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-The Project Gutenberg EBook of Ludwig Richter. Ein deutscher Maler und
-Hausfreund., by Johannes Ninck
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Ludwig Richter. Ein deutscher Maler und Hausfreund.
- Seine Lebensgeschichte für Jung und Alt erzählt
-
-Author: Johannes Ninck
-
-Illustrator: Ludwig Richter
-
-Release Date: January 29, 2017 [EBook #54071]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LUDWIG RICHTER ***
-
-
-
-
-Produced by The Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net
-
-
-
-
-
-
-
-
-
- Ludwig Richter.
-
- Ein deutscher Maler und Hausfreund.
-
- [Illustration]
-
- Seine Lebensgeschichte
-
- für Jung und Alt erzählt von
- ••••• J. Ninck. •••••
-
- 75.--125000
-
- Carl Hirsch,
- Verlagsbuchhandlung für christliche Literatur und Kunst.
- Konstanz.
-
-
-
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-[Illustration]
-
-
-Alle die vielen schönen Bilder, mit denen dies Büchlein geschmückt
-ist, sind von ein und demselben Manne gezeichnet worden. Um sie
-abdrucken zu können mußte jede Zeichnung dann noch mit einem scharfen
-Messer in hartes Holz hineingeschnitten werden, daher nennt man
-diese Bilder Holzschnitte. Wer hätte nicht seine Freude an diesen
-feinen Holzschnitten! Versuch einmal sie nachzuzeichnen. Dann merkst
-Du erst, wie viel Mühe und Sorgfalt hinter diesen saubern Bildchen
-steckt. Wieviel Striche und Strichlein gehören zu solch' einem hübschen
-Ganzen! Aber ehe der Maler seine Striche machte, mußte er sich das Bild
-erst im Kopfe ausdenken, mußte er seine Gedanken schnell in einigen
-Umrissen aufs Papier bringen; das nennt man einen Entwurf, eine Skizze.
-Der erste Entwurf gefiel ihm nicht und er versuchte einen zweiten,
-dritten Entwurf. So hat er für ein einziges Bildchen manchmal 5 bis
-10 Skizzen gemacht, bis es ihm endlich gefallen und gelingen wollte.
-Solche Bilder zu schaffen, wie wir sie hier vor uns sehen, dazu gehört
-nicht blos viel Arbeit, nicht blos eine lange Übung und Ausbildung,
-sondern vor allem eine große Kunst! Und nun denke, der Mann, der uns
-die 50 Holzschnitte dieses Heftes gezeichnet, hat im Ganzen 3334
-solcher Holzschnitte geschaffen! und viele sind noch weit größer und
-figurenreicher als die in unserm kleinen Buche enthaltenen. Das muß
-ein fleißiger Mann gewesen sein! Wie heißt er nur? Auf vielen seiner
-Holzschnitte findet man an irgend einem verborgenen Plätzchen ein L.
-R. stehen, das bedeutet: Ludwig Richter. Außer jenen Holzschnitten
-hat dieser große weltberühmte Künstler auch noch prächtige farbige
-Ölgemälde und andere Arten von Bildern, z. B. sog. Radierungen,
-Stahlstiche, in Menge hervorgebracht. Am liebsten aber hat er Bücher
-mit Bildern geschmückt, und am allerliebsten für die Jugend. So
-hat er zum Robinson Crusoe und zu manchem Märchenbuch die Bilder
-gezeichnet. Es ist gewiß Niemand unter meinen Lesern, der nicht schon
-Illustrationen von der Hand dieses trefflichen Meisters Ludwig Richter
-gesehen und sich daran erfreut hätte. Mir ist er ein lieber Freund
-gewesen von Jugend auf, und ich habe ihn auch persönlich gekannt. Jetzt
-weilt er schon manches Jahr nicht mehr unter den Lebenden. Ich will
-ein wenig aus seinem Leben, besonders von seiner reichbewegten Jugend,
-erzählen.
-
-[Illustration]
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-1. Ludwig Richters Elternhaus.
-
-
-Dresden, die sächsische Residenz, ist schon von manchem Reisenden
-für die schönste Stadt Deutschlands erklärt worden. Einmal nämlich
-liegt sie am herrlichen Elbestrom, unweit den waldigen Bergen der
-sächsischen Schweiz und des Erzgebirges, und zum andern zeichnet
-sie sich aus durch fürstliche Gebäude und reiche Kunstschätze. In
-dieser Stadt wurde Adrian Ludwig Richter am 28. September 1803, also
-am Tage vor Michaelis, geboren. Sein Vater war ein unbemittelter
-Landschaftszeichner und Kupferstecher; zu dem Ältesten, Ludwig,
-gesellten sich später noch 2 Söhne und eine Tochter. Vom Vater her
-sollte Ludwig eigentlich katholisch erzogen werden; weil jedoch
-seine Mutter evangelisch war und blieb, so fühlte er sich auch in der
-evangelischen Kirche heimisch.
-
-[Illustration]
-
-[Illustration]
-
-[Illustration]
-
-Zu den größten Freuden gehörte es für den kleinen Ludwig allemal,
-die Großeltern Müller zu besuchen, die in Dresden ein kleines
-Kaufmannslädchen und ein Haus mit sehr großem Garten besaßen. Auf
-dem Wege dahin kam der dreijährige einst an einem schönen Rasenplatz
-vorüber mit vielen blauen Glocken- und Sternblumen, die ihn aufs
-allerlebhafteste fesselten. Als er nach dem Kaffee beim Großvater
-einen Augenblick sich selbst überlassen war, fielen ihm die lieblichen
-Blümlein wieder ein, die ihm solche Freude bereitet hatten. Flugs
-machte er sich auf, wackelte vertrauensselig durch mehrere einsame
-Gassen zurück zu dem schönen Rasenplatz, und pflückte für Großpapa
-einen großen Strauß; aber statt nun dessen Haus wieder zu finden,
-trippelte er in der entgegengesetzten Richtung immer fort. Um
-Mitternacht stand das kleine Männlein, den Blumenstrauß immer noch
-fest in der Hand mitten auf dem mondscheinbeleuchteten Marktplatz vor
-dem Rathause, ein winziges ängstliches Figürchen auf dem weiten öden
-Platze -- da kam der Rettungsengel in Gestalt eines Nachtwächters, den
-Dreimaster auf dem Kopfe und den Säbel an der Seite, und trug den
-Flüchtling zu der in Todesängsten schwebenden Mutter, die ihren Verlust
-bereits auf dem Rathause gemeldet hatte. Dies Erlebnis bildete eine der
-frühesten unauslöschlichen Erinnerungen Ludwig Richters.
-
-[Illustration]
-
-Wie viele Herrlichkeiten gab es doch bei den Großeltern! Schon das
-Kauflädchen war ein höchst interessantes Heiligtum: Das Fenster außen
-garnirt mit hölzernen, gelb und orange bemalten Kugeln, welche Citronen
-und Apfelsinen vorstellten; dann der große blanke Messingmond, vor
-welchem Abends die Lampe angezündet wurde und welcher dann mit seinem
-wunderbaren Glanze das Lädchen in einen Feenpalast verwandelte; die
-vielen verschlossenen Kästen, der anziehende Syrupständer, die Büchsen
-mit bunten Zuckerplätzchen, Johannisbrot und andern Süßigkeiten! Und
-der Besitzer aller dieser Schätze war der Großvater unseres Ludwig!
-und der steckte seinem Enkel gar gern etwas zu! Mit einer großen
-Zipfelmütze auf dem Kopf und einer braunen Schürze vor der Brust fuhr
-er geschäftig in dem Lädchen hin und her und gab jedem das Seine. Die
-Klingel an der Tür bimmelte unaufhörlich -- da wogte es beständig aus
-und ein -- ein buntes Treiben für das aufmerksame Auge des künftigen
-Malers.
-
-[Illustration]
-
-Ein Hauptvergnügen verschaffte unserm Ludwig der dicke Stoß
-bunter Bilderbogen, welche der Großvater zum Verkauf hielt. Der
-Verfertiger dieser »Kunstwerke«, ein gewisser Rüdiger, den Ludwig mit
-ehrfurchtsvoller Bewunderung in seinem großen Dreimaster, grünen Frack
-und Schnallenschuhen die Straße hinabwandeln sah, mag ihm damals als
-ein großer Meister erschienen sein.
-
-Und dann welche Freude bot der große Garten des großelterlichen
-Hauses! Da wurde gespielt, geklettert, gepflückt nach Herzenslust.
-Ein Lieblingssitz war der uralte Birnbaum mit seinen mächtigen Ästen.
-Manche Stunde verbrachte der kleine Ludwig träumerisch in dem grünen
-Gezweig, um sich die zwitschernden Finken und Spatzen, mit welchen er
-zur Zeit der Reife die zahllosen Birnen des alten Baumes teilte. Von
-diesem verborgenen Aufenthalte überblickte man den ganzen Garten mit
-seinen Sträuchern und Beeten und Blumen und Wegen, blickte über die
-Gartenmauern hinweg zu den gelben Kornfeldern und fernen Höfen.
-
-Ja das waren goldene Jahre, die Kindheit im Hause der Eltern und
-Großeltern. Aber es wird Zeit, unsern Ludwig zu begleiten auch in
-
-
-
-
-2. die Schule.
-
-
-Das Schönste und Berühmteste im heutigen Dresden ist das Museum am
-Zwinger; wer das nicht gesehen hätte in Dresden, der wäre in Rom
-gewesen ohne den Papst zu sehen. In dem Museum hängen hunderte der
-herrlichsten Gemälde aus allen Zeiten und Ländern, und in einem Zimmer
-ganz allein, wie in einer Betkapelle, hängt die himmlische Mutter
-mit dem Kinde, von Raffael gemalt, die sog. sixtinische Madonna, das
-weltberühmte Bild, das zu dem schönsten gehört was menschliche Hand
-aufs Papier gezaubert hat.
-
-[Illustration]
-
-[Illustration]
-
-Vor hundert Jahren nun, da stand an der Stelle, wo heute dies Museum
-mit der sixtinischen Gottesmutter sich erhebt, ein schmuckloses
-Häuslein, drin saß alltäglich eine Schaar munterer Büblein in Reih und
-Glied, mit Schiefertafel und Stift in den Händen, und der gestrenge
-Herr Lehrer schrieb ihnen Buchstaben an die Wand zum Nachschreiben, und
-Zahlenexempel zum Ausrechnen. Es war die Schule unseres kleinen Ludwig
-Richter. Er bekennt selbst, daß sie ihm nicht viel Freude gemacht,
-daß sie ihm statt der Birnen im großelterlichen Garten -- Kopfnüsse
-gebracht ohne Zahl, weil ihm besonders das Rechnen gar nicht in den
-Kopf wollte. Die schöne Fläche der Schiefertafel hatte für ihn etwas
-sehr verlockendes, nämlich statt mit Ziffern, sie mit Zeichnungen zu
-füllen. Eines Tages war er gerade daran, eine große Schlacht zu malen
-mit viel Soldaten und mächtigem Pulverdampf. Und auch sein Nachbar auf
-der Bank schaute statt zu rechnen lieber zu, wie diese Schlacht da
-auf der Tafel ablief. Ganz in seine Zeichnung vertieft rief der junge
-Künstler halblaut: »Jetzt muß die Kavallerie einhauen«, im selben
-Augenblick schlug das Rohrstäbchen des Lehrers ganz unbarmherzig auf
-ihn los: »ja einhauen soll sie, einhauen soll sie« -- so wurde es zur
-Tat gemacht, was Ludwig hatte abbilden wollen. Die Tafel wurde ihm
-abgenommen und dem Direktor vorgelegt. Er selbst wurde bei den Ohren
-zur Türe geführt, und dort mußte er knieen bis die Stunde aus war und
-die Reutränen flossen.
