { - text-align: center; /* all headings centered */ - clear: both; -} - -.h2 { - text-indent: 0; - text-align: center; - font-size: x-large; -} - -p { - margin-top: 1ex; - margin-bottom: 1ex; - text-align: justify; - text-indent: 1em; -} - -.noind { - text-indent: 0; -} - -.p2 {margin-top: 2em;} - -hr { - width: 33%; - margin-top: 2em; - margin-bottom: 2em; - margin-left: 33.5%; - margin-right: 33.5%; - clear: both; -} - -hr.tb {width: 45%; margin-left: 27.5%; margin-right: 27.5%; } -hr.chap {width: 65%; margin-left: 17.5%; margin-right: 17.5%; } - -hr.rh3 {width: 30%; margin: 2ex 35% 4ex 35%; } - -table { - margin-left: auto; - margin-right: auto; -} - -td { padding: 0 0.5em; } - -.td2em { padding-left: 2em; } -.tdp2 { padding-top: 2ex; } - -.pagenum { - position: absolute; - left: 90%; - width: 8%; - font-family: sans-serif; - font-style: normal; - font-weight: normal; - font-size: small; - text-align: right; -} /* page numbers */ - -.pagenum a { - color: gray; -} - -.center { - text-align: center; - text-indent: 0; -} - -.right { - text-align: right; - margin-right: 10%; -} - -.larger { - font-size: larger; -} - -.antiqua { - font-family: sans-serif; - font-style: normal; - font-size: 95%; -} - -.gesperrt { - font-style: italic; -} - -/* Images */ -img { - max-width: 100%; - height: auto; -} - -.figcenter { - margin: auto; - text-align: center; -} - -/* Poetry */ -.poem { - margin-left:10%; - margin-right:10%; - text-align: left; -} - -hr.tbpoem { width: 15%; margin-left: 15%; } - -.poem br {display: none;} - -.poem .stanza {margin: 1em 0em 1em 0em;} - -.poem span.i0 {display: block; margin-left: 0em; padding-left: 3em; text-indent: -3em;} -.poem span.i2 {display: block; margin-left: 1em; padding-left: 3em; text-indent: -3em;} - -/* Transcriber's notes */ -.transnote {background-color: #E6E6FA; - color: black; - font-size:smaller; - padding:0.5em; - margin-bottom:5em; -} - -.corr p { - margin-left: 2em; - text-indent: -1em; -} - </style> - </head> -<body> - - -<pre> - -The Project Gutenberg EBook of Weltuntergang, by Felix Dahn - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. 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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - - - -Title: Weltuntergang - Geschichtliche Erzählung aus dem Jahre 1000 nach Christus - -Author: Felix Dahn - -Release Date: June 2, 2016 [EBook #52222] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WELTUNTERGANG *** - - - - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> -<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Das Original ist in Fraktur gesetzt.</p> - -<p>Im Original gesperrter Text ist <em class="gesperrt">so ausgezeichnet</em>.</p> - -<p>Im Original in Antiqua gesetzter Text ist <em class="antiqua">so markiert</em>.</p> - -<p>Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am <a href="#tnextra">Ende des Buches</a>.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/cover.jpg" alt="Cover" /> -</div> - -<div class="chapter"> -<h1>Weltuntergang</h1> - -<p class="center larger">Geschichtliche Erzählung aus dem Jahre 1000<br /> -nach Christus</p> - -<p class="center">von</p> - -<p class="h2">Felix Dahn</p> - -<p class="center">Neunte Auflage</p> - -<div class="figcenter"> -<img src="images/signet.png" alt="Signet" /> -</div> - -<p class="center p2">Leipzig<br /> -Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel<br /> -1912 -</p> - -<hr class="chap" /> -</div> - -<p class="center">Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.</p> - -<hr class="chap" /> - -<p class="center"> -Den Freunden<br /> -<br /> -<span class="larger">Karl Gareis, Lorenz Grasberger,<br /> -Mathias von Lexer</span><br /> -<br /> -und<br /> -<br /> -<span class="larger">Anton Freiherrn von Tröltsch</span><br /> -<br /> -in dankbarem Gedenken gemeinsam zu Würzburg<br /> -verlebter Tage<br /> -<br /> -zugeeignet.<br /> -</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Dem Stift Wirzburg viel Gutes hat gethan<br /></span> -<span class="i0">Bischof Heinrich, der herrliche Man,<br /></span> -<span class="i2">Das muß man von ihm sagen!<br /></span> -<span class="i0">Zwei Grafschaften bracht' er daran,<br /></span> -<span class="i0">Drei neue Kloster fing er an<br /></span> -<span class="i2">Zu bauen bei seinen Tagen:<br /></span> -<span class="i0">Neumünster, Haug und Sankt Stephan,<br /></span> -<span class="i0">Darin des Gottesdienstes pflagen<br /></span> -<span class="i2">Viel fromme Chorherrn sonder Wahn:<br /></span> -<span class="i0">Sankt Benediktus Ordensban<br /></span> -<span class="i2">Thäten's alle jagen.«<br /></span> -</div></div> - -<p class="right"> -Alter Spruch. -</p> - -<hr class="tb" /> - -<p class="center">In ew'ger Gegenwart steht alles Leben. – –</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<h2 id="Vorbemerkung">Vorbemerkung.</h2> -</div> - -<p>Die Gedichte, welche <em class="gesperrt">Gedanken</em> und <em class="gesperrt">Namen</em> – -<em class="gesperrt">beides</em> – nachfolgender Erzählung tragen, sind bereits -1868 entstanden, 1873 in der ersten Auflage der zweiten -Sammlung meiner Gedichte (Stuttgart, J. G. Cotta) zuerst, -zuletzt in der dritten Auflage dieser Sammlung (1883, -Leipzig, Breitkopf und Härtel) veröffentlicht worden.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_7">[7]</a></span></p> - -<h2 id="Erstes_Buch">Erstes Buch.</h2> -</div> - -<h3>I.</h3> - -<p>Gar wunderhold, wie sonst kaum irgendwo auf -deutscher Erde, zieht der Frühling ein zu Würzburg an -dem Main.</p> - -<p>Frühzeitiger als anderwärts kehrt er zu: im Hornung -schon flötet die Amsel ihr melodisch Lied hoch vom Ulmenwipfel, -wann die Sonne zu Rüste geht über dem Guttenberger -Wald, Thal und Rebgelände tauchend in eitel Gold -und Segen. Frühe sprießen an sonniger Halde die Veilchen -hervor und wie leuchten, wie duften sie in den Weingärten -der sanften Hügel, die wilden, gelben Tulpen! Dankbar -gedenkt, wer je sein genoß, des Würzburger Lenzes. –</p> - -<p>Und ganz besonders schön, herrlicher denn je zuvor, -meinten die frohen Menschen, war der liebe Lenz in das -Mainthal eingefahren im Jahre des Herrn Eintausend.</p> - -<p>Das Land weithin stand in eitel Maienblust.</p> - -<p>Das Wildgedörn, das die Rebgärten rings an den -sanft aufsteigenden Hängen umhegte – Weißdorn und Rotdorn -und zahllose Hagerosen – blühte so reich, daß der -süße Duft, vom Südwind getragen, berauschend flußabwärts -zog. In den dichten Hecken vor der Stadtmauer, aber -auch in den häufigen Gärten innerhalb der Umwallung sang -die Mönchsgrasmücke, sang die Nachtigall ihr feurig Lied. –</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_8">[8]</a></span></p> - -<p>Am Abend eines wunderschönen Maientages leuchteten -vom linken Flußufer her über den Wall am rechten Ufer, -zumal über die Mainbrücke hin, die Strahlen der versinkenden -Sonne: sie trafen voll auf den ragenden Dom und -das unmittelbar im Süden daranstoßende »Bischofshaus«: -das heißt das gemeinsame Wohnhaus der Kanoniker. -Brücke und Dom standen damals bereits genau an derselben -Stelle wie heute: aber beide waren von Holz gebaut -und erheblich schmäler als dermalen.</p> - -<p>In dem Hauptsaale – der Bücherei – des Bischofshauses, -in dem einzigen Stockwerk oberhalb des Erdgeschosses, -stand an dem hochgewölbten romanischen Rundbogenfenster -ein ernster Mann in mittleren Jahren. Er -hatte soeben den von zierlichen Querlatten gebildeten Fensterladen, -der den heißen Tag über verschlossen gehalten worden, -nach außen aufgestoßen und blickte nun hinaus. –</p> - -<p>Wo sich heute bergab, gegen den Fluß zu, die »Domstraße« -senkt, lag damals ein offener Platz, nur in weitem -Abstand vom Dom und dessen Anbauten durch ein paar -unverbundene »Höfe« begrenzt.</p> - -<p>Der einsame Mann neigte das braunhaarige, aber stark -ergrauende Haupt leicht hinaus; er strich langsam mit der -Linken über den breiten, fast völlig weißen Bart; er schloß -die grauen, schwermütigen Augen; seltsame Augen waren -es: nicht schön von Form oder Farbe: müde von vielem -Lesen: – vielleicht auch von anderem: – aber doch war -ihr Blick scharf, – wie der des Falken – und unvergeßbar -für jeden, der ihn aus der verhaltenen, ja trüben -Ruhe hatte plötzlich aufleuchten sehen in flammendem -Blitz. –</p> - -<p>Aber jetzt, als er sie wieder aufschlug, war der Ausdruck -dieser sinnigen Augen tief verträumt. Lange blickte -er schweigend hinaus. »Wie schön,« sprach er endlich leise<span class="pagenum"><a id="Seite_9">[9]</a></span> -vor sich hin, »wie friedevoll! Des Herrgotts reichster -Segen ruht auf Gau und Stadt. Soll ich – darf ich -– diesen Frieden stören? – Aber muß ich nicht? – -Und wird nicht – wie sie sagen – vielleicht der Herrgott -diesen Frieden in wenigen Wochen wandeln in flammende -Zerstörung, in Verderben? – Er nach einem unerforschlichen -Ratschluß im großen – ich im kleinen, nach -Pflicht meines von ihm mir verliehenen Amtes, also doch -auch nach <em class="gesperrt">seinem</em> Ratschluß.«</p> - -<p>Er richtete sich hoch auf, trat von dem Fenster zurück -und machte einen Gang durch den geräumigen, durch -zwei Reihen von Holzpfeilern mit Rundbogen gegliederten -Saal.</p> - -<p>Die Einrichtung war einfach, ohne Prunk, aber würdevoll; -das ansehnlichste Gerät bildete eine Art Baldachin, -der an der Ostwand gegenüber den nach Westen blickenden -Fenstern, von zierlich geschnitzten Rundpfeilern getragen, -eine lange Truhe überhöhte, deren Deckel, mit weichen -Decken belegt, als Rücksitz diente; in der Mitte der Bücherei -stand ein mächtiger runder Tisch, dessen weiße Ahornplatte -mit Schreibgerät und mit vielen Pergamenten bedeckt war, -an welchen an Lederriemen und bunten Schnüren große -Siegel in hölzernen, bleiernen und silbernen Kapseln herabhingen.</p> - -<p>»Mein Amt?« raunte er nun leise. »Ist es nur des -Amtes Pflicht, was dich treibt, Heinrich von Rothenburg! -Oder ist es die alte Lust am Kampf?« – Er ballte die -Rechte wie um Schwertesknauf und spannte die Muskeln -des eingebogenen Armes. – »Am Kampfe, – zumal gegen -<em class="gesperrt">diesen</em> Feind? – – Also Sünde? – Sünde also plante -ich, während der Rächer aller Sünde vielleicht schon die -Wolken zusammenballt, auf denen er niederfahren wird, zu -richten die Lebendigen und die Toten!« –</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_10">[10]</a></span></p> - -<p>Er hielt erschauernd inne in seinem hastigen Gang und -schlug andächtig ein Kreuz über Stirn und Brust. –</p> - -<p>»Sünde?« – begann er aufs neue, wieder ausschreitend. -»Jawohl! – Hätte ich nicht dringendere Pflichten, -– vielleicht! – aber die meinen immer noch weltlichen -Sinn weniger befriedigen, meine Kampfesfreude schwächer -– locken? Denn <em class="gesperrt">diese</em> Pflicht des Amtes lockt dich, -Heinrich! Ist das nicht ein Zeichen, daß sie weniger Pflicht -als – – Leidenschaft?«</p> - -<p>Er stieß bei einer raschen Wendung an den Rundtisch: -eine der Urkunden glitt herab und rollte vor seine Füße. -Er hob sie auf und warf einen Blick auf das daranhängende -Siegel. »Kaiser Karls Verleihung! Sie selbst! – War -das ein Wink, eine Mahnung des Herrn? Wüßt' ich es -nur, – zweifelfrei: – ich nähme sie ja so gern auf mich, -die Pflicht und den Kampf.« – Er drückte das Pergament -heftig an die Brustfalten seines langwallenden dunkel-porphyrfarbigen -geistlichen Gewandes.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>II.</h3> - -<p>Da ward die in das Vorgemach – nach Süden – -führende Thüre des Saales geräuschlos geöffnet und ebenfalls -in geistlichem, aber ganz schwarzem Gewande trat ein -wenige Jahre älterer Mann ein. Dicht an der Schwelle, -zwischen den dunkelgelben Thürvorhängen, blieb er stehen; -demütig neigte er tief das ganz glattgeschorene Haupt und -mit leiser Stimme hob er ehrerbietig an: »Hochehrwürdiger -Herr Bischof, Ihr habt befohlen.«</p> - -<p>Der Angeredete trachtete, seine lebhafte Erregung zu<span class="pagenum"><a id="Seite_11">[11]</a></span> -bändigen, zu verbergen; er legte die aufgeraffte Urkunde -ganz sacht auf den Tisch: – er suchte, vor denselben tretend, -sie dem Blicke des Besuchers zu entziehen. »Laß diese -unterthänige Weise, Bruder Berengar«, sprach er gütevoll. -»Sind wir doch Kampfgesellen: du bist mein eifrigster Mitstreiter.«</p> - -<p>Der andere trat näher, langsamen Schrittes. Die -starren Züge des langen, hageren, gelbfahlen Gesichtes -blieben unbeweglich, die schmalen Lippen öffneten sich kaum, -die tiefschwarzen Augen hielt er streng zu Boden gerichtet, -als er sanft erwiderte: »ich darf nicht anders. – Euer -Vorgänger, der hochselige Herr Bischof Bernwart, hat mir -solches Gebahren besonders auferlegt zur Buße für meine -hochfärtige Überhebung.«</p> - -<p>»Ja, ja,« lächelte Herr Heinrich – und die freundliche -Heitre stand dem wohlgebildeten Antlitz, den feinen Zügen -herzgewinnend gut, »Mein gestrenger Oheim war ein stolzgemuter -Herr« – »Er durfte es sein. – War er doch ein -Graf von Rothenburg, – wie Ihr.« Der Bischof zuckte -die Achseln: »Edle Geburt ist wertvoll.« »Ha, wirklich?« -flüsterte der Priester, aber ganz unhörbar. –</p> - -<p>»Doch ist sie kein Verdienst. – Aber er hatte dich im -Verdacht, Archidiakon«, – und er hob mit lächelnder -Drohung den Finger – »erstens schon bei seinen Lebzeiten -Bistum und Bischof beherrschen und zweitens um jeden -Preis sein Nachfolger werden zu wollen.« – »Was doch -nur abermals ein Rothenburger werden sollte.« Ganz tonlos -und unterwürfig kam das aus den kaum geöffneten -Lippen. Aber der Bischof schüttelte lebhaft das Haupt und -hob, schmerzlich berührt, in Abwehr die Hand: »Da irrst -du, Freund. – Mein Oheim konnte nicht ahnen … -War ich doch ein Kriegsmann! Ein Mann der Staatskunst -…« – »Und was für einer! In keiner Heerfahrt<span class="pagenum"><a id="Seite_12">[12]</a></span> -des Kaisers Otto des Roten und des jungen Otto fehltet -Ihr auf deutscher, wendischer und zumal auch meiner -italischen Heimaterde. Wie oft ginget Ihr als der Frau -Kaiserin Theophano Vertrauter in Gesandtschaft nach Rom, -ja selbst nach Byzanz!«</p> - -<p>»Also!« unterbrach Herr Heinrich, kopfschüttelnd. »Mein -Ohm und ich – wir dachten wahrlich nicht daran, daß -ich weltlicher, mit viel Schlachtenblut befleckter Mann jemals -geistlich, vollends Nachfolger des heiligen Burchhard werden -würde. Du – Archidiakon, es ist wahr – hattest das -nächste Anrecht auf diesen Stuhl.« – »Kaiser Otto der -Junge dachte anders, weiser – als er Euch – noch nicht -sehr lange trugt Ihr geistlich Gewand – das Bistum -gab.« Der Rothenburger seufzte: »Ja: <em class="gesperrt">Er</em> gab es mir.« -Beschwichtigend fiel der Archidiakonus ein: »Ihr seid vom -Kapitel gewählt.« – »Ja, ja, aber warum? Weil der -Kaiser es wünschte.« – »Nachdem er und die Regentin -so sehr überrascht waren durch Euern Rücktritt aus der -Welt.« »Sieh, Berengar,« fuhr der Bischof fort, »das -ist es ja, was mir den Entschluß so schwer macht. Er – -der König – setzt mich in dies Würzburg, vertrauend, daß -ich sein Recht und seinen Vorteil hier nach Kräften wahre. -Und nun soll ich Stadt und Grafschaft ihm entreißen!« -Der Archidiakon glitt geräuschlos näher; scharf richtete er -auf den Ringenden die dunkeln Augen, die unter kohlschwarzen, -streng regelmäßig geschwungenen Brauen hervorblitzten. -»Verzeiht,« sprach er ruhig, »Herr Bischof: das -ist nicht bischöflich geredet.« – »Mag sein! Aber es ist -ehrlich gedacht: – mit Gedanken treuer Lehenschaft.« – -»Ihr aber seid vor allem Sankt Peters Vasall! Von ihm, -nicht vom deutschen König oder römischen Kaiser, tragt Ihr -den Bischofstab zu Lehen. Sankt Peters und Eures großen -Vorgängers, Sankt Burchhards, Recht habt Ihr zu wahren,<span class="pagenum"><a id="Seite_13">[13]</a></span> -auch gegen des Königs Vorteil. Und nicht im Recht, im -Unrecht ist der König! Gedenkt des Briefes Kaiser Karls! -– Scharf sah ich es, wie ich eintrat: – er hatte Euch -gerade wieder beschäftigt! Diese ehrwürdige Urkunde giebt -Euch nicht nur das <em class="gesperrt">Recht</em>, – hört es, Herr Bischof! – -sie legt Euch die <em class="gesperrt">Pflicht</em> auf, in jenen Kampf einzutreten -und nicht zu rasten noch zu wanken, bis Ihr Gott erstritten -habt, was Gottes ist. Dem Kaiser bleibe, was des Kaisers -ist.« – »Dann bleibt ihm wenig genug in Stadt und -Gau!« – »Gleichviel! Habt Ihr des Kaisers Sache zu -führen oder die der heiligen Kirche? Wollt Ihr, nachdem -Ihr das gute, klare Recht des Bistums entdeckt habt, -es diesem Bistum vorenthalten – aus Schwäche, aus -Menschenfurcht?«</p> - -<p>Unwillig fuhr der Bischof auf und griff an die Stelle, -wo er einst im Wehrgehäng das Schwert getragen hatte.</p> - -<p>»Verzeiht: aus Liebe zu diesem Kaiserjüngling vorenthalten, -was der große Karl aus Ehrfurcht vor Sankt -Kilian und Sankt Burchhard dem Stuhle zugewandt? -Erkennt Ihr nicht den Finger Gottes darin, daß er Euch -– gerade <em class="gesperrt">Euch!</em> – durch Zufall, – sagen die Weltleute -– durch ein Wunder der Heiligen, ziemt uns Geistlichen -zu sagen – in der Kämmerei, unter altem wertlosem Gerät -und Gerümpel dieses kostbare Pergament auffinden ließ?«</p> - -<p>»Ja, es ist erstaunlich,« sprach Herr Heinrich nachdenksam, -das Kinn in die linke Hand schmiegend. »Ist -wirklich wundersam! Unter Bischof Dietho – vor achtzig -Jahren – verbrennen mit dem damals erst seit siebenundzwanzig -Jahren vollendeten Dom – hier, an der Stelle -des jetzigen, stand auch er – in der Sakristei alle Urkunden -des Bistums, aber auch alle! So daß, als Bischof -Burchhard der Jüngere, der wackere Henneberger, vor etwa -zwei Menschenaltern dies Gotteshaus hier neu erbaute, auch<span class="pagenum"><a id="Seite_14">[14]</a></span> -nicht Eine Urkunde, nicht Ein Beweismittel für all unsere -Rechte vorhanden war: mußten alle vom König, von den -Erben der anderen Schenker und Verleiher neu ausgestellt -werden – auf vieles Bitten meiner Vorgänger. Und nun -muß ich vor wenigen Monaten in einer alten Truhe der -Kämmerei unter abgetragenen, zerschlissenen Meßgewändern -und angebrannten Altardecken dieses unschätzbare Kleinod -auffinden! Wie kann das aus der Bücherei oder aus dem -Archiv dahin geraten sein?«</p> - -<p>Berengar zuckte die Achseln: »Wer soll das wissen? -Vielleicht gelang einem der Brüder die Rettung dieses -wertvollsten Stückes aus dem brennenden Archiv: – er -selbst mag darüber umgekommen sein.« »Ja, ja,« bestätigte -der Bischof, »es sind mehrere bei dem Brand -erstickt, und zwar gerade auch – in der Kanzlei – der -Protonotar, der dem ganzen Urkundenwesen vorstand, der -pflichtgetreue Bruder Skapelarius.« – »Die Kämmerei -lag auch damals im Erdgeschoß – die Urkunde, in die -Altardecke gewickelt, kann von dem Kanzleifenster – hier, -im ersten Stock – in das offene Fenster der Kämmerei -geworfen worden sein, als der Protonotar, der sie retten -wollte, erkannte, daß er selbst nicht mehr zu entkommen -vermöge.«</p> - -<p>»Klingt ganz glaublich! – Aber weshalb lassen die -Heiligen die wichtige Urkunde sechzig Jahre verborgen -bleiben und sie auffinden gerade durch <em class="gesperrt">meine</em> weltliche, -schwertgewohnte, vom Schlachtenblut befleckte Hand?« – -»Gerade darin erblickt und verehrt die weise Fügung der -Vorsehung.« – »Wie meinst du das, Archidiakon?« -»Heinrich von Rothenburg,« erwiderte dieser feierlich, wieder -leis einen Schritt näher gleitend, »gebt der Wahrheit die -Ehre, hier im Kämmerlein vertrauter Zwiesprache: mehr -vom Kriegsmann, als vom Geistlichen, mehr vom Staatsmann,<span class="pagenum"><a id="Seite_15">[15]</a></span> -denn vom Priester, mehr vom rechts- und waffenkundigen -Grafen, als vom Bischof habt Ihr an Euch – -immer noch!« »Ja, leider,« seufzte Herr Heinrich demütig, -»immer noch!« »Weshalb – vor fünfzehn Jahren etwa -– der tapferste Graf über alles deutsche Land, die rechte -Hand der schönen Kaiserwitwe und Reichsregentin, Frau -Theophano, plötzlich das Schwert ablegte und Priester -ward – – kein Mensch weiß es …« Er zögerte: er -schien gespannt auf Auskunft zu warten. Allein Herr Heinrich -sprach nur leise zu sich selbst: »Aber Gott weiß es« -und drückte die schwermütigen Augen zu.</p> - -<p>Der Welsche wartete noch eine Weile: da aber der -andere beharrlich schwieg, fuhr er fort: »Aus der Haut -konntet Ihr eben nicht fahren, wie aus der Brünne, auch -nicht, als Ihr, nach kurzer Priesterzeit, hier Bischof wurdet. -Nach wie vor weilen Eure Gedanken noch häufiger bei -Recht und Gericht und weltlicher Wohlfahrt und weltlicher -Gewalt, denn bei Beten und Büßen und bei dem Jenseits.« -»Leider!« wiederholte Herr Heinrich betrübt. -»Nein, nicht leider: zum Heile dieses Bistums! Seht Ihr -denn nicht? Deshalb eben führten die Heiligen Kaiser -Karls Verleihungsbrief gerade in <em class="gesperrt">Eure</em> starke Hand! -<em class="gesperrt">Euch</em>, Eurem weltkundigen Sinn vertraute Sankt Burchhard, -Eurer weltlichen Klugheit, Eurer frischen Manneskraft -seine Rechte an, nicht Euren Vorgängern, meist mönchischen -weltflüchtigen Psallierern. Der Bischof, nicht der Graf, -muß herrschen über diese Mainstadt und den Waldsassengau, -darin sie liegt. Vor allem über die Stadt! So wollte -Kaiser Karl! So will es Gott! Seht hier auf diesen -Plan der Stadt« – er wies auf eines der Pergamente, -die auf dem Tische ausgebreitet lagen – ein langes -Jagdmesser war darüber gelegt, es auseinandergespreitet -zu halten – »Ihr selbst habt ihn – mit der Hand des<span class="pagenum"><a id="Seite_16">[16]</a></span> -kundigen Feldherrn – entworfen: glaubt Ihr, es ist ohne -Bedeutung, daß die Stadt ein Fünfeck bildet, genau wie -Eure Bischofsmütze, die dort liegt, Herr Heinrich?« »Spiel -des Zufalls!« erwiderte dieser. Aber der Einfall behagte -ihm. – »<em class="gesperrt">Ihr</em> seid der Mann, des Bistums Recht zu -wahren, mit scharfem Wort und – muß es sein – mit -scharfem Schwert. Sankt Burchhard, Sankt Kilian, Sankt -Petrus, ja Gott selber rufen Euch in diesen heiligen Kampf. -Heinrich von Rothenburg, der Mann ist ein Felon, der -irdischem Lehnsherrn die geschuldete Heerpflicht weigert: -Heinrich von Rothenburg, willst du sie dem himmlischen -Lehnsherrn weigern?«</p> - -<p>»Nein! Bei meinem Schwerte!« rief der Starke und -seine grauen Augen blitzten auf. »In solchem Lichte sah -ich's noch nie. <em class="gesperrt">Gott</em> ruft zum Streit. So will ich denn -streiten bis zum Sieg oder – Untergang! Ich fürcht' -ihn nicht, den Grafen Gerwalt!« »Gewiß nicht! Und« -– der Welsche trat näher und flüsterte – »jene Weissagung -des arabischen Magiers in Kalabrien, die Ihr mir -vertraut – wie war es doch?« »Ich werde nicht sterben -– so las er in meiner rechten Hand – bis ich mit dieser -Hand meinen schlimmsten Feind auf Erden erschlagen,« -sprach Herr Heinrich mit grimmiger Freude. »Nun also! -Und das ist doch ohne Zweifel –« »Graf Gerwalt!« -nickte der Bischof.</p> - -<p>»Aber,« fuhr Berengar fort, »es wird zum Waffenkampfe -gar nicht kommen müssen. Ihr werdet schon auf -dem Wege Rechtens – vor dem Reichstag gewinnen. -Sicher! <em class="gesperrt">Das</em> Gericht möchte ich sehen –« und hier flog -ein stolzes Lächeln um die schmalen, allzu schmalen Lippen -des Lombarden und seine schwarzen Augen funkelten – -»das Gericht möchte ich sehen, welches gegen jene Urkunde -Kaiser Karls irgend eine Einwendung gelten lassen könnte.«<span class="pagenum"><a id="Seite_17">[17]</a></span> -»Allein,« warf der Bischof ein – »warum haben alle -meine Vorgänger seit bald zwei Jahrhunderten das Recht -aus der Verleihung nicht geltend gemacht?«</p> - -<p>Berengar zuckte die Achseln: »Wer kann solche Fragen -beantworten? Soviel steht fest: Graf Gerwalt, Euer -schlimmster Feind … –« »Der Welsche weiß nicht,« -flüsterte Herr Heinrich zu sich selbst, »wie sehr sein Wort -die Wahrheit trifft!« – »Kannte die Urkunde nicht. Und -groß war sein Erstaunen, ja sein Zorn, als ich sie ihm -– wohlweislich nur in Abschrift – übersandte. Diese -Urkunde ist unanfechtbar. Nicht umsonst hab' ich Jahre -um Jahre in der Rechtsschule zu Pavia geistlich Recht, -Lehenrecht, Landrecht gelernt bei den ersten Lehrern. Viele, -viele hundert Urkunden von Königen und Kaisern hab' ich -eingesehen, viele Dutzend hab' ich abgeschrieben, hab' ich -selbst verfaßt im Auftrag des Pfalzrichters daselbst. Erkennt -Kaiser Otto unser Recht nicht an, so rufen wir das Urteil -des Reichsgerichts am Reichstage an. Nach dem Rechte -<em class="gesperrt">muß</em> es für uns ausfallen! Siegt aber in dem barbarischen -Reichstag dieser plumpen Deutschen – verzeiht, aber -manchmal bricht das Blut Italiens in mir durch! – die -Scheu vor dem Herrn König, so lebt noch ein anderer -Richter, der uns – das heißt Sankt Kilian und Sankt -Petrus! – unzweifelhaft zu unserem Recht verhelfen wird.« -»Gott der Herr!« sprach der Bischof fromm. »Der ist -gar fern und unberechenbar! – Nein, der Herr Papst zu -Rom. Nicht rasten will ich und nicht ruhen, bis wir gesiegt -– für Sankt Burchhard. Und müßt' ich auf meinen -Knieen im Sankt Peter dem heiligen Vater Bann und -Interdikt über König und Reich der Deutschen entwinden!« -»Nein! Nimmermehr!« rief der Rothenburger erschrocken. -»Ich sollte den Bann herabbeschwören auf des großen Otto -Enkel, meines teuren Feldherrn in so vielen Schlachten?<span class="pagenum"><a id="Seite_18">[18]</a></span> -Das Interdikt auf diese geliebte deutsche Erde, auf dieses -blühende Mainthal? Es ist nicht <em class="gesperrt">deine</em> Heimat, Lombarde!«</p> - -<p>»In die Hölle stoß' ich ganz Lombardenland, das abgefallene, -um diesen Sieg!« schrie der Welsche, fortgerissen -von wilder Leidenschaft.</p> - -<p>Betroffen sah Herr Heinrich auf ihn herab: »Abgefallen? -Von wem?«</p> - -<p>»Von … sich selbst!« rief Berengar noch heiß erregt, -dann fuhr er zusammen und erläuterte: »Von seinem -wahren Heil – das heißt: von der Herrschaft der deutschen -Könige.«</p> - -<p>»Aber wie,« fiel Herr Heinrich, plötzlich stehenbleibend, -ein, »wenn all unser Planen und Trachten gar nicht mehr -Zeit fände, sich zu vollenden? Wenn es sündhaft, frevelhaft -wäre, solch' irdischer Sorgen zu pflegen, an Herrschaft -über Stadt und Gau und an weltliche Macht zu denken, -während Stadt und Gau und Welt in wenigen Wochen …?« -Er brach ab. Der Welsche lächelte; es zuckte wie Hohn -über seine sonst so starren Züge hin. »Ihr meint? Auch -Ihr? Jene Weissagung – aus meiner Heimat kam sie -über die Berge – unheimlich – wie der schwüle Südwind -… –« »Es ist der Glaube ja weit verbreitet,« -sprach der Bischof ernst. »Viel gelehrtere und viel frommere -Männer als ich hegen keinen Zweifel. Ich – ich -kann's noch nicht recht glauben. Entscheidend ist mir der -Ausspruch des Herrn Papstes. Und der, so schreibt man -mir aus Rom, schwankt hin und her.«</p> - -<p>»Wie? Papst Sylvester? Er? Der große Gerbert -von Reims, der Schüler der Araber in Spanien, der -Lehrer des Erdkreises, von fast übermenschlicher Weisheit! -Wenn der nicht daran glaubt, dann …« – »Ich sage -Euch ja, er soll zweifeln. Seine Auslegung der Schrift<span class="pagenum"><a id="Seite_19">[19]</a></span> -und der Väter führte ihn nicht zur Bejahung.« – »Nun -also.« – »Aber ein heiliger Einsiedler – den Namen -erfuhr ich nicht – soll stets wachsenden Glauben nicht nur -bei dem ganzen Volke in Welschland, auch bei dem tief -gelehrten Papste finden. Doch, wie dem sei! Ich muß -der Kirche, des Oberhauptes der Kirche Weisung einholen, -nicht nur für meine Belehrung, sondern darüber, wie ich -mich als Bischof gegenüber meiner Gemeinde zu verhalten -habe.« »Mich würde der nahe Untergang herzlich wenig -freuen,« meinte Berengar spöttisch. »Noch gar viel hab' -ich vor in der Welt.«</p> - -<p>»Ist das ein Grund für den Himmelsherrn, sie noch -zu erhalten, wenn das Maß der Sünden voll? Ich fürchte -sehr, solcher Wunsch, solch weltlich Begehren ist auch für -mich der letzte Grund, der, unbewußt in der Tiefe der -Seele wirkend und wühlend, mich abhält, daran zu glauben. -Und so hab' ich denn über die Alpen, nach Rom, an den -Herrn Papst einen ganz eigen gearteten Boten gesandt.« -»Wen?« forschte Berengar eifrig. »Es fehlt keiner aus -unserem – wollte sagen: Eurem Klerus.« Der Bischof -schwieg; ein heiteres Lächeln schwebte um seinen feinen -Mund. »Denn,« fuhr der Archidiakon eifrig fort, »es -kommt oft sehr auf den Boten an, welche Botschaft er -heimbringt. Wenn einer von den Schwarmgeistern, den -Träumern, den geheimnisbrünstigen Priestern, wie sie Kloster -Cluny züchtet –« Herr Heinrich lachte. »Nun, hat keine -Gefahr! Ungefähr das Gegenteil von solcher Art hab' ich -zur Kundschaft ausgeschickt. Wenn <em class="gesperrt">dieser</em> Bote, der welt- -und lebensfreudigste Mann –« – »Dann meint Ihr Arn -aus Bayerland, Euren Jägermeister! Richtig! Er fehlt -seit Wochen!« – »Wenn <em class="gesperrt">der</em> in Welschland dazu bekehrt -wird, an den Untergang der Welt zu glauben –« »Arn? -Ja dann,« lächelte der Lombarde, »dann muß sie vorher<span class="pagenum"><a id="Seite_20">[20]</a></span> -schon halb untergegangen sein. Einstweilen aber: – ruhet -nicht, handelt, Herr Bischof. Die Zeit ist günstig; der -Mann, der von Amts wegen ebenso berufen ist für den -Kaiser, wie <em class="gesperrt">Ihr</em> für Sankt Burchhard zu handeln – der -Graf des Gaues, ist fern – man sagt, in Italien. Wenigstens -seine Reisigen und Vasallen alle hat der König -nach Rom entboten: der Marienberg da drüben ist fast -unbesetzt: ein rascher Handstreich und – aber –« er -stockte und sprach leiser zu sich selbst – »es scheint beinah, -Er – der andere – hat recht.« Herr Heinrich -stutzte. »Wer? – Was zischelt Ihr da?« – »Ich? – -Oh nichts!«</p> - -<p>»Doch! Ich hörte genug, um mehr hören zu müssen! -<em class="gesperrt">Wer</em> hat recht?« Drohend, ahnungsvoll trat er näher. – -»Nicht doch,« wich der Welsche aus. »Lasset ab, Herr! -Nicht gerne nenn' ich Euch diesen Namen. Er pflegt Euch -zu ergrimmen!« »Graf Gerwalt!« rief Herr Heinrich und -seine Augen blitzten. »Dacht' ich's doch! Was – was -hat er gewagt, von mir zu sagen?« »Es wird Euch erbittern!« -warnte Berengar. »Oh nein,« knirschte der -Bischof und zerbrach mit der starken Rechten die Armlehne -von Eichenholz des hohen Stuhles, den er ergriffen, »ich -bin ja ganz ruhig! – – Was hat er …?« – -»Nun – vor seiner Abreise – er war ja nur ein paar -Tage auf der Burg – an der Brücke war's – der Zollwart -erhob den Zoll von den Mainschelchen, welche den -Fluß zu Berg getreidelt wurden und meinte –: ›Nun wird -der Zoll, wie jedes Gefäll in der Stadt, bald nicht mehr -in des Herrn Grafen Jagdranzen, in des Herrn Bischofs -Kirchenbüchse wird er wandern.‹ Da lachte der Graf, wie -er zu Pferde stieg, – er und sein Jagdtroß sperrten mir -den Weg über die Brücke – und meinte: ›Bah, es wird -gehen wie immer zwischen uns. Wo ich gegen ihn vortrete<span class="pagenum"><a id="Seite_21">[21]</a></span>–‹« -– »Nun? Was …?« – »›Tritt der Rothenburger -zurück‹« »Ah, ah, ah!« schrie der Gepeinigte auf, -wie von einer Natter gebissen. »<em class="gesperrt">Das</em> hat er gesagt? -Er soll sich irren! Graf Gerwalt liebt es zwar, an sich -zu reißen, was nicht ihm, – was mir gehört: aber doch -nur, wenn ich fern, wenn ich wehrlos bin gegen ihn. -Doch Sankt Burchhards Recht soll er mir nicht entreißen. -Und wehrlos? Noch bin ich's zwar – nicht lange mehr -will ich's sein! – Wo …?« Er schritt, hastig, heiß -erregt, durch den Saal. »Wo stehen die Wenden? Du -weißt: die Söldner, von denen wir sprachen?«</p> - -<p>Der Archidiakon war nun dicht an den Tisch getreten: -er legte beide Hände auf die hohe Lehne des Eichenstuhles -und hielt sich fest daran: er drückte darauf, während seine -Augen wachsam jedem Schritte, jeder Miene des Erbitterten -folgten. »Mainaufwärts, wenige Tagemärsche. Noch -auf deutscher Erde, aber nahe der böhmischen Mark. Sie -sind von Markgraf Eckhard von Meißen – nach tapferen -Diensten – entlassen. Ihr Führer, Zwentibold, verhandelt -um neuen Dienst mit Herzog Boleslav von Polen. -Kommt der zum Abschluß, dann ziehen sie nach dem fernen -Osten … –« – »Nichts da! Wir müssen sie an der -Hand, zur Verfügung bereit haben. – Noch diese Nacht -muß an sie ein geheimer Bote – ein verlässiger Mann … -wen schicken wir?« Berengar folgte dem Gange des -Bischofs durch die Halle: »Ich will gehen: ich selbst,« -sagte er mit leiser, aber fester Stimme. – »Du wolltest? -Es ist halsgefährlich!«</p> - -<p>Berengar zuckte die Achseln: »Ich trage dieses Haupt -nur für Sankt Burchhard und für Euch.« – »Gut! -Dank! … Aber höre! – Noch nicht fest abschließen! – -Ich bin jetzt – ein wenig – erregt! In der Hitze soll -man nichts beschließen. – Nichts übereilen« – »Aber<span class="pagenum"><a id="Seite_22">[22]</a></span> -auch nichts versäumen soll man! Die Söldner sind viel -umworben. Auch der Magdeburger Erzbischof, Herr -Gisiler, will sie dingen …« – »Die Wenden sollen -warten! … Nur noch kurze Zeit!« – »Das thun -sie nicht – ohne Wartegeld.« – »Freilich! Freilich! und -die Kammer ist …?« – »Leer. Nur der fällige -Betrag für die Armen – das Drittel der Einkünfte …« -– »Nein! Nichts da! Kein Schilling davon! Aber – -wie steht es denn mit dem Gelde für meine Bauten in -der neuen Vorstadt?« – »<em class="gesperrt">Euerer</em> Vorstadt: auf dem -Sande?« – »Jawohl! Das Waisenhaus und die Klosterschule -… freilich: der Verschlag, in dem jetzt beide -untergebracht sind – recht elend ist er. Aber bah! – -Menschenalter hindurch hat es genügen müssen: – bessere -ich es, ist's mein eigenstes Werk. Drängt sich mir nun -Notwendigeres vor, so …! Die Waisen, die Schüler -können warten: die Wenden, – du hast recht – die warten -nicht. Nimm das Geld für meine Bauten in der Sandvorstadt. -Bezahle Zwentibold die Wartezeit.« – »Es -wird nicht reichen.« – »So nimm die Summe für das -geplante Siechenhaus bei Sankt Andreas überm Main dazu. -Aber eile.« – »Ihr sollt mit meinem Eifer zufrieden sein.« -Er stand schon in den Vorhängen der Thüre. – »Aber -noch nicht abschließen: nur Wartegeld! hörst du?« Die -Vorhänge rauschten. – Ohne Erwiderung war Berengar -verschwunden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_23">[23]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>III.</h3> - -<p>Gar früh am Tage – wie heute noch bei unseren -Bauern auf dem Lande – begann dazumal auch in den -Städten das Leben.</p> - -<p>Mit Sonnenaufgang und den Vögelein erhob man sich -vom Lager: um elf Uhr pflegte das Mittagmahl gehalten -zu werden: bald nach Einbruch der Dunkelheit suchte man -den Schlaf: die recht spärliche Beleuchtung der Zimmer -lud nicht dazu ein, Arbeit oder geselligen Verkehr im Hause -in die Dunkelheit zu verlängern.</p> - -<p>So war denn auch an dem schönen Maientage, der -auf Berengars rasche Abreise folgte, das Leben in dem -Städtlein früh erwacht. Bei der ersten Hahnenkraht war -diejenige Rotte der speertragenden Bürger, die für diese -Nacht die Reihepflicht der Wache an den Thoren, in den -Türmen und auf den bezinnten Mauern getroffen hatte, -abgelöst worden von der »Tagwacht«.</p> - -<p>Und der »Morgengruß«, den, sobald die Sonne über -die Höhen emporgestiegen war, die Türmer weithin über -die Holzdächer der kleinen Siedelung aus ihren langen, -gewundenen »Tuthörnern« schmettern ließen, weckte überall -in den wenigen schmalen Gassen, in den zahlreichen »Höfen« -der freien Plätze sofort rühriges Regen.</p> - -<p>Die Runde der neu aufziehenden Wache bedurfte nicht -langer Zeit, den ganzen Umfang der Umwallung abzuschreiten -Denn das liebe, liebliche Würzburg war dazumal -noch gar enge beschlossen: zählte doch die Umwallung, -eingerechnet die Geistlichen, die Mönche, die bischöflichen -Dienstmannen und die Reisigen des Grafen auf dem Marienberge, -nicht mehr als etwa viertausend Bewohner.</p> - -<p>Der Archidiakon hatte recht, als er die Gestalt der<span class="pagenum"><a id="Seite_24">[24]</a></span> -Stadt einer Bischofsmütze verglich. Denn sie bildete damals -ein Fünfeck und dessen Grundlage der von Süd nach -Nord, dann nach Nordwest gerichtete Lauf des Mains.</p> - -<p>Eine Holzbrücke, wie bemerkt, gerade an der Stelle der -heutigen schönen und breiten Steinbrücke, bezeichnete ungefähr -die Mitte der ganzen, damals noch auf das rechte -Ufer beschränkten Stadt: auf dem linken Ufer lagerten sich -an den Fuß der alten Feste, um ein paar Kapellen und -ein Kloster nur wenige Hütten armer Fischer. Die Siedelung -auf dem rechten Ufer hatte erst vor etwa achtzig -Jahren Erdwälle, hier und da durch steinerne Mauern verstärkt, -und davor einen schützenden Graben erhalten zur -Abwehr der ungarischen Raubreiter, die wiederholt so weit -westlich gestreift und alles nicht ummauerte Land verbrannt -und verheert hatten.</p> - -<p>Damals hatte der bisher offene Flecken zugleich Stadtrecht -empfangen; aber auch die neue »Stadt« war unter -der Amtsgewalt des Grafen des Gaues, – Waldsassen -hieß er – zu welchem sie gehörte, geblieben.</p> - -<p>Die Brücke oder – in ihrer Verlängerung – der ihr -im Osten gerade gegenüberstehende Dom schied die Stadt -in zwei ungefähr gleich große Teile. Denn von der Brücke -lief die Ringmauer mainaufwärts gen Süden, wandte sich -dann in scharfer Biegung nach Osten bis an den Zwinger, -das heißt den Zwingergraben, vor dem Wall, und bog -von da nach Nordosten, die Wiesen östlich außerhalb des -Grabens belassend. Von dort zog sich die Umwallung -weiter gen Nordwesten, dann von Ost nach West, wandte -sich dem dermalen noch sogenannten »inneren« Graben entlang -dem Flusse zu und erreichte stromaufwärts von Nord -nach Süd den Ort, von dem wir ausgegangen: die Mainbrücke.</p> - -<p>So war also die ganze damalige Stadt eingeschlossen<span class="pagenum"><a id="Seite_25">[25]</a></span> -durch die Grenzen, die heute der Fluß im Westen, die -Neubaugasse im Süden, die Kettengasse und die Theaterstraße -im Osten, der innere Graben im Norden bilden. -Auf dem linken, dem westlichen Ufer schaute von dem -Marienberg die Burg des Grafen, das »Castellum Virteburch«, -weithin über Stadt und Gau.</p> - -<p>Die von dem Fünfeck der Umwallung umhegten Häuser -bildeten nun aber sehr selten Straßen oder Gassen: waren -es doch »Höfe«, ganz wie die Siedelungen der Landsassen -draußen vor den Thoren im Gau, fast ausschließlich aus -Holz aufgezimmert, nur etwa der Unterbau aus Stein: die -vornehmeren »Höfer« liebten es wohl hier, ein paar Platten -des wunderschönen fränkischen roten Sandsteins als Treppenstufen -vor die alsdann etwas erhöhte Thüre des Wohnhauses -zu legen. Dies war aber – ganz wie auf dem -Lande draußen – stets umfriedet von einem manneshohen -Hofzaun aus Pfahlwerk: der »Hofwehre«; das Hofthor mußte -so weit sein, daß die zweispännigen breiten Wirtschaftswagen -bequem ein- und ausfahren konnten. Denn Ackerbürger -waren sie, diese <em class="antiqua">burgenses</em>, und die Anfänge von -Handel und Gewerk noch sehr bescheiden. So lagen auch -innerhalb der Mauern weite Strecken von Wiesen, lagen -Äcker, besonders aber Gärten, in welchen Wein, Obst, -Gemüse gepflegt wurden.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Alsbald nachdem bei Sonnenaufgang von der Zinne -des Brückenturmes der Thorwart seinen Morgengruß geschmettert, -antwortete ein höchst friedlicher Schall: auf -dem Widderhorn blies der Gemeindehirte seine Herde von -blökenden Schafen und meckernden Ziegen zusammen. Er -fing damit an im Nordwesten der Stadt, hielt vor jedem -Hof und wartete, bis der Viehschalk die bereits aus der<span class="pagenum"><a id="Seite_26">[26]</a></span> -Stallthüre entlassenen und an dem verschlossenen Hofthore -sich drängenden Tiere aus diesem zu dem Hirten hinausließ.</p> - -<p>So zog er die Kreuz und die Quer an allen Höfen -vorbei, bis er an das »Südthor« gelangt war. Wie im -Norden und im Osten zog sich auch im Süden um die -Stadt, hart vor Graben und Wall beginnend, ein breiter -Gürtel von Wiesen und Gärten innerhalb des »Pfahlhags«, -den an geeigneten Stellen ein paar Blockhäuser, aus festen -Balken gefügt, verstärkten; hier wohnten kleine Leute, die -als Taglöhner, Gärtner, Zeidler, Winzer, Fischer ihr Leben -fristeten.</p> - -<p>Gleich hinter den wenigen ärmlichen Lehmhütten und -Holzhäuslein dieser werdenden »Vorstadt« begann die weitgestreckte, -bis zu dem »Acker des Randahar« sich hinziehende -»Allmännde«, das Gemeindegut der Stadt, bestehend aus -Weide, Wiese und buschigem Wald, von den »Burgensen« -besonders zur Weide für Rinder und Schafe verwendet; -während manches Borstentier mit grunzendem Wohlbehagen -in den häufigen Pfützen sich sielte, die, an Stelle von gepflasterten -Straßen, Hof von Hof zu trennen pflegten.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IV.</h3> - -<p>Rado, der graubärtige, hünenhaft lange und starkknochige -Gemeindehirte, kam nicht so rasch hinweg von -den meisten Höfen als er wünschte: – denn ihm war nur -wohl draußen in Wald und Heide: in der Stadt, diesem -ummauerten Grabe, müsse er ersticken, schalt er.</p> - -<p>Und er war ein Liebling der Leute, der Alte: Hausherr<span class="pagenum"><a id="Seite_27">[27]</a></span> -und Hausfrau, Knecht und Magd, zumal aber die -Kinder ließen ihn nicht leicht los ohne ein paar Fragen. -Er wußte gar so viel, so vielerlei, was sonst kein Mensch -mehr wußte: von Jagd und Fischfang und Viehzucht, von -gesunden und kranken Tieren. Das Wetter verstand er -ganz genau vorher zu sagen, manche meinten, geheimnisvoll -nickend, weil er es selbst – ein wenig – mache.</p> - -<p>Und alte Geschichten vollends wußte er zu erzählen – -von seiner verstorbenen Mutter her – und Mären und -Sagen, daß Kinder und Große offenen Mundes lauschten; -und Segen: Wundsegen, Jagdsegen, Kampfsegen, Reisesegen, -Biersegen, Viehsegen, Fischsegen – in mannigfaltigster Auswahl: -seltsam nur, daß er sie alle plötzlich vergaß, trat in -den Kreis seiner Hörer ein »Geschorener«, wie er unwillig -sagte. Herr Heinrich schalt wohl oft darüber, aber er -lächelte dazu und ließ ihn gewähren: denn der Hüne war -in jungen Jahren ein gar treuer und trefflicher Waffenknecht -der Rothenburger Grafen gewesen und hatte – so -sagte man – dem Vater Herrn Heinrichs das Leben gerettet -in Welschland.</p> - -<p>Während nun der Hirt von Knecht und Magd und -Kind an dem Hofthor aufgehalten ward mit Frag' und -Antwort, wartete der vorwärtsdrängenden Herde gar oft -– und auch heut' – ein anmutvolles Kind mit dicken, -langen, dunkelblonden Zöpfen, die durch die lebhafte Kleine -stets in Bewegung gehalten wurden, daß die hellblauen -Bändlein an deren Enden hin- und herflatterten. Sie zeigte -weit über ihre vierzehn Jahre hinaus voll und üppig entwickelte -Formen, aber sie war so mutwillig und so kindlich -wie die springenden, bockenden Zicklein ihrer Herde.</p> - -<p>Als der Alte aus dem letzten Hofe vor dem Thor der -Sandvorstadt zurückkam, fand er die Kleine aus vollem -Halse lachend: lachend, daß ihr aus den hellgrauen Augen<span class="pagenum"><a id="Seite_28">[28]</a></span> -die Thränen über die dicken, runden Kinderbacken liefen. -Sie hielt sich vor Lachen kaum aufrecht an dem langen, -gebogenen Schäferstab, den sie einstweilen dem Alten abgenommen -hatte.</p> - -<p>»Was hast du, Fullrun?« fragte der. »Dich reiten -wohl wieder die Elben!« »Es ist zum Zerspringen!« -keuchte sie, sich mit der umgewandten Linken über die -Augen fahrend. – »Was?« – »Schau ihm nur nach, Ohm! -Da – links hin! – humpelt er davon. Sieh nur, wie -er ausschaut! Ganz weiß vom trockenen Straßenstaub. -Wie der Müller aus der Au! Nur nicht so sauber!«</p> - -<p>Der Alte reckte die hohe Gestalt und hielt die Hand -vor die buschigen Augenbrauen: denn die Morgensonne -blendete von dort her: »Ei, das ist ja Junker Blandinus, -der Sohn des Dogen aus Venetia, der jüngst erst ankam, -Korn zu kaufen von dem Juden Renatus. Was hat der -hier – in deiner Nähe wieder! – gesucht?« Und er -nahm ihr den Stab aus der Hand und hob ihn drohend, -daß sein langer Mantel, aus drei Wolfsfellen zusammengenäht, -von seinen Schultern zurückwallte. »Weiß nicht, -Ohm. Aber was er auch suchte: – gefunden hat er was -anderes. Er ist immer um die Wege, mit seinem seidenen -Mäntelein und dem bunten gezipfelten Wams. Wäre gar -nicht so übel im Gesicht, putzte er sich nicht so weibisch -heraus. Kaum warst du im Hammerhof verschwunden, da -bog er flugs um die Ecke der Wirsinge und stand vor mir. -›Jungfrau Fullrun!‹ flüsterte er in seinem welschen weichen -Ton, ›segne Euch Sankt Amor!‹ ›Ich heiße die runde -Runel und mein Schutzheiliger heißt Sankt Kilian!‹ rief -ich. ›Wer ist Euch wohl der Liebste auf der Welt nach -Euren Gesippen?‹ fragte er und machte ganz verschwommene -Augen. ›Schnufilo!‹ erwiderte ich rasch ohne Besinnen. -Denn es ist ja auch wahr. ›S–Se–ch? –<span class="pagenum"><a id="Seite_29">[29]</a></span> -Schn–ufilo?‹ wiederholte er lispelnd. ›Wo ist er? Ist -er ein Ritter, daß ich ihn bestehen mag? Ich durchspeere -ihn!‹ ›Durchspeeren? – Meinen Herzens-Schnufilo? -Nun wartet! Komm!‹ schrie ich ›faß, Schnuf, faß!‹ Und -grimmig bellend sprang der herzige Schnuf herzu und fuhr -ihm an die Waden.</p> - -<p>›Oh – <em class="antiqua">ohimè</em> – Eine <em class="antiqua">bestia</em>? Ein <em class="antiqua">monstro</em>!‹ Nun -trat der Schwarzkopf wieder näher: die dunkeln Locken – -'s ist wahr – lassen ihm nicht übel! Aber sein Haar -stank süß von Salben! Ich hielt mir die Nase zu! – -So!« Und sie machte es dem Alten vor: – so drollig, -daß er lachen mußte. »Und wisperte: ›Wißt Ihr auch, -schöne Runa, wie man in Venetia küßt?‹ ›Nein,‹ -sagte ich. ›Ich küsse überhaupt nur Schnuf und Schnee.‹ -›S–ch–nee? Ist das auch so eine Beißbestia?‹ forschte -er, besorgt um sich blickend. ›Nein, hier mein Mailämmlein.‹ -›So will ich Euch küssen lehren!‹ lächelte er und -machte einen Schritt. Aber – o Sankt Kilian sei gepriesen! -– er trat, nur auf mich guckend – auf das -Ferkelein, das da – nun wieder! – in der Pfütze liegt. -Laut aufquiekend fuhr ihm das zwischen die langen Beine -– er stolperte und fiel bäuchlings in den weißen Staub -daneben. Nun fuhr auch Schnuf ganz erbost wieder gegen -ihn und zerriß ihm den langen erdbeerroten Flattermantel. -Fluchend sprang er auf und entwich eilfertig.«</p> - -<p>»Kommt er wieder,« drohte Rado, »lehr' ich ihn, wie -man im Waldsassengau – haut! – Auf, Thorwart, auf -mit dem Gitter!« – Und nun flüsterte er ganz andächtig, -gen Himmel blickend:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Unsern Ausgang<br /></span> -<span class="i0">Geleite der graue<br /></span> -<span class="i0">Wandrer, weise der Wege.<br /></span> -<span class="i0">Die Wölfe wehr' er<br /></span> -<span class="i0">Von Herde wie Hirt.«<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_30">[30]</a></span></p> -<p>»Hier, Giero, hier!« Er pfiff dem mächtigen grauen -Hund: der trieb in unablässigem Umkreisen die zerstreuten -Schafe und Ziegen auf dem weiten Platze rasch zusammen, -so daß sie nun in guter Ordnung durch das geöffnete Thor -und dann über den an eisernen Ketten herabgelassenen -schmalen Steg über den Graben trippelten. Draußen begrüßte -das kluge Tier freudig in lustigen Sätzen und laut -bellend die Freiheit. Einverstanden klopfte ihm der Alte -den Kopf. Fullrun folgte zuletzt; sie trug über den geländerlosen -Steg gar sorgsam auf ihrem vollen linken Arm -ein schneeweißes Lämmchen, das sie aus der blökenden -Menge gegriffen hatte: mit der Rechten hob sie den Saum -ihres rotbraunen Röckleins bis über den Knöchel des unbeschuhten -Fußes: im Morgenwind flog das krause kurze -Haar an ihren Schläfen: mit vollen Zügen sog sie den -frischen Hauch des Morgens in die junge Brust.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>V.</h3> - -<p>An demselben Morgen trabte, nachdem die Frühmesse -in dem Dom zu Ende, ein bunter Reiterzug den freien -Platz hinab auf die Mainbrücke zu.</p> - -<p>Die Hengste der Männer und auch zwei zeltende Paßgänger -für Frauen – mit zierlich gegitterten hohen Seitenwänden -an den weichen Sätteln aus spanischem Leder – -waren neben der Kirche von mehreren Knappen in Bereitschaft -gehalten worden. Als das gemeine Volk aus den -weitgeöffneten schön geschmiedeten Doppelthüren und über -die vier roten Sandsteinstufen des Eingangs hinab sich -verstreut hatte, wurden die Pferde dicht an die kniehohen<span class="pagenum"><a id="Seite_31">[31]</a></span> -»Roßsteine« geführt, die, an dem Dom, wie an gar manchem -Eckgebäude angebracht, das Aufsteigen und Absteigen -reitender Damen erleichterten.</p> - -<p>Ein schlanker Jüngling von nicht allzuhohem, aber -zierlichem Wuchs und von auffallend anmutvoller Haltung -geleitete gar höfisch, nur an den Fingerspitzen ihren hellgelben -Reithandschuh berührend, ein schönes junges Mädchen -die Stufen des Domes hinab. Das veilchenfarbene Barett, -geschmückt mit dem weißen Gefieder der Silbermöwe, stand -gut zu dem dunkelbraunen dichten Gelock des jungen Ritters -mit dem etwas helleren Bart, der überall das feine Gesicht -umrahmte. Das enganliegende Wams, von gleicher Farbe -wie das Barett, zeigte vorteilhaft die geschmeidigen, wohlgestalteten -Glieder: die zarten Gelenke der Hände und der -Knöchel schienen nicht deutsche oder doch nicht ungemischt -deutsche Abkunft zu bekunden.</p> - -<p>Lebhaft sprach er zu der jungen Dame, feurig blickte -er ihr – und recht nah! – in die großen Augen von -hellstem sonnig goldenem Braun, welche unter blonden, -nicht allzustarken Brauen hervor freundlich und freudig in -die schöne Welt hineinleuchteten. Ihre Wangen waren -hold wie vom Flaum des Pfirsichs überzogen: die frischen, -ein wenig aufgeworfenen Lippen lächelten gar gern und -zeigten dann zierlich gereiht die weißesten Zähnlein. Ein -Reiterhut von weißem weichstem Filz mit sehr breitem -Rand und schwarzer Feder wiegte sich keck auf dem ganz -hellbraunen, aber leicht von einem roten Schimmer durchleuchteten -Haar. Gar anmutvoll war die Bewegung ihrer -schmalen langen Hand, mit der sie das weitflutende weiße -Wollkleid aufhob, wie die feinknöcheligen Füßlein über die -Steinstufen vorsichtig hinabglitten. Herzhaft lehnte sie dabei -den vollen warmen Arm auf den des Ritters; der führte -sie an den weißen iberischen Zelter mit hellrotem Sattel-<span class="pagenum"><a id="Seite_32">[32]</a></span> -und Zaumzeug, der, ungeduldig harrend, mit dem rechten -Vorderhuf gescharrt hatte und nun, die schöne Herrin erkennend, -sie freudig begrüßend laut wieherte.</p> - -<p>Der Junker hielt ihr beim Aufsteigen die Hand unter -den Schuh und umspannte dabei den feinen Knöchel erheblich -fester, als die Sicherheit der Reiterin gerade würde erheischt -haben. Diese zürnte aber nicht, sondern sowie sie sich -sicher im Sattelsitz fühlte, neigte sie ihm das wunderschöne -Antlitz zu in gar holdseligem Lächeln: er erglühte vor -Glück über soviel Huld, seine dunkelgrauen Augen blitzten -und freudig schwang er sich auf seinen feurigen friesischen -Rapphengst.</p> - -<p>Hinter diesem Paar schritt langsam ein zweites die -Domstufen hinab: gleich jung, gleich schön, aber in ganz -anderer Haltung und Stimmung, so schien es. –</p> - -<p>Zwar der Ritter, dessen blondes Haar dicht aus der -ehernen Sturmhaube quoll, ließ die blauen Augen gar -sehnend ruhen auf dem schmalen, blassen, nur ganz zart -rosig überhauchten Antlitz der Dame; aber diese preßte den -kleinen, stolzen Mund fest zusammen, schlug die Augen -unerbittlich nieder und furchte streng die Brauen, deren tief -dunkelbraune Farbe scharf abstach von dem fast weißgelben -Geriesel ihres gewellten Haares, das unter der himmelblauen -runden Seidenkappe hervor auf den gleichfarbigen -langen Mantel frei, gelöst, flutete; dieser Gegensatz der fast -schwarzen Brauen zu dem weißblonden Haar verlieh dem -höchst vornehmen, edeln, aber marmorkalten Antlitz eigenartig -fesselnden Reiz: wer diese stolzen, feinen Züge einmal -geschaut, – er mußte ihrer gedenken für und für. Die -ganze schlanke hohe Schilfgestalt schien ein schönes, aber -herbes Rätsel; man mußte nachgrübelnd fragen, welch -Geheimnis das junge Herz so streng verschlossen hüte? -Denn die hellgrauen Augen, die sie selten aufschlug, schienen<span class="pagenum"><a id="Seite_33">[33]</a></span> -auch dann nicht in die Welt, schienen nach innen zu schauen, -fest entschlossen, um keinen Preis zu verraten, was sie in -diesen Tiefen erblickten.</p> - -<p>Schweigend, sinnend, zögernd, wie widerstrebend, schritt -sie nun die Stufen hinab: sie waren noch feucht vom -Morgentau: – sie glitt ein wenig aus: – der Jüngling -hielt ihr rasch den rechten Arm hin: aber sie achtete dessen -nicht: noch schärfer die langgestreckten Brauen furchend -richtete sie sich – allein – rasch auf zu ihrer vollen Höhe, -schritt sicheren Fußes fürbaß und winkte, auf der letzten -Stufe angelangt, einen grauhaarigen Knappen herbei: der -mußte ihr auf den Rücken ihres Falben helfen. Dem Jüngling -klirrte laut Schuppenbrünne, Wehrgut und Schwertknauf -aneinander, wie er sich nun hastig auf das starke -Streitroß schwang, einen braunen Flanderer schwersten -Schlages.</p> - -<p>Die beiden Junker ritten jetzt an die Seite der beiden -Edelfräulein und nun ging's in raschem Trab hinab an -die Brücke: – deren Thor ward von den Wächtern ehrerbietig -aufgethan: – nun über die dröhnenden Balken -und drüben aufwärts auf dem linken Ufer, wo sich der -Leinpfad zum Schleppen für die Mainschelche hinzog.</p> - -<p>Ein Holzverhack sperrte den schmalen Weg zwischen dem -Fluß zur Linken und dem steil abfallenden Felsen des -Marienbergs zur Rechten: jenseit eines engen Durchlasses -in dem Verhack wartete der beiden Paare ein Häuflein -von Jägern mit Pferden, Hunden und Falken: denn der -Falkenjagd, der Reiherbeize galt dieser Morgenritt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_34">[34]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VI.</h3> - -<p>Das Jagdgeleit bestand aus nur Einer »Rotte«: das -heißt dem Falkenmeister und drei Falkenieren; alle vier -waren beritten; die letzteren hielten abwechselnd den Falkenrahmen, -eine leichte viereckige Trage, aus weißem Holze -zierlich geschnitzt, auf welcher zwei Beizvögel, mit einer -langen Kette unter dem Flügelbug und einer kurzen um -den rechten Lauf und Fang angefesselt, saßen: zierlich stand -den schlanken Vögeln die Falkenhaube, ein Käppchen von -rotem Leder aus Cordoba, oben mit weißen Federn, unten -mit kleinen silbernen Schellenkügelein geschmückt: ein schmales -Lederriemchen hielt die Haube, über Kopf und Augen gezogen, -unter der Kehle festgeschnallt. Den Berittenen folgten -zu Fuß drei Hundekoppeler, von denen jeder zwei Stöberhunde -an der Koppelleine führte: mächtig zerrten sie vorwärts, -die starken, grauhaarigen, hochbeinigen Rüden aus -Ungarland: aber scharf erzogen, gaben sie bei aller Jagdgier -nicht Laut.</p> - -<p>»Was habt Ihr heute für Vögel auf den Rahmen -gesetzt, Herr Fulko?« fragte die Braunlockige, anmutvoll -den Kopf und den breitrandigen Hut nach ihrem Begleiter -zurückwendend. »Geht es auf hohen oder auf niederen -Flug?« »Wer mit schön Minnegardis jagt – und für -sie, – denkt nur an hohen Flug,« erwiderte der Junker -mit weicher, wohllautender Stimme. »Die Falkeniere -haben Reiher angesagt in den Altwassern des Mains, nahe -der Fähre bei den Höfen der Heitinge: sogar einen –, -nun, nicht vor der Jagd von der Strecke plaudern, sonst -verfällt sie dem <em class="gesperrt">wilden</em> Jäger! Heute wollen wir erproben, -Freund Hellmuth, ob des Herrn Bischofs isländischer -Girofalk besser arbeitet oder mein Wanderfalk: ich<span class="pagenum"><a id="Seite_35">[35]</a></span> -holte ihn, gerade flügge geworden, selbst aus dem Horst -auf dem Geiersberg im Spechteshart.«</p> - -<p>»Deiner steigt besser und streicht gehorsamer zurück auf -die Faust zur Atzung,« antwortete der Blonde; trüb war, -gedämpft der Ton seiner Rede. »Ei ja,« rief Fulko, »er -hat mir auch manch Federspiel zerzaust, bis er's gehörig -lernte. Der Isländer ist nicht gut abgetragen: denn -Freund Arn, der Jägermeister, der's besser als wir alle -kann, ward vom Herrn plötzlich verschickt, bevor der teure -Vogel stoßreif war. Aber nun, habt acht, Jungfrau Minnegardis! -Die Stöberer springen ein.« »Da platschen sie -ins Röhricht,« rief das Mädchen, und setzte in hellem -Jagdeifer ihren Zelter in lustigen Trab. »Seht, schon -müssen die vordersten schwimmen: da ist's schon tief.« – -»Ja, ein altes Weidmannswort scherzt: ›Reiher ist von -höherem Stand denn Rüde‹. Aber jetzt – den Rahmen -herbei!« Die Ritter lösten den Vögeln beide Fesseln, -nahmen sie von der Trage und setzten einen derselben je -einem der Fräulein, – Minnegard den Wanderfalk, Edel -den Isländer – auf den seidengestickten Handschuh der -rechten Hand, so daß die scharfrandigen Krallen den Zeigefinger -fest umschlossen; die Kappen blieben noch unbehoben.