-
-[Illustration]
-
-Anders als beim Rechenlehrer erntete Ludwig in der Schreibstunde großes
-Lob. Die großen kunstvollen Vorschriften, welche er gemacht hatte,
-hingen, wie er selbst mit Stolz erzählt, noch lange unter Glas und
-Rahmen in der Klasse.
-
-[Illustration]
-
-[Illustration]
-
-Da der Weg zur Schule sehr weit war, bestellten die Eltern einen
-vorgerückteren Schüler als Mentor, welcher ihren Ludwig täglich
-gegen eine kleine Vergütung abholen und wieder heimbringen mußte.
-Obwohl er Gabriel hieß, hatte er mit einem Schutzengel doch keine
-Ähnlichkeit, sondern war für Ludwig ein grausamer Tyrann, ja entpuppte
-sich zuletzt als ein Verführer. Eines Tages wollte er den Kleinen
-zwingen, einem Trödler, bei dem sie auf dem Schulwege vorüberkamen,
-ein Buch für ihn abzustehlen. Ludwig gab unter vielen Tränen seinen
-schändlichen Drohungen nach und brachte ihm das Gewünschte; er gestand
-es aber sogleich den Eltern und wurde nun von dem gewissenlosen
-Menschen befreit. Als er später mit dem ersten Künstlerruhm von
-Rom zurückkehrte, fand er diesen Gabriel als Brezeljungen an einer
-Straßenecke stehn. Unehrliche Leute bringens im Leben nicht weit. --
-Bald nach genanntem Vorfall wurde Ludwig selbst der Führer seines
-jüngern Bruders Willibald, der in die gleiche Schule kam; treulich
-wartete er auf ihn bis seine Klasse aus war, und ging dann Hand in Hand
-mit ihm dem Elternhause zu. Drollig sahen die beiden Brüder im Winter
-aus, da sie in gleichen Pelzmützen und in gleichen Mänteln prangten,
-aus Großvaters altem braunen Kapuzinerkuttenmantel gefertigt. Dazu
-trug jeder ein Paar Fausthandschuhe, an grünen Bändern befestigt. Und
-wenn sie so mit ihren Ränzeln ehrbar nach Hause wanderten, dann kam
-ihnen wohl eine Schar evangelischer Knaben in den Weg, titulirten sie:
-»katholische Möpse« und begannen ein Handgemenge. Schneeballen flogen,
-Lineale und Bücher dienten als Waffen -- aber zuletzt wurden die
-»Katholischen« aufs Haupt oder auf die Pelzmütze geschlagen und mußten
-unter Hohngeschrei der »Evangelischen« den Rückzug antreten.
-
-[Illustration]
-
-Ergötzlicher waren die vielen in Läden ausgestellten Bilder und
-Raritäten, an denen der Schulweg vorbeiführte. Der höchste Kunstgenuß
-aber wurde unserm Ludwig zu Teil, als eines Tages der Vater einen
-großen Pack mit Kupferstichen und Zeichnungen heim brachte, die er
-von den Erben eines verstorbenen Künstlers billig erstanden hatte.
-Manche Stunde saß nun das Söhnlein vor den schönen Bildern, lauschte
-mit Begier den Erklärungen des Vaters, welcher darüber ganz gesprächig
-wurde, und so erwuchs, ihm selber unbewußt, eine Liebe zur Kunst in
-ihm, die später die schönsten Früchte bringen sollte.
-
-
-
-
-3. Kriegszeiten.
-
-
-An einem schwülen Sommerabend des Jahres 1811 standen die Dresdener
-in Gruppen auf der Straße und sahen zum Himmel. Ludwig und sein
-Vater gesellten sich zu ihnen. Sie schauten -- den Kometen, einen
-großen Stern, der mit langem Feuerstreif unheimlich geisterhaft über
-den dunkeln Häusern schimmerte und die Gemüter mit Bangen erfüllte.
-Man erblickte darin ein Anzeichen neuer großer Kriege, die über die
-beunruhigten Völker heraufziehen würden.
-
-[Illustration]
-
-Hielt doch seit Anfang des Jahrhunderts der Franzosenkaiser Napoleon I.
-ganz Europa in Aufregung und Kriegsnot. Und jetzt eben stand ein neuer
-gewaltiger Kriegszug bevor -- gegen Rußland.
-
-Im Frühjahr 1812 erschien Napoleon mit seiner Gemahlin in Dresden.
-Ihm voran zogen seine prachtvollen Garden, eine Schaar Mamelucken,
-Trompeter und Trommler -- ein buntes kriegerisches Schauspiel für den
-achtjährigen Ludwig. Täglich gab es nun neues zu sehen, Truppenzüge
-aller Art, Illuminationen, Feuerwerke, die Einzüge verschiedener
-Fürsten welche dem Kaiser in Dresden huldigen wollten. Von Schule war
-natürlich keine Rede in jener Zeit; Ludwig lag den ganzen Tag am
-Fenster und schaute, was es zu sehen gab. Auch im Hause gabs mancherlei
-Unterhaltung, denn alles war mit Soldaten besetzt. Diese Einquartierung
-war um so schlimmer, als für den Vater damals jeder Verdienst aufhörte.
-Es ist ein Wunder, wie die Familie durchkam. Eine Zeit lang hatten sie
-dreizehn Mann auf einmal in ihrem bescheidenen Häuslein, denn der Vater
-hatte auch die Mannschaft noch zu sich genommen, welche zweien über ihm
-wohnenden Witwen zukam. Oft stand der gute Vater selbst am Kochherd und
-rührte in einem riesigen Topfe den Brei für die vielen Mitesser.
-
-[Illustration: Das Habermuß]
-
-Bekanntlich endete der russische Feldzug des gewaltigen Eroberers mit
-der entsetzlichsten Niederlage und dem schrecklichsten Jammer für sein
-stattliches Heer. Neue Kriege auf deutschem Boden waren die Folge. Die
-Völker erhoben sich, um das Joch des Kaisers für immer abzuschütteln.
-Dresden hatte wie wenig andere Städte Deutschlands die Leiden des
-Krieges zu schmecken. Im August 1813, wo 200000 Soldaten vor Dresden
-standen, flogen die Kugeln bis in die Straßen und Häuser der Stadt, und
-ängstlich flüchteten die Bewohner in die Keller. Herzzerreißende Bilder
-aber sah Ludwig als er am Morgen nach der zweitägigen Schlacht mit dem
-Vater das Schlachtfeld besuchte, um armen Verwundeten Hilfe zu bringen.
-Aufs tiefste erschüttert kehrte er nach Hause zurück.
-
-[Illustration]
-
-Die Kriegsnöte sollten noch nicht sobald vorübergehen. Die Stadt
-Dresden wurde eingeschlossen, die Vorräte waren aufgezehrt, die
-Teuerung nahm überhand. Die Bäcker hatten die Läden geschlossen, wo
-aber einer am Morgen etwas gebacken hatte, da gab es ein Gedränge, daß
-man seines Lebens nicht sicher war.
-
-So machte denn auch Ludwig eines Morgens den Versuch, aus einem
-ganz belagerten Bäckerladen ein Groschenbrötchen zu erlangen. Die
-gute Bäckersfrau bemerkte ihn und rief, man solle doch den Kleinen
-heranlassen; und so erhielt er denn für seinen Groschen ein winzig
-kleines Brötchen. Es fest unter dem Mantel haltend, bemühte er
-sich aus dem Gedränge herauszukommen; als er jedoch glücklich sich
-durchgewunden, fand er nur noch ein fingerlanges Stückchen in seiner
-Hand, was ein mageres Frühstück gab.
-
-Erst als die Franzosen im November 1813 abgezogen waren, brachen
-bessere Tage an, trafen große Wagen mit Lebensmitteln ein und alles
-durfte wieder aufatmen.
-
-Wenn man solche schwere Zeiten miterlebt hat, so behält das ganze Leben
-einen Ernst und man genießt um so dankbarer die Segnungen des Friedens.
-
-
-
-
-4. »Aus dem Bue kann was werde«.
-
-
-Was Ludwig einmal werden sollte, davon wurde zu Hause kein Wort gesagt
--- es verstand sich von selber, daß er in des Vaters Fußstapfen trete,
-als Zeichner und Kupferstecher. Gerade so wurde es später auch mit den
-Geschwistern gehalten. Als Ludwig 12 Jahre alt war, sagte er der Schule
-Lebewohl und bekam ein Plätzchen neben des Vaters Arbeitstisch, um auf
-eigene Faust im Zeichnen sich zu üben, oder dem Vater beim Kopiren
-und Radiren (d. h. auf Kupfer ätzen) von allerhand Kalenderbildern
-zu helfen. So hat er, noch ein Kind, die Schlacht von Waterloo, den
-Wiener Kongreß, dazu grausige Feuersbrünste, Mordtaten, Erdbeben,
-mit besonders stolzer Empfindung aber Tells Apfelschuß, auf die
-Kupferplatte eingerissen.
-
-In der Stille hegte Ludwig dabei immer die Hoffnung, er dürfe noch
-einmal ein Maler werden, denn das schien ihm mit Recht etwas viel
-herrlicheres als Kupferstecher.
-
-[Illustration: Sonntagsfrühe.]
-
-Eines Abends saß er wieder fleißig an seinem Fenster zwischen den
-duftenden Blumenstöcken über einer Zeichnung und brachte gerade die
-letzten Verbesserungen an -- als sein Pate, der Herr Professor Zingg
-mit Vater und Mutter ins Zimmer trat. Verlegen wollte Ludwig sein
-Kunstwerk vor den gestrengen Augen des gepuderten Meisters verbergen,
-der aber nahm in der Nähe des Knaben Platz und fragte alsbald: »Was
-macht der Bue da?« Der Vater winkte: »Zeigs mal dem Herrn Professor!«
-Errötend brachte es der Junge. Der Pate betrachtete die Zeichnung
-genau, fuhr in der Luft den Linien der abgemalten Esel, Schafe und
-Menschen nach, unter allerlei beifälligen Tönen, und sagte dann
-ganz ernsthaft: »Ah by Gott! Aus dem Bue kann was werde.« Dies Lob
-des ehrfurchtgebietenden Herrn Paten und Professors beschämte den
-angehenden Künstler und spornte ihn mächtig an; wie ein Samenkorn
-in die Frühlingserde, fiel das Wort in sein hoffendes Herz, und er
-arbeitete fortan mit verdoppeltem Eifer.
-
-[Illustration]
-
-Bald danach wurde ganz unerwartet der Vater Richter zum Professor an
-der Kunstakademie ernannt mit einem Gehalte von 200 Talern (M. 600).
-Das war ein Jubel im ganzen Hause. Ludwig wollte sich besonders darüber
-freuen, daß der Vater nicht nur so ein gewöhnlicher, sondern ein
-außerordentlicher Professor geworden sei. Er wußte noch nicht, daß der
-letztere von einem »ordentlichen Professor« sich hauptsächlich dadurch
-unterscheidet, daß er weniger Gehalt bekommt als dieser. Immerhin kam
-die Familie nunmehr in bessere Verhältnisse, auch in eine geräumigere
-Wohnung; und der Vater hatte fortan stets eine Anzahl Schüler um sich
-im Haus, welche sich ganz der Kunst widmeten und deren Umgang für
-Ludwig anregend war.
-
-[Illustration]
-
-Von einschneidender Bedeutung für Ludwigs Zukunft sollte ein Mann
-werden, der scheinbar zufällig und wider Willen in das Richtersche Haus
-geführt ward. Der Buchhändler Christoph Arnold wollte jemand anders
-im gleichen Haus besuchen und kam irrtümlich an die Tür des Zimmers,
-wo Vater und Sohn bei ihren Zeichnungen saßen. Da er den Vater aus
-früherer Zeit kannte, so trat er ein und verweilte ein wenig. Während
-er sich mit dem Vater unterhielt, beobachtete er den Sohn mit einem
-eigentümlichen Interesse, das diesem auffiel, erkundigte sich auch
-nach seinen Verhältnissen und Arbeiten. Schließlich bestellte er für
-ein Werk, das er herausgeben wollte, eine größere Folge malerische
-Ansichten von Dresden und Umgebung und wünschte ausdrücklich, daß auch
-Ludwig bei der Aufnahme und Ausführung der Zeichnungen mitarbeiten
-solle; er sehe, daß er Geschmack habe, nach der Natur zu zeichnen.
-
-[Illustration: Was ihr gethan habt den geringsten meiner Brüder, das
-habt ihr mir gethan. Math 40]
-
-Dieser ehrenvolle und gute Bezahlung versprechende Auftrag war
-Vater und Sohn sehr willkommen. Im Weggehen reichte der freundliche
-Buchhändler Ludwig mit Tränen in den Augen die Hand. Draußen erklärte
-er dem verwunderten Vater, er sei durch Ludwigs Anblick an seinen
-unlängst verstorbenen Sohn, dem er ähnlich sehe, aufs lebhafteste
-erinnert worden, und schloß daran den Wunsch, daß doch Ludwig einen
-bestimmten Abend allwöchentlich in seiner Familie zubringen möchte.
-Der junge Richter wurde in dem wohlhabenden Hause bald heimisch; er
-fühlte sich ganz wie ein Sohn behandelt, und fand besonders auch für
-seine künstlerischen Arbeiten und Pläne das liebevollste Interesse.
-Vater Arnold war es auch, der im geeigneten Moment zu seiner weiteren
-Ausbildung die Hand bot und die Mittel gewährte.
-
-[Illustration]
-
-Für einen künftigen Maler ist es freilich die Hauptsache, daß er
-hinauskommt aus seinem engen Bereich in die weite schöne Gotteswelt, wo
-das Auge neue Bilder, das Gemüt mannigfaltige Eindrücke aufnehmen kann.
-Wie schlug daher unserm jungen Künstler das Herz, als im Jahre 1820
-plötzlich die Frage an ihn erging, ob er nicht Lust habe, den reichen
-russischen Fürsten Narischkin auf einer Reise nach Frankreich, England,
-Italien zu begleiten. Der Fürst war Oberkammerherr der russischen
-Kaiserin, reiste mit großem Gefolge in der Welt herum und wünschte
-dazu auch einen Maler bei sich zu haben, der ihm überall Skizzen
-nach der Natur aufnehmen könne. Neben freier Verpflegung und Reise
-sollte Richter noch ein Jahresgehalt von 100 Dukaten dafür erhalten.
-Sein Glück war groß und sein Ziel, doch einmal ein Landschaftsmaler
-zu werden, schien ihm viel näher gerückt. Im November machte sich
-die Gesellschaft um Mitternacht in mehreren Reisewagen auf den Weg;
-von Dresden ging es über Weimar, Frankfurt, Heidelberg, Karlsruhe
-nach Straßburg und von da über Lyon immer weiter südwärts. Ludwig
-hatte überall Muße, die schönsten Ansichten aufzunehmen, und der
-Fürst ermunterte ihn, sie gleich recht sorgsam auszuführen, denn er
-beabsichtigte ein Album daraus zusammenzustellen und es der Kaiserin
-zu verehren. Was war das für ein Genuß, als unser Freund, der früher
-kaum über sein Dresden hinausgekommen war, nun mitten im Winter durch
-das Land der Zypressen und Lorbeeren, der Oliven- und Mandelbäume
-dahinfuhr und plötzlich in Marseille von der Höhe herab auf das weite
-Meer hinschaute, auf dessen wundervollem Blau eine Unzahl weißer Segel
-wie ausgestreute Blütenflocken erglänzten.
-
-[Illustration]
-
-[Illustration]
-
-Der Fürst war von Ludwigs Kunst sehr angetan, lobte seine Bilder und
-bezeigte ihm öfter seine Gunst. Einmal umarmte er ihn sogar vor einer
-großen Gesellschaft und erklärte, er habe ihn lieb wie seinen eigenen
-Sohn. Ein andermal überreichte er ihm eine goldene Repetiruhr und bat,
-dieselbe als ein Zeichen seiner Erkenntlichkeit und Zufriedenheit
-zu nehmen. Allein es gibt nichts unbeständigeres als die Gunst der
-Großen, das sollte auch unser junger Freund erfahren. Eines Tages
-hatte er in Marseille eine majestätische Piniengruppe, hinter welcher
-eine Pyramide emporstieg, und das blaue Meer sich dehnte, aufs Papier
-gebracht. Täglich arbeitete er angestrengt an seinen Zeichnungen,
-während die andern sich ganz dem Genusse der schönen Natur hingaben.
-Als er beim Nachmittagskaffee dem Fürsten seine Blätter vorlegte,
-bemerkte er sogleich seine üble Laune; und diese loderte beim Anblick
-der Pinienlandschaft auf in den häßlichsten Zorn: »Fort, fort, nehmen
-Sie es weg, ich mag nichts sehen; gehen Sie fort!« Damit wandte er
-sich heftig ab. Bestürzt legte Richter seine Mappe bei Seite, ohne
-sich den Unmut des Fürsten erklären zu können. Ein freundlicher Herr
-des Gefolges löste ihm nachher das Rätsel. Die Pyramide, ein Grabmal!
-hatte den Fürsten an den Tod erinnert, und es erschien ihm als ein
-böses Vorzeichen, daß der Maler für das Album ein solches Bild gewählt
-hatte. Vom Sterben wollte der Fürst wie viele andere haltlose Menschen,
-nichts wissen; wehe dem, der ihn irgendwie daran erinnerte!
-
-[Illustration]
-
-Von Stund an war Richter in Ungnade gefallen bei der russischen
-Durchlaucht, und auch die übrige Gesellschaft wandte sich kalt von ihm
-ab; nur der freundliche Arzt machte eine Ausnahme.
-
-[Illustration]
-
-Sie haben dann auch in Paris noch einige Wochen geweilt. Was für bunte
-Bilder gab es erst dort zu schauen; was für üppige Lust lockte dort von
-allen Seiten, manchen unschuldigen Jüngling schon hatte sie in ihren
-Strudel gezogen. Unser Maler aber war gefeit durch einen Begleiter, den
-er zwar nicht erwählt, den er sogar gerne weggeschickt hätte, welcher
-aber Engeldienste versah: das war die Armut; und so kam er unversehrt
-nach Hause zurück, nach siebenmonatlicher Abwesenheit. Als er in
-Leipzig seinen ausbedungenen Künstlerlohn in 100 goldenen Dukaten vor
-sich auf dem Tisch blinken sah, nicht ohne einige freundliche Worte des
-Fürsten, da dünkte der junge Maler sich so reich wie noch nie, schenkte
-den Kindern, die im Grünen draußen spielten eben am Johannistage,
-gleich einige Silbermünzen und jubelte dabei in seinem Herzen: ich bin
-wieder frei! Die schöne Uhr, die er vom Fürsten erhalten, brachte er
-dem Vater von der Reise mit. Er selbst war um viele Erfahrungen reicher
-geworden und seinem Ziele ein gut Stück näher gekommen.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-5. Ludwig Richter findet einen Schatz.
-
-
-Richter konnte fortan sein Brot selbst verdienen. Er machte weitere
-Zeichnungen für Papa Arnold. Dazwischen brachte er seine ersten
-Ölbilder auf die Leinwand und studirte was er konnte, um sich
-fortzubilden. Sein großer Wunsch stand nach Italien, dem Sehnsuchts-
-und Heimatsland aller Künstler. Dort meinte er, müsse ihm eine große,
-letzte Förderung erblühen.
-
-Eines Vormittags im schönen Mai des Jahres 1823 trat ganz unerwartet
-der gute Vater Arnold in das Richtersche Haus. Er rühmte wie hübsch
-Ludwigs Zeichnungen für sein Buch ausgefallen seien und wie gern dies
-Buch gekauft werde. Nun müsse aber auch für den Maler etwas rechtes
-getan werden zur weitern Ausbildung. Er wisse, daß sein Sehnen nach Rom
-gehe, so solle er nur bald sein Bündel schnüren und ihm die Sorge für
-das Reisegeld überlassen. Vorderhand wolle er ihm jährlich 400 Taler
-(M. 1200) auf 3 Jahre aussetzen, damit er ohne Sorgen studiren könne.
-
-Richter wußte nicht wie ihm geschah. Tiefgerührt drückte er seinem
-Wohltäter beide Hände. Nicht lange danach schnürte er sein Bündel und
-wanderte südwärts über die Alpen gen Rom, -- Eisenbahnen gabs ja damals
-noch nicht, und auf Schusters Rappen sieht und lernt ein Künstler mehr
-als im Eilwagen. Die drei Jahre in der Fremde öffneten unserm Freunde
-allerdings eine ganz neue Welt und bildeten die eigentliche Hochschule
-für seinen spätern Beruf. Dazu fand er einen großen Schatz unterwegs,
-und davon muß ich jetzt noch erzählen.
-
-[Illustration]
-
-Auf der Romreise blieb er einige Tage im schönen Salzburg, um Ausflüge
-zu machen. Allein unfreundliches Wetter verhüllte ihm die Reize des
-Gebirges und zwang ihn in sein Stüblein. Da saß er nun und ließ den
-Kopf hängen; in seiner Einsamkeit sehnte er sich um so mehr nach einem
-treuen Reisegefährten, einem Kunstgenossen womöglich, und hatte doch
-niemand finden können. Da klopft es an seine Tür, herein tritt ein
-älterer Mann, sehr sauber, und auf dem wettergebräunten Gesicht standen
-Tüchtigkeit und Ehrenhaftigkeit geschrieben. Er erzählte, er sei
-Steuermann auf einem holländischen Schiff gewesen und habe Schiffbruch
-gelitten; nun müsse er über Land sich durchschlagen zu Weib und Kind in
-Holland. Das sagte er so treuherzig und bescheiden, daß der junge Maler
-ohne weiteres in die Tasche griff und dem Seemann forthalf. Der dankte
-freundlich, sah ihn lange an als möchte er dem Geber auch etwas Liebes
-erzeigen und sagte: »Ich habe einen langen Weg vor mir, aber ich habe
-einen guten Reisegefährten!« -- »O das ist ja ein Glück«, rief nun der
-andere lebhaft im Gefühl seiner Entbehrung, »wer ist es denn?« -- »Es
-ist der liebe Herrgott selber«, erwiederte der Seemann, ein kleines
-neues Testament aus der Brusttasche ziehend, »und hier habe ich seine
-Worte; wenn ich mit ihm rede, so antwortet er mir daraus. So wandere
-ich getrost, lieber junger Herr!«
-
-[Illustration]
-
-Merkwürdig, diese Rede des einfachen Mannes traf das Herz des jungen
-Künstlers wie ein Pfeil und der Stachel davon blieb lange darin
-stecken. Hatte er doch mit dem lieben Gott bisher noch wenig oder
-nichts sich zu schaffen gemacht und eine Bibel noch niemals gesehen.