</p> - -<p>Es war nun gar schön zu schauen, wie die beiden -holden Reiterinnen in raschem Trabe den Fluß entlang -dahinflogen, mit wehenden Federn, Locken und Mänteln, -die stolzen Vögel auf dem anmutig gebogenen Handgelenk.</p> - -<p>»Hört ihr?« rief Fulko. »Da schlagen die Stöberhunde -den Reihergruß. Lüpft die Kappen! Werft eure Vögel, -edle Jägerinnen!« Die Mädchen schnallten den Vögeln -rasch die Kappenriemen ab, ließen die von dem plötzlichen -Lichteinfall Geblendeten noch einen Augenblick in den Himmel -schauen, wiesen ihnen dann Beute und Flug, sie in der -Richtung der rasch enteilenden Reiher in die Höhe hebend,<span class="pagenum"><a id="Seite_36">[36]</a></span> -und schnellten sie mit kräftigem Schwunge des Gelenks in -die Luft mit dem lauten Rufe: »Holî! Holî!«</p> - -<p>Sofort hatten die Falken das steigende Wild eräugt -und stiegen nach, pfeilschnell, mit gellendem Schrei, dem -der kreischende Angstruf der Reiher »krätsch! kraitsch!« antwortete. -Beide Flüchtlinge blieben auf dem linken Ufer -und eilten flußaufwärts: die Berittenen hatten also nur -die nebenherziehende breite Heerstraße einzuhalten, so konnten -sie leicht folgen.</p> - -<p>Herrlich war der Anblick der Flucht und der Verfolgung -durch die Lüfte. Zuerst entleerten die beiden Sumpfvögel -die Kröpfe des Fraßes, ihren Flug zu erleichtern: -denn sie hatten mit Erfolg in dem Schilfwasser gefischt, -stets gegen die Sonne stehend und watend, damit der hinter -sie fallende <span id="corr036">Schatten</span> die Fische nach vorn ihrem Schnabel -zutreibe. Dann legte jeder den langen kegelförmig zugespitzten -Schnabel mit den messerscharfen Schneiden auf den -Kropf, streckte die langen Ständer gerade hinter sich und -sausend ging es nun in die Höhe, immer höher, immer -höher, dem Verfolger das Überfliegen unmöglich zu machen.</p> - -<p>Denn der Falke konnte den viel größeren Feind nur -zwingen, wenn er ihn überstieg und dann von oben her -schlug, ihm zwischen den Flügelschultern und dem Ansatz -des Halses den Haken des Schnabels mit dem scharf ausgeschnittenen -dreieckigen Zahn des Oberkiefers einhieb, die -beiden Fänge aber mit den kräftigen spitzen Krallen unter -den ausgespannten Flügeln – vor deren Bug – in den -Rumpf schlug und so schon durch den Druck von oben den -keineswegs immer tödlich getroffenen Reiher zum sausenden -Sturz brachte; der Falkenier eilte dann herzu und tötete -oder fing den Verwundeten, während der Falke, wenn gut -abgetragen, auf die Hand der Herrin zurückstrich.</p> - -<p>Aber nicht gerade aufwärts stiegen die Reiher, sondern<span class="pagenum"><a id="Seite_37">[37]</a></span> -schraubenförmig, ähnlich den Lerchen, in immer höher und -höher gezogenen Ringen: der schwere Vogel konnte nicht -senkrecht oder sehr steil schräg fliegen, während der Falke -schnurgerade, nur stets etwas höher zielend als sein Gegner -flog, auf diesen losstürmte.</p> - -<p>Übrigens kamen diesmal die beiden Paare in den -Lüften und demgemäß die beiden Jägerpaare auf der Erde -bald ziemlich weit auseinander. Edel hatte ihren Vogel -früher geworfen als Minnegard: derselbe ersah daher den -zuerst aufgestandenen grauen Reiher: dieser und sein Verfolger, -der Isländer, gewann rasch starken Vorsprung in -die Höhe und in die Weite vor dem Wanderfalk, der den -zweiten etwas größeren Reiher – weiß wie Schnee leuchtete -im Sonnenglast dessen Gefieder – stets vom Wasser ab -nach dem Walde hin zu treiben suchte.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VII.</h3> - -<p>Edel und Hellmuth sprengten an dem anderen Paare -vorbei und hatten bald Mühe, zu Pferd den raschen Fliegern -zu folgen.</p> - -<p>Lange vermochte der Isländer nicht, dem Feinde nachzukommen: -endlich, endlich aber hatte er ihn überstiegen – -etwa um sechs Fuß – und sofort stürzte er sich nun aus -dieser Höhe auf seine Beute. Allein blitzschnell hatte der -Reiher den bisher abwärts auf dem Kropfe getragenen -starken, spitzen und langen Schnabel – eine fürchterliche, -oft den Augen des Jägers sogar, der den wunden Vogel -greifen will, gefährliche Waffe – senkrecht nach oben gekehrt: -der Falke, der mit voller Wucht herabstieß, spießte<span class="pagenum"><a id="Seite_38">[38]</a></span> -sich dabei die Brust auf wie auf einem Speer, so daß die -Spitze des Reiherschnabels ihm im Rücken zwischen den -Flügeln hervordrang. Der Sieger aber konnte sich nicht -von dem verendenden Feinde losmachen, nicht unter dem -Drucke dieser Last den Schnabel aus der Wunde reißen -<span id="corr038">und</span> so taumelte er denn, den Rücken nach unten, sausend -zur Erde. Kaum war er aufgefallen, – zwischen der -Straße und dem Fluß – war Hellmuth schon zur Stelle, -Edel folgte. Der Junker sprang ab, riß den toten Falken -von dem Reiher los, faßte diesen mit der Rechten im Genick -an beiden Fittigen und warf ihn hoch in die Luft: -»Geh!« rief er dem hastig Enteilenden nach. »Du hast -dich ritterlich gewehrt – hast gesiegt: ich mag dich nicht -unritterlich erwürgen. – Ich habe doch recht gethan?« -fragte er zu Edel hinaufblickend, die nun dicht hinter ihm -auf dem schnaubenden Falben hielt. »Gegen Reiher seid -Ihr ritterlich,« erwiderte sie herb, ohne eine Miene zu verziehen, -wandte das Roß und ritt langsam zu dem anderen -Paare zurück.</p> - -<p>Auch dessen Beize war ausgebeizt. Gar bald hatte -der Wanderfalk den großen, glänzendweißen Vogel überhöht, -und ihn von dem Flusse, den er nun überschreiten -wollte, ab- und auf das linke Ufer zurückgedrängt: auf -den ersten Stoß gelang ihm das Schlagen: Reiher und -Falk taumelten, aber der Falke rittlings auf seiner Beute -sitzend, auf die blumige Wiese zur Rechten der Heerstraße. -»Ruft ihn, ruft ihn rasch,« drängte Fulko die Jägerin, -während beide heransprengten. »Er verliert sonst die Zucht -und den Heimstrich.« »Hilô! Hilô!« rief Minnegardis -freudig und setzte in vollem Jagen über den breiten Graben -auf die Wiese: ihre schwarze Feder flog, ihre Locken flatterten. -Entzückt folgte Fulko der zierlichen Gestalt der -mutigen Reiterin.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_39">[39]</a></span></p> - -<p>Gehorsam kam der kluge Vogel zurückgestrichen und ließ -sich auf dem Handgelenk der Herrin nieder: vergnügt die -beiden Schwingen leicht schlagend rief er ganz leise, – -nicht den gellenden Kampfschrei – und sah mit seinen -nußbraunen Augen in Minnegardens Antlitz: ein Falkenier -brachte ihr eilig auf goldenem Stäblein ein Stück Rinderherz -und hielt ihr den Zügel, während der Vogel aus -ihrer Linken behaglich und mit leisem Dankrufe gierig -kröpfte: dann ward er wieder gehaubt und auf die Trage -zurückgebracht.</p> - -<p>Nicht eher doch hatte der Falke seinen Gefangenen -freigegeben, bis Fulko, vom Rosse gesprungen, denselben -an beiden Schwingenknochen gefaßt hatte; er hielt ihn nun -der Jägerin hin, die sich anmutvoll aus dem Sattel herabbeugte. -»Welch herrlich Tier!« rief sie erfreut. »Welch -leuchtend Weiß! Nie sah ich seinesgleichen!« – »Es ist -ein Silberreiher. Ich wollt' es nicht – vor der Zeit! -– verkünden. Aber ich hatte ihn gestern abend angeschlichen.« -– »Er ist – wie es scheint – ganz unverletzt?« -– »Fast ganz. Nur wenig blutet hier der Hals. -Das hab' ich ihn gelehrt, den klugen Greif, am Federspiel: -– für den Silbervogel! – nur fangen, nicht -morden!« – »Oh! dann wollen wir das edle Tier freilassen! -Nicht?« – »Gewiß: Ihr seid ja seine Fängerin, -nicht ich! Und ich: – im voraus erriet ich Euer gütig -Herz.« Er griff in die kleine von Stricken geflochtene -Jagdtasche, die er am Wehrgurt trug. »Das mögt Ihr -jetzt leicht sagen,« lächelte sie. »Ich beweis es, Herrin!« -gab er zur Antwort. – »Wie? Was wollt Ihr thun?« -– »Wie immer: Euren Willen – Nur ein Andenken an -diesen frohen Morgen soll Euch Euer schöner Gefangener -lassen. Seht Ihr die beiden silberweißen Federn hier auf -seinem Haupt?« – »Wie stolz sie wallen! Schaut, sie<span class="pagenum"><a id="Seite_40">[40]</a></span> -reichen noch weit über seinen Rücken.« – »Wie prächtig -werden sie sich abheben von Eurem Jagdhut und von -Eurem Haar.« Er zog nun mit sanfter Gewalt dem Vogel -die beiden Kopffedern aus und überreichte sie der Jägerin, -die sie freudig dankend nahm und sofort in dem Goldring -ihres Hutes befestigte. Sie schmückte sich so gern! Für -sich und für andere. Und jeder einfachste Schmuck ließ ihr -so gut. Aber nun vollends diese stolze fürstliche Zier!</p> - -<p>»Ihr seht aus wie die Königin von Avalon, dem -Feenland!« – »Wenigstens trägt keine Königin schöneren -Schmuck.« – »Und keine Kaiserin würdiger denn Ihr.« -– »Dank! Recht von Herzen Dank!« – »Aber nun -wollen wir ihm die Freiheit geben, dem Glücklichen, der -Euch erfreuen und Euch zieren durfte. – Seht, lange hab' -ich vorgedacht für diese Jagd.« Und er zeigte ihr, was -er aus der Netztasche hervorgeholt: es war eine kleine, -runde Goldplatte an einer länglichen, rohrartigen, innen -hohlen Schließe aus Silber: »Was hab' ich darauf ritzen -lassen von Meister Aaron, dem kundigen Goldschmied zu -Frankfurt? Schon vor Wochen ritt ich deshalb hinüber.«</p> - -<p>Und das Mädchen las mit holdem Erröten:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Mich fing die wunderschöne Minnegard<br /></span> -<span class="i2">Und gab mich wieder frei:<br /></span> -<span class="i0">Der Freiheit wenig Dank ihr ward:<br /></span> -<span class="i2">Denn wen sie fing, die holde Fei,<br /></span> -<span class="i0">Will, daß er ewig ihr Gefangner sei.«<br /></span> -</div></div> - -<p>»Ihr seid ein Schalk,« lächelte sie, »wie alle Sänger, -aber ein feiner.« – »Und was <em class="gesperrt">Ihr</em> seid, – das singen -und sagen alle Sänger der Erde nicht aus! – Nun fliege, -Reiher, und verkünde in allen Landen vom Maine bis -zum Jordan Minnegardens Schönheit!« Er hatte nun -das Silberröhrlein um den linken Ständer des Gefangenen<span class="pagenum"><a id="Seite_41">[41]</a></span> -zusammengedrückt, die Schnalle geschlossen und gab ihn jetzt -frei: der Reiher reckte sich in die Höhe, hob den langen -Hals, breitete dann die mächtigen Schwingen aus, stieß -vom Boden ab, hob sich und flog, mit lautem frohem Ruf -der Erlösung, schwirrend in die Höhe: bald war er im -fernen Blau wie ein schimmernd weiß Gewölk verschwunden.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VIII.</h3> - -<p>Das Jagdgeleit ward nun entlassen, es kehrte in die -Stadt zurück; die beiden Paare jedoch, gefolgt von einigen -Dienern zu Pferd, wandten sich von der Heerstraße und -dem Flußufer ab nach Westen die Hügel hinan dem schönen -Walde zu, der jetzt der Guttenberger heißt, damals der -Königswald genannt wurde.</p> - -<p>Sobald der kleine Zug wieder beisammen war, gab -Minnegard ihrem Zelter, aber auch dem Falben ihrer Genossin -einen leichten Schlag mit der Gerte, die ihr Fulko -von einer Weide gebrochen: »Ei,« rief sie, »gestrenge Edel, -nun wollen wir sehen, welcher Reiterin Rößlein rascher -läuft: deren Herz schlägt auch wohl mutiger.« »Rascher -das deine, aber mutiger nicht!« erwiderte die Blonde ernst -und schoß weit an ihr vorüber. Sie wollte sichtlich allein -sein; Hellmuth folgte ihr nicht; er hielt den Hengst an -und blieb so auch hinter dem anderen Paare zurück.</p> - -<p>Der steil ansteigende Weg ward bald so schmal, daß -zwei Pferde nur gerade zur Not nebeneinander Raum -fanden. Dies machte sich Junker Fulko zu nutze. Gar -bald hatte er seinen Rappen dicht neben Minnegards Weißrößlein -gelenkt und nun wich er nicht mehr von ihrer Seite.<span class="pagenum"><a id="Seite_42">[42]</a></span> -Geraume Zeit ritten sie, nur stumme Blicke tauschend, -nebeneinander hin, damit begnügt, Aug' in Auge zu -senken. – Da strauchelte das Tier der Reiterin – allzuwenig -achtete sie des Weges! – über eine knorrige Wurzel, -die den Pfad kreuzte: es drohte, auf die Vorderfüße zu -fallen und seine leichte Last vornüber zu schleudern. Mit -raschem Griff riß der Junker das Pferd empor und schob -die Errötende in dem Sattel zurecht. Sie war wohl ein -wenig erschrocken: aber sie lächelte schon wieder mit schalkhafter -Fröhlichkeit: »Dank!« rief sie. »Waret Ihr nicht -an meiner Seite … –« – »O dürft' ich's immer -sein!« »Ausreden lassen!« schalt sie. »Waret Ihr nicht -an meiner Seite, hätte mich dies Unheil nicht bedroht.« -– »Wieso?« – »Ei, dann hätte ich wohl besser, zwischen -den Ohren meines Rößleins durch, gerade vor mich auf -den Weg geschaut, wie mich Herr Bischof Heinrich, mein -geistlicher Reitlehrer und reisiger Beichtiger, gelehrt hat. -Da Ihr mich in Gefahr gebracht, mußtet Ihr mich freilich -auch beschützen.« – »O könnt' ich Euch auf meinen Armen -über alle Gefahren hinweg – durch's Leben – tragen.« -– »Gemach, Herr Ritter von Yvonne! Zunächst müßtet -Ihr mich dann tragen – in das Kloster, das zu schmücken -ich bestimmt bin.« – »Ihr seid noch nicht darin!« – -»Aber bald werd' ich's sein.« – »Arme Minnegard!« – -»Und armes Kloster!« – »Man kann Euch nicht zwingen.« -»Ich zwinge mich selbst. War es doch der letzte Wunsch -meiner sterbenden Mutter. Meine Oheime, die Bischöfe -von Köln und von Würzburg, kennen diesen Wunsch und …! -Oder vielmehr,« lächelte sie, – »weshalb wähnt Ihr, daß -es des Zwangs bedürfe? Warum soll ich nicht gern eine -Heilige werden?« »Weil's ein Frevel ist!« brach der -Junker los, »eine Sünde wider die Natur, die Euch holdes -Wunder, so wunder-anmutvoll geschaffen hat! O Minnegard,<span class="pagenum"><a id="Seite_43">[43]</a></span> -Ihr gleicht an holdem Reiz, an blühender Schöne -der Alpenrose, die Euerer wie meiner grünen Heimat Berge -schmückt. Ihr seid geboren, zu beglücken und beglückt zu -sein! Schon Euch anschauen ist wie heiße Qual, so heiße -Wonne, heiße Seligkeit! Und all dieser Reiz – er soll -verblühen? O viel edle Dame! Ich sah einmal – zu -Paris war's – in der Basilika der heiligen Genoveva – -hinter einem Gegitter von Golddraht auf dem Seitenaltar -schöne, wirklich wunderschöne vollblühende Blumen: Lilien, -Rosen, Krokus, – auch eine Alpenrose war darunter! – -Staunend trat ich näher: denn draußen lagen fußhoch Eis -und Schnee: allein ach! meine Freude schwand! Gemacht -waren sie, diese armen Blumen, aus Flitter, aus Lappen, -auf Draht gezogen, seelenlos, duftlos: – vielmehr ging -ein Geruch von Staub, von dumpfem Moder von ihnen -aus! – Das, o holde Alpenrose, ist die Nonne! Und -<em class="gesperrt">Ihr</em> solltet also vertrocknen? Diese leuchtenden Augen -sollten nicht Liebe strahlen? Diese roten, weißen, weichen -Lippen …« – »Hört auf, Herr Fulko von Yvonne! -Vernähmen es die Leute, sie dächten, Ihr wüßtet drum, -ob meine Lippen weich oder hart. Und davon wißt Ihr -doch so wenig wie …« – »Ach ja! wie Ihr von -meiner heißen Liebe!« – »Ei, meint Ihr? Ich glaube, -davon weiß ich doch ein wenig mehr!«</p> - -<p>Und sie schaute ihn dabei so freundlich an und sie -lächelte dabei so hold, daß er, kühn gemacht durch soviel -Huld, fortgerissen von soviel Liebreiz seine verlangenden -Lippen sehr nah unter ihren breitrandigen Jagdhut wagte. -»Oho, Reitersmann!« rief sie, sich weit von ihm abbeugend. -»Jetzt, – so scheint's – seid <em class="gesperrt">Ihr</em> gestolpert – -sehr stark sogar! Gemach! Sind das die gepriesenen -Sitten der Provence? Oder sind's die Sitten in Poetenland? -Man sagt, die Sänger brauchen den Mund mehr<span class="pagenum"><a id="Seite_44">[44]</a></span> -zum Singen denn zum Beten, mehr zum Trinken denn -zum Singen und noch mehr als zum Trinken zum – nun, -zu was anderem! Ihr pflückt wohl jedes Röslein an -Eurem Wege?« – »O Minnegard, wer kann Euch sehen -und noch nach anderem Reiz begehren? Und Küssen ohne -Liebe: – das ist niederträchtig!«</p> - -<p>Sein Auge blitzte in edlem Zorn, Glut schoß ihm in -die Wangen: er ließ ihm sehr schön, dieser heilige Zorn -der Reinheit. Sie sah zu ihm empor mit warmem Blick. -»Dank Euch, Herr Fulko! Das war ein schönes Wort. -Nie werd' ich's Euch vergessen! Ihr seid … Doch -nein! Wozu braucht Ihr zu wissen, wie Ihr seid? Könnt' -Euch am Ende eitel machen! Und unter Euern vielen, -wimmelnd vielen Fehlern hab' ich die Eitelkeit – noch! -– nicht entdeckt. Nicht mal auf Eure Liedkunst seid Ihr -eitel. Und das gehört doch sonst wohl zum Dichter wie -zum Pfau das Radschlagen? Ihr geizt mit Eurer Kunst. -Man muß Euch überlisten, sollt Ihr singen! Deshalb -hab' ich Euren Waffenträger bestochen, – ich verhieß ihm -ein Küßlein meiner Zofe: (denn sie lieben sich!) – heute -unter seinem Mantel versteckt Eure kleine welsche – wie -sagtet Ihr jüngst? Die Citole! – mitzunehmen. Seht -Ihr ihn dort hinten reiten? Da guckt an seinem Halse -das blaue Tragband hervor. Sind wir im Waldesgrunde -gelagert, dann, Herr Sänger von Yvonne, singt Ihr uns -ein Lied. Nicht wahr? Ich bitte!« – »<em class="gesperrt">Ihr</em> – <em class="gesperrt">mich</em> -– bitten? O vielsüße …!« – »Gemach! Ihr -sprecht zu einer künftigen Äbtissin. Singt Ihr uns?« – -»Gern. Aber – den anderen nicht. Dir, dir allein!« -Verweisend hob sie den Zeigefinger. »Man sagt: ›Euch, -Jungfrau Minnegardis.‹ – Ein altes Lied? Das ich -schon kenne?« – »Nein. Ein neues.« – »Wann gedichtet?«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_45">[45]</a></span></p> - -<p>»Noch gar nicht!« – »Ja, wie wollt Ihr dann Euer -Wort lösen?« – »Wie? O Herrin:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Lieg' ich nun bald im Moos zu deinen Füßen,<br /></span> -<span class="i0">In deines Auges Himmel will ich schaun:<br /></span> -<span class="i0">Begeistrung wird mir in die Seele taun,<br /></span> -<span class="i0">Aus meinem Lied dein eigner Reiz dich grüßen!«<br /></span> -</div></div> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IX.</h3> - -<p>Alsbald waren nun die ersten Bäume des »Königswaldes« -oben auf der Hügelkrone erreicht: schlanke hochstämmige -Buchen waren es meist schon damals, wie sie heute -an jenem schönen Fleck deutscher Erde den Wanderer erfreuen.</p> - -<p>Aber dazumal war der noch nicht durchforstete Urwald -noch viel häufiger und dichter mit Unterholz und Buschwerk -bestanden: daher nisteten dort viel zahlreicher als heute -die Vögel, deren noch zwei Jahrhunderte später Herr -Walther sich erfreuen mochte. Als die kleine Schar die -Raststätte, eine runde Lichtung, erreicht hatte, auf welcher -schon während der Jagd vorausgesandte Diener über das -weiche, hier in der Waldeskühle noch vom Tau funkelnde -Moos Decken gespreitet und Körbe und Krüge für einen -kurzen Weidmannsimbiß bereit gestellt hatten, stiegen die -beiden Paare von den Pferden und lagerten sich auf der -sammetweichen Waldwiese. Die Diener stellten das »Lägel« -Wein, die Zinnbecher und die mitgeführten Speisen zurecht -und gingen dann mit den Rossen seitab.</p> - -<p>Freudig glitzerte die Morgensonne des schönen Maientages -durch die Wipfel der hohen Buchen und warf auf<span class="pagenum"><a id="Seite_46">[46]</a></span> -den Waldboden ein goldiggrün Gegitter. Die Bienen, den -Sonnenschein suchend, flogen häufig um den Agelei und -die großblumigen Blauglocken, die an hochaufgeschossenen -Stielen nickten. Würzigen Harzduft atmeten im Sonnenbrand -die dunkeln Tannen, die hin und wieder neben der -milden »Frau Buche« wie ernste waffentragende Kriegsmänner -Wache zu halten schienen. Aus den dichten Wipfellauben -scholl bis herunter in der lauschenden jungen Paare -Ohr das kosige Girren und Gurren der Wildtaube und -weither aus der Tiefe des Buchwaldes klang der Goldamsel -metallischer Ruf. Gar schön war's und freudig auf der -stillen, sonnigen Waldwiese.</p> - -<p>Die warmblütige Tochter der Alpen empfand voll den -Zauber des Ortes, der Stunde: ihre fröhlichen hellbraunen -Augen suchten den feurigen Blick Fulkos: – sie hatten -nicht lang zu suchen: – er lag im dichten Gras zu ihren -Füßen. Denn den beiden Fräulein war über das hoch -aus dem Boden ragende Wurzelgedräng einer breitstämmigen -Buche als erhöhter Sitz ein weicher Teppich aus -Lombardenland gespreitet worden, so daß die beiden Jünglinge -tiefer lagerten.</p> - -<p>Auch Edel spürte wohl, daß Hellmuths Auge unablässig -nach dem ihren suchte; doch unerbittbar hielt sie die langen -Wimpern niedergesenkt, und mußte sie dieselben aufschlagen, -verstand sie es meisterlich, seinen Blick zu vermeiden.</p> - -<p>Fröhlich den blinkenden Zinnbecher schwenkend rief -Minnegard: »Wie wohlig ist's doch hier im Walde! Frisch, -aber doch nicht kühl, sonnenhell, aber nicht sengend! Und -alles in Laub und Blumen so jugendfroh! Das lieb' ich! -Es scheint, – in solcher Stunde – das Leben noch so -leicht, so einfach selbstverständlich! Und doch! – Was -mußte nicht alles geschehen, bis gerade wir vier Menschenkinder -an dieser Stelle, zu dieser Stunde zusammentrafen,<span class="pagenum"><a id="Seite_47">[47]</a></span> -zwei gute Gesellen, zwei herzvertraute Gesellinnen!« Und -sie griff mit der rundlichen warmen Rechten nach Edels -langen, schmalen, kühlen Fingern.</p> - -<p>»Das ist noch nicht genug!« rief Fulko. »Auch jeder -Gesell muß sich eine Gesellin gewinnen; was meinst du, -Freund?« Aber Hellmuth schwieg: denn Edel runzelte die -Stirn.</p> - -<p>»Es ist so kurz erst,« begann die Braune aufs neue, -»daß wir alle vier zusammengetroffen sind in dem freundlichen -Städtlein am gelben Main. Wir wissen noch gar -zu wenig voneinander. Wie wär' es, wenn wir hier einander -erzählten, was uns hergeführt und wie wir früher -gelebt? Eine Waldbeichte! Die Tauben da oben – hörst -du ihr zärtlich Gurren, Edel? – singen die Waldmesse -dazu.« »Ja, beichten wir!« fiel Fulko bei. »Aber Ihr, -schön Minnegard, macht den Anfang. Ihr habt gewiß -von uns vieren das meiste Unheil in der Welt angerichtet. -Uns anderen wird's dann leichter.« »Mein junges Leben,« -lachte sie, die weißen Zähnlein zeigend, »ist gar bald auserzählt. -Geboren bin ich fern im schönen Hochgebirg des -Bayerlandes, wo, an den Schroffen des Wettersteins, die -Partnach schäumend durch die Felsen bricht, die Kanker -murmelnd durch die Büsche zieht, die Alpenrose bis herab -zum Thalgrund blüht: dort ragt ein altes Schloß seit -grauer Zeit: – des Werto Fels: das ist mein Heimatthal, -auf jener Burg stand meine Wiege. Früh starb die -gute Mutter, bald folgte ihr der Vater, Herr Werinher -von Rothenburg, des Königs Graf im Sundergau. Da -ward mein Muntwalt sein Bruder, der Herr Erzbischof -Heribert von Köln; der ließ mich zu sich bringen an den -Rhein. Als ich den achtzehnten Winter vollendet hatte, -teilte er mir mit, der letzte Wunsch meiner Mutter habe -mich dem Kloster bestimmt: dieser Wunsch solle mir heilig<span class="pagenum"><a id="Seite_48">[48]</a></span> -sein. Ich erschrak! Thränen brachen mir aus den Augen. -Das Kloster, das mich aufnehmen soll, darf ich mir -wählen.«</p> - -<p>»Gut, sagt mir's vorher. Ich steck's in Brand,« grollte -Fulko leise.</p> - -<p>»Ich erbat vor allem Aufschub. Und da der Oheim -als Reichskanzler den Herrn Kaiser auf unabsehbar lange -Zeit nach Welschland über die Berge zu begleiten hatte, -gab er für immerdar die Vormundschaft über mich ab an -seinen jüngeren Bruder, den Herrn Bischof Heinrich, und -sandte mich hierher. <em class="gesperrt">Diesen</em> Oheim lob ich mir! Ist's -ein Mann!«</p> - -<p>»Ein Held ohnegleichen!« rief der wortkarge Hellmuth -begeistert und seine traurigen Augen blitzten dabei auf. -»Eine Faust von Erz!« »Und ein Herz von Gold!« ergänzte -der Sänger, den Becher frisch füllend und hebend. -»Ich trinke auf sein Heil!« »Wir thun Bescheid,« fielen -die andern ein und selbst Edels strenge Züge wurden -freundlich: sie stieß mit dem frohen Paare an; Hellmuth -machte gar nicht den Versuch, seinen Pokal ihrer Trinkschale -zu nähern. »Allein auch er,« seufzte Minnegard, -»hält es für Pflicht, dem letzten Wunsch der Mutter nachzuleben.« -»Wäre nur Frau Heilfriede nicht so fern,« -meinte Edel, mitleidig auf die Freundin blickend, »die -vieledle Gräfin, die hilfreiche, die ratkluge. Sie fände -wohl Rat auch für deine Not!« – »Ja, die vielgütige -Frau. Wie hat sie mir in Köln die Mutter ersetzt, solange -ihr Gatte, Graf Gerwalt, des Deutzgau's waltete.« -– »Hat sie doch sogar mich, die Fremde, wie eine Tochter -gehalten und gepflegt, als ich erkrankte, während mich Herr -Heinrich dorthin gesandt hatte, dich zu besuchen.« – »Und -in hohem Ansehen stand sie bei dem Herrn Kanzler.« – -»Dagegen hier sah ich sie noch nie im Bischofshof.« –<span class="pagenum"><a id="Seite_49">[49]</a></span> -»Sie weilt ja nun schon geraume Zeit mit ihrem Gemahl -in Welschland.« »Und noch nicht gar lange ist's her,« -ergänzte Hellmuth, »daß Graf Gerwalt diesen, den Waldsassengau, -erhielt.« »Die heilige Gräfin, wie wir sie alle -nannten,« fuhr Minnegard fort, »sah wohl mein Widerstreben; -ich glaube, sie hat auch einmal bei Herrn Heribert -für mich gesprochen Aber ohne Erfolg! So werde ich -denn –« und hier spielte schon wieder ein schelmisch Lächeln -um ihre Mundwinkel – »in irgend einem weltvergessenen -Klösterlein dereinst als ›heilige Äbtissin‹ für euch drei sündhafte -Weltkinder beten. Vielleicht, Edel, läßt du dich dort -vor meinem Altare trauen.«</p> - -<p>»Ich werde mich nie vermählen,« sprach diese gepreßt -und sah scharf in die Ferne. Gespannt folgten Hellmuths -Augen diesem Blicke. »Oho!« lachte der Ritter von Yvonne -und warf den krausgelockten Kopf in den Nacken. »So -hat schon manch Jungfräulein gesprochen, das als Urgroßmutter -starb. Die eine <em class="gesperrt">soll</em> nicht heiraten, die andere -<em class="gesperrt">will</em> nicht! Ja, soll die Welt aussterben? Zwingen muß -man euch zu eurem Glück, vielholde Thörinnen!« – -»Welcher Mann zwingt mich?« Scharf, wie drohend flog -die Frage aus Edels stolzen Lippen und ein blitzender -Zornesblick aus den hellgrauen Augen schoß auf Fulko. -»Nicht ein Mann, aber eine Frau, strenge Edel von Edelhag,« -erwiderte der rasch: »Frau Minne! Die ist doch -noch mächtiger denn Euer Herzenstrotz.« »Und,« forschte -sie bitter, »giebt es wirklich kein anderes Glück als Liebe -und Ehe?« – »Für das Weib – nein!</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Wenig weise wähn' ich das Weib,<br /></span> -<span class="i0">Welches weigert der Liebe den Leib<br /></span> -<span class="i0">Und süßem Sehnen die Seele:<br /></span> -<span class="i0">Freudlos verblüht sie, darbend verdorrt sie,<br /></span> -<span class="i0">Keinem zur Wonne, sich selber zum Weh!«<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_50">[50]</a></span></p> -<p>»Ich fand noch keinen,« sprach Edel laut und fest, »der -meiner Liebe wert.« Dabei wandte sie das stolze schöne -Haupt und sah mit zürnenden Augen Hellmuth voll in das -Antlitz; es war der erste Blick, der ihm heute ward. Der -senkte demütig den Kopf: »Ihr werdet nie einen finden,« -sprach er leise, nickend. »Doch, doch!« rief der Junker -von Yvonne. »Herr Hellmuth vom hohen Horst, trauter -Genoß, – das war – mit Urlaub der herben Jungfrau -dort sei es gesagt! – das war herzlich thöricht geredet. -Verdienen zwar kann der Mensch die Liebe überhaupt nicht:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Lenz, Leben, Liebe, Sonnenschein<br /></span> -<span class="i0">Kannst nicht als Recht verlangen:<br /></span> -<span class="i0">Drum mußt du fein bescheiden sein<br /></span> -<span class="i0">Und sie geschenkt empfangen.«<br /></span> -</div></div> - -<p>»Das ist hübsch,« rief Minnegard. »Ist gewiß provençalisch -Gewächs?«</p> - -<p>Der Sänger neigte sich höfisch und fuhr gegen Edel -gewendet fort: »Aber dieser Spruch gilt von Weib wie -von Mann. Die anders dächte, der sagte ich:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Der Starke ist der Schönheit wert<br /></span> -<span class="i0">Und gleich der Rose gilt das Schwert.<br /></span> -</div></div> - -<p>Und dir, du junger Aar vom hohen Horst, du Sieger -in fast so viel Gefechten als du Jahre zählst: – schon -nennt man dich weit über Frankenland hinaus bis zu den -Wenden den Rennespeer, den Junker Siegespeer! – dir -sag' ich: es lebt kein Mädchen noch so schön und noch so -stolz-gemut, dessen du nicht würdig wärest!« »Eia wohl!« -wollte Minnegard rufen, aber die Stimme versagte ihr: -sie erschrak, so zornig klang nun Edels Frage, die sie Hellmuth -zuschleuderte wie einen spitzen Speer: »Euer letzter -Sieg, Herr Ritter, war der zu Worms im Lanzenstechen -– nicht?« Er errötete über und über; er ließ das Haupt<span class="pagenum"><a id="Seite_51">[51]</a></span> -noch tiefer auf die Brust sinken und erwiderte, ohne sie -anzublicken: »Ich habe seither keine Waffe mehr geschwungen.« -»Ja, allen Heiligen sei's geklagt!« schalt Fulko laut. »Ein -Kopfhänger ist er seither worden! Kein Mensch begreift, -warum? Nach dem glänzendsten Siege, der seit Menschengedenken -in einem Stechen gewonnen ward, so erzählte -der Herr Bischof.« »Jawohl,« bestätigte Minnegard. -»Auch mir rühmte der Ohm – weiß nicht, Herr von -Yvonne, warum er uns beide damals zu Hause sitzen -ließ! – den Sieg des ›Rennespeers‹. Du aber, Edel, – -erzähle doch! – du warst ja mit dem Herrn Bischof damals -zu Worms.« »Jawohl,« fiel Fulko ein. »Wart -nicht Ihr es, edle Jungfrau, die damals den Siegesdank -zu reichen hatte?«</p> - -<p>Die Frage blieb ohne Antwort. Denn ungestüm sprang -Hellmuth auf. »Es wird schwül im Walde!« rief er und -ging mit langen Schritten auf und nieder. Und zornig, -schweigend, mit zusammengedrückten Lippen sah ihm -Edel nach.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>X.</h3> - -<p>»Halt an, Freund!« rief Fulko. »Du darfst nicht entweichen -mit deiner Lebensgeschichte. Beichte!« Hellmuth -erwiderte nicht, er strich nur das schlichte, kurze, dichte -Blondhaar aus den heißen Schläfen. »Jawohl,« pflichtete -Minnegard bei und haschte ihn, da er wieder an ihr vorüberstürmte, -am braunen, lang nachflatternden Mantel. -»Steht! Und steht Rede!« »Ist bald geschehen,« erwiderte -gelassen der Traurige. »Heiße, wie ihr wisset, -Hellmuth …« – »Trübmuth solltest du heißen!« – -»– vom hohen Horst. Fern, aus dem Lande der Ostfalen<span class="pagenum"><a id="Seite_52">[52]</a></span> -stammte der Vater. Der trat in den Dienst Sankt -Burchhards zu Würzburg. Als des Bistums Dienstmann -bin ich geboren und trage seit der Schwertleite des Bistums -Waffen. Das ist alles.« »Nein,« rief der Ritter -von Yvonne, »<em class="gesperrt">wie</em> du sie trugst, – <em class="gesperrt">das</em> ist die Hauptsache. -Noch zählst du nicht dreißig Jahre und seit vierzehn -Jahren hast du in keinem Gefechte gefehlt auf deutscher, -welscher, wendischer Erde, darin Sankt Burchhards -Fähnlein geflattert und jedesmal … –« »Bist du nun -fertig, Lobposaune?« schalt der Sachse, kurz vor ihm Halt -machend. »O nein, noch lange nicht!« lachte der Provençale. -»Denn du wirst noch lange ruhmreich weiterkämpfen -in Ernst und Spiel.« – »Glaubst du? In -einem Spielkampfe spiel' ich nie mehr mit. Ich hab's -gelobt. Nur in den nächsten Ernstkampf, der bevorsteht, -– in den reit' ich noch ein.« – Und als er wieder fern -von den anderen war auf seinem hastigen Gang, fügte er -bei: »und nimmermehr heraus!« – »Und du, schöne Edel, -vielgestrenge Vetterin, – willst du uns auch nicht mehr -Worte gönnen als dieser eiserne Rennespeer?« – »Noch -wenigere. Ihr wißt, ich bin von der Spindelseite eine -fern versippte Niftel der Herrn von Rothenburg, aber aus -Nordalbingien von der Eider stammen mir die Ahnen, von -den Markgrafen von Esesfeld. Weit von hier im Nordgau -lag meines Vaters Volkfried Lehen, nahe der Wendenmark. -Sie brachen gar oft ein, die wilden Berunzanen. -Und einmal trafen ihre weitgeschleuderten vergifteten Wurfdolche -den Vater vor der Burg am Edelhag bei Wolframsdorf …«</p> - -<p>»Ja, sind gar arg liebe Leute!« meinte Fulko, grimmig -lachend.</p> - -<p>»Sie drangen mit den Fliehenden in die Burg und -verbrannten sie mit meiner armen Mutter: – Muthgard<span class="pagenum"><a id="Seite_53">[53]</a></span> -hieß sie, nach einer Ahnin – und allem, was darin lebte. -Nur mich flüchtete, aus der Wiege mich reißend und aus -den Flammen, ein treuer Knecht in den Taubergau zu -meinen Gesippen nach Rothenburg. Dort und, seit Herr -Heinrich Bischof ward, hier, haben sie mich mit milder -Hand geborgen. Die Heiligen werden es den Gütigen -vergelten!« – Sie schwieg eine Weile. Dann fuhr sie, -weich geworden, fort, in das Ohr der Freundin flüsternd: -»Du <em class="gesperrt">sollst</em> ins Kloster, Liebe, und ich – <em class="gesperrt">will</em>.« Minnegard -erschrak. »Du wolltest – noch vor kurzem – so -wenig davon hören wie ich!« – »Jetzt aber will ich! -Der Herr Bischof scheint – – anderes zu wünschen. -Dürft' ich mit dir tauschen! So wär' uns beiden geholfen.« -»Aber wohl nicht allen,« lächelte das Kind der -Alpen, mit einem heiteren Blick auf Hellmuth. Jedoch -das Lächeln verflog ihr sofort, sowie sie Edels Auge, das -sie suchte, feindlich den Schritten des Junkers folgen fand. -Sie trachtete eifrig, das dunkle Gewölk solcher Stimmung -zu verscheuchen: – lachte sie doch selbst so gern und hörte -sie doch so gern andere fröhlich lachen! –</p> - -<p>»Nun,« rief sie mit ihrer glockenhellen Stimme, »Herr -Fulko von Yvonne, nun ist's an Euch. Da werden wir -wohl viel mehr Worte und viel weniger Wahrheit hören. -Seid Ihr doch ein Sänger: – oder wie sagt man jetzt -oft? – ein Dichter!« – »Gelogen ist nicht gedichtet, -schönes Fräulein. Ja, wer lügt, der ist kein Sänger. Und -mein Wahlspruch lautet: Wahre Schönheit ist schöne Wahrheit.« -– »Nicht ganz übel! – Nun, so sagt uns denn -auch schön die Wahrheit über – Euch! Nämlich! …« -– Sie schwieg beharrlich. – »Was will dies nämlich?« -– »Nämlich: – – ich kam einmal in Euere Kammer! …« -– »Nun?« – »Nämlich der Herr Bischof schickte mich: -– denn er wußte, Ihr waret fern: – mit den Junkern<span class="pagenum"><a id="Seite_54">[54]</a></span> -Hellmuth und Blandinus saßet Ihr, wie gewöhnlich um -die Mittagszeit, im schmalen Rebgarten des Hatharlin, -der den besten Wein verzapfen soll, unter seinen grünen -Bäumen … –« – »Weiß Dame Abonde, dort trinkt -sich's gut mit fröhlichen Gesellen!« »Der Herr Bischof, -der selbst noch zuweilen die Laute zupft wie in seinen -Welttagen, gebot mir, Euere Citole zu holen. Oder vielleicht -auch« – sie errötete – »erbot ich mich dazu an -Supfos des Kellermeisters Statt. Denn längst war ich -ein wenig neugierig, wie es wohl bei … Nun – ich -fand Euere große, große Truhe offen.« – »Hab' leider -keine Ursach', sie zu schließen!« – »Und fand – bei -Eurer welschen Laute! – gar sonderbare, mannigfaltige -Herrlichkeiten. – Beutestücke wohl? Siegeszeichen?« – -»Was meint Ihr da?« »Ei nun, welke Blumen, darunter -noch in der Welke gar schöne, mir unbekannte, wohl -an Durance und Garonne aufgeblüht, ganze oder auch in -der Mitte geteilte Schapel, seidene Bänder, buntfarbige -Schleifen, goldene Knöpflein, Ringlein und Spangen und -allerlei solch' Zeug. Wenn <em class="gesperrt">die</em> erzählen könnten, – was würden -wir da alles erfahren!« drohte sie mit dem Zeigefinger.</p> - -<p>»Daß Fulko von Yvonne mit Schwert und Laute durch -gar manches Herren Land geritten ist vom Pyrenäenberg -bis über den Main, daß er in gar mancher Schloßhalle -und mancher Kemenate gesungen und unverdientes Lob -gewonnen, auch gar manch' üppige Frau, manch' schlanke -Maid gesehen und schön gefunden und ihr das auch vorgesungen, -– aber nur Eine geliebt hat. Wollt Ihr deren -Namen wissen, Jungfrau Minnegard?« »Behüte! Mädchen -sind nicht neugierig,« fiel sie hastig abwehrend ein, -aber sie lächelte und errötete. »Jedoch ein anderes wüßten -wir gern von Euch: Euer Wesen schillert zwiefach: seid -Ihr ein Welscher oder ein Deutscher?« – »Beides, o wißbegieriges<span class="pagenum"><a id="Seite_55">[55]</a></span> -Fräulein. Ich verbinde beider Völker Tugenden.« -– »Oder doch Laster! Aber erzählt!« – »Mein Vater -war ein Neckarschwab; er kam auf einem Kriegszuge unter -Kaiser Ott dem Roten nach Frankreich: das schöne Land -gefiel ihm: er blieb nach dem Friedensschluß darin, nahm -Lehen von Kaiser Otts treuem Verbündeten, dem Grafen -Gottfried vom Ardennerland, zog mit diesem in allerlei -Fehden tief in den Süden bis in die Provence und erstürmte -dort einmal das feste Schloß Yvonne, das hoch -von steilem rotem Fels durch Rebgelände niederschaut auf -die wild schäumende Durance, nahm den Burgherrn, Graf -Eudo von Yvonne, gefangen und machte mit dem Graukopfe -wenig Umstände …« »Pfui, wie unmenschlich!« -schalt Minnegard. – »Nun, das ist doch zuviel gesagt. -Er that ihm gar nicht weh dabei, als er ihn … –« -– »Schweigt! Wie grausam!« – »Zu seinem Schwiegervater -machte.« Da lachte die Braune hellauf und selbst -das andere Paar konnte sich des Lächelns nicht erwehren.</p> - -<p>»Ja, das blieb nicht die einzige Unmenschlichkeit, die -er ihm anthat. Schon zehn Monate danach erhob er ihn -– aus lauter Ehrfurcht für sein graues Haar! – zu -noch höherer Ehre, indem er ihn –« – »Nun?« – -»Zu meinem Großvater machte. Meine Mutter aber, Frau -Jolanthe, war die wunderschönste Frau über all Septimanien, -Aquitanien und Provence. Noch jetzt ist sie gar -hold zu schauen, wie Ihr bald selbst sehen und gestehen -werdet, Jungfrau Minnegard. Gott segne ihre lieben -Augen. Heil mir: ich hab' sie niemals im Leben weinen -machen.« – »Das – das war ein hübsches Wort – das -beste, was ich noch von Euch gehört. Aber was schwatzt -Ihr da von Sehen? Wie sollte Eure Frau Mutter an -den Main kommen?« – »Aber <em class="gesperrt">Ihr</em> kommt – sicher! – -an die Durance. – – Der Vater sandte mich schon früh<span class="pagenum"><a id="Seite_56">[56]</a></span> -von Yvonne an die Lehnhöfe zu Orleans, zu Paris, zu -Givet: – denn ein Junker, meinte er, wird nirgends -schlechter erzogen als daheim. Von Givet aus geleitete -ich unseren Lehnsherrn, Graf Gottfried, zu dem jungen -Kaiser, der damals noch in Deutschland weilte, erhielt Urlaub, -unsere schwäbischen Gesippen am Neckar zu besuchen, -ward auf dem Rückwege hier von Bischof Heinrich, -altem Waffenbruder meines Vaters, väterlich aufgenommen -und … –« »Und es scheint Euch hier nicht übel zu -behagen,« meinte Minnegard. »Schon recht lange erfreut -Ihr den Main und uns durch Euren Anblick.« »Der -Bischof hat ihn gar lieb gewonnen, den Schalk,« sprach -Hellmuth, die Hand auf des Freundes Schulter legend, -»wie wir alle. Wir lassen ihn gar nicht wieder fort.« – -»Ja, ich lasse mich erbitten, noch zu bleiben. Denn ich -muß dabei sein, wenn Jungfrau Minnegard den Schleier -nimmt. Ganz notwendig muß ich dabei sein.« »Wie -schadenfroh!« schalt diese. – »Ich meine ja nicht den -<em class="gesperrt">Nonnenschleier</em>: – den <em class="gesperrt">anderen</em> meine ich!« flüsterte -er ihr ins Ohr, sich so nahe vorbeugend, daß sein braun -Gelock ihre Wange streifte. »Jetzt ist's Zeit, aufzubrechen,« -rief sie. »Es wird immer heißer hier im Walde.«</p> - -<p>Hellmuth und Edel sprangen hastig auf: sie fanden -das Beisammen kaum zu tragen; sie schritten dem Rastorte -der Rosse zu. Aber dem anderen Paare schien's nun -nicht so zu eilen: – auch dem Mädchen auf einmal nicht. -»Ihr habt noch ein Wort einzulösen,« mahnte sie, ruhig -sitzen bleibend. – »Ich weiß: ein Lied!« – »Nun wird -es zu Tage kommen, daß Ihr gar nicht, wie Ihr geprahlt, -aus dem Stegreif dichten <em class="gesperrt">könnt</em>.« – »Doch! Aber – -wenn's Euch dann nur auch gefällt. Ihr müßt's dann -nehmen, wie mir's aus der Seele bricht. Und bei mir -heißt's: Feuer in die Leier oder Leier ins Feuer.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_57">[57]</a></span></p> - -<p>»Nur zu! Fangt nur an. Ich fürchte mich nicht vor -dem Feuer. Ich gleiche der Schwalbe: die Kälte verscheucht -mich, die Wärme zieht mich an. Da! Nehmt!« Sie -reichte ihm die kleine, zierliche, welsche Laute, die sie schon -vorher neben sich bereitgelegt hatte. Er strich einmal über -die Saiten, hob das schöne Gesicht in recht bedrohliche -Nähe zu dem ihrigen, sah ihr tief, suchend, in die haselbraunen -Augen und hob an:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Zu deinen Füßen lieg ich hier<br /></span> -<span class="i2">Und schau' dir in die Augen:<br /></span> -<span class="i0">O könnt' ich all dein Wesen mir<br /></span> -<span class="i2">Heiß in die Seele saugen!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Du trägst empor zu Sternenhöhn<br /></span> -<span class="i2">Die glanzbeglückten Sinne:<br /></span> -<span class="i0">Du bist so schön, so zauberschön,<br /></span> -<span class="i2">So wonnig wie Frau Minne.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Streifst mein Barett nur an dein Kleid,<br /></span> -<span class="i2">Durchrieselt mich's wie Feuer:<br /></span> -<span class="i0">Du meine Qual und Seligkeit,<br /></span> -<span class="i2">Du mehr als Gott mir teuer!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Man sagt, bald wird die Welt verwehn<br /></span> -<span class="i2">In Brand und Funkenstieben:<br /></span> -<span class="i0">Doch nicht in Glut kann untergehn<br /></span> -<span class="i2">Mein noch viel heißres Lieben.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Liebe, die ich – unerkannt! –<br /></span> -<span class="i2">Fühl' hier im Herzen schlagen,<br /></span> -<span class="i0">Sie wird dich durch den Weltenbrand,<br /></span> -<span class="i2">Ein Flammenmantel, tragen!«<br /></span> -</div></div> - -<p>Bei der letzten Zeile sprangen beide, heiß bewegt, auf: -die Laute flog in das Moos, und wer weiß, was das -Rotkehlchen, welches neugierig aus der Weißdornhecke auf -das Paar hervorguckte, würde zu sehen bekommen haben, -– hätten nicht gerade in diesem Augenblick die Diener -den Zelter des Fräuleins herangeführt.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_58">[58]</a></span></p> - -<h2 id="Zweites_Buch">Zweites Buch.</h2> -</div> - -<h3>I.</h3> - -<p>Der Herr Bischof von Würzburg war nicht recht mit -sich zufrieden.</p> - -<p>Er sagte sich das, wie er an einem heißen Nachmittag -in der Bücherei auf und nieder wanderte. »Schon all -diese Zeit her ist mir nicht geheuer, seit ich Berengar entsendet -habe; eigentlich doch mehr nur: habe ziehen lassen. -Und ich hab' ihm streng eingeschärft, noch nicht abzuschließen -mit den wilden Wenden. Ich scheue mich, sie in den Gau -hereinzurufen, am Ende gar in die Stadt einlassen zu -müssen. Wenn diese Heiden …« Er blieb plötzlich stehen -und griff mit der Hand an die heiße Stirne.</p> - -<p>»Ah bah,« fuhr er, wieder ausschreitend, fort, »ich -habe doch schon oft schlimmes Kriegsvolk in Zucht gehalten, -werd' auch mit diesen fertig werden. Der erste, der stiehlt, -hängt. – Es ist nicht das! – Aber gegen den Kaiser! -Gegen den deutschen König! Gegen diesen Jüngling: – -er, seine Mutter, sein Vater haben mich mit Huld, mit -Ehren überhäuft. Undank wird er's nennen. Er – und -die Welt! Ich trotze dem lauten Wort der ganzen Welt, -wenn das stille Wort hier – hier in der Brust mich freispricht. -Und es <em class="gesperrt">muß</em> mich freisprechen. Ich <em class="gesperrt">muß</em> Sankt -Burchhards Rechte wahren! – Wäre doch Arn zurück mit<span class="pagenum"><a id="Seite_59">[59]</a></span> -der Entscheidung des Papstes. – Ja: die Entscheidung! -Wäre ihre Stunde doch da! – Inzwischen verzehrt mich -die Ungeduld! – Immer beten! – Kann's nicht! – Und -auch nicht immer lesen! – Es ist so eng, so dumpf, so -staubig hier unter all den alten Pergamenten! – Ich -bin büchermüde. Menschen will ich sehen! Hinaus ins -Freie! Aber was draußen thun? Fechten darf ich gar -nicht mehr. Jagen soll ich nur zahm und selten. Der -Bischof, der Priester soll –! O Weh und Pein! Der -Priester! Warum Priester, warum? Ah falsches, treuloses -Weib! Was hast du zu verantworten! Was hast du angerichtet -in mir, Verräterin!« Und er drückte die geballte -Faust vor das Auge.</p> - -<p>»Der Priester, – der Bischof – was kann er thun -draußen unter den Menschen? Ihnen wohlthun! Ja, -und das will ich! ›Seelsorge!‹ Schönes Wort! ›Herzenssorge‹ -wäre auch gar schön, aber wer auf Herzen baut –! -Ah was! Fort damit.</p> - -<p>Geht es dir schlecht, soll's andern desto besser gehen! -Hinaus, Heinrich, und hilf, wo du kannst!«</p> - -<p>Er stieß den halbgeschlossenen Laden auf und blickte -über die Stadt hin gegen den Main.</p> - -<p>»Die Sonne geht zu Gold. Bald sinkt sie hinter die -Buchenwipfel des Königswaldes. – Aber noch ist's Zeit -genug, Gutes zu wirken, bevor der Tag verronnen ist. -Es kommt die Nacht, da niemand mehr wirken mag. Die -Nacht! Am Ende gar – für diese Welt – bald die -ewige Nacht.«</p> - -<p>Er schritt aus dem Büchersaal in das Vorgemach, -dann auf den breiten Gang, in welchen die Holztreppe -mündete, stieg diese herab und wollte sich der Hauptthüre -zuwenden, die aus dem Bischofshause ins Freie – in der -Richtung nach Westen, gegen die Brücke hin, – führte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_60">[60]</a></span></p> - -<p>Allein in der Mitte der Vorhalle ward er angerufen -von einer Stimme, die aus der Unterwelt emporzudringen -schien. »Hezilo! Herr Graf! – Hochwürdiger Herr -Bischof, wollt' ich sagen.« – »Du, Supfo? Was soll's? -Was willst du?«</p> - -<p>Und er wandte sich zur Rechten, wo einige Stufen in -die Keller des Hauses hinunterführten. Auf der obersten -derselben tauchte jetzt dort eine behäbige drollige Gestalt auf, -die aus lauter aufeinandergesetzten Kugeln aufgebaut schien.</p> - -<p>Kugelform hatte das grüne Mützlein aus steifem Wolltuch, -das, vorn höher als hinten, etwas schief auf dem -rundgeschorenen Grauhaar des runden Kopfes saß. Aus -dem ganz glattgeschorenen Gesicht traten die stark geröteten -Wangen halbkugelig hervor unter den runden vergnügten -Äugelein, die frisch und hell in die Welt schauten; unter dem -hellbraunen Schurzfell erhob sich ein Bäuchlein, das sich der -Kugelgestalt nach Kräften zu nähern trachtete und auch die -roten Wadenstrümpfe zwischen Knie und Knöchel hatten -Mühe, ihren geschwellten Inhalt zu bergen. Fröhlich, treuherzig -und dabei recht gescheit, ja schelmisch-witzig war der -Ausdruck der angenehmen Züge: auch Herrn Heinrich schien -der Anblick zu vergnügen: heiter ward seine bewölkte Stirne, -während er auf die Antwort des dicken Männleins wartete. -Diese kam etwas langsam, denn der Rundliche hinkte ein -wenig beim Ersteigen der Stufen und schnaufte ganz gewaltig. -»Uf! Heiß ist's im lieben Würzburg im Brachmond -sogar im kühlen Keller.« »Ja freilich,« drohte der -Bischof lächelnd, »wird dem Kellermeister warm, wenn er -so fleißig seines Amtes waltet – im Vorkosten! Aber -was willst du?« – »Was ich will? O Hezilo, lieber -Herr, – das krieg' ich doch nie wieder.« – »Was ist's?« -– »Meinen Hezilo von ehemals möcht' ich wieder haben! -Den aus der guten Rothenburger Zeit. Hei wie wir<span class="pagenum"><a id="Seite_61">[61]</a></span> -jagten mit dem alten Rado in dem waldgrünen Taubergrund! -Den <em class="gesperrt">Grafen</em> Heinrich möcht' ich wieder haben, -den jagdfrohen, waffenfrohen, weinfrohen, frauenfrohen …« -Hier furchte der Bischof die hohe Stirn. »Den weltfrohen -Liebling von Jung und Alt, von Mann und Weib!« -»Ja, Vielgetreuer,« seufzte Herr Heinrich, »der ist gestorben -und begraben! Lange schon!« – »Ich weiß! Ich weiß! -Weiß auch den Todestag, die Todesstunde – zu Pfingsten -war's. – – Hätt's nie von ihr geglaubt! Der arme -Herr!« brummte er unhörbar. »Schad' um Euch, Graf -Hezilo! Was war's für eine Freude, mit Euch leben im -Frieden, und im Krieg erst recht! Wißt Ihr noch den -schlimmen Julitag von Squillace? Wetter und Strahl, -dort in Kalabrien war's doch noch heißer als hier am -Main! Da Ihr – Ihr allein den Herrn Kaiser Ott den -Jüngeren – noch seh ich ihn vor mir in seinem jugendlichen -welligen roten Bart! – vor der Gefangennehmung -gerettet habt? Sie glauben falsch, diese Saracenen, aber -dreinschlagen thun sie ganz richtig. Auf einmal waren sie -da, wie vom Himmel heruntergeflogen, unzählbar viele! -Nichts sah man mehr – vorn, hinten und links – als -ihre weißen Flattermäntel fliegen! Es war wie ein unabsehbar -Schneegestöber.«</p> - -<p>»Ja,« fiel Herr Heinrich eifrig ein. »Und welch' ein -furchtbar Kampfesfeld für uns! Ich hatte treu davor -gewarnt, von der breiten alten Straße oben auf den Berghöhen -herabzuziehen auf den Schmalpfad unten an der See. -Nun hatten wir's! Vorn und hinten die Araber zu Roß: -auf den Felsen aber zur Linken – wie steil stiegen sie -empor! – die arabischen Pfeilschützen zu Fuß, unsichtbar, -unerreichbar: und hart zur Rechten – das brausende -Meer, gierig, jeden Ausgleitenden zu verschlingen.« »Wie -viele starben damals,« fuhr Supfo fort, »des Herrn Kaisers<span class="pagenum"><a id="Seite_62">[62]</a></span> -Entkommen zu decken! – Wißt Ihr noch, wie er zuletzt -– auf geliehenem Roß! – in das Meer hineinsprang -und schwimmend ein Schifflein erreichte?« – »Da fielen -alle um ihn her, Herr Richari, sein Lanzenträger, und die -Markgrafen Berchtold und Günther, die Grafen Udo, mein -Vetter, Gebhard, Ezelin.« – »Landulf von Capua und -Atenulf, die edeln Langobarden.« »Und sogar der alte -ehrwürdige Herr Bischof Heinrich von Augsburg kämpfte -dort und starb für seinen Kaiser. Beneidenswerter Tod -für einen Bischof!« seufzte Herr Heinrich. – »Da lag sie -hingestreckt, seine ganze Stechschar. Nur Einer daraus -stand noch aufrecht, seine Flucht zu decken. Aber zu Fuß, -denn das eigne Pferd hatte er dem Kaiser aufgedrängt, -da dessen Rotroß, von Pfeilen gespickt, unter ihm zusammengebrochen -war. Und dieser, stets der vorderste am Feind, -im Weichen der letzte, der hieß – Heinrich von Rothenburg.« -– »Nein! der vorletzte hieß so. Denn der letzte, -der den Schild über mich hielt, der hieß Supfo, der von -der Taubermühle. So oft ich dich den linken Fuß ein -wenig nachschleppen sehe, denk' ich des Schwerthiebes, den -du damals für mich aufgefangen.« »Bah,« lachte Supfo, -»der Heide, der den Hieb schlug, ist doch schlimmer daran. -Zwar schleppt er den Fuß nicht nach, aber auch den Kopf -nicht mehr mit! – Ja, das waren noch Zeiten! Achtzehn -Jahre sind's nun bald! – Aber auch noch nach des Herrn -Kaisers frühem Tode erging's uns gar gut. Wir sonnten -uns unter der warmen, – recht warmen! – Gnade der -schönen Kaiserwitwe. Weiß Sankt Kilian, Ihr und ich, -wir beide regierten damals die Frau Regentin samt dem -heiligen römischen Reich!«</p> - -<p>Herr Heinrich mußte lachen.</p> - -<p>»Als der falsche Vetter von Bayerland sie verriet, ihren -Knaben stahl, das Reich an sich riß, viele, viele geistliche<span class="pagenum"><a id="Seite_63">[63]</a></span> -und weltliche Fürsten abfielen von der vereinsamten Witwe -und ihrem guten Recht, da habt Ihr bei der vielschönen -Griechin nahezu allein ausgeharrt, – wie einst bei ihrem -Gatten in der Schlacht – ein Turm in ringsher brandender -Flut, und habt endlich ihre Sache zum Siege durchgekämpft. -Das war lustig. Fast jede Woche ein Gefecht! -Und jed' Gefecht ein Sieg. Und die Sieger immer Ihr -und Graf Gerwalt.«</p> - -<p>Der Bischof schloß die Augen.</p> - -<p>»Und in dem Hoflager der Regentin die edle, holde -Jungfrau Heilfriede! Wie oft hat sie nach erfochtenem -Sieg Euch den Helm mit Eichenlaub gekränzt! Euch oder -Graf Gerwalt.«</p> - -<p>»Was hast du von des Grafen Gerwalt Eheweib zu -schwätzen?« – Recht unwillig war das gefragt. – »Und -wozu riefst du mich an?«</p> - -<p>»Zu nichts Bösem wahrlich! Ich wollt' Euch bitten, -den Lautertrunk vom vorvorigen Herbst zu kosten: ich sag' -Euch – der ist fein geraten!« – »Ist mir nicht danach -zu Mut. – Mich rufen Pflichten.« Und er wollte sich zur -Thüre wenden, aber der Kellerer hielt ihn am langen porphyrroten -Bischofsgewande fest.</p> - -<p>»Auch <em class="gesperrt">das</em> ist Pflicht, zu erproben, wie herrlich der -milde Himmelsherr Eurer müheschweren, klugen, ja weisen -Arbeit gelohnt hat. Viele Jahre sind's nun, seit Ihr, – -kaum waret Ihr hier eingesetzet – befohlen habt, auch die -unwirtlichen Hügelhalden im Norden der Stadt dem Weinbau -zu gewinnen. Eitel Geröll und Gestein bis dahin! -Den ›Stein‹ schalten die unzufriedenen Bauern den ganzen -unnützen Berg, auf dem nur ein paar Ziegen kletterten. -Aber die liebe Mittagssonne liegt darauf so lang und so -heiß sie irgend <span id="corr063">kann</span>! Die Blust der Trauben verweht -dort nie ein rauher Wind: – des Berges hoher und breiter<span class="pagenum"><a id="Seite_64">[64]</a></span> -Rücken schließt ihn aus. Schwer Geld hat's Euch gekostet, -die edelsten Rebschößlinge tief aus Welschland zu beziehen: -– den ersten habt Ihr mit eigener Hand gepflanzt und -gesegnet, und unverdrossen habt Ihr all die Jahre lang bei -dem müheharten Winzerwerk selbst mitgearbeitet in Sommerbrand -und in Herbstnebel. Zum erstenmal nun kelterten -wir vor zwei Jahren dies welsche Gewächs auf ostfränkischem -Boden – treu und liebevoll, wie eines Liebchens, -pflegte ich des Fasses! – und nun kommt in den Keller -und schmeckt, genießt, was Ihr da Köstliches geschafft. Es -rollt wie flüssig Feuer durch die Adern. Noch späte Enkel -werden Euch drum danken.« – »Ich hab' gelernt, der -Menschen Dank entsagen. Ich gehe, um …« – »Nein, -Herr, bitte, bleibt nur noch ein weniges. Ich … ich -habe Euch im Keller etwas mitteilen wollen: – es wäre -gerade der rechte Ort dafür gewesen: auf einem Fäßlein -sitzend und von Weinduft umweht – so muß man das -lesen und anhören. Denn es ist …« er lachte herzlich. – -»Nun was ist's?« – »Ein Brieflein von Arn!« – »Wie? -Von Arn? Aus Welschland? Wohl gar aus Rom? -Was? An dich schreibt er und mich, der ich so schmerzlich -auf Nachricht, auf Entscheidung warte, mich läßt er ohne -Kunde? Das ist ja …« – »Nein, nein, Herr Graf, -es ist kein Unrecht wider Euch: – Ihr werdet's gleich -selbst einsehen: aber, bitte, laßt Euch einen Augenblick nieder -– dort auf der Hallenbank.« – »Ich nicht! Aber du! -Dein Fuß! Verzeih mir, Freund, daß ich dich so lange -stehen ließ.« Und fürsorglich geleitete er den Humpelnden -an die Bank und ließ ihn auf dieselbe niedergleiten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_65">[65]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>II.</h3> - -<p>»Wie gut er ist!« flüsterte der Runde. »Und immer -so allein! So trübselig! Unter den verwünschten heiligen -Pergamenten. Gott verzeih mir's: ich wollte sie wären -lauter Fässer voll Stein und Leisten!« – »Nun also! Was -schreibt mein träger Bote?« – »Vor allem, er ist noch -nicht in Rom. Der Brief ist geschrieben in einem Dörflein -hinter Florentia und erst vor einer halben Stunde -brachte ihn ein Laienbruder aus dem Sankt Gundberts -Kloster zu Onoldesbach (dem mußt' ich doch den Willkommbecher -vom Fasse füllen!) dort, bei den guten Mönchen, -liegt Arns Reitknecht wund: er stürzte mit dem Gaul schon -auf dem Brennerberg und schleppte sich seither all den -weiten Weg durch Bayerland und Schwabenland bis in -unser liebes Franken. Darum währte das so lang. Nun -hört, was der wilde Bayer schreibt: mir ist, ich seh' ihn -vor mir und hör' ihn! Die armen Welschen, die ihn angehen -wollen! Der Riese steckt zwei von ihnen, wie etwa -Euer zwiebelgelber Berengar ist, unter jeden Arm und trägt -sie ins Wasser wie junge Katzen.</p> - -<p>›Unsern huldvollen Gruß und geistlichen Segen zuvor -…‹« »Der Unverschämte!« lachte der Bischof. – -»Unserem lieben und getreuen, aber durstigen Supfo. -›Meinem gnädigen Herren, dem Bischof, hast du sofort zu -melden, daß nichts Entscheidendes zu melden ist.‹« – »Noch -immer nicht! Ja freilich, wenn er erst bei Florenz ist!« -– »Verzeiht, Herr Hezilo, der Brief ist ja viele Wochen -alt: – wegen des Boten, der lange Zeit schon zu Wilten -am Fuße des Brennerberges liegen bleiben mußte: – einstweilen -muß der Bayer längst am Tiberstrom angelangt, -ja er kann schon bald wieder zurück sein! – ›Dem hochehrwürdigen<span class="pagenum"><a id="Seite_66">[66]</a></span> -Herrn Bischof – oder wie ich lieber sage – -denn so durft' ich sagen in den schönsten Jahren meines -Lebens! – dem tapfern Herrn Grafen also Gott zum -Gruß voraus. Aber dann gleich Weidmannsheil und Weinfreude -vollauf!</p> - -<p>Schon einige Male hab' ich ihm durch Boten Nachricht -gesandt, wie es mir ergangen auf meiner frommen -Fahrt, zu der er mich unfrommen Jägersmann auserkoren -hat. Wundert mich nur, daß er mir nicht Rado, den -Heiden, mitgegeben hat als Begleiter. (Grüße mir den -Alten und er soll mir noch ein paar Stück Wild übriglassen -im Grafenwald!) Hat meine Aussendung Herrn -Heinrich der heilige Geist eingegeben, so war der gerade -in sehr guter Laune. Denn mir geht's soweit ganz gut. -Lieber zwar ritt ich mit Junker Hellmuth auf die Wolfsjagd -oder säße mit dir, Freund Kugilo, in dem geheimen -Kellerverschlag, wo du Schlauer die Griechenweine birgst, -und mit dem lustigen Junker Fulko: – grüß' ihn schön, -und sag' ihm, ich habe zwischen Main und Arno keine -zweite Minnegard gesehen, ja keine, die würdig wäre, jener -ersten den Strumpf über den feinen Knöchel zu streifen.‹« -»Ich werd' ihm!