-Dieser arme Mann aber sprach und sah aus, als kenne er Gott recht wohl,
-als stehe er im lebendigsten Verkehr mit ihm, daher auch sein getroster
-Mut. Und er fing an, ihn um seinen Schatz, das Büchlein zu beneiden.
-
-[Illustration]
-
-Wenige Tage darauf führte ihn die Reise durch das Zillertal. Von einem
-Unwetter überfallen, mußte er in einer bescheidenen Dorfschenke Halt
-machen. Er fragte die Wirtin, ob sie nichts zu lesen habe. Unter den
-Büchern, die sie ihm in ihrer Schürze bringt, lauter Andachtsbücher,
-findet er eins, das bei seinem Papa Arnold verlegt war, demselben
-der ihm das Geld zur Reise gegeben. Das ist ihm wie ein Gruß aus der
-Heimat; er blättert darin und findet die Abschiedsreden Jesu aus dem
-Evangelium Johannis. Es war ihm ganz neu, daß man solche längere Reden
-Jesu besitze. Da vernahm er zum ersten Male die wunderbaren Worte: Ich
-bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, Niemand kommt zum Vater denn
-durch mich. Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote. Und ich will den
-Vater bitten und er soll euch einen andern Tröster geben, daß er bei
-euch bleibe ewiglich. Diese Worte ergriffen ihn wie Glockentöne aus dem
-Walde, wie Klänge aus einer andern Welt. Obwohl er ihren Sinn nicht
-verstand, hörte er ein leises Echo in seinem Innern und das treuherzige
-Gesicht des alten Steuermannes tauchte wieder auf vor seiner Seele.
-
-[Illustration]
-
-Monate vergingen. Richter schien in Rom am Ziel seiner Wünsche. Natur
-und Kunst boten im alles, was er für sein Studium brauchte; auch fand
-er Kunstgenossen und Freunde genug. In der Tat, er war glücklich. Und
-doch, was war das für ein Heimweh in seiner Brust? Warum überwältigte
-ihn zuweilen das Gefühl, als ob ihm alles fehle? Und er kam sich vor
-wie ein einsamer Schiffer, der ohne Steuer und Kompaß von Wind und
-Wellen getrieben wird, am Himmel Nacht und kein leuchtendes Sternlein.
-Da fiel im einst ein merkwürdiges Buch in die Hand: Stillings Jugend-
-und Wanderjahre, darin fesselte ihn ein Wort und traf ihn ins Herz; es
-lautete: »Wenn der Mensch nicht dahin gelangt, daß er Gott mit einer
-starken Leidenschaft liebt, so hilft ihn alles nichts, und er kommt
-nicht weiter.«
-
-[Illustration]
-
-Aber wie sollte er zu solcher Liebe gelangen? Diese Frage bewegte ihn
-unausgesetzt viele Tage lang. Und Gott sandte ihm einen Freund zur
-Hilfe. Ein junger Maler, Ludwig von Maydell war aus Schweden kürzlich
-nach Rom gekommen. Richter fühlte sich sogleich wunderbar zu dem
-schlichten, festen, fleißigen Manne hingezogen. Am Sylvesterabend des
-Jahres 1824 hatte er ihm versprochen von 10 Uhr ab bei ihm zuzubringen.
-Zur verabredeten Stunde suchte er ihn auf und findet ihn nicht gleich.
-Schon lenkt er seine Schritte in die nächste Straße wo viele junge
-Künstler sich zu einem lustigen Feste versammelt hatten; schon erblickt
-er die leuchtenden Fenster und hört ihren Gesang, da schaut er nochmals
-zurück zu den beiden Dachfenstern, hinter denen der ernste Freund
-wohnte. Ein geheimer Zug des Herzens entschied für diesen. Er versuchts
-noch einmal, dringt durch das Dunkel der schmalen Gänge und Treppen
-durch und findet Maydell in der Küche, den Tee bereitend. Lachend über
-Richters Irrfahrt, führt er ihn in die Stube, wo noch zwei andere junge
-Maler warteten. Bald saßen die vier bei traulichem Gespräche um den
-Tisch. Zuletzt um Mitternacht las Maydell auf Bitten der andern den 8.
-Psalm.
-
-[Illustration]
-
-[Illustration]
-
- »Wenn ich schau den Himmel, Deiner Finger Werk,
- Den Mond und die Sterne, die Du bereitet, --
- Was ist der Mensch, daß Du sein gedenkest,
- Und das Menschenkind, daß Du Dich sein annimmst?«
-
-Aus den einfachen warmen Worten, die die Freunde daran schlossen,
-merkte Richter, daß sie hatten, was ihm noch fehlte: Der Glaube an Gott
-und Christum war der Mittelpunkt ihres Lebens und Strebens. Stillbewegt
-hörte er zu. In dieser Nacht ging eine große Umwandlung mit ihm vor.
-Als die Freunde zum Schluß den alten schönen Choral anstimmten: Nun
-danket alle Gott -- da konnte auch unser Ludwig Richter freudigen
-Herzens mitsingen. Und als am Neujahrsmorgen die Sonne ihre ersten
-Strahlen in Richters Kämmerlein sandte und der Ton des Morgenglöckleins
-vom benachbarten Kirchlein in sein Fenster drang -- erwachte er aus
-tiefem Schlafe mit dem Gefühl eines unaussprechlichen Glückes, das ihm
-zu Teil geworden, Friede und Freude erfüllte sein Herz, er fühlte sich
-wie neugeboren und es war ihm als müsse er die ganze Welt an sein Herz
-drücken. Wie ein Blitz durchdrang ihn das Bewußtsein: »ich habe Gott,
-ich habe meinen Heiland gefunden, nun ist alles gut, nun ist mir ewig
-wohl.«
-
-[Illustration]
-
-Es läßt sich denken, daß er von da an mit Maydell durch innigste
-Freundschaft verbunden blieb bis an sein Ende. Zeitlebens hat er Gott
-gedankt für den Schatz, den er damals bei jenem Freunde gefunden. Im
-Alter schrieb er einmal am Sylvesterabend in sein Tagebuch: Heut um die
-Mitternacht wird es fünfzig Jahre, ein halbes Jahrhundert, daß ich in
-Rom mit Maydell beisammen war und mir in der Finsternis, die mich mit
-Bangen erfüllte, ein helles Licht ausging. In jener Nacht fand ich den
-Weg zu Gott und zu unserm Herrn Jesu Christo.
-
-So ists gekommen, daß Richter später nicht blos ein großer Maler,
-sondern auch ein frommer Maler ward.
-
-[Illustration]
-
-
-
-
-6. Auf der Höhe des Lebens.
-
-
-In Rom malte Richter sein erstes großes Ölgemälde und sandte es seinem
-Wohltäter, dem Vater Arnold, zum Dankgeschenk. Ein zweites Bild das
-er nach Dresden schickte, wurde von der dortigen Kunstakademie sehr
-ehrenvoll aufgenommen und belohnt. Richter war ein großer Künstler
-geworden. Am 1. April 1827 trat er den Heimweg wieder an. Sein treuer
-Freund in Rom, der evangelische Gesandtschaftsprediger Rothe, machte
-ihm ein eigentümliches Geschenk zum Abschied, das von liebevoller
-Fürsorge zeugte. Er bescheerte ihm nämlich ein -- feines schwarzes
-Hündlein, das ihm als Reisegefährte dienen sollte. Gar treuherzig sah
-der kleine Spitz bei der Vorstellung zu seinem neuen Herrn auf, setzte
-sich auf die Hinterpfoten und streckte süßsauer lächelnd die Zunge
-heraus. Piccinino hieß das Hündchen, wurde aber im deutschen Land
-später einfach Pitsch gerufen. Es sollte dem fußreisenden Künstler, dem
-eifrigen Läufer als Hemmschuh dienen, damit er sich nicht wieder wie
-auf der Herreise durch Gewaltmärsche krank mache; der Freund wußte, daß
-der warmherzige Richter dem Tierchen keine Strapazen zumuten werde.
-
-Was für eine Freude, als der Sohn endlich wieder im Elternhause in
-Dresden anlangte. »Sieh da, Ludwig der Römer! Nun schön willkommen!« so
-rief ihm der Vater entgegen. Ludwig mußte aber jetzt auf eigenen Füßen
-stehen. Er mietete eine kleine Wohnung für sich und nun gings an ein
-fröhliches Schaffen.
-
-Noch im selben Jahre feierte unser Maler seine Hochzeit mit Gustchen
--- Auguste -- Freudenberg von Dresden, die er schon lange geliebt. 27
-Jahr lang war er mit ihr aufs innigste verbunden, ein reiches, schönes
-Familienleben wurde ihnen bescheert.
-
-[Illustration]
-
-Kaum hatte Richter seinen Hausstand begründet, so erhielt er einen
-Ruf als Lehrer an die Zeichenschule in Meißen mit einem Jahresgehalt
-von M. 600. -- Das war freilich zum Leben viel zu wenig, aber es
-war doch etwas sicheres, und das ist für einen angehenden Künstler
-viel wert. Daneben hoffte er durch Verkauf von Bildern das Nötige zu
-verdienen. So zog er freudig in das schöne Meißen, dessen malerische
-Lage im Elbtal, 5 Stunden nördlich von Dresden ihn längst entzückt
-hatte. Die Zeichenschule befand sich auf der das Städtchen hoch
-überragenden Albrechtsburg, einem in gotischen Stil kunstreich erbauten
-Schlosse; auf hoher Wendeltreppe stieg man zu den herrlichen Räumen
-der Kunstschule hinan, wo die Plätze der jungen Zeichner sich wie
-»Sperlingsnester am Hochaltar« ausnahmen und den weitesten Ausblick auf
-Stadt und Strom boten. Richter selbst wohnte in einem altertümlichen
-hohen Haus gegenüber; und das trauliche Heim belebte sich bald auch
-durch Kinderstimmen. Das älteste Töchterlein Marie wurde geboren, als
-gerade vom Turm der Choral geblasen wurde: Nun danket alle Gott. Danach
-folgten Heinemännel (Heinrich) und Aimée. Wie manchmal hat des Vaters
-Stift der Kinder frohes Spiel und der Mutter treue Fürsorge gezeichnet;
-und das gelang ihm noch viel besser als Landschaften zu malen. Er
-merkte, daß die Darstellung deutschen Familien- und Volkslebens sein
-eigentliches Gebiet sei. So entstanden in Meißen die ersten der
-sinnigen herzerfreuenden Bilder, die Richter zum Liebling des deutschen
-Volkes und besonders der Kinder gemacht haben. An langen Winterabenden
-saß der Maler oft mit den Kindlein am Ofen, erzählte Geschichten und
-zeigte Bilder. Zuletzt greift er auf ihr Verlangen und Betteln zum
-Stift und zeichnet vor ihren Augen die Erlebnisse des Tages, macht
-auch wohl noch lustige Verslein dazu, die sich den Kindern wie von
-selbst einprägen. Wie jauchzten die Kleinen, wenn sie unter des Vaters
-Händen die Gestalten gleichsam hervorwachsen sahen, wenn sie forschten
-und errieten, was für ein Bild sich wohl aus den einzelnen Linien
-entwickeln werde. In Erinnerung an diese schönen Abendstunden und an
-die Freude seiner eigenen Kinder hat Richter später seine Bilderbücher
-»Fürs Haus« herausgegeben -- vielleicht das Beste was er dem deutschen
-Hause geboten hat.
-
-[Illustration]
-
-Manche Sorgen und Krankheit der geliebten Frau trübten die Meißner
-Zeit für unsern Künstler; er hat sie scherzend die sieben magern Jahre
-Pharaos genannt, weils oft knapp herging in seinem Haushalte. Aber sein
-lebendiges Gottvertrauen und froher Mut hielten ihn aufrecht -- und zur
-rechten Zeit wurde er nach Auflösung der Meißner Zeichenschule 1835 als
-Akademielehrer nach Dresden berufen an des pensionirten Vaters Stelle.
-So durfte Richter von schwerer Last befreit, wieder in seine geliebte
-Vaterstadt zurückkehren, und neue Schaffenslust entfalten. 1841 erhielt
-er den Professorentitel. Auch wurden ihm noch zwei herzige Töchterlein,
-Helene und Lieschen bescheert. Warme Liebe umgab ihn zu Hause; seine
-Schüler hingen voll Verehrung an ihm; seine Kunst brachte ihm mehr und
-mehr Gunst und Erfolg, er war ein glücklicher Mann und hatte die Höhe
-des Lebens gewonnen.
-
-Von allen Seiten bekam er Aufträge und sein Stift konnte zeitweise
-den vielen Wünschen und Bestellungen nicht nachkommen. Viele der
-Zeichnungen hat seine Tochter Aimée in Holz geschnitten sowie deren
-Mann, der treffliche August Gaber.
-
-Wäre Richter, wie er ursprünglich sich wünschte, ein Landschaftsmaler
-geworden und geblieben, so hätte er für reiche Leute, hohe Herren
-und für Gemäldegalerien Bilder geliefert, und hätte dort für
-seine Kunstwerke gewiß Anerkennung und Bewunderung gefunden --
-dem Volke aber, dem einfachen Manne und der Kinderwelt wäre er
-unbekannt geblieben. Durch die Holzschnitte jedoch, mit denen er
-die verschiedensten Volks- und Jugendbücher illustrierte, ist er
-ein rechter Hausfreund geworden. Gott hat ihm eine wunderbare Gabe
-verliehen, anschaulich, verständlich und dabei mit viel Humor und
-Liebenswürdigkeit das tägliche Tun und Treiben der Menschen in Haus und
-Hof, in Feld und Wald, in Lust und Leid, darzustellen, als einer der
-alles selber erlebt und empfunden hat.
-
-[Illustration]
-
-Von Trauer ist sein schönes Familienleben nicht verschont geblieben.
-Unter den blühenden Rosen des reizend gelegenen Gartenhauses am
-Haldenschlag erkrankte die älteste Tochter Marie und entschlief nach
-heißem Kampf, erst achtzehnjährig. Aus jenem großen Leid stammen
-Richters ergreifende Zeichnungen zu den Liedern: »Es ist bestimmt in
-Gottes Rat«, und »Es ist ein Schnitter der heißt Tod«, sowie von dem
-Nachtwächter am offenen Grabe, mit dem bedeutsamen Worte »Marie« auf
-dem Grabkreuz daneben.
-
-Noch schwerer war der Schlag, der Richter im Sommer 1854 traf, da ihm
-ganz plötzlich seine treue Hausfrau von der Seite gerissen wurde.
-
-Seine eigenen Kräfte hatten schon begonnen abzunehmen infolge
-Überanstrengung in Dresden. Im nahen Loschwitz an der Elbe hatte er
-sich ein hübsch an den Bergeshang gelehntes Bauernhaus gekauft, wo er
-stillen Sommeraufenthalt mit den Seinen liebte. Im Jahre 1874 erschien
-sein letztes Werk. Ein einzelnes Blatt aus dem gleichen Jahr trägt
-seine eigenhändige Unterschrift: Meine letzte Zeichnung L. Richter. Ein
-Augenleiden, infolge der feinen Zeichen- und Radierarbeiten, hatte dem
-fleißigen Künstler Halt geboten.
-
-[Illustration: Herr bleibe bei uns]
-
-Er benutzte die Muße, um seine Jugenderinnerungen aufzuschreiben.
-Er hat sie zum Teil seinem Sohne Heinrich diktiert und es ist ein
-herrliches Buch daraus geworden, das Jedermann nur mit Genuß lesen
-kann. Als Richter seines Augenlichts zuletzt ganz beraubt war, wurde
-er von seinen Freunden vielfach bemitleidet. So meinte einmal einer
-von ihnen, als der Meister im Garten auf und ab ging: ob es ihm, der
-so viel Sinn für die Herrlichkeit Gottes in seinen Werken gehabt habe,
-nicht recht schwer sei alle die Blumenpracht jetzt nicht mehr bewundern
-zu können? »O«, sagte der edle Mann lächelnd, »wenn ich mich so in
-der schönen Natur ergehe, finde ich gar mancherlei blühende Blumen.
-Ich überdenke da mein langes Leben und pflücke in so viel herrlichen
-Erfahrungen ein Blümlein ums andere, bis es am Ende ein großer Strauß
-wird von lauter Gnadenerweisungen meines Gottes und Heilandes, -- an
-dem sich mein inneres Auge nicht satt sehen kann.«
-
-An mancherlei Ehrungen hat es dem großen Künstler nicht gefehlt. Der
-alte Kaiser Wilhelm I. setzte ihm 1876 einen Ehrensold aus von jährlich
-Mk. 3000. Die Stadt Dresden ernannte ihn zum Ehrenbürger. Am 80.
-Geburtstag wurden ihm zahllose Liebes- und Ehrenbezeugungen von allen
-Seiten, darunter auch ein glänzender Ordensstern von seinem sächsischen
-Landesherrn, zu Teil.
-
-Er blieb der schlichte bescheidene Mann, der er immer gewesen. Bevor
-er sich früh an den Arbeitstisch setzte, las er den Seinen den
-Morgensegen. Ein bequemer brauner Hauspelz war sein täglich Kleid.
-Enkel und Urenkel hat er gesehen und fröhlich mit ihnen gescherzt.
-Am 19. Juni 1884 beschloß er sein reiches gesegnetes Leben in seiner
-Vaterstadt Dresden. Sie hat ihn im Denkmal verewigt auf der berühmten
-Brühlschen Terrasse, freundlichen, sinnenden Blickes schaut der Meister
-in die Ferne, das Skizzenbuch bereit auf seinem Schoß; um den Sockel
-aber spielen Eidechse und Farrenkraut. Er selbst hat gern unter sein
-Bild, unter den gütigen, geist- und gemütvollen, von weißem Haar
-umwallten Kopf, die Worte gesetzt:
-
-»Große Gedanken und ein reines Herz, das ist's was wir uns von Gott
-erbitten sollten.«
-
-Und wir setzen dazu:
-
-»Selig sind die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.«
-
-[Illustration: Hosianna]
-
-[Illustration: Lasset die Kindlein zu mir kommen.]
-
-
-
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
-
- Das Original ist in Fraktur gesetzt.
-
- Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Ludwig Richter. Ein deutscher Maler
-und Hausfreund., by Johannes Ninck
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LUDWIG RICHTER ***
-
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-
-
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- The Project Gutenberg eBook of Ludwig Richter, by J. Ninck.
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-<pre>
-
-The Project Gutenberg EBook of Ludwig Richter. Ein deutscher Maler und
-Hausfreund., by Johannes Ninck
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-Title: Ludwig Richter. Ein deutscher Maler und Hausfreund.
- Seine Lebensgeschichte für Jung und Alt erzählt
-
-Author: Johannes Ninck
-
-Illustrator: Ludwig Richter
-
-Release Date: January 29, 2017 [EBook #54071]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LUDWIG RICHTER ***
-
-
-
-
-Produced by The Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/cover.jpg" alt="Cover" />
-</div>
-
-<div class="chapter">
-<h1>Ludwig Richter.<br />
-<span class="smaller">Ein deutscher Maler und Hausfreund.</span></h1>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-001.png" alt="" />
-</div>
-
-<p class="center larger">Seine Lebensgeschichte</p>
-
-<p class="center">für Jung und Alt erzählt von<br />
-••••• J. Ninck. •••••</p>
-
-<p class="center p2">75.&ndash;125&nbsp;000</p>
-
-<p class="center p2">Carl Hirsch,<br />
-<span class="smaller">Verlagsbuchhandlung für christliche Literatur und Kunst.<br />
-Konstanz</span>.
-</p>
-</div>
-<hr class="chap" />
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-002.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_3">[3]</a></span></p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-003.png" alt="" />
-</div>
-</div>
-
-<div><img class="drop" src="images/drop-a.png" alt="" /></div>
-<p class="drop drop-a">Alle die vielen schönen Bilder, mit denen
-dies Büchlein geschmückt ist, sind von
-ein und demselben Manne gezeichnet
-worden. Um sie abdrucken zu können
-mußte jede Zeichnung dann noch mit
-einem scharfen Messer in hartes Holz hineingeschnitten werden, daher nennt
-man diese Bilder Holzschnitte. Wer hätte nicht seine Freude an diesen
-feinen Holzschnitten! Versuch einmal sie nachzuzeichnen. Dann merkst Du<span class="pagenum"><a id="Seite_4">[4]</a></span>
-erst, wie viel Mühe und Sorgfalt
-hinter diesen saubern Bildchen
-steckt. Wieviel Striche
-und Strichlein gehören zu solch'
-einem hübschen Ganzen!
-</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-004a.png" alt="" />
-</div>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-004b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p class="noind">Aber
-ehe der Maler seine Striche
-machte, mußte er sich das Bild
-erst im Kopfe ausdenken,
-mußte er seine Gedanken schnell
-in einigen Umrissen aufs Papier
-bringen; das nennt man
-einen Entwurf, eine Skizze.
-Der erste Entwurf gefiel ihm
-nicht und er versuchte einen
-zweiten, dritten Entwurf. So
-hat er für ein einziges Bildchen manchmal 5 bis 10 Skizzen gemacht, bis
-es ihm endlich gefallen und gelingen wollte. Solche Bilder zu schaffen, wie
-wir sie hier vor uns sehen, dazu gehört nicht blos viel Arbeit, nicht blos
-eine lange Übung und Ausbildung, sondern vor allem eine große Kunst!
-Und nun denke, der Mann, der uns die 50 Holzschnitte dieses Heftes gezeichnet,
-hat im Ganzen 3334 solcher Holzschnitte geschaffen! und viele sind noch weit
-größer und figurenreicher als die in unserm kleinen Buche enthaltenen. Das
-muß ein fleißiger Mann gewesen sein! Wie heißt er nur? Auf vielen seiner
-Holzschnitte findet man an irgend einem verborgenen
-Plätzchen ein L. R. stehen, das bedeutet:
-Ludwig Richter. Außer jenen Holzschnitten
-hat dieser große weltberühmte Künstler
-auch noch prächtige farbige Ölgemälde und
-andere Arten von Bildern, z. B. sog. Radierungen,
-Stahlstiche, in Menge hervorgebracht.
-Am liebsten aber hat er Bücher mit Bildern
-geschmückt, und am allerliebsten für die Jugend.
-So hat er zum Robinson Crusoe und zu
-manchem Märchenbuch die Bilder gezeichnet.