« unterbrach heftig der Bischof. »Du -unterfängst dich nicht, dem kecken Provençalen …! So -weit ist das schon? Nun, warte Jungfräulein! Das führt -dich noch rascher ins Kloster.« Supfo wollte etwas einwenden, -aber dies zornige Antlitz vertrug jetzt kein Widerwort; -so fuhr er fort: »›Als daß ich hier im heißen -Welschland erkunden soll, – höchst überflüssigerweise! – -ob nicht demnächst die Welt untergehen wird. Es fällt -ihr gar nicht ein. Sie schaut gar nicht danach aus! Zwar -wahr ist: je weiter man gen Mittag reitet, desto häufiger -findet man diesen dummen Wahn in den Köpfen der Leute -und desto verbissener und versessener sind sie darauf. Aber<span class="pagenum"><a id="Seite_67">[67]</a></span> -das macht nicht die größere Weisheit, sondern die größere -Hitze, bei der ja die klügsten Rüden, die oft viel gescheiter -sind als die Menschen, toll werden. In Augsburg glaubte -noch kein Mensch daran: – nur ein paar Nonnen! – in -Bozen schon viel mehr Leute, auch Weltliche: in Mailand -ist noch kaum ein Vernünftiger – ausgenommen Herrn -Heinrichs Bruder, der Herr Erzbischof Kanzler Heribert: -– der sagte mir: er glaube es erst, wenn's der Herr -Papst befehle …‹« Der Bischof nickte: »So schrieb mir -Heribert, und also halt' ich's auch.« Der Runde legte das -Pergamentblatt nieder auf seine Kniee und sah ihn an – -mit einem vielsagenden Lächeln. »So – –?« fragte er -gedehnt. »So? – Ich … ich halt' es anders.« – -Rasch, wie um einer Frage zuvorzukommen, las er weiter. -»›Vollends aber in dieser sonst gar lieblichen Stadt Florentia! -– ich kenne sie gut von früher! – jedoch davon -alsbald. Es ist mir also immer gut gegangen, Freund -Supfissimo, wie man dich hier zu Lande nennen würde, -abgesehen von der landesgebräuchlichen grausamen Hitze: -die verträgt mein zottiger Kopf und mein vollblütiger Leib -gar schlecht. Denn siehst du: die unsinnige Hitze macht -unsinnigen Durst, der unsinnige Durst macht ein Trinken, -das auch nicht alle Tage sinnig bleibt und dann macht das -starke Trinken wieder noch stärkere Hitze und so geht es -in der Runde fort wie beim Rosenkranzbeten.</p> - -<p>Zumal ich doch die edle Gottesgabe, die hier wächst -– fast schwarzrot ist der starkduftende Feuerwein! – -wahrlich nicht wie diese erbärmlichen Welschen mit sündhaftem -Wasser verschänden werde. Nun, und im Rausch -giebt's dann manchmal einen gelinden Raufhandel. Denn -mich macht der Rausch nicht weinerlich, sondern minnegehrend -wider die Weiblein und kampfgehrend gegen die -Mannsleut' –‹ Ich muß schon sagen,« unterbrach sich<span class="pagenum"><a id="Seite_68">[68]</a></span> -der Dicke hier, »einen gar frommen Boten habt Ihr an -den heiligen Vater geschickt. Der wird eine Freude haben -an Arn aus Bayerland! – ›Trittst du aus den kühlen, -kellergleichen Weingewölben auf den glutheißen, in grellstem -Sonnenbrand bratenden Marktplatz so einer welschen Stadt, -dann glaubst du ohnehin, du stehst mitten in einer sausenden -Windmühle: so geschwind drehen sich Säulen und Kirchen -und Bettelbuben und Heiligenbilder und Cypressen und -Marktweiber um deinen armen Schädel. – Nun, und da -bin ich auch schon manchmal einem schwarzlockigen, glutäugigen -Mägdlein oder auch einer Ehefrau – man kann's -doch nicht immer gleich erraten, zumal sie hier ihre Ringhand -mit Handschützen zudecken! – nachgestolpert … –‹«</p> - -<p>Hier sah sich zur Abwechselung der Bischof zu einer -Unterbrechung veranlaßt: »Nun warte, Bayer! Geht die -Welt <em class="gesperrt">nicht</em> unter, sollst du mir fasten und dursten, daß -dir die Üppigkeit vergeht.« »Hilft nicht. Kommt nicht -wieder!« meinte Supfo trocken und las weiter. »›Schon -in Verona, in Mailand hab' ich daher leider manchen -Degenstoß auffangen und zurückgeben müssen, wenn mir -so ein neugieriger Vater, Bruder oder wenig duldsamer -Ehemann dabei in den Weg lief. Aber in dieser schönen -Stadt Florentia: – das gab einen Spaß ohnegleichen! -Schon lange erzürnte mich, daß, je tiefer ich in das schöne -Land hineinreite, desto mehr die Hitze zu- und der Verstand -abnimmt, so daß sie mir achselzuckend ›barbarische -Wildheit‹ an den Kopf werfen, weil ich an jenes Gewäsch -vom Weltende nicht glaube.</p> - -<p>Hatt' ich mich da in meiner Herberge den ganzen Abend -herumgestritten mit zwei edlen Florentinern und zwei -Mönchen von Cluny – die nicht zu trinken, sondern zu -bekehren in die Weinherbergen gingen, tranken zwar doch -bei der Bekehrung, aber ich mehr als alle vier! – und<span class="pagenum"><a id="Seite_69">[69]</a></span> -als der eine Pfaff boshaft wurde und von ›dummen -Deutschen‹ und ›groben Bayern‹ sprach, erklärte ich, ihn -hinausthun zu müssen: – und zwar, weil's näher sei, zum -Fenster: – es war nämlich im Erdgeschoß und nicht gar -zu hoch – und da ich es ihm einmal versprochen, ließ -ich ihn auch nicht lange warten. Sein Genosse entwich -kreischend durch die Thüre. Aber da die beiden florentinischen -Valvassori dem andern helfen wollten, hatte ich -sie diesem vorausschicken müssen. Nun, so was bringt das -Blut in leise Wallung. Und wie ich nun den Schlaf -suchen will auf meinem elenden Lager – ungleich weniger -Strohhalme denn Flöhe barg der Sack, der also richtiger -ein Floh- denn ein Strohsack würde geheißen haben, von -anderem Getier, nicht so groß wie Skorpione, aber viel -häufiger, zu schweigen! – da ertoset ein unglaublich Heulen -und Winseln auf dem weiten Platz vor meinem Fenster, -als ob tausend Teufel tausend alte Weiber zwackten. Ich -springe mit einem Salzachfluch ans Fenster und seh' im -Mondschein und im Licht von düster rotflammenden Pechfackeln -einen langen, langmächtigen Zug von Pfaffen und -Laien und Männern und Weibern und Kindern und gewaffneten -Valvassoren und schön geputzten Edelfrauen und -zerlumpten Bettlern, alles einträchtiglich nebeneinander, und -all das wälzt sich, betend und singend, gegen die alte -Basilika mir gegenüber. Und trugen eine Menge Wachskerzen -und Fackeln und Kreuze und Bandièren und Heiligenbilder: -und heulten aus eitel Furcht vor dem nahenden -Tod und Teufel und Weltgericht, daß es die Steine erbarmte; -oder doch die Hunde von Florenz, denn die heulten -mit gottsjämmerlich. Und scholl's da durcheinander auf -Latein und auf Welsch und sangen: ›Wehe! Reue! Buße! -Besserung! Glaube! Der Diabolus droht. Das Weltgericht! -Und vorher geht umher der Antichrist.<span class="pagenum"><a id="Seite_70">[70]</a></span>‹</p> - -<p>Gute Nacht, Schlaf! sagte ich. Flöh' im Stroh, vor -dem Fenster Weiber, Hunde, Pfaffen heulend um die Wette -– mir ward's zuviel. Gut' Nacht, Florentia, denk' ich. -In hellem Zorn lauf' ich hinunter in den Stall – ziehe -meinen Hengst heraus – den Reitknecht hatte ich schon -vorausgeschickt nach Germinianum: denn der hatte – er -ist aus Passau und ein wenig grob! – mit dem Wirte -einen unerheblichen Raufhandel gehabt: – drei Zähne, -aber nur florentinische! – Und will auf und davonreiten -noch in der Nacht. Suche aber den Wirt, weil ich die -Zeche immer zahle, wie hoch sie sei. Alles leer! Wirt -und Wirtin und Kammermagd und Stallknecht: – alle -halfen wohl da draußen das Ende der Welt herbeiheulen. -Und wie ich durch all die kleinen engen Kammern laufe -– (in wahren Mauslöchern hausen sie, diese Welschen! -Warum? Liegen immer auf der Straße) … Jetzt weiß -ich aber nicht mehr, wie ich den langen Satz angefangen -habe, denn auch hier in Germinianum ist der Wein ziemlich -stark: ich mußte ihn sogar auch in die Tinte träufen -(<em class="antiqua">atramento</em> sagen sie hier), und ist immer im Eintrocknen, -wegen Hitze der Natur und Seltenheit des Schreibens … -also hier geht es mit den Worten nicht ganz zusammen, -wohl weil die Tinte – nicht ich! – des Weines allzuviel -getrunken, aber du wirst es schon verstehen – also daher -finde ich keine Seele. Aber in einer Gewandkammer, in -die der Mond voll hineinscheint, wär' ich schier erschrocken. -Denn da hing einer. An einem Thürhaken. Sah aus -wie der leibhaftige Teufel, etwa wie ihn die Buben bei -uns am Ostersonntag auf der Bleichwiese vor der Stadt -verbrennen im Osterfeuer. Schwarze Tarnkappe mit zwei -Gemshörnern, schwarze Kapuze, glühendrote Augen, rote -Zunge, lang heraushängend aus bleckenden weißen Beißzähnen -– Fledermausflügel an den Schultern – langer<span class="pagenum"><a id="Seite_71">[71]</a></span> -schwarzer Mantel, der die ganze Gestalt verhüllt – eine -zweizinkige Feuergabel lehnte daneben. Die Welschen haben -solche Mummerei im Hornung. Ein lustiger Gesell hatte -wohl für manchen vertrunkenen Krug Chlavintowein den -kostbaren Seidenmantel als Pfand zurückgelassen. Die -Verlarvung sehen und laut aufschreien vor Spaß war eins -bei mir! Flugs stak ich drin: vom Hirn bis zum Knöchel -der Teufel. Flugs auch saß ich auf meinem schwarzen -Gaul und, die Zackengabel schwingend, jage ich, was das -Roß nur laufen kann, schreiend, wie auf einer Salzburger -Hochzeit, plötzlich in den heulenden Zug. Von der Seite -her kam ich: ganz ungesehen, bis ich mitten drin war unter -den heulenden und zähneklappernden Weibern und Pfaffen. -Da schrie ich in meinem besten Florentinisch: ›Ja! Ja! -Der Teufel! Der Teufel! Ihr habt ihn gerufen. Jetzt -kommt er, euch holen!‹ O Supfo mein! Hättest du das -mitangesehen! Du hättest dir das Bäuchlein gehalten vor -Lachen! Hättest du den Schrecken gesehen, den ich, der -Eine Mann, der verachtete Barbar aus Deutschland, all -diesen überklugen, feingeistigen Welschen einjagte. Auseinander -stoben sie wie ein Flug Sperlinge, darein der -Habicht stößt.</p> - -<p>Männer wie Weiber, Ritter wie Pfaffen, die Kerzen, -die Fackeln, die Kreuze, die Fahnen warfen sie weg, über -den Haufen rannten sie sich, alles drängte, die Kirche, den -rettenden Altar mit seinen Heiligenknochen zu gewinnen. -›Der Teufel! Der Diabolo! Der Antichrist! Der Dämon!‹ -schrieen sie durcheinander. ›Gleich greift er mich. Er hat -mich schon.‹</p> - -<p>So sprengte ich zwei-, dreimal von links nach rechts -und von rechts nach links quer durch den langen Zug, der -in seinen Windungen sich mehrfach über den weiten Marktplatz -hin dehnte. Und nicht einer hatte den Mut zu stehen,<span class="pagenum"><a id="Seite_72">[72]</a></span> -meinem Gaul in den Zügel zu fallen. Nachdem ich, der -Eine Salzburger, etwa zweitausend Florentiner in die -Flucht der Todesangst gejagt, sprengte ich davon, und riß -mir, als ich an das römische Thor gelangt war, die Teufelslarve -ab. Hier ward ich eine kleine Weile aufgehalten. -Der Thorwart hatte meine Entmummung gesehen und -leider kannte mich der Mann von meiner letzten Fahrt -durch Florenz: und nicht gerade von meiner tugendlichsten -Seite: denn er hatte damals eine Nichte gehabt, eine dralle -Dirne von üppigem Wuchs und Wesen. Der unchristlich -lang nachtragende Oheim stürzt also, sobald er mich erkennt, -auf den Platz vor dem Thore mit gefälltem Speere: ›Halt,‹ -schreit er, ›ruchloser Arn, du trägst mit Recht des Teufels -Gewand.‹ Und wirklich mußte ich ihm erst den Speer aus -der Hand und die Sturmhaube vom Kopfe schlagen, bevor -ich an ihm vorbei ins Freie jagen konnte. Die Zeche blieb -– zu meinem großen Kummer! – unbezahlt: ein halbes -Brot, ein Käse und siebzehn Krüge Wein. Der Teufel, für -den sie mich genommen, mag sie zahlen, kommt er einmal -wirklich nach Florenz.</p> - -<p>Nun Gott befohlen, Supfo. Trinke den Griechenwein -nicht allen allein aus, bevor ich wieder zurück bin. Ich -komme durstiger aus diesem Lande der Heiligen heim als -ich hineingeritten. Noch heute geht's nach Rom weiter. -Ich freue mich auf den heiligen Vater. Aber noch viel -mehr auf die unheiligen Römerinnen, die stolzbusigen, wie -man sie nennt, und auf den Wein der Campagnatrauben. -Das soll der feurigste sein. Gegeben in einer Taverna -zu Germinianum, wo es auch wieder Flöhe hat. Aber es -sind doch andere. Es grüßt dich Arn von der Salzach, -Jägermeister zu Würzburg und Teufel zu Florenz.‹«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_73">[73]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>III.</h3> - -<p>Der Bischof schüttelte den Kopf, aber er mußte doch -lachen. »Es ist nur ein Glück, daß mir der wilde -Bayer die Entscheidung des heiligen Vaters schriftlich zu -bringen hat. Seinem mündlichen Bericht …!« »Nun -ist's schon recht,« rief Supfo heiter, sich erhebend von der -Bank und das Pergament wieder in den Gürtel des -Schurzfells steckend. »Der freche Brief hat doch was Gutes -gewirkt: Ihr habt gelächelt, Herr Hezilo, und die böse -Falte auf der Stirn, mit der Ihr kamt, hat sich verzogen. -Wißt Ihr was? Wollt Ihr mir nicht in den Keller -folgen, so verstattet, daß ich mit Euch gehe. Meine Gesellschaft -ist doch noch besser als die Eurer Gedanken in -der Einsamkeit.« – »Du hast weit mehr recht hierin, als -du ahnst! – Komm mit!« – »Gleich, teurer Herr, gleich! -Aber da, nehmt, bitte, diesen Schattenhut: – ich habe ihn -für Euch erstanden auf dem letzten Markt von den Dalmatinern -– er hängt nun immer hier an der Hallenthüre -für Euch bereit – er ist von feinem Stroh, gar leicht und -luftig: – die Sonne schießt noch heiße Pfeile über den -Main herüber. Wo steht mein Krückstock? Da in der -Ecke. Ich schreite doch besser damit und manchmal gilt's, -ein bissig Schwein von den Waden zu wehren! So!« -Er öffnete die breite Thüre der Halle. »Im Namen Gottes!« -betete der Bischof im Hinausschreiten. »Er segne unsern -Ausgang.« Beide stiegen nun die Sandsteinstufen hinab -auf den freien Platz vor Bischofshaus und Dom. »Wohin -zuerst?« fragte der Kellermeister. – »Ich will einen Rundgang -der Seelsorge machen und der guten Werke; es gilt -gleich, wo wir beginnen: führe du. Du kennst der Menschen -Not und Wünsche gut, fast besser als ich, was traurig zu<span class="pagenum"><a id="Seite_74">[74]</a></span> -gestehen,« schloß der Bischof seufzend. »Ja freilich,« meinte -Supfo und schlug die Richtung von dem Domplatz nach -links, nach Süden, ein. »Für die letzte Zeit mag's zutreffen. -Ihr zieht Euch ja immer mehr in Euch selbst -zurück. Oft seh' ich noch nach Mitternacht vom Hof aus -in der Bücherei Euer Öllämplein glimmen. Immer beten!« -– »Wenn's doch gebetet wäre!« – »Oder höre unten in -unserm Schlafzimmer Eueren Schritt ob meinem Haupte -rastlos – rastlos – auf und nieder! Seit Ihr diesen -schwarzhaarigen Welschen …« – »Schweig, Supfo. -Ich weiß, du hassest ihn bitter. Das ist unchristlich.« – -»Aber unvermeidlich! Der hagere Kerl mit seinem graugelben -Gesicht – wie ein unreif verfaulter Apfel! – sein -Anblick schon zieht mir das Wasser im Mund zusammen -wie der Saure von Dürrbach.« – »Er hat sich als mein -– und was viel mehr ist – dieses Bistums eifrigster -Freund bewährt.« – »Wer's glaubt wird selig, – oder -angeführt! Er ist glücklich fort seit ein paar Tagen. -Sankt Kilian schenk' ihm eine lange Reise! – Seht hier, -Herr Bischof, könnt Ihr gleich anfangen mit guten Werken!« -Und er blieb stehen.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IV.</h3> - -<p>»Was? Hier?« rief der Bischof unwillig. »Bei dem -Hause des Geizhalses, des Kornwucherers? Wenig erbaut -bin ich vom Treiben dieses Renatus.«</p> - -<p>»Nennt ihn doch nicht Renatus. Isaak heißt der Jud'.« -– »Er ist getauft.« Supfo lachte. »Tauft ihn nochmal! -– deshalb führt' ich Euch her! – Aufs erstemal half's -wenig, aber besser: laßt es ganz bleiben! Wein kann man<span class="pagenum"><a id="Seite_75">[75]</a></span> -wassern, nicht Blut.« – »Ich verbiete dir, so von dem -heiligen Sakrament zu sprechen.« – »Verzeiht mir, Herr. -Aber ist's nicht so? Der Glaube wird danach – vielleicht, -vielleicht auch nicht! – geändert: aber das Geblüt? -Wisset Ihr noch in Neapolis, der schönen Stadt, des Herrn -Kaisers Mohren aus Äthiopia? Die Welschen hatten ihn -bei ihrem Mummenschanz vor Aschermittwoch mit weißem -Mehlkleister überstrichen – fingerdick! Aber sowie er -schwitzte beim Tanzen und Springen, da bröckelte die weiße -Tünche ab von Stirne, Wangen und Händen und allüberall -kam die angeborne schwarze Haut wieder zum Vorschein. -Gedenkt Ihr's noch? Nun seht, gerade so steht's -mit dieses Juden Taufe. Wird der Mensch in ihm warm -und rührt sich, – bröckelt der Christ ab und der Jude -kommt zum Vorschein. Da lob' ich mir die Ungetauften: -– unter denen sind die Besten!« – »Du sprichst unchristlich. -Die Taufe bringt ihnen das Heil.« – »Ja, -aber nur, wenn sie daran glauben, wenn sie das Sakrament -deshalb suchen. Wenn sie's aber suchen, weil sie -sich ihres Volkes schämen und lieber mit den Christen die -Juden placken wollen als sich mit den Juden von den -Christen placken zu lassen …«</p> - -<p>»Und geplackt müssen sie doch nun einmal werden, -nicht, Supfo?« lächelte der Bischof. – »Gewiß, dafür -sind's Juden. Sind ja das ›auserwählte Volk‹. So hat -sie der Herr, nachdem sie seinem Sohn Gewalt und Unrecht -gethan, auserwählt, Gewalt und Unrecht zu leiden. -Das ist doch klar und höchst gerecht. Ihr Volk verleugnen -diese Abtrünnigen und Euch, Herr Bischof, lügen sie vor, -sie glauben: Untreue und Lüge aber bringt nicht Heil, -sondern Schmach. Dagegen des Juden Mutter, – das -ist ein prächtig Weib! Seht, da tritt sie gerade hervor -aus ihrem Hofthor.« Vor der Außenthüre des ansehnlichen<span class="pagenum"><a id="Seite_76">[76]</a></span> -Holzhauses erschien eine stattliche alte Frau mit edeln, -vornehmen Zügen des tief gebräunten Gesichtes. Sie trug -die phantastische, kleidsame, weitfaltige Gewandung der -Orientalen. Ein gelbes Brusttuch von feinster Wolle verhüllte -den Oberleib, gelb waren auch die spitzen Schnabelschuhe, -die aus dem langen, dunkelblauen Rock hervorsahen; -ein ganz enganliegendes, turbanähnlich gebundenes -Kopftuch von schwarzer Seide verbarg sorgfältig jedes Haar -der Witwe. Sie kreuzte ehrerbietig die Arme über der -Brust, neigte, gleich einer Palme, das hohe Haupt vornüber -und sprach mit niedergeschlagenen Augen: »Der Gott -meiner Väter segne dich und behüte dich, großgewaltiger -und – was siebenmal mehr ist! – großgütiger Herr -Bischof. Und er lohne dir, daß du bist ebensogut als du -bist gewaltig.« »Mit der großen Gewalt, Sarah,« erwiderte -der Gelobte, »ist das so schwach bestellt wie – -leider! – mit der Güte.« »Laßt Euch nicht irren, kluge -und schöne Frau!« fiel Supfo ein. »Wären wir nur so -fröhlich, als wir gut sind.« »Unnütze Reden!« verwies -der Bischof. »Jawohl,« sprach die Greisin mit sanfter, -wohllautender Stimme und schlug die langen, schwarzen -Wimpern auf: – die schönen dunkelbraunen Augen leuchteten -immer noch – »unnütz, denn man <em class="gesperrt">kennt</em> Eures -Herzens Güte! Mein Eheherr Manasse, – lang ruhet -er, gesegnet sei sein Gedächtnis für und für und sein Name -sei nicht vergessen in Israel! – oft hat er es uns geschildert, -Isaak, unserm Sohn, und mir, wann wir saßen -in Frieden vor den brennenden Leuchtern und aßen vom -Passahlamm und Ruhe waltete im Haus und ringsum im -Lande und Sicherheit in der Stadt. ›Die Ruhe‹ – hat -er gesagt, – ›und die Sicherheit verdanken wir nach Gott -dem Herrn dem Mann, der da ist wie ein Turm der -Stärke und ein Streitwagen von Erz, dem Löwen von<span class="pagenum"><a id="Seite_77">[77]</a></span> -Rothenburg. Der Graf ist fern, denn leer steht da oben -die Grafenburg der Gewalt. Er steuert – der Bischof -– dem Raub auf den Handelsstraßen und auf dem Flusse -und er hat die bösen Buben gebändigt, die schlimme Rotte, -die da plündern wollte mein Frachtschiff auf dem Main -und einbrachen mit Beilen in das Haus unsres Friedens. -Der Engel des Herrn ist mit diesem Bischof der Christen!‹ -Und so hab' ich mich gewöhnt zu Euch, starker und guter -und weiser Herr, emporzuschauen alle Zeit als zu einem -Helfer in der Not. Und so bin ich hinausgeeilt aus meinem -Witwengemach, wie ich von fern Euch kommen sah des -Weges und stehe hier vor der Thüre meines Hauses, eine -alte, kummervolle Frau, und greife Euren Mantel und -lasse Euch nicht, bis Ihr mir habt geholfen in meinem -großen Leid!« Und sie glitt langsam vor ihm nieder auf -beide Kniee und haschte sein weites Obergewand mit ihrer -magern Hand und küßte demütig dessen Saum.</p> - -<p>»Steht auf, alte Frau,« mahnte der Kellermeister, sie -aufrichtend, »wir mögen das nicht leiden. Sagt kurz, -was oder wer Euch quält.«</p> - -<p>»Es ist,« sprach sie, sich erhebend, aber den Saum nicht -aus der Hand lassend, »Isaak, mein Sohn, mein einzig -Kind. Was oder wer sonst könnte mich auch quälen auf -der Welt? Hab' ich doch auf Erden nichts als ihn. Und -ach! ihn hab' ich nicht mehr, seit … Nun, seit er die -Taufe nahm zu Mainz.« Der Bischof furchte die Brauen: -»Daran, Jüdin, that er recht. Aber er wußte wohl, -weshalb er nicht von mir das Sakrament erbat, sondern -zu Mainz, wo Herr Erzbischof Willigis nicht so viel von -ihm weiß wie wir leider hier von ihm wissen. Ich hätte -ihm zur Bedingung gemacht – vorher – ein Gelübde, -daß er nun auch innerlich den Christen anziehe und von -sich werfe seinen jüdischen Wucher und Geiz.« »Jüdischer<span class="pagenum"><a id="Seite_78">[78]</a></span> -Wucher und Geiz!« stöhnte die alte Frau und ein so -schmerzlicher, vorwurfsreicher Blick der dunkeln Rehaugen -traf Herrn Heinrich, daß er leicht errötete und rasch einfiel: -»Ich weiß, was Ihr sagen wollt. Euer Gatte – -Manasse – hat in der großen Kornnot aus seinen Speichern -die verhungernden Christen in allen Städten und -Dörfern am Main gespeist von Staffelstein bis Mainz. -Er war ein Wohlthäter der Armen: – Gott möge ihm -die Strafe seiner Verstocktheit mildern, Sankt Burchhard -und Sankt Kilian mögen für ihn bitten, wie ich, deren -unwürdiger Nachfolger, es dankbaren Herzens gar oft thue. -Aber Euer Sohn ist ein …« – »Herr, er ist krank, -glaubet mir. Er ist besessen von übeln Geistern! Wir -haben ja zu eigen soviel Güter der Erde, – der Herr -hatte gesegnet meines Manasse Redlichkeit und Fleiß! – -daß wir wahrlich nicht sorgen müßten um unsere Lebsucht. -Aber – es ist wahr – er ist so … sparsam, mein -armer Isaak, daß er sich nicht gönnet eine Neige Weines -am Sabbath des Herrn!« »Und Euch, scheint's,« schalt -Supfo zornig, die hagere Gestalt musternd, »Euch, seiner -alten Mutter, auch an den andern Tagen keinen Bissen -Fleisch.« – »Vollends aber seit ein paar Tagen ist er -ganz krank im Gehirn und wirr in seinen sonst so klugen, -scharfen Gedanken. Denn er ist gar scharf, mein geliebter -Isaak.« »Wir wissen's!« bestätigte der Kellerer. »Allzuscharf! -Möchte seine Seele nicht sehen! Muß voller Scharten -sein!« – »Seit wann, arme Frau?« forschte der Bischof -voll Mitgefühls. Ihn jammerte um die leidende Mutter -und es ergriff ihn, über das ehrwürdige, schöne Gesicht -langsam zwei große Thränen rinnen zu sehen. – »Seit -das Gerede überhandnimmt unter den Burgensen hier und -seinen Geschäftskunden in andern Städten, die Welt werde -demnächst untergehen. Das hat ihm ganz verstört die<span class="pagenum"><a id="Seite_79">[79]</a></span> -Gedanken. Er kann nicht mehr schlafen seitdem. Und -immerfort, in der eifrigsten Arbeit, im Rechnen sogar oder -wann er wiegt auf seiner Wage die Goldmünzen des Herrn -Kaisers – wobei ihn sonst nichts störte, ja nicht einmal -Blitzschlag ins Haus des Nachbars Hesso: er wog ruhig -fort. Jetzt spricht er dabei mit sich selbst wirre Worte -und unterbricht sich und rechnet falsch – der Isaak! – -und stiert vor sich hin und stöhnt: ›wenn's wahr ist, bin -ich ein Narr gewesen vom Knaben an und Narretei war -all' mein Thun, mein Raffen, Listen, Geizen! Wenn's -wahr ist – wüßt' ich's nur! – noch heute werd' ich ein -Schlemmer, ein Fresser, ein Säufer wie diese …‹« -»Diese Deutschen, sagte er wohl,« ergänzte scharfsinnig, -aber grimmig, der Kellerer. – »›Ein Spieler werd' ich, -ein Kleiderthor, und halte mir Jagdrosse und Eberhunde -und Reiherfalken und … anderes! Ob's wahr ist!‹ -stöhnt er dann wieder und rauft sich Haar und Bart, -›ob's wahr ist?‹ – So quält er mich, – aber was liegt -an mir! – so quält er sich selbst, meines Manasse Sohn, -er quält sich Nacht und Tag mit Grübeln. Jetzt ist er -fortgeritten gen Frankfurt, einzuheimsen den Gewinn von -einem großen, großen Geschäft, das er hat gemacht in -Goldkörnern, Silberbarren und edlem Gestein! Aber, o -wehe wehe geschrieen! Es hat ihn nicht gefreut das reiche -Geschäft! Und wie er mir vorrechnet den Gewinn, verrechnet -er sich wieder! Zu seinem Schaden verrechnet er -sich, der Isaak! Das war noch nie! Wie muß er sein -ungesund! Und warum verrechnet er sich? Weil er mitten -drin immer wieder stutzt und fragt: ›ob's wahr ist? Ob's -wohl wahr ist?‹ Und als er steigen will auf das Pferd -zu reiten nach dem Gewinn, steigt er daneben statt in den -Bügel, weil er gen Himmel schaut und fragt ›ob's wohl -wahr ist?‹ Und er findet und findet nicht Ruhe, bis er's<span class="pagenum"><a id="Seite_80">[80]</a></span> -weiß, so oder so. Ich bin eine unweise Frau, ich kann's -ihm nicht sagen. Und es kann ja sein, daß es geht zu -Ende: denn oft hat es gelesen Manasse aus den Rollen, -daß die Welt wird einmal vergehen und Elias wiederkommen -im feurigen Wagen. Aber Ihr, Herr Bischof, -guter Mann und weiser, Ihr kennet die Schriften, Ihr -wisset viel. So sagt nur ja oder nein, daß ich beruhige -meinen wirren Sohn, wann er wird wiederkommen, und -beschwichte sein fiebernd Gehirn!«</p> - -<p>Und wieder wollte sich die Weinende vor ihm niederwerfen. -Er hielt sie fest am Arm und sprach: »Frau, -Ihr thut mir leid in der Seele! <em class="gesperrt">Ihr</em>: – merkt! – -nicht Euer Sohn, den auch die letzten Dinge der Menschheit -nur schwanken lassen zwischen dem alten sündhaften -Wucher oder neuem sündhaften Sinnentaumel! Pfui -über den Juden und schade um das vergeudete Taufwasser! -– Höret denn, gute Frau, – <em class="gesperrt">Ihr</em> wäret -würdig christlicher Gemeinschaft! – Ich selbst habe davon -keine Wissenschaft. Allein ich habe das Haupt der -Christenheit befragt: bald muß der Bescheid eintreffen. -Dann werd ich ihn allem Volke dieser Stadt, dieses Bistums, -verkünden. Bis dahin aber sagt Euerm Sohn: -›der Herr Christus hat nicht Freude an denen, die da -nehmen die Taufe, aber nicht lassen vom Wucher. Wahrlich, -wahrlich, ich sage euch: man kann nicht Gott dienen -und dem Mammon‹. Das hat der Herr schon Eurem Volke -offenbart: – aber mit dieser Offenbarung hat er von -allen seinen Worten den wenigsten Glauben gefunden in -Israel. Ihr jedoch, gute Sarah, Euch rate ich: nehmet -die Taufe. An Euch werden die Heiligen Freude erleben! -Mag das Gericht nun nahe sein oder fern: rettet Euere -unsterbliche Seele!« Und er löste mit sanfter Gewalt sein -Gewand aus der Hand der Greisin, die es immer noch<span class="pagenum"><a id="Seite_81">[81]</a></span> -festgehalten hatte, und schritt hinweg von ihr mit gütigem -Nicken des Kopfes.</p> - -<p>Die alte Frau sah ihm lange nach. Dann sprach sie, -kopfschüttelnd und mit der Hand über die Augen wischend: -»Ich glaube es nicht, daß wir Kinder Israel verdammt -sind. Wäre es aber so: – lieber mit Manasse in der -Hölle, als mit Isaak im Himmel der Christen. Ich will -beten für uns und für die Christen – für den armen -Isaak und für den guten Bischof – zum Gott meiner -Väter!«</p> - -<p>Und sie schritt langsam zurück in den Hof.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>V.</h3> - -<p>Von dem Hofe des Kaufmanns hinweg übernahm zunächst -Herr Heinrich die Führung des Rundganges. Er -wollte nach dem Stand der neuen Bauten sehen in der -Vorstadt vor dem Südthor »auf dem Sande«, die er als -sein eigenstes wohlthätiges Werk betrieb; vor allem den -großen Bau des Klosters und der Kirche – nur diese war -bereits vollendet – die er dort den Apostelfürsten Sankt -Peter, Sankt Paul und dem frühest berufenen Blutzeugen: -Sankt Stephan, zu Ehren gestiftet hatte.</p> - -<p>Schwer fiel es dem Bauherrn aufs Herz, als er sich -jenseit des Thores der Baustätte näherte, von der her sonst, -weithin vernehmbar, der fröhliche Klang des Beilschlags, -der Reihengesang der Arbeiter, der Befehlsruf der Werkmeister -ihn begrüßte, daß statt dessen eine Grabesstille -waltete.</p> - -<p>In die Luft hinauf stiegen die hohen Gerüste: – aber<span class="pagenum"><a id="Seite_82">[82]</a></span> -sie waren leer, verlassen; sie schienen zu trauern; die halbfertigen -Holzwände sahen wie vom Feinde zerstört aus. -Nur ein einsamer Mann schlich, die Verödung betrachtend, -über den leeren Bauplatz; als er den Bischof von weitem -erkannte, wollte er hinter einem großen Bretterhaufen verschwinden. -Aber Herr Heinrich hatte ihn erkannt und rief -ihn an: »Hallo! Haltet an, Hesso! Was lauft Ihr vor -Eurem Bauherrn davon, Werkmeister?«</p> - -<p>Der Angerufene, eine starke stattliche Männergestalt mit -treuen Augen in dem gebräunten Gesicht, machte Halt, zog -ehrerbietig, aber mißmutig den kurzrandigen Filzhut und -erwiderte trübselig: »Werkmeister ohne Werk: – Bauherr -ohne Bau.« Verstimmt und verdüstert entgegnete der -Bischof: »Nun – eine kurze Unterbrechung! Wird soviel -nicht schaden! Bald dürft Ihr wieder hauen und hämmern -lassen hier, Meister Hesso.« Der Mann zuckte die breiten -Achseln. »Schade! Wir waren so gut im Zuge. Die -Arbeiter willig und geschickt. Nun haben sich die besten -schon verlaufen. Und der Bau des neuen Münsters zu -Sankt Johannis Ehren und des Stiftes in der Nordvorstadt, -der Hochvorstadt, des Siechenhauses und des -Waisenhauses und der Schule! Alles unterbrochen! Warum? -Weil kein Geld in der Kammer sei, log der verfluchte -Welsche. Aber am gleichen Tage hatte er Speere, -Sturmhauben, Brünnen für die bischöflichen Dienstmannen -gekauft und bar bezahlt bei dem Waffenschmied Gericho -im Eisenhof! Als er nun mit seinen Lügen hier auf das -Gerüst trat und die Arbeiter ablohnte und fortwies, – -gern hätt' ich ihn im Namen und zu Ehren der heiligen -Petrus, Paulus und Stephanus herabgeworfen von den -Balken« – »Geduld! sag' ich Euch. Ihr müßt warten.«</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Ich</em> kann warten. Aber die Waisen, die Schulknaben -in dem feuchten Loch am Main und die Siechen, die nun<span class="pagenum"><a id="Seite_83">[83]</a></span> -auf den Gassen im Stroh liegen? Die können nicht -warten, Herr Bischof. Jedoch Speere und Brünnen für -die bischöflichen Dienstmannen: – das eilte wohl! Uns -bedroht ringsum kein Feind weit und breit!« »Hört doch -auf,« mahnte Supfo. »Ihr seht – Ihr sagt da …« -– »Ich sehe, der Herr Bischof zürnt, aber ich sage die -Wahrheit! Und das Schlimmste ist – die Armen!« -»Wieso?« grollte Herr Heinrich. »Ihr Teil ward nicht -angetastet.« – »Nein, aber durch die plötzliche Einstellung -all dieser – sechs – großen Bauten haben doch recht -viele Brot und Lohn verloren. Wohl waren viele Bauleute -Unfreie des Stifts – allein gar mancher kleine Freie -fand doch auch bei der Arbeit Lohn und Brot für Weib -und Kind. Die hungern nun! Sind aus der Stadt gelaufen, -rotten sich zusammen im Gau, stehlen und rauben.« -»Wie Wetter Gottes fahr' ich unter sie,« rief Herr Heinrich. -»Ich will sie! Wenn der Graf des Waldsassengaus -schläft …« – »Er schläft nicht, der wackere Herr Gerwalt, -aber er ist fern, in Welschland. Wißt Ihr das nicht, -Herr Bischof?« »Die Bauten werden bald wieder aufgenommen, -sagt das den Leuten. Und den Gauräubern -sollen meine Ritter Hellmuth und Fulko den fehlenden -Herrn Grafen mehr als ersetzen, das gelob' ich.« Unmutig -schritt er davon, ziellos, weiter gen Süden.</p> - -<p>»Nichts für ungut, Herr Bischof!« rief ihm der Werkmeister -nach. »Aber nehmt sie bald wieder auf, Eure -Bauwerke: sind gott- und menschen-gefällig.« »Gott und -Menschen gefällig,« wiederholte der Enteilende bei sich. -»Jawohl. Zweifellos. Und das Werk, dem ich diese -Bauten geopfert, wird den Menschen nicht gefallen. Und -Gott? –«</p> - -<p>Erregt hastete er weiter, immer gerade aus nach Süden. -Der treue Supfo hatte mit seinen klugen Augen schon bei<span class="pagenum"><a id="Seite_84">[84]</a></span> -den ersten Worten des Baumeisters das Gewölk gesehen, -das aufstieg auf der hohen Stirne Herrn Heinrichs. »Auch -hinter diesem Unheil steckt,« brummte er, »– wie hinter -allem! – Berengar. Ich muß den Herrn auf andere -Gedanken bringen. – Ei sieh da!« rief er. »Was verschwindet -da so fluchteilig, links, hinter dem Buschwerk, -vor dem Graben? Ich meine, ich kenne sie, diese fliegenden -Zöpfe mit den roten Bändern! Da könntet Ihr schon -wieder ein gutes Werk thun, Herr Bischof Heinzelein!« – -»War der Bursche, der nach dem Maine zu davonstob, -nicht Gericho, ehedem meines Hellmuth Waffenträger, jetzt -Waffenschmied in dem Eisenhof?« – »Jawohl! Und das -hübsche runde Kind, das da entsprang, das war die braune -Rosbertha, die Tochter des Bezzo, der da ein Gärtlein hat -und eine kleine Verzapfung östlich vom Südthor.« – »Hm! -Was thaten die beiden da drüben?« – »Ei, was werden -sie groß gethan haben? Dort ist ja der Ziehbrunnen des -Wolfilo. Gericho hat wohl dem zarten Kind geholfen, -den schweren Eimer heraufzuwinden.« »Du mußt deinen -Bischof nicht anlügen, Supfilo,« lächelte Herr Heinrich. -»Zumal ich als junger Knab' zu Rothenburg auch wohl -einmal hinter einem Ziehbrunnen stand. Der Eimer wartete -schon ganz ruhig auf dem Brunnenrand. Aber der Bursche -stand immer noch bei ihr hinter der Brunnenmauer. Recht -nah stand er. Und hielt sie, glaub' ich, an der Hand.«</p> - -<p>»Nun ja, soll er das arme Kind etwa in den Brunnen -stürzen lassen?« Herr Heinrich mußte doch wieder lachen. -»Und welch' gut Werk hätte ich hier zu thun? Das -Mägdlein verwarnen, den Burschen schelten –?« – »Bewahre! -Hilft so wenig wie bei Arn!« – »Und dem Vater -Bezzo die Augen aufthun.« – »Ja freilich! Aber nicht -darüber, daß die beiden jungen Leute sich gern haben, – -so dumm, das nicht zu sehen, ist der Bezzo auch nicht!<span class="pagenum"><a id="Seite_85">[85]</a></span> -– sondern darüber, daß es sündhaft ist, das frische junge -Blut, statt es dem hübschen tapfern Gericho zu geben, -dem alten Stedilo zu verkuppeln, dem reichen Büttner, -nur weil er fromm und reich ist, der dicke. Er hat nämlich -nicht eine thatfreudige Frömmigkeit an sich, sondern -eine feige, sozusagen eine muffige! Und nicht eine liebliche -Rundlichkeit hat er: wie … nun wie sie Sankt Urban -seinen Lieblingen gewährt, sondern sozusagen: eine aufgedunsene, -eine Wanstigkeit. Ihr solltet … –« – -»Supfilo, ich bin nicht junger Minne Feind und Verfolger. -Nein, mich freut's, wenn treue junge Liebe siegt, -– wenn solche wirklich lebt, außer in Fulkos Liedern! -Aber du kannst doch wirklich deinem Bischof nicht das -gute Werk auflegen, junge Maide wider väterliche Muntschaft -aufzustacheln!« – »Das wäre hier gar nicht mehr -nötig. Nur ein wenig – stützen. Aber ich vertraue, der -Alte lernt noch rechtzeitig frisches Mark und feiges Fett -unterscheiden.« – – »Er sah schon wieder recht ernst -darein,« sagte er nach einem raschen Blick der hellen runden -Augen zu sich selbst. »Ich darf ihn nicht ins Grübeln -versinken lassen –« Er spähte ziemlich ratlos umher: da -fiel sein Blick auf einen Schwirreflug von weißen Tauben, -die jetzt, bei stärker einbrechender Dämmerung des Brachmondtages, -aus den nahen Feldern nach ihrer Heimstätte -flüchteten. Die lag in dem spitzen, hochragenden Giebel -eines alten braunen, vielfach mit Moos geflickten Strohdaches: -rechts, westlich von der großen Straße, die damals -schon wie heute auf dem östlichen Mainufer flußaufwärts -nach Süden führte. Dort fielen sie ein: blendend blitzte -dabei in den letzten Sonnenstrahlen ihr helles Gefieder. –</p> - -<p>»Dorthin!« dachte der Treue. »Frau Ute! Und -Wartold mit seinen Blumen! Das wird ihm gut thun. -Und sie – das liebe, schlimme Kind! Und ein wenig<span class="pagenum"><a id="Seite_86">[86]</a></span> -Ärger über den andern? – Ei was, wird ihm auch gut -thun, so ein gesunder streitbarer Ärger. – Und im geheimen -mag er den Alten doch ganz gut leiden – noch -aus der alten, das heißt der jungen, fröhlichen Zeit.« Er -begann nun: »Ihr solltet doch wieder einmal einsprechen -da, – da vorn mein' ich, wo die Tauben einfielen, bei -der alten Mutter Ute. Trägt ihr hartes Los so fromm! -Aber manchmal ein wenig Trost thut ihr doch recht wohl.« -– »Ja! – Und ein paar Worte Christentums können -nicht schaden in dem alten Hirtenhaus. Dem Heidenhaus! -Ist die letzte Trutzburg der halb vergessenen Unholde, an -welche die Leute hier zu Lande glaubten, bevor Sankt -Kilian sie erleuchtete. Wohl, laß uns in Rados Haus -gehen. Dort braucht's wirklich Seelsorge!« »Wenn der -Alte still hält dazu,« dachte Supfo. Aber er sagte es -nicht.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VI.</h3> - -<p>Rüstig ausschreitend hatten beide bald das Pfahlbürgerhüttlein -erreicht.</p> - -<p>Der starke Wolfshund vor dem Zaun schlug an, wie -sie sich von Osten her dem kleinen Nebenpförtlein näherten: -gleich darauf stob eilfertig zu dem großen Hofthor ein -Reiter hinaus und verschwand alsbald gen Süden im -Staube der Straße. Herr Heinrich schaute ihm merksam -nach: er hielt die Hand vor die Augen: denn die jetzt -wagrecht einfallenden Strahlen der Sonne blendeten ungeachtet -des Schattenhutes; er sah nur den Mantel des -Reiters noch flattern. »Ich meine fast, das war – auf -seinem braunen Hengst – mein Junker Hellmuth. Was<span class="pagenum"><a id="Seite_87">[87]</a></span> -hat der hier zu suchen?« Der Kellerer machte sein ahnungslosestes -Gesicht: – der Frager sah ihm nämlich scharf in -die Augen. »Nun? Du weißt doch sonst gar viel von -ihm – steckst immer mit ihm zusammen und mit dem -lustigen Provençalen.« »Das macht: der steckt gern bei -meinem Lauterwein,« schmunzelte Supfo. »Aber Junker -Hellmuth … Kaum trinkt er noch! Und lachen hab' -ich ihn schon seit unser lieben Frauen Verkündigung nicht -mehr hören.« »Was sucht der hier?« wiederholte Herr -Heinrich, nachdenklich. »Schon einmal traf ich ihn hier -um die Wege. – Heda, halt, Rado!« rief er dem Hirten -im grauen Wolfsmantel zu, der des nahenden Bischofs -offenbar ansichtig geworden und gleichwohl beflissen war, -durch eine schmale Lücke im <span id="corr087">Zaun</span> zu entweichen. Er pfiff -seinem großen Hund und enteilte gar hastig. »Komm, -Giero!« rief er alsdann, diesem über den zottigen Kopf -streichend, wie das Tier auf der Straße in mächtigen Sätzen -neben ihm her sprang, »wir gehn zu Walde, zur alten -Esche … zu unserm wahren Herrn! Seit der Held von -Rothenburg ein Geschorener geworden! …«</p> - -<p>Der Bischof schüttelte das Haupt: »er entläuft dem -Hirten seiner Seele! In der Schlacht entlief er nie. Damals -folgte er mir blind.« »Und würde Euch auch heute -gerne folgen in die Schlacht: – viel leichter denn in den -Beichtstuhl!« meinte der Runde und schloß das Zaunpförtlein -hinter dem Bischof.</p> - -<p>Gegenüber der Verwahrlosung und Unreinlichkeit, in -welcher die Häuser der geringeren Leute fast ausnahmslos -lagen, berührte in diesem bescheidenen Höflein das Auge -gar wohlthätig die Reinlichkeit und Wohlgepflegtheit des -ganzen Anwesens. Die Wiesenfläche vor dem Wohnhäuschen -war durchschnitten von säuberlich mit rotem Sand bestreuten -Wegen: daneben zeigten sich in dem Gras ausgeschnitten<span class="pagenum"><a id="Seite_88">[88]</a></span> -– regelmäßig mit der Schnur gezogen – bald -längliche, bald kreisrunde Beete, in welchen Blumen, oft -auch nicht deutscher Heimat, glänzten und dufteten, während -an dem gen Mittag gekehrten Holzzaun Spalierbäume von -Edelfrüchten, sorgfältig aufgebunden und liebevoll gewartet, -nebeneinander in Reih' und Glied standen.</p> - -<p>Wohlgefällig wies Herr Heinrich seinen Begleiter darauf -hin: »Welcher Fleiß! Welche Reinlichkeit! Leider selten -bei unsern Gauleuten!« »Ja, ja,« nickte der Kellermeister. -»Auch ganz leidlichen Wein züchtet der alte Wartold … -für einen Laien in der edeln Winzerei. Ein ungleich -Brüderpaar. Der Gärtner gerade so sanft, friedlich, -fromm …« – »Als Rado der Jäger – denn er jagt, -fürcht' ich, mehr die Wölfe als er die Schafe hütet! – -wild und rauh und unfromm. Muß einmal den Archidiakon -über ihn schicken. Der ist schärfer als ich. Mich -erweicht immer das Gedenken an die alte Zeit. Aber -Berengar mag ihn …« – »Laßt den beiseite, lieber -Herr. Der treibt die Leute leichter aus der Kirche denn -hinein.«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VII.</h3> - -<p>Wie sie unter solchem Gespräch auf dem mittleren Sandweg -gegen die Thüre der Wohnhütte vorschritten, hüpfte -ihnen etwas entgegen mit wehendem Gezöpf, gefolgt von -einem desgleichen hüpfenden Hündlein, das gar lustig bellte -und mit dem struppigen Schweif wedelte. »Kind,« lächelte -der Bischof, und strich über das wirre Haar der Kleinen, -während sie ihm ehrfürchtig die Hand küßte, »weißt du's -wohl? ›Das schlimme Kind‹ nennen sie dich – alle.« –<span class="pagenum"><a id="Seite_89">[89]</a></span> -»Aber sie haben mich doch gern – alle, hochheiliger Herr.« -– »Mir ist, du bist nicht schlimm. – Und ein Kind ist -sie auch nicht mehr,« sprach er zu sich selber. »Sollte -vielleicht Junker Hellmuth …? Doch nein! Den traf -doch wohl ein andrer Pfeil! – Aber immerhin, laß sehen. -Mein fröhlich Vögelein,« begann er wieder zu ihr, »hab' -dich lange nicht gesehen. Hast du keinen Wunsch?« »Doch, -lieber – hochlieber – nein – hochheiliger Herr Bischof. -Doch!« sprach sie und senkte das blonde Köpflein. »Urgroßmutter -befahl mir, Euren stärksten Segen zu erbitten -gegen … gegen meinen argen Mutwillen, wie sie's -nennt.« »Herr Heinrich, spart Müh' und Segen!« lachte -der Kellerer, der Kleinen in die volle Wange kneifend, -»der den Mutwillen auszutreiben, – dazu brauchte es -stärkern Exorcismus als sogar der gelehrte Herr Papst -Sylvester kennt. Was meinst du selber, Hexlein?« »Daß -Ihr recht habt, kluger Herr Supfo,« antwortete sie ganz -betrübt und kleinlaut. »Seht, es ist ein Kreuz und ein -Elend mit mir. Mein Mutwille, wie sie's alle heißen – -der ist gerade wie – wie meines – Gott! wo ist er -denn jetzt schon wieder hin? – wie meines Schnufilos -Fell vom Schnauzbart bis zum Zagel. Immer und immer -kämm' und bürst' ich ihn glatt und Schnuf verspricht -auch, er solle nun glatt bleiben: – und er schüttelt sich -und 's ist alles beim alten und zottel-rauh-zottig, zum -Fürchten! Heiliger Kilian,« seufzte sie, »ich weiß nicht, -was in mir steckt. Aber es läßt mich nicht! Ich muß!« -– »Nun, <em class="gesperrt">was</em> mußt du denn, Kleine?« – »Lachen -muß ich! In einem fort lachen! Vom Aufstehn an, wann -der Knecht so tölpisch daher tappt mit den Wassereimern -bis zur Vesper, wann die Zicklein so närrisch gesprungen -kommen von der Weide. Möchte oft gern ernsthaft sein, -– werde soviel gescholten! Aber es läßt mich nicht! Seh<span class="pagenum"><a id="Seite_90">[90]</a></span> -immer an allen Sachen und Tieren und Menschen was -zum Lachen!« »So? Zum Beispiel auch an mir?« forschte -der Bischof. »Ei freilich!« lachte sie. So geschwind kam -die Antwort aus den kirschroten Lippen, daß Herr und -Diener mitlachen mußten. »Was? Daß Ihr Euren Abendgang -mit dem Kugelmännlein da machen müßt, armer -heiliger Herr, und stünd' Euch so gut zu Arm und Antlitz, -ein stattlich Ehgemahl. – Aber o weh, das – ich seh's -an Euren Augen! – das ist mehr zum Weinen als zum -Lachen.« »Wein und Kinder sagen die Wahrheit,« seufzte -der Kellerer. – »Also den Segen für mich … Herr -Süpfelin hat recht! – er ist doch wohl vergeudet – den -möcht' ich umtauschen statt für mich – für einen andern.« -»So? Und für wen?« forschte der Bischof ernst. »Etwa -für Ritter Hellmuth, der soeben mit Euch sprach?« »Der?« -lachte sie. »Mit mir? Behüte! Kein Wort. Sieht mich -gar nicht. Nur mit Ohm Rado raunt er immer heimlich. -– Aber den Segen möchte ich haben für den, der -mir – nach den Gesippen – aber <em class="gesperrt">gleich</em> nach ihnen! -der Liebste ist auf der ganzen Welt. Seht Ihr. Da -kommt er. Dort links!«</p> - -<p>Argwöhnisch, wenig erfreut drehte sich der Seelsorger -um und spähte scharf nach links. »Seht, meines Herzens -Schnufilo! – O gnadenreiche Jungfrau, wie schaut er -wieder aus! – Voll Schmutz, und blutend am Mündlein. -– Jetzt hat er schon wieder gerauft mit des Nachbars -großem Kater! Meint Ihr, Herr Bischof, er läßt -es? Nein! O <em class="gesperrt">den</em> segnet mir. Er hat soviele Verfolger -und Unterdrücker unter den Bürgerschweinen und -Bürgerhunden und den Beißkatern. Er kommt oft heim, -zerzaust und zerrissen und blutend, wie die heiligen Märtyrer -im Sankt Burchhard drüben in der Kapelle auf dem -scheußlichen, greulichen, heiligen Bild! Ich bitt' Euch um<span class="pagenum"><a id="Seite_91">[91]</a></span> -Euern kräftigsten Hundesegen. Ist er doch mein herzallerliebster -Schatz!« schloß sie seufzend.</p> - -<p>Herr Heinrich hatte die Stirn in Falten legen wollen, -aber – »es ließ ihn nicht«: – er mußte lächeln, wie er -der hübschen Kleinen heiligen Ernst und des wirrhaarigen -Köters Liebesblick zu ihr empor aus den ringsumzottelten -Augen gewahrte. »Möge er noch lange dein Herzallerliebster -bleiben und du noch lange die schlimme Fullrun,« -sprach er freundlich und schritt fürbaß. Supfo verweilte -noch bei der Verdutztem: »einen Hundesegen, tolle runde -Runel, holt man nicht beim Herrn Bischof, sondern -von … einem andern Jäger. Frage nur Rado – aber -ja nicht die Urmutter!« »Behüte! Weiß schon!« lachte -sie, »komm, Schnufelschatz!« und sie sprang davon in hohen -Sätzen, daß Zöpflein und Röcklein flogen, bis Schnufilo sie -zornig bellend daran fing und festhalten wollte. Aber sie -schleifte ihn nach und lachte, daß es schallte. Der Kellerer -sah ihr nach: »Und das – <em class="gesperrt">das!</em> – soll der liebe Himmelsherr -demnächst zu Zunder und Asche verbrennen? Er -müßte sich ja schämen! Nein. Unser Herrgott hat das -Herz am rechten Fleck – trotz unsereinem. Ich mag's -nicht von ihm glauben!«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VIII.</h3> - -<p>Wie nun die Besucher dem Hüttlein unter dem Moosdach -sich näherten, öffnete sich die niedere Thür und heraus -trat eine sehr alte Frau, gestützt auf ihren auch schon -betagten, aber noch vollrüstigen Enkel. Die Züge der -Greisin waren immer noch schön – so friedlich waren sie!<span class="pagenum"><a id="Seite_92">[92]</a></span> -– und das silberweiße Haar stand ihr gut zu den rosigen -Wangen. Diese zarte Gesichtsfarbe und das Milde in den -Mienen und im ganzen Wesen hatte der Enkel von ihr -geerbt.</p> - -<p>»<em class="gesperrt">Dort</em> steht der hochehrwürdige Herr Bischof, dort, -zur Rechten, Großmütterlein!« mahnte der Führer, indem -er den aus Mainschilf geflochtenen Flachhut, wie ihn -in der heißen Zeit während der Arbeit in den Weinbergen -die Winzer trugen, demütig abnahm. »Dank Euch, Herr -Bischof, daß Ihr auch die Hütten der Geringen aufsucht. -Ihr seid wie des lieben Herrgotts Sonne! Die grüßt -und erfreut auch nicht bloß, was ihr stolz das hohe Haupt -entgegenrecken mag, – auch das geringe Blümlein sucht -sie segnend auf, das sich bescheiden duckt am Raine.« Der -Bischof nickte ihm freundlich zu: »Ich fand schon oft, wer -viel mit Blumen und Pflanzen zu thun hat, dessen Seele -wird sanft und sinnig.« Er faßte jetzt die Hand der -Alten: »Nun, Mutter Ute, wie steht's? Ihr tragt Euer -schweres Los so lang – so lange schon! – mit echt -christlicher Geduld.« – »Ach, gütiger Herr Bischof, es ist -nicht schwer, wenn man nur einen recht festen Glauben -hat. Und den, seht, – den hab' ich! – Und daß ich -ihn habe, – das dank' ich auch – <em class="gesperrt">Ihm</em>!« – »Gott -dem Herrn!« »Mag wohl sein,« erwiderte die Greisin -zögernd. »Will gewiß nicht nein sagen. Der Herr mag -es wohl meinem armen Konrad auf die Lippen gelegt -haben, bevor er starb.« – »Euer Mann! Was hat er -Euch gesagt damals? Er starb', mein' ich, in derselben -Nacht, da Ihr, da die Ungarn –« – »Ganz recht, Herr -Bischof! Hunnen nannte man sie. Bald sind's nun siebzig -Jahre.« »Siebzig Jahre blind!« seufzte der Kellerer mitleidig. -»Ja, das war noch unter Bischof Dietho,« fuhr -die Alte fort, immer lebhafter redend in dem Eifer der<span class="pagenum"><a id="Seite_93">[93]</a></span> -Erinnerung und wiederholt mit der Hand über ihr dichtes -weißes Haar streichend. »Damals war noch Sankt Burchhards -heiliger Leib nicht erhoben. Da war der Graben -um die Stadt noch nicht gezogen, noch nicht einmal der -Pfahlhag war ganz fertig geworden. Wir wohnten in -einem Hüttlein dicht hinter dem Pfahl im Osten der Stadt -am dürren Bach. Mein Mann, ein Freigelassener des Bistums, -war gar geschickt, mit Axt und Stemmeisen zu -bauen und zu zimmern; er war vom Knaben auf im -Bischofshaus als Zimmerer verwendet worden, hatte daselbst -gar frommen, frommen Sinn gewonnen und nun -hatte ihm vor Jahr und Tag der Herr Bischof Dietho das -Hüttlein am dürren Bache zur Leihe gegeben, damit er -mich heiraten konnte: ich war Magd von Sankt Andreas, -wie man damals statt Sankt Burchhard noch sagte. Ich -hatte meinem Konrad gerade ein paar Nächte vorher Zwillinge -gebracht: – einen Knaben und ein Mägdlein. Wir -waren so glücklich! Auf einmal – in der Nacht – ein -Gejohle, wie wenn der Höllenwirt tausend böse Geister -losgelassen hätte! Konrad springt ans Fenster – das -war offen: denn warmer Sommer war's, wie jetzt – -›Helft‹ rief er, ›Sankt Kilian, Sankt Koloman und Sankt -Tetnan!‹ – Rings Feuer! Rings Flammenschein! Des -Nachbars Hütte zur Rechten brennt lichterloh! Und in -dem Flammenschein Hunderte von Teufeln und Unholden, -zu Roß, zu Fuß, schreiend, jauchzend, mit Äxten an die -Nachbarhöfe zur Linken, auch schon an unsere Hausthüre -schlagend. ›Das sind die Hunnen!‹ rief mein Konrad, -schloß rasch den Laden und griff nach einem Beil. Wie -aus dem Abgrund aufgestiegen, so plötzlich waren sie da. -Schon brannte auch unser Heim, das Strohdach und die -rechte Holzwand! Aber hinaus? Wehe, wir sahen durch -die Ritzen des Ladens, wie die Unholde da draußen die<span class="pagenum"><a id="Seite_94">[94]</a></span> -Weiber, die Kinder, die aus den brennenden Hütten flüchteten, -griffen und in ihre Lanzen oder zurück in die -Flammen warfen.</p> - -<p>So blieben wir an dem Herd zusammengedrängt, -mein Kurt das Mägdlein, ich den Knaben im Arm und -beide schreiend zu Gott und den Heiligen. Da plötzlich -– von oben her – ein Krach und eine Lohe über uns -hin! Der Firstbalken war gerade auf uns herabgestürzt, -über meine Augen ein brennender Span. Das that weh, -Herr Bischof! Noch spür' ich's, denk' ich daran. ›Kurt,‹ -gellte ich in grellem Schmerz, ›wo bist du, ich sehe dich -nicht.‹ ›Hier,‹ stöhnte er, ›ich sterbe, arme Ute.‹ ›Wo? -Wo denn?‹ schrie ich und tastete nach ihm. Ach – ich -sah ihn nicht mehr – ihn nicht und nichts mehr auf -Erden. Er merkte es bald: ›Utelein,‹ sprach er, ›liebes -Weib, schönes Weib‹ – so sagte er, Herr Bischof: O ich -hab' mir's seither vorgesagt tausend, tausendmal! – ›das -Mägdlein an meiner Brust ist tot, zerschmettert. Und -ich – ich muß sterben. Aber der Knabe in deinem Arm -ist ganz unversehrt. Du – glaub' ich – siehst nicht mehr -ganz gut. Das ist hart! Aber sei getrost: der Himmelsherr -hat's so gewollt. Und horch – es wird schon stiller -draußen – die Hunnen haben sich verzogen‹. ›Blind!‹ -schrie ich. ›Blind fürs Leben? So soll ich niemals dein -helles Antlitz, wiedersehen?‹ ›Du vergissest, liebes Weib,‹ -sprach er sanft, ›ich muß jetzt sterben. Aber dereinst, wann -auch <em class="gesperrt">du</em> stirbst, dann wirst du wieder sehen. Im Himmelreich -da oben, bei dem milden Gott, giebt es keine Lahmen, -Krüppel und Blinde: dort ist lauter Vollkommenheit: erst -gestern hat's der Herr Bischof gepredigt im Dom. Also -sei ganz getrost! Kommst du zu sterben, wirst du sehen, -wirst du mich wiedersehen. Mit dem Mägdlein auf dem -Arme schweb' ich dir aus den Wolken entgegen und hole<span class="pagenum"><a id="Seite_95">[95]</a></span> -dich ab aus der Not und der Nacht der Erde in das -ewige Licht. Leb' wohl! Gewiß ist's wahr – glaub' -mir – du wirst mich wiedersehen, wann du stirbst.‹ Das -war sein letztes Wort.</p> - -<p>Bald darauf gruben mich die Reisigen des Herrn Grafen -und die Dienstmannen des Herrn Bischofs – die Hunnen -waren hinweggestoben, nachdem sie die Häuser vor der -Mauer verbrannt – aus dem noch qualmenden Schutt, -mich und den unverletzten Knaben und ach! die beiden -Toten. – Und nun leb' ich und zehr' ich bald siebzig -Jahre von dem letzten Wort meines Konrad. Ich glaube -an sein Wort wie an Gottes Wort so fest.«</p> - -<p>Gerührt sprach der Bischof: »Gott der Herr hat dich -gesegnet, arme Frau, in deinem Elend durch deinen Glauben.« -»Ja, Herr, da sprecht Ihr wahr,« bestätigte ihr Enkel, -sich aufrichtend: er hatte sich gebückt, die Schnecken von -seinen Blumen abzulesen und auf dem Sandwege zu zertreten. -»In aller Not hat sie dies Wort aufrecht erhalten. -Und es ging ihr früher doch oft recht übel.« »Nicht -Schuld meines braven Sohnes Konrad,« fiel die Alte eifrig -ein – »und seines lieben Weibes: Gott lohnt ihnen längst -schon beiden in der lichten Himmelsaue! Und auch wahrlich -nicht, sobald die irgend eine Arbeit leisten konnten – -meine beiden Enkel. Denn darin muß ich den Schwarzen -loben wie den Blonden – so ungleich sonst sie geartet -sind, die seltsamen Brüder. Auch mein Rado – … -wo ist er? ich höre ihn nicht –?« – »Zu Walde gegangen, -Großmutter.« »Schon wieder!« seufzte die Greisin. -»Das ist sein Unsegen! Weiß Sankt Kilian, immer in -den finstern, verrufenen Grafenwald! Böse Geister sollen -dort hausen« – sie bekreuzte sich Stirn und Brust – -»der wilde Jäger hetzt ob seinen Wipfeln und jagt die -Holzweiblein darin mit lautem Huhu, Huhu. Bald als<span class="pagenum"><a id="Seite_96">[96]</a></span> -Hirt, bald als Jäger, bald als Köhler, aber immer in -jenem Wald macht er sich zu schaffen. Schon vom Knaben -auf! Seine Mutter – will sie sonst gewiß nicht schelten! -– ist schuld daran: sie erzählte ihm viel, viel mehr vom -wilden Jäger und vom bergentrückten Kaiser und von -Waldschrat und Rauchries' und Drachenries' als von den -lieben Heiligen. Aber was er früher im Waffendienst der -Rothenburger verdiente und was er später hier im Hirtendienst -der Bürger erarbeitete, – alles brachte er mir, der -Schwarze wie mein Blonder – wie ihr Vater sie nannte. -Aber der Blonde ist immer gern bei mir geblieben.«</p> - -<p>»Nun, Großmütterlein, jetzt sind wir schon lange beide -grau. Und es ist doch nicht mein Verdienst, daß es mich -von Kind auf mehr freute, hier im Gehöft zu bleiben, das -die Bürger dem Vater als Gemeindehirten zur Erbleihe -gegeben und dies Gärtlein anzulegen und meiner lieben, -lieben Blumen zu pflegen und an den Zäunen des Edelobstes -und der Reben.« – »Er hat eine so glückliche -Hand, mein Wartold. Alles gedeiht unter seinen geschickten, -geschmeidigen Fingern …« »Der Herr hat sie ihm gesegnet, -diese Hand,« sprach der Bischof, »die so getreulich -die blinde Ahnin geführt hat.« »Aber auch Rados Hand!« -fiel der Gärtner eifrig ein. »Wohl ist sie härter als die -meine hier, aber stärker und sicherer. Er trifft den fließenden -Fisch im Main! Und Bär, Luchs und Wolf, sie kennen -seinen Speerwurf gut.« »Wie weiland Saracenen, Wenden -und Welsche,« nickte Herr Heinrich. »Aber die Heiligen -schlecht sein Beten!« »Zürnt ihm nicht, Herr,« bat Wartold. -»Lieber Gott,« raunte Supfo ungeduldig, »ich kenne einen, -– einen Seelenhüter, nicht bloß Gemeindehüter – der -hat die längste Zeit seines Lebens auch viel lieber den -Auerhahn im Buchenwald balzen als den Pfaffen im Dom -Messe singen hören.« »Und nun geht ja doch bald alles<span class="pagenum"><a id="Seite_97">[97]</a></span> -zu Ende, Gott sei Dank,« erinnerte Frau Ute. »Da gönnt -ihm doch noch sein bischen Jagen.« – »Meint Ihr, gute -Frau? Noch hat sich die heilige Kirche nicht ausgesprochen -über jenen Glauben.« »Herr Bischof,« fragte Wartold, -sehr ernsthaft, »was meint Ihr? Giebt's im Himmelreich -auch Blumen?« Herr Heinrich schwieg verdutzt einen -Augenblick. »Das … das hat mich noch kein Mensch -gefragt! Und ich mich selber auch nicht! – Blumen? – -Weiß nicht! – Aber ja! Doch wohl! Palmen, Palmen -für die Märtyrer.« »Ach, die wachsen nicht bei uns,« -klagte Wartold ganz betrübt. »Hab' sie immer nur gemalt -gesehen in den Kapellen. Von denen hab' ich kein -Verständnis; werde sie am Ende zu trocken halten,« schloß -er nachdenksam. »Die Wipfel in Glut, die Wurzeln in -Wasser taucht die Palme, so lehrte mich der Araber, den -Ihr eine Weile hier als Geisel gehalten.« »Nun, Gärtner, -verzagt mir nur nicht,« lachte Herr Heinrich. »Eben fällt -mir bei: auch Lilien brauchen sie da oben für die Jungfrau -Maria. Und um die Stirnen der Seligen zu kränzen. -Und auch Engelein sah ich zu Rom im Sankt Peter auf -Goldgrund fliegen, – die trugen weiße Lilien in den -Händen.« »Eia, Eia!« rief der Alte vergnügt und rieb -sich die Hände in heller Freude. »Gott lohn' Euch dieses -Wort, Herr Bischof! Lilien! Lilien, sagt Ihr? Nun -seht: das sind ja gerade meine Lieblinge. Und ein klein -wenig,« nickte er lächelnd, »ein klein wenig verstehe ich -mich auf deren Pflege! Habe dafür am meisten Geschicklichkeit. -– Oder Gnade von Sankt Gertraud, will ich -sagen. Seht nur, frommer Herr Bischof, dort das runde -Beet. Zwei neue Arten! Haben hier zu Lande noch nie -geblüht. Die eine – die weiße – gefüllt! Und die -andre – die feuerrote – noch viel süßer duftend als die -weißen! Ein Freund von mir, der Klostergärtner von<span class="pagenum"><a id="Seite_98">[98]</a></span> -Herrieden, der seinen Abt auf einer Pilgerfahrt nach Rom -begleiten durfte, brachte mir die Zwiebeln mit aus einer -welschen Stadt: – die soll nach den Blumen benannt -sein: ach diese Stadt möcht' ich wohl gesehen haben! Aber -nun ist's zu spät. Seht nur, wie sie gedeihen! Und noch -schönere hab' ich in dem Neubruch, den ich angelegt – -weiter gegen die Stadt und den Main hin, die solltet -Ihr mal sehen!« »Der Alte hat eine Liebe zu den unnützen -Stingel-Stengeln,« brummte Supfo, »als wären's -wirklich Reben vom Stein!«</p> - -<p>»O, Herr Bischof,« fuhr Wartold fort und faltete die -Hände, »komme ich – Unwürdiger! – doch etwa in den -Himmel … –« »Er ist dir sicher, schon wegen des -vierten Gebots,« sprach die Blinde. – »Dann legt ein -gutes Wort für mich ein bei Eurem Amtsbruder, Sankt -Petrus – der hat ja doch wohl das Ganze des himmlischen -Hauswesens unter sich, nicht? Ich meine: die Vergebung -der Ämter zu Lehen! – Bittet, daß ich sein -Gärtner …, ach so, wegen der Palmen? Nun, die -werd' ich mir wohl auch anlernen können! – o wenn ich -nur sein Gärtnergehilfe werden darf. Ewiglich der Lilien -pflegen, wie selig!« Und seine sanften blauen Augen -leuchteten ganz verklärt. »<em class="antiqua">Sancta simplicitas!</em>« sprach Herr -Heinrich gerührt zu sich selber. »Mir ist, diesem reinen -Herzen ist der Himmel gewisser als mir.« »Soll ich einmal -selig werden im Himmel – aber es eilt nicht, gar -nicht!« – raunte Supfo – »reiß' ich ihm die Lilien aus -und setze Leistenschößlinge!« – »Wenn nur dein wilder -Bruder,« warnte Herr Heinrich, »nichts Ähnliches wünscht -wie du: zwar nicht ewig gärtnern, aber ewig jagen!« -»Sankt Kilian schütze ihn,« rief die Alte, »vor solch' frevelem -Wort! Da müßte er ja dem wilden Jäger folgen -immerdar.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_99">[99]</a></span></p> - -<p>Der Bischof wandte sich zum Gehen; vorher aber zog -er noch ein Geldstück aus seiner ledernen Gürteltasche, -reichte es dem Alten und sprach: »Da! Nimm! Ich kaufe -dir all' deine Lilien ab. Das heißt: – erschrick nur -nicht! – alles soll dein eigen bleiben: Beet und Zwiebeln -und Stengel und Blätter und Blüten –« – »Ja, aber -was – was ist denn dann die Ware, die Ihr kauft?« – -»Du sollst mir nur, soviel ich davon brauche, an Sonntagen -zum Schmuck des Hauptaltars des Domes liefern. -Bist du's zufrieden?« – »Gewiß, Herr! Welche Ehre -für meine Blumen! Meine Fullrun soll sie Euch immer, -frisch geschnitten, bringen. Aber – es ist des Geldes ja -viel zu viel. Und für so kurze Zeit! Wie viele Wochen -wird denn die Welt noch stehen?« »Es ist zum Lachen,« -schalt Supfo in sich hinein. »Sie glauben fest an die -Dummheit.« – »Nun, für so lange eben gilt der Handel, -als die Welt, der Dom und die Lilien noch stehen.« – -»Gut, gut. Aber …« – »Noch ein Bedenken, Alter?« -– »Wenn der jüngste Tag an einem Sonntag gerade -hereinbricht …?« – »Nun, was dann?« »Dann,« -rief der Greis tief erregt, »dann geht der Himmel Euerem -Altare vor! Die letzten, die ich hier gezogen, die nehm' -ich mit hinauf, die Stirnen der Seligen dort oben damit -zu schmücken. Zumal Eine Stirne …!« Die Stimme -versagte ihm: – die blauen Augen wurden feucht. »Nun, -Wartoldchen, mein Junge, nun!« tröstete die Blinde. -»Mußt nicht weinen! Siehst sie ja nun bald wieder, -Friedlindis, deine gute Frau! Hast sie nicht so lange entbehren -müssen wie ich meinen Kurt. Sie starb, nachdem -sie ihm das liebe, schlimme Kind geboren. Sind erst -fünfzehn Jahre. Da thut so was noch heiß und bitter -weh!« »Sind erst fünfzehn Jahre,« wiederholte Herr -Heinrich tonlos, »da thut so was noch heiß und bitter<span class="pagenum"><a id="Seite_100">[100]</a></span> -weh. Ach, und er hat nur ihren Leib, nicht ihr Herz -verloren!« brütete er still weiter. »Und kann der Mann -ein Weibesherz verlieren, das er einmal besessen? Weh, -ich bilde mir nur ein, ich hab's verloren. Sie <em class="gesperrt">hat</em> kein -Herz. Oder ich hab's nie besessen.«</p> - -<p>»Was ist Euch, Herr Bischof?« fragte die Blinde. -»Ihr leidet! Ich hör's! Ihr atmet so schwer.« Supfo -zupfte sie am Rock, sie möge schweigen.</p> - -<p>Aber Herr Heinrich hatte sich schon wieder emporgerafft: -»Lebt wohl, ihr guten Leutchen. Bald komm' ich wieder -zu euch. – Friedlich ist's bei deinen Blumen, Wartold. -Ich will beten für euer Heil im Himmel. Betet ihr für -meinen Frieden – auf Erden! Komm, Supfo! Nach -Hause! In die Einsamkeit.« Und hastigen Schrittes eilte -er aus dem Garten.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IX.</h3> - -<p>In einem dem Bischofshause benachbarten und dem -Bistum gehörigen Hofe hatte schon Herrn Heinrichs Oheim -und Vorgänger Edel, unter der Obhut der Frau Malwine, -einer alten verwitweten Dienerin des Rothenburgschen -Hauses, geborgen; der jetzige Bischof hatte sie hier belassen -und Minnegard während ihres Besuches am Main bei -seiner Schutzbefohlenen – ihrer Freundin – untergebracht, -bis die künftige Nonne in einem Religiosenhause von frommen -Schwestern am Nordthor in Empfang genommen und -für den Eintritt in ein eigentliches Kloster vorbereitet -werden sollte: das hatte ihr Herr Heinrich als nahe bevorstehend -angekündigt.</p> - -<p>Ziemlich trübselig daher erwartete sie an diesem Abend<span class="pagenum"><a id="Seite_101">[101]</a></span> -in der schmuckarmen Kemenate des schmalen Holzhauses -den Ohm zum Nachtmahle.</p> - -<p>Statt seiner erschien der Kellerer mit einer Absage: -»Der Herr Hezilo ist von einem Rundgang ganz weich- -und wehmütig nach Hause gekommen,« meldete der Treue -kopfschüttelnd. »Er hat als Abendspeisung nur trocken -Brot und Wasser bestellt; ich sollte es ihm in die Bücherei -tragen. Das Brot bracht' ich ihm ganz gehorsam. Das -Wasser aber? Ich schickte es ihm durch den Brunnenmeister -und ließ ihm sagen, bischöflicher Keller führe das Gewächs -nicht! O das bedeutet wieder einmal eine zu durchwachende -Nacht! Er geht jetzt wieder auf und nieder, auf und nieder, -und summt dazu – aber nicht ein Gebet! Die erste Zeile -hab' ich erlauscht: 's ist, glaub' ich, aus einem alten -Liede, das der Junker von Yvonne einmal vortrug:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">›Nicht Feuer und nicht Gift im Blut –‹<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">aber das andere hab' ich nicht verstanden. – Vielschöne -Jungfrau Minnegard,« rief er näher tretend, »ich sag' Euch: -wenn das noch lange so fortgeht, dann geht's nimmer lang -so fort! Er schläft nicht mehr, er ißt nicht – das, glaub' -ich, hat er nie gelernt – er trinkt nicht mehr! Und wenn -nun vollends auch Ihr noch uns verlaßt! Dann weicht -von uns der letzte Sonnenstrahl. Über Euch und Eure -Schalkheit hat er doch noch manchmal gelächelt mit seinem -lieben, feinen, sonst so traurigen Mund. Wer sollte auch -an Euch nicht seine helle Freude haben!«</p> - -<p>»Ja, mein treues Supfolein,« seufzte das schöne Mädchen -und trug von dem säuberlich von ihrer Hand gedeckten -Tisch des Bischofs silbernen Teller und goldenen Becher -hinweg und stellte sie, sich zierlich auf den Zehen reckend -– »wie steht ihr alles so anmutig!« dachte Supfo dabei – -auf das vorspringende Kruggesims an der lindengetäfelten<span class="pagenum"><a id="Seite_102">[102]</a></span> -Wand. »Ich weiß es wohl, – Ihr habt mich lieb gewonnen -in Eurem treuen Herzen und in Euren klugen -Gedanken, – soviel der Oheim und der Wein Raum darin -leer gelassen haben. Bitte, gießt ein wenig Öl aus jenem -Krüglein auf die Ampel – aus Byzanz, Geschenk von -Frau Theophano, nicht wahr? Die hätt' ich gern gesehen. -Denn ich meine immer …! Nicht wahr, sie war argschön?« -– »Schöner vielleicht sogar als Ihr, und das -heißt was! Aber nicht so anmutvoll. So mehr wie die -marmornen Göttinnen in Rom.« – »Sie soll aber gar -nicht von Stein gewesen sein, die üppige junge Witwe, -wenigstens nicht gegen …! – Ach, wer doch von Stein -wäre! Glaubt Ihr, herzgescheiter Mensch, ich gehe gern -von Euch und mit Vergnügen in das Kloster?« »Ist ein -Schandfleck für alle deutsche Jugendschaft!« schrie der Dicke -und ward rot im Gesicht. »Hei, wär' ich ein Junker wie -wir hier zwei oder drei herumstolzieren haben: – auf dem -Wege zu den Schmachtnonnen, ja noch hinter dem Klostergitter -hervor würd' ich Euch retten. Für Euch selbst und -für …« – »Am Ende gar für Euch selbst? Hört, -Ihr werdet ganz gefährlich in Eurem Mitleid! Ich rufe -mir Aufsicht herbei – und was für gestrenge! – komm, -Edel, komm heraus. Erscheine, du Heilige, und hilf mir -wider die Anläufe dieses dicken Dämons. Wir armen -Jungfräulein müssen wieder einmal allein zu Abend speisen.« -»Die?« flüsterte Supfo. »Ja, die vertreibt mich. Denn -Junker Hellmuth ist mir nah ans Herz gewachsen. <em class="gesperrt">So</em> -blond, <em class="gesperrt">so</em> schön und <em class="gesperrt">so</em> widervernünftig!« Und er -verschwand.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_103">[103]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>X.</h3> - -<p>Nachdem der Ruf ohne Erfolg blieb, schlug die Braune -den dunkelroten Vorhang zurück, welcher das Nebengemach -zur Linken abschied.</p> - -<p>Da erblickte sie im trüben Dämmerlicht einer Hängeampel -die Freundin auf dem Betschemel knien, die schmalen, -langen, weißen Hände gefaltet zu brünstigem Gebet vor -einem dunkelfarbigen Kreuz; das stammte aus Jerusalem; -Herr Heinrich hatte es aus Monte Casino mit heimgebracht. -Rasch erhob sich nun die Beterin, strich ihr tiefblaues -langfaltiges Gewand zurecht und trat in das Vorderzimmer; -mit leisem Kopfschütteln empfing sie Minnegard. -»Der Bischof kommt nicht,« seufzte sie. »Und also auch -nicht das junge Geleit, das er manchmal mitbringt.« -»Desto besser,« erwiderte Edel, die schönen dunkeln Brauen -zusammenziehend. »Du denkst nur an dich,« meinte die -andere und öffnete einen in der Wand angebrachten Verschlag, -Schüssel und Teller daraus hervorholend. »Vergieb!« -bat Edel weich. »Es war selbstisch.« Sie griff nach der -Freundin Hand, sie half ihr, die Teller aufstellen. »Glaube -nur, ich gönne dir von Herzen das Vergnügen, das dir -der Ritter von Yvonne zu gewähren scheint. – Ich gönn' -es dir, – obgleich ich es beklage.« – »Jetzt … erst -setze dich, Edel! <em class="gesperrt">Wir</em> wollen unser Nachtmahl nicht versäumen! -Ist doch morgen ohnehin schon wieder Fasttag! -Weil an diesem Tag vor vielen hundert Jahren irgendwo -ein sehr heiliger Mann – wer kann sich alle merken! – -geboren oder gestorben oder ›transferiert‹ worden ist. -Komm! Greif zu! Der kalte Rehbraten wird dir munden, -– du wirst ihm nicht anschmecken, daß der verhaßte Fulko -den Bock erlegt hat. Sage nur, weshalb du wie auf –<span class="pagenum"><a id="Seite_104">[104]</a></span> -den andern – o! ich nenne ihn nicht! – auch auf den -fröhlichen Singemund deinen Groll geworfen hast?« – -»Ich trage dem Ritter Fulko keinen Groll.« – »Aber er -mißfällt dir?« »Doch nicht! Denn bei allem Übermut -ist er …« sie brach ab. – »Warum dann beklagst du, -daß ich ›Vergnügen‹ – wie du das nanntest – an ihm -finde?« – »Warum? – Weil ich fürchte, holde Thörin, -es ist weit mehr als Vergnügen, mehr als Scherz.« »Und -wenn es Ernst wäre?« erwiderte Minnegardis sehr rasch. -– »O liebes Herz! Das eben fürchtete ich, – sah ich. -Bedenke doch! Wie soll das enden? Du – im Kloster. -Und im Herzen das Bild eines Mannes! Hast du das -wohl je bedacht?« Da ward das schöne Gesicht des heiteren -Mädchens plötzlich sehr ernst, – der edle Ausdruck -ließ ihr doch noch viel besser denn der Mutwille! – und -sie antwortete nachdrücklich: »Ja, Edel, ich <em class="gesperrt">hab'</em> es bedacht. -Oft, lang und tief. Sieh, dieser Gedanke ist mein -Halt, er ist mein Trost, er ist mein einzig Glück. Mögen -sie mir ein Geschick aufnötigen, dem ich widerstrebe mit -Leib und Seele: – nur den Leib doch können sie einsperren -und zwingen, die Seele nicht! Und muß ich aller -andern Lebensfreuden darben, nach denen ich – ach! so -lechzend heiß begehre – das Eine Glück –, es ist mir -ja zu gönnen, das bloße Glück der Gedanken! – können -sie mir nicht rauben: das Glück, sein liebes, schönes Bild -tief in der Brust zu tragen, das Glück, ihn zu lieben und -– o ich weiß es! – heiß von ihm geliebt zu sein. Und -Heil mir! Er ist es so voll wert, daß ich ihn liebe!«</p> - -<p>Da schluchzte plötzlich Edel laut auf: strömende Thränen -brachen aus ihren Augen, sie schlug beide Hände vor das -blasse, schmale Antlitz, bog das Haupt dicht an die Stuhllehne -zurück und seufzte: »Du Beneidenswerte!«</p> - -<p>Erschrocken sprang Minnegard auf: nie hatte sie solchen<span class="pagenum"><a id="Seite_105">[105]</a></span> -Ausbruch des Gefühls erlebt bei der so streng verhaltenen, -bis zur Härte und Herbheit spröden und scheinbar so kühlen -Freundin. »Edel, mein Liebling!« rief sie, kniete sich zu -ihren Füßen auf das Bärenfell des Estrichs und umschlang -mit beiden Armen die schmalen Hüften. »Was ist dir? -O sprich! Wirf endlich dieses starre, stolze Schweigen ab! -Es schmerzt ja doch dich wie – wie mich! Vertrau' dein -stummes Weh meinem treuen Herzen! Sprich es aus! -Es wird dir gut thun! Sieh, ich ahne ja doch so manches! -Hab' ich doch wochen- und monatelang gelebt neben dir -und –« »Nenn' ihn nicht!« brachte die Ringende schwer -aus den halbgeschlossenen Zähnen hervor. »Hab' ich's -doch mit angesehen, wie – allmählich! – sogar deines -allzustolzen Herzens Eisrinde endlich schmolz. Ist auch -wahrlich kein Wunder! Ist er doch …« – »Lob' ihn -nicht! Es ist all' nicht wahr! –« Bitter, schmerzlich -kam das heraus. »Ach was! Wohl ist's wahr! Er ist -– leider Gottes: er <em class="gesperrt">war</em>! – der freudigste junge Held -(– in Blond! –), den man sich träumen konnte, wenn -man nicht lieber von – was Braunem träumte. Wie -lobte ihn der Bischof! Und auch dir gefiel sein ritterlich -Wesen. Er taugte so gut zu deiner stummen, stolzen, -ehernen Art. So gut zu <em class="gesperrt">dir</em> – wie – – ein anderer -zu <em class="gesperrt">meiner</em> Weise. Und zuletzt – unnahbar wie du bist -– du nahmst es an, sein edel zurückhaltend, zartes -Werben!« – »Edel zurückhaltend – zartes – Werben!« -Sie riß die Hände von dem Gesicht, ein funkelnder Zornblick -schoß aus den grauen Augen, die Flügel der feinen -Nase zuckten. »Bis auf einmal – nach jenem Stechen zu -Worms! – O wie ihr daher zurückkamt! – Er vom -Tage seines höchsten Ruhmes wie ein weidwund geschossener -Edelhirsch. Und du – wie jene zürnende Göttin der -Jagd, von der uns Fulko verdeutschte aus Meister Ovidius.<span class="pagenum"><a id="Seite_106">[106]</a></span> -Und wie hängt er noch immer an jedem Blick deines -Auges, so grausam auch du mit ihm umgehst! Mich -wundert, daß dich seiner nicht erbarmt. Bedenke! Wenn -wirklich die nächste Sunnwend' ein Ende macht mit uns -allen …!«</p> - -<p>Da flog ein leichtes Erbeben über Edels feine Gestalt: -ihre Züge wechselten den Ausdruck: an Stelle des Zornes -trat ein Etwas wie Wehmut, wie Trauer: die Kluge ersah -das und fuhr eifrig fort: »Wodurch immer er deinen Zorn -gereizt hat, – willst du unversöhnt mit ihm hinübergehen -in die Ewigkeit?«</p> - -<p>Edel schwieg und schlug die langen Wimpern nieder.</p> - -<p>»Willst du, Grimm und Groll im Herzen gegen ihn, -der dir so ganz ergeben, vor den ewigen Richter treten, -vor Christus, der seinen Mördern selbst vergeben hat? O -Edel – ich überraschte dich – nicht das erste Mal! – -im Gebet: wenn du denn so fromm bist: wie lehrte uns -der Heiland beten? ›Gleich wie wir vergeben unsern -Schuldigern.‹ Was immer du gebetet hast, – das Rechte -– <em class="gesperrt">dies</em> Gebet! – du hast es nicht gebetet!« – »Ich … -ich betete – wie schon so oft! … für ihn!« – »Edel! -– Wie gut du bist!« – »Nein, nein! Hoffart war mein -Gebet: – ich sehe es jetzt ein! Ich fühlt' es bei deinen -<em class="gesperrt">wahrhaft</em> frommen Worten. Ich betete immer nur …« -– »Nun, was?« – »Gott möge ihm seine Schuld gegen -mich verzeihen.« – »Und du hast beigefügt: gleich wie -ich, Edel, ihm verzeihe?« Beschämt senkte Edel das Haupt -auf die wogende Brust. Minnegard hob es zärtlich und -gelinde, mit dem Finger unter dem Kinn, in die Höhe.</p> - -<p>»Du schweigst, kleiner Trotzkopf?« – »Ich … ich -will nicht …, daß ihm um meinetwillen Gott zürne und -ihn strafe.« – »Aber du, du zürnst und strafest fort! -Geh du dem lieben Gott mit gutem Beispiel voran! Verzeihe<span class="pagenum"><a id="Seite_107">[107]</a></span> -du zuerst.« – »Ich … ich kann nicht … will nicht.« -– »Weil du ihn eben nicht liebst! Du <em class="gesperrt">kannst</em> wohl gar -nicht lieben!« Da traf sie ein blitzender Blick aus den plötzlich -voll aufgeschlagenen grauen Augen: »Glaubst du?« – -»Noch einmal, Edel, bedenke: wenn nun wirklich demnächst -alles aus ist? – Wenn ich dessen erst sicher bin – <em class="gesperrt">ganz</em> -gewiß! – dann …!« – »Nun? Was wirst du dann -thun?« – »Dann …!« Minnegard sprang heftig vom -Boden auf. »Ja, siehst du, ganz genau weiß ich noch -nicht, was ich dann thue. Aber einmal noch im Leben, -thu' ich dann, – wozu das Herz, – dies heiße Herz! -– mich treibt, unbekümmert um das Geschelte der Welt: -– sie hat ja dann nicht mehr viel Zeit, zu schelten.« – -»Kind – du glühst! – Was wogt in dir? Was treibt -dich um?« Ohne die Frage zu beantworten, fuhr Minnegard -fort, heiß erregt in der engen Kemenate auf und -nieder zu schreiten; sie hob die vollen Arme in die Höhe -und holte tief Atem: »Mit einer Halbheit in der Seele, -mit ungestilltem Sehnen, mit unbefriedigtem Begehr: – -ich weiß freilich nicht, wonach! – aber nach Liebe, nach -einer süßen Wonne – mit dieser schmerzenden Leere hier -in der Brust – hinübergehen in das Jenseits, wo nicht -geliebt wird, nicht gefreit und nicht … geküßt, also nie -– in Ewigkeit nie! – erfahren, wie die Minne beglückt -– das – das also wird dann mein Los? O wie -traurig!« Sie blieb plötzlich hart vor Edel stehen. »Und -du vollends! Du willst deinen Haß mit hinübertragen -gegen den Mann, der dich so herzverzehrend liebt? Willst -du dann vor den Richter treten und verlangen: bestrafe -ihn!« – »Nein doch! Nein! Ich bete ja das Gegenteil!« -– »Dann wird der Richter sprechen: Und du verzeihst -nicht? Die ganze Welt ist vergangen, aber nicht -dieses Mädchens Haß?« Die so Bedrängte erhob sich<span class="pagenum"><a id="Seite_108">[108]</a></span> -rasch vom Stuhle: »laß mich! Ich kann nicht anders! -Laß mich ringen im Gebet mit meinem Stolz, mit mir -selbst! Laß mich wieder beten.« – »Gut, Schwester, bete! -Geh wieder hinein zu dem Kreuze des Allvergebers. Junker -Hellmuth ist ein Ritter ohne Makel: er kann nicht Unvergebbares -verbrochen haben. Auch ich werde beten: aber -nicht, daß Gott ihm, daß er <em class="gesperrt">dir</em> verzeihe deinen lang -nachtragenden, deinen unversöhnlichen Groll.«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>XI.</h3> - -<p>Zu der gleichen Stunde saß in dem Speisesaal in dem -Erdgeschosse des Bischofshauses an dem runden Tisch mit -der Ahornplatte Hellmuth in stummem Brüten vor dem -unberührten Weinkrug; er hatte den linken Ellbogen auf -den Tisch gelehnt und das blonde Haupt auf die Hand -gestützt. Da trat Fulko ein und warf zorngemut das -reiherbefiederte Barett auf die Bank. »Nichts ist's!« rief -er unmutig. »Der Herr Bischof beliebt wieder einmal zu -fasten, nicht zu Nacht zu speisen und gönnt uns die gleiche -Frömmigkeit.« »Ist gelogen, mit Verlaub, Herr Ritter -von Yvonne,« lachte Supfo, der eben eintrat und eine -stattlich mit allerlei Kaltfleisch gefüllte Silberschüssel auftrug, -sich neben den beiden Freunden niederließ und alsbald -tapfrer als beide zusammen auf den Braten einhieb. »Fasten -müßt ihr heute Abend nur in der Minne, richtiger gesagt: -im hungrigen Anschauen einer allerdings fast unerlaubt -schönen Jungfrau. Daß sie letzteres noch ist, Herr Ritter, -ist nicht Euer Verdienst.« »Verschafft sie mir zum Eheweib -und ich erhebe Euch zu <em class="gesperrt">meinem</em> Kellermeister,« rief der<span class="pagenum"><a id="Seite_109">[109]</a></span> -Provençale und schenkte sich den Zinnbecher wieder voll. -»Leichter Amt wär' es als hier,« erwiderte Supfo und -trank ihm zu. »Warum?« – »Nun: immer leerer Keller, -weil immer durst'ger Herr. – Übrigens, wo steckt Junker -Blandinus? Der pflegt doch sonst häufig euer Abendgast -zu sein! Wo läuft er noch so spät herum?« – »Jedenfalls -hinter einem Weiberrock! Schad' um ihn.« – »Er -ist nicht übel.« – »Nicht dumm und nicht feige.« – -»Beides nicht!« – »Aber die verfluchte Eitelkeit!« – -»Und die Verliebtheit! Nach allen Seiten hin!« – »Es -ist ihm eigentlich gar nicht drum. Er meint nur, als -Venetianer, als Dogensohn und schmucker Bursch – denn -er ist wirklich hübsch! – müsse er überall um Minne -werben. Wenn ich ihn nur einmal gehörig zum Fechten -und Schlagen bringe! Dann kann noch ein Mann aus -ihm werden.« – »Bis dahin – in ein, zwei Jahren – -ist auch die schlimme Runel kein Kind mehr; und wer weiß, -ob der Schwarzlockige dann nicht doch den graulockigen -Schnufilo verdrängt in ihrem trutzigen Herzlein.« – »Bah, -was schwatzen wir da von ein, zwei Jahren – und sind -nur noch ein paar Wochen bis Sunnwend' und Weltend'! -Sagt, schlauer Supfo, wie findet Ihr Euch ab gegenüber -den Schrecken des Gerichts und Eurem Gewissen?« »Ich?« -lachte der Dicke und schob ein mächtig Stück Rehbraten in -den Mund. »Ich habe das beste Gewissen, das mir je -bei einem Menschen vorgekommen ist.« – »Wieso?« – -»Es ist so gut. So weinfromm. Besser als Euer Rapphengst, -Herr Fulko, der beißt zuweilen: und mein Gewissen, -– das beißt mich nie. Ich kann ihm viel bieten, bis es -nur, warnend, schnappt. Aber beißen? Nie! – Und -das andre …?« – Er hob den Becher an die Nase. -(»Köstlich der Ruch, dieses weißen Leisten! –) – das -andre: der Weltuntergang? – Das ist dummes Zeug!«<span class="pagenum"><a id="Seite_110">[110]</a></span> -– »Aber Supfo!« Sogar Hellmuth fuhr hier aus seiner -trübsinnigen Träumerei auf und warf dem Dicken einen -fragenden Blick zu. Jedoch der rümpfte unverzagt die -rötliche Nase, verzog den Mund wie bei einer Weinprobe -und sprach bedächtig: »da hab' ich von unserem Herrgott -eine viel bessere Meinung denn ihr alle.« »Wenn's aber -der Herr Papst selber sagt?« forschte Hellmuth. – »Hat -er's schon gesagt? Nein! Und <em class="gesperrt">wenn</em> er's sagt, –« -»Nun, dann aber?« meinte Fulko. »Dann ist's doch bewiesen.« -»Daß er's glaubt!« schloß Supfo und stellte -den Becher nieder, daß er klirrte. »Mehr nicht. Ich glaub's -mal nicht vom braven Himmelsherrn. Man glaubt auch -sonst gar viel, was nie geschah und nie geschieht. Diese -seine Welt sollte er selbst zerstören? Wer weiß, ob er -eine neue so schön wieder zusammenbrächte! Und nun -gerade heuer, da wir des Trunks der Steinrebe froh werden -wollen! Heuer, da in meiner Neupflanzung auf dem -Harfenhügel schon jetzt – vor Johannis – alles so wundervoll -abgeblüht hat. Habt ihr alle zwei den Duft nicht -verspürt vor lauter Verliebtheit? – Übrigens –« er sog -und schlürfte nun langsam, verständnisinnig einen Schluck -durch die gespitzten Lippen (– »ah, ist das ein Weinlein! -Viel zu gut für euch unmerksame Knaben! –) übrigens -hab' ich eine prächtige Wetterprobe für Gewitter, Erdbeben -und all' dergleichen Erfreulichkeiten. Eine Prophetissa – -sagt man in Welschland –, der glaub' ich mehr als sieben -Päpsten.« »Ihr redet recht lästerlich, Supfo,« sprach -Hellmuth verweisend. »Für Erdbeben – Ihr?« zweifelte -Fulko. »Jawohl, Herr Sänger! – Meint Ihr, nur Ihr -mit Eurer Laute seid in der Welt umhergekommen. Oho! -Wir waren auch schon draußen! Sind mit Kaiser Ott -dem Roten unter dem Rothenburger Fähnlein in Welschland -auf Heldenschaft gefahren. Lagen wir da vor Napoli,<span class="pagenum"><a id="Seite_111">[111]</a></span> -der schönen Stadt. Sehr schön. Aber heiß! Und dreckig! -Wir lagen vor den Thoren, als Beschirmer nämlich gegen -die Saracenen. Nicht in Zelten oder Holzhütten, sondern -in den Häusern der Bauern lagen wir: – sind alle von -Stein vom Grund bis unters Dach. Da drüben rauchte -ganz behaglich und gemütlich der Feuerberg, der Mons -Vesuvius: – wir waren schon so daran gewöhnt in all' -den Wochen, wie daß man den Atem sieht im Winter. -Mein Hauswirt – Gaudenzio hieß der Wackere – hatte -eine Katze, die liebte er mehr, beteuerte er oft, als seine -gelbhäutige, schnurrbärtige Ehefrau. ›Denn warum?‹ sagte -er. ›Meine Lucia kratzt nur, fängt aber keine Mäuse und -verkürzt mir das Leben, während Mucia zwar gelegentlich -kratzt – aber nicht mich, nur Lucia (woran sie recht thut), -Mäuse fängt und mein Leben verlängert, meine schwarze -Prophetissa!‹« »Wieso?« fragte Fulko. »Ja, wieso? -genau meine Worte von damals! (woran man erkennen -kann, was Ihr für ein kluger Knab' seid!) ›Ja,‹ sagte -Gaudenzio und streichelte die Katze, die gleich schnurrte. -›Nämlich wir haben hier gar oft die landesüblichen Erdbeben. -Ist weiter gar kein Vergnügen nicht, sag' ich Euch, -Supfone, wenn Ihr gar nicht getrunken habt und doch -wackeln müßt mit den Beinen, weil nämlich das Land -unter ihnen wackelt, als habe das Land einen Rausch. Und -wenn Euch das eigne Haus auf den Kopf fällt, so genau -und platt, wie der Deckel auf einer Schildkröte liegt – -nur, daß Ihr nicht damit davonkrabbeln könnt, sondern -gar keinen Leichenstein mehr zu bestellen braucht! Nun -also, kurz bevor Santo Vesuvio da drüben – Santo -Januario, bitt' für uns bei ihm! – ein wenig rappelig -wird über die Sünden seiner lieben Napolitaner, an die -er nun doch schon seit mehr als einem Jahrtausend gewöhnt -sein könnte, – aber er ist ein unberechenbarer Heiliger! –<span class="pagenum"><a id="Seite_112">[112]</a></span> -also bevor der liebe gute alte Vater da drüben – mit dem -dürfen wir's noch weniger verderben als mit der heiligen -Jungfrau! – auch nur ein kleines rappelig wird, wird -Mucia – schon ziemlich lange vorher! – ganz rappelig, -miaut, wie wenn sie ihr Fleisch durch Gesang verdienen -müßte, springt bald gegen mich, bald gegen die verschlossene -Hausthür und ruht nicht, bis sie im Freien ist: – sie -und ich auch. Nach Lucia schaut sie gar nicht um.‹ Ich -begreife Eure Liebe zu dem Tier, sprach ich verständnisvoll. -Nun gut: – ein paar Nächte nach dieser Unterredung -weckt mich mein Gaudenzio aus dem tiefsten Schnarchschlaf: -– denn der schwarzrote Amalfitaner ist gut, aber schwer! -– reißt mich aus dem Strohlager und stößt mich zur -Thüre hinaus ins Freie. Ich wollte ihn gerade niederschlagen, -da schrie er: ›Die Katze! die Katze! Mucia hat -gewarnt.‹ Und kaum senk' ich den erhobenen Arm, – da -taumel' ich und wanke, als hätt' ich den Amalfitaner nicht -ganz verschlafen – war aber hecht-nüchtern – und auf -einmal – pardauz! – lag sein ganzes Steinhaus platt -auf dem Bauch, wie ein Frosch, drüber ein Lastwagen fuhr. -Die Ungewarnte lag leider darunter. Am andern Morgen -zog unsere Heerschar ab. Zum Abschied schenkte mir mein -Wirt seine Katze. ›Denn warum?‹ sagte er treuherzig -unter Thränen. ›Brauch' sie nicht mehr. Baue kein Steinhaus -mehr. Und nehme – ganz gewiß! – keine Frau -mehr. Denn warum? Lucia war doch so böse, wie ich -keine mehr fände. Und jetzt thut es mir gleichwohl leid -um sie. Nun denket erst, wie leid mir eine sanftere thäte! -Also wozu Katze?‹ So nahm ich Mucia mit. Auf meinem -Rucksack quer durch ganz Welschland über den Brenner -trug ich sie bis in die Heimat. Sie verläßt mich nie. -Hört ihr sie draußen miaun? Ich komme, Schätzlein, ich -komme. – Nun seht: merkte Mucia das bißchen Erbrechen<span class="pagenum"><a id="Seite_113">[113]</a></span> -von dem lumpigen Vesuvio da drunten und jedes Erdbeblein, -das dort zu Lande so häufig wie bei uns das -Nießen im Schnupfen, und zeigt sie – wie sie immer thut -– hier jedes Gewitter an, lange bevor es vom Königswald -heraufzieht! – da wird's die Prophetissa doch wohl auch -merken, wenn alsbald die ganze Welt zerkrachen soll. – -Ich komme schon, Liebelein! – Ich nehme sie, – an dem -Vorabend – mit in einen Ort, wo – nun, wo man dem -Kern der Erde näher ist als anderwärts. Bleibt sie ruhig, -bleib' ich auch ruhig. Die Zeit soll uns dabei schon nicht -lang werden: denn an jenem heimlichen Orte giebt's für -Mucia viele Mäuse und für mich – nun, für mich giebt's -da auch was. Wir sehen uns dann schon wieder, Jungherrn. -Entweder in der ewigen Seligkeit oder – was -ich eine Zeitlang noch vorziehe – hier in diesem Jammerthal. -Aber dann, Herr Fulko, dann singen wir erst recht -das Lied, das mir von all' Euren Schelmenweisen zumeist -gefallen hat!« – »Welches? Sind ja viele so nichtsnutzig, -daß sie <em class="gesperrt">Euch</em> gefallen können.« – »Ich meine das:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Nun woll'n wir erst heben ein Trinken an,<br /></span> -<span class="i0">Daß der Herr Gott es nicht kann fassen,<br /></span> -<span class="i0">Und spricht: ›wenn der Mensch <em class="gesperrt">so</em> viel trinken kann,<br /></span> -<span class="i0">Mehr Wein muß ich wachsen lassen!‹<br /></span> -</div></div> - -<p>Ich komme, Prophetin des Herrn. Ich bringe dir -deinen Prophetenlohn heraus,« und er nahm ein leckres -Stück Braten aus der Schüssel. »Traumselige Nacht, ihr -Herren. Ihr, Fulko, küsset für mich mit!« Und er humpelte -hinaus und verschwand.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_114">[114]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>XII.</h3> - -<p>»Ein guter Gesell,« lachte Fulko. – »Aber ach, meine -Gesellin! Nun ist es heute abend wieder nichts! Ohne -den Bischof läßt uns die Tugendverwalterin und Unschuldbeschließerin -und geheime Obervestalin – wie heißt sie -doch? aus Schottland stammt sie – richtig: Malwine! -– dadrüben gar nicht über die Schwelle am Abend. Und -wie heiß hatte ich mich gesehnt, wieder einmal in das -süße, klare, holde Gesicht zu schauen! Ist ja wenig genug, -weiß die heilige Aphrodite! für mein wildes Begehren. -Aber als der Teufel einmal sehr durstig war, trank er -Wasser. Sind wir daher doch auf das Zabelspiel gekommen. -Kenne keinen Zug! Aber dabei konnten wir -uns doch an den Abenden manche gute Weile einander -gegenüber setzen, uns – recht nahe! – in die Augen -schauen und manchmal stießen unsere Finger durch Zufall -aneinander, während wir auf dem Brett die Steine rückten. -Denn dergleichen mußten wir schon zuweilen thun. Jüngst -trat Herr Heinrich an unsern Marbeltisch im Erker, wo -wir schon drei Stunden saßen – die ganze Vesper hatten -wir darüber versäumt – und sprach: ›Nun, wie steht das -Spiel?‹ Heilige Eulalia von Barcelona! Wir hatten in -all' der Zeit ja erst einen Zug gethan. Und das lose -Mädchen hatte mir, während ich ihr die Rechte drückte -und ihr selig in die Augen sah, ganz verstohlen mit der -Linken meinen König vom Brette genommen und in ihrem -leer getrunkenen Goldbecher in Gefangenschaft gesetzt! Es -war schrecklich. Lächelnd befreite ihn der Gütige, hob ihn -heraus, stellte ihn auf seinen Platz und fragte: ›hoffentlich -ist dies nicht noch immer das erste Spiel?‹ Er war -so freundlich, mir das Lügen zu sparen: er schritt hinweg,<span class="pagenum"><a id="Seite_115">[115]</a></span> -ohne meine Antwort abzuwarten. Ein prächtig Herz! -War wohl auch einmal jung und heiß. Und noch jünger -war Frau Theophano …« »Gieb acht,« warnte Hellmuth. -»Man hört da draußen auf dem Gang, was hier -so laut gesprochen wird.« »Nun,« lachte Fulko, »das -flüstert man vom Danevirke bis Salerno! War sie doch -Witwe! Wär' ein schönes Paar geworden! – Aber das -Zabelbrett war auch sonst so willig! Konnte meinem -holden Schatz stets abends meine den Tag über gedichteten -Minnelieder darunter durchschieben. Wie geschickt zog sie -mit den wachsweißen langen schmalen Fingerlein die Blätter -auf der andern Seite heraus! Und hui! waren sie verschwunden -in ihrem lang herunterhängenden Ärmel. Jetzt -müssen meine armen Reime wieder Messe hören!« – -»Wie das?« – »Nun ja! Morgen früh in der Kirche -halte ich sie ihr wieder vor das zierliche Näslein und sie -singt daraus die lateinischen Psalmen. Ist aber gefährlich! -Neulich stand der fürwitzige Venetianer hinter mir, -guckte über meine und ihre Schulter, las ein paar Zeilen -und fragte mich lachend, ob ich das hohe Lied Salomonis -in das Deutsche übersetzt hätte? Nicht schlecht! Lache -doch, Hellmuth! Oder trinke wenigstens! Thu' Bescheid. -Unserer Herrinnen Minne.« Aber Hellmuth schob kopfschüttelnd -den Becher zur Seite. »Nun, willst du nicht -reden, so höre wenigstens. Du hattest immer Freude an -meinen Versen.« »Gewiß, Freund. Denn du kannst -sagen, was ich nur fühlen und – leiden kann. Zwar -schmerzt es, zu hören, welch' Glück erwiderte Minne gewähren -mag: aber es ist ein Weh, das wohl thut mitten -im Schmerz. Bitte, beginne.« Fulko war ein Dichter: -zweimal ließ er sich nicht bitten. Er trank erst herzhaft, -griff dann in den Brustlatz, holte ein paar Pergamentblättlein -hervor und las:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_116">[116]</a></span></p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Du hast gesiegt, du starke Liebe!<br /></span> -<span class="i0">Hinweg, Besinnung und Bedacht!<br /></span> -<span class="i0">Und ob sie ins Verderben triebe: –<br /></span> -<span class="i0">Nimm ganz mich auf in deine Macht!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Vorsicht sprach: »das wird nicht frommen,«<br /></span> -<span class="i0">Die Sitte sprach: »vernimm mein Wort:« – –<br /></span> -<span class="i0">Da ist der Strom der Liebe kommen<br /></span> -<span class="i0">Und ohne Wahl riß er mich fort.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">So trage mich, du heil'ge Welle,<br /></span> -<span class="i0">Und, wenn du dies Verlangen stillst, –<br /></span> -<span class="i0">In Todesnacht, in Himmelshelle, –<br /></span> -<span class="i0">Ich folge dir wohin du willst.<br /></span> -</div></div> - -<hr class="tbpoem" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Eiche rief zum Wolkensitz:<br /></span> -<span class="i0">»Ich trotze dir, du starker Blitz.«<br /></span> -<span class="i0">Der aber sprach: »Du ziehst mich an!<br /></span> -<span class="i0">Sieh, ob dein Trotz dir helfen kann,<br /></span> -<span class="i0">Ich bin ein rascher Freiersmann:« –<br /></span> -<span class="i0">Und Schlag und Glut und Wetterschein: –<br /></span> -<span class="i0">In Flammen ward die Eiche sein.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Die Uferrose sprach zum Fluß:<br /></span> -<span class="i0">»Du flehst umsonst um meinen Kuß:«<br /></span> -<span class="i0">Der aber sprach: »Hilft denn kein Flehn,<br /></span> -<span class="i0">Sollst du ein andres Werben sehn,<br /></span> -<span class="i0">Jetzt, Rose, ist's um dich geschehn.«<br /></span> -<span class="i0">Er stieg empor in stolzer Lust<br /></span> -<span class="i0">Und riß sie fort an seine Brust.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Das ist der Liebe Prob' und Macht,<br /></span> -<span class="i0">Wenn sie in echtem Mann erwacht,<br /></span> -<span class="i0">Daß sie des echten Weibes Herz,<br /></span> -<span class="i0">Und hüllte sich's in dreifach Erz,<br /></span> -<span class="i0">Doch mit sich fortreißt sternenwärts<br /></span> -<span class="i0">Und zur Geliebten siegbewußt<br /></span> -<span class="i0">Und triumphierend spricht: »du mußt.«<br /></span> -</div></div> - -<hr class="tbpoem" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Wenn aus der Erde dunklem Schose<br /></span> -<span class="i0">Zur Schönheit aufgeknospt die Rose<br /></span><span class="pagenum"><a id="Seite_117">[117]</a></span> -<span class="i0">Und wenn sie dann in Wonnetagen,<br /></span> -<span class="i0">Indes die Nachtigallen schlagen,<br /></span> -<span class="i0">Ihr ganzes süßes junges Leben<br /></span> -<span class="i0">Dem Kuß der Sonne hingegeben, –<br /></span> -<span class="i0">Erfüllt hat auch die schönste Rose<br /></span> -<span class="i0">Die schönsten ihr bestimmten Lose.<br /></span> -</div></div> - -<hr class="tbpoem" /> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">So sind bestimmt des Menschen Lose:<br /></span> -<span class="i2">Nur höchstem Mut wird höchster Preis;<br /></span> -<span class="i0">Am Abgrund blüht die Alpenrose<br /></span> -<span class="i2">Und dicht beim Tod das Edelweiß!<br /></span> -</div></div> - -<p>Er schloß ab und that einen tiefen Trunk.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>XIII.</h3> - -<p>»Das Edelweiß!« wiederholte Hellmuth. »Sechsmal -würd' ich sterben, könnt' ich dadurch sie – nicht gewinnen, -– ach! nur versöhnen! Danke dir, mein Fulko. Deine -Verse sind –« – »Bah, Verse sind's! Nicht Küsse! -Bittere Tinte und trocken Pergament! Das ist all' nichts, -gar nichts! Ich halt' es nicht mehr aus! Immer bloß -das verfluchte Reimen von ihrem roten Mund und heißen -Kuß! Morgen – ganz in der Frühe – paß ich's ab! -Wenn sie aus der Kemenate tritt – immer allein: – -Malwine, die Verwalterin des Anstands, hütet alsdann -die Tugend noch im Traum: und Jungfrau Edel verbetet -sich immer um ein Weilchen! dann trete ich hin vor diese -Minnegard und fasse sie und frage sie nicht lang und -küsse sie, daß sie – nun, nicht gerade ganz erstickt, aber -recht beinahe.« Da sprang Hellmuth auf, legte die Hand<span class="pagenum"><a id="Seite_118">[118]</a></span> -auf des Freundes Schulter und rief: »Nein! Um Gottes -willen nicht! Thu's nicht! Wag' es nicht!« – »Warum -nicht? Ich mein', ich kann es wagen!« – »Thu's nicht, -mein Fulko! Willst du so elend werden wie – ach! wie -mich viel, viel bescheidneres Wagnis gemacht hat?« Und -er schlug die geballte Faust vor die Stirne. Der andre -zog ihm mit sanfter Gewalt Arm und Hand herab: -»Hellmuth, tapfrer Gesell! Sprich! Sprich's doch endlich -einmal aus: was ist geschehen zu Worms? – Du weißt, -ich bin getreu und verschwiegen!« – »Ich weiß es! Und -darum sollst du – du allein von meiner Schuld, – -meiner schweren Schuld! – erfahren!« Er seufzte tief. -»Bin gespannt! – Alle Augen hier im Bischofshaus sahen -nicht bloß, daß du … auch, daß sie dir – allmählich! -– gut ward. Herr Heinrich selbst sah's auch und hatte -wahrlich nichts dawider! ›Ein schönes Paar und trefflich -gepaart,‹ rief er mir einmal aus dem Sattel zu, als ihr -auf dem Rennweg uns entgegengesprengt kamt. ›Der liebe -Gott scheint sie für einander geschaffen zu haben.‹ So -werdet <em class="gesperrt">Ihr</em> sie nicht scheiden wollen? fragte ich rasch. -›<em class="gesperrt">Ich?</em> Junge Liebe scheiden? <em class="gesperrt">Ich</em> doch gewiß nicht! – -Es sei denn‹, – warnte er und sah mir scharf ins Auge – -›daß zwischen Wunsch und Erfüllung steht – ein Kloster.‹ -Und als der Bischof nach Worms nur euch beide mitnahm, -da sagten wir: die kommen zurück mit den Ringlein -am Finger. Aber wie kamt ihr zurück! Sie wie die -Eisjungfrau und du wie ein in ihren Armen Erfrorner. -Was ist geschehen, sprich, an jenem Tage deiner schönsten -Siege?« – »Ach, ich verfluche sie. Sie haben mir all' -das Unheil angerichtet. Sieh, Fulko: du weißt, eitel und -eingebildet bin ich wahrhaftig nicht …« – »Behüte! -Deine Bescheidenheit ist dein größter Fehler. Könntest mir -drei Viertel abgeben, – wär' uns beiden geholfen.« –<span class="pagenum"><a id="Seite_119">[119]</a></span> -»So hätt' ich auch wahrlich nie gewagt, mir einzubilden, -die stolzeste der Jungfrauen werde mir, bevor ich feierlich -beim Bischof um sie geworben und dessen Ja wie das ihre -erhalten, das geringste Zeichen von Gunst gewähren.« -»Verkehrt,« meinte Fulko und trank seinen Becher aus. -»Einmal muß man doch anfangen! Weib will gewonnen -sein durch Wagen.« – »Als ich nun aber in dem Lanzenstechen -alle – wirklich alle! – Gegner aus dem Sattel -gehoben – zuletzt auch Siboto, den zähen blonden Friesen, -und den starken Richard, den Grafen zu Winklarn, – nie -noch hatte ich die beiden zwingen können! – und als -nun rings die Drommeten schmetternd meinen Sieg verkündeten -und die Herolde mich auf dem schnaubenden Roß -dreimal durch den Kampfkreis führten und alles Volk mir -›Heilô!‹ und ›Siegô!‹ zujauchzte, und der Herr Bischof mir -huldvoll zunickte von seiner Altane herab an Edels Seite -und als ich nun heranritt, aus ihrer weißen Hand den -Preis, den dreifach gewundenen Eichenkranz mit der goldenen -Schnur, mir auf das Haupt setzen zu lassen, als ich sie -nun vor mir sah, schön wie nie zuvor, strahlend vor Anmut -und – wie ich wähnte! – auch ein klein wenig vor -stolzer Freude an mir, als sie sich über mich beugte, als -ich den zarten, leisen Druck ihrer beiden lieben Hände auf -meinem Haupte fühlte, – da schlug ich entzückt die Augen -zu ihr auf: durch mein Herz jagte das Blut in wilden -Sprüngen: – die Hitze des Kampfes tobte noch nach in -meinen Adern – und all' der Lärm, der Glanz ringsum, -die Freude, daß <em class="gesperrt">sie</em> meinen Sieg gesehen – all' das zusammen -berauschte mich! Sehnsüchtig, – aus aller Kraft -der Seele! – suchte ich nach ihrem Auge, nach nur Einem -Blick! –</p> - -<p>Allein beharrlich, eigensinnig, trotzig – ach! oder war -es süße jungfräuliche Scham? – hielt sie die langen,<span class="pagenum"><a id="Seite_120">[120]</a></span> -langen, die feierlichen Wimpern gesenkt. Ich flehte leise: -›Edel! Einen Blick – nur Einen,‹ hauchte ich. – Umsonst! -– Da ergriff mich Stolz, Trotz, heiße Wut: – -ich wollte mir den Blick erzwingen, wie ich mir den Sieg -erzwungen. Mit der Rechten griff ich – kein Mensch -konnte es gewahren, der dichte Kranz und ihr vorflutend -Haar verbargen völlig meine Hand – ganz leis an ihr -Kinn und hob es mit Gewalt empor: ›Einen Blick!‹ -wiederholte ich dringend! –« – »Nun? Da sah sie -auf?« – »Ach ja! Da sah sie auf! Da <em class="gesperrt">erhielt</em> ich -einen Blick, aber welchen Blick! Wie blaues Feuer blitzte -mir Zorn, Haß, Empörung, Verachtung entgegen aus den -sonst so sanften Augen. – Sie bog sich zurück, soweit sie -irgend konnte, ach! mir war, zwei scharfe Pfeile flogen -durch mein Herz! Ich wankte im Sattel: – in Verzweiflung -sprengte ich aus der Stechbahn: – draußen -glitt ich besinnungslos vom Gaul! ›'s ist die Hitze, die -schwere Rüstung‹, hieß es. Ach wär' ich nicht mehr aufgewacht! -– Seitdem hab' ich sie verloren für Zeit und -Ewigkeit. Nie – ich kenne dieses Herz von Diamant! – -niemals verzeiht ihr gekränkter Mädchenstolz.« Und er -brach zusammen auf der Bank und stützte die Stirn auf -die Hand. »Hm! Armer Freund!« sprach Fulko nach einer -Weile. »So hat sie dich denn wirklich nie geliebt? – -Denn liebt ein Weib, – ein <em class="gesperrt">echtes</em> Weib – und ich will -das dieser herben Edel nicht bestreiten, – so verzeiht es, -unter Thränen, ja im Zorne lächelnd, der Kühnheit des -Geliebten. Und was ist es denn, was du gewagt? Gar -nichts! – Nein, Hellmuth,« – er sprang auf – »dein -Geschick kann mich nicht warnen. Nein! Geht wirklich -demnächst die Welt zu Grunde, dann …! Bei einem -Kuß laß ich's dann nicht bewenden. Dann, schöne Minnegardis, -wirst du mein, magst du darüber grollen oder<span class="pagenum"><a id="Seite_121">[121]</a></span> -nicht. Liebst du mich aber – wie ich's hoffe! – mitten -im Grolle wirst du verzeih'n und – selig sein in diesen -Armen. – Komm, Hellmuth, laß uns schlafen. Es -wird spät.«</p> - -<p>Der Blonde erhob sich nun ebenfalls. »Ich schlafe -nicht. – Auch <em class="gesperrt">ich</em> habe mir ausgesonnen – bin nur über -eins dabei nicht aufgeklärt! – wie <em class="gesperrt">ich</em> die letzte Stunde -dieser Welt verbringen, wie ich sterben werde. Nicht so -süß umarmt wie du und nicht so weich gebettet: – aber -auch nicht übel umarmt und auch nicht übel gebettet: – -hart, jedoch herrlich. Allein vorher muß ich noch manches -erkunden. – Schlaf wohl! Ich reite aus!« – »So spät! -Wohin? Zu wem?« »Zu wem?« lächelte Hellmuth -grimmig. »Nicht zu einem Liebchen. Vielleicht – zum -wilden Jäger!«</p> - -<p>Und klirrend in seinen Waffen schritt er hinaus.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>XIV.</h3> - -<p>Angesehene Leute fanden in jenen Zeiten auf ihren -Reisen fast immer Unterkunft bei Gastfreunden; auf dem -flachen Land in Burgen der Ritter oder in Höfen der -bäuerlichen Landsassen, in Klöstern oder in den – freilich -noch seltenen – Städten in den Häusern der Burgensen. -Die schmutzigen Herbergen in den Dörfern und Städten -aufzusuchen und darin zu nächtigen, vermied man gern: es -ging gar unsauber, wüst und lärmend darin her. Häßlich -und unbehaglich sah es denn auch aus in einem solchen -Leuthaus des Nordgaues südlich der Eger nahe der Mark -der böhmischen Berunzanen. In der großen Schenkstube<span class="pagenum"><a id="Seite_122">[122]</a></span> -lag auf den löcherigen Dielen schmutzig Schilf; und nicht -nur von ehrlichem Ruße waren die Wände aus ungehobeltem -Kiefernholz so dunkelfarbig geworden; ein paar rote -Flecken in dem Schmutz des Bodens verrieten verdächtige -Ähnlichkeit mit der Farbe des Blutes.</p> - -<p>Um den viereckigen Schenktisch – dessen Platte ein -mittendurch zersprungener Schieferstein bildete, sie ruhte auf -vier geschrägten Balken – saßen auf niedrigen Schemeln, -rohen Eichstrünken, zwei Männer in eifrigem, oft im Flüsterton -geführtem Gespräch. Die lange nicht mehr gesäuberte, -hohe, schmale enghalsige Zinnkanne und zwei Becher aus -leichtem Tannenholz enthielten ein gelblich braunes, säuerlich -riechendes Getränk; nur einer der Gäste sprach ihm -zu: der andere – in geistlicher Tracht – schob mit widerwilliger -Handbewegung seinen Becher so weit von sich hinweg, -daß der Geruch des Nasses ihm nicht mehr in die -Nase steigen möchte. »Ihr trinket gar nix, Archidiakon?« -fragte der eifrige Zecher in einem Deutsch, dem slavische -Zischlaute einen seltsamen Anklang liehen. »Verbietet's -ein Gelübde? Oder eures Magens Eigenart?« »Mein -Gaumen gebietet mir und meines Wesens Eigenart, nur -Wein, – guten Wein – zu trinken, nicht dies Gärgebräu, -das zu einer gewissen Ähnlichkeit mit kahnigem -Traubensaft verdorben ist und das diese deutschen Barbaren -Bier nennen.« »O, ist nix schlecht,« meinte der andere -und füllte sich den Becher aufs neue. Obwohl es ein -warmer Sommerabend war, bestand seine Tracht aus Pelz: -sein enganliegendes, bis an die nackten Kniee reichendes -Wams war aus vielen hunderten von schwarzen Maulwurfsfellen -zusammengenäht; um die Hüften hielt es ihm -ein breiter Dolchgurt aus mattem schwarzem Leder zusammen: -die Waden steckten in Strümpfen aus dem gleichen -schwarzen Rauhwerk: die Schuhe wurden ersetzt durch strohgeflochtene<span class="pagenum"><a id="Seite_123">[123]</a></span> -Sohlen und ein Kreuzgeschnür von dunkeln -Riemen. Die sammetschwarzen und sammetweichen, jeder -Biegung der geschmeidigen Glieder sich eng anschmiegenden -Fellchen sahen aus wie die angewachsene Haut selbst -des Wenden und gaben ihm bei seinen weichen, katzengleichen -Bewegungen Ähnlichkeit mit einem schwarzen Panther.</p> - -<p>Aus dem dunkelbraunen Gesicht über den häßlich vorstehenden -breiten Backenknochen zu beiden Seiten der aufgestülpten -Nase funkelten ein paar tiefschwarze, aber feurige -Augen; der Bart war glatt abgeschoren, ausgenommen -zwei sehr lange schmale Stränge des Schnurrbarts, welche -ihm rechts und links vom Munde hingen: er strich und -drehte daran unablässig mit der Linken. Auf dem schwarzen, -kleingekrausten Haar saß ihm schief, aber kecklich, eine hohe -viereckige Mütze aus dem gleichen schwarzen Fell, von dem -ein paar schwarz-weiße Elsterfedern grell abstachen; die -rechte Hand fuhr ihm öfter an den Horngriff des langen -krummen Säbels als für die Gemütlichkeit der Unterhaltung -ersprießlich war: gereinigt war alles, was er am Leibe -trug, niemals worden und der Leib selbst recht selten. -»Ist ganz gut hinunterschütten,« wiederholte er, den Becher -niedersetzend und sich den triefenden Schnauzbart mit der -Rückseite der Hand wischend. – »Ja, Ihr seid nicht verwöhnt, -Herr Berunzane. Weder in Trank noch in Speise. -Wahrscheinlich habt Ihr all die armen Schermäuslein auch -verspeist, denen ihr die weichen Wämmslein abgestreift.« – -»Aber gewiß! Leckerer Braten! Besser sogar noch als -Engerlinge! Sind wir nix so reich, wir armen Brüderlein, -wie diese Deutschen.« – »Wißt Ihr auch warum, -mein Fürst?« – »Oh ja. Weil nix arbeiten, wie die -Bauerntölpel. Deutschen ist Hand gewachsen zum Pflugziehen, -uns, zu nehmen, was Deutscher erarbeitet hat.« – -»Ja, ja, Eure Leute treiben's arg mit Stehlen im Nordgau.<span class="pagenum"><a id="Seite_124">[124]</a></span> -Deshalb will ja Euch und Eure Haufen weder Ritter noch -Freibauer noch Abt aufnehmen in Burg, Hof oder Kloster. -Deshalb muß ich heute in diesem übelstinkenden Bretterverschlag -mit Euch sitzen, Fürst Zwentibold, Spithinieffs -edler Sproß!« – Der Fürst der Maulwürfe zuckte die -Achseln: »Ich hab' Euch nix gesucht, Ihr mich. Und was -wir zu verhandeln hatten, brauchte weder Laie noch Pfaff -zu hören.« – »Wir sind nun doch einig – in allen -Stücken?« – »Ganz einig. Der Handel gilt: ›Blut gegen -Gold‹. – Nur eines wurmt mich noch.« – »Und das -wäre, wackrer Held?« – »Daß Ihr mir nur die Hälfte -des Geldes ausgezahlt habt.« – »Die andere nach dem -Sieg.« – »Das will sagen: Ihr traut mir nix. Aber -<em class="gesperrt">ich</em> soll <em class="gesperrt">Euch</em> trauen. Und seht, Herr Archipfaff, das ist -zu viel verlangt.« – »Herr Wende!« – »Nun ja! Schaut, -ich und meine lieben Wölflein, – wir sind hier fremd -im Land. Daß wir – gegen gutes Gold! – gern gegen -die verhaßten Deutschen losschlagen, daß wir gerne dazu -helfen, wenn deutscher Bischof gegen deutschen König kämpft -und Königsgraf, – das! – beim großen Zrnbog! – -das mag man füglich von uns glauben. Wer aber bürgt -uns, daß <em class="gesperrt">Ihr</em> Euch nicht wieder vertragt mit den anderen -Deutschen? Wer bürgt für die Zähe <em class="gesperrt">Eures</em> Hasses? Ihr -seid …« – »Kein Deutscher!« – »Wohl, wohl. -Weiß! Seid Lombarde! Aber Kaiser Otto ist auch <em class="gesperrt">Euer</em> -Landesherr. Wie Deutschland gehöret ihm Lamparten!« -Da erschrak der Wende: denn der sonst so kühle Priester -schlug plötzlich mit der Faust auf die Schieferplatte, daß -die Becher aufhüpften: und tödlicher Haß sprühte aus den -dunkeln Augen unter den starken Brauen, als er mit einer -vom Zorn halb erstickten Stimme hervorstieß: »Ja, leider! -Fluch ihm dafür! Fluch und Verderben allen Deutschen.« -»Beim schwarzen Zrnbog!« rief der Slave, zurückprallend<span class="pagenum"><a id="Seite_125">[125]</a></span> -auf seinen Schemel. »Welche Wuth! Woher?« »Woher? -Warum? Weil …! Wohlan: Ihr sollt' es wissen! Ihr -<em class="gesperrt">müßt</em> sogar darum wissen, sollt Ihr das eine – das -letzte – verstehen, was wir noch <em class="gesperrt">nicht</em> beredet haben -und was mir doch das Wichtigste von allem.« Mißtrauisch -fuhr der Häuptling an den Schwertgriff und -warf die dicken wulstigen Lippen auf: »Nix einen Finger -rühr' ich über das Versprochene hinaus für das wenige -Geld, den Bettelsold. Ein Knicker ist er, euer Bischof von -Würzburg.« »Es ist nicht viel,« gab der Priester zu: -»Nicht meine Schuld! Der Weichmütige wollte nicht einmal -diesen Betrag – ›einstweilen nur!‹ – seinen frommen -Bauten entziehen. Säße ich auf dem reichen Stuhl des -reichen Würzburg, – Euer Lohn sollte …! Aber Ihr -fragt, woher mein Haß gegen diesen Kaiser-Knaben, gegen -alles, was Deutsch? O der Haß ist trefflich begründet. -Ihr wißt nicht, wen Ihr vor Euch habt, tapferer Häuptling.« -– »Den Archidiakon von Würzburg,« sagte dieser, -offenbar ohne sehr hohe Meinung von einem solchen Wesen. -– »Gott sei's geklagt! Aber in des Priesters Adern fließt -königliches Blut.« – »Das wäre!« staunte der Wende und -riß die Augen auf. »Und ging' es nach Recht und Gerechtigkeit, -so säße ich in diesem Augenblick statt in dieser -schmutzigen deutschen Herberge auf dem goldenen Throne -zu Pavia und dies Haupt trüge, statt der Tonsur, die -Königskrone des Lombardenreichs.« – »Ihr seid …?« -– »Ich bin der Sohn Berengars, des letzten rechtmäßigen -Königs von Italia, und der einzige Erbe seines Rechts -und seiner Krone. Mein armer Vater! Überwunden und -gefangen von jenem schrecklichen eisernen Otto, verbannt -für immer aus unserer schönen Heimat starb er – hier in -der Nähe – zu Bamberg. Anmaßer, Gewaltherren, Thronräuber, -Tyrannen sind alle Ottonen wie jener erste, der<span class="pagenum"><a id="Seite_126">[126]</a></span> -meinem Vater das Scepter aus der Hand riß.« – »Aber,« -wandte der Slave ein, »in Welschland sagte man mir, -die Welschen selbst haben jenen ersten Otto ins Land gerufen, -damit er endlich Ordnung und Ruhe …« »Tyrannen -sind sie!« schrie der Lombarde, ohne auf die Worte -zu achten. »Auch mich, ein Knäblein damals, hat der -fremde Zwingherr mit meinen Eltern über die Alpen geschickt -in dies Land voll Eis und Nebel und nach des -Vaters Tod zu Würzburg erziehen lassen.« – »Das war -unvorsichtig, sehr! Bei uns zu Land erdrosselt man die -Knaben besiegter Fürsten.« – »Teuflisch grausam war es! -Denn in einem Kloster – zum Priester! – ward ich erzogen. -Der Welt, den Waffen sollte ich für immer entrückt, -unschädlich sollte ich gemacht werden. Ein Pfaffe -kann Italien nicht befreien vom Joche der Barbaren! Und -doch ist die Lust an weltlicher Macht, die Gier, zu herrschen, -ja – und ich fühl's! – auch die <em class="gesperrt">Gabe</em>, zu herrschen, -Land und Leute zu regieren, staatsmännische Pläne zu -schmieden mit des Vaters Herrscherblut auf mich vererbt. -Statt dessen – was bin ich?« – »Nun, wie sich soeben -zeigt, auch in weltlichen Dingen nix ohne Gewalt: – die -rechte Hand eines deutschen Kirchenfürsten …« – »Verschling' -ihn der Abgrund der Hölle!« schrie der Lombarde. -– »Hui, welch heißer Haß! Und dennoch dient Ihr ihm -so eifrig? – Wie soll ich das verstehen?« – »Ihr -<em class="gesperrt">müßt's</em> verstehen lernen! Hört weiter! Als ich zum -Jüngling, zum Manne herangewachsen war und den Frevel -begriff, den diese Deutschen an meinem Vaterland, an -meinem Vater, an mir begangen, da knirschte ich in das -Gebiß, mit dem sie mich wehrlos gemacht hatten. Tag -und Nacht sann ich darauf, es abzustreifen. Aber tief -verbarg ich Haß und Groll und Hoffnungen! So gut -gelang mir die Verstellung, daß ich das vollste Vertrauen<span class="pagenum"><a id="Seite_127">[127]</a></span> -der häufig wechselnden Bischöfe in der Mainstadt gewann. -Bald ward ich ihr Apokrisiar, Vorstand ihres gesamten -Urkundenwesens: diesseit der Alpen lebt kein zweiter, der -dies Schrifttum so fein versteht. So konnte es geschehen -– daß … O ich hatte jahrelang nur gehofft, als -Flüchtling über die Alpen zu entkommen, um dort ganz -Italia zur Freiheit aufzurufen, mein Königsrecht mit dem -Schwerte zu verfechten. Und nun geschah das Wunderbare, -daß mich Bischof Poppo – der zweite dieses Namens -– selbst mit sich nahm auf einer Romfahrt. Wie erglühte -mein Blut! Wie pochte mein Herz, als ich jenseit der -Berge zuerst lombardischen Boden betrat, mein Erbgut! -Wir weilten viele Monate in Pavia, in Mailand: Zeit -übergenug für einen Kopf wie ich, einen Aufstand vorzubereiten. -Und, – bei meines Vaters Grab! – ich war -nicht müßig. Aber Schmach und Verderben! Was mußte -ich erleben?« – Und er verstummte vor Ingrimm, warf -beide Arme aus den Tisch und legte das Gesicht darauf. -– »Nun? Was ist? Nix traurig werden!« – »Was -antworteten sie mir? Sie, meine Landsleute, meine Stammesgenossen, -ging's nach dem Rechte – meine Unterthanen! -›Nie – solange wir zurückdenken mögen und -unsere Jahrbücher berichten – nie seit den Tagen des -großen Carolus, hat solch weise, friedliche, und doch starke, -Recht schirmende Herrschaft gewaltet in unserm Heimatland -von Verona bis Benevent und Napoli, wie unter diesen -rotbärtigen Ottonen. Das Land ist glücklich und zufrieden -– laß es so!‹ – Und da ich nicht abstand, zu schüren, -zur Freiheit aufzumahmen, da drohten sie, – meine eignen -Vettern in Pavia! – mich dem deutschen Zwingherrn -anzuzeigen! Ah Schmach und Weh! Vernichtet war da, -zertreten für immerdar all' mein Hoffen, des Vaters Krone -mir wieder zu erkämpfen, diese knechtischen Seelen zu entflammen.