-Es ist gewiß Niemand unter meinen Lesern,
-der nicht schon Illustrationen von der Hand
-dieses trefflichen Meisters Ludwig Richter
-gesehen und sich daran erfreut hätte. Mir ist
-er ein lieber Freund gewesen von Jugend auf,
-und ich habe ihn auch persönlich gekannt. Jetzt
-weilt er schon manches Jahr nicht mehr unter
-den Lebenden. Ich will ein wenig aus seinem
-Leben, besonders von seiner reichbewegten
-Jugend, erzählen.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_5">[5]</a></span></p>
-
-<h2 id="kap1">1. Ludwig Richters Elternhaus.</h2>
-</div>
-
-<div><img class="drop" src="images/drop-d.png" alt="" /></div>
-<p class="drop drop-d">Dresden, die sächsische Residenz, ist schon von manchem
-Reisenden für die schönste Stadt Deutschlands erklärt
-worden. Einmal nämlich liegt sie am herrlichen Elbestrom,
-unweit den waldigen Bergen der sächsischen
-Schweiz und des Erzgebirges, und zum andern zeichnet
-sie sich aus durch fürstliche Gebäude und reiche Kunstschätze.
-In dieser Stadt wurde Adrian Ludwig Richter
-am 28. September 1803, also am Tage vor Michaelis,
-geboren. Sein Vater war ein unbemittelter Landschaftszeichner
-und Kupferstecher; zu dem Ältesten, Ludwig, gesellten sich später
-noch 2 Söhne und eine Tochter. Vom Vater her sollte Ludwig eigentlich<span class="pagenum"><a id="Seite_6">[6]</a></span>
-katholisch erzogen werden; weil
-jedoch seine Mutter evangelisch war
-und blieb, so fühlte er sich auch in
-der evangelischen Kirche heimisch.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-005.png" alt="" />
-</div>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-006a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Zu den größten Freuden gehörte
-es für den kleinen Ludwig allemal,
-die Großeltern Müller zu besuchen,
-die in Dresden ein kleines Kaufmannslädchen
-und ein Haus mit
-sehr großem Garten besaßen. Auf
-dem Wege dahin kam der dreijährige
-einst an einem schönen
-Rasenplatz vorüber mit vielen
-blauen Glocken- und Sternblumen,
-die ihn aufs allerlebhafteste fesselten.
-Als er nach dem Kaffee beim
-Großvater einen Augenblick sich selbst überlassen war, fielen ihm die lieblichen
-Blümlein wieder ein, die ihm solche Freude bereitet hatten. Flugs machte
-er sich auf, wackelte vertrauensselig durch mehrere einsame Gassen zurück
-zu dem schönen Rasenplatz, und pflückte für Großpapa einen großen Strauß;
-aber statt nun dessen Haus wieder zu finden, trippelte er in der entgegengesetzten
-Richtung immer fort. Um Mitternacht stand das kleine Männlein,
-den Blumenstrauß immer noch fest in der Hand mitten auf dem mondscheinbeleuchteten
-Marktplatz vor dem Rathause, ein winziges ängstliches Figürchen
-auf dem weiten öden Platze &ndash; da kam der Rettungsengel in Gestalt eines
-Nachtwächters, den Dreimaster auf dem Kopfe und den Säbel an der Seite,<span class="pagenum"><a id="Seite_7">[7]</a></span>
-und trug den Flüchtling zu der in Todesängsten schwebenden Mutter, die
-ihren Verlust bereits auf dem Rathause gemeldet hatte. Dies Erlebnis
-bildete eine der frühesten unauslöschlichen Erinnerungen Ludwig Richters.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-006b.png" alt="" />
-</div>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-007.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Wie viele Herrlichkeiten gab es doch bei den Großeltern! Schon das
-Kauflädchen war ein höchst interessantes Heiligtum: Das Fenster außen
-garnirt mit hölzernen, gelb und orange bemalten Kugeln, welche Citronen
-und Apfelsinen vorstellten; dann der große blanke Messingmond, vor welchem
-Abends die Lampe angezündet wurde und welcher dann mit seinem wunderbaren
-Glanze das Lädchen in einen Feenpalast verwandelte; die vielen verschlossenen
-Kästen, der anziehende Syrupständer, die Büchsen mit bunten<span class="pagenum"><a id="Seite_8">[8]</a></span>
-Zuckerplätzchen, Johannisbrot und
-andern Süßigkeiten! Und der Besitzer
-aller dieser Schätze war der
-Großvater unseres Ludwig! und der
-steckte seinem Enkel gar gern etwas
-zu! Mit einer großen Zipfelmütze
-auf dem Kopf und einer braunen
-Schürze vor der Brust fuhr er geschäftig
-in dem Lädchen hin und
-her und gab jedem das Seine. Die
-Klingel an der Tür bimmelte unaufhörlich &ndash; da wogte es beständig aus und
-ein &ndash; ein buntes Treiben für das aufmerksame Auge des künftigen Malers.</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-008a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Ein Hauptvergnügen verschaffte unserm Ludwig der dicke Stoß bunter
-Bilderbogen, welche der Großvater zum Verkauf hielt. Der Verfertiger
-dieser »Kunstwerke«, ein gewisser Rüdiger, den Ludwig mit ehrfurchtsvoller
-Bewunderung in seinem großen Dreimaster, grünen Frack und Schnallenschuhen
-die Straße hinabwandeln sah, mag ihm damals als ein großer
-Meister erschienen sein.</p>
-
-<p>Und dann welche Freude bot der große Garten des großelterlichen
-Hauses! Da wurde gespielt, geklettert, gepflückt nach Herzenslust. Ein
-Lieblingssitz war der uralte Birnbaum mit seinen mächtigen Ästen. Manche
-Stunde verbrachte der kleine Ludwig träumerisch in dem grünen Gezweig,
-um sich die zwitschernden Finken und Spatzen, mit welchen er zur Zeit der
-Reife die zahllosen Birnen des alten Baumes teilte. Von diesem verborgenen
-Aufenthalte überblickte man den ganzen Garten mit seinen Sträuchern und
-Beeten und Blumen und Wegen, blickte über die Gartenmauern hinweg
-zu den gelben Kornfeldern und fernen Höfen.</p>
-
-<p>Ja das waren goldene Jahre, die Kindheit im Hause der Eltern und
-Großeltern. Aber es wird Zeit, unsern Ludwig zu begleiten auch in</p>
-
-<hr class="chap" />
-<div class="chapter">
-<h2 id="kap2">2. die Schule.</h2>
-</div>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-008b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Das Schönste und Berühmteste im heutigen
-Dresden ist das Museum am Zwinger; wer
-das nicht gesehen hätte in Dresden, der wäre in
-Rom gewesen ohne den Papst zu sehen. In
-dem Museum hängen hunderte der herrlichsten
-Gemälde aus allen Zeiten und Ländern, und
-in einem Zimmer ganz allein, wie in einer
-Betkapelle, hängt die himmlische Mutter mit
-dem Kinde, von Raffael gemalt, die sog. sixtinische
-Madonna, das weltberühmte Bild, das zu dem
-schönsten gehört was menschliche Hand aufs
-Papier gezaubert hat.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_9">[9]</a></span></p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-009.png" alt="" />
-</div>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-010a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Vor hundert Jahren nun, da stand an der Stelle, wo heute dies
-Museum mit der sixtinischen Gottesmutter sich erhebt, ein schmuckloses
-Häuslein, drin saß alltäglich eine Schaar munterer Büblein in Reih und<span class="pagenum"><a id="Seite_10">[10]</a></span>
-Glied, mit Schiefertafel und Stift in
-den Händen, und der gestrenge Herr
-Lehrer schrieb ihnen Buchstaben an die
-Wand zum Nachschreiben, und Zahlenexempel
-zum Ausrechnen. Es war die
-Schule unseres kleinen Ludwig Richter.
-Er bekennt selbst, daß sie ihm nicht viel
-Freude gemacht, daß sie ihm statt der
-Birnen im großelterlichen Garten &ndash;
-Kopfnüsse gebracht ohne Zahl, weil ihm
-besonders das Rechnen gar nicht in
-den Kopf wollte. Die schöne Fläche
-der Schiefertafel hatte für ihn etwas
-sehr verlockendes, nämlich statt mit Ziffern,
-sie mit Zeichnungen zu füllen. Eines
-Tages war er gerade daran, eine große
-Schlacht zu malen mit viel Soldaten
-und mächtigem Pulverdampf. Und auch
-sein Nachbar auf der Bank schaute
-statt zu rechnen lieber zu, wie diese
-Schlacht da auf der Tafel ablief. Ganz in seine Zeichnung vertieft rief
-der junge Künstler halblaut: »Jetzt muß die Kavallerie einhauen«, im selben
-Augenblick schlug das Rohrstäbchen des Lehrers ganz unbarmherzig auf ihn
-los: »ja einhauen soll sie, einhauen soll sie« &ndash; so wurde es zur Tat
-gemacht, was Ludwig hatte abbilden wollen. Die Tafel wurde ihm abgenommen
-und dem Direktor vorgelegt. Er selbst wurde bei den Ohren
-zur Türe geführt, und dort mußte er knieen bis die Stunde aus war und
-die Reutränen flossen.</p>
-
-<p>Anders als beim Rechenlehrer erntete Ludwig in der Schreibstunde
-großes Lob. Die großen kunstvollen Vorschriften, welche er gemacht hatte,
-hingen, wie er selbst mit Stolz erzählt, noch lange unter Glas und Rahmen
-in der Klasse.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-010b.png" alt="" />
-</div>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-011.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Da der Weg zur Schule sehr weit war, bestellten die Eltern einen
-vorgerückteren Schüler als Mentor, welcher ihren Ludwig täglich gegen eine<span class="pagenum"><a id="Seite_11">[11]</a></span>
-kleine Vergütung abholen und wieder heimbringen mußte. Obwohl er
-Gabriel hieß, hatte er mit einem Schutzengel doch keine Ähnlichkeit, sondern
-war für Ludwig ein grausamer Tyrann, ja entpuppte sich zuletzt als ein
-Verführer. Eines Tages wollte er den Kleinen zwingen, einem Trödler,
-bei dem sie auf dem Schulwege vorüberkamen, ein Buch für ihn abzustehlen.
-Ludwig gab unter vielen Tränen seinen schändlichen Drohungen nach und
-brachte ihm das Gewünschte; er gestand es aber sogleich den Eltern und
-wurde nun von dem gewissenlosen Menschen befreit. Als er später mit
-dem ersten Künstlerruhm von Rom zurückkehrte, fand er diesen Gabriel als
-Brezeljungen an einer Straßenecke stehn. Unehrliche Leute bringens im
-Leben nicht weit. &ndash; Bald nach genanntem Vorfall wurde Ludwig selbst
-der Führer seines jüngern Bruders Willibald, der in die gleiche Schule
-kam; treulich wartete er auf ihn bis seine Klasse aus war, und ging dann
-Hand in Hand mit ihm dem Elternhause zu. Drollig sahen die beiden
-Brüder im Winter aus, da sie in gleichen Pelzmützen und in gleichen
-Mänteln prangten, aus Großvaters altem braunen Kapuzinerkuttenmantel
-gefertigt. Dazu trug jeder ein Paar Fausthandschuhe, an grünen Bändern
-befestigt. Und wenn sie so mit ihren Ränzeln ehrbar nach Hause wanderten,<span class="pagenum"><a id="Seite_12">[12]</a></span>
-dann kam ihnen wohl eine Schar evangelischer Knaben
-in den Weg, titulirten sie: »katholische Möpse« und
-begannen ein Handgemenge. Schneeballen flogen,
-Lineale und Bücher dienten als Waffen &ndash; aber
-zuletzt wurden die »Katholischen« aufs Haupt oder
-auf die Pelzmütze geschlagen und mußten unter Hohngeschrei
-der »Evangelischen« den Rückzug antreten.</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-012a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Ergötzlicher waren die vielen in Läden ausgestellten
-Bilder und Raritäten, an denen der Schulweg
-vorbeiführte. Der höchste Kunstgenuß aber
-wurde unserm Ludwig zu Teil, als eines Tages der
-Vater einen großen Pack mit Kupferstichen und
-Zeichnungen heim brachte, die er von den Erben eines verstorbenen
-Künstlers billig erstanden hatte. Manche Stunde saß nun das Söhnlein
-vor den schönen Bildern, lauschte mit Begier den Erklärungen des Vaters,
-welcher darüber ganz gesprächig wurde, und so erwuchs, ihm selber unbewußt,
-eine Liebe zur Kunst in ihm, die später die schönsten Früchte bringen sollte.</p>
-
-<hr class="chap" />
-<div class="chapter">
-<h2 id="kap3">3. Kriegszeiten.</h2>
-</div>
-
-<p>An einem schwülen Sommerabend des Jahres 1811 standen die
-Dresdener in Gruppen auf der Straße und sahen zum Himmel. Ludwig
-und sein Vater gesellten sich zu ihnen. Sie schauten &ndash; den Kometen,
-einen großen Stern, der mit langem Feuerstreif unheimlich
-geisterhaft über den dunkeln Häusern schimmerte und die
-Gemüter mit Bangen erfüllte. Man erblickte darin ein Anzeichen
-neuer großer Kriege, die über die beunruhigten Völker
-heraufziehen würden.</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-012b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Hielt doch seit Anfang des Jahrhunderts der Franzosenkaiser
-Napoleon I. ganz Europa in Aufregung und Kriegsnot.