<span class="pagenum"><a id="Seite_128">[128]</a></span> -Ich eilte nun nach Deutschland, nach Würzburg -zurück. In der entarteten Heimat Macht und Herrschaft -zu gewinnen, – ich hatte es erfahren! – war unmöglich. -Allein ich wußte längst, ich sah es täglich vor Augen an -Köln, und Mainz, ja auch an Würzburg, wie im deutschen -Reiche Männer von Geistesschärfe und Willenskraft – -lange nicht soviel davon eignete ihnen wie dem Königssohne -von Italien! – von ihren Bischofssitzen aus den -Staat leiteten – den deutschen und den italischen dazu. -König von Italien konnte ich nicht werden, aber Kanzler -des deutschen Reichs wie der Kölner, – wie schon so -mancher Bischof das ward. Und einstweilen war es auch -nicht übel, als Bischof von Würzburg zu walten! Unablässig -war ich daher bemüht, die Gerechtsame dieses Bischofs -zu erweitern, durch erbetene Verleihungen des Königs, -durch Geltendmachung alter, vergessener Ansprüche, die oft -nur durch meine Gelehrsamkeit – oder ›Findigkeit!‹ – -aus Urkunden, die ich erst wieder entdeckte, zu erweisen -waren. Sie staunten über mich, die blöden Thoren, -Bischof und Domherren! Sie lobten, sie lohnten meinen -unermüdbaren Eifer für Sankt Burchhards Recht, wie sie -es nannten. Diese deutschen Tölpel! Als ob ich mich für -den ersten lange toten oder auch für den jetzigen lebendigen -Bischof zu Würzburg also mühte! Nein: für den -<em class="gesperrt">nächsten</em> Bischof: und der sollte heißen: Berengar!«</p> - -<p>»Ah, verstehe jetzt. Versteh! Nix dumm!« nickte der -Fürst, kratzte sich eindringlich, – aber vergeblich am Kopf -und trank.</p> - -<p>»Drei Bischöfe – Poppo, Hugo und Bernward – -hatte ich, höher und höher steigend in geistlichen Würden, -erlebt. Nun hatte ich allen Grund, anzunehmen, – -mein Amt als Archidiakon, als Apokrisiar, meine von -allen laut anerkannten Verdienste um das Bistum gaben mir<span class="pagenum"><a id="Seite_129">[129]</a></span> -ein Recht dazu – bei der nächsten Erledigung des Stuhls -könne keinen andern die Wahl treffen als mich. Ich zählte -schon so fest darauf, daß ich – vielleicht unvorsichtig! -aber wie hatte ich mich jahrzehntelang zusammengehalten! -– den Stolz, das Gefühl des geborenen Herrschers, der -Überlegenheit fühlen oder doch erraten, ahnen ließ – kurz, -Bischof Bernward verfiel in seinen letzten Zeiten in Mißtrauen, -wirkte bei dem Kaiser, bei den Domherren gegen -mich und als er starb, der alte Rothenburger, da folgte -ihm nicht ich, sondern sein Neffe Heinrich!« – »Ja, der -Rothenburger,« knirschte Zwentibold und griff ans Schwert. -»Der arge Wolf des Waldes fresse seine Seele! Was hat -er uns früher viele Brüderlein erschlagen.« – »Dieser -höchst ungeistliche Graf, der erst vor ein paar Jahren – -plötzlich – der Welt entsagt hatte! Dieser Weltling -schnappte mir mein schwer verdientes Bistum weg! Bei -meines Vaters Grab! Er soll's nicht lang mehr tragen.«</p> - -<p>Zwentibold lehnte sich zurück, blinzelte dem Priester zu -und wölbte die dicken Lippen zu einem gelinden, aber ausdrucksvollen -Pfeifen: »Ahi! Aho! Fange an zu begreifen!« -– »Das geht – scheint's – langsam, Fürst, bei Berunzanen -wie bei Deutschen. Meintet Ihr wirklich bisher, -für eines andern Macht müht sich der Königssohn Italiens -so emsig ab, feilscht um die Hilfe Eurer wilden Horde, -begiebt sich in hohe Fährlichkeit? Denn Reichsverrat ist -was wir treiben: – ich, mit Wollust, in klarem Bewußtsein: -– der ehrenfeste Bischof unbewußt, aber doch mit -mahnendem Gewissen. Das Leben kann mir's kosten: – -im Gefecht oder – nach der Niederlage: – am Galgen. -Denn Graf Gerwalt versteht keinen Scherz.« »Mich -wundert doch,« sprach der Wende, kopfschüttelnd, »daß es -der Rothenburger thut. Er focht so treu für dieses Reich.« -– »Gerade so treu ficht er jetzt für seines Bistums Recht.<span class="pagenum"><a id="Seite_130">[130]</a></span> -Aber Ihr habt nicht Unrecht. Ich hätte ihn nicht soweit -getrieben ohne einen glücklichen Zufall. Der Graf, dem -er den Gau zunächst abkämpfen muß, dieser Graf Gerwalt, -– er haßt ihn tödlich.« – »Warum?« – »Weiß nicht. -Man flüstert in der Stadt, der Graf habe ihn ausgestochen -in der Gunst der schönen Kaiserwitwe. Ich entdeckte diesen -Haß, als – erst ganz vor kurzem – Gerwalt, bisher -Graf des Deutzgaues gegenüber Köln, den Waldsassengau -mit Würzburg erhielt. Der Rothenburger wurde glutrot -vor Zorn bei der Nachricht. Erst seit es gegen Gerwalt -fechten heißt, will er – im Notfall – fechten. Im Notfall! -wie er meint: denn erst will er den Spruch des -Reichstags abwarten: – nur falls dieser sein sonnenklares -Recht nicht anerkennt …« »Kann nix solang -warten,« grollte der Slave. »Gewiß nicht! Deshalb hab' -ich, statt Euch erst Wartegeld zu zahlen, gleich fest mit Euch -abgeschlossen. Wann brecht Ihr auf?«</p> - -<p>»Sobald mein frischer Zuzug eingetroffen aus Tethin: -zweihundert Lanzen!« – »Gut! Seid Ihr einmal – in -seinem Namen – eingebrochen in den Gau, kann er nicht -mehr zurück. Er darf nicht mehr Zeit haben, zu bereuen. -Deshalb wollen wir auch gleich wegziehen von hier und -unsere Spur verbergen, damit mich seine etwaigen Boten -nicht finden und abrufen können. Denn es gelang mir -doch nur dadurch ihn fortzureißen, daß ich dem verhaßten -Grafen Droh- und Hohnworte in den Mund legte, die -dieser nie gesprochen! Ich erfand sie – jenem Gerücht -angepaßt! Das half! Wie der Stier aufs rote Tuch -stürmte der plumpe Deutsche darauf hin los. Aber nun -merkt auf. Jetzt kommt die Hauptsache. Der Rothenburger -–« er stand auf, trat vor die halb offene Thür -in das Freie und überzeugte sich, daß dort niemand das -Ohr an die dünne Bretterwand lehnte. Dann kam er<span class="pagenum"><a id="Seite_131">[131]</a></span> -zurück, warf einen Blick in die anstoßende Küche, sah, daß -diese völlig leer war, trat nun dicht an seinen Verbündeten -heran und flüsterte diesem in das Ohr: »der Bischof -darf seinen Sieg nicht überleben.« »Aha,« nickte der -Slave. »Meint Ihr, ich will noch jahrelang in seinem -Dienst, als sein Knecht, zusehen, wie er mit den von Kaiser -Karl verliehenen Rechten den Gau beherrscht, den er mir -verdankt? O nein! Ohne Zweifel werde ich zu seinem -Nachfolger gewählt: – er selbst hat im voraus, falls er -stürbe, die Stimmen des Kapitels für mich gewonnen: – -so möge denn sein eigener Wunsch geschehen: – aber bald.« -– »Jedoch wie soll …?« – »Merkt auf! Er wird nicht -fehlen in dem Gefecht! Er läßt sich's nicht nehmen, selbst -den Überfall der Burg – denn die vor allem müssen wir -nehmen! – zu leiten.« – »Ich führe meine Wölflein selbst,« -erwiderte der Häuptling schroff. »Und nicht schlecht, glaubt -mir. Hab' was gelernt im Dienst der Byzantiner! Nix -so tölpelig bloß dreinschlagen wie diese Deutschen!«</p> - -<p>»Schon gut. Aber der Rothenburger kämpft jedenfalls -mit. Nun wohl! Nach dem Sieg – den soll er uns -noch erkämpfen helfen! – fliegt nicht ein Pfeil oft irr im -Gefecht? Auf der Verfolgung der Fliehenden? Kann ihn -nicht ein Geschoß – falsch gezielt – von Euren eigenen -Leuten treffen?« Zwentibold sprang auf: »Oder ein geworfenes -Messer! Sind vergiftet. Ein Hautritz – muß -sterben. Fehle nie meinen Mann. Es gilt! Aber -dann …« – »Das Doppelte!« – »Nix genug.« – -»Wie, Unersättlicher? Ich bringe – auch als Bischof – -nicht mehr auf.« – »Nix mehr an Geld. Erst das -Doppelte. Dann – andres. Ist wilder, lustiger! Vorerst: -meine Wölflein müßt Ihr auch in die Thore hinein -lassen.« – »Er will's zwar nicht. Aber der Überfall der -Burg – der Kriegsmann in ihm wird's einsehen –<span class="pagenum"><a id="Seite_132">[132]</a></span> -gelingt am sichersten so. Ihr sollt hinein!« – »Hui wohl! -Dann – liegt er erst tot – nix zahm die Hand hinhalten, -wie Bettler um Geschenklein – dann –« Die -Augen des Slaven funkelten, wie die des Raubtieres, das -zum Sprunge niederduckt. »Nun, was dann?« »Plündern!« -stieß Zwentibold hervor mit schnalzender Zunge. -»Nur zwölf Stunden! Mit Brand und Blut und – nix -zu vergessen! – die Weiblein küssen, – ohne kirchlichen -Segen. Ihr wißt, wir brauchen den nix,« höhnte er, -»sind nix getauft!« – »Das muß ich doch …« – »Erst -überlegen? Nix! Herr Bischof Berengar <em class="gesperrt">muß</em>!« Seine -Faust fuhr an den Schwertgriff. »Oho! Es giebt der -Söldner noch mehr.« »Wohl«, lachte der Häuptling, daß -seine weißen Zähne blitzten. »Aber Zwentibold, Spithinieffs -Sohn, kennt jetzt des Herrn Archidiakons Geheimnisse.« -»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte der Lombarde, -scheinbar ruhig, aber er ward ganz bleich unter -seiner gelben Haut.</p> - -<p>»Ihr seid nix so dumm, das nicht zu erraten! Entweder -Ihr thut nach meinem Willen oder ich fange an, Geschichtlein -zu erzählen. Dankbare Hörer, gut zahlende, werd' ich -finden: den Herrn Kaiser, den Grafen Gerwalt und – -nicht zum mindesten – den Bischof Heinrich.« Er sprang -auf. Berengar that desgleichen und reichte ihm die Hand. -»Es sei! Ich gönn' es diesen Deutschen!«</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_133">[133]</a></span></p> - -<h2 id="Drittes_Buch">Drittes Buch.</h2> -</div> - -<h3>I.</h3> - -<p>Es war ein strahlend schöner sonniger Sonntag im -Brachmond, ein paar Stunden nach Mittag: da wogte -auf den weitgestreckten Gemeindewiesen vor der Vorstadt -»auf dem Sande« eine festlich-fröhliche Menge.</p> - -<p>Denn der Verband der Bogenschützen feierte die Wiederkehr -des Tages, an dem vor fünfzig Jahren König Otto -der Große ihnen durch einen Gnadenbrief die Rechte einer -Genossenschaft und allerlei Freiheiten und Befugnisse verliehen, -auch die königliche Kammer angewiesen hatte, alle -fünf Jahre drei große Stückfässer Wein der Schützenschaft -zu verabreichen, wenn sie an diesem Tag ein Bogenschießen -halten wolle; sie hatte es immer gewollt!</p> - -<p>Auch heute drängte sich da draußen vor dem Südthor -so ziemlich alles, was die Beine rühren und die enge, -heiße Stadt verlassen konnte: denn zur Lustbarkeit ließen -sie sich schon damals recht leicht bewegen, die guten Burgensen -der fröhlichen Stadt am Main.</p> - -<p>Männer und Weiber, diese gar oft ganz kleine Kinder -auf den Armen oder auch auf dem Rücken in einem Huckekorb -oder einer »Butte« festgebunden tragend, Laien und -Priester und Mönche, bischöfliche Dienstmannen, Pfahlbürger -und zumal auch viele Bauern und Winzer aus den benachbarten<span class="pagenum"><a id="Seite_134">[134]</a></span> -Dörfern und Höfen wallten und wogten hier durcheinander; -es fiel auf, daß die Reisigen des Grafen fehlten: -aber die wenigen, welche ihm nicht über die Alpen gefolgt -waren, durften die Burgwacht nicht verlassen.</p> - -<p>Gerade an der Stelle, wo sich heute die Straßen nach -Randersacker und nach Heidingsfeld gabeln und wo auch -dermalen – gegenüber dem Ehehaltenhause – ein Wirtshaus -steht, hatte ein Wirt für das allzeit durstige Völklein -– denn die drei Fässer reichten bei weitem nicht! – zu -dem Festtage eine sehr bescheidene Schenke aufgezimmert: -über ein paar tannenen Tischen und Bänken spannte sich, -von belaubten Birkenstämmlein getragen, aus Segeltuch -ein lustiges Gezelt: grüne Gewinde von Schilf und Zweigen -waren darüber hingezogen: oberhalb des Eingangspförtleins -schwankte ein Kranz von Rebenblättern: roter -Teufelsabbiß, weißer Ehrenpreis, zierlicher Frauenschuh -waren hineingeflochten.</p> - -<p>Hastig lief der Wirt, der sonst gar behäbige Bezzo, -mit den Zinnkrügen und Holzbechern voll billigen weißen -Weines zwischen den Bänken auf und ab, sein rosig Töchterlein -zu gleichem Eifer mit manchem Scheltwort treibend. -»Röschen! daß dich der Donner verschlag! Was steckst du -wieder solang bei dem Schlingel von einem Waffenschmied? -Und der würdige Kapellan von Sankt Burchhard und sogar -der Nachbar Spedilo, der brave und gerechte Büttnermeister, -müssen schier vor Durst verschmachten! Der Bettelbub, der -Scheibennarr zahlt dir doch nie ein Handgeld über die -Schuldigkeit hinaus.«</p> - -<p>Verschämt wischte sich die Kleine das Mündchen: »Ei, -ich bin mit dem Mundgeld zufrieden!« und eilig sprang -sie nun zu der Bank, wo mehrere Geistliche und ältere -angesehene Bürger der Stadt um einen weißgescheuerten -Ahorntisch versammelt saßen, dabei der dicke Büttner, der<span class="pagenum"><a id="Seite_135">[135]</a></span> -sich vergeblich bemühte, der Flinken den Arm um die -schlanken Hüften zu legen; der junge Waffenschmied aber -rief, sich das braune Bärtchen streichend: »Ei, Vater -Bezzo, <em class="gesperrt">Ihr</em> müßtet von Rechts wegen dem Gast noch -Mundgeld obendrein zahlen, der Euern sauern Rostputzerwein -hinunterwürgt.«</p> - -<p>»Gelbschnabel, unverschämter! Für dich wird wohl -eigens Herr Supfo den Edeltrank vom Stein- oder vom -Harfenhang schenken? Wann zahlst du deinen letzten, vorletzten -und drittvorletzten Trunk?« – »Auf der Hochzeit -mit Röschen, Vater Bezzo!« – »Der Teufel ist dein -Vater.« – »Nein, der wird ja mein Schwiegervater!« – -»Ich werd' euch,« grollte von dem geistlichen Tische her -der Baß des Kapellans, »wer nennt da so keck den üblen -Höllenwirt? Dann kommt er gar rasch herbei.« »Fürcht' -ihn nit!« lachte der Waffenschmied, »ich schieß' ihn zusammen -auf fünfhundert Schritt wie einen alten Auerhahn. -Mein früherer Herr, Junker Hellmuth, hat's gesagt: zwei -Burschen wie er und ich reiten allen Teufeln entgegen. -Da kommt der Ritter! Er soll euch zeigen, daß er noch -viel besser schießt als ich.«</p> - -<p>Damit sprang der hübsche Bursche auf und eilte einem -ansehnlichen Zug entgegen, der eben von der Stadt her -auf die Festwiese gelangte. Es war der Bischof selbst, -begleitet von vielen seiner Geistlichen, von seinen Junkern -und den Edelfräulein. Während Herr Heinrich von den -Ältesten der Schützengilde ehrerbietig empfangen und mit -seinem geistlichen Gefolg in eine vorbehaltene festlich geschmückte -Laube geleitet ward, mischten sich seine weltlichen -Begleiter unter die Menge.</p> - -<p>»Ich hörte schon unterwegs,« begann Hellmuth, »von -Gästen, die von der Wiese bereits nach Hause trachten, wer -heute – wieder einmal! – den besten Schuß gethan.« –<span class="pagenum"><a id="Seite_136">[136]</a></span> -»Ja, bis jetzt – weil <em class="gesperrt">Ihr</em> nicht mit geschossen. Kommt, -Herr! Bogen und Pfeile liegen bereit. Dort: den Rebhügel -aufwärts, vor der Weinbergmauer des Geigilo steht -die Scheibe. Nun reißt die Augen auf, ihr Stümper: -jetzt sollt ihr sehen, was treffen heißt.« »Ich schieße nicht -mehr – im Spiele, Gericho;« düsteren Blickes schritt er -weiter. »Wie schade! – Bei dem letzten Wettschießen, -mein Röslein« (denn sie war schon wieder an seiner -Seite! –) »zu Werthheim traf ich das Rote so genau in -der Mitte, daß ein besserer Schuß nicht möglich schien. -Aber was that er? Was that mein Herr? Er traf doch -noch viel, viel besser. Denn er schoß meinen Pfeil mitten -entzwei. – Wo lebt – alles in allem – ein junger -Held seinesgleichen?«</p> - -<p>Diese Worte schlugen an Edels Ohr wie sie, vom -Gedräng aufgehalten, mit Minnegard einen Augenblick verweilen -mußte: sie schlug die Augen auf, glühendes Rot -schoß aus dem stolzen, verhaltenen Herzen in die bleichen -Wangen bis unter die lieblich krausen Haare über der -Stirn; ganz verstohlen, von keinem gesehen, flog von der -Seite ein leuchtender Blick stolzer Freude über die edle -Gestalt des Jünglings hin. Aber auch die folgenden Worte -Gerichos, obwohl er sie seinem Liebchen leise zuflüsterte, -vernahm ihr feines Ohr.</p> - -<p>»Der Unselige! Ganz verwandelt ist er. Er lacht -nicht mehr. Sogar Roß und Speer, und all' seine Waffenfreude -sind ihm verleidet. Er muß verzaubert sein von -irgend einem Neider, der ihm den vielen Ruhm nicht gegönnt -hat. Wüßt' ich den Zauberer, ich riß ihm das Herz -aus dem Leibe.«</p> - -<p>»Vielleicht ist's eine Zauberin, die ihn verwunschen,« -meinte Rosbertha mit leisem Grauen. »Es giebt solche. -Er ist gar schön. Vielleicht that's Eifersucht – verschmähte<span class="pagenum"><a id="Seite_137">[137]</a></span> -Liebe.« – »Oder auch: er grämt sich um ein Weib.« -Hastig schritt Edel fürbaß, Minnegard an der Hand mit -sich ziehend.</p> - -<p>»Nun, Nachbar Bezzo,« rief der dicke Büttner dem -Wirte zu, »wann endlich schließen wir ab? Ich bin jeden -Tag bereit, den Muntschatz zu zahlen – soviel Ihr fordern -mögt. Ich kann's! Ich hab's liegen. Ich bin ein -Mann, der Frau und Kind ernähren kann.« »Könnt -Ihr sie auch beschützen?« fragte Gericho, blitzenden Auges -hinzutretend. »Schämt Ihr Euch nicht, alter Kahlkopf? -Rösleins Großvater könntet Ihr sein!« »Immer noch -jung genug,« erwiderte der Dicke, »dich, Nestling, zu züchtigen«: -und er holte mit der Rechten, zornig aufstehend, -zum Schlage aus. »Ihr? mich?« lachte der. »Versucht's! -Für Euch brauch' ich nur die Linke. Da! Seht! Meine -Rechte leg' ich auf den Rücken – so! – und rühre sie -nicht, bis Ihr am Boden liegt. Kommt an!«</p> - -<p>»Nachbar,« meinte Bezzo, »das könntet Ihr wagen, -mein ich. Gebt dem Keckling eine Lehre.« Sichtlich nicht -gerade gern befolgte Spedilo seines Freundes Mahnung, -hob die beiden Fäuste und schritt drohend gegen den -Burschen heran.</p> - -<p>Der unterlief ihn, schlang den linken Arm um seinen -Leib und, ohne den rechten Arm vom Rücken zu lösen, -lupfte er den schweren Gegner ein wenig in die Höhe, -drehte ihn um und warf ihn bäuchlings in das weiche -Gras der Wiese. Lautes Gelächter, tosender Beifall erscholl -von allen Seiten und Gericho hob nun die Rechte, -dem schwerfällig sich Aufrichtenden einen herzhaften Schlag -auf die untersten Grenzgebiete seines Rückens zu versetzen.</p> - -<p>Aber mitten im Ausholen hielt er ein: er lauschte, -vorgebeugt, flußaufwärts und rief: »Halt! Haltet an!<span class="pagenum"><a id="Seite_138">[138]</a></span> -Still ein wenig! Was ist das?« Und er ließ den erhobenen -Arm sinken. – »Jawohl! Stille!« – »Horcht! -Gebt Ruh.« – »Was für ein Gedröhn!« – »Dort von -Mittag her – auf der großen Straße!« – »Sind's -Feinde?« – »Die Hunnen kommen wieder!« rief entsetzt -ein altes Weiblein. »Nein! Es sind Drommeten!« – -»Nein! Posaunen!« – »Aber nicht das deutsche Heerhorn!« -– »Und Grabgesänge tönen drein!« – »Wie -schauerlich!« – »Immer näher kommt's.« – »Schon -sieht man die Staubwolken!« – »Viele, viele Reiter!« – -»Und Wagen.« – »Da! Da sind die ersten Reiter schon!« -– »Was bringen sie? Was hat das zu bedeuten?«</p> - -<p>Und die mehr als zweitausend Menschen auf der Wiese -gerieten in wirre Bewegung: Alles drängte den die breite -Heerstraße heranziehenden Ankömmlingen entgegen.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>II.</h3> - -<p>Noch bevor die staubbedeckten Reiter – meist Bauern -aus den nächsten stromaufwärts gelegenen Dörfern – abgesprungen -waren und den neugierig Fragenden Bescheid -gegeben hatten, kam bereits ein gar schauerlich aussehend -Gefährt in Sicht.</p> - -<p>Vier schwarze, mit schwarzem Trauerzeug über und -über bedeckte Rosse zogen einen gewaltigen, auf hohen -Rädern stehenden Wagen, einen italienischen »<em class="antiqua">carroccio</em>«: -auf diesem aber war ein bühnenartiges Gerüst aufgeschlagen, -das, wie der ganze Wagen, auf allen Seiten ebenfalls -mit schwarzen Tüchern behangen war.</p> - -<p>In den vier Ecken des langgestreckten breiten Wagens,<span class="pagenum"><a id="Seite_139">[139]</a></span> -der nahezu die ganze Heerstraße füllte, standen vier Mönche -in schwarzen Kutten mit weithin hallenden ehernen langen -Posaunen in den Händen, in der Mitte aber, sie alle überragend, -ein fünfter riesenhoher Mönch, der die schwarze -Kapuze bis an die Augen über die Stirn gezogen hatte: -in der Rechten trug er eine lang hinwallende schwere Fahne -von schwarzer Wolle, in welche mit weißer Farbe plump -ein Totenkopf über zwei geschrägten Knochen gemalt war: -alle fünf aber sangen in schauerlichen Tönen – nach den -Weisen eines römischen Grabgesanges – ein Lied: und -schauerlich stimmten sie ein, die vielen Hunderte von Männern, -Frauen, Kindern, die vor dem Wagen schritten oder -demselben folgten, alle vom Staube langer Wanderschaft -über und über bedeckt, die meisten in schwarze Gewande -gehüllt, viele davon mit Geißeln und Stöcken sich auf die -entblößten Schultern und den Rücken schlagend.</p> - -<p>Das Lied aber lautete:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Hört ihr die Posaunen dröhnen<br /></span> -<span class="i2">Und der Bußgesänge Chor?<br /></span> -<span class="i0">Wehe, weh' euch, Adams Söhnen:<br /></span> -<span class="i2">Euer Ende steht bevor!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Wann des Sommers Sonne wendet,<br /></span> -<span class="i2">Bricht der jüngste Tag herein:<br /></span> -<span class="i0">Unter geht die Welt und endet<br /></span> -<span class="i2">Und euch droht die ewge Pein.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Auf den Wolken kehrt hernieder<br /></span> -<span class="i2">Fürchterlich des Menschen Sohn,<br /></span> -<span class="i0">Rauschend Cherubimgefieder<br /></span> -<span class="i2">Schwirrt um seinen Richterthron.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Und sie reißen aus den Grüften<br /></span> -<span class="i2">Sünder aus vermorschtem Sarg<br /></span> -<span class="i0">Und sie zerren aus den Klüften,<br /></span> -<span class="i2">Was sich zitternd lebend barg.<br /></span> -<span class="pagenum"><a id="Seite_140">[140]</a></span></div><div class="stanza"> -<span class="i0">Alle, die im Erdschos schliefen,<br /></span> -<span class="i2">Bannt der Richter sich daher<br /></span> -<span class="i0">Und gehorsam aus den Tiefen<br /></span> -<span class="i2">Seine Toten speit das Meer.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Weh euch Männern, weh euch Weibern<br /></span> -<span class="i2">Die ihr lebend dies erschaut!<br /></span> -<span class="i0">Weh den Seelen! Weh den Leibern!<br /></span> -<span class="i2">Wie mich schauert! Wie mir graut!<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Thuet Buße! Streuet Asche,<br /></span> -<span class="i2">Asche auf das sündge Haupt,<br /></span> -<span class="i0">Daß euch Satan nicht erhasche,<br /></span> -<span class="i2">Der im Höllen-Abgrund schnaubt.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Euch verkündet Papst Sylvester,<br /></span> -<span class="i2">Dem's der heilge Geist enthüllt,<br /></span> -<span class="i0">Nicht ein Wort des Herrn steht fester:<br /></span> -<span class="i2">Was er weissagt, wird erfüllt:<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Hört's, ihr Kleinen, hört's, ihr Großen:<br /></span> -<span class="i2">Euer Ende bricht herein:<br /></span> -<span class="i0">Wer noch zweifelt, ist verstoßen<br /></span> -<span class="i2">Aus der Kirche Heilverein.<br /></span> -</div><div class="stanza"> -<span class="i0">Wann die Sommersonne wendet,<br /></span> -<span class="i2">Mit dem Schlag der Mitternacht, –<br /></span> -<span class="i0">Unter geht die Welt und endet: –<br /></span> -<span class="i2">Habt auf eure Seelen acht!«<br /></span> -</div></div> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>III.</h3> - -<p>Die Wirkung des Liedes, des ganzen Aufzuges auf die -wirre Menge war eine furchtbare.</p> - -<p>Nur wenige zwar verstanden genau die Worte des Gesanges: -aber von den dem Wagen nächsten aus verbreitete -sich mit Windeseile bis in die hintersten Reihen der Herandrängenden<span class="pagenum"><a id="Seite_141">[141]</a></span> -das kurze, vernichtende Wort: »Es ist so. Die -Welt geht unter. Der Papst hat's selbst gesagt. Er hat -befohlen, es zu glauben.« Was monatelang nur wie -ein fernher drohendes Gewölk über den Gedanken der -Menschen geschwebt hatte – die allermeisten der leichtlebigen -Franken hatten gehofft, es werde sich zerstreuen – -das hatte sich nun plötzlich zu einer furchtbaren schwarzen -Wetterwolke über ihren Häuptern geballt und donnernd zu -entladen begonnen. Keiner von den Tausenden zweifelte -mehr. Heulend und schreiend liefen sie durcheinander, -Männer wie Weiber, zerrissen die Kleider, rauften sich das -Haar; einzelne rannten in wahnsinniger Angst gegen den -Fluß zu, sich zu ertränken. Die meisten strömten in wilder -Flucht nach der Stadt zurück – manch' alt' Weiblein ward -dabei umgeworfen und überrannt – die zurückgelassenen -Ihrigen zu benachrichtigen, zu warnen oder in den Kirchen -an den Altären, bei den Überbleibseln der Heiligen zu -beten. Die paar Hunderte aber, die wahrgenommen hatten, -daß der lang erwartete Bischof bereits vor dem schrecklichen -Aufzug eingetroffen war auf der Wiese, drängten -alle, wie eine Herde Schafe, die der Wolf bedroht, auf -ihren Hirten, so auf ihren Bischof zu um Hilfe, Rat, Trost, -Auskunft, Rettung. »Helft, helft, helft, Herr Bischof! -Herr Heinrich, was sollen wir thun?« riefen Hunderte -von Stimmen. Und der Herr Heinrich that seine Hirtenpflicht.</p> - -<p>Seine Ritter hatten ihm alsbald Bahn gebrochen durch -die wogende Menge, so daß er ziemlich in die Nähe des -schauerlichen Wagens gelangte und den Sinn des Liedes -genau verstehen konnte. Seine Junker und er selbst, mächtig -den Fliehenden sich entgegenstemmend, die beiden Mädchen -hinter sich deckend, hielten auch nun, nachdem der Gesang -zu Ende, in dem Gedränge stand. Endlich legte sich der<span class="pagenum"><a id="Seite_142">[142]</a></span> -Lärm, es entstand um den Wagen her eine todesbange -Stille: Herr Heinrich drang durch die letzten Reihen des -Volkes, die ihn noch von dem schwarzen Gespann trennten: -scharf spähten seine Augen auf die Gesichter und Gestalten -der fünf Mönche: er kannte keinen. »Wer ist es,« rief -er mit starker Stimme, weithin vernehmbar allem Volk, -»der solche Schrecken zu erregen wagt? Wer will hier -das Wort führen im Namen Sylvesters, des heiligen -Vaters?«</p> - -<p>Da schlug der riesenhafte Mönch in der Mitte des -Wagens die Kapuze zurück und sprach: »Ich!«</p> - -<p>»Arn!« rief der Bischof mit Entsetzen. »Du! Arn!«</p> - -<p>»Nein! Nicht mehr Arn, Bruder Monitor ist mein -Name. Abgelegt für immer, abgeschworen habe ich, was -an mein sündhaftes Leben in der Welt erinnert.« Der -Bischof entgegnete: »Wohl! – Aber das ist unweise gehandelt -und nicht im Sinne der Kirche, diese gewaltige -Wirrnis, plötzlich, ohne Vorbereitung, unter den großen -Haufen zu werfen. Schau' hin, welch' Unheil du angerichtet -hast. Da tragen sie blutende Kinder, ohnmächtige -Weiber vorüber!« – »Heil ihnen, nehmen sie Schaden an -ihren Leibern und retten ihre Seelen.« – »Warum hast -du nicht – in alter Treue – mir, deinem Dienstherrn, -deinem Lehnsherrn, zuvor vertraute Kunde geschickt, wie -es gutem Boten ziemte?« – »Ich weiß nichts mehr von -Treue, Dienst und Lehen! Ich bin Mönch, habe weder -Allod noch Lehen und diene nur den Heiligen.« »Nun,« -erwiderte Herr Heinrich heftig, »so bin ich doch Euer Bischof -geblieben und als Euer Bischof verbiete ich Euch, den -Schrecken in solcher Weise weiter unter meine Gemeinde -zu werfen und Verzweiflung zu verbreiten. Ich verbiete -Euch, weiter in diesem Aufzug durch meinen Sprengel zu -fahren. Als mein Bote seid Ihr ausgesendet worden und<span class="pagenum"><a id="Seite_143">[143]</a></span> -mir allein habt Ihr genauen Bericht zu erstatten. Ich -werde ihn prüfen und werde, was davon für die Gläubigen -zu erfahren ersprießlich ist, unter gehöriger bischöflicher Vermahnung -und Anleitung mitteilen. Herunter mit Euch von -dem Gerüst! Spannt die Pferde von dem Wagen ab!« -Und drohend trat Herr Heinrich dicht an das Gespann. -Aber der Mönch riß aus seinem Gürtelstrick eine Pergamentrolle, -hielt sie ihm entgegen und schrie mit gellender -Stimme: »Nichts hast du mir zu befehlen, du allzuweltlicher -Bischof von Würzburg! Als <em class="gesperrt">dein</em> Bote ritt ich -aus, als Bote des Herrn <em class="gesperrt">Papstes</em> kehre ich wieder. Schau' -her! Kennst du das Siegel? Lies! Mein Orden, der -Orden des schwarzen Bundes von Garganus, neu gestiftet -unter den furchtbaren Offenbarungen dieser Wochen von -Sankt Nil, dem größten Heiligen und Wunderthäter der -Christenheit, steht unmittelbar unter dem Papst: nur der -Bischof von Rom ist mein Bischof, er hat mir mit eigner -Hand diese schwarze Fahne gereichet und mich zu seinem -Bandalarius, zum Bannerträger und Herold des drohenden -Gerichts bestellt. Und der heilige Vater selbst – lest -doch, leset auch ihr, Ritter und edle Fräulein! – hat mir -Auftrag und Befehl gegeben, mit vier andern Brüdern -aus Deutschland in die Heimat zurückzueilen und hier vom -Brennerberg an von Gau zu Gau zu ziehen, rastlos und -unhemmbar, bis zur Dänenmark und überall in jedem Dorf, -in jeder Stadt zu verkünden: ›das Ende bricht herein. -Thuet Buße! Bereitet euch, den fürchterlichen Richter zu -empfangen‹. Und Ihr seht, mit welchem Erfolg ich das -Wort vom Gericht verkündet habe. All' diese vielen Hunderte -hinter mir, zu Roß, zu Fuß, zu Wagen, von meiner -Verkündung hingerissen, haben vom Inn bis zum Main -Haus und Hof und Habe verlassen und folgen mir nach -freiwillig: Männer und Frauen, Jünglinge und Greise,<span class="pagenum"><a id="Seite_144">[144]</a></span> -um die schreckende Kunde weiterzutragen und die eignen -Seelen zu retten, indem sie andre warnen, aufrütteln und -erretten vor dem ewigen Verderben. Und überall will ich -laut verkünden vor allem Volk – nicht vor Bischof oder -Priester im geheimen! – das große Wunder, das der -Herr in Welschland an mir gethan.«</p> - -<p>Inzwischen hatte der Bischof das Pergament durchflogen, -das ihm der Mönch von dem Wagen herunter -gereicht: – er prüfte nun und erkannte als echt das große -daran hangende päpstliche Siegel: seufzend gab er das -Schreiben dem Mönche zurück und mahnte seine Junker, -welche bereits sich anschickten, die schwarz behangenen Pferde -auszuspannen, davon abzulassen.</p> - -<p>»Kein Zweifel,« sprach er. »Es ist alles, wie er sagt. -Ich habe kein Recht, dem Boten des heiligen Vaters das -Wort zu verbieten. So redet denn in Gottes und der -Heiligen Namen! – Seid Ihr zu Ende, wird der Bischof -anordnen, welche geistlichen Vorbereitungen geschehen sollen.«</p> - -<p>Er trat nun mit seinem Gefolg ein paar Schritte von -dem Wagen zurück: auf einen Wink Monitors stießen die -andern Mönche wieder dreimal in die ehernen Posaunen: -– weit dröhnten sie über das Blachfeld hin: eine bange, -eine ungeheure Stille entstand.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IV.</h3> - -<p>Der Bischof und die Seinen betrachteten mit Staunen, -mit leisem Grauen die Verwandlung, welche die Gestalt -des hünenhaften, breitschultrigen Jägermeisters verändert -hatte. Er war kaum wieder zu erkennen. Zum Knochengerippe<span class="pagenum"><a id="Seite_145">[145]</a></span> -war der einst kraftstrotzende Leib abgemagert, mit -Mühe hielt die hagere Gestalt sich auf den Fahnenschaft -gestützt aufrecht, die Wangen waren völlig eingefallen und -von wachsgelber Leichenfarbe, die Backenknochen ragten -spitz hervor, unablässig zuckte es krampfhaft um die glattgeschornen -Lippen und aus den tiefen, von schwarzen -Schatten umränderten Höhlen schossen die unheimlichen -Augen Blicke von fanatischem Wahnsinn. Er zitterte am -ganzen Leib: – es war wohl das welsche Fieber: – -oft unterbrach das Klappern der Zähne den Fluß seiner -Worte.</p> - -<p>Und die gewaltige Fahne mit der Linken an seine Brust -drückend hob er an mit lauter schriller, markdurchgellender -Stimme: »Höret mich! Höre mich, alles Volk der Deutschen! -Wer Ohren hat zu hören, der höre! Denn aus -meinem, ihres unwürdigsten Knechtes, Mund redet der -heilige Geist, redet Sankt Petrus, redet dessen Statthalter -auf Erden, der Herr Papst zu Rom, redet der große -Wunderthäter Sankt Nil im Land Italia und redet auch -der oberste Herr der Weltlichkeit auf Erden – solang -sie noch bestehen wird! – der Herr Kaiser Otto. Euch, -ihr Ritter, Geistliche und Dienstmannen des Bischofs von -Würzburg, bin ich allen wohl bekannt. Aber auch die -meisten Bürger dieser Stadt und gar viel Bauern der -Dörfer und Höfe kennen mich gut, der ich in der Weltlichkeit -Arn hieß, des Helmbrecht Sohn aus Salzburg. -Und wisset wohl: ich war der Jägermeister des Bischofs -und war aller Weltlinge weltlichster und sündigster. Aus -dem Bayerland war ich und allerwegs gerichtet nicht auf -das Geistliche und Himmlische, sondern auf das Fleischliche -und Irdische: kein Felsgrat in meinen Bergen war mir -zu steil vom Wetterstein bis zum hohen Ortler: wohin -der schwindelfreie Gemsbock stieg, da stieg ich nach. Des<span class="pagenum"><a id="Seite_146">[146]</a></span> -Weines trank ich mehr als drei Männer zusammen und -mit drei Männern zumal zu raufen hab' ich mich nie gescheut. -Dem Bären ging ich an den Leib, allein, Schwert -in Hand. Beim Reigentanz war ich der erste auf dem -Platz und der letzte, aber auch beim Waffentanz in Pusterthal -und Krain mit Wenden, mit Arabern und Welschen -in Calabria. Ach und manche Maid in manchem Land -hab' ich zerstört durch meine wilde Minne! Und viel, -viel Blut von Erschlagenen – in Krieg und in Frieden! -– klebt an meinen Händen. Viel öfter lief ich zu Wald -mit Rado, dem argen, argen Heiden – dort steht er und -wendet sich finster von mir! – als in den Dom, wann -der Bischof die Messe sang. Diese Welt, diese lustige Erde, -mit Jagdhornklang und Becherschwang und Speeredrang -und Mädchenfang: – sie war mein alles. Und als nun -vor vielen Monden zuerst das Wort vom nahenden Gericht -auch in unseren Gau drang, da war keiner unter all den -Dienstleuten des Bischofs, der weniger daran glaubte, der -übermütiger, frevelhafter – verzeihe mir Sankt Petrus! -– darüber spottete als ich. Und gerade mich wählte er -als seinen Boten nach Rom. Wie lachte mein sündhaft -begehrlich Herz bei dem willkommenen Auftrag! Ich freute -mich auf ein üppig Feld von Sünden und ich trieb's danach -von hier bis Rom. Auch Rom machte mich durchaus -nicht besser. Nicht einmal das Grab der Apostelfürsten! -Aber bald darauf – da kam über mich die erlösende Zermalmung, -die beseligende Zerknirschung, die errettende -Verfinsterung des natürlichen Verstandes durch das Übernatürliche, -das Wunder, das unsrer sündhaft stolzen Vernunft -eitel Thorheit ist.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_147">[147]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>V.</h3> - -<p>»Ich erforschte, der Papst weilte zur Zeit nicht in der -ewigen Stadt. Er war mit dem Herrn Kaiser und mit -großem Gefolge von Geistlichen und Laien – und viele -Tausende von Römern und Welschen aus der Campagna -hatten sich alsbald dem Zug angeschlossen – gepilgert -nach dem Kloster des heiligen Michael auf dem Berge -Garganus zu Nilus, dem greisen Einsiedler, der in einer -Höhle jenes Berges hauste. Viele, viele Wunder hatte der -Herr durch ihn bereits gethan, der auch zuerst schon seit -Monaten die große Botschaft von dem nahenden Gericht -verkündet hatte. Der Herr Papst hatte sich heftig wider -jene Verkündung gesträubt: er beschloß, mit allen seinen -gelehrtesten Priestern und Scholarchen und mit einem ganzen -Lastwagen voll heiliger Schriften – den Beweismitteln -für seinen Unglauben! – selbst hinzuziehen zu dem Manne -Gottes: denn der hatte sich geweigert, auf den Ruf des -Herrn Papstes nach Rom zu diesem zu kommen: Sankt -Petrus hatte ihm im Traumgesicht verboten, die enge -Felsenhöhle zu verlassen, bevor die Engel des Gerichts ihn -selbst daraus abholen würden. Und wollte der Herr Papst -durch seine fast zauberhafte Gelehrsamkeit den schlichten -Einsiedler widerlegen, und ihm – bei Strafe der Ausstoßung -aus der kirchlichen Gemeinschaft – verbieten, – -ganz wie vorhin jener Bischof mir! – solche Schrecknisse -zu verbreiten unter dem Volke. Der Herr Kaiser begleitete -ihn: seine schwärmerisch glühende Jünglingsseele vertraute -viel mehr als der gelehrte Papst dem Worte des großen -Büßers: denn der Greis hatte ihm schon manches geweissagt -von Plänen seiner Feinde in Rom, und alles war eingetroffen -Ich aber – als sie mir das erzählten – ich<span class="pagenum"><a id="Seite_148">[148]</a></span> -Frevler lachte laut und spottete – der Heilige hat es mir -in der Beichte vergeben! –: ›ei, hat der alte Schlaukopf -so gute Späher in Rom?‹ Und also, lachenden, höhnenden -Mundes all den Weg über, eilte ich tagelang von Rom -gen Süden bis zum Berge Garganus durch das Volk hin, -das zu vielen, vielen Tausenden zu Fuß, oft auf den -Knieen rutschend, schwere Eisenketten schleppend, die nackten -Rücken geißelnd bis aufs Blut, unablässig Psalmen singend -und betend alle Wege, die von Nord nach Süd zu dem -Weissager führten, wimmelnd bedeckten wie wandernde -Ämsen. Und als ich endlich an dem Fuße des steilen -Berges vom Gaule sprang, rief ich meinem Roßknecht zu: -›Jetzt paß auf! Denn jedenfalls erlebst du heut' ein -Wunder. Ich steige jetzt da hinauf zu dem Alten. Steige -ich ungläubig herunter – ist's ein großes Wunder für -all' die Tausende, die da herum kriechen und knieen und -klettern. Steig' ich aber gläubig herunter, mein Sohn, -dann ist's ein noch viel größer Wunder – für mich.‹</p> - -<p>Aber ich stieg gar nicht mehr herunter! Ein Weltling -stieg hinauf: – einen Mönch trugen sie herab. Denn … -ah meine Freunde! Wie soll ich's euch schildern! Als ich -endlich durch das Gedränge der Hunderte und Tausende die -Höhe erstiegen hatte, da ergriff mich, den schwindelfreien -Gemsenschütz, alsbald ein seltsam kreiselnd Schwirren im -Kopfe. Furchtbar heiß brannte die kalabrische Mittagssonne -gerade senkrecht auf die nackten Schieferfelsen: nirgends ein -Baum, ein Strauch, nirgends ein Streifen Schattens! – -Und stundenlang mußte ich so harren, an dem Platz, an -dem mich, nachdem ich die Hochplatte erstiegen, ein Priester -eingereiht hatte hinter vielen hundert andern Pilgern, die -vor mir eingetroffen waren und nun alle harren mußten, -bis sie nachrücken konnten in die enge Höhle. Viele Stunden -stand ich so!</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_149">[149]</a></span></p> - -<p>Die Welschen sind's gewöhnt, barhaupt in der ärgsten -Sonnenglut auszuhalten: und ich – ich – mußte es nun -auch. Denn meinen breitrandigen Reisehut, den ich allein -trotzig auf dem Kopf behalten hatte, als ich in die Reihe -trat, den hatten sie mir flugs abgerissen und den Felshang -hinuntergeworfen: – raufen konnt' ich nicht: konnt' ich -doch die Arme nicht heben, so eng war ich eingekeilt. Und -mir war, als finge unter der stechenden Mittagssonne mein -Gehirn an zu sieden, nein, zu braten: ich konnte kaum -mehr denken: in meinen Ohren sang es wie das Gesumms -von ganzen Heerscharen von Mücken!</p> - -<p>Endlich – traf uns die Reihe.</p> - -<p>Kaum trugen mich die Füße noch die paar Schritte -bis an den Eingang der Höhle: meine Schläfe pochten. -Da empfing mich in dem Eingang ein solch furchtbares -Geschmetter von Posaunen und Drommeten, daß ich glaubte, -der Kopf platze mir auseinander.</p> - -<p>Und ein Weihrauchduft, wie ich ihn so süß, aber auch -so betäubend stark nie geschmeckt, quoll und qualmte mir -entgegen: mit Mühe rang ich nach Luft! Und aus dem -Hintergrund der schmalen, aber sehr langen Grotte strahlte -mir in dem ganz dunkeln Eingang entgegen ein Meer -von Licht, von tausend und aber tausend Kerzen: geblendet, -schloß ich die Augen: sie zuckten mir vor Schmerz. Aber -gleich that ich sie wieder auf, erschrocken, erschüttert bis in -den Grund der Seele.</p> - -<p>Denn eine Mark durchbohrende Stimme, die aus dem -Grabe, – nein doch! aus der andern Welt! – zu dringen -schien, schlug an mein Ohr: »Bereue! Büße! Das Gericht -ist nah.«</p> - -<p>Und ich sah mir gegenüber den Heiligen!</p> - -<p>O meine Lieben, das war kein Mensch mehr! Eine -hohe hagere Gestalt, nackt bis zum Gürtel. Das gewaltige<span class="pagenum"><a id="Seite_150">[150]</a></span> -Haupt umflattert von wirrem weißem Haar: aus tiefen -Höhlen sprühten die kohlschwarzen verzückten Augen Feuer: -man sah ihnen an, die schauten Himmel und Hölle offen. -Und neben ihm kniete, in einem härenen Gewand, Asche -auf dem Haupte – gar wohl kannte ich ihn aus unserem -letzten Kriegszuge gegen die empörten Römer, – der Herr -Papst, der gelehrte Sylvester, und er, der Stolz der Wissenschaft, -küßte demütig die halbnackten Füße und umschlang -seine Kniee und rief: ›Ich büße! ich bereue! Ich bereue -meinen hochfärtigen Unglauben! Denn wahrlich, wahrlich -ich sage euch: diesem Ungelehrten hat der Herr sich offenbart. -Und das Gericht des Herrn ist nahe.‹</p> - -<p>Wohl schlug mir das Herz vor Grauen an die Rippen, -daß ich meinte, es müsse mir zerspringen. Aber es war -ein gar trotzig Herz und wollte nicht nachgeben. ›Ach -was,‹ sagte zu mir dies sündhafte Herz: ›Pfaff ist Pfaff: -auch der Herr Papst ist Pfaff: – leicht glaubt er dem -andern Pfaffen.‹ Aber da – o meine Geliebten …!«</p> - -<p>Und überwältigt von der Erinnerung knickte die hünenhafte -Gestalt zusammen; der Mönch brach in lautes -Schluchzen aus, der Kopf schlug ihm mit der Stirn auf -dem Gerüst auf.</p> - -<p>Das wirkte noch mehr als alle seine Worte. Ein -Murmeln des Grauens lief durch die Menge. Die Männer -zitterten vor Erregung, viele Weiber ergriff krampfhaftes -Weinen: selbst Herr Heinrich preßte die Linke auf das -tapfere Herz.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_151">[151]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VI.</h3> - -<p>Aber schon erhob Monitor wieder das Haupt und fuhr -fort: »Da ersah ich zur Linken des Heiligen einen andern -knieen! Wohl kannt' ich auch den – und doch! – ich -erkannte ihn kaum wieder. Eine herrliche blühende Jünglingsgestalt -– von goldenem Gelock das Haupt umwallt -– schön wie die marmornen nackten Götter, die man zu -Rom aus dem Schutte der Heidentempel gräbt. Nackt -war auch der Jüngling, bis auf einen Lendenschurz von -schwarzer Schafwolle: – und in Bächen, in Strömen -rieselte ihm das rote Blut von Rücken, Brust, Seiten und -Beinen. Denn unablässig, grimmig, mit aller Kraft seines -Armes geißelte sich vor allem Volk der Jüngling mit einer -siebensträngigen Geißel, ein Eisenstachel am Ende jedes -Stranges, und unablässig schrie und keuchte er mit schon -versagender Stimme: ›Ich büße, ich bereue. Ich bereue -jeden Gedanken, den ich jemals der Welt und ihrer nichtigen -Herrlichkeit zugewendet und dem Reiche des Herrn -entzogen habe. Denn – schon seh' ich es vor Augen! – -es nahet das Gericht des Herrn!‹ Und nun – denn ich -meinte, die Stimme zu erkennen – nun schärfte ich meine -Augen, auch das Antlitz des schönen Jünglings in der -Weihrauchwolke genau zu sehen …</p> - -<p>– O Heiland der Welt! – – –</p> - -<p>Ja, er war es! Aber wie furchtbar verwandelt, wie -entstellt, wie abgethan all' der freudigen stolzen Herrlichkeit, -die einst ihn geschmückt, unsere Freude, unseren Stolz. -Denn – hört es, höret es alle! – er, der uns allen das -leuchtende Beispiel des Glaubens und der blutigsten Büßung -gab – er, der zum Entsetzen herabgemagert, nackt, wie -ein Verbrecher bei dem Staupenschlag, vor allem Volk sich<span class="pagenum"><a id="Seite_152">[152]</a></span> -selbst zergeißelte – Er war es – mein Herr, euer, unser -aller Herr: es war des großen Otto herrlicher Enkel, der -Deutschen und der Lombarden König, des römischen Kaisers -Majestät, der Herr der Welt – Herr Otto war's der -Dritte!«</p> - -<p>Da ging ein Stöhnen, ein dumpfer Schrei des tiefsten -Wehs über den Jammer aller irdischen Größe und doch -auch einer gewissen grausigen Wonne durch die vielen -Hunderte hin.</p> - -<p>»Und nun,« fuhr der Mönch, sich hoch aufrichtend, -fort: »Nun geschah mir das Ärgste. Ich wankte, meiner -Sinne nicht mehr mächtig, dem blutüberströmten nackten -Jüngling entgegen, ich streckte meine beiden Hände gegen -ihn aus: – da – da traf sein Auge auf das meine, er -erkannte mich und in wildem Schrecken schrie er: ›Wehe, -weh! Ich kenne dich! Du bist Arn, der wilde, arge Arn, -der Genosse so vieler meiner Sünden in Krieg und Jagd -und Gelag. Ach, du heiliger Mann Gottes! Das ist derselbe -– man hat ihn erkannt, wie er davonjagte aus dem -Thore von Florenz und hat es mir gemeldet – der auf -dem Marktplatz dort, auf Antrieb und in der Larve des -Teufels, unter die Büßenden sprengte. Er trägt einen -Dämon im Leib. Er ist besessen. Heiliger Mann Gottes, -treibe den Teufel aus seiner Seele.‹</p> - -<p>Und ohnmächtig sank der junge Kaiser zusammen.</p> - -<p>Nun aber – wehe! wie geschah mir! Alle, alle um -mich her schrieen: ›Er hat einen Dämon! Er hat einen -Dämon!‹ Und der fürchterliche, der hagere Heilige schritt -gerade gegen mich heran und streckte die beiden knöchernen -Arme gegen mich aus und bohrte mir die brennenden Augen -in meine glanzgeblendeten, schmerzenden Augen und sprach -in schauerlichem Grabeston: ›Ja, ich sehe es, mein Sohn: -aber nicht Einen Dämon, vier Dämonen trägst du in dir<span class="pagenum"><a id="Seite_153">[153]</a></span> -von Jugend auf: den Saufdämon, den Wollustdämon, den -Kampfdämon, den Spottdämon. Ich aber – ich bin vom -Herrn berufen sie von dir auszutreiben und deshalb hat -dich der Herr hierher gesandt zu dieser Stunde. Auf, ihr -Gerechten und Geheiligten, greift ihn, bindet ihn und geißelt -ihn bis aufs Blut.‹</p> - -<p>Ich schrie auf!</p> - -<p>Aber nicht aus Furcht vor den Schlägen, die nun von -zwanzig Geißeln auf mich niederhagelten: nein, wahrlich -nein! Sondern ich schrie auf vor Entsetzen über mich -selbst, vor Grauen über mein vergangenes Leben, aus -Furcht vor den Teufeln in mir. Ich schrie, weil ich's -fühlte, weil ich's denken mußte in meinem brennenden -Hirn: ›Er hat Recht! Weissagend hat der Heilige, der -mich nie gesehen, mein Inneres, und den Inhalt meines -Lebens aus meinen Augen gelesen.‹ Und ich spürte, wie -die Dämonen in mir sich bäumten und wanden, wie aufsteigende -Schlangen. Und ich schrie mit letzter Kraft: -›Ja, ja, ihr Frommen! Der Heilige sprach wahr. Ein -Wunder! Ein Wunder! Er hat sie erkannt, – die -Dämonen, von denen ich besessen bin dreißig Jahre. O -treibt sie aus! O rettet meine Seele.‹</p> - -<p>Das war das letzte, was ich hörte und wußte auf -lange, lange Zeit.</p> - -<p>Als ich meiner Sinne wieder mächtig war, lag ich in -dem Krankensaal des Klosters des heiligen Michael und -stak in der Kutte der schwarzen Brüder von Garganus.</p> - -<p>Und an meinem Pfühle saßen der Herr Kaiser zur -Linken und der Herr Papst zur Rechten, zu meinen Häupten -aber stand der Heilige, und sprach: ›Sehet, es ist geschehen, -wie ich gebetet, wie ich geweissagt. Er sollte ja -sterben müssen, sprach euer griechischer Arzt, Herr Kaiser, -an »<em class="antiqua">sideratio</em>« wie er's nannte: – Sonnenstich, das sollte<span class="pagenum"><a id="Seite_154">[154]</a></span> -das ganze Wunder sein! Ich aber fragte den gelehrten -Spötter: Ei, hat die Sonne auch seine <em class="gesperrt">Seele</em> gestochen? -Warum ist er geworden aus einem Saulus ein Paulus? -Wahrlich, wahrlich ich sage euch: ich kleide diesen geretteten -Sünder in das Gewand meiner schwarzen Brüder und er -wird nicht sterben. Oder, wenn er stirbt, wird er nach -dreien Tagen wieder auferstehen von den Toten. So -sprach ich. Wohlan: es ist der dritte Tag – er schlägt -die Augen auf – er ist genesen. Ausgefahren aber von -ihm auf immerdar sind seine vier Dämonen.‹ –</p> - -<p>Und er beugte sich über mich und sah mir in den Grund -der Seele mit diesen überirdischen Augen und forschte feierlich: -›Ich frage dich im Namen des Herrn, mein Sohn: -nicht wahr, du bereuest, du büßest und du glaubst an das -Nahen des Gerichts?‹ Und bei dem Klange dieser Stimme -kam mir zurück die Erinnerung an alles, was ich in der -Höhle gehört, gesehen und erlebt, und erschauernd sprach -ich: ›Ja, du Heiliger des Herrn, ich bereue, ich büße und -ich glaube an das Nahen des Gerichts.‹ Da warfen sich -der Herr Papst und der Herr Kaiser zu des Heiligen Füßen -und umfingen seine Kniee und küßten sie und der Herr -Papst rief: ›Heil mir, nun hab ich, was ich immer gewünscht -zur Verscheuchung meiner Zweifel: nun hab ich -eines deiner Wunder mit Augen gesehen!‹</p> - -<p>Der junge Kaiser aber schluchzte unter Thränen: ›Wohl -mir, daß ich nie an dir gezweifelt, du Heiliger des Herrn.‹ -Und ich beichtete dem Propheten. Und als Buße – ach -wie geringe Buße! – legte er mir auf, von Stund an -nie mehr im Leben Fleisch zu essen und überhaupt nur -jeden dritten Tags Speise zu nehmen und nie mehr Wein. -Und sprach zuletzt: ›Du ziehest aus als des heiligen Vaters -Sendbote und als der meine. Weil du verspottet hast -das Nahen des Gerichts, sollst du das Nahen des Gerichts<span class="pagenum"><a id="Seite_155">[155]</a></span> -verkünden unter den Menschen deiner Heimat, in dem Land -Italien aber nur auf dem Marktplatz zu Florenz: wo der -Dämon des Hohnes aus dir sprach, soll der heilige Geist -der Wahrheit aus dir sprechen. Und wenn dir in deiner -Heimat die Weltlinge nicht glauben und dich verhöhnen, -so wird das die gerechte Strafe sein deines Hohnes. Wenn -sie dir aber glauben, wirst du noch vor dem Nahen des -Gerichts erretten die Seelen Vieler und dadurch auch die -eigene: denn jener Errettung wird dir der ewige Richter -anrechnen als ein gutes Werk.‹</p> - -<p>Und bald darauf erhielt ich des Herrn Papstes Brief -und Siegel und diese schwarze Fahne und vom Herrn Kaiser -diesen stattlichen Wagen und die vier Rappen und zog aus -auf meine heilige Sendung. Und der Herr hat sie gesegnet -von Florentia an, – wo sie mein Carroccio ausspannten -und den bekehrten Sünder im Triumph auf ihren -Schultern über den Marktplatz in die Kirche trugen, – -bis hierher: ihr sehet diese Hunderte von Geretteten.</p> - -<p>Ihr aber, o Bischof und ihr Priester von Würzburg -und ihr Bischofsmannen und Bürger und Bauern – o -thuet desgleichen wie diese. Verstocket nicht eure Herzen! -Ihr seht das Wunder vor Augen: das große, das der -Heilige gethan hat an Arn, dem argen Sünder. So befolgt -denn des Herrn Papstes, des Herrn Kaisers, des -heiligen Nilus Gebot. Büßet, büßet und glaubet, das -Gericht ist nah: um Mitternacht dieser Sommersonnwend -– noch wenige Wochen sind's – geht die Welt in Flammen -auf und der jüngste Tag bricht an.«</p> - -<p>Da stürzte der Mönch bewußtlos zusammen: Schaum -trat ihm vor die Lippen: seine Kraft war erschöpft: er -sank mitsamt seiner riesigen schwarzen Fahne in die Arme -eines seiner Genossen: die drei andern aber setzten wieder -die Posaunen an den Mund und bliesen und schmetterten,<span class="pagenum"><a id="Seite_156">[156]</a></span> -als erschallten schon jetzt die Posaunen des Gerichts: sie -hieben auf die schwarzen Rosse ein: diese zogen an – -vorwärts rollte langsam der schwere hohe Wagen und ihm -folgte singend und schreiend und heulend alles Volk, die -Hunderte von Ankömmlingen, und die Tausende von Bürgern -und Bauern – alles wälzte sich unaufhaltsam gegen -die Stadt zu: der Bischof und sein Gefolge vermochten -weder seitwärts auszuweichen noch den gewaltigen Strom -der wild Erregten, der Verzweifelnden aufzuhalten: willenlos -wurden sie mit fortgetragen von dem wogenden Gewühl.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_157">[157]</a></span></p> - -<h2 id="Viertes_Buch">Viertes Buch.</h2> -</div> - -<h3>I.</h3> - -<p>Jetzt gab es Arbeit für den Bischof von Würzburg, -geistliche und weltliche! –</p> - -<p>Die Wirkungen des Glaubens an das demnächst hereinbrechende -Weltende waren im ganzen Abendland gewaltig. -Freilich nicht überall gleich starke: In Italien, im Süden -von Frankreich wurde die Bevölkerung, an sich von lebhafterer -Empfindungsweise und leichter erregbar, in -größeren Mengen und leidenschaftlicher ergriffen, weil so -nahe den Quellen, von denen die Verkündung ausströmte: -süditalische Einsiedler, zuletzt auch Rom. Die kühleren -Deutschen nahmen die Sache kühler, mit häufigerer Bezweifelung -und, auch wo sie glaubten, mit festerer Haltung -auf; in manche Landschaften des Nordens und Ostens war -das Gerücht kaum gelangt.</p> - -<p>Allein wo, wie im Würzburgischen geschehen war, ein -Bote, unmittelbar von Papst und Kaiser und heiligem -Wunderthäter entsendet, ein Bote, befeuert von schwärmerisch -verzücktem, felsenfestem Glauben, selbst durch ein -Wunder erst zu diesem Glauben bekehrt, das schaurige -Wort verkündete, – da war die Wirkung eine furchtbare, -eine fortreißende. Nicht einer und nicht eine, die den -Aufzug des Mönches und seine Bußmahnung auf jener Festwiese<span class="pagenum"><a id="Seite_158">[158]</a></span> -gesehen und gehört, verharrte im Unglauben, hegte -noch Zweifel; sogar der alte Rado raunte Hellmuth zu: -»Ja, zur Sonnwend! Ist richtig! Ich wußt' es längst. -Die Welt geht unter, – aber <em class="gesperrt">anders</em> als die Pfaffen -wähnen.«</p> - -<p>Supfo hatte wichtiger Geschäfte gewaltet und an jenem -Nachmittag den Keller nicht verlassen.</p> - -<p>Noch am selben Tage hatte sich der Zug des Mönches -durch die Stadt hindurch den Fluß hinab weiter gewälzt: -der Bischof hatte, mancherlei Wirren in der Gemeinde besorgend, -die baldige Entfernung des starken Haufens in -jeder Weise begünstigt und beschleunigt.</p> - -<p>Eines der ersten Geschäfte Herrn Heinrichs, sobald er -in seinen Hof zurückgelangt war, bestand darin, daß er -einen Eilboten in die Gegend von Bamberg sandte, wo -er noch die Lagerung der wendischen Söldner vermutete, -mit dem strengen Befehl an Berengar, die Verhandlungen -abzubrechen, das etwa bereits Bezahlte zu opfern und -schleunigst zurückzukehren. Es hatte keinen Sinn mehr, -für Sankt Burchhard eine Grafschaft zu erkämpfen, die in -wenigen Wochen in Feuer aufging.</p> - -<p>Im übrigen aber hielt der tüchtige, klar-verständige -Mann streng darauf, daß, unerachtet der frommen Vorbereitung -durch Gebet und Bußen, jeder seine obliegenden -weltlichen Pflichten streng und genau wie immer erfülle, -gleichwie er selbst mit bestem Beispiel darin voranging: -er sah voraus, was die Erfahrung der nächsten Tage schon -bestätigte, daß die Wirkungen jenes Glaubens keineswegs -bloß fromme, wohlthätige, sittliche sein würden.</p> - -<p>Gegenüber der maßlosen Aufregung der Gemüter, der -Furcht vor Tod und Hölle, die zu unthätigem Brüten, zu -leidenschaftlichen Ausbrüchen, zur Lockerung aller hergebrachten -Bande, zur Vernachlässigung aller Gewohnheiten<span class="pagenum"><a id="Seite_159">[159]</a></span> -und Geschäfte verführte, war das einzige Heilmittel die -strenge treue Erfüllung jeder Pflicht, auch der weltlichen. -Unermüdlich schärfte er das wie in seinen nun täglichen -Predigten, so im Beichtstuhl und im Verkehr mit Geistlichen -und Laien ein.</p> - -<p>Und wahrlich: es that not!</p> - -<p>Die meisten freilich, die Frauen und Mädchen fast ausnahmslos, -und auch der weitaus größte Teil der Männer -wurden durch die Erwartung des nahenden Endes zur -Zerknirschung, Reue und Buße getrieben. Und die Furcht -vor dem Zorne des allwissenden Richters bewog Unzählige, -nach der sehr bedenklichen Sittenlehre nicht der Kirche zwar, -wohl aber der Zeit, die Heiligen zu bestechen, ihre Fürsprache -bei dem Herrn dadurch zu gewinnen, daß sie den -Heiligen: das heißt deren Kirchen, Klöstern und frommen -Stiftungen Geschenke zuwendeten soviel sie nur konnten. -Viele, viele Tausende errichteten damals Schenkungen an -die Kirchen von Land und Leuten, von nutzbringenden -Hoheitsrechten, von Häusern und Feldern, von barem Geld, -von Gold- und Silbergerät und Schmuck. Auch dem Bischof -von Würzburg wurden jetzt für Sankt Kilian, Sankt Burchhard -und andre Heilige solche Vergabungen in einer kaum -zu bewältigenden Fülle aufgedrängt. Wenig Freude hatte -Herr Heinrich an diesen Äußerungen einer Frömmigkeit, -die dem Schenker den Genuß nur auf drei Wochen noch -entzog, dem Heiligen nur auf drei Wochen zuwandte und -durchaus nicht in Selbstverleugnung, sondern in jämmerlicher -Furcht vor den Höllenqualen ihren Beweggrund hatte.</p> - -<p>Allein ausschlagen durfte er das Dargebrachte nicht: -– das verboten die Canones! – Auch würde die Zurückweisung -die Leute erbittert, zur Verzweiflung, zu wüstem -vergeudenden Genuß getrieben haben. In solchen Mengen -aber drängten sich Schenkungsurkunden und geschenkte Fahrhabe<span class="pagenum"><a id="Seite_160">[160]</a></span> -zusammen, daß er außer dem Bischofshaus auch noch -andre verfügbare Räume zur Aufnahme anweisen mußte. -Auch das bisher von den beiden Mädchen bewohnte Haus -ward hierzu bestimmt: die Freundinnen mußten sich trennen. -Denn der Bischof bestand darauf, daß der Eintritt Minnegardens -in das Kloster nun doch noch zu geschehen habe. -Das Widerstreben der Weinenden, die geltend machte, nun -könne es doch darauf nicht mehr ankommen, ob sie nächstens -als Weltkind oder als Nonne sterbe, wies er gütig, -aber bestimmt zurück. Er würde, gestand er ihr, wäre der -Bescheid des Papstes anders ausgefallen, ihr vielleicht -nachgegeben haben, da er längst erkannt habe, wie wenig -das Alpenkind zum Kloster neige und dafür tauge, wie so -ganz auf andre Dinge ihr Sinn gerichtet sei. Aber nun, -da alle solche Hoffnungen und Wünsche doch ausgeschlossen, -nun sei es Pflicht, den letzten Wunsch der Mutter zu erfüllen: -auch teilte er den allgemeinen festen Glauben der -Zeit, es sterbe sich viel seliger im Nonnen- oder Mönchsgewand -denn in weltlicher Tracht; er machte mit dieser -Versicherung freilich wenig Eindruck auf das Mädchen! -Schon daß sie sterben müsse, bevor sie in das Himmelreich -eintreten könne, fand sie recht hart; sie hatte gemeint, -nachdem der Herr die Menschen, die er lebend antreffe, -lebend richte, könnte er sie wohl auch gleich lebend mit in -den Himmel nehmen. Da hatte sie denn zu lernen, daß -jenes Leben ein andres als das auf Erden und daß nur -wenigen Auserwählten verstattet sei, ohne den Tod zu -schauen, in den Himmel einzugehen.</p> - -<p>So ward die Tieftraurige untergebracht in das Haus -der »Religiosen«, das nördlich der Stadt vor dem Holzthor, -aber innerhalb des Pfahlhags auf dem rechten Ufer -flußabwärts an der heutigen Straße nach Veitshöchheim -lag: hier ward sie von den frommen Frauen für die Einkleidung<span class="pagenum"><a id="Seite_161">[161]</a></span> -vorbereitet, die – nach Anordnung des Bischofs -– von diesem selbst in dem Dom in der letzten Stunde -vor Mitternacht vorgenommen werden sollte.</p> - -<p>Edel bezog mit Malwine, der alten Pflegerin, ein -kleines, dem Bischof gehöriges Häuslein, das, gerade dem -Religiosenhaus entgegengesetzt, flußaufwärts vor dem Südthor -und der Sandvorstadt in der Nähe der großen Festwiese, -aber auch außerhalb des Pfahlhags lag. Sonder -Abschied hatte Fulko die Geliebte müssen ziehen lassen; -denn er wie Hellmuth wurden gleich in den nächsten Tagen -nach jenem verhängnisvollen Schützenfest von Herrn Heinrich -sehr häufig außerhalb der Stadt im Gau verwendet. -Der waffenfrohe Bischof fand nämlich neben der unablässigen -geistlichen auch weltliche, kriegerische Arbeit in diesen -Wochen. Denn keineswegs alle Seelen wurden durch den -Gedanken des nahen Endes zerknirscht: es gab doch auch -gar viele rohe, kraftstrotzende Männer, in der Vollkraft -der Jahre, in welchen umgekehrt die Flammen der Genußgier -noch einmal wild aufloderten bei der Vorstellung des -baldigen Erlöschens für immerdar. Von wahnsinnigem -Drang nach Erdenlust jeder Art ergriffen, betäubten sie -ihre Angst vor dem Tod und fröhnten zugleich ihrer -Sinnengier in wüsten und verbrecherischen Thaten gegen -alle Gebote der Kirche und gegen alle Gesetze des -Reichs.</p> - -<p>In der Stadt selbst hielt Herr Heinrich solche Ausbrüche -nieder mit eherner Faust. Es war dem tapfern -Manne sehr erwünscht, daß die Abwesenheit desjenigen, -der durch sein Amt berufen war, den Landfrieden zu -wahren, des Grafen, mit fast all seinen Reisigen in Italien, -dem Bischof die Erfüllung dieser Pflicht zwar keineswegs -von Rechts wegen aufzwang, aber doch ermöglichte und -nahelegte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_162">[162]</a></span></p> - -<p>Wie in anderen Teilen Deutschlands hatten sich im -Waldsassen- und Rangau bei Würzburg, zumal aber auch -in den armen Gegenden des Spessart, dann im Maingau, -wohin der Mönch Monitor seine aufregende Verkündung -zunächst getragen hatte, bewaffnete Scharen zusammengerottet. -Sie suchten mit Raub und Brand die nächsten -Herrensitze, ja auch Klöster heim, sie erbrachen hier die -vollen Weinkeller, die strotzenden Vorratskammern ihrer -Herren – die oft ihre Peiniger gewesen waren – oder -ihrer reicheren Nachbarn und nahmen sich mit der Faust -zu einem letzten Rausch, zu einer letzten Völlerei, was ja -doch in wenigen Tagen dem Untergang geweiht war: auch -manche Weiber und Mädchen rissen sie zu wilden, schamlosen -Reigen und oft zu schlimmeren Dingen fort.</p> - -<p>Es waren meist Unfreie, die ihren Herren entlaufen -waren, entsprungene Gefangene, Landstreicher, Waldgänger, -Räuber, unzufriedene verarmte Kleinbauern. Schwer aber -fiel es Herrn Heinrich aufs Herz, als ihm gemeldet wurde, -auch viele jener Bauleute seien darunter, die er plötzlich -aus Arbeit, Brot und Lohn entlassen hatte.</p> - -<p>Daß so er – er selbst! – die Scharen jener Mordbrenner -verstärkt habe, – das legte ihm die rasche, kraftvolle -Dämpfung der Unruhen noch besonders als Pflicht -auf das Gewissen.</p> - -<p>So gab er sich denn mit heißem Eifer wie mit altbewährter -Stärke und Umsicht dieser kriegerischen, staatlichen Aufgabe -hin. In einer kampffreudigen Predigt in der in diesen -Tagen immer bis auf den letzten Fleck gefüllten Domkirche -forderte er alle wehrfähigen Bürger der Stadt und des -Gaues auf, sich zu waffnen: – er stellte ihnen die eigne -reiche Waffensammlung zur Verfügung – und zusammen -mit seinen Dienstmannen unter Führung seiner Ritter die -Umgegend zu durchstreifen, die bedrohten offenen Landsitze,<span class="pagenum"><a id="Seite_163">[163]</a></span> -Dörfer und Klöster zu schützen, die Banden aufzusuchen -und zu zerstreuen.</p> - -<p>Seine flammende Beredsamkeit – »wie ein Herzog -sprach er, nicht wie ein Pfaff,« meinte Fulko begeistert – -hatte guten Erfolg: wohl ein paar hundert Bewaffnete -sammelten sich alsbald um den Bischofshof: hatte er doch -solches Thun für gottwohlgefälliger und verdienstlicher noch -denn Fasten und Beten erklärt! Und eine Freude und -heiß erwünschte Erholung von den jetzt fast erdrückenden -geistlichen Geschäften war es ihm, gelegentlich selbst, hoch -zu Roß, die Sturmhaube auf dem Haupt, das Schwert in -der Faust auszuziehen – nicht gerade ganz im Geist der -Canones! – an der Spitze einer solchen gewaffneten -Schar und eine Rotte von Räubern und Landbrennern -auseinanderzusprengen, wie sie Aschaffenburg im Nordwesten, -Kissingen im Südosten bedroht und geschädigt, aber -auch im Waldsassengau in der Nähe von Würzburg selbst -Holzkirchen, Helmstädt, Utingen, Römlingen, Fotingen, -Birkenfeld, Himmelstadt, Steinbach, Trifenfeld heimgesucht -hatten mit Gewalt und Plünderung. Da hatten außer -dem Bischof selbst seine Junker die Hände voll kriegerischer -Arbeit. »Es ist all nicht genug,« schalt gleichwohl Hellmuth. -»Sie halten nicht Stand, die feigen Schächer. -O nur noch Ein tüchtig Einhauen vor dem Ende!«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>II.</h3> - -<p>Aber neben allen geistlichen und weltlichen Aufregungen -dieser Wochen irdischen Daseins gingen doch die Dinge -des täglichen Lebens, dessen Erfordernisse und Bedingungen<span class="pagenum"><a id="Seite_164">[164]</a></span> -– in seltsamem Gegensatz zu jenen außerordentlichen Geschehnissen -– ihren hergebrachten Gang: die Leute sahen -dem Ende entgegen: aber einstweilen wollten sie doch -schlafen und trinken und – wenn sie nicht gerade das -Fasten sich vorgesteckt hatten – auch essen.</p> - -<p>Herr Heinrich hörte einmal, wie er die Eingangshalle -des Erdgeschosses durchschritt, seines treuen Supfo Stimme -gewaltig schelten: laut drang aus der Tiefe des Kellergewölbes -seine schallende Rede an die Oberwelt, verbrämt -mit manchem nicht gerade bischöflich gedachten Kernfluch. -Das bewog den Seelenhirten, zu verweilen und an seinem -Kellermeister im Vorüberwandeln ein wenig Seelsorge zu -treiben. Er blieb stehen, beugte sich über das Geländer -der steinernen Kellerstufen und rief hinab: »Aber Supfo! -Schämst du dich nicht? Es wird wohl dein Werk, was -immer es sei, auch ungeflucht von statten gehen. Aber -nichts als: ›Donner!‹ und ›Donnerstrahl!‹ Was bringt -dich denn so auf?« »Nun, Herr Hezilo!« antwortete der -Runde, der langsam ein paar Stufen entgegen humpelte. -»Wenn <em class="gesperrt">das</em> einen Christenmenschen nicht aufbringen soll! -Was haben sie gethan, diese Eselfüllen von Kellerjungen? -Den köstlichen Trank vom Stein schon aufgespundet. Jetzt -hält er sich kaum mehr zwei Jahre!« – »Aber Supfo! -In zwei Wochen ist ja alles aus!« – »Ja – ja! – -Jawohl! – Aber nichtsdestoweniger! – Wie habt Ihr -erst gestern wieder so schön gepredigt in der Vesper (– wie -jetzt schon so oft, daß ich's auswendig weiß!)? ›Geliebte -in dem Herrn! Vor allem fahret fort, eure Pflicht zu -thun in allen Stücken, im kleinen wie im großen‹ (der -Steinwein ist aber nichts Kleines!) ›als ginge es noch -immer so fort wie von je.‹«</p> - -<p>»›Ohne doch (fügte ich bei) durch solche Geschäfte euere -Gedanken ablenken zu lassen von dem nahen Ende.‹ –<span class="pagenum"><a id="Seite_165">[165]</a></span> -Du aber scheinst ein sehr gutes Gewissen oder – noch -immer! – einen herzhaften Vorrat Leichtsinn zu besitzen.« -»Beides, lieber Herr,« beteuerte der Kellerer treuherzig, -die Hand auf sein Schurzfell legend in die Grenzgebiete -zwischen Herz und Bauch. »Was hast du denn aber da?« -forschte der Bischof sich tiefer bückend. »In der großen -Kiste, die du dort in den Nebenkeller schaffen lässest?« – -»Das? Das …? Das kleine Kästlein, meint Ihr? -O … das … das ist nichts … von Bedeutung.« – -»Was ist darin? Kirchengerät?« – »O nein, im Gegenteil -– sozusagen! Es sind Schläuche – von … von -dem Griechenwein, den weiland Frau Theophano, – Gott -hab' sie selig! (werdet sie ja auch nun bald wiederschauen: -ob sie wohl noch so schön ist?) – Euch oder vielmehr, -wie es in ihrem Schreiben hieß, Sankt Burchhard (der -aber schon lange – zu Lichtmeß waren es zweihundertsechsundvierzig -Jahre! – seinen letzten Trunk gethan), -also doch wohl Euch verehrt hat. Der Griechenwein steht -hier der Kellerarbeit im Wege und …« »Lauter überflüssig -Thun!« schalt der Bischof und schritt zum Thor -hinaus, im nahen Dom wieder Beichte zu hören. »Ganz -unnütz!« »Wer weiß?« meinte Supfo und sah ihm -verschmitzt lächelnd nach.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>III.</h3> - -<p>Wenige Tage danach – es war schon dunkler Abend -– kam Junker Fulko von einem Streifzug in der Umgegend -– mainaufwärts – gegen die Landschädiger zurück. -Er hatte sein Häuflein in dem Thore der Vorstadt auf<span class="pagenum"><a id="Seite_166">[166]</a></span> -dem Sand entlassen, Orco, seinen schönen Rapphengst, dem -Roßwart übergeben und schritt nun in tiefe – ach! nicht -mehr hoffnungsfreudige – Gedanken verloren durch die -schmale Gasse, die innerhalb der Umwallung von Ost nach -West an den Fluß führte; er wollte sich von da allmählich -an das Religiosenhaus heranpirschen, zu versuchen, ob es -nicht endlich gelinge, einen Blick auf oder von Minnegard -zu erhaschen; bisher war die Hut der frommen Schwestern -nicht zu durchbrechen gewesen! Er summte den Anfang -eines werdenden Liedchens vor sich hin in der Dämmerung:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Wes Auge je dein inne ward,<br /></span> -<span class="i0">O zauberschöne Minnegard …«<br /></span> -</div></div> - -<p>Da drang aus der noch engeren Quergasse, welche die -Straße von Nord nach Süd kreuzte, lautes Gekläff eines -Hundes, dazwischen durch der Streit zweier menschlicher -Stimmen, zuletzt etwas wie ein Hilfeschrei: und das war -nicht eines Mannes Stimme.</p> - -<p>Im Augenblick stand der Ritter in der ziemlich dunkeln -Gasse: an deren Südende sah er gerade noch zwei blonde -Zöpfe fliegen, während ein zottiges Grauhündlein, mit zornigem -Gebell vorstoßend, den Rückzug seiner Herrin deckte.</p> - -<p>»He, Junker Blandinus! Bei Euerem Sankt Markus! -Schon wieder einmal beim Kinderquälen und im Köterkampf?« -rief Fulko. »Könnt Ihr denn nicht warten bis -diese Kirsche reif? Noch ist sie zu sauer – wenigstens -für Euch. Ja so! Warten! – In vierzehn Tagen …! -Gleichviel, laßt mir das dicke Kind zufrieden oder …« -»Tod und Teufel! Ich liebe das holde Geschöpf und -würde sie zur Dogaressa machen, ging nicht – leider! – -vorher – zufällig die Welt unter!« rief der Venetianer, -blitzschnell sich wendend und die schmale Stoßklinge herausreißend. -»Was geht's Euch an, Provençale! Seid Ihr<span class="pagenum"><a id="Seite_167">[167]</a></span> -des Mädchens Muntwalt oder der meine? Zieht! Was -habt Ihr mich zu stören? Zieht, sag ich.« Aber Herr -Fulko hatte schon gezogen und wehrte ruhig, jedoch nachdrücklich -die hitzigen Stöße ab, mit welchen der Erbitterte -auf ihn eindrang. »Brav, brav,« lachte der Sänger. -»Das war sogar recht hübsch, dieser Doppelstoß. Aber -nun ist's doch genug.« Des Venetianers Klinge flog in -die Luft, Fulko haschte sie behend vom Boden auf und -reichte ihm mit anmutiger Verbeugung den reichvergoldeten -Griff hin; beschämt steckte sie der Entwaffnete ein.</p> - -<p>»Seht,« fuhr der Sieger gutmütig fort, »so gut wie -jetzt habt Ihr mir in Eurem ganzen Leben noch nicht gefallen. -Das war doch ein Anflug von Mannheit, wenigstens -ein Flackerzorn, und ein ganz leidlich Fechten. Hätte Euch -dabei das hübsche Kind gesehen, – ich glaube, Ihr hättet -stark bei ihr gewonnen. Glaubt mir, ich mein' es gut -mit Euch, junger Löwe von San Marko. Es steckt was -in Euch, Ihr seid gar nicht so übel. Nur laßt – für die -paar noch übrigen Tage – die verfluchte Geckerei und -Ziererei! – Erst werdet ein Mann, eh' Ihr Weiber gewinnen -wollt. Bei Sankt Amor, <em class="gesperrt">ich</em> schelte Euch nicht -drum, daß Ihr verliebt seid im Angesicht des jüngsten -Tages. Es wäre recht sündhaft von mir! Aber alles -hübsch nach der Reihe. Nur der Starke ist des Schönen -wert! Glaubt mir, merken die Mädchen, an Eurem Auftreten -gegen die Männer, Ihr seid ein Mann, dann werden -sie Euch nicht mehr auslachen, tretet Ihr auch gegen sie -auf mit dem Begehr, weil mit dem Recht des Mannes. -Hätt' ich nur mehr Zeit, zu predigen, und Ihr, mir zu -folgen. Folgt mir doch noch diese Spanne Zeit. Und -nun gerade erst recht in diesen Tagen. Wenn Ihr nun -in Bälde steht vor Sankt Georg, dem Erzengel, der uns -Ritter unter sich hat, und er Euch fragt: ›Junker Blandinus<span class="pagenum"><a id="Seite_168">[168]</a></span> -aus Venetia, was habt Ihr beschafft auf Erden? -Womit habt Ihr die zwanzig Jahre, seit Ihr Hosen tragt, -ausgefüllt?‹ Ihr müßtet ja doch vor Scham in die Erde -sinken (wenn sie noch da wäre!), könntet Ihr nur sagen: -›Den Mädchen bin ich nachgelaufen – und noch dazu oft -sonder Erfolg!‹«</p> - -<p>»Ihr … Ihr habt nicht Unrecht, glaub ich,« sprach -zögernd Blandinus, mit niedergeschlagenen Augen, – »ich -will's befolgen.« – »Wollt Ihr? Das ist recht! Morgen -zieht einmal mit mir aus wider die tollen Bauern. Ich -stehe Euch dafür: der Mann findet ganz gehörig zu reiten, -zu fechten und zu trinken, der auf Kampf und Abenteuer -zieht mit Fulko von Yvonne.«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IV.</h3> - -<p>In der diesem Abend folgenden Nacht sprengte auf der -Heerstraße von dem Südthor flußaufwärts ein ungeduldiger -Reiter; immer wieder trieb er den ohnehin wacker ausgreifenden -Braunen zu rascherem Lauf an. –</p> - -<p>Die Höhen gegen Randersacker hin, auf denen heute -ein edler Trank gewonnen wird, überzog damals noch -dichtes Gehölz: im Unterschied von dem »Königswald« -auf dem linken Ufer hieß es der »Grafenwald«: denn es -gehörte zu dem Amtslehen des Grafen des Waldsassengaues. -Etwa eine Stunde oberhalb der Allmänndewiese -bog von der breiten Heerstraße ein schmaler Reitweg links -nach Osten ab und schlängelte sich durch das buschige Gelände -bis zu der Höhenkrone mit ihrem finstern Urwald -hinan. Diesen engen Pfad schlug der nächtliche Reiter ein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_169">[169]</a></span></p> - -<p>Er mußte der Örtlichkeit genau kundig sein: denn nicht -eben leicht war durch Weißdorn- und Hartriegelgesträuch -der schmale Streif des Weges zu verfolgen. Freilich warf -der Mond, bereits über den Höhenzug emporgestiegen, von -Osten her sein phantastisches Licht auf die Abhänge gen -Westen, auf die Heerstraße und den silbern glitzernden, -ruhig ziehenden Fluß.</p> - -<p>Allein der Wind trieb unablässig ziehend Gewölk über -die noch nicht gefüllte Scheibe, so daß das wechselvolle Licht, -geraume Zeit völlig versagend, dann wieder plötzlich auf -kurze Weile grell und blendend vorbrechend aus den schwarzgrauen -Wolkenflügen, vielfach mehr störte als förderte. Alsbald -sah sich der Reiter, wie der Pfad steiler anstieg, genötigt, -abzuspringen und das Roß am Zügel langsam -bergan zu führen: trotzdem stolperte es zuweilen über die -Knorrwurzeln, welche, wie dunkle Schlangen, quer über -den Waldweg liefen. »Gemach, Falk! hübsch bedächtig,« -mahnte er das erschrockene Tier. »Sieh, bei Tage trägst -du mich! bei Nacht, im Dunkel, wie billig, führ ich dich! -Treue um Treue. Erschrick nicht! Das war nur ein -Glühwurm! Aber freilich, es hauset mancherlei im nächtlichen -Tanne, was mit eisigem Grausen auch an die Brust -des Weidmanns rühren mag. Schon mancher zog zu Walde -zur Nacht – kam nicht mit heilen Sinnen wieder daraus -hervor. – Ruhig, Brauner! Das war eine fauchende -Eule – und was da rot leuchtet an dem alten Baumstumpf, -das ist Morschholz. Vorwärts und scheue nicht! -Wir sind nicht auf schlimmem Gang!« Nach einer scharfen -Rechtsbiegung des Pfades ward oben auf der Höhe in -einiger Entfernung ein schwach glimmendes Licht sichtbar. -Dahin zog nun der Weg. –</p> - -<p>Da schlug der Vorderhuf des Pferdes, das sonst ganz -geräuschlos auf das Waldgras trat, an einen Stein: weit<span class="pagenum"><a id="Seite_170">[170]</a></span> -klirrte der helle Ton durch die schweigende Nacht: gleich -erscholl lautes, wütendes Hundegebell von der Höhe her -und in mächtigen Sätzen rannte ein gewaltiges Tier zornmütig -auf die Ruhestörer herab: kaum war es abzuwehren -durch den umgewendeten Speerschaft, welchen der einsame -Wanderer ihm entgegenstreckte. »Giero! Treuer Herdenwart! -kennst du mich nicht mehr?« rief er dabei beschwichtend. -Da stutzte die grimme Rüde, schnob und schnupperte -gegen den Wind und hüpfte gleich danach friedlich und -freundlich an Mann und Pferd hinauf. »Schon gut, du -wachbarer Freund! Besser zu viel Vorsicht als zu wenig. -Nun komm hinauf zu deinem Herrn.« Bald standen nun, -von dem freudig bellenden und meldenden Hunde geführt, -Reiter und Roß auf der Höhe, wo in einer runden, wie -es schien, schon lang bestehenden Waldlichtung an dem Fuß -einer uralten gewaltigen Esche ein schwaches Reisigfeuer -mehr Qualm als Licht verbreitete.</p> - -<p>Neben der Glut lehnte an dem Stamme, hoch aufgerichtet, -ein hagerer Mann in einem Mantel aus Wolfsfellen, -eine ungeheuere Schürstange, wie sie die Köhler -führen, in der Faust; er hatte nach oben geschaut, in den -gerade wieder hervorgleitenden Mond; schweigend, nur mit -leichtem Nicken des grauen Hauptes, begrüßte er den Ankömmling, -der sein Pferd seitab, geschützt vor dem Zug -des Rauchqualms im Südwestwind, an eine junge Buche -band.</p> - -<p>»Nun Rado, kam ich noch zu rechter Zeit?« – Hastig -entflog die Frage. »Du weißt: gleich durft' ich dir nicht -folgen: es war noch zu hell; und der Bischof, der mit -seiner Streifschar zurückkam, noch ganz nah. Ich fürchte, -er erkannte mich, wie damals in Eurem Hof. Gar manchen -Ritt im Zickzack macht' ich noch, meine Spur zu verbergen, -falls er mir einen seiner Reiter nachgesandt hätte.<span class="pagenum"><a id="Seite_171">[171]</a></span> -Und doch – streng schärftest du's ein – mußt' ich die -Stunde einhalten.«</p> - -<p>Der Alte, den Schürbaum weglehnend, nickte.</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Nur zu ziemender Zeit,<br /></span> -<span class="i0">An bestimmter Stätte,<br /></span> -<span class="i0">Geschieht mit Gedeihen<br /></span> -<span class="i0">Weihevoll Werk!<br /></span> -</div></div> - -<p>So der Spruch der Ahnen. Wir haben noch Zeit. -Seht Ihr, Junker Hellmuth, dort rechts vom milden Herrn -Mond das kleine Sternchen? ›Hollespang‹ heißt er: und -ist unserer lieben weißen Frau Holle Busenspange. Er -darf nur mehr drei Handbreiten von dem Mondrand abstehen. -So müssen wir noch warten. Und fragt jetzt, was -Ihr noch zu fragen habt: denn</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">wann das Werk begonnen,<br /></span> -<span class="i0">darf es nicht wirren<br /></span> -<span class="i0">Wort und Widerwort.«<br /></span> -</div></div> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>V.</h3> - -<p>»Wie soll ich dir danken, Rado, treuer Rado? Du -erfüllst den letzten heißen Wunsch meines Lebens, der mir -noch übriggeblieben!«</p> - -<p>»Danken? Ihr? Gar nicht! Euer Vater hat mir -vorausgedankt für alle Zeiten. Die vielen Jahre, die ich, -von den Rothenburger Herren ihm als Waffenträger zugeteilt, -ihm dienen durfte in Jagdfahrt und Heerfahrt, – -das waren die besten, die ich gesehen.</p> - -<p>Seit er gestorben, Herr Heinrich Pfaff und ich Hirt<span class="pagenum"><a id="Seite_172">[172]</a></span> -der Burgensen geworden, – wenig Freude habe ich mehr -am Leben. Nur daß ich im Wildwald hausen darf als -Jäger und Köhler – neben der Herden-Hut – das thut -mir wohl in der Seele. – Und wißt Ihr, was mir das -Liebste war an Euerm Vater? Nicht, daß er mir Lohn -und Beuteanteil gab mit vollen Händen, – nein, daß er -sich so gern von mir erzählen ließ von – von den Alten -– Ihr wisset schon! … Und daß er davon vieles glaubte, -was ich von meiner Mutter überkommen. Mein Bruder -Wartold, Großmutter Ute bekreuzen sich dabei, Fullrun ist -zu kindjung und mutwillig. Aber Wartold wird's schon -erleben, – gar bald! – daß ich recht habe. Und daß -auch Ihr, obwohl des Bischofs Lieblingsritter, mir -glaubt … –« – »Manches, Rado! Beileibe nicht -alles! Ich bin ein guter Christ und will es bleiben. Ich -glaube dir von deinen Sachen nur …« »Was Euch -anzieht, was Euch gefällt,« schmunzelte der Alte. »Ihr -werdet nicht bereuen, daß Ihr glaubt: ›reich lohnt Woden -treue Freundschaft,‹« brummte er leis in den grauen Bart. -»Und seht:« fuhr er laut fort, »Eins hat mir – all -diese Monate her! – so gut gefallen von Euch.« – -»Nun?« – »Daß Ihr etwas <em class="gesperrt">nicht</em> gethan, <em class="gesperrt">nicht</em> von -mir verlangt habt!« – »Bin gespannt!« – »Keinen -Minnezauber!« »Rado!« rief der Jüngling und errötete -über und über. – »Nun, ich sage nichts weiter. Aber wer -Euch und – Eine im Winter selbander zur Jagd reiten -sah, – Aug' in Auge! – und Euch jetzt beisammen sieht, -der merkt was. Und doch verlangtet Ihr nicht – wie -so viele – von mir einen Liebeszauber.« »Niemals!« rief -Hellmuth. »Lieber dreimal drüber sterben als ihren keuschen -Willen brechen – durch Zauber!« – »Ja, das eben ist -mein Hellmuth, den ich vom Kind an kenne und seine lichte -Seele: sie ist durchsichtig wie ein klarer Waldquell und<span class="pagenum"><a id="Seite_173">[173]</a></span> -kein trüber Fleck darin. Ihr leidet so schwer.« – »Bald -ist nun ja auch diese Qual zu Ende. – Aber sage, wie -kommt es, daß du, der sonst allzuwenig den Worten der -Priester glaubt, gerade diese Verkündung gleich von Anfang -– lange bevor der Papst durch den Mönch es gebot! -– so gläubig, ja so eifrig, so gierig aufgenommen -hast? Was nur die Allergelehrtesten und Allerfrömmsten -der Kirche ergrübelt hatten … – …« »Hm,« lachte -der Alte. »Und wie lang ist's her, daß die das lehren?« -– »Noch nicht Jahr und Tag.« – »So? – Nun da -weiß ich's etwas länger – so seit vierzig Wintern etwa! -Mich hat's die Mutter gelehrt, als ich meinen ersten Fuchs -geschossen. ›Ei,‹ sagte sie, ›ein wacker Werk. Du hast -Herrn Loges Heer gemindert.‹ ›Herrn Loges Heer?‹ forschte -ich. Und nun hob sie an zu erzählen, was sie von ihrer -Mutter gehört und die wieder von ihrem Ahn. Ich glaube,« -grübelte er vor sich hin, »unsere Sippe wußte es von je.« -»Aber was, was wißt Ihr?« unterbrach Hellmuth ungeduldig. -»Das andre ist mir all gleichgültig: nur das -will ich nun endlich genau wissen, von den letzten Geheimnissen, -was Ihr immer so dunkel angedeutet, wo und -wie …?«</p> - -<p>»Hei, ist so kurz nicht zu sagen. Setzt Euch. Hier! -Ins trockene Eschenlaub. Nehmt die Lederflasche. Der -Wein, den in der Bergleiste Frau Sunna kocht, die heiße -Herrin, ist feurig. Und da – in meinem Netzranzen, -das ist Wildeberfleisch. Und nun gebt acht!« Er trank -einen langen Zug und hob an: »›Heilige und Teufel ringen -dann‹, sagt der Bischof? Mag ja wohl sein! Riesen und -hohe Helfer sagen wir. Die ringen und kämpfen unablässig -miteinander um die Herrschaft der Welt und um -die Seelen der Menschen: so sagt der Bischof, so sage -auch ich. Einst endet die Welt, so sagen wir beide. Aber<span class="pagenum"><a id="Seite_174">[174]</a></span> -wie endet sie? Das weiß der Bischof nicht –: auch der -Papst nicht und der irrsinnig gewordene Arn – schad' -um ihn! den hätten wir als dritten mitgenommen, hätte -ihm nicht die welsche Sonne das Gehirn verbrannt, der -Tod sieht ihm aus den hohlen Augen: ich glaub's nicht, -daß er die Sunnwend noch erlebt! Also Arn, der wußt -es auch nicht: sonst hätte er's doch neulich gesagt. Wir -aber wissen's seit grauer Vorzeit der Ahnen: die Welt geht -unter – freue dich, mein tapfrer Hellmuth! – in einem -ungeheueren herrlichen Heldenkampf, wie er noch nie gestritten -ward auf Erden.«</p> - -<p>Der Ritter sprang auf: »Den kämpf ich mit!«</p> - -<p>Wohlgefällig ruhten die Augen des Alten auf dem -edeln, leuchtenden Antlitz des schönen Jünglings, im Glanze -des von der raschen Bewegung aufflackernden Feuers. -»Das sollst du, mein Liebling, an meiner Seite. Das -eben gönn' ich dir – dir allein – seit Herr Hezilo sich -hat scheren lassen. Den letzten Sieg, den auf dieser alten -Männererde lichte Helden gewinnen gegen dumpfe Unholde, -– <em class="gesperrt">du</em> sollst ihn mit ersiegen helfen.« – »Aber wann? -Wo? Wie?« – »Gemach! Heute will ich das selbst erst -erkunden. Deshalb hab' ich dich heute nacht hierher beschieden. -Aber noch ist's nicht an der Stunde. Schau -hinauf – Hollespang steht noch zu weit rechts.« »Ich -erinnere mich,« sprach der Junker nachdenkend. »Ja, ja! -Von einem Kampfe, der dem Gericht vorangehen wird, -sprach auch einmal einer der Dompriester. Aber da müsse -– als Führer der Frommen – zuvor Elias wiederkommen.«</p> - -<p>»Wer ist der Held? Hab' nie von ihm gehört!«</p> - -<p>»Ein Prophet der Juden. Und werde der gewaltig -streiten.«</p> - -<p>Ziemlich ungläubig zuckte der Alte die breiten Schultern<span class="pagenum"><a id="Seite_175">[175]</a></span> -unter dem Wolfsfell. »Würde mir andern Herzog -küren. Vernimm nun die alte Sage von diesem Kampfe, -wie sie mich die liebe Mutter gelehrt.«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VI.</h3> - -<p>»Einst endet das All, es welket die Welt, wann wilde -Gewalten ruchloser Riesen reißen die kräftigen Ketten, darin -sie gefesselt gute Geister. Und es wollen die Wilden, die -wütigen Wölfe, die dräuenden Drachen sich der Seelen bemeistern -der Menschen.</p> - -<p>In Feuer und Flammen hebt sich ein Buhurd: vom -hohen Himmel steigen, stolz und strahlend wie Sterne, uns -Helden als Helfer herab und auf Erden ringen, rennen -und reiten alle Edeln, die Waffenwerks weise. Wird da -wild ein kühnes Kämpfen, ein arges, entbrennen, wie -nimmer noch Augen ersahen auf Erden. Es hallet ein -Heerhorn, ein gellendes, goldnes, das da wahret der Wächter -des Wegs zu den himmlischen Hallen. Von drüben dumpf -dröhnet der Riesen Ruf: nun treffen die Tapfern in Eil' -aufeinander.</p> - -<p>Es naht eine Natter, ein wütender Wurm, mächtig -aus dem Meer, aus Wogen und Wellen windet und wälzt -er sich in Schlangenschuppen ans steile Gestade: giftigen -Geifer speit er in Sprudeln. Es schwimmt ein Schiff, -schwarz und schrecklich: gräßliche Geister stehen am Steuer, -setzen die Segel, rühren die raschen Ruder: Reihen von -Riesen lädt es ans Land. Krächzend krähet der heis're -Höllenhahn: es heult der Helhund. Der Helwolf hat die -Bande gebrochen: die Fessel fiel, rasend rennt er und<span class="pagenum"><a id="Seite_176">[176]</a></span> -reißt, was er erreicht. Da beben die Berge, da brechen -die Bäume, entwurzelt erdröhnen uralte Eichen und Fichten -im Fall. Es ächzen die Elben, die zottigen Zwerge, unter -den fallenden Felsen. Es birst der blaue Himmel, der -hohe, es birst die Brücke, der reichfarbige Regenbogen, -darauf die Stolzen herabgestiegen. Unter all dem Dröhnen -und Donnern doch dauert der Drang der ringenden Recken: -aus den Fugen fällt die weite Welt, nicht stört das die -Starken im Stürmen: fort fechten sie freudig, unter den -Trümmern noch trotzig einer wankenden Welt.«</p> - -<p>»Fort fechten sie freudig, … unter den Trümmern -noch trotzig einer wankenden Welt –« wiederholte Hellmuth -leuchtenden Auges und drückte fest die Faust um den -Schwertgriff.</p> - -<p>»Es rasen die Rosse der helmfrohen Helden, die wild -wiehernden Hengste, hoch hauenden Hufs: Speere zerspellen: -zerschrotene Schilde, zerhackte Helme, zerbrochene Brünnen -decken dicht die alte Erde, die eine einzige Walstatt wurde. -Aber ach! Allmählich werden die Wilden, die argen -Unholde, Meister der Menschen: es wanken und weichen -die schimmernden Scharen der guten Geister, der hohen -Helfer.</p> - -<p>Und die ermüdenden Menschen mähet und fället furchtbar -der Feinde finsterer Führer, das schwarze Scheusal, der -Rauchriese, ganz gehüllt in Rauch und in Ruß. Auf dem -Rappen rennt er in die Haufen der hellen Helden. Soll -er denn siegen?«</p> - -<p>»Nein,« knirschte Hellmuth, »nicht, solang ich Hand -heben mag.«</p> - -<p>»Da rufen die Recken, die bitter bedrängten, blutend -aus Verch-Wunden, sie rufen um Rettung: ›komm, kehre du -Kühnster der Kühnen, uns, du Waltender, wieder! Was -wichst du von uns? Was weilte dich, Wandrer, im<span class="pagenum"><a id="Seite_177">[177]</a></span> -Walde? Was barg dich im Berge? Siegvater, siehe die -Drangsal der Deinen!‹</p> - -<p>Und horch! Da hallet es hin durch die Himmel! -Gellender gellt das helle Horn: und es läuft durch die -Lüfte wie Rauschen von Raben und ein Jauchzen, ein Jagen -von raschen Rossen! Und siehe, da sauset, im mächtigen -Mantel, im herrlichen Hochhelm, auf dem großen Grauroß, -mit dem spitzigen Speer uns zur Hilfe heran der herrliche -Held: Kaiser Karl, den in hohler Höhle des Berges geborgen -zäher Zauber: verwunschen war er, als wilder Jäger -zu jagen. Aber in äußerster Not nun naht er!</p> - -<p>Der Zauber zerfiel und stolz und strahlend, wie er -weiland gewaltet in hohen Hallen, führt er freudig die -Seinen zum Siege! Und siegen darf an seiner Seite, wer -ihm die Seele selber brachte im Bündnis, im treuen Vertrag, -auf ewig zum Opfer! An seiner Seite darf er die -dräuenden Drachen bestehen im Streite und fällen die Feinde. -Wir siegen! Wir siegen! Es fliehen die Feinde, es weichen -die Wilden. Wohl verbrennt in breitem Brande die alte -Erde. Doch es taucht aus den Tiefen, den nächt'gen, aufs -neue wonniger wieder eine werdende Welt und hoch dann -und herrlich mit dem hehren Helden haus' ich im Himmel -mit allen Edeln immer und ewig.«</p> - -<p>Er sprang auf und hielt inne, mehr verzückt als -erschöpft.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VII.</h3> - -<p>Hellmuth wollte sprechen: – aber der Alte kam ihm -zuvor: »Still! Nun sollt Ihr nicht mehr hören, Ihr sollt -sehen. Schaut hinauf, das Sternlein ist dem Mondrand -nah. Die Stunde kam.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_178">[178]</a></span></p> - -<p>Er bückte sich und hob, nicht ohne Anstrengung, unter -den hohen, mächtig gewölbten Wurzeln der alten Esche eine -Rasenscholle aus: – erst jetzt gewahrte der Jüngling, daß -sie auf drei Seiten eingeschnitten war – und holte darunter -ein Stück Fell hervor: – es war ein Hamsterpelz: – -darin lag gehüllt ein etwa zwei Hände breiter rundlicher -Gegenstand. Der Alte wickelte ihn sorgfältig heraus und -wies ihn dem Überraschten dar: es war eine dunkle, ganz -glatte Metallscheibe in ehernem Rahmen: einen in sich -gerollten Drachen stellte der umrahmende Erzreif dar.</p> - -<p>»Ein Spiegel?« rief Hellmuth erstaunt.</p> - -<p>»Ja! Aber nicht der Eitelkeit: – der Wahrheit. Ein -Zukunftspiegel! In unserer Sippe vererbt von Geschlecht -zu Geschlecht! Alle andere Fahrhabe teilte die liebe Mutter, -als sie zu sterben kam, ganz gleich unter uns beiden -Brüdern. Aber diesen Spiegel gab sie mir voraus! Sie -schickte den Bruder, der so kircheneifrig war, hinaus, griff -unter das Kopfpolster und reichte dies Erbstück mir –, -weil sie wußte, ich würde davon schweigen gegen die Geschorenen. -›Und so haben's,‹ sagte sie, ›die Ahnen gehalten -von Geschlecht zu Geschlecht: immer nur Einem – -dem Treuesten! – haben sie das Erbe der Vorzeit vertraut.‹ -– Und sie lehrte mich auch, wie ich des Spiegels -zu gebrauchen habe. Einst war er wohl zu eigen den drei -seligen Fräulein auf der Karlsburg da unten am Main: -Sankt Kilian soll sie von ihren Herrscherstühlen im Goldsaal -des Schlosses vertrieben und sie verwunschen haben in den -tiefen Ziehbrunnen unten im Burghof. Aber der einsame -Hirt, der im Abenddämmer an der Halde die Ziegen weidet, -hört sie noch manchmal leise singen aus der Tiefe und ein -Sonntagskind mag sie wohl auch in heißester Mittagsschwüle -da oben im hohen Grase des Burghofs überraschen, -wie sie ihr Goldhaar strählen mit goldenem Kamme. Und<span class="pagenum"><a id="Seite_179">[179]</a></span> -ein Urahn von uns hat den Spiegel gefunden, da er einst -hinabstieg in den Brunnen, weil ihn das leise Singen und -Rauschen lockte. Und die Mutter sagte, das Ende der -Welt wird kommen in einer Sommer-Sunnwendnacht. In -der Sunnwendnacht eines Jahres, da am Tage der letzten -Rauchnacht – heilige drei Könige nennen's die Pfaffen -jetzt – also mitten im Winter! – ein mächtig Gewitter -wird aufsteigen über dem Stein zur Mitternachtseite der -Stadt und wird der Blitz schlagen – gerade zu Mittag -– in diese uralte Heidenesche hier.«</p> - -<p>Da erbleichte der Jüngling: »Das ist dies Jahr! Am -Tage der heiligen drei Könige kam ein Gewitter von -Norden und schlug zu Mittag in diese Esche: – ich stand -ganz nah dabei, auf Wölfe pirschend, und sah es.« – -»<em class="gesperrt">Deshalb</em>, nicht weil die Geschorenen es predigen, glaub' -ich an das Ende der Welt, in diesem Jahr, in jener Nacht. -Zwei Stunden vor Mitternacht, so lehrte die Mutter –, -beginnt der Kampf.« – »Gut. Die Stunde weiß ich nun: -– aber wo?«</p> - -<p>»Das zu erfragen kam heute die Nacht: – nach dem -Stand der Gestirne. Nun laßt mich gewähren und schweigt.«</p> - -<p>Und der Alte streifte den geflochtenen Bundschuh von -der linken Sohle, trat barfuß auf die Breitfläche seines -nackten Weidmessers, das er vor sich niedergeworfen hatte, -streifte den Mantel von dem rechten Arm zurück, riß Gras, -Kraut und Erdschollen aus dem Boden neben den Wurzeln -der Heidenesche, streute sie auf sein graues Haar und hielt -den runden Spiegel derart empor, daß die Strahlen des -Mondes schräg hineinfielen, Hellmuth aber wie er selbst -auf die Metallscheibe blicken konnten. Er drehte sich dabei -langsam im Kreise und winkte dem Jüngling, ihm zu -folgen. Lange schwieg er. Zuerst hatte er den Spiegel -gen Norden – nach der Stadt zu – gehalten: man sah<span class="pagenum"><a id="Seite_180">[180]</a></span> -nichts. Dann drehte er ihn gen Westen dem Flusse zu: – -lange hielt er hier inne. Weiter drehte er ihn gen Osten -– nichts zeigte die Scheibe. Endlich wandte er sie gen -Süden, – flußaufwärts.</p> - -<p>Alsbald fuhr er zusammen. »Seht Ihr?« raunte er -leise. »Es zuckt durch meine Hand! Von dorther! Von -Mittag – nein, von Südost also – reiten sie an da -unten – auf der großen Heerstraße!«</p> - -<p>In dieser Richtung jagte der rasche Wind dunkles -Gewölk wechselnd mit Helle über die Mondscheibe hin: – -phantastisch wirre Gestalten: – und demgemäß verdunkelte -und erhellte sich der Spiegel.</p> - -<p>»Schaut!« Dem Alten zuckte und bebte vor Erregung -die starke Hand. »Allen voran der Schwarze! Auf -schwarzem Gaul! Den gilt es, vor allen zu treffen! Und -hinter ihm – seht nur! – die ganze dunkle Schar, zu -Roß, zu Fuß! Schaut wie sie wimmeln und drängen! -Danke dir, Mutter! Nun weiß ich's gewiß! Ich werde -nicht fehlen! In mancher Sturmnacht hab' ich's geschrieen -in die Wolken hinauf: ›Hör' es, Herr Wode oder wilder -Jäger, oder Kaiser Karl oder wie immer du heißest, der -da oben brausend hinfährt über meinem Haupt: ich kämpfe -für dich im letzten Kampfe. Dafür gieb mir Weidmannsheil -und treffende Pfeile.‹ Hoch aus den Wipfeln, lachend, -gleich der Eule, rief er Gewährung hernieder: – nie -fehlte mein Pfeil. So fehle auch ich nicht in seinem letzten -Kampfe.«</p> - -<p>»Noch ich,« sprach Hellmuth ernst. »Merke: keinem -andern als dem Himmelsherrn gelob' ich meine Seele. -Aber in dem Kampf, der – auch die Priester sagen's ja! -– in der Sunnwendnacht gekämpft wird auf Erden gegen -Satan und all sein Heer – den Kampf kämpf' ich mit, -Alter: wir reiten zusammen in die Teufel! Zur rechten<span class="pagenum"><a id="Seite_181">[181]</a></span> -Stunde bin ich da unten – wo der Reitweg abbiegt – -zur Stelle.«</p> - -<p>Und von ihm hinweg schreitend zu seinem Roß, sprach -er zu sich selber: »Das höchste Glück der Welt – es war, -in Edels Arm zu ruhn. Es blieb versagt! Das zweite -ist der Siegeskranz von höchster Ritterschaft: – den will -ich mir ertrotzen. Sankt Georg soll gestehen: ›nie sah ich -Ritter ritterlicher streiten‹ und – noch einmal – jenseit -des Grabes – soll mich Edel müssen krönen.«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VIII.</h3> - -<p>Näher und näher kam der verhängnisvolle Tag der -Sonnenwende, der Johannes dem Täufer geweihte vierundzwanzigste -des Brachmonds.</p> - -<p>Da begaben sich seltsame Dinge vor und in dem Hause -des reichen Kaufmanns, des Kornhändlers Renatus. An -dem klugen Manne rächte sich nun der Christenglaube, den -er nicht aus Überzeugung, den er aus heuchlerischer Selbstsucht -und aus Feigheit angenommen hatte. Und damals -war es nicht wie später mit dem einmal abgelegten Bekenntnis, -also einer einzigen Lüge, abgethan. Wie alle -andern Christen mußte der neugetaufte Jude all' die durch -das ganze Kirchenjahr sich hinziehenden äußeren Bethätigungen -des Glaubens mitmachen vor allem Volk. Täglich -– wo irgend thunlich – mußte er die heilige Messe hören, -alle vorgeschriebenen Fasttage einhalten, die öffentlichen -Aufzüge durch die Stadt mit wallenden Fahnen und Umhertragung -der hölzernen Heiligenbilder begleiten, alle die -vielen anderen Feste mitfeiern, die öffentlichen Gebete einhalten<span class="pagenum"><a id="Seite_182">[182]</a></span> -und mindestens sechsmal im Jahre zur Beichte gehen. -Scharf überwachte die Seelsorge der geistlichen Oberen den -Neugewonnenen, strenger als die Altchristen: und wehe -dem Jüdling, gab irgend seine Lässigkeit Grund, ihn des -Rückfalls zu beargwöhnen!</p> - -<p>So hatte denn auch Renatus viele Jahre lang all diese -Christengebräuche mitgemacht, sorgfältiger noch als andere. -Den Glauben an die Lehre seiner Väter hatte er abgestreift: -der christliche Glaube aber hatte ihn nicht ergriffen, höchstens -hier und da ein Stück christlichen Aberglaubens.</p> - -<p>So hatte sein feiges Herz die Verkündung des nahenden -Gerichtes mit Schrecken erfüllt: zwar glaubte er anfangs -nicht unbedingt daran, wann er aber glaubte, war er der -Verzweiflung nah.</p> - -<p>Und als nun die Entscheidung immer näher herankam, -da wuchs ihm von Tag zu Tag wie der Glaube, so die -Angst.</p> - -<p>Es war der Morgen des dreiundzwanzigsten im Brachmond -angebrochen. Da sah Renatus mit stieren Augen, -wie alles Volk, die vielen Hunderte, die ohne den leisesten -Zweifel felsenfest an das bevorstehende Ende glaubten, sich -in die Kirchen drängten, betend, singend, weinend, heulend -vor Todesfurcht oder vor Gewissensangst. Und er mußte -es erleben, daß auf dem offenen Platze vor seinem Hof, -dem Kornhof, die Leute in dichten Haufen vor einem hochragenden -Holzkreuz sich auf die Kniee warfen, an die -Brust schlugen, das Haar rauften, vorbeigehende Priester -mit Gewalt festhielten, ihnen nochmal zu beichten, ja laut -sich solcher Sünden und Verbrechen anzuklagen, die sie nie -zuvor über die Lippen gebracht.</p> - -<p>Und er sah wie die Männer vorüberschreitenden Mönchen -das Mönchsgewand abrissen, sich darein zu hüllen und so -seliger zu sterben und sicherer vor den Krallen der überall<span class="pagenum"><a id="Seite_183">[183]</a></span> -unsichtbar in der Luft auf die arme Seele bei deren Ausfahren -aus dem Munde lauernden Teufel.</p> - -<p>Und er sah zuletzt, wie, in immer wachsender Herzensangst, -reiche Frauen heraneilten, vor dem hohen Kreuz -ihre Prachtgewande, Schapel, Schleier, Geschmeide von -sich warfen, bis diese Opfergaben der Todesfurcht und -Höllenfurcht zu einem gewaltigen hochgetürmten Haufen sich -aufbauten.</p> - -<p>Und er mußte es mit anhören und mit ansehen, wie -endlich eine Stimme aus der Menge schrie: »Ins Feuer -damit. Laßt uns alle diese Sünden verbrennen.«</p> - -<p>Und alsbald ward der Haufe von Schätzen zum Scheiterhaufen!</p> - -<p>Ein Knecht der nahen Schmiede rannte herzu mit -brennendem Span, andere rissen das Stroh von des Kaufherrn -Scheunendach herunter, brachen Planken und Bretter -aus seinem Zaun, und warfen sie, die Glut schürend, auf -die brennenden Kleider: bald stieg die rote Flamme hoch in -die Lüfte.</p> - -<p>Und nun strömten von allen Seiten Männer und -Weiber herbei, und schleuderten Gewänder, Gerät, Schmuck, -auch bares Geld, Urkunden, Schuldverschreibungen unter -Schreien und Heulen in die gierig fressende Lohe.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IX.</h3> - -<p>Da ergriff es auch ihn mit der ganzen fortreißenden, -ansteckenden Gewalt solch wahnwitzigen Thuns!</p> - -<p>Er sprang mitten in den tobenden Haufen, unter jedem -Arm ein paar vollgestopfte Ledersäcke, gefüllt bis zum<span class="pagenum"><a id="Seite_184">[184]</a></span> -Bersten mit goldenen Solidi, silbernen Denaren, kupfernen -Pfennigen: er schnitt die Säcke mitten durch und ergoß -den klingenden klirrenden Inhalt wie einen metallenen -Regen unter die Leute: ja, zuletzt riß er einen kleinen -Leinensack, den er sorgfältig verwahrt auf der nackten Brust -nachts wie tags getragen hatte jahrzehntelang, von der -Schnur ab, öffnete ihn und streute Perlen und Juwelen -mit vollen Händen unter die Menge: wie blitzten, wie -funkelten die lichten Steine in dem roten Glast der Flamme!</p> - -<p>»Nehmt doch,« schrie er dabei mit scharf ergellender -Stimme. »Nehmt, ihr Leute! Lest auf! Hier Gold! Da -Silber! Hier Smaragden – o schöne Smaragden aus -Askalon! kostet mich der große da … ach ich weiß nicht -mehr, wie viel! Nicht ins Feuer werf ich's, wie die -Närrinnen dort. Wie schlecht verstehen sie sich auf ihren -Seelenprofit! Ich – schau her, Jesus von Nazareth, und -hör' auf mich! – ich schenk es den Armen, zum Heil -meiner Seele! Siehst du's auch wohl genau, Galiläer, -in all dem Qualm? Diamanten sind sogar dabei und -viele blaue Saphire! Ich bin der Schenker, ich, dein -Renatus, du Sohn Gottes! Ich bin wohlthätig gegen -die Armen, ganz wie du es hast befohlen, Rabbi. Ihr -Leutchen, tretet's doch nicht mit Füßen! Kauft euch Brot, -Wein, Fleisch! Siehst du's, Sohn Marias der Jungfrau, -wie ich speise die Hungernden? Hier du, Alter, – wie -bist du zerlumpt! – nimm diesen Topas und kaufe dir -einen Mantel. Schau' her, Stern von Bethlehem und, -du heiliger Geist, seht her wie ich kleide die Nackten. Hab' -ich früher wohl genommen mehr als sechs oder zwölf! – -ach ja! es war manchmal wohl mehr, – vom Hundert, -– ich mach' es jetzt gut millionenfach. – Und, Herr -Christus, hier – schau hier! – bist ja allgegenwärtig, -sagen sie! Hier ist der Auszug aus dem Taufbuch –<span class="pagenum"><a id="Seite_185">[185]</a></span> -weißt du? – aus deiner großen Kirche zu Mainz« – -er riß ein Pergamentblatt aus dem Brustlatz und hielt es -ausgebreitet mit beiden erhobenen Händen gen Himmel: -– »hier! hat's doch geschrieben deines Herrn Bischofs -– nein, Erzbischofs sogar! – eigene Hand: – wie heißt -er doch gleich! Nun, Christus, du mußt es ja wissen! -Willigis heißt er! Dein frommer großer Willigis selbst -hat mich getauft. Ich <em class="gesperrt">bin</em> getauft: ich kann's dir beweisen! -Also mußt du's gelten lassen. Und ich glaube -auch an dich, o ja! Nicht immer hab' ich geglaubt. Aber -heute – jetzt – glaub' ich. Ich zittere, aber ich glaube. -Ich möchte lieber nicht glauben, aber ich muß!«</p> - -<p>Nun wandte er den Blick vom Himmel wieder auf seine -Umgebung: »Was!« schrie er und das dichte, kohlschwarze, -struppige Haar sträubte sich ihm. »Was? Sie nehmen -es gar nicht! Sie bücken sich nicht nach meinen Saphiren! -Sie zertreten – wehe, wehe geschrieen! meine Perlen, meine -weißen Edelperlen, meine Zahlperlen aus Damaskus! Wie! -Ihr stoßt gegen mich mit den Ellbogen? Ihr Undankbaren! -Nehmt doch, gute, edle Herren, schöne Frauen, -nehmt: – wenn nicht für euch – aus Barmherzigkeit -gegen mich, daß ich kann ausrechnen morgen vor dem -Zimmermannssohn, – ach nein, vor dem Sohn Gottes, -dem Messias! – gegen kleinen Wucher großmächtige Wohlthätigkeit -und abziehen von meinem armen winzigen Betrug -zu Frankfurt dieses unsinnig reiche Almosen. Ach wehe! -Sie hören gar nicht auf mich! Sie lassen's liegen – im -Kot! O Christus, ich kann doch nicht dafür, daß sie nicht -wollen? Ich habe <em class="gesperrt">gewollt</em> – Gutes thun.« Da brach -er ohnmächtig auf das Gesicht nieder, Geifer und Schaum -standen ihm vor dem Munde.</p> - -<p>Die tobende Menge, die sein kaum geachtet hatte, würde -ihn zertreten haben: aber da warf sich, aus dem Hofthor<span class="pagenum"><a id="Seite_186">[186]</a></span> -hervoreilend, in den dichtesten Haufen eine hohe Gestalt in -dunklem Gewand: furchtlos sprang sie unter die Rasenden, -ergriff mit beiden Armen des Bewußtlosen Haupt und zog -ihn – ihn aufzuheben vermochte sie nicht – quer über -den Platz und durch das Hofthor, das sie sorgfältig hinter -ihm verschloß. Sie besprengte seine heißen pochenden -Schläfe mit Wasser aus dem nahen Brunnentrog: da -schlug er die Augen auf.</p> - -<p>»Er lebt!« frohlockte die alte Frau. »Er lebt, mein -Isaak, meines Manasse Blut! Gott meiner Väter, ich danke -dir: deine Gnade währet ewiglich! – Zwar wie wird er -rasen übermorgen, wann er sieht, die Welt, Jehovahs weises -Werk, ist nicht untergegangen – denn ich habe nachgelesen -in den Rollen und kann es nicht finden darin und kann -es nicht glauben! – und er hat geworfen all sein Geld -und Gut auf die Straße! Er wird verfluchen sich und -Gott und die Welt, und mich wird er schlagen, grausam -schlagen! Aber! – nun ist er eingeschlafen! – wie schwer -er atmet! – aber verzweifle nicht, mein armer Liebling. -Nun ist es doch gut, daß die alte Mutter – wie hast du -oft gescholten ihre Dummheit! – dir nie hat aufgedeckt -den großmächtigen Schatz, den dein Vater hat vergraben -als Notpfennig tief unter dem alten Birnbaum im Wurzgärtlein! -Das wird dich trösten in deiner Trübsal und -du wirst streichen der alten Mutter Kinn, daß sie dich errettet -von dem Bettel. Und wirst erkennen, daß es nichts -ist mit dem Glauben der Christen und daß sich geirrt hat -der große Bischof in Rom und geirrt hat auch der gute -Herr Bischof hier, als er ihm folgte. Und wirst einsehen, -daß da ist kein anderer Gott als der Gott deiner Väter, -Jehovah ist sein Name, der hat über dich gebracht, wie -einst über Hiob, diese Prüfung zu deiner Läuterung. Verloren -hast du viel Geld, aber zurückgewinnen wirst du<span class="pagenum"><a id="Seite_187">[187]</a></span> -deinen Glauben. Und wirst thun nach dem Rat deiner -alten Mutter und abschütteln von deinen Schuhen den -Staub dieses Landes, wo wir doch immer, ob wir nun -verleugnen unsern Glauben oder ihn bekennen, werden -bleiben Fremdlinge und Verachtete, in diesem wilden Volk -der Gojim, der Waffengewalt, und wirst nehmen den Wanderstab -und wirst mit mir wandern an den Jordan, wo die -Palmen rauschen, und wirst begraben mit frommen Händen -deine alte Mutter am Jordan unter rauschenden Palmen.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Als bald darauf Fulko und Blandinus – denn der -war in den Waffendienst Herrn Heinrichs getreten – mit -einer Schar von bischöflichen Reisigen erschienen, die rasende -Menge auseinandertrieben, und das Feuer, das bereits das -Holzkreuz ergriffen hatte und den Kornhof schwer bedrohte, -löschten, da vernahmen sie aus den geschlossenen Läden des -Judenhauses einen leisen eintönigen Gesang. Sie verstanden -die hebräischen Worte nicht: allein sie lauschten, -tief ergriffen, dieser eigenartigen fremdartigen feierlichen -Weise; der Sinn der Worte aber war:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">»Ich halte treu an meinem Gott:<br /></span> -<span class="i0">Drum leid' ich von den Heiden Spott.<br /></span> -<span class="i0">Jedoch aus Spott und Herzeleid<br /></span> -<span class="i0">Löst mich der Herr zu rechter Zeit.<br /></span> -<span class="i0">Ich bau auf dich, Herr Zebaoth,<br /></span> -<span class="i0">Mein Gott ist stark, mein Gott ist groß<br /></span> -<span class="i0">Und süß ruht sich's in Abrams Schos.«<br /></span> -</div></div> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_188">[188]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>X.</h3> - -<p>Die Sonne dieses Tages neigte sich zur Rüste, die -Wipfel der Buchen des Königswaldes wunderschön vergoldend.</p> - -<p>In tiefster Erregung durchschritt der Bischof nach Erledigung -aller geistlichen und weltlichen Geschäfte – auch -in den Nächten hatte er zuletzt nicht mehr geschlafen – -lange den geräumigen Büchersaal.</p> - -<p>Ein blaues Wölklein von gar süßem Geruch schwebte -kreiselnd durch den Saal und verzog sich langsam durch -das offene Fenster: neben dem mit Urkunden hoch bedeckten -Schreibtisch ruhte auf hohem Erzgestell ein zierlich gearbeitetes -Kohlenbecken, in welchem auf rotglühenden Kohlen -Weihrauch glimmte: der Bischof hatte befohlen, denselben -für den Abendgottesdienst bereit zu stellen.</p> - -<p>Oft und oft ließ er im Wandeln den Blick durch das -Fenster auf den freien Platz, auf den Strom, die Brücke, -die ragende Feste und die Hügelkette im Westen schweifen.</p> - -<p>»Wie schön war sie doch, diese Welt, welche morgen -in Flammen aufgeht!« Er seufzte tief: dann schloß er -fromm: »aber nicht mein Wille, – dein Wille, o Herr, -geschehe!« –</p> - -<p>Supfo trat ein, offenbar, jemand zu melden.</p> - -<p>Rasch schritt Herr Heinrich auf ihn zu: »Berengar, – -nicht wahr?« Der Alte schüttelte schweigend den Kopf. -»Oder doch Nachricht von ihm? Auch nicht! Einer meiner -Boten – es ist der vierte, den ich nach ihm ausgesandt -…?« – »Ritt eben ein; aber er hat Berengar -sowenig gefunden, wie seine drei Vorgänger. Kein Mensch -weiß, wohin die Söldner, in deren Lager er gesucht werden -sollte, sich gewandt haben.« »Es ist auch gleichgültig,«<span class="pagenum"><a id="Seite_189">[189]</a></span> -sprach der Bischof vor sich hin. »Ich wollte nur, er sollte -wissen, daß mich der ganze Plan … Was willst du -aber, Supfo? Du blickst so ernst – wie ich es kaum -je an dir gesehen. Fängst du doch endlich auch an, des -Gerichtes zu gedenken? Es ist wahrlich an der Zeit.« -Aber Supfo schüttelte noch stärker als zuvor das Haupt -und sprach: »Ich melde Besuch, Herr Hezilo.«</p> - -<p>»Habe jetzt nicht Zeit für Besuch und Unterhaltung.« -– »Wird nicht sehr unterhaltend werden, rat' ich.« – -»Wer ist's?« – »Eine Frau. Bittet um eine Unterredung.« -– »Nein doch. Soll anderwärts Unterredung -suchen. Oder vielmehr, sie soll gar nicht Unterredung -suchen, sondern nachdenken über das nahende Ende.« – -»Gerade darüber will sie mit Euch reden.« – »Ah, sich -trösten lassen? Soll <span id="corr189">nachher</span> in die Abendpredigt kommen. -Oder in die Mitternachtsmesse, wie die andern auch. Soll -sich geistlich vorbereiten.«</p> - -<p>»Das eben will sie. Ihr <em class="gesperrt">müßt</em> sie hören, diese Frau: -sie will Euch beichten.« – »Beichten! Dann freilich! -Führe sie herein! – Kennst du sie?« Der Alte hatte -die Frage wohl nicht verstanden; gar eilig war er hinausgehumpelt. -Noch einen friedlosen Gang durch das Gemach: -»Beichte hören! Andrer Sünden würdigen … -im Namen des Heilands den Reuigen, den Büßenden vergeben! -Und ich? Ich selbst! Wer verzeiht <em class="gesperrt">mir</em> im -Namen des Heilands meine Erinnerungen, – die ich nie -gebeichtet, weil ich sie nicht für Sünde hielt, und die mich -auch jetzt noch nicht loslassen? Wer verzeiht mir die -unbereute …?«</p> - -<p>Er brach ab, – mitten im Schritt – mitten im -Wort.</p> - -<p>Er erschrak: er schlug hastig ein Kreuz: denn er glaubte, -sie zu erkennen, die Frauengestalt, die ganz geräuschlos über<span class="pagenum"><a id="Seite_190">[190]</a></span> -die Schwelle geglitten war, hart an der Thüre stehen blieb -und nun den langfaltigen dunklen Schleier zurückschlug. -»Hilf, Sankt Kilian!« flüsterte er, während ihm das Blut -heiß vom Herzen in die Wangen schoß. »Es ist ein Blendwerk -des Versuchers. Ach, gut kennt er die Schwäche -meines …« – Lauter sprach er nun: »Es ist ja nicht -möglich!« – »Doch. Es ist. Ich bin Heilfriede.« Unsagbarer -Wohllaut klang aus dieser sanften, lieblichen -Stimme, die wie aus dem Mund einer Verklärten zu -tönen schien. Etwas Verschleiertes, Verhülltes, wie ein stets -im Verborgenen gehütetes Heiligtum lag in der Stimme. -Und verschleiert auch war der Blick dieser sanften, lieblichen -Augen von mattem Blau unter langen, langen blonden -Wimpern: nicht traurig war der Blick, aber so friedlich, -so wehmutvoll befriedet, so weltentrückt!</p> - -<p>In das lichtblonde, leicht gewellte Haar hatte das -häufige Silberweiß nicht das Alter gestreut: die zarte Frau -hatte offenbar das vierzigste Jahr noch nicht erreicht: diese -blassen, weich gerundeten Wangen waren so jugendlich: -nur gar so bleich, so farblos, so nonnenhaft! Der Zug -der Augenbrauen war kaum sichtbar angedeutet durch einen -Halbkreis von Blond: aber die sanfte Weichheit dieses -Antlitzes ward auch von dem bloßen Anschein der Schwäche -weit ferngehalten durch den Ausdruck des kleinen, fein geschnittenen, -aber festgeschlossenen Mundes, der Willenskraft -und lang geübte Willensmeisterung bekundete. Wie sie so -dastand, die schmächtige, nur mittelgroße, zarte Gestalt -in dem grauschwarzen Schleier, im dunkelveilchenfarbenen -Mantel, der das Untergewand völlig verhüllte, glich sie -einem stummen, wunderschönen, seelenbeschwichtenden Heiligenbilde. – – –</p> - -<p>Herr Heinrich war regungslos stehen geblieben, weit von -ihr: er lag völlig unter dem Banne des von ihr ausstrahlenden<span class="pagenum"><a id="Seite_191">[191]</a></span> -Zaubers, dieser rührenden Sanftmut, dieser stillen -Ergebung, dieser heilig verklärten Anmut. Lange, lange -schauten sich die beiden sprachlos an: sie fanden keine -Worte: vor tiefem stillem Weh oder war's vor geheimer -Wonne?</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>XI.</h3> - -<p>Endlich that Herr Heinrich, fortgerissen von der Gewalt -des Gefühls, einen raschen Schritt ihr entgegen: er -hatte ihr die ausgestreckte Hand hinreichen wollen. Allein -mitten in der Bewegung hielt er inne: er ließ den rechten -Arm schlaff herabfallen. »Frau Gräfin …!« brachte -er nun leise hervor, kalt, beinahe feindlich. Grimm und -Erbitterung malten sich auf seinen durchgeisteten, von -Schmerz durchzuckten Zügen: er furchte finster die gewaltige -Stirne.</p> - -<p>Jedoch wie er nun in die sanften Augen der stillen -blassen Frau einen feuchten Schimmer treten sah, der sie -noch schöner und noch viel rührender machte, – da versagte -ihm die Kraft, zu zürnen und in ganz anderem Tone -fuhr er traurig, tief aufseufzend, fort: »Ach wie lang ist's -her, daß wir uns nicht gesehen!« – »Fünfzehn Jahre.« -– »Das ist lang.« – »Ja. Denn es ist das ganze -Leben.« Gegen den Ton dieser Stimme – Herrn Heinrichs -Jugend klang daraus hervor! – gab es nicht Trotz, -nicht Groll, nicht Widerstreben. Er wies mit der Hand -auf den erhöhten Platz an der Wand unter dem dunkelroten -Baldachin. Aber die Frau blieb an der Thüre stehen; -sie sprach nicht. So mußte er aufs neue beginnen. Und -das war so schwer! – Milder hob er an: »Was …?<span class="pagenum"><a id="Seite_192">[192]</a></span> -Was führt Euch zu Heinrich von Rothenburg?« Da richtete -sie die Augen fest auf ihn und sprach mit Nachdruck: -»Zu dem Bischof sendet mich mein Gemahl.« Jäh fuhr -Herr Heinrich zurück: »Ah so! – Freilich! Ich hätte -mir es denken können!« schloß er herb.</p> - -<p>»Gewiß! Ihr konntet nicht annehmen, ich suche Euch -gegen, ohne meines Gatten Willen.« – »Es hieß … -man ließ mir sagen … Ihr wolltet beichten?« – »Ich -will beichten. <em class="gesperrt">Euch</em> will ich, muß ich beichten, keinem -andern. Das sagte ich meinem Mann; und dazu schickt -er mich.« Der Bischof war aufs höchste überrascht: aber -er wollte es um keinen Preis verraten; kühl erwiderte er, -leicht die Achsel zuckend: »Seine Pflicht! – Christenpflicht!« -– »Mich zu <em class="gesperrt">Euch</em> als Beichtiger ziehen zu lassen, zu -<em class="gesperrt">schicken</em>? – Nein, das verlangte keine Pflicht von ihm.