-Und jetzt eben stand ein neuer gewaltiger Kriegszug bevor
-&ndash; gegen Rußland.</p>
-
-<p>Im Frühjahr 1812 erschien Napoleon mit seiner Gemahlin
-in Dresden. Ihm voran zogen seine prachtvollen Garden,
-eine Schaar Mamelucken, Trompeter und Trommler &ndash; ein
-buntes kriegerisches Schauspiel für den achtjährigen Ludwig.
-Täglich gab es nun neues zu sehen, Truppenzüge aller Art,
-Illuminationen, Feuerwerke, die Einzüge verschiedener Fürsten
-welche dem Kaiser in Dresden huldigen wollten. Von
-Schule war natürlich keine Rede in jener Zeit; Ludwig lag<span class="pagenum"><a id="Seite_13">[13]</a></span>
-den ganzen Tag am Fenster und schaute, was es zu sehen gab. Auch im
-Hause gabs mancherlei Unterhaltung, denn alles war mit Soldaten besetzt.
-Diese Einquartierung war um so schlimmer, als für den Vater damals
-jeder Verdienst aufhörte. Es ist ein Wunder, wie die Familie durchkam.
-Eine Zeit lang hatten sie dreizehn Mann auf einmal in ihrem bescheidenen
-Häuslein, denn der Vater hatte auch die Mannschaft noch zu sich genommen,
-welche zweien über ihm wohnenden Witwen zukam. Oft stand der gute
-Vater selbst am Kochherd und rührte in einem riesigen Topfe den Brei
-für die vielen Mitesser.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-013.png" alt="Das Habermuß" />
-</div>
-
-<p>Bekanntlich endete der russische Feldzug des gewaltigen Eroberers
-mit der entsetzlichsten Niederlage und dem schrecklichsten Jammer für sein
-stattliches Heer. Neue Kriege auf deutschem Boden waren die Folge.
-Die Völker erhoben sich, um das Joch des Kaisers für immer abzuschütteln.
-Dresden hatte wie wenig andere Städte Deutschlands die Leiden des Krieges
-zu schmecken. Im August 1813, wo 200000 Soldaten vor Dresden standen,
-flogen die Kugeln bis in die Straßen und Häuser der Stadt, und ängstlich
-flüchteten die Bewohner in die Keller. Herzzerreißende Bilder aber sah
-Ludwig als er am Morgen nach der zweitägigen Schlacht mit dem Vater
-das Schlachtfeld besuchte, um armen Verwundeten Hilfe zu bringen. Aufs
-tiefste erschüttert kehrte er nach Hause zurück.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_14">[14]</a></span></p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-014a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Die Kriegsnöte sollten noch nicht
-sobald vorübergehen. Die Stadt
-Dresden wurde eingeschlossen, die Vorräte
-waren aufgezehrt, die Teuerung
-nahm überhand. Die Bäcker hatten
-die Läden geschlossen, wo aber einer
-am Morgen etwas gebacken hatte, da
-gab es ein Gedränge, daß man seines
-Lebens nicht sicher war.</p>
-
-<p>So machte denn auch Ludwig eines
-Morgens den Versuch, aus einem ganz
-belagerten Bäckerladen ein Groschenbrötchen
-zu erlangen. Die gute Bäckersfrau
-bemerkte ihn und rief, man solle doch den Kleinen heranlassen; und so
-erhielt er denn für seinen Groschen ein winzig kleines Brötchen. Es fest
-unter dem Mantel haltend, bemühte er sich aus dem Gedränge herauszukommen;
-als er jedoch glücklich sich durchgewunden, fand er nur noch ein
-fingerlanges Stückchen in seiner Hand, was ein mageres Frühstück gab.</p>
-
-<p>Erst als die Franzosen im November 1813 abgezogen waren, brachen
-bessere Tage an, trafen große Wagen mit Lebensmitteln ein und alles
-durfte wieder aufatmen.</p>
-
-<p>Wenn man solche schwere Zeiten miterlebt hat, so behält das ganze Leben
-einen Ernst und man genießt um so dankbarer die Segnungen des Friedens.</p>
-
-<hr class="chap" />
-<div class="chapter">
-<h2 id="kap4">4. »Aus dem Bue kann was werde«.</h2>
-</div>
-
-<div><img class="drop" src="images/drop-w.png" alt="" /></div>
-<p class="drop drop-w">Was Ludwig einmal werden sollte, davon wurde zu Hause
-kein Wort gesagt &ndash; es verstand sich von selber, daß
-er in des Vaters Fußstapfen trete, als Zeichner und
-Kupferstecher. Gerade so wurde es später auch mit
-den Geschwistern gehalten. Als Ludwig 12 Jahre
-alt war, sagte er der Schule Lebewohl und bekam ein
-Plätzchen neben des Vaters Arbeitstisch, um auf
-eigene Faust im Zeichnen sich zu üben, oder dem
-Vater beim Kopiren und Radiren (d. h. auf Kupfer
-ätzen) von allerhand Kalenderbildern zu helfen. So
-hat er, noch ein Kind, die Schlacht von Waterloo,<span class="pagenum"><a id="Seite_15">[15]</a></span>
-den Wiener Kongreß, dazu grausige Feuersbrünste, Mordtaten, Erdbeben,
-mit besonders stolzer Empfindung aber Tells Apfelschuß, auf die Kupferplatte
-eingerissen.</p>
-
-<p>In der Stille hegte Ludwig dabei immer die Hoffnung, er dürfe noch
-einmal ein Maler werden, denn das schien ihm mit Recht etwas viel
-herrlicheres als Kupferstecher.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-015.png" alt="Sonntagsfrühe" />
-</div>
-
-<p>Eines Abends saß er wieder fleißig an seinem Fenster zwischen den
-duftenden Blumenstöcken über einer Zeichnung und brachte gerade die
-letzten Verbesserungen an &ndash; als sein Pate, der Herr Professor Zingg mit
-Vater und Mutter ins Zimmer trat. Verlegen wollte Ludwig sein Kunstwerk
-vor den gestrengen Augen des gepuderten Meisters verbergen, der
-aber nahm in der Nähe des Knaben Platz und fragte alsbald: »Was
-macht der Bue da?« Der Vater winkte: »Zeigs mal dem Herrn Professor!«
-Errötend brachte es der Junge. Der Pate betrachtete die Zeichnung genau,
-fuhr in der Luft den Linien der abgemalten Esel, Schafe und Menschen
-nach, unter allerlei beifälligen Tönen, und sagte dann ganz ernsthaft: »Ah
-by Gott! Aus dem Bue kann was werde.« Dies Lob des ehrfurchtgebietenden
-Herrn Paten und Professors beschämte den angehenden Künstler
-und spornte ihn mächtig an; wie ein Samenkorn in die Frühlingserde, fiel das
-Wort in sein hoffendes Herz, und er arbeitete fortan mit verdoppeltem Eifer.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_16">[16]</a></span></p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-016a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Bald danach wurde ganz
-unerwartet der Vater Richter
-zum Professor an der
-Kunstakademie ernannt mit
-einem Gehalte von 200 Talern
-(M. 600). Das war
-ein Jubel im ganzen Hause.
-Ludwig wollte sich besonders
-darüber freuen, daß
-der Vater nicht nur so ein
-gewöhnlicher, sondern ein
-außerordentlicher Professor
-geworden sei. Er wußte
-noch nicht, daß der letztere
-von einem »ordentlichen
-Professor« sich hauptsächlich
-dadurch unterscheidet,
-daß er weniger Gehalt bekommt als dieser. Immerhin kam die Familie
-nunmehr in bessere Verhältnisse, auch in eine geräumigere Wohnung; und
-der Vater hatte fortan stets eine Anzahl Schüler um sich im Haus, welche
-sich ganz der Kunst widmeten und deren Umgang für Ludwig anregend war.</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-016b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Von einschneidender Bedeutung für Ludwigs Zukunft sollte ein Mann
-werden, der scheinbar zufällig und wider Willen in das Richtersche Haus
-geführt ward. Der Buchhändler Christoph Arnold wollte jemand anders
-im gleichen Haus besuchen und kam irrtümlich an die Tür des Zimmers,
-wo Vater und Sohn bei ihren Zeichnungen saßen. Da er den Vater aus
-früherer Zeit kannte, so trat er ein und verweilte ein wenig. Während er
-sich mit dem Vater unterhielt, beobachtete er den Sohn mit einem eigentümlichen
-Interesse, das diesem auffiel, erkundigte sich auch nach seinen
-Verhältnissen und Arbeiten. Schließlich bestellte er für ein Werk, das er
-herausgeben wollte, eine größere Folge malerische Ansichten von Dresden
-und Umgebung und wünschte ausdrücklich, daß auch Ludwig bei der Aufnahme
-und Ausführung der Zeichnungen mitarbeiten solle; er sehe, daß
-er Geschmack habe, nach der Natur zu zeichnen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_17">[17]</a></span></p>
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-017.png" alt="Was ihr gethan habt …" />
-</div>
-
-<p>Dieser ehrenvolle und gute Bezahlung versprechende Auftrag war
-Vater und Sohn sehr willkommen. Im Weggehen
-reichte der freundliche Buchhändler Ludwig mit Tränen
-in den Augen die Hand. Draußen erklärte er dem
-verwunderten Vater, er sei durch Ludwigs Anblick an
-seinen unlängst verstorbenen Sohn, dem er ähnlich sehe,
-aufs lebhafteste erinnert worden, und schloß daran den
-Wunsch, daß doch Ludwig einen bestimmten Abend
-allwöchentlich in seiner Familie zubringen möchte. Der
-junge Richter wurde in dem wohlhabenden Hause bald<span class="pagenum"><a id="Seite_18">[18]</a></span>
-heimisch; er fühlte sich ganz wie
-ein Sohn behandelt, und fand
-besonders auch für seine künstlerischen
-Arbeiten und Pläne
-das liebevollste Interesse. Vater
-Arnold war es auch, der im
-geeigneten Moment zu seiner
-weiteren Ausbildung die Hand
-bot und die Mittel gewährte.</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-018a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Für einen künftigen Maler
-ist es freilich die Hauptsache, daß
-er hinauskommt aus seinem engen
-Bereich in die weite schöne Gotteswelt,
-wo das Auge neue Bilder,
-das Gemüt mannigfaltige Eindrücke
-aufnehmen kann. Wie
-schlug daher unserm jungen
-Künstler das Herz, als im Jahre
-1820 plötzlich die Frage an ihn
-erging, ob er nicht Lust habe,
-den reichen russischen Fürsten
-Narischkin auf einer Reise nach
-Frankreich, England, Italien zu begleiten. Der Fürst war Oberkammerherr
-der russischen Kaiserin, reiste mit großem Gefolge in der Welt herum und
-wünschte dazu auch einen Maler bei sich zu haben, der ihm überall Skizzen
-nach der Natur aufnehmen könne. Neben freier Verpflegung und Reise
-sollte Richter noch ein Jahresgehalt von 100 Dukaten dafür erhalten. Sein
-Glück war groß und sein Ziel, doch einmal ein Landschaftsmaler zu werden,
-schien ihm viel näher gerückt.</p>
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-018b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p class="noind">Im November machte sich die Gesellschaft
-um Mitternacht in mehreren Reisewagen auf den Weg; von Dresden
-ging es über Weimar, Frankfurt, Heidelberg, Karlsruhe nach Straßburg
-und von da über Lyon immer weiter südwärts. Ludwig hatte überall Muße,
-die schönsten Ansichten aufzunehmen, und der Fürst ermunterte ihn, sie
-gleich recht sorgsam auszuführen, denn er beabsichtigte ein Album daraus
-zusammenzustellen und es der Kaiserin zu verehren. Was war das für
-ein Genuß, als unser Freund, der früher kaum
-über sein Dresden hinausgekommen war, nun
-mitten im Winter durch das Land der Zypressen
-und Lorbeeren, der Oliven- und Mandelbäume
-dahinfuhr und plötzlich in Marseille von der
-Höhe herab auf das weite Meer hinschaute,
-auf dessen wundervollem Blau eine Unzahl
-weißer Segel wie ausgestreute Blütenflocken
-erglänzten.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_19">[19]</a></span></p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-019.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Der Fürst war von Ludwigs Kunst sehr angetan, lobte seine Bilder
-und bezeigte ihm öfter seine Gunst. Einmal umarmte er ihn sogar vor
-einer großen Gesellschaft und erklärte, er habe ihn lieb wie seinen eigenen
-Sohn. Ein andermal überreichte er ihm eine goldene Repetiruhr und bat,
-dieselbe als ein Zeichen seiner Erkenntlichkeit und Zufriedenheit zu nehmen.