« -Herr Heinrich entgegnete nicht. Er strich nur einmal langsam -mit der umgewandten linken Hand über die stolze -Braue: »So beginnet,« sprach er tonlos.</p> - -<p>»Ich beginne damit, zu gestehen, daß ich mir gerade -<em class="gesperrt">Euch</em> als Beichtiger ausgesucht habe nicht nur meinetwillen, -auch – ja mehr noch! – um Euretwillen. – -Nein: die ganze Wahrheit muß gesagt sein: <em class="gesperrt">nur</em> um -Euretwillen habe ich Euch zum Beichtiger ausgewählt und -von meinem Mann erbeten.«</p> - -<p>Jetzt konnte Herr Heinrich sein Erstaunen nicht mehr -verbergen: »Und auch das … das habt Ihr ihm gesagt?« -– »Gewiß.« – »Und er hat …?« – »Er -hat erwidert: ›Ja. Geh zu ihm. Sag' ihm alles. Alles, -was du soeben <em class="gesperrt">mir</em> gesagt. Wenn etwas auf Erden ihm -wohlthun kann und seine Seele retten …‹« »Graf -Gerwalt soll für <em class="gesperrt">seine</em> Seele sorgen!« donnerte der -Bischof sehr zornig. Aber ruhig schloß sie: »›… so wird -es das sein.‹ Also sprach mein Mann.« – »Ich will<span class="pagenum"><a id="Seite_193">[193]</a></span> -nicht hören, was mir Graf Gerwalt sagen läßt – durch -Euch.« – Trotzig schritt er durch den Saal. Geduldig -wandte die Frau das schmale Gesicht so, daß sie ihm -überall hin folgen konnte mit den Augen. –</p> - -<p>»Nicht Er,« sprach sie ganz sanft, »meine Seele spricht -– unter seiner Verstattung – zu Euch. Bald stehen wir -– wie alle – vor dem Richterstuhl des Herrn. Ihr -glaubt doch zweifelfrei daran? Sagt mir das offen, bevor -ich weiterrede. Euch glaub' ich unbedingt darin, wie -– wie in allen Stücken. Nur weil übermorgen <em class="gesperrt">doch</em> -alles klar und offen wird zwischen Eurer Seele und der -meinen – nur deshalb« … hier überflog die bleichen -Wangen ein leiser Hauch von zartem Rot – »konnte ich -mich soweit überwinden. Stehen wir übermorgen vor -Gott? Sprecht: Ja oder Nein? Wenn Nein, bleibt -meine Beichte ungebeichtet.« – »Ja. Habt Ihr nicht all -meine Vorbereitungen in der Stadt gesehen?« – »Ich -treffe soeben erst ein. – O Gott sei Dank für dieses: -Ja!« Sie faltete die Hände und sah nach oben.</p> - -<p>»Ein betender Engel!« mußte der Bischof denken. -»Aber welche Freude in diesen Zügen? – Ihr – ersehnt, -so scheint's, den Tod?« – »Von ganzer Seele!« -– »Lange schon?« – »Seit … seit vielen Jahren.« -– »Und die drohenden Schrecken des Weltbrands?« – -»Ich fürchte sie nicht. Ich segne sie. Sie allein haben -mir diese Stunde gebracht. Das Wort der Erlösung – -ach! nicht nur für mich – so selbstisch bin ich nicht! – -für <em class="gesperrt">Euch</em> – – von bittrem Leid.«</p> - -<p>Vornehm richtete er sich auf zu seiner ganzen Höhe: -»Wer sagt Euch,« fragte er stolz, »daß ich leide oder litt?« -Sie wollte ein rasches Wort erwidern: aber sie erschrak -über ihr eigenes Wort, faßte sich und verbesserte sanft: -»Oder doch von bittrem Groll. Leugnet Ihr auch den?«<span class="pagenum"><a id="Seite_194">[194]</a></span> -»Nein, das wäre gelogen!« lachte er grimmig. »Bin -kein Erzengel, nur ein Mensch, ein Mann. Und bin's -geblieben, auch als ich Priester und Bischof ward.« – -»Nun seht, Herr Bischof, daß Ihr <em class="gesperrt">nicht</em> mit der schweren -Todsünde dieses Hasses, dieses unversöhnten Grolles auf -der Seele vor den allwissenden Richter tretet, deshalb, o -glaubt es mir, Herr Bischof Heinrich, – <em class="gesperrt">nur</em> deshalb -steh ich hier: hört es: nur Eure Seele zu retten.«</p> - -<p>Er schüttelte finster den Kopf: »Das ist keine Beichte. -Habt <em class="gesperrt">Ihr</em> keine Schuld auf der Seele?«</p> - -<p>Aber ohne auf die Frage zu achten, fuhr die Frau in -wachsendem Eifer fort: »Diese Sorge, diese Angst um -Euch hat mich ergriffen von dem Tag an, da ich das -nahende Ende erfuhr: diese Qual um Euer ewig Heil hat -mich rastlos umgetrieben Nacht und Tag. Sie hat mich -– ich bin sonst scheu, wie Ihr vielleicht noch wißt, Herr -Heinrich! – fortgetragen über alle Bedenken – hierher -zu Euch getragen – wie auf Flügeln: die Sorge, die -heiße … Sorge um <em class="gesperrt">Euch</em>. Beichten konnte ich, nachdem -ich meinem <em class="gesperrt">Manne</em> gebeichtet – <em class="gesperrt">das</em> war nicht -leicht! – jedem Priester. Aber <em class="gesperrt">diese</em> Beichte, die ich -<em class="gesperrt">Euch</em> anvertraue – o Gott! – sie soll ja nicht, wie -Beichte sonst, der Beichtenden Seele retten, – sondern die -<em class="gesperrt">Eure</em>! Euch retten und erlösen – bevor der Richter -richtet! – von dem dumpfen Haß und bitteren Groll gegen -meinen Mann und – ach! – gegen mich!« Rasch machte -sie einige Schritte – dann sank sie unter Thränen auf -den vorher abgelehnten Sitz.</p> - -<p>Auch er war tief, mächtig bewegt: die edle Empfindung -dieser reinen Frauenseele hatte ihn erschüttert. Er -trat dicht vor sie hin, schaute scharf auf sie herab und hielt -seine beiden zuckenden Hände fest ineinander geschlossen: -»Graf Gerwalt zu hassen, ihm zu grollen, – prüf' ich<span class="pagenum"><a id="Seite_195">[195]</a></span> -mich – als Christ – im Angesicht des nahen Todes – -dazu hab' ich kein Recht. Wir streiten uns um Zoll und -Brückengeld, – um Grafenbann und Bischofsrecht: – wir -sind beide aus recht hartem Holz – da setzt es denn harte -Stöße. Aber deshalb Haß und Groll? Nein! Er glaubt -im Recht zu sein, wie ich. – Und … das andre? -Das vor fünfzehn Jahren …?«</p> - -<p>Sie seufzte und zog den Schleier vor die Augen.</p> - -<p>»Beim Donnerstrahl, ich kann's <em class="gesperrt">ihm</em> nicht verdenken! -Nicht Freunde waren wir: – nur Waffengenossen, Jagdgefährten, -Bechergesellen – oder Nebenbuhler um Ruhm -und Glanz und Lebensfreude. Daß er die schönste Jungfrau -liebte, die wir – beide – jenseit und diesseit der -Alpen – gesehen, daran that er recht. Und daß er ihre -Hand nahm, als sie ihn vorzog, daran that er wahrlich -nicht unrecht. Also – will ich – nur als Mann, gar -nicht als Priester – fragen – also warum Haß und -Groll gegen – <em class="gesperrt">ihn</em>?« – »Aber gegen <em class="gesperrt">mich</em>, nicht wahr?« -Das brach aus ihrer Brust wie aus dem Felsen der Quell, -wie aus dem Vulkan das Feuer – weil sie <em class="gesperrt">müssen</em>.</p> - -<p>»Ah!« Und mit herzzerreißendem Klageton schlug sie -die Stirn gegen die Holzwand und bedeckte den Kopf mit -den beiden durchsichtigen Händen.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>XII.</h3> - -<p>Aber diesmal erweichte sie ihn nicht, die rührende -Stimme, den grimmen, seit langen Jahren verhärteten -Groll des Mannes. Einen Augenblick noch blieb er vor -ihr stehen mit festverschlungenen Händen: dann wandte er<span class="pagenum"><a id="Seite_196">[196]</a></span> -sich jäh von ihr ab und stürmte in raschen Schritten – -in abgebrochenen Sätzen redend – den Saal auf und -nieder. »Kann es anders sein? – Bedenkt doch! – -Ihr habt es wohl all vergessen – in diesen langen Jahren -– an der Seite des schönen Gemahls? Ich nicht! Ich -war nicht – abgezogen durch neues Liebesglück! – Merkt -auf, ob ich's noch weiß. Und straft mich Lügen – gleich! -– thu' ich Euch unrecht – nur mit Einem Wort. – –</p> - -<p>Jahrelang kannten wir uns – am Hofe der Regentin -… Ihr stets in der hohen Frau Geleit: – auch -ich nur selten fern von ihr. Denn sie hielt viel auf Euch. -Und auch – ein wenig – auf mich. Seit ich zuerst -Euer Antlitz geschaut … – Genug! – Ihr merktet es -bald – leugnet es nicht! – mußtet es merken! Und -nach vielen Monden treuen Werbens – durft' ich annehmen -– durft' ich wenigstens hoffen: … Frau Gräfin: -sagt es offen, wenn es Einbildung eines eitlen jungen -Thoren war. Durfte ich nicht hoffen – ich sei Euch nicht -ganz … o wie sag' ich nur?«</p> - -<p>Er stand jetzt wieder dicht vor ihr.</p> - -<p>Da löste sie langsam die langen, schmalen Hände von -dem Gesicht, wandte ihm voll das blasse Antlitz zu, schlug -die Augen groß auf und sprach mit traurigem Blick: »Ja. -Ihr durftet annehmen, ich liebe Euch. Denn es war die -Wahrheit. Und ich konnte – Ja: mehr! Ich <em class="gesperrt">wollte</em> -es auch nicht – weiter verbergen.«</p> - -<p>»Hei! Das gesteht Ihr also zu? Und doch, und -doch, Verräterin, verraten und verlassen!«</p> - -<p>»O Herr Heinrich …!« – »Nun, beim Zorne -Gottes, der uns morgen richtet! Ist das <em class="gesperrt">nicht</em> Verrat? -Ihr liebtet mich, sagt Ihr? Seltsame Liebe! Sechs -Wochen aus den Augen – für immer aus dem Sinn!« -– »Herr Heinrich – war das Heilfriedens Art?« –<span class="pagenum"><a id="Seite_197">[197]</a></span> -»Nein! Freilich nicht! Gewiß nicht! Ich hätte geeidet -als Euer Eidhelfer und Euer Kämpfer – allein! – gegen -eine Welt von Speeren: – ›Kein steter, kein verlässiger -Herz hat je in Weibesbrust geschlagen.‹ Daher ja die -Verzweiflung! Es war nicht nur der Schmerz um Euch: -– nicht nur Euch, den Glauben an die ganze Menschheit -hab' ich ja verloren. War mir doch bei der Kunde, als -fielen alle Sterne vom Himmel: <em class="gesperrt">Dieses</em> herrliche Geschöpf -– <em class="gesperrt">dieses!</em> – verhehlt mir nicht mehr ihre Liebe. Das -war zu Ostern. Ich ziehe aus in der Regentin Dienst -wider die Wenden. Ich wußte, kehrte ich siegreich zurück -an den Hof nach Regensburg, – die Herzogswürde war -mir zugedacht. Als Herzog wollt' ich um die Hand Heilfriedens -werben. Zu Pfingsten bin ich, sieggekrönt, zurück -und sie – – ist fort und des Grafen Gerwalt Weib. -O pfui! Wie grenzenlos abscheulich!« Und er stürmte -wieder durch den Saal.</p> - -<p>Matt sprach sie, kaum vernehmbar: »Ja. Fort war -sie. – Und war des Grafen Gerwalt Weib. – Wißt Ihr -auch, warum?« »Tod und Verderben!« fuhr er auf. -»Welcher Hohn! Weil sie jetzt – war er doch auch jünger -und schöner! – auf einmal den Grafen Gerwalt liebte!« -Und er blieb wieder hart vor ihr stehen und schoß flammende -Blitze auf sie herab. »Nein,« sagte sie ruhig und -sah ihm voll und fest in die zornigen Augen. »Weil Kaiserin -Theophano befahl.«</p> - -<p>Er taumelte zurück. »Wie? Was? … Und -darum?«</p> - -<p>»O Herr Heinrich,« begann sie liebreich-sanft und beinah -heiter in allem Weh. »Nein, Ihr seid wahrlich nie ein -eitler Mann gewesen, der sich die Gunst der Frauen eingebildet -hätte. Ihr sahet sie ja nicht an vielen von uns, -als sie mit Händen zu greifen war. Und nun vollends<span class="pagenum"><a id="Seite_198">[198]</a></span> -<em class="gesperrt">Sie</em>! Ihr allein merktet nicht, was der ganze Hof wußte.« -– »Aber was denn? Was?« – »Die Kaiserwitwe -Theophano – die wunderschöne Griechin – verwitwet im -sechsundzwanzigsten Jahre – die herrliche, glühende Frau -– sie hat Euch geliebt aus aller Macht ihres Wesens.«</p> - -<p>»Die Kaiserin? Unmöglich!«</p> - -<p>»Und die schöne, stolze, heiße Frau in ihren blauschwarzen -diademgleichen Flechten,« fuhr sie ruhig fort, -»sie entdeckte, der Graf von Rothenburg, der von so vielen -geliebte Held, zeichne vor allen Frauen und Jungfrauen -des Hofes aus das schlichte blonde, arme Edelfräulein von -der Heide, aus dem Lande der Westfalen. Sie konnt' es -nicht begreifen. Sie hatte recht: denn ich begriff auch -nicht, warum? Und deshalb – so dachte sie wohl – -achtet er gar der Frau Kaiserin nicht und sieht nicht ihre -brennende Liebe. Sie war meine Wohlthäterin, die Erzieherin -meiner verwaisten Jugend. Sie ließ mich kommen, -sie öffnete mir ihr Herz. ›Du mußt ihm aus den Augen,‹ -sprach sie, ›blondes Kind. Du mußt ihm unerreichbar -werden. Dann – ist er mein. Du wirst nicht so selbstisch -sein, ihm den Weg an meiner Seite – den sichern Weg -zu höchstem Erdenglanz und Ruhm – zu versperren. Aber -auch <em class="gesperrt">du</em> sollst nicht leiden. Behüte! Graf Gerwalt liebt -dich, ich weiß es. Er ist ein schöner wackrer Mann, ein -Held wie jener. Du wirst sein glücklich Weib. Heinrich -aber – er wird wozu ihn Gott vorausbestimmt hat durch -hohe Gaben –: Regent des deutschen und italischen Reiches -und mein Gemahl.‹ Sie befahl. Ich gehorchte. Durft' -ich, – ich armes Ding! – dem Aufflug des Adlers zur -Sonne im Wege sein?« »Um Gottes willen!« schrie der -Gequälte auf. »Geopfert um meinetwillen?« Und er -warf sich leidenschaftlich vor ihr nieder auf die Kniee.</p> - -<p>Sofort sprang sie auf.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_199">[199]</a></span></p> - -<p>Weit trat sie weg von ihm zur Thüre.</p> - -<p>»Steht auf, Herr Bischof! Sofort: oder ich verlass' -Euch.«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>XIII.</h3> - -<p>Er stand schon wieder.</p> - -<p>Hochaufgerichtet stand er, die geballte rechte Faust auf -die Tischplatte gestemmt, die flache Linke auf das wild -pochende Herz gedrückt, glühendes Rot im Gesicht.</p> - -<p>»Verzeiht, Frau Gräfin … – nein: Heilfriede, vergieb, -daß ich auf die Kniee sank! Ich bin's so sehr gewöhnt, -vor Heiligen zu knieen. Und du – du <em class="gesperrt">bist</em> eine -Heilige! – Und ich blinder, wildherziger Mann habe dich -all diese Jahre … gehaßt? O nein! Ich konnte nicht! -Aber verachten wollt' ich dich und deine Treulosigkeit. ›Die -schöne Verräterin‹ nannte ich dich so gern in meinen -schlummerlosen Nächten. Ach der Spruch:</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">›Nicht Feuer und nicht Gift im Blut<br /></span> -<span class="i0">Schmerzt wie verratne Liebe thut,‹ –<br /></span> -</div></div> - -<p class="noind">er war zu meinem Nachtgebet geworden. O dich verachten -– diese Wollust that so bitter weh! Vergieb mir, Heilfriede! -Kannst du mir vergeben?«</p> - -<p>Sie trat nun langsam von der Thüre wieder in die -Mitte der Halle zurück. »Ich hab' mir's wohl gedacht,« -erwiderte sie traurig. »Ihr kanntet mich doch nicht genug, -an mich zu glauben auch gegen den Anschein. <em class="gesperrt">Ich</em>, Herr -Heinrich, würde nie so an Euch gezweifelt haben.« – -»O sprich, daß du mir verzeihst!« Sie lächelte wehmütig: -– es ließ ihr unendlich schön. »Stände ich hier, wenn<span class="pagenum"><a id="Seite_200">[200]</a></span> -ich Euch nicht vergäbe?« – »Dank!« – »Ist doch kaum -etwas zu vergeben! Daß ein ungestümer Mann, gekränkt -in seinem Stolz von einem Weibe, das ihn aufgab, diesem -nicht gute Beweggründe beilegt, sondern Schwäche in seinen -vorwurfsvollen Gedanken, – das ist wohl so der Lauf -der Welt. Aber <em class="gesperrt">Ihr</em> ahnt nicht, was <em class="gesperrt">ich</em> empfand, als -mich, statt der Nachricht Euerer Verlobung mit der Regentin, -wie ein Donnerschlag die Kunde traf am fernen -Rhein: ›Graf Heinrich von Rothenburg hat der Welt entsagt.‹ -Er!« Hier leuchteten die sonst so mattblickenden -blauen Augen zum erstenmal auf in freudigem Stolz. »Der -allerersten Helden des Reiches einer – mir – so lange -Zeit! – der Erste! Er nahm die Weihen! Ward Priester! -Umsonst, umsonst – so sagt' ich mir – habe ich mein -Herz verleugnet, mein Leben geopfert, ihr und ihm. Weder -die Herrin, vor der ich aus Dankbarkeit zurückstand, noch -Er, dem ich den Weg zu kaiserlichem Glanze bahnen wollte, -hat Vorteil davon! – Ach, in jenen Nächten ist mein -Haar ergraut. Und ich sagte mir doch auch, welches Weh -allein es sein konnte, das den heldenhaften Mann dahin -getrieben, das siegvertraute, das geliebte Schwert sich abzugürten.« -– »Ja, Heilfriede, auch <em class="gesperrt">das</em> that weh.« -»O so vergebt <em class="gesperrt">Ihr</em> mir!« rief sie nun in überraschendem -Ausbruch des Gefühls, »daß ich <em class="gesperrt">Euere</em> Liebe nicht als so -stark erkannt, wie sie es war. Aber seht: darum ließ mir -die Sorge um Eure Seele keine Ruhe! Sollten wir vor -Gott treten – Ihr belastet mit diesem sündhaften, grundlosen -Hasse gegen mich und ich ohne Eure Verzeihung, -daß ich Eure Liebe unterschätzt? Alles, alles sagte ich -meinem wackren Mann in diesen Tagen auf unserer Rückreise -aus Welschland: alles! Und er ließ, ja er hieß mich -dennoch zu Euch eilen.«</p> - -<p>»Ich dank' ihm! Sagt ihm das!« In rascher <span id="corr200">Aufwallung</span><span class="pagenum"><a id="Seite_201">[201]</a></span> -des Edelgefühls kam das hervorgesprudelt. Zögernd -fügte nun der jahrelang genährte Groll hinzu: »Das -heißt: wenn ein Dankeswort von mir bei Graf Gerwalt -gute Stätte findet.«</p> - -<p>»O Herr Heinrich! Ihr habt ihm noch viel, viel mehr -zu danken!«– »Hei ja, gar manchen Span, Streit und -Verdruß! Ein Glück, daß er, seit er diesen Gau erhalten, -immer jenseit der Alpen weilte. Saß er da oben auf dem -Marienberg und ich hier – es wäre wohl Blut geflossen. -So hab' ich mich nur mit seinen Amtleuten herumzuzanken -gehabt. Wo ist er? Wann folgt er Euch nach?« – -»Heute Nacht oder morgen in aller Frühe. Er hat noch -in seinem andern, im Rangau Geschäfte.«</p> - -<p>»Auch über diesen,« schalt der Bischof, »gab es immer -Zank und Hader!« – »Gerade deshalb hat er …! Aber -nein! Ihr würdet mir nicht glauben. Und bevor der -Erfolg eintreten kann, stehen wir alle drei vor Gott. Dort -– auf Wiedersehen, Herr Heinrich!« – »Heilfriede! -Wohin?« – »Nach Haus' – in die Burg – so gebot -mein Gemahl – ihn dort zu erwarten.« – »Gut! Gehorcht -ihm. Aber noch eine Bitte – die letzte im Leben.« -– »Sprecht!« – »Wann nun die letzten Dinge hereinbrechen -– wann die Posaunen erdröhnen der Engel des -Gerichts – dann, Heilfriede, laß uns die Ankunft des -Herrn gemeinsam erwarten. Im Dom, am Hauptaltar, -im Schutz aller heiligen Reliquien, versammle ich, lang -vor Mitternacht, die Gemeinde um mich – so viel der -Gläubigen die Kirche fassen mag. – O Heilfriede, in solch -schirmender Umgebung, an solch heiliger Stätte erwarte -auch du das Ende. Steige rechtzeitig herab von der -Burg und –«</p> - -<p>»Mein Gemahl ist bis dahin sicher hier. Gern wird -er mit mir Euren frommen Vorschlag annehmen. Versöhnt,<span class="pagenum"><a id="Seite_202">[202]</a></span> -befriedet, vereint, Hand in Hand wollen wir dann alle -drei das Ende erwarten … – Und nun noch« – ihre -Stimme zitterte – »Euren Segen, Herr Bischof!« Und -sie beugte demütig vor ihm das bleiche Gesicht.</p> - -<p>Er aber winkte ihr abwehrend mit der Hand. »Wer -bin ich, daß ich dich segne? Der Sünder die Heilige! -Dich <em class="gesperrt">hat</em> der Herr gesegnet aus der Maßen. Selig -sind, die reinen Herzens sind, denn ihrer … ach, <em class="gesperrt">dein</em>, -Heilfriede, ist das Himmelreich!«</p> - -<p>Und der starke Mann brach laut aufschluchzend zusammen -über dem Tisch. »Leb wohl! Auf Wiedersehen am Ende, -Hezilo!« hauchte sie. »Heilfriede! Deine Hand! Nur -deine Hand –« Er sprang stürmisch auf.</p> - -<p>Sie war verschwunden. Wieder lehnte er sich vorgebeugt, -seiner selbst kaum mehr bewußt auf den Schreibtisch.</p> - -<p>Dabei streifte sein langfaltiger Ärmel eines der Pergamente, -es glitt herab von der Tischplatte und fiel gerade -auf das offene Becken der glühenden Kohlen.</p> - -<p>Hastig raffte er es auf, schon war es leicht angebrannt.</p> - -<p>»Kaiser Karls Verleihung!« rief er erschrocken. »Beinahe -…! Nun, und <em class="gesperrt">wenn</em> sie verbrannte?« lächelte er. -»Wie thöricht doch die Gewohnheit macht! Übermorgen -verbrennt sie ja doch! Mit allem was sie mir – dem -Bistum – schenkte. O du unselig Pergament! Durch -deine zierlichen Buchstaben hat mich der Welsche bezaubert, -durch dich hat er mich immer wieder angetrieben, wann -ich nachgeben wollte. Zwar für Sankt Burchhards Recht … -ach nein, nein, es ist ja all nicht wahr!</p> - -<p>Heinrich, gesteh' dir's doch endlich – an <em class="gesperrt">diesem</em> -Tage – selber ein, dir und dem Allwissenden, den du -ja doch nicht täuschen kannst, wie du dich selbst so lange, -so gern getäuscht hast. Die Lust, Land und Leute zu beherrschen,<span class="pagenum"><a id="Seite_203">[203]</a></span> -gegen <em class="gesperrt">ihren</em> Gatten – lauter Sünde hat dich -dabei getrieben! Unheilsurkunde! Hätt' ich dich doch nie -entdeckt! Wärst du doch verbrannt mit allen andern damals -vor vielen Jahren! Oder jetzt verbrannt – in diesen -Kohlen, – eh' ich dich nochmal sehen mußte!</p> - -<p>Dämonisches Geschreibsel!« Zornig zerknitterte er es -in der Rechten. »Wieviel Sünde hast du in mir angerichtet! -Ich hasse dich, ich verfluche dich – nicht erst übermorgen -– gleich sollst du verbrennen! Durch <em class="gesperrt">meinen</em> -Willen! Durch <em class="gesperrt">meine</em> Hand! Und so wie ich dich zerstöre, -so thu' ich von mir – zu Ehren jener bleichen -Heiligen – allen Haß gegen Gerwalt und jedes – jedes! -– sündige Verlangen!«</p> - -<p>Und in fiebernder Erregung, seiner Sinne nicht mehr -mächtig, riß er das zähe Pergament mit den beiden starken -Händen mitten durch und warf die beiden länglichen Streifen -in die glühenden Kohlen.</p> - -<p>Hoch loderte sofort die helle Flamme auf. Mit seltsamer -Lust sah er das noch: dann stürzte er besinnungslos, -ohnmächtig auf den Estrich nieder.</p> - -<p>So fand ihn Supfo, der den schweren Fall gehört hatte -und besorgt herbeieilte.</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_204">[204]</a></span></p> - -<h2 id="Fuenftes_Buch">Fünftes Buch.</h2> -</div> - -<h3>I.</h3> - -<p>Der furchtbare Tag war angebrochen und nahezu abgelaufen -ohne irgendwelche Störung der Ruhe in der -Stadt.</p> - -<p>Das war bei der gewaltigen Aufregung aller Gemüter -nur den weisen und kräftigen Anordnungen zu danken, die -der Bischof schon lange für diese bangen Stunden vorbereitet -und nun ins Werk gesetzt hatte. Unter Supfos -treuer Pflege – er hatte dabei des Steinweins nicht gespart! -– erholte sich die starke Natur Herrn Heinrichs -bald von der Betäubung, in welche ihn der rasche Wechsel -so mannigfaltiger Erregungen gestürzt hatte; er begab sich -noch am Abend zu rechter Zeit in den Dom und waltete -dort seiner heiligen Pflichten.</p> - -<p>Nach durchwachter und durchbeteter Nacht schritt er in -feierlichem Aufzug, gefolgt von seiner ganzen Priesterschaft -und allem Volk, durch die Straßen, zum letztenmal Gott -zu danken, seine Gnade und die Fürbitte der Heiligen anzurufen. -Zwar ward gemeldet, daß räuberische Bauern -auch an diesem Tage selbst noch sich ziemlich nahe der -Stadt gezeigt hätten: – aber auch hiergegen hatte Herr -Heinrich wachsame Vorkehrung getroffen auf den Warttürmen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_205">[205]</a></span></p> - -<p>So war der wunderschöne Sommertag friedlich, feierlich, -erwartungsvoll hingegangen.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Nun deckten bereits blaue Schatten die fernen, waldigen -Höhen an dem Oberlaufe des Flusses, während in der -Stadt auf den Türmen im Umkreis der Mauern die roten -Pechpfannen der Türmer glühten; auch stromabwärts glomm -hier und da ein Licht aus den auf den beiden Ufern verstreuten -Höfen: die Leute wachten in bangem Gebet die -Mitternacht heran.</p> - -<p>Schon damals setzte sich wie heute auf dem rechten -Mainufer die von Süden herziehende große Heerstraße -unterhalb der Stadt gen Norden hin fort: im Osten stieß -sie dicht an die mit Reben bepflanzten Anhöhen; aber links, -gegen den Fluß hin, erstreckten sich in jener Zeit noch -Wiesen und Buschwerk.</p> - -<p>Wonnesam ist und berauschend die laue Mittsommernacht -zu Würzburg und, wie des Lenzes in jenem gesegneten -Mainthal, wird, wer je dort einer Mittsommernacht -genoß, ihrer dankbar gedenken.</p> - -<p>Und diese Nacht, welche da als die letzte ihren weichen -dunklen Schleier werfen sollte auf die Erde, – diese -Nacht war wunderbar vor den andern vieler Jahre! –</p> - -<p>Der Mond stand nahezu voll am Himmel: von den -Osthöhen aufschwebend warf er sein bleiches Licht zauberhaft -auf den Fluß, auf die ragenden Mauern der Burg -im Westen; leichtes fast durchsichtiges Gewölk, von rötlich -gelben Rändern umsäumt, zog manchmal, vom lauen Südwest -getragen, über die leuchtende Scheibe, durch solchen -Wechsel des vollen und des gedämpften Lichts den Reiz -geheimnisvoll erhöhend.</p> - -<p>Jener weiche, warme Südwest – hauchend, als wär'<span class="pagenum"><a id="Seite_206">[206]</a></span> -es Atmen des Himmels – führte auf seinen leisen Schwingen -den wunderbaren, den süß berauschenden, den entzückenden -Duft der Rebenblüte von den Weingärten des Burgbergs, -zumal der Burgleiste über den Fluß nach Nordosten. – -Zur Sonnwend gerade stehen dort die Reben in voller -Blust und ihr Duft ist keinem auf Erden vergleichbar! -Es ist eitel Poesie, süße, feurige, heiße Liebeslust atmende -Poesie, was die trunkenen Sinne da einschlürfen in einer -Berauschung, viel feiner und beseligender als im Trunk des -Rebensaftes selbst.</p> - -<p>Durch jenes Strauchwerk an der Straße und über die -Wiesen hin flogen Leuchtkäfer in reicher Menge, mit ihrem -grünlichen Licht das Phantastische, Ahnungsvolle dieser -halbdunkeln Stunden noch steigernd.</p> - -<p>Das Buschwerk aber bestand zum größten Teil aus -wilden Rosen, die so schön, so starkstämmig, so zahlreich -wie dort im sonnigen Mainthal wohl nirgend mehr gedeihen -auf deutscher Erde.</p> - -<p>Vielfach hatten zwar die Rosen schon abgeblüht: aber -der überaus warme und doch feuchte Sommer hatte an -vielen Büschen eine zweite Blüte hervorgelockt: und der -honigduftende süße Hauch der Wildrose mischte sich hier mit -dem feineren herberen der Rebe.</p> - -<p>Und in den Rosenbüschen schlugen und schmetterten ihr -feurig Lied ungezählte Nachtigallen! So laut, so lustheiß, -so jauchzend in beglücktem Minnewerben! So stark, wie -noch in keiner Nacht dieses Sommers! Es war, als ahnten -die klugen Vögelein, die zwar an den Untergang der Welt -nicht glaubten, daß sie nun bald verstummen mußten für -ein Jahr: und als wollten sie noch einmal aus vollster -Kraft den Wonnejubel der Liebe hinausschmettern in die -blaue, die leise atmende Nacht! –</p> - -<p>All das: das silberne Mondlicht – der laue Wind<span class="pagenum"><a id="Seite_207">[207]</a></span> -– der Reben- und Rosenduft – das heiße, brünstige Lied -der Nachtigall – wirkte zusammen zu einer süßen, weichen -lustvollen Berauschung der Sinne und der Seele. – –</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>II.</h3> - -<p>Der Zauber dieser Stunde befing wohl auch den einsamen -Reiter, der aus dem äußersten flußabwärts vorgeschobenen -Blockhaus der Pfahlbefestigung in raschem Trabe -gegen die Stadt geritten kam.</p> - -<p>Er hatte den Helm abgenommen und ließ die laue -kosende Nachtluft, den schmeichlerischen Wind, der ihm entgegenkam, -frei durch seine dunkeln Locken streichen. Er -hielt nun das schwarze Roß an, sprang ab und führte es -am Zügel: »Still, Orco, tritt sacht auf! Sie dürfen uns -nicht kommen hören, die frommen Frauen, sonst …! – -Ich hielt es nicht mehr aus! Ich mußte! Es riß mich -fort so unwiderstehlich – wie dort der heiße Sang dem -kleinen Vöglein aus der Seele bricht. Diese Nacht! Nie -sah ich ihresgleichen! Du mußt – du mußt mein werden -vor dem Ende. Magst du wollen oder nicht! Aber -du wirst wollen: – wollen <em class="gesperrt">müssen</em>! – denn du liebst -mich! Wie lautete doch das Lied, das ich gestern auf -diese Nacht, auf diese Stunde gedichtet?</p> - -<div class="poem"><div class="stanza"> -<span class="i0">Morgen um die zwölfte Stund',<br /></span> -<span class="i0">Heia, geht die Welt zu Grund!<br /></span> -<span class="i0">Doch nicht eh' bis Minnegard –<br /></span> -<span class="i0">– Leib und Seel'! – mein eigen ward! –<br /></span> -<span class="i0">Diese Nacht,<br /></span> -<span class="i0">Wann Hut und Wacht<br /></span><span class="pagenum"><a id="Seite_208">[208]</a></span> -<span class="i0">Liegt in Betgeheul und Jammer,<br /></span> -<span class="i0">Dann erbrech ich deine Kammer:<br /></span> -<span class="i0">Magst erglühen, magst erblassen, –<br /></span> -<span class="i0">Eher nicht will ich dich lassen<br /></span> -<span class="i0">Bis du mein!<br /></span> -<span class="i0">Dann brich herein,<br /></span> -<span class="i0">Ew'ge Pein!<br /></span> -<span class="i0">Wirft von deinem roten Mund<br /></span> -<span class="i0">Gott mich in der Hölle Schlund:<br /></span> -<span class="i0">Du warst doch mein!<br /></span> -</div></div> - -<p>Aber der liebe Gott wird's selber einsehen, daß ich -nicht anders konnte. Was hat er sie so schön geschaffen -und mich so heiß? Und ich hätte ja ganz gern des -Bischofs Segen dazu erbeten, wenn … Aber halt! Was -ist das? Wer kommt da mir entgegen? Eine dunkle -Gestalt – ein Weib – ganz allein – heute! in dieser -Stunde! – Sie winkt mit der Hand. Bei Sankt Martin -zu Tours! Wahrhaftig – sie ist's! sie selbst. – Minnegardis!« -»Fulko!« schallte es zurück. Und er eilte ihr -entgegen, das Tier nach sich ziehend. Hell trat der Mond -aus Gewölk, da sie sich erreichten. »Geliebte! Du – -hier?« rief er und faßte ihre beiden Hände. »Wen suchst -du?« – »Dich!« – »Aber wie konntest du …?« – -»Ich ahnte, du würdest, <em class="gesperrt">müßtest</em> kommen in der letzten -Stunde der Welt. Ach, ich wußte es!«</p> - -<p>»Woher?« – »Aus meinem eignen Herzen und Verlangen! -Ich erfuhr, du hast Wache in dem Blockhaus da -unten. Da wußte ich, du würdest versuchen, mit List oder -Gewalt zu mir zu dringen, in meine Kemenate bei den -Religiosen. Aber ich wußte auch, es könne dir nicht gelingen.« -– »Ich bin auf dem Weg und mein Schwert …« -– »Wäre nicht nötig gewesen. Ich erwartete dich und -hätte dir den Laden der Kemenate selbst geöffnet.« – -»Nun also!« – »Aber ich sollte ja fort! Der Bischof<span class="pagenum"><a id="Seite_209">[209]</a></span> -ließ mir sagen, er werde mich noch vor der zehnten Stunde -durch die Runde der Wachen abholen lassen in den Dom. -Dreißig Speeren konntest du mich nicht entreißen! Und -darum – o ich sollte wohl vor Scham vergehen! – -darum, weil du nicht zu mir dringen konntest – deshalb, -du geliebter Mann, kam ich zu dir! Drang ich, flog ich -dir entgegen. Denn, wisse das, du heiß Begehrter: ich -liebe dich über alle Maßen. Und nicht sterben will ich, -bevor du das erfahren und gefühlt. Ich muß, ich muß! -Es reißt mich dir entgegen mit unbezwinglicher Gewalt, -so notwendig wie hier die Rose duftet, dort das Vöglein -singt. Dein will ich sein und dir gehören – unscheidbar -Eins in Ewigkeit. Und wird – wie sie lehren – in -der Ewigkeit nicht geküßt und gefreit, – so will ich dich -küssen und kosen in der letzten Stunde, da die Welt noch -steht. Will mich der gütige Himmelsherr drum strafen, – -– so mag er's thun. Ich aber thu', was ich nicht lassen -kann. Ich kam, um dein zu werden, ach nur im Tod: -nicht mit dir zu leben, nur mit dir zu sterben. Ich liebe -dich, komm an dies Herz und fühl's, wie ich dich liebe.« -Und weit öffnete sie beide Arme und stürmisch umschlang -er sie. Und er küßte sie, daß ihr der Atem verging. -»Komm,« – flüsterte er dann – »hier auf der offenen -Heerstraße – man wird dich vermissen – suchen …«</p> - -<p>Ein leichter Sprung und sie waren westlich von der -Straße im dichten Gebüsch: – das kluge Roß sprang -hinterdrein: – er schlang den Zügel um den nächsten -Baum: »Nun, treuer Orco, halt Wacht! und warne, -kommt jemand.« Der Rappe wieherte lustig und nickte -mit dem Kopf, als hab' er alles verstanden. – – –</p> - -<p>Und – nun alles still ringsum … ganz still.</p> - -<p>Der Mond lugte nur selten und schonend durch das -dichte Gebüsch auf die weiche Wiese. Ein Leuchtkäfer flog<span class="pagenum"><a id="Seite_210">[210]</a></span> -über ihre Häupter hin und ließ sich dicht neben Minnegardens -Locken nieder auf das Gras. »Unsre Hochzeitfackel!« -flüsterte er.</p> - -<p>Und der laue Wind trug ganze Wolken Wohlgeruchs -von Rebenblüt' und Rosen ihnen zu.</p> - -<p>Und laut, schmetternd, jubelnd, schlug die Nachtigall -im nahen Busch ihr triumphierend Siegeslied der -Minne. – – –</p> - -<p>Sonst rings alles ruhig um sie und weihevoll: rings -alles still: auch sie sprachen nicht vor eitel Seligkeit und -eitel Liebe. – – –</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Plötzlich wurden die Glücklichen aus ihrer süßen Versunkenheit -aufgestört durch einen dröhnenden ehernen kriegerischen -Ruf.</p> - -<p>Erschrocken fuhr Minnegard auf unter seiner heißen -Liebkosung, strich das gelöste wirre Haar aus den brennenden -Schläfen zurück und rief: »Horch! Was war das? -Die Posaune des Gerichts? Bricht das Ende herein? -Ich fürchte es – nun – nicht mehr. Denn du wardst -mein und höchste Seligkeit. Und nicht den strengen Richter: -Hand in Hand mit dir tret' ich vor ihn hin und jauchze: -›Ja, ich liebe ihn, ewig werd' ich ihn lieben! Strafe mich, -Herr, wenn es Sünde war. Aber ich thät's nochmal!‹«</p> - -<p>»Still, Kind! Laß mich horchen! Richtig. Das – -es ist auch noch lange nicht Mitternacht! – Das ist nicht -die Posaune der Erzengel: – das ist das Wächterhorn -vom Brückenturm. Aber es bläst den Waffenschrei!«</p> - -<p>Er machte sich los aus ihren Armen und lauschte.</p> - -<p>»Horch! In der Runde antworten die andern Türmer. -Es ist der Notruf: ›Feinde!‹ Und schau – dort – in -der Ferne – unweit der Stadt – vor der Sandvorstadt<span class="pagenum"><a id="Seite_211">[211]</a></span> -– flammt Feuerschein auf. Das sind Mordbrenner, -räuberische Bauern.«</p> - -<p>»Wie? In dieser Nacht? Kurz vor dem Ende?«</p> - -<p>»Gleichviel! Es scholl der Waffenschrei: Herr Heinrich -ruft seine Ritter. Nicht vergeblich soll er Fulko rufen! -Auf, mein süßes Lieb, du mein holdes Eigen: – rasch -in den Sattel! So ist's recht! Halte dich an der Mähne! -Hier bin ich schon hinter dir im Sattel. Noch einen Kuß! -Und noch – und noch Einen – den letzten wohl! Und -nun, renne mein Rößlein! Fulko und Minnegard darfst -du tragen aus seliger Lust in seligen Tod.«</p> - -<p>Pfeilschnell sauste das edle Tier durch die Wiesen gegen -die Stadt dahin: es wieherte den schmetternden Trompeten -feurig entgegen.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>III.</h3> - -<p>Es waren noch etwa zwei Stunden vor Mitternacht.</p> - -<p>Im Dome standen der Bischof und seine Geistlichen -und so viele Gläubige, als der Raum zu fassen vermochte, -Kopf an Kopf gedrängt, versammelt: auch in allen andern -Kirchen und Kapellen hatte, nach Anordnung des Bischofs, -nächtlicher Gottesdienst stattgefunden, ein paar Stunden -nachdem die Vesperfeier vorüber war: auch sie waren -sämtlich überfüllt.</p> - -<p>Zu Hause blieben fast nur die Kranken, die Bett oder -Haus nicht verlassen konnten und oft, aber nicht immer, -ein Pfleger – oder meist eine Pflegerin! – welche die -Pflicht, bei den Siechen auszuharren, höher anschlugen als -den Trost, das Ende in der Kirche, in der schützenden -Nähe der Heiligtümer zu erleben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_212">[212]</a></span></p> - -<p>Nur Eine Ausnahme kam vor: – der Bischof selbst -hatte sie befohlen.</p> - -<p>Die Führer der Thor- und Wallwachen, die er – in -Abwesenheit des Grafen – ordnete, waren am Morgen -vor ihn getreten und hatten ihn gefragt, ob sie nicht mit -ihren Leuten heut, am letzten Tag der Welt, ihr kriegerisch -Werk einstellen und in den Kirchen der Andacht aller -andern sich anschließen dürften?</p> - -<p>Bei Herrn Heinrich hatten auf diese Bitte hin der -Bischof und der Kriegsmann einen scharfen Kampf geführt; -aber der Kriegsmann hatte gesiegt. Er hatte die Stirne -gefurcht und gesprochen: »Nein! Die Landbrenner sind -nah! Jeder auf seinem Posten. Der Bischof vor dem -Altar, der Turmwärter auf dem Turm. Findet uns der -Herr dort, so findet er uns da, wohin wir gehören. Bis -zum letzten Augenblick – die Pflicht des Dienstes, des -weltlichen wie des geistlichen.«</p> - -<p>Mit stillem Kopfnicken hatte er, lange bevor er die -Messe begann – die letzte, die er zu lesen hatte! – von -dem Ankleidezimmer aus die Gräfin mit ihren Frauen die -Steinstufen des Doms hinaufschreiten sehen. »Sie hält -Wort,« sprach er gerührt; den Grafen Gerwalt sah er -noch nicht, er vermißte auch noch Minnegard und Edel: -aber er zweifelte nicht, sie würden rechtzeitig, wie er geboten, -erscheinen.</p> - -<p>Die Messe war gelesen, auch die Predigt zu Ende, in -welcher der Bischof ernst, aber ohne weich zu werden, in -mannhaften tapfern Worten zu seinen Hörern sprach, dem -Feldherrn vergleichbar, der seine Sturmschar ermahnt, dem -sichern Tode kühn entgegenzuschauen. –</p> - -<p>Der Dom hallte wider von dem lateinischen Gesang -der Priester und der Chorknaben, in welchen hin und wieder<span class="pagenum"><a id="Seite_213">[213]</a></span> -die Latein- und Sanges-Kundigen aus der Gemeinde einfielen. –</p> - -<p>Wallend und wogend zogen dichte Wolken des Weihrauchs -durch den von Öllampen und Kienspänen nur schwach -beleuchteten einschiffigen Holzbau: – bloß der Hauptaltar, -wo der Bischof nun segnend stand, strahlte in der Helle -zahlloser Wachskerzen. –</p> - -<p>Da plötzlich schmetterte durch die offene Thür – denn -die Menge der Andächtigen drängte vom Chore durch die -ganze Kirche und auch durch die Thüre hinaus bis auf -die Stufen und auf den Platz vor dem Dom – derselbe -eherne Trompetenschall, welcher das wonneberauschte Liebespaar -aufgeschreckt hatte.</p> - -<p>Auch hier würde wohl die Vorstellung des Posaunentons -des Weltgerichts – heute allen die nächstliegende -– die Menge ergriffen und in dem dichten Gedränge -Schrecken und Entsetzen verbreitet haben. –</p> - -<p>Aber Herr Heinrich kam dem zuvor.</p> - -<p>Sofort erkannte sein an solchen Ruf gewohntes Ohr -die Eigenart dieses Grußes. Er ermaß auch blitzschnell -die Gefahr, welche ein falscher Schreck über die vielen Hunderte, -in engem Raum zusammengepferchten, höchst erregten -Menschen bringen mußte.</p> - -<p>So rief er denn mit seiner lauten Stimme, die gewohnt -gewesen, mit dem Ruf des Befehls das Toben der -Reiterschlacht zu überdröhnen: »Bleibt ruhig, ihr Gläubigen! -Das ist nicht der Beginn des Gerichts! Ich habe -befohlen, mit der Turmtrompete … Hört ihr? Es ist -die Trompete vom Sandturm – jetzt auch vom Brückenturm! -– zu melden, wann sich das Raubgesindel gegen -die Stadt heranzieht. Es sind Brandräuber!«</p> - -<p>Da brach sich durch die Menge vor den Stufen ein -ganz Gewaffneter Bahn – er schob die Bürger, die Frauen,<span class="pagenum"><a id="Seite_214">[214]</a></span> -links und rechts kräftig zur Seite – schon hatte er den -Altar erreicht. »Auf, Herr Bischof! Hier Euer Schwert. -Nehmt! Eure Sturmhaube! Euer Roß steht draußen gesattelt. -Feinde vor der Stadt! Es brennen schon mehrere -Höfe mainaufwärts. Kommt und helft!« Es war Blandinus, -voll glühenden Eifers: Nie war sein schön Gesicht -so schön gewesen, wie es jetzt unter der Sturmhaube -hervorglänzte. »Helft! Rettet! Herr Bischof!« riefen die -Bürger. »Was sollen wir thun?« »Hierbleiben! Beten!« -schrieen die Weiber.</p> - -<p>Aber Herr Heinrich richtete sich auf zu seiner vollen -Höhe, riß das Schwert aus der ihm dargereichten Scheide, -warf diese weg, und, hoch die Klinge schwingend, rief er: -»Fechten sollt ihr! Nicht beten! Eure Stadt, Sankt -Burchhards Weihtum, schirmen! Fallt ihr so, so fallt ihr -schön und büßet manche Sünde. Wie können wir besser -unsre letzte Stunde verleben, als im Kampfe für Sankt -Kilians Heiligtum? Folgt, ihr Bürger Würzburgs, folgt -euerm Bischof! Hinaus vors Thor und wehe den Kirchenräubern! -Sankt Kilian und Sankt Burchhard ziehn euch -voran!«</p> - -<p>Und er stürmte die Stufen des Altars hinab der Domthüre -zu.</p> - -<p>»Sankt Kilian und Sankt Burchhard! Steht uns -bei!« riefen die Krieger und folgten ihm.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_215">[215]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IV.</h3> - -<p>Das kühne Vorgehen des streitbaren Bischofs sollte sich -aber doch gar bald als allzukühn erweisen.</p> - -<p>Zwar die Dienstmannen und Reisigen waren rasch zur -Stelle und folgten sofort eifrig ihrem heißgeliebten Führer: -Blandinus, dem der Befehl in der inneren Stadt übertragen -war, hatte sie rasch gesammelt: aber Hellmuth und -Fulko konnten nicht zur Stelle sein: ihnen hatte ja Herr -Heinrich die gefährlichste Wacht: die in den beiden entlegensten -Blockhäusern des Pfahlhags flußabwärts und -flußaufwärts anvertraut.</p> - -<p>Und das Häuflein, an dessen Spitze jetzt der Bischof -durch das Südthor und die Sandvorstadt sprengte, war -doch nur recht klein: zwanzig Rosse und vierzig Fußknechte: -mehr waren es nicht.</p> - -<p>Die Bürger aber zeigten zwar guten Willen, waren -auch nicht übel gerüstet und in den Waffen geübt. Allein -es währte recht lange, bis sie diesmal in genügender Stärke -beisammen waren und ihrem Bischof hinaus nacheilen -konnten, der sofort mit seinen Dienstmannen allein dem -Feinde entgegengesprengt war.</p> - -<p>Unbewaffnet waren die Burgensen alle – den Canones -und dem Landfriedensrecht gemäß – in den Dom und -in die übrigen Gotteshäuser gekommen: nun mußten sie -erst in ihre oft weit entlegenen Höfe zurück, sich mit Schutz- -und Trutzwaffen zu versehen, meist unter dem Widerstreben, -den Bitten und Thränen ihrer Weiber und Kinder, -die sie im Angesicht des nahenden Gerichts nicht von ihrer -Seite, nicht aus dem Hause, am wenigsten vor das Thor -hinaus zum Gefecht ziehen lassen wollten.</p> - -<p>So sammelten sie sich heute nicht, wie herkömmlich war,<span class="pagenum"><a id="Seite_216">[216]</a></span> -an den vorherbestimmten »Schar-Orten«, sondern einzeln, -paarweise oder in ganz kleinen Häuflein, wie sie sich auf -dem Wege zu der Sandvorstadt zufällig gefunden, trafen -sie vor dem Südthor weit, weit hinter dem Bischof auf -der Heerstraße oder auf der Allmännde ein, die nun gar -bald zum Schlachtfeld werden sollten.</p> - -<p>Bevor wir aber dieses betreten, müssen wir nachholen, -was auf demselben unmittelbar vorher sich begeben hatte.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>V.</h3> - -<p>Um dieselbe Zeit, da nördlich der Stadt Frau Minne -Ritter Fulko und schön Minnegard einander entgegengeführt -hatte, eilte im Süden der Stadt auf der großen -Heerstraße gegen das Südthor zu eine weiße Gestalt.</p> - -<p>Ein lichter Schleier flatterte ihr nach, so hastig schritt -sie: im Glanze des Mondes, den nur selten ziehend Gewölk -verdeckte, leuchtete das freiflutende, hellblonde Haar -– es war aufgegangen: das zusammenhaltende blaue Band -hatte sie bei dem raschen Aufbruch verloren. Sie drückte -den weiten hellgrauen Mantel über der Brust zusammen. -Ihr Auge spähte scharf vorwärts: aber nicht auf die Vorstadt -am Ende der Heerstraße war es gerichtet, sondern -links ab von der Straße, wo, nahe dem Flusse, das -äußerste Blockhaus des Pfahlhags vor dem Südthor ragte.</p> - -<p>»O Gott,« betete die Eilende, »laß mich noch recht -kommen. Nun Ein Wort zu ihm – von ihm! Dann -will ich ja gern in den Dom. Wie spät mag es schon -sein? Ich konnte die Zeit nicht genau erkunden! Wartete -ich länger, mußte ich in Begleitung der andern Frauen<span class="pagenum"><a id="Seite_217">[217]</a></span> -gehen und dann mit ihnen gleich in den Dom. Mag es -wohl schon bald Mitternacht sein? Barmherziger Heiland, -o verschiebe die Stunde des Gerichts nur so lang, bis -ich … Du blickst in mein Herz, heilige Jungfrau! Du -weißt, mich treibt nicht sündiger Liebe Verlangen – nicht -an seine Hand will ich rühren! – nie würde ich aus -<em class="gesperrt">solchem</em> Sehnen die scheue Scham überwinden, und zerspränge -mir darüber das Herz in der Brust. Nein! Nicht -nach solchem steht mein Begehren! Ich will ja nur – – – -du weißt, Gott, was ich will. Darum hilf mir! Bald -– bald bin ich ja dort. Sehe ich doch schon das schmale -Thor, das in das Blockhaus führt. Gleich muß der Wiesensteig -links abbiegen hier unten von der Straße … Ah! -Was ist das? Dies Thor …?«</p> - -<p>Sie konnte nicht vollenden.</p> - -<p>Mit Schrecken nahm sie wahr, wie das Blockhausthor, -nach welchem Ziel ihres eilenden nächtlichen Ganges sie -so sehnsüchtig ausgeschaut hatte, sich von innen öffnete und -wie aus demselben auf dem engen Wiesenpfad, der ein -wenig hügelan auf die Heerstraße führte, ein Reiter ihr in -den Weg sprengte.</p> - -<p>»Weh mir – wenn man mich erkennt, anhält, – -aufhält!«</p> - -<p>Sie wankte: sie stützte die Hand auf einen breiten -Grenzstein rechts an der Heerstraße, der hier die Markung -der Stadt von den Äckern des Randahari trennte. -Schon hatte der rasche Reiter die Hochstraße erreicht: ungestüm -jagte er heran – sein Helm glänzte und strahlte -hell im Mondlicht – ein langer dunkler Mantel flog ihm -nach von den gepanzerten Schultern: – sie hoffte, er -werde an ihr vorbeisausen: sie glitt ganz hinter die breite -Steinsäule – schon hörte sie das Schnauben seines Rosses -– schon sah sie … »Ah! Er! Gott ich danke dir!«<span class="pagenum"><a id="Seite_218">[218]</a></span> -rief sie frohlockend und sprang, beide Arme hoch gen Himmel -erhebend, aus ihrem Versteck hervor.</p> - -<p>Heftig erschrak das Roß, aber nicht der Reiter. »Edel!« -rief er, bändigte kraftvoll das scheuende, hochsteigende Tier, -brachte es zum Stehen, sprang nun ab und schritt ihr, -den Zügel in der Hand, entgegen. »Jungfrau Edel« – -in höchstem Erstaunen sprach er – »was thut … was -wollt Ihr hier – allein … zu <em class="gesperrt">dieser</em> Stunde? Was -sucht Ihr?« »Euch!« rief das Mädchen »Nein doch: -<em class="gesperrt">dich</em>, Hellmuth, <em class="gesperrt">dich</em>!« Und beide Hände fest ineinanderringend -ließ sie sich vor ihm auf die Kniee gleiten. »Laß -mich! Nicht deine Liebe such' ich mehr – ich weiß, ich -habe sie verwirkt – aber deine Verzeihung. Ich kann -nicht sterben, kann nicht vor den ewigen Richter treten mit -dieser unverziehenen Schuld auf meiner Seele, der schweren -Sünde der Herzenshärtigkeit, des verstockten Stolzes, der -grausamen Mißhandlung … Ich habe dich gequält … -gepeinigt, ich habe dein stummes monatelanges Flehen um -Verzeihung eines ach! so leichten Fehls, – eines Fehls -aus Liebe! – mit Füßen in den Staub getreten! O es -war so schlecht von mir, so eitel, so sündhaft! Aber sieh: -nun – in der letzten Stunde meines Lebens – lieg' ich, -Edel, die stolze Edel, vor <em class="gesperrt">dir</em> im Staub – nein, laß -mich! Ich stehe nicht auf, bis … Und ich flehe dich -an: verzeihe mir! Verzeihe mir um des Heilands willen, -der, ein Wunder wirkend, dich mir hier entgegengesandt -hat in <em class="gesperrt">dieser</em> Stunde! Ich sprang aus dem Fenster der -Kemenate in den Garten. Ich wußte, wo du zu finden -warst. Ich konnte es nicht mehr ertragen – ich lief dir -entgegen – es schob mich vorwärts wie mit unsichtbaren -Engelshänden: das Wort, das in diesen Tagen unablässig -uns verkündet ward: – ›Bereue! Büße!‹ – es mahnte -mich unwiderstehlich, die schwerste Schuld meines Lebens<span class="pagenum"><a id="Seite_219">[219]</a></span> -zu büßen: die Schuld gegen dich und deine große, deine -rührende Liebe. Ich hätte dich im Blockhaus aufgesucht -vor allen deinen Reisigen und dich dort laut angefleht, wie -hier in der heiligen, nur von Gott erschauten Einsamkeit: -Hellmuth, verzeihe mir!«</p> - -<p>Schon hatte er sie vom Boden aufgerissen. »Edel! -<em class="gesperrt">Ich</em> Euch – ich <em class="gesperrt">dir</em> verzeihen? Nein, vergieb <em class="gesperrt">du</em> mir. -Die Liebe riß mich fort. Doch du kannst das nicht fassen! -Denn was weißt du von Liebe!« »Ich?« – Sie errötete -über und über, wie sie nun mit unendlicher Anmut das -edle langgestreckte weiße Antlitz zu ihm emporhob: es -leuchtete geisterhaft im Glanz des Mondes, umrahmt vom -blonden Haar: – sie richtete einen langen Blick auf ihn -aus den tiefen grauen Augen. – Dann senkte sie die -dunklen Wimpern und fragte: »Was immer Euch in dieser -letzten Stunde der Welt in die Nacht hinausgetrieben hat, -was immer Ihr suchtet – gewiß war's nicht Edel?« – -»Wie durfte ich das wagen? Nein! Den Tod, den -Heldentod in herrlichem Reiterkampf. Denn wisset – von -dorther – von Süden – nahen alsbald furchtbare Feinde.« -»Den Tod? O so laß mich ihn teilen!« rief sie leidenschaftlich -ausbrechend. »Du hast mir verziehen – und du -liebst mich noch immer – ich sehe dir es an: so gewähre -mir die letzte Bitte! Im Leben hat mein sündhafter Stolz -uns getrennt: laß nun im Tode meine Demut uns vereinen. -Vergönne mir, mit dir zu sterben.« Und überwältigt -von allbezwingender Liebe sank sie an seine Brust, -das schmale Köpflein vorwärts beugend wie eine tauschwere -Blume. »Edel! Geliebte! Ist es wirklich? Bist du -<em class="gesperrt">meine</em> Edel?« – »Ja! <em class="gesperrt">Deine</em> Edel! Aber nur im -Tode dein!« Und er küßte sie auf die weiße Stirn: er -wagte es nicht, sie auf die so festgeschlossenen, schmerzumzuckten -Lippen zu küssen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_220">[220]</a></span></p> - -<p>Es war ganz still um dieses Paar; hier sang keine -Nachtigall. –</p> - -<p>Plötzlich schlug an beider Ohr von Süden her ein -schriller gellender Hornruf. »Horch! Was war das?« -rief Edel, erbleichend und sich hoch aufrichtend. Beide -wandten sich nun flußaufwärts nach der Richtung des -Schalles. Alles still. Da flammte in der Ferne rote Lohe -auf. »Der Weltenbrand!« rief Edel. Aber im selben -Augenblick antworteten dem ersten Hornruf zwei, drei -lautere dem Paar erheblich näher. »Nein!« rief Hellmuth. -»Gut kenne ich den wilden Ton! – Das sind wendische -Hörner! Sie blasen den Kriegsruf. Und schau: dort -brennt ein zweites – wie rot! – ein drittes Feuer auf -– dort liegen die Höfe des Randahar – es sind ihre -brennenden Strohdächer. Das sind wendische Plünderer! -Sind ja Heiden, glauben nicht an das Weltgericht. Und -horch nur! Ich meine …« Er warf sich zu Boden -und drückte das Ohr fest auf die harte Heerstraße. Sofort -sprang er wieder auf. »Kein Zweifel. Reiter sprengen -heran! Viele, sehr viele! Die Erde dröhnt von Hufengestampf. -Das sind nicht die himmlischen Heerscharen und -nicht die Teufel der Lüfte. Auf, Edel, rasch! In diese -Hände darfst du nicht fallen.«</p> - -<p>Er hob sie auf das Pferd und schwang sich hinter ihr -in den Sattel. »Wohin? Was willst du thun?« fragte -sie. »Ich warne die Stadt und Herrn Heinrich.« Und -schon jagte der treue Falk sausend zurück nach dem Südthor. -Funken stoben unter seinen klirrenden Hufen aus den -Kieseln der Straße, weithin flog Edels weißer Schleier nach.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_221">[221]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VI.</h3> - -<p>So war es Hellmuth gewesen, welcher zuerst den Turmwart -des Südthors gewarnt und auf die nahenden Feinde -merksam gemacht hatte.</p> - -<p>Er führte die bleiche schweigende Edel in die nahe -Kirche in jener Vorstadt der Heiligen Petrus, Paulus und -Stephanus. Hier, dicht bei dem Südthor, fanden sich -alsbald viele Frauen und Mädchen der Stadt aus den -nächsten Höfen, aus dem Dom und den andern Kirchen -zusammen: denn hier war man sicher, zufrühest Nachricht -von dem Gefecht zu erhalten, sowie den Bischof und die -Seinen bei ihrer Heimkehr zuerst zu begrüßen. Hierher -führte auch Fulko die Geliebte, die er schon außerhalb des -Nordthors vom Rosse gehoben und gar sittsam durch die -von den zusammenlaufenden Bürgern belebten Teile der -Stadt geleitet hatte; bereits vorher war hier aus dem -Dome mit ihren Frauen der beiden Mädchen mütterliche -Freundin, die Gräfin Heilfriede, eingetroffen.</p> - -<p>Als der Bischof das Thor hinter sich gelassen hatte -und nun auf der Heerstraße ungestüm vorwärts sprengte, – -vor ihm mit brennender Fackel Blandinus – da drängten -Hellmuth und Fulko von rechts und von links ihre schnaubenden -Rosse an seine Seite. »Gut, daß ihr da seid. -Willkommen, tapfre Junker, im letzten Gefecht,« rief er -ihnen freudig zu. »Herr Heinrich,« erwiderte Hellmuth, -»wollen wir nicht warten, bis von den Bürgern einige -heran sind?« Höchlich erstaunt, ohne im Vorwärtsjagen -einzuhalten, sah der Bischof zu ihm hinüber: »So redet -Hellmuth vom hohen Horst? Um eine kleine Rotte schlecht -gewaffneter Bauern zu zersprengen …?« – »Herr, es -sind nicht Bauern. Und nicht eine kleine Rotte! Da!<span class="pagenum"><a id="Seite_222">[222]</a></span> -Hört Ihr das Horn? Wenden sind's.« »Gewiß die -Söldner Zwentibolds!« rief Fulko. »Das wolle Gott -nicht!« stammelte der Bischof und erbleichte, … aber -nicht aus Furcht. »Da vorn – rechts – brennt schon -wieder ein Hof!« rief Blandinus mit der Fackel deutend. -»Das ist, mein' ich,« riet Fulko, »das Haus des Zeidlers -Wulfilo, des Nachbars von Frau Ute. Arme Fullrun, wie -mag es dir ergangen sein! Halt, holla! Hier geblieben, -Signor Blandinus!« und er fiel dem Venetianer in die -Zügel, der bei jenem Namen, laut aufschreiend, den Gaul -spornend, nach rechts hin über die Wiesen davonjagen -wollte: »Jetzt heißt's, beisammen bleiben! Wollt Ihr allein -die Wenden schlagen?« »Das Kind wird Gott beschützen,« -pflichtete der Bischof bei, »wir kämen zu spät.« »Da! Da -sind sie schon!« rief Hellmuth. »Jawohl,« lachte Fulko, -das Schwert ziehend. »Jetzt hat sie der Teufel schon da.« -»Weiß Gott, die Wenden!« stöhnte der Bischof dumpf. -»Und wie viele!« rief Fulko. »Jetzt, Freund Hellmuth, -jetzt heißt's fechten.« »Ja! Gott sei Dank! – Das wollen -wir,« antwortete der mit blitzenden Augen. »Wohlan!« -sprach der Bischof. »So mögen sie denn zum letztenmal -auf Erden schmettern, die deutschen Drommeten. Bald -schallen die himmlischen Posaunen darein!«</p> - -<p>Noch nicht gleich kam es zum Zusammenstoß: die -vorausgeschickten Reiter der Slaven jagten zurück, offenbar, -ihrem Führer Meldung zu bringen. Und der Bischof -gebot Halt, seine Fußknechte nachkommen zu lassen. Wie -er das Ganze übersah, mußte er erkennen, daß sein kleines -Häuflein doch in recht schlimmer, aufs höchste gefährdeter -Lage war.</p> - -<p>Was von einer erlesenen Reiterschar gegen einen wenn -auch viel zahlreicheren Haufen schlecht gerüsteter Bauern, -die nur zu Fuß fochten, zu wagen gewesen wäre, das<span class="pagenum"><a id="Seite_223">[223]</a></span> -erwies sich als undurchführbar gegen diese trefflich und -mannigfaltig bewaffneten, zum Teil gut berittenen Soldknechte, -die unter ihrem mit wilder Begeisterung verehrten -Häuptling seit einem Jahrzehnt im Dienste gar vieler -Fürsten auf wendischer, deutscher, welscher, byzantinischer -Erde gefochten und gar oft gesiegt hatten.</p> - -<p>»Der Wende,« rief Fulko »– Gott verdamm ihn! – -versteht den Krieg. Schau, Hellmuth, wie klug benützt er -seine große Übermacht! – Auf wieviele schätzest du sie?« -Hellmuth hob sich hoch in den Bügeln, bog das behelmte -Haupt vor und spähte nach allen Richtungen: »Die links -von uns in den Weinbergen und im Gehölz kann ich nicht -schätzen. Aber da auf der Straße vor uns und rechts in -den Wiesen– das sind eher vier- als dreihundert.«</p> - -<p>»Schau – man sieht es deutlich im Mondlicht! – -hier auf der breiten Straße schart er seine Reiter zusammen, -viele Glieder tief, unsern Anprall abzuwehren.« – »Aber -auch das Umgehen hat er gelernt! Sieh, westlich von der -Straße – über die Wiesen hin – läßt er andere Reiter -vortraben, uns in der Flanke zu fassen.« – »Und wo bleiben -unsere Bürger? Noch gar wenige sammeln sich auf der -Wiese.« – »Und seine Fußknechte,« ergänzte der Bischof, -»und Pfeilschützen schickt er östlich von der Straße in die -Weingärten und in den Buschwald der Höhen, uns von -links zu packen. Ja, von dort könnten sie sich zwischen -uns und die Stadt werfen und uns auch vom Rücken -fassen.« Er gebot den Junkern, hier zu halten, und ritt -langsam voraus, seine vordersten Reiter zu ordnen. »Nun, -die links werden aber nicht viel ausrichten,« meinte -Hellmuth, »bergan, auf den Schmalpfaden zwischen den -Weinbergen. Ein Häuflein entschlossener Männer genügt …«</p> - -<p>»Sind aber immer noch nicht da, auch zur Linken nicht,<span class="pagenum"><a id="Seite_224">[224]</a></span> -die lieben Bürger von Würzburg!« – »Oder doch nicht genug. -Jetzt hab' acht, Herr Heinrich winkt mit dem -Schwerte!«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VII.</h3> - -<p>Der Bischof hatte, jener Dreiteilung der Feinde zu begegnen, -auch von seiner ohnehin so schwachen Schar einen -rechten und einen linken Flügel abzweigen müssen.</p> - -<p>Er sandte Boten über Boten in der Richtung gegen -die Stadt zurück, die Bürger zur Eile zu mahnen und sie, -wie sie einzeln oder in kleinen Häuflein herankamen, jenen -beiden Flanken zuzuteilen. Er gedachte, durch das beste, -alterprobte Mittel deutscher Kriegskunst – seit nämlich die -schwer gepanzerte Reiterei (zuerst in den Ungarnkriegen) -wichtiger geworden war als das alte nur zu Fuß kämpfende -Aufgebot des Heerbanns – gegen alle Feinde: durch das -Ansprengen seiner eng aneinander geschlossenen schwergerüsteten -Ritter und berittenen Heerknappen auf den mächtigen -Streithengsten die Wenden auf der Heerstraße über den -Haufen zu rennen, so durch einen gewaltigen Stoß ihre -Mitte zu durchbrechen und die Schlacht zu entscheiden. -Mit dem alten Feldruf der Deutschen: »Christus! Kyrie -eleuson!« sprengte er, hoch das Schwert schwingend, auf -seinem leuchtend weißen Dänenhengst an der Spitze seiner -Panzerreiter auf die Wenden an und ein.</p> - -<p>Es erging – anfangs – wie er gehofft: die schwächeren -Gäule der Slaven und die geringere Körperkraft ihrer -Reiter hielten den deutschen Ansturm nicht aus: das erste -Glied war sofort überritten, das zweite – in der Mitte<span class="pagenum"><a id="Seite_225">[225]</a></span> -wenigstens – durchbrochen: aber in der dritten Reihe kam -der Anprall zum Stehen.</p> - -<p>Jetzt kreuzten sich deutsches Ritterschwert und slavischer -Streitkolben: das Gefecht stand.</p> - -<p>Und das war sehr schlimm für die kleine Reiterschar, -deren einzige Siegeshoffnung in raschem Niederreiten der -Übermacht bestanden hatte.</p> - -<p>Da ersah Herr Heinrich im roten Licht einer Pechfackel -einen feindlichen Führer in reicher Rüstung mit geschlossenem -Helm, der sich soeben von seinem gestürzten Gaul – Hellmuth -hatte ihn überrannt – los machte und behend auf -ein anderes Pferd schwang, das ihm ein Wende zuführte. -»Vorwärts!« scholl es aus dem Mundloche des Visiers -hervor. »Nieder mit den Deutschen.« Und die Wurflanze -in der Hand wirbelnd ritt er wieder in die vorderste Reihe.</p> - -<p>»Die Stimme kenne ich!« rief Herr Heinrich, spornte -das Roß gegen den Feind, schwang grimmig das Schwert -und schmetterte einen solchen Streich auf den reich vergoldeten -Helm, daß dieser klirrend in zwei Stücke auseinander -sprang. »Berengar!« schrie der Bischof. »Wie -konntest du es wagen? Gegen meinen Befehl …?« – -»Befiehl du deinen deutschen Knechten, nicht mir!« gab er -zurück und hob scharf zielend den Speer zum Wurf.</p> - -<p>Allein da wurden sie getrennt, auseinander gerissen -durch den Stoß einer frischen Rotte Fußvolks, die, auf -den Befehlsruf eines nicht sichtbaren Führers, aus der -vierten Reihe der Slaven mitten auf der Heerstraße mit -gefällten Lanzen vorbrach und die deutschen Reiter sofort -schwer bedrängte. Diese konnten auf der von gefallenen -Pferden und liegenden wie kämpfenden Menschen vollgestopften -Straße nicht mehr vorsprengen, also ihr wirksamstes -Kampfmittel nicht mehr gebrauchen. Und ein Roß der -Bischöflichen nach dem andern brach zusammen: denn die<span class="pagenum"><a id="Seite_226">[226]</a></span> -wendischen Lanzenknechte stießen nicht auf die gepanzerten -Reiter, sondern auf die Pferde. Nur mit äußerster Anstrengung -gelang es Fulko, der sich stets ein wenig vor -Herrn Heinrichs Schimmel hielt, die zahlreichen Speerschäfte -niederzuschlagen, welche dies weithin sichtbare Ziel -vor andern bedrohten.</p> - -<p>Da sprengte Hellmuth, welchen der Bischof entsendet -hatte, Nachricht von seiner rechten Flanke einzuholen, wo -die Wenden auf den Wiesen, nach dem Vordringen ihrer -Hornrufe zu urteilen, erheblich Raum gewonnen, auf die -Straße zurück und meldete: »Nun geht's wieder da drüben! -Es stand schlimm. Aber ein Häuflein Bürger, das eben -eintraf und das ich und Gericho den wendischen Reitern -entgegenwarfen, hat das Gefecht dort gestellt. Jung Gericho -macht seine Sache gut. Allein Übles vernahm ich von -unserm linken Flügel her. Dort scheinen …«</p> - -<p>Er konnte nicht vollenden.</p> - -<p>Denn von eben dort, von Osten her, sprengte Blandinus, -der zu gleichem Zweck entsendet worden war, auf die -linke Seite der Straße: den Helm hatte er verloren, sein -Gesicht war von Blut aus einer klaffenden Wangenwunde -überströmt. »Herr Bischof, wir sind umgangen. Die feindlichen -Pfeilschützen und Fußknechte haben die wenigen -Bürger in den Weinbergen überwältigt. Baumeister Hesso, -der starke, treue Mann, der sie befehligte, ist gefallen: ich -führte die Weichenden zu einem letzten Stoße vor – umsonst -– – mich traf …« Er wankte: Fulko hielt ihn -aufrecht im Sattel.</p> - -<p>Herr Heinrich drückte in bitterem Schmerze die Augen -zusammen: »Zurück? In die Stadt? Nein! Weichen -wir einen Fuß breit, – sind wir verloren und der Feind -dringt mit uns ein. Das soll nicht sein.« – »Nein!« rief -Hellmuth. »Um keinen Preis! Seht, dort hinten schart<span class="pagenum"><a id="Seite_227">[227]</a></span> -sich ein frischer, ein noch stärkerer Haufe Fußvolks zum -Stoße gegen uns. Kommt zuvor! Laßt uns noch einmal -einsprengen, so gut es eben geht, und dabei fallen, das -Gesicht nach vorn!« »Jawohl,« rief Fulko. »Es muß doch -endlich einmal gleich Mitternacht sein. Dann holen die -Englein unsere Seelen hier und die Heiden holt, wie billig, -der Teufel. Drauf und drein, Herr Heinrich! Auf Wiedersehen -im Himmel, Minnegard.«</p> - -<p>Und schon wollte der Bischof, zum Tode bereit, den -Befehl geben zum letzten hoffnungslosen Ansprengen wider -den entgegenstarrenden Lanzenrechen, als plötzlich, wie -durch ein Wunder, das Gefecht völlig umschlug.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>VIII.</h3> - -<p>Denn auf dem rechten Flügel der Wenden – östlich -der Straße – in den Weingärten und von den Waldhöhen -herab ertönte auf einmal wildes, wüstes, verworrenes -Geschrei.</p> - -<p>Freund und Feind stutzte, hielt ein im Kämpfen, wandte -dorthin Augen und Ohren. Und schon stürzten die wendischen -Pfeilschützen und Fußknechte, aufgelöst, in wilder Flucht, die -Höhen herab, auf die Straße, in die rechte Seite der -Ihrigen hinein, brachten diese in volle Verwirrung und -warfen sie mit solcher Wucht auf die Mitte und diese auf -die westlichen Nebenmänner, daß diese über die steile -Straßenböschung hinunter in die Wiesen stürzten.</p> - -<p>»Steht, beim Zrnbog! steht! meine Brüderlein,« schrie -den flüchtigen Pfeilschützen eine schrille Stimme zu. Und -ein Führer, auf schwarzem Roß, in ganz schwarzer Gewandung<span class="pagenum"><a id="Seite_228">[228]</a></span> -und Rüstung, warf sich ihnen entgegen, den Nächsten -über den Haufen reitend, den zweiten an der Schulter -packend und mit eisernem Griffe festhaltend, daß er wohl -stehen mußte. »Steht doch! Es ist ja schon alles gewonnen!« -»Ja, steht, ihr Memmen!« schrie Berengar -herzureitend. »Habt ihr den Teufel gesehen, daß ihr so -lauft?« »Wie? du bist's, Kratochwyl?« rief der auf -dem Rappen. »Bist doch wahrlich kein Feigling! Hab' dir -ja den ganzen rechten Flügel anvertraut! Wer jagt euch -denn so?« »Der Teufel,« keuchte der Wende atemlos. -»Wirklich der Christenteufel – wie der Christenpfaff gesagt -hat. Wir hatten die Bürger vor uns zurückgeworfen -– schon zweimal! – hatten fast schon den Kamm der -Höhe erstiegen, – da plötzlich brach aus dem dichtesten -finstersten Buschwald in unsere rechte Flanke – hoch von -oben herab – ein rasender Riese – nicht gar viele hinter -ihm! – Aber ein Riese! In Wolfsfellen! Das muß der -Teufel selber sein! Unverwundbar! Die Pfeile prallten -von seiner Wolfsschur ab. Er sprang mitten unter uns: -›Hilf, Woden! Woden hilf!‹ schrie er unablässig und bei -jedem Schrei schlug er mit einem fürchterlichen Balken, den -er mit beiden Händen schwang, einen, auch zwei von uns -zu Boden. Da zog ich mein Wurfmesser – du weißt, -ich fehle nicht – und warf's ihm seitwärts in den Kopf. -Es traf: es blieb stecken. Aber er fiel nicht! Vorwärts -sprang er gegen mich und – ich sterbe. Flieh, Zwentibold! -Es ist der Teufel!« Und er fiel um und war tot.</p> - -<p>Zwentibolds geübtes Auge ersah, daß er die Flucht -seines zersprengten rechten Flügels nicht hemmen konnte. -Rasch entschlossen befahl er seinem Mitteltreffen, vorzurücken -und die Fliehenden hinter sich vorüber fluten zu lassen, -wohin sie wollten.</p> - -<p>Er warf einen Blick nach vorn, überzählte die geringe<span class="pagenum"><a id="Seite_229">[229]</a></span> -Schar der deutschen Reiter, fand, daß von den Seinen -immer noch genug in Ordnung standen, sofort vorgeführt -zu werden, und befahl mit gellendem Hornruf den Vorstoß. -Jetzt erst zog auch er den krummen Säbel. »Nun -hat's Sinn, daß auch der Feldherr ficht,« rief er Berengar -zu. »Drauf, meine Brüderlein! Wir sind immer noch -fünf gegen einen. Werft den Bischof dort und seine paar -Reiter und euer ist die reiche Stadt. Plündert sie und -brennt sie nieder!«</p> - -<p>Ein gellendes Geheul – wie von Rudeln hungriger -Wölfe – ward ihm zur Antwort. Vorwärts sprengten -und rannten die Wenden und da die Deutschen, die neue -Wendung erkennend, im selben Augenblick anritten, prallten -beide Scharen sofort zusammen. Gewaltig war der Stoß. -Gab den Deutschen die Wucht der Hengste und der Waffen -großen Vorteil, – voll aufgewogen ward er durch die -starke Übermacht der Wenden. Ein wildes, heißes Ringen -auf der Straße: – nach Osten, die Hügel aufwärts, gab -es kein Ausweichen für die Gäule – so drängte alles -von der Mitte nach Westen gegen den Fluß hin: da -stürzten die Rosse und die Reiter und die Fußknechte der -Wenden, oft, wie Käfer, aneinander zu Klumpen geballt, -in dichten Massen hinunter auf die Wiese. Zwentibold -merkte, daß dort die Seinen schwere Verluste litten; er -bahnte sich den Weg hierher; Berengar war dicht hinter -ihm. Beide ersahen an der Spitze der Deutschen hier -einen Gewaltigen auf weißem Roß, der mit sausenden -Streichen seines langen Schlachtschwerts hoch von oben -herab die Fußknechte wie Mohnköpfe niedermähte. »Der -Bischof!« riefen beide wie aus einem Munde. Und alsogleich -fielen sie beide ihn an.</p> - -<p>»Schaut links, Herr Heinrich!« schrie Hellmuth und -fing mit dem Schild einen sehr starken Säbelhieb Zwentibolds,<span class="pagenum"><a id="Seite_230">[230]</a></span> -während Fulko mit dem Schwert einen Speerstoß -Berengars zur Seite schlug, daß der Schaft zersprang. -Aber da stürzte, von dem Lanzenstoß eines Fußknechts getroffen, -Fulkos Rappe und begrub den Reiter unter sich. -Sofort riß Berengar das Schwert aus der Scheide und -hieb auf Herrn Heinrich ein. Aber der – nun gewarnt -– schwang ausholend mit aller Kraft – denn er war -jetzt sehr zornig! – die Klinge hoch in die Luft und hieb -ihm den Schwertarm samt Hand und funkelndem Schwert -hart an der Schulter, gerade wo er aus der Brünne trat, -so säuberlich ab, als wär' er niemals dort angewachsen -gewesen. Aufbrüllend vor Schmerz schlug der Verstümmelte -rücklings aus dem Sattel.</p> - -<p>Allein nun warf sich Zwentibold auf den Bischof.</p> - -<p>Seines bisherigen Gegners Hellmuth, mit dem er -blitzschnelle funkensprühende Hiebe getauscht, hatte er sich -soeben entledigt, indem er des Gegners Roß durch einen -tückischen Hieb über die Vorderbeine zu Fall gebracht. -»Hierher, Brüderlein! Alle zu Hauf! Auf den Bischof! -Auf den Schimmel!« schrie er.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IX.</h3> - -<p>Und nun wäre Herr Heinrich – bei aller Kraft des -Armes und aller Tapferkeit des Herzens – doch verloren -gewesen. Blandinus, der ihm beispringen wollte, stürzte, -aus nächster Nähe von einem Wurfspeer mitten auf die -Brünne getroffen, aus dem Sattel. Der nächste der -bischöflichen Reiter, der den Schild über seinen Herrn hielt, -ward von Zwentibold über das Gesicht gehauen; und während<span class="pagenum"><a id="Seite_231">[231]</a></span> -Herr Heinrich alle Mühe hatte, sich der raschen -Doppelhiebe des Fürsten zu erwehren, erschaute er die -spitzen Speere von vier Fußknechten gegen sich und sein -schon mehrfach verwundetes Roß gezückt. Er sah den Tod -vor Augen. »O Heilfriede!« dachte er noch, »Gott sei -mir gnädig!«</p> - -<p>Aber da ergellte ein wilder Schrei vieler Feinde von -seiner linken Seite: – er verstand die Worte nicht: – -jedoch auf einmal sah er von der Anhöhe des Weinbergs -zu seiner Linken in gewaltigem Satz auf die Straße herabspringen -eine Hünengestalt – und eine furchtbare Waffe -schmetterte nieder auf das Roß Zwentibolds. »Hilf, -Woden!« scholl es nun ganz nah an seiner Seite, und der -Ankömmling schlug mit einem zweiten Streich den nächsten -Lanzenknecht nieder. Die drei andern ließen zwar noch -nicht ab: sie packten des Bischofs Roß am Zügel und -zielten auf den Reiter mit den Speeren. Aber dem einen -fuhr mit wütendem Gebell ein grauer Wolfshund an die -Kehle und gleichzeitig fielen die beiden andern vor den -hochgeschwungenen Schwertern Hellmuths und Fulkos, die -sich inzwischen unter ihren Gäulen hervorgearbeitet hatten.</p> - -<p>Jedoch auch Zwentibold stand schon wieder, katzenbehend, -auf seinen Füßen und wollte – zum drittenmal -– Herrn Heinrich anfallen. Allein er kam nicht dazu.</p> - -<p>»Halt, Schwarz-Riese: – du bist mein. Hilf, Woden!« -scholl es ihm entgegen und Rado hob den furchtbar wuchtigen -Schürbaum. – Der Slave duckte sich, sprang zurück -und kauerte hinter einem toten Gaule nieder auf den Boden. -»Warte, Langer, du kommst später. Dein Bischof hat den -Vortritt.« So zischend nahm er den Säbel zwischen die -Zähne, riß ein kleines, kaum fingerlanges Messer aus dem -Wehrgurt, faßte das Hornheft mit nur den ersten drei -Fingern der Rechten und warf die dünne Klinge gegen<span class="pagenum"><a id="Seite_232">[232]</a></span> -Herrn Heinrich. Schwirrend, pfeifend durchschnitt sie die -Luft – und traf. Gerade, wo zwischen dem Halsrand -der Brünne und dem Sturzrand der Sturmhaube eine -schmale Lücke klaffte, oberhalb des Schlüsselbeins, drang -die scharfe Spitze in den Hals. Der Getroffene glitt langsam -nach rückwärts aus dem Roß, das Schwert aber ließ -er nicht aus der Faust.</p> - -<p>Hellmuth und Fulko fingen den Sinkenden auf.</p> - -<p>Gleichzeitig aber sprangen Rado und Zwentibold widereinander, -beide in tödlichem Haß, nicht sich zu decken, nur -zu treffen bedacht. – Und beide trafen. Dem Alten hatte -die geschweifte Säbelklinge die dicke Sturmhaube aus dreifachem -Wolfsfell durchschnitten und war noch tief in den -Schädel gedrungen: – dem Slaven aber war die schwarze -Pelzmütze und der schwarze Kopf in Eins zusammengeschlagen.</p> - -<p>Das waren fast die letzten Streiche, die geschlagen -wurden in diesem Gefecht. Denn die Söldner auf der -Heerstraße entscharte der Schreck, als sie den Führer fallen -sahen, dem sie blind in abgöttischem Vertrauen zu folgen -so lange gewohnt waren. Ohne ihn zu kämpfen, waren -sie nicht fähig.</p> - -<p>Zugleich trafen nun von Osten, von den Höhen und -Halden herab, jene Bürger ein, die unter Rados Führung -den rechten Flügel der Wenden zersprengt hatten. Sie -fielen den auf den Wiesen westlich von der Straße -noch im Gefecht mit Gerichos Schar ausharrenden Feinden -in den Rücken und nun floh alles, was noch fliehen konnte -zu Roß und zu Fuß eilfertig flußaufwärts, eifrig verfolgt -von den Siegern.</p> - -<p>Das sah noch Herr Heinrich, den seine Ritter unter -einer alten Eiche, die am Wege stand, gebettet hatten. –</p> - -<p>Er sah's mit strahlenden Augen und faltete die Hände<span class="pagenum"><a id="Seite_233">[233]</a></span> -um den Kreuzgriff seines blutigen Schwertes: »Herr Gott,« -sprach er, »dich loben wir. Sieg! Sankt Burchhards Stadt -gerettet! Nun will ich gerne sterben. – Und seht – seht -dorthin, meine Freunde! Dort im Osten flammt es lohend -auf! Das – das sind die Flammenboten – das sind -die Cherubim des Herrn, der zum Gericht herniedersteigt.«</p> - -<p>»Nein!« jubelte Fulko laut aus voller Brust, mit erhobenem -Schwerte deutend. »Das ist Sonnenaufgang! -Mitternacht muß ja längst vorüber sein! Wir dachten nur -nicht dran im Drang des Kampfes! Vorüber ist der gefürchtete -Tag – und die Welt: – sie steht noch! – Es -war ein Wahn! – Herr Gott, wir danken dir aus tiefster -Seele! Nein, du wolltest sie nicht vernichten, deine alte, -liebe, schöne Welt!« Und er warf sich auf die Kniee und -hob dankend, frohlockend, beide Arme gen Himmel.</p> - -<p>Da fiel der erste Strahl der Sonne über die Höhen -auf sein Antlitz: trillernd stieg aus den Wiesen eine Heidelerche -in den noch grauen Himmel. –</p> - -<p>Und Hellmuth und Blandinus und alle, die nicht die -Wunde hemmte, thaten desgleichen, warfen Schwert, Speer -und Schild von sich, und aus vielen hundert Kehlen in -die dämmernde Morgenfrühe hinauf – deutsch und lateinisch -durcheinander – klang der alte Lobgesang:</p> - -<table summary="Gesang mit Übersetzung"> -<tr> -<td>Gnade, du, nicht in Zeit</td> - <td><em class="antiqua">Nunquam resolvitur,</em></td> -</tr> -<tr> -<td>Nein, in Unendlichkeit,</td> - <td><em class="antiqua">Nunquam revolvitur</em></td> -</tr> -<tr> -<td class="td2em">Immer erneut:</td> - <td class="td2em"><em class="antiqua">Credens in te:</em></td> -</tr> -<tr> -<td class="tdp2">Herr Gott, wir danken dir,</td> - <td class="tdp2"><em class="antiqua">Gratias agimus,</em></td> -</tr> -<tr> -<td>Herr Gott, dich loben wir</td> - <td><em class="antiqua">Gratias canimus</em></td> -</tr> -<tr> -<td class="td2em">Ewig wie heut!</td> - <td class="td2em"><em class="antiqua">O domine!</em></td> -</tr> -</table> -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"> -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_234">[234]</a></span></p> - -<h2 id="Sechstes_Buch">Sechstes Buch.</h2> -</div> - -<h3>I.</h3> - -<p>Prachtvoll ging die Sonne des jungen Tages auf über -dem Mainthal: der Himmel strahlte in wolkenloser Bläue: -auf wieviel Glück und Freude sah er hernieder!</p> - -<p>Viele Tausende von Menschen, die mit Entsetzen, mit -Furcht vor schwerer Strafe durch den allwissenden Richter -die Mitternacht herangewacht hatten, lagen nun auf den -Knieen und priesen, unter strömenden Thränen, die oft von -seligem Lächeln, ja von lauten Jubelrufen unterbrochen -wurden, die Gnade des großen, des barmherzigen Gottes, -der seinen Geschöpfen nach wie vor die süße Lust des Atmens -belassen und vergönnt hatte.</p> - -<p>Wo heute in Würzburg nahe der Brücke der stattliche -»Vier-Röhren-Brunnen« steht, da scharen und verweilen -sich am Morgen und am Abend gar gern die Mägde, -nachdem sie das Wasser in ihre auf dem Rücken getragenen -»Butten« geschöpft haben. Gar oft läuft die Butte -über, weil zwar sie mit Wasser gefüllt ist, aber noch nicht -das harrende Mägdelein mit den Neuigkeiten – meist -nicht so lauterer Art wie Brunnenwasser! – welche ihr -die Nachbarsmagd, die Freundin, zuträgt; oder mit den -Koseworten, die ihr der schon lang hier ihrer wartende -Schatz zu sagen hat.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_235">[235]</a></span></p> - -<p>Damals schon war an derselben Stelle ein tiefer Ziehbrunnen -gegraben, der reichlich Wasser spendete: ein paar -Lindenbäume standen im Kreis um das runde Gemäuer -aus rotem Sandstein herum und in den Ästen eines derselben -war das Holzbild Sankt Kilians, in grellsten Farben -gemalt, unter einem vorspringenden dreieckigen Schutzdach -angebracht.</p> - -<p>Dieser Brunnen und seine schattige und zugleich geweihte -Umgebung war auch damals schon ein Lieblingsort -der Würzburger, die schon damals erstaunlich viel über -sich selbst – und zumal über andere Leute! – zu plaudern -hatten; hier und auf den Stufen, die zu der nahen -Brücke hinanführten, drängten sich die Leutchen zusammen, -wann es etwas zu erzählen gab. Und es gab immer -etwas zu erzählen zu Würzburg, obwohl – streng genommen -– nicht gerade sehr viel dort, in der frommen -und weinfrohen Stadt, sich zu ereignen pflegte.</p> - -<p>Aber heute, – am fünfundzwanzigsten des Brachmondes -des Jahres eintausend, – da gab es allerdings einiges -zu erzählen! Und es ist den Würzburgern von damals -kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie diese Gelegenheit, -sich einmal auszusprechen, sich nicht entgehen ließen, sondern -recht ergiebigen Gebrauch davon machten. Das wichtigste -von allem war ihnen, daß sie überhaupt noch vorhanden -waren; auf diese erfreuliche Thatsache kamen sie -immer wieder zurück.</p> - -<p>Um den Brunnen und auf den Stufen der Brücke und -auf dieser selbst wogte eine mächtig bewegte Menge, Männer, -Weiber und Kinder, Bürger, Geistliche, Mönche, Reisige -des Bischofs – alles durcheinander. Es litt die Menschen -nicht in der Einsamkeit, nicht in den engen Häusern: das -Gemüt, von so gewaltigen, widerstreitenden Eindrücken der -Furcht, des Grauens, der aufatmenden, aufjauchzenden<span class="pagenum"><a id="Seite_236">[236]</a></span> -Erlösung durchzittert, suchte nach dem Ausdruck seines aufs -tiefste erregten Innern. So liefen denn die Leute überall -zusammen und wurden nicht müde zu reden von der überstandenen -Angst, von dem wilden Kampf mit den Wenden, -von der Gewißheit der Errettung. Zumal auf der Mainbrücke -standen die Menschen dicht gedrängt, sahen flußaufwärts -und flußabwärts und hinan zu der ragenden Burg -und freuten sich, daß sie noch lebten, und zeigten einander, -wie schön und freundlich alles sei, die bewaldeten Hügel -und die rebenbewachsenen Gelände und der helle glitzernde -Sonnenschein auf dem lieben alten Main! So schön, -meinten sie wohl, sei's noch gar nie gewesen in der trauten -Heimat. –</p> - -<p>»Nun,« sprach einer der jungen Bürger, – dem alten -Bezzo auf die Schulter klopfend, »gar manchem kamen die -Wenden zum Verderben, aber Euch kamen sie zur Erleuchtung.« -»Und mir zum Glück« rief Gericho, sein Liebchen -um die Hüfte fassend. »Freilich,« lächelte Rosbertha, -sich an ihn schmiegend. »Sonst hätt' der Vater nie eingesehen, -wieviel mehr du wert bist als der dicke Spedilo -mit all seinem Gelde.« »Nun ja,« rief Bezzo gutgelaunt, -»wie konnt' ich glauben, daß mein bester Freund ein solcher -Tropf ist? Wir standen nebeneinander auf der Wiese -gegen die wendischen Reiter: – im ersten Anlauf ritten -sie uns über den Haufen! – ich lag unter einem erstochenen -Gaul, der mich schier zu Tode drückte. Da lief -Spedilo an mir vorbei.« »Nach Hause!« lachte Gericho, -unterbrechend. – »›Hilf mir, Nachbar,‹ keuchte ich, ›hilf -mir hervor. Ich ersticke.‹ Was antwortete mir der Lump? -›Schad' nicht! Erstickt ist auch gestorben.‹ Und lief weiter. -Aber dieser wackre Bursche da – oft gab ich ihm zu Unrecht -harte Namen! – er sah mich von fern, brach sich -Bahn mitten durch die Wenden, riß mich unter dem Roß<span class="pagenum"><a id="Seite_237">[237]</a></span> -hervor, deckte mich mit seinem Leib und – rettete mein -Leben.« »Ja, und Hieb und Stich traf ihn dabei,« klagte -Rosbertha zärtlich. »Bah, Kopf und Herz und auch beide -Arme blieben ganz,« lachte Gericho, umschlang und -küßte sie.</p> - -<p>»Aber sagt,« forschte der Alte, »noch weiß ich immer -nicht – wir standen ja am weitesten rechts ab – wie -kam es denn, daß von links her der alte Rado – gerad' -noch zu rechter Zeit! – den Wenden in die Flanke brach, -mitten aus dem Grafenwald hervor?« »Ja,« erwiderte -Gericho, »das hab' ich auch nur zum Teil herausgebracht -aus den letzten Worten, die er mit Junker Hellmuth – -Gott segne seine Klinge! – tauschte. Als sie den Herrn -Bischof auf den Schild gelegt hatten, kniete Herr Hellmuth -– ich kam gerade dazu – neben dem Alten nieder und -wollte seiner Wunde pflegen. Da sprach der: ›Laßt's gut -sein! Ich fahre zu Ihm! Dem Sieghelfer. Gut hat er -diesmal geholfen. Lange, lange harrte ich auf Euch, -Junker, an der beredeten Stelle, – Ihr kamt nicht –‹« -»Versteh' ich nicht,« meinte Bezzo. – »Versteh's auch -nicht. Aber der Junker verstand ihn; er antwortete: -›Mich führte höhere Pflicht in die Stadt zurück.‹ Und -Rado fuhr fort: ›Plötzlich entbrannte tief unter mir – -auf der Straße, – bald auch neben mir in den Weinbergen -der Kampf. Ich sah – wie wir's vorausgeschaut -– die schwarzen Scharen von Süden gen Norden vorstürmen: -– immer mehr Raum gewannen sie! – Da -lief ich zu den Bürgern, nördlich von mir, die in den -Weinbergen nur noch schwer standhielten, raffte ein Häuflein, -das mir gern folgte, zusammen, eilte mit ihnen in -den Wald und auf Pfaden, die nur dem Luchs, mir und -noch Einem bekannt, führte ich sie den Unholden in Flanke -und Rücken. Und Woden half: er that das übrige.‹«<span class="pagenum"><a id="Seite_238">[238]</a></span> -»Woden!« flüsterte Rosbertha und bekreuzte sich, »den -darf man gar nicht nennen.« – »Der Junker und ich sahen -wohl, daß der Alte dem Tode nahe sei: denn er redete -nun ganz wirr: daß er den Schwarzen, den Rauchriesen -nun doch glücklich erschlagen habe. – Und der Junker -erfüllte die letzte Bitte des Alten, daß er nicht, wie alle -Verwundeten, in die Stadt gebracht werden solle – auch -die Feinde, so hatte der Herr Bischof noch befohlen – -zur Heilung und, falls sie stürben, zur Bestattung: – -sondern vier Bürger trugen Rado auf seinen Wunsch an -den Main hinab unter die alte Rabenesche. Sein grauer -Hund, aus tiefer Wunde blutend, wich nicht von seiner -Seite.«</p> - -<p>»Da schaut!« rief Rosbertha. »Wer fährt dort davon -– gegen das Ostthor hin – in dem Wagen, – dem -leinwandüberzogenen?« »Das ist Isaak, der Jude,« antwortete -Bezzo. »Aber Vater, er ist ja getauft,« mahnte -Rosbertha. – »Bah, scheint nicht geholfen zu haben auf -die Dauer.« »Wieso?« fragte Gericho. »Er fehlte nie -in der Dommesse.« – »Wohl! Aber jetzt – wißt ihr's -noch nicht!« »Nein! Was denn?« fragten viele Stimmen -zugleich. »Heute früh,« erzählte Bezzo, »kam seine Mutter -zu meinem Röschen da –« »Die wackre Frau!« rief das -Mädchen. »Hat mir oft die frühverstorbene Mutter ersetzt.« -– »Und teilte ihr mit, sie und ihr Sohn verließen für -immer die Stadt, ja sogar das Reich. Sie gingen nach -Jerusalem. Ihr Sohn … –« »Er war oft recht -wenig freundlich gegen sie!« schalt Röschen. – »Ja, aber -jetzt sei er ganz lammfromm und so voll Ehrfurcht und -Gehorsam gegen seine alte Mutter! Und die Alte übergab -meiner Tochter eine Schrift: für den Herrn Bischof – es -kann ja niemand zu dem Sterbenden! – darin verschenkt -Renatus seinen Hof in der Stadt und alles, was drin<span class="pagenum"><a id="Seite_239">[239]</a></span> -steht und liegt: aber an wen? Nicht an die Heiligen, -nicht an seine Glaubensgenossen, die Christen! Nein! Der -Herr Bischof soll alles verkaufen und der Erlös soll eine -Stiftung werden zur Unterstützung armer – Juden in -Stadt und Bistum. Da grüßt die Alte nochmal mit der -Hand aus dem Wagen! Nun, gute Fahrt nach Jerusalem!«</p> - -<p>»Ob der Herr Bischof das wohl so ausführt?«</p> - -<p>»Gewiß! Wenn er mit dem Leben davon käme. -Aber …« – »Man sagt, es steht sehr, sehr schlecht!« – -»Ja! Das Messer, das seinen Hals traf, soll vergiftet -gewesen sein. Er muß sterben!«</p> - -<p>»O der arme, brave Herr!« klagte Rosbertha. »Der -herrliche Held!« rief Gericho. – »Seine beiden Junker -pflegen ihn.« – »Und Herr Blandinus.« – »Nein. Der -liegt selber wund danieder.« – »Wo? Im Bischofshause?« -– »Nein! Bei Wartold draußen. Er eilte, sowie der -Bischof zurückgebracht war, dorthin. Der Knecht Wartolds -erzählte es mir, der in die Stadt lief, einen Arzt zu erbitten -von den grauen Mönchen.« »Ja, ja,« lächelte -Röschen. »Der Junker strich immer hinter der runden -Runel drein.« »Blandinus kam eilends, um zu sehen, was -aus ihr geworden,« fuhr Gericho fort. »Als er sie heil -und unversehrt fand, atmete er tief auf und brach zusammen. -Er hat sich in dem Strauß – hätt's ihm nicht -zugetraut! – manchen Hieb und Stoß geholt. Nun liegt -er draußen in dem Gärtnerhaus und die schlimme Runel -pflegt ihn und weint dabei, daß ihr die hellen Thränen -über die dicken Backen laufen und Schnufilo – sonst eben -nicht sein Freund! – leckt ihm die Hände. So erzählte -der Knecht, selbst voll Staunen. Ja, ja! es hat sich gar -manches gewendet mit der Sonne in dieser Sonnwendnacht.«</p> - -<p>»Aber sagt,« fragte Bezzo, »wie konnte es nur geschehen, -daß die Leute in dem Gärtnerhof verschont blieben,<span class="pagenum"><a id="Seite_240">[240]</a></span> -während doch die Wenden … –?« »Da kommt der -alte Wartold selbst!« rief Gericho. »Mit einem großen, -wunderschönen Strauß von Lilien,« sprach das Mädchen. -»Kommt, Vater Wartold, Ihr seid müde. Man sieht's -an Eurem Schritt. Setzt Euch ein wenig zu uns, hier, -auf den Brunnenrand. Wir rücken zusammen. Erzählt uns -doch, wie es Euch ergangen. Ihr seid gar seltsam bewegt.«</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>II.</h3> - -<p>»Dank euch, danke, gute Leute,« erwiderte der freundliche -Greis, mit dem sanften, rosigen Gesicht, vom weißen -Haar umwallt. »Bewegt! Ja, liebe Nachbarn! Welch -Gemüt soll da nicht bewegt sein, bei so wunderbarer -Führung durch den Herrn? Den Bruder hab' ich diese -Nacht verloren und die alte Großmutter: und doch hab' -ich Gott für reiche Gnade zu danken.« »Erzählt, erzählt!« -drängten alle. »Ja, ja,« begann er langsam. »Wunderbar -sind die Dinge verlaufen in dem kleinen taubenumflatterten -Haus. Es war schon fast dunkel geworden, da sprach ich -zur Großmutter: ›Mutter Ute, gebt mir Urlaub, mir und -dem Kind Fullrun.‹ ›Wohin, mein Sohn?‹ fragte sie. ›Die -Stunde des Gerichtes naht. Wir wollen sie doch miteinander -erwarten und erleben.‹ ›Gewiß!‹ tröstete ich. -›Lange vor Mitternacht sind wir zurück. Ich habe noch eine -dringende Arbeit.‹ ›Aber Wartold!‹ mahnte die Gute. ›In -ein paar Stunden ist alle Menschenarbeit zunichte, und -ihre Frucht vergeblich.‹ ›Nicht die meine, Mutter,‹ erwiderte -ich. ›Sieh, unsere Lilien hier im Garten sind verblüht -und versengt vor der Zeit. Es war gar so heiß in diesen<span class="pagenum"><a id="Seite_241">[241]</a></span> -letzten Tagen und so trocken hier oben und staubig neben der -großen Straße. Ich gehe hinunter an den Fluß und hole -frische aus meinem Neugarten dort. Soll ich die Stirnen -der Seligen mit welken Lilien schmücken? Für meine -Friedlindis ist nur das Schönste schön genug.‹ In dem -weit abgelegenen Neugarten angelangt mit dem Kinde, -konnt' ich mich lange nicht trennen von meinen Blumen, -geraume Zeit, nachdem ich die schönsten ausgesucht und -geschnitten. Auch die ich stehen ließ, sprengte ich – zum -Abschied! – noch mit Wasser aus dem Fluß.</p> - -<p>Als ich nun mit meiner Arbeit zu Ende war und -allmählich an die Rückkehr dachte, da loderte in der Ferne -südlich von unserem Höflein eine rote Flamme in den -dunkeln Nachthimmel: bald folgte, immer näher rückend, -der Heerstraße entlang, eine zweite, dritte: und während -wir noch zagend berieten, was das zu bedeuten habe, -drangen auch schon von der Stadt her die Waffenrufe der -Wächter auf den Walltürmen, ja bald auch von der Straße -her verworrener Lärm, Schreien, Waffenklirren an unser -Ohr. Erschrocken barg ich mich und vor allem mein holdblühendes -Kind in den dichten Gebüschen des Gartens: – -denn daß hier Räuber und Feinde drohten, war mir bald -klar: ich dachte es seien die schlimmen Bauern! – Hier -lauschten wir, bis der Lärm, der unverkennbare, eines -scharfen Kampfes vertoset war: jetzt erst wagte ich – immer -noch sehr vorsichtig – den Rückweg einzuschlagen. Wir -trafen unseren Hof unversehrt: so weit waren die Wenden -nur auf ganz kurze Zeit vorgedrungen, wir fanden bloß -die Spuren weniger Rosse im Sandweg des Gartens, der -alten Frau thaten sie nichts zuleid.« »Aber wehe, trafen -sie Fullrun!« rief Gericho. – »Das nächste Haus, etwa -dreihundert Schritte weiter südlich, stand in hellen Flammen: -wie staunten wir, als wir die blinde Frau auf der<span class="pagenum"><a id="Seite_242">[242]</a></span> -Schwelle aufrechtstehend fanden: ihr weißes Haar flog im -Nachtwind: sie wies mit der ausgestreckten Rechten auf die -rote Flammensäule und rief: ›Seid ihr endlich zurück? -Ich erwarte euch schon solange. Sehet ihr, sehet ihr? -Alles erfüllt sich wie mein Konrad gesagt. Der Tag des -Gerichts, der Tag des Herrn ist angebrochen. Hörtet ihr -nicht das Gefecht? Und die Drommeten der Engel des -Herrn? Ich hörte sie vorbeirasseln auf ihren Rossen, hörte -ihre Waffen klirren: sie haben gekämpft gegen die Unholde -des Abgrunds: grell schrillte deren Geschrei – wie einst -der Hunnen! – in mein Ohr: sie waren schon ganz nah: -– ich meine, ich hörte sie im Garten. Die Teufel sind -geworfen und geflohen. – Dort aber – dort – von wo -der Rauchqualm herweht – dort – ich seh' es mit den -Augen der Seele! – da nahet in flammenden Lohen, im -weißen Gewande der Seligen mein Kurt, das Mägdlein -trägt er – wie damals – auf dem Arm! Er holt -mich! Er winkt! Er ruft mir. Ich komme. Du hast -wahr gesprochen: im Sterben seh' ich dich wieder. Ich -komme.‹ Und sie sank, ein selig Lächeln um die Lippen, -zurück in meine Arme und war tot.« Und er weinte bittre -Thränen, der alte Mann.</p> - -<p>»Welch schöner Tod!« schluchzte Rosbertha, sich an -ihren Schatz schmiegend und die Augen wischend.</p> - -<p>»Die schönsten meiner Lilien wand ich um ihre Stirn. -Diese hier bring ich dem guten Herrn Bischof – ach! für -seinen Dom waren sie bestimmt: – nun werden sie wohl -seine Totenbahre schmücken.« »Und was ist mit Eurem -Bruder?« fragte Gericho. »Der Knecht erzählte – ist es -wahr? … er ist nicht gefunden worden unter der Rabenesche?« -»Es ist so,« nickte Wartold. »Weder er noch -Giero, sein Hund! Ihr wißt, der Baum steht nahe dem -Fluß: – es schien auch eine Blutspur über die Wiese an<span class="pagenum"><a id="Seite_243">[243]</a></span> -das Ufer zu führen. Aber vergeblich suchte ich mit dem -Knecht und den Nachbarn das ganze Ufer ab, vergeblich -mit den Mainschiffern – die kennen gut die Wirbel und -die Löcher im Bette – auch den Fluß. Ich wollte doch -so gern die Leiche in geweihter Erde bestatten, aber wir -fanden nicht Mann, nicht Hund. Und schon – gleich -nachdem das fruchtlose Suchen vorüber war« – – er -erschauerte und bekreuzte sich. »Nun? was geschah?« -forschte Röschen in bangem und doch süßem Gruseln. -– »Nichts geschah, liebes Kind. Aber die Nachbarn, die -Schiffer, alle, die davon hören, raunen – – –«</p> - -<p>»Nun was raunen sie denn? Sagt's doch geschwind!« -– »Ihr wisset, der Rabenbaum ist der Sitz – ist geweiht -dem … –« »Den man nicht nennen darf!« -warnte das Mädchen und schlug rasch wieder ihr Kreuz. – -»Nun, eben dem soll – sagen sie – mein armer Bruder -längst seine Seele geweiht haben. Und der – sagen sie -– habe ihn geholt, samt seinem Hund, ewig mit ihm zu -jagen. Ja, ein Schiffer, der sich im Mainschilf vor den -Wenden verborgen hatte, will gesehen haben, wie noch vor -vollem Sonnenaufgang zwei Raben –« »O weh!« schrie -das Mädchen. »Das sind <em class="gesperrt">seine</em> Begleiter.« – »Vom -Feuerschein der brennenden Dächer grell beleuchtet über das -tosende Schlachtfeld hin geflogen sind und auf der Esche -aufgebäumt haben. So betet manchmal, liebe Nachbarn, -betet für meines armen Bruders Seele.«</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_244">[244]</a></span></p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>III.</h3> - -<p>In Vertretung des Bischofs hatten Hellmuth und Fulko -alle erforderlichen Maßregeln getroffen.</p> - -<p>Die Toten vor dem Südthor wurden bestattet, die -Spuren und Schäden des Kampfes nach Möglichkeit getilgt. -Hellmuth ritt als Herold, einen Drommetenbläser voran, -durch die Straßen, verkündete den in der Stadt Verbliebenen, -zu welchen doch nur wirre, abgerissene Kunde der -Ereignisse dieser Nacht gelangt war, feierlich das Geschehene -und forderte alle Burgensen auf, mit Weibern, Kindern, -Knechten und Mägden in den Dom und in die übrigen -Kirchen und Kapellen der Stadt zusammenzuströmen, wo -überall Dankgottesdienst gehalten werden sollte. Sie sollten -beten für die Erhaltung ihres tapfern Bischofs, der, ein -echter Hirte, sein Blut gelassen in Verteidigung seiner Herde, -– und den nur ein Wunder Gottes noch vom Tode -retten könne.</p> - -<p>Es war allbekannt, die kurzen Wurfmesser der Wenden -waren vergiftet. Und als der Wunde schon während er, -von Blut überströmt, auf einem breiten und langen Standschilde -von sechs seiner Reisigen behutsam in die Stadt -zurückgetragen wurde, das Bewußtsein verlor, da gaben -seine Getreuen ihn verloren. Und man wagte doch nicht -die tödliche Klinge aus der Wunde zu ziehen: man fürchtete, -alsdann werde der Bischof, der schon sehr viel Blut -verloren, sich rettungslos verbluten. Man hatte das Lager -des bleichen Mannes in dem geräumigsten luftigsten Gelasse -des Dombaues, der Bücherei, aufgeschlagen: man -wußte, sie war – nach dem Waffensaal, aus dessen Vorräten -die Bürger waren ausgerüstet worden – der Lieblingsaufenthalt -Herrn Heinrichs gewesen. Wie viele<span class="pagenum"><a id="Seite_245">[245]</a></span> -Nachtstunden hatte er hier durchwacht, den schweigenden -Gang der Sterne verfolgend, ein stiller, einsamer Mann, -»wachend und betend« und doch gar oft »in Anfechtung -fallend«!</p> - -<p>Der Wunde fand die volle Besinnung nicht wieder: -auch nicht, als er sanft von dem Schild herab auf ein -Pfühl in der Bücherei gelegt wurde; wohl war es ihm -einmal, gleich beim Eintritt in die Stadt – noch unter -dem Thorbogen – gewesen, als beuge sich ein bleiches, -schönes Frauenantlitz auf ihn herab, als fühle er eine leise -Berührung ihres Mundes: – dann hatte er eine große, -große Erleichterung des Atmens verspürt – aber er sagte -sich gleich selbst, das sei ein Gebilde seiner Träume, des -Wundfiebers.</p> - -<p>Lange, lange Zeit lag er so. –</p> - -<p>In dem Bischofshause sammelten sich, nachdem die -weltliche Arbeit des Tages erledigt und der schuldige Dank -dem Himmelsherrn dargebracht war, die nächsten Zugehörigen -des wunden Mannes. Es waltete nicht nur in -der Bücherei, auch in den andern Räumen des Hauses jene -bange, atemverhaltende Stille, welche die Sorge um das -Leben eines geliebten Kranken verbreitet; wer einmal ihren -beengenden Druck lasten gefühlt auf der Seele, vergißt sein -nie mehr.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>In einem Vorsaale der Bücherei saßen Hand in Hand -die beiden Liebespaare: sie sprachen in bangem, leisem -Flüsterton.</p> - -<p>»Wie traurig!« klagte Fulko. »Wir andern alle dürfen -uns der geschenkten Welt erfreuen. Ist es doch, als habe -Gott der Herr die Erde zum zweitenmal für uns geschaffen! -und nur Er – der Beste von uns allen! – soll sich -nicht mit uns des gesicherten Daseins erlaben.« »Ja, aber,<span class="pagenum"><a id="Seite_246">[246]</a></span> -Liebster,« koste Minnegard, verschämt das Köpflein an seiner -Schulter versteckend. »Nun steht die Welt immer noch! -Und die Welt und alle Leute werden schelten: – – – -es ist schreckbar, <em class="gesperrt">wie</em> sie alle schelten werden! Und wenn -sie erst <em class="gesperrt">alles</em> wüßten, wie der liebe Gott es weiß, dann -würden sie gar nie mehr aufhören!«</p> - -<p>Fest sah Edel dem Geliebten in die Augen: »Ich sage -der Welt und dem Herrn Bischof, bevor er stirbt, alles. -Und fürchte mich nicht.« Er drückte schweigend ihre -Hand.</p> - -<p>»Ja, das ist keine Kunst, streng Schwesterlein,« lächelte -die Braune. »Erstens hat der Herr Bischof dich nie zur -Nonne bestimmt: – was will er Besseres für dich als -einen Eheherrn wie dieser junge Ritter Georg? Und zweitens« -– sie stockte, sie errötete, und schmiegte das Haupt -wieder an die Brust des Geliebten. »Nun, was, mein -Liebling?« – »Kann's nicht sagen.« – »Nur mir ins -Ohr – ins Herz vielmehr.« – »Die andre hat wohl -nicht soviel zu gestehen: – oder doch im stillen zu bereuen: -nein,« brach sie leidenschaftlich aus, »nicht soviel zu bereuen, -nein, selig zu bejubeln!« Und sie küßte ihn heiß -auf den Mund und umschlang seinen Nacken mit beiden -Armen.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>IV.</h3> - -<p>Schon fielen sie seitlich ein, die Strahlen der sinkenden -Sonne des langen, langen Sommertages durch die Öffnung -des Bogenfensters: – der dunkelgelbe Vorhang war zurückgeschlagen -–: ein goldiger Streif spielte auf dem dunkelfarbigen -Kopfpolster und berührte das bleiche Antlitz des<span class="pagenum"><a id="Seite_247">[247]</a></span> -stillen, blassen Mannes: – da holte der auf einmal tief -und voll Atem und schlug die Augen weit auf.</p> - -<p>»Wo bin ich?« fragte er matt. »Nicht im Sarg! -Nein. Es ist hell. Nicht im Jenseits – nein – das -ist – was da hängt – o Gott! es ist mein Schwert! -– Ringsum die Wände – meine Bücherei. Ja, ja! -Die Welt steht! Mitternacht war ja auch schon vorbei. -Gott – ich danke, daß du die Heiden von der Stadt gewehrt -– ich sah sie fliehen! – nun will ich gern sterben.« -»Nein, Herr Bischof, nicht sterben. Leben sollt – leben -<em class="gesperrt">werdet</em> Ihr jetzt,« sprach da eine wunderliebliche Stimme -und über ihn neigte sich ein sanftes bleiches Antlitz und -zwei Thränen fielen auf seine Wangen. »Heilfriede! Nein, -das war diesmal kein Traum. Und wir sind nicht gestorben -– beide?« Sie schwebte leise an die Thüre des -Vorsaals und winkte den dort Harrenden, einzutreten. -»Gestorben? Nein. Gerettet seid Ihr, Herr Bischof!« -jubelte Fulko und küßte seine Hand. »Gerettet durch diese -Frau!« rief Edel. »Das ist gar keine Frau,« besserte -Minnegard, »das ist eine Heilige.« »Ein Engel auf -Erden,« schloß Hellmuth. »Und es war auch kein Traum,« -lächelte die stille Frau, die nun zu seiner Linken kniete -und ihm einen Heiltrunk reichte, »daß Ihr mich schon vor -Stunden gesehen.« »Wir zagten, wir verzweifelten ob -Eurer Wunde –« begann Fulko. »Wir fürchteten das -Gift, und wußten – auch der Klosterarzt nicht – Hilfe,« -klagte Edel. »Aber Frau Heilfriede!« fuhr Minnegardis -freudig fort. »Weiß Gott, wie sie auf einmal, – schon -im Thorbogen – da war,« rief Fulko. »Sie beugte sich -sofort über Euch,« ergänzte Hellmuth. »Und obwohl der -Klosterarzt verbot, das Messer zu entfernen, zog sie es -sanft heraus. Viel Blut floß nach! Und dann … Ja -dann! Obwohl der Arzt sie warnte, es gebe Gift, das<span class="pagenum"><a id="Seite_248">[248]</a></span> -nicht nur im Blut, auch im Magen den Tod bringe –« -»Kein Wort sprach sie,« rief Fulko, »ihren Mund preßte -sie auf Euren Hals und sog die Wunde aus in tiefen -Zügen.«</p> - -<p>Da schaute Herr Heinrich verklärten Blickes auf zu der -Errötenden; die schlug die langen blonden Wimpern nieder.</p> - -<p>Nun schloß auch der Wunde die Augen: – aber er -konnte doch nicht hindern, daß sie weinten; er griff nach -ihrer Hand; sie ließ sie ihm willig. »Aber auch ich werde -nicht sterben,« sprach sie beschwichtigend. »Viele Stunden -ist's her. Längst hätte das Gift gewirkt. Ich aber – -ich bin ganz wohl. Ach, und ich bin so glücklich.« – -»Wie … wie war doch alles … vorher? Nach unsrer -Unterredung? – Was hab' ich doch … dann – vor -dem Gefecht – noch gethan?« Da fiel sein im Saal -umhersuchender Blick auf das Räucherbecken. Er stieß einen -jähen Schrei aus und fuhr empor aus den Decken: er -wollte sich aufrichten: aber matt sank er zurück. »Um -Gott!« stöhnte er. »Nun steht die Welt noch! Und ich -– ich Unseliger! Was hab' ich gethan! Weh mir! -Sankt Burchhards Recht – den Beweis! – hab' ich -zerstört. Die Schenkung … die Urkunde Kaiser Karls -hab' ich verbrannt!« Und er hob die beiden geballten -Fäuste und wollte sie sich in das Antlitz schlagen. Schrecken -ergriff die andern: aber zwei weiche Hände haschten die -Fäuste und zogen sie sanft hernieder auf die Bettdecke: -»Daran habt Ihr sehr recht gethan, Herr Heinrich,« sprach -die herzgewinnende Stimme. »Ich wollte Euch gerade -bitten, es zu thun. Denn sie war falsch.« »Was? Was -sagt Ihr?« rief Heinrich. »Unmöglich! Jener … -Berengar … verstand sich scharf auf Urkunden.« – »Jawohl. -Nur allzu scharf! Er verstand auch, sie zu fälschen. -Gemäß Eurem Gebot ward auch er in die Stadt<span class="pagenum"><a id="Seite_249">[249]</a></span> -getragen. Ich sah nach seiner Wunde; ich sagte ihm, er -müsse sterben. Und nun sterbend, in den Qualen des -Todes, zitternd vor der Hölle, hat er all seine Schuld -bekannt und bereut. Er hatte mit Zwentibold abgeschlossen: -– er glaubte nicht an das Ende der Welt: er -wollte die Wenden in die Stadt lassen und Euch ermorden. -Er starb, nachdem er mir aufgetragen, Euch zu bitten, sein -Machwerk zu zerstören.« »Ihr wollt mich …? Nein, -dieses Antlitz kann nicht täuschen,« rief der Bischof und -atmete beseligt auf. – »Die Schenkung Kaiser Karls war -falsch: Ihr wart im vollen Unrecht gegen meinen Mann. -Aber eine andre Schenkung – eines andern Kaisers – -die ist echt. Eine Ersatzurkunde – für die verbrannte -falsche – ist Euch erworben.« – »Ihr … Ihr habt …?« -– »Nicht ich. Und nicht aus meiner Hand sollt Ihr sie -nehmen. Aus einer andern Hand. – Herr Heinrich,« -flüsterte sie in sein Ohr – »der Herr hat so große Gnade -an Euch gethan …« – »Durch seinen lichtesten Engel!« -– »Ihr könnt jetzt nicht Groll in der Brust tragen.« – -»Nein. Ich vergebe dem toten Fälscher.«</p> - -<p>»Auch nicht gegen Lebende Groll. Herr Heinrich: -unten im Waffensaale steht mein Mann. Er traf bei -Sonnenaufgang auf dem Schlachtfeld ein, mit dem Aufgebot -der nächsten Gaue: – er hatte von dem Zug der -Wenden auf Würzburg gehört, war ihnen auf dem Fuße -gefolgt und hat die Flüchtigen in den Main gesprengt. Er -wartet. Er hat Euch was zu bringen. Aus Italien. Vom -Kaiser Otto. Er selber hat's bewirkt, – schon vor vielen -Wochen – und mitgebracht. Es ist was Freudiges! Freude -wird Euch nicht schaden – wird Euch gut thun. Darf ich -Graf Gerwalt rufen?«</p> - -<p>Er konnte nur stumm nicken.</p> - -<p>»Aber vorher noch,« sprach die ernste Frau jetzt gar<span class="pagenum"><a id="Seite_250">[250]</a></span> -holdselig lächelnd – »vor den Staatsgeschäften – eine -Stärkung. Sagt, ihr tapfern Junker – ihr wißt doch -sicher, wo hier im Bischofskeller der beste Wein liegt?«</p> - -<p>Beide waren schon an der Thüre! Die Gräfin und -die Mädchen folgten ihnen.</p> - -<hr class="rh3" /> - -<h3>V.</h3> - -<p>»Supfo, Supfo!« rief Hellmuth lautschallend durch das -Haus. »Wo ist Supfo? Wo steckt der dicke Schalk?« -»Ich hab' eine Ahnung!« lachte Fulko und eilte durch die -Vorhalle auf die Fallthüre zu, welche die Kellertreppe schloß.</p> - -<p>Da ward diese Thüre von unten aufgestoßen und auf -der obersten Stufe erschien Supfo, ein strahlendes Lächeln -auf dem stark geröteten hübschen rundlichen Gesicht; auf -seiner linken Schulter lag, behaglich schnurrend Mucia, die -Kluge, in der Rechten trug er einen mächtigen erzgetriebenen -Krug, aus welchem ein starker, herzerfreuender Duft aufstieg.</p> - -<p>»Ja Supfo! Wo wart Ihr denn die ganze Zeit?« -– »Da, wo ich hingehöre, ihr Gelbschnäbel!« – »Supfo -– ist es möglich? – Ihr habt? – während des Untergangs -der Welt …?« – »Na, ist sie untergegangen?« -– »Aber sie sollte doch.« – »Nicht doch! Sie sollte -eben <em class="gesperrt">nicht</em>! Hab' ich's euch nicht vorausgesagt? Mucia -und ich, wir wußten es besser.« – »Aber Supfo! – -Wann seid Ihr denn da hinunter?« – »Vorgestern -Abend.« – »Und die ganze Zeit verschlafen?« – »Das -ist Verleumdung. Nur die zweite Hälfte.« – »Und das -Sturmblasen von allen Türmen! Das Hinaussprengen -der Reisigen, den Auszug und den Einzug? Ihr hättet<span class="pagenum"><a id="Seite_251">[251]</a></span> -wirklich die Posaunen des Gerichts auch verschlafen.« – -»Haben sie geblasen? – Was ich that in der ersten Hälfte -der Zeit? Nun, der Griechenwein ist zu Ende. Das ist -die Neige – diesen Vollkrug hab' ich für den Herrn Bischof -und für euch gespart. – Wer war nun der klügste Mann -in ganz Würzburg?« Und er lachte, daß ihm das runde -Bäuchlein bebte, bis ihm Fulko erzählte, aus welchen Gefahren -und Sorgen sie sich eben erst geborgen wußten. -Da humpelte der Dicke – unglaublich rasch – die Treppe -hinauf und an Herrn Heinrichs Lager und sank dort auf -die Kniee und weinte, weinte Thränen des Schmerzes und -der Freude durcheinander.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Während Hellmuth den Grafen Gerwalt aus der Waffenhalle -holte, wartete die Gräfin mit den beiden Mädchen -und Fulko im Vorsaal.</p> - -<p>Da trat Minnegard an Frau Heilfriede heran und -begann, ziemlich kleinlaut: sie schlug die Wimpern nieder -– denn allzu glücklich für eine zage Bitte und geheimen -Glückes zu süß bewußt leuchteten – sie fühlte das – ihre -minneseligen Augen: »Was soll nun werden aus … aus -uns beiden armen jungen Paaren? Wir hatten uns ganz -darauf eingerichtet, daß heute nur der liebe Gott, der – -leider Gottes! – doch ohnehin alles weiß, mit uns rechten -werde können über das, was wir Mädchen diese Nacht -gethan – oder doch: erlitten« seufzte sie, »und vielleicht -nicht ganz heftig genug abgewehrt: – wer konnte aber -heute Nacht um Hilfe gegen Entführer schreien? Es hätte -doch niemand darauf gehört!« Da lachte Fulko. »Mein -süßes … Kind. Deiner Mutter Klosterwunsch galt nur -für die alte Welt: – die ist heut' Nacht versunken: – -nicht bindet er für die neue, die uns der Herr Gott heute<span class="pagenum"><a id="Seite_252">[252]</a></span> -geschenkt.« »Das würde der Herr Bischof schwerlich gelten -lassen,« meinte die Frau Gräfin, drohend den weißen Finger -gegen Fulko hebend: »aber getrost. Herr Heinrich steht -so tief in der Schuld des gnädigen Himmelsherrn, –« -»Und in der Eurigen,« riefen die drei andern. – »Daß er -auch ein Übriges an Güte thun muß – und wird. Seid -ganz getrost. Ich – ich führe eure Sache – aller vier.«</p> - -<p>»Dann ist sie gewonnen!« jubelte Minnegardis, warf -sich an ihre Brust und küßte sie stürmisch. »Wie sollen wir -Euch danken?« fragte Edel, tief gerührt. – »Mein Dank ist -– euer Glück. Ich war auch einmal jung. – Da kommt -mein Mann. Nun zu ihm … zu Herrn Heinrich.«</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Am Lager Herrn Heinrichs stand Graf Gerwalt, eine -stattliche, mannhafte Kriegergestalt in voller Waffenrüstung, -nur ein paar Jahr jünger als der Bischof, aber sein blondes -Haar war weit weniger ergraut. Er hielt des Wunden -Hand gefaßt und sprach: »Ihr habt mir nicht zu danken. -Was ich gethan, ich that's nicht Euch zu lieb' – ich that's -fürs Reich. Ich kam zu der Einsicht, daß, wie die Dinge -hier in der Stadt und im Gau nun einmal liegen, Bischof -und Graf, auch wenn sie beide nicht solche Streitköpfe sind -wie wir, auch bei friedfertigem Sinn – unablässig in -Hader über die Grenzen ihrer Rechte kommen werden, -kommen müssen. Deshalb hab' ich – und allerdings auch, -weil ich den Rothenburger Heinrich als einen Mann kenne, -der Land und Leute trefflich zu leiten und – wir haben's -diese Nacht wieder erlebt! – zu schirmen weiß, bei -Kaiser Otto mit Hilfe Eures klugen Bruders, des Herrn -Kanzlers, durchgesetzt, was fortab – nun, ich lese Euch -seine Urkunde vor«; und er ließ sich von Frau Heilfriede -ein Pergament reichen mit dem großen kaiserlichen Siegel -und las:</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_253">[253]</a></span></p> - -<p>»In dem Namen der heiligen unzerteilten Dreifaltigkeit -Otto der Dritte, ein Knecht Jesu Christi und römischer -Kaiser, Mehrer des Reichs, nach dem Willen Gottes, -unsres Seligmachers und Erlösers. Was von unserer -Majestät zu Erhöhung der Kirchen Gottes und seiner Heiligen -gegeben wird, das, so hoffen wir, wird sonder Zweifel -zur Stätigung unseres Reiches und uns zur Freude des -ewigen Lebens ersprießlich sein. Darum sei kund allen -unsern gegenwärtigen und künftigen Getreuen, daß wir um -Willen der Bitten des ehrwürdigen Erzbischofs und Kanzlers -unsres Reiches, Herrn Heriberts, auch auf verständige -und für des Reiches Nutz zuträgliche eindringliche Vorstellung -des tapfern Herrn Gerwalt, bisher Grafen des -Ran- und Waldsassengaues und dazu aus besonderer Ehrung -der wackern Dienste in Krieg und Frieden, die uns Herr -Heinrich, weiland Graf von Rothenburg ob der Tauber, -nunmehr aber Bischof von Würzburg, geleistet hat, diesem -Herrn Bischof Heinrich und all seinen Nachfolgern zu Ehren -des allmächtigen Gottes, Seligmachers der Welt, und der -kostbarlichsten Martyrer Sankt Kilian, Sankt Coloman -und Sankt Totnan geweihet haben, geschenkt und gewidmet -zwo Grafschaften, genannt Waldsassen – mitsamt Stadt -und Weichbild von Würzburg – und genannt Rangau in -dem Lande, das man das Morgenfrankenland heißt, gelegen, -die wir mit allem Zwang, allen Satzungen und unserm -königlichen Banne, mit Ordnung und Gerichtsbarkeit, nichts -ausnehmend von dem allen, was die Grafen oder sonst -irgend ein Mensch von Herkommen und Gewohnheit wegen -haben sollen, und dies alles mit aller Nutzbarkeit den -obgeschriebenen Martyrern zu eigen gegeben und aus unsern -Rechten und unsrer Herrlichkeit in des ehrwürdigen Bischofs -Heinrich und seiner Nachfolger Recht und Herrlichkeit gänzlich -übertragen haben: nämlich in der Gestalt, daß gemeldeter,<span class="pagenum"><a id="Seite_254">[254]</a></span> -ehrwürdiger Bischof Heinrich und alle seine Nachfolger -die vorgenannten Grafschaften wie immer es ihnen gefallen -wird für und für ordnen, selbst verwalten oder einen -andern als Grafen damit belehnen mögen, ohne daß wir, -unsere Nachfolger oder sonst männiglich Eintrag und Widerspruch -erheben mögen. Und damit diese unsere kaiserliche -Übergabe nun und hinfort desto beständiger verbleibe, haben -wir diesen Brief mit eigener Hand gefestigt und zu besiegeln -geboten. Gegeben den dreißigsten Tag des Maien, nach -der Menschwerdung des Herrn im tausendsten Jahr, in -der dreizehnten Römer Zinszahl, in unseres des dritten -Otten Königtum dem sechzehnten und unseres Kaisertums -im fünften Jahr. Gegeben zu Rom: seliglich. Amen.«</p> - -<p>Herr Heinrich reichte ihm die Hand und suchte sein -Auge, gewaltig hob sich ihm die Brust in tiefem Atmen. -Es dauerte geraume Zeit, bis er sagen konnte: »Dank! -– Heißen Dank! Und war mir doch geweissagt, ich -würde nicht sterben, bevor ich meinen schlimmsten Feind -erschlagen! Ich meinte, das … war …« »Nicht ich!« -sprach Graf Gerwalt und strich ihm über die Stirne.</p> - -<p>»Nein! – Das war … ein anderer! – Aber Graf -Gerwalt, was wird aus Euch?« Heilfriede legte die Hand -auf ihres Gatten gepanzerte Schulter und sprach mit stolzfreudigem -Blick: »Markgraf von Meißen wird er, mit -herzoglichem Recht und Rang. Der große Held, Markgraf -Eckhart, der Schreck der Slaven, der Schirmer unserer -Marken dort, ist gestorben. Mein Mann tritt an seine -Stelle. Sobald Ihr vom Lager erstanden seid, brechen -wir dorthin auf.«</p> - -<p>Herr Heinrich nickte: »Er hat's verdient. – Zwei -Grafschaften kann ich allein nicht selbst verwalten. Hellmuth -soll den Rangau – Wo ist Hellmuth? ah dort! -Sieh, Hand in Hand mit Edel? Nun möcht' ich doch<span class="pagenum"><a id="Seite_255">[255]</a></span> -wissen auch von gar manchen andern noch: von dem Geschicke -so vieler der mir anvertrauten Seelen – wie hat -all das gewirkt auf …? – ach auf viele! Und wie -kommt es, – daß Minnegard, – sie lehnt an Fulkos -Brust! Ei schlimme Mündel! Berichtet und erklärt!«</p> - -<p>»Nein,« sprach Frau Heilfriede sanft, den Finger auf -die Lippen legend, »heute wird nichts mehr berichtet und -erklärt. Es ist genug, fast schon zuviel gewesen für einen -wunden Mann. Morgen dann – da uns der liebe Gott -nicht mehr bedroht! – morgen ist auch noch ein Tag. -Da mögt Ihr alles vernehmen: – wird Euch wohl manches -wundern! Aber Ihr werdet mir eine Bitte nicht verweigern, -Herr Hezilo?«</p> - -<p>»Keine, Heilfriede!« – »Jetzt, Herr Bischof, sprecht -Euer Nachtgebet. Es wird draußen schon dunkel. Jetzt -scheidet … auch du, mein Gerwalt – geht nun alle -hinaus. Der Kranke muß ruhen, schlafen.« »Aber er -darf nicht allein bleiben,« rief Minnegard. »Gewiß nicht! -Ich will …« sprach Edel eifrig. »Nein, liebes Kind,« -erwiderte die sanfte Frau, ihre Wange streichend. »Das -ist <em class="gesperrt">mein</em> Recht: <em class="gesperrt">ich</em> bin doch seine älteste Freundin.«</p> - -<hr class="chap" /> - -<div class="chapter"></div> - -<div class="transnote" id="tnextra"> - -<p class="h2">Weitere Anmerkungen zur Transkription</p> - -<p>Offensichtlich fehlerhafte Zeichensetzung wurde stillschweigend korrigiert. -Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.</p> - -<p>Korrekturen:</p> -<div class="corr"> -<p> -S. 36: Schatte → Schatten<br /> -damit der hinter sie fallende <a href="#corr036">Schatten</a> die Fische</p> -<p> -S. 38: nud → und<br /> -aus der Wunde reißen <a href="#corr038">und</a> so taumelte er denn</p> -<p> -S. 63: kaum → kann<br /> -so lang und so heiß sie irgend <a href="#corr063">kann</a></p> -<p> -S. 87: Zaum → Zaun<br /> -durch eine schmale Lücke im <a href="#corr087">Zaun</a> zu entweichen</p> -<p> -S. 189: nachhher → nachher<br /> -Soll <a href="#corr189">nachher</a> in die Abendpredigt kommen</p> -<p> -S. 200: Auswallung → Aufwallung<br /> -In rascher <a href="#corr200">Aufwallung</a> des Edelgefühls kam</p> -</div> -</div> - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Weltuntergang, by Felix Dahn - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WELTUNTERGANG *** - -***** This file should be named 52222-h.htm or 52222-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/2/2/2/52222/ - -Produced by The Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Information about the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/52222-h/images/cover.jpg b/old/52222-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 97719c9..0000000 --- a/old/52222-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/52222-h/images/signet.png b/old/52222-h/images/signet.png Binary files differdeleted file mode 100644 index b026c49..0000000 --- a/old/52222-h/images/signet.png +++ /dev/null |