-Allein es gibt nichts unbeständigeres als die Gunst der Großen, das sollte
-auch unser junger Freund erfahren. Eines Tages hatte er in Marseille
-eine majestätische Piniengruppe, hinter welcher eine Pyramide emporstieg,
-und das blaue Meer sich dehnte, aufs Papier gebracht. Täglich arbeitete
-er angestrengt an seinen Zeichnungen, während die andern sich ganz dem
-Genusse der schönen Natur hingaben. Als er beim Nachmittagskaffee dem
-Fürsten seine Blätter vorlegte, bemerkte er sogleich seine üble Laune; und
-diese loderte beim Anblick der Pinienlandschaft auf in den häßlichsten Zorn:
-»Fort, fort, nehmen Sie es weg, ich mag nichts sehen; gehen Sie fort!«
-Damit wandte er sich heftig ab. Bestürzt legte Richter seine Mappe bei
-Seite, ohne sich den Unmut des Fürsten erklären zu können.</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-020a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p class="noind">Ein freundlicher
-Herr des Gefolges löste ihm nachher das Rätsel. Die Pyramide,<span class="pagenum"><a id="Seite_20">[20]</a></span>
-ein Grabmal! hatte den Fürsten an den Tod erinnert,
-und es erschien ihm als ein böses Vorzeichen, daß
-der Maler für das Album ein solches Bild gewählt
-hatte. Vom Sterben wollte der Fürst wie viele
-andere haltlose Menschen, nichts wissen; wehe dem,
-der ihn irgendwie daran erinnerte!</p>
-
-<p>Von Stund an war Richter in Ungnade gefallen
-bei der russischen Durchlaucht, und auch die
-übrige Gesellschaft wandte sich kalt von ihm ab; nur
-der freundliche Arzt machte eine Ausnahme.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-020b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Sie haben dann auch in Paris noch einige
-Wochen geweilt. Was für bunte Bilder gab es erst dort zu schauen;
-was für üppige Lust lockte dort von allen Seiten, manchen unschuldigen
-Jüngling schon hatte sie in ihren Strudel gezogen. Unser Maler aber war
-gefeit durch einen Begleiter, den er zwar nicht erwählt, den er sogar gerne
-weggeschickt hätte, welcher aber Engeldienste versah: das war die Armut;
-und so kam er unversehrt nach Hause zurück, nach siebenmonatlicher Abwesenheit.
-Als er in Leipzig seinen ausbedungenen Künstlerlohn in
-100 goldenen Dukaten vor sich auf dem Tisch blinken sah, nicht ohne einige
-freundliche Worte des Fürsten, da dünkte der junge Maler sich so reich
-wie noch nie, schenkte den Kindern, die im Grünen draußen spielten eben am
-Johannistage, gleich einige Silbermünzen und jubelte dabei in seinem Herzen:<span class="pagenum"><a id="Seite_21">[21]</a></span>
-ich bin wieder frei! Die schöne Uhr, die er vom Fürsten erhalten, brachte
-er dem Vater von der Reise mit. Er selbst war um viele Erfahrungen
-reicher geworden und seinem Ziele ein gut Stück näher gekommen.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-021.png" alt="" />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-<div class="chapter">
-<h2 id="kap5">5. Ludwig Richter findet einen Schatz.</h2>
-</div>
-
-<p>Richter konnte fortan sein Brot selbst verdienen. Er machte weitere
-Zeichnungen für Papa Arnold. Dazwischen brachte er seine ersten Ölbilder
-auf die Leinwand und studirte was er konnte, um sich fortzubilden. Sein
-großer Wunsch stand nach Italien, dem Sehnsuchts- und Heimatsland aller
-Künstler. Dort meinte er, müsse ihm eine große, letzte Förderung erblühen.</p>
-
-<p>Eines Vormittags im schönen Mai des Jahres 1823 trat ganz unerwartet
-der gute Vater Arnold in das Richtersche Haus. Er rühmte wie
-hübsch Ludwigs Zeichnungen für sein Buch ausgefallen seien und wie gern
-dies Buch gekauft werde. Nun müsse aber auch für den Maler etwas
-rechtes getan werden zur weitern Ausbildung. Er wisse, daß sein Sehnen
-nach Rom gehe, so solle er nur bald sein Bündel schnüren und ihm die Sorge
-für das Reisegeld überlassen. Vorderhand wolle er ihm jährlich 400 Taler
-(M. 1200) auf 3 Jahre aussetzen, damit er ohne Sorgen studiren könne.</p>
-
-<p>Richter wußte nicht wie ihm geschah. Tiefgerührt drückte er seinem
-Wohltäter beide Hände. Nicht lange danach schnürte er sein Bündel und<span class="pagenum"><a id="Seite_22">[22]</a></span>
-wanderte südwärts über die Alpen gen Rom, &ndash;
-Eisenbahnen gabs ja damals noch nicht, und auf
-Schusters Rappen sieht und lernt ein Künstler mehr
-als im Eilwagen. Die drei Jahre in der Fremde
-öffneten unserm Freunde allerdings eine ganz neue
-Welt und bildeten die eigentliche Hochschule für seinen
-spätern Beruf. Dazu fand er einen großen Schatz
-unterwegs, und davon muß ich jetzt noch erzählen.</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-022a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Auf der Romreise blieb er einige Tage im
-schönen Salzburg, um Ausflüge zu machen. Allein
-unfreundliches Wetter verhüllte ihm die Reize des
-Gebirges und zwang ihn in sein Stüblein. Da saß
-er nun und ließ den Kopf hängen; in seiner Einsamkeit
-sehnte er sich um so mehr nach einem treuen Reisegefährten, einem
-Kunstgenossen womöglich, und hatte doch niemand finden können. Da klopft
-es an seine Tür, herein tritt ein älterer Mann, sehr sauber, und auf dem
-wettergebräunten Gesicht standen Tüchtigkeit und Ehrenhaftigkeit geschrieben.
-Er erzählte, er sei Steuermann auf einem holländischen Schiff gewesen und
-habe Schiffbruch gelitten; nun müsse er über Land sich durchschlagen zu
-Weib und Kind in Holland. Das sagte er so treuherzig und bescheiden,
-daß der junge Maler ohne weiteres in die Tasche griff und dem Seemann
-forthalf. Der dankte freundlich, sah ihn lange an als möchte er dem Geber
-auch etwas Liebes erzeigen und sagte: »Ich habe einen langen Weg vor
-mir, aber ich habe einen guten Reisegefährten!« &ndash; »O das ist ja ein Glück«,
-rief nun der andere lebhaft im Gefühl seiner Entbehrung, »wer ist es denn?«
-&ndash; »Es ist der liebe Herrgott selber«, erwiederte der Seemann, ein kleines
-neues Testament aus der Brusttasche ziehend, »und hier habe ich seine
-Worte; wenn ich mit ihm rede, so antwortet er mir daraus. So wandere
-ich getrost, lieber junger Herr!«</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-022b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Merkwürdig, diese Rede des einfachen Mannes traf das Herz
-des jungen Künstlers wie ein
-Pfeil und der Stachel davon
-blieb lange darin stecken. Hatte
-er doch mit dem lieben Gott
-bisher noch wenig oder nichts
-sich zu schaffen gemacht und eine
-Bibel noch niemals gesehen.
-Dieser arme Mann aber sprach
-und sah aus, als kenne er Gott
-recht wohl, als stehe er im lebendigsten
-Verkehr mit ihm, daher
-auch sein getroster Mut. Und
-er fing an, ihn um seinen Schatz,
-das Büchlein zu beneiden.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_23">[23]</a></span></p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-023.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Wenige Tage darauf führte ihn die Reise durch das Zillertal. Von
-einem Unwetter überfallen, mußte er in einer bescheidenen Dorfschenke Halt
-machen. Er fragte die Wirtin, ob sie nichts zu lesen habe. Unter den
-Büchern, die sie ihm in ihrer Schürze bringt, lauter Andachtsbücher, findet er
-eins, das bei seinem Papa Arnold verlegt war, demselben der ihm das Geld
-zur Reise gegeben. Das ist ihm wie ein Gruß aus der Heimat; er blättert
-darin und findet die Abschiedsreden Jesu aus dem Evangelium Johannis.<span class="pagenum"><a id="Seite_24">[24]</a></span>
-Es war ihm ganz neu, daß man solche
-längere Reden Jesu besitze. Da vernahm
-er zum ersten Male die wunderbaren Worte:
-Ich bin der Weg, die Wahrheit und das
-Leben, Niemand kommt zum Vater denn
-durch mich. Liebet ihr mich, so haltet meine
-Gebote. Und ich will den Vater bitten und
-er soll euch einen andern Tröster geben,
-daß er bei euch bleibe ewiglich. Diese Worte
-ergriffen ihn wie Glockentöne aus dem Walde,
-wie Klänge aus einer andern Welt. Obwohl er ihren Sinn nicht verstand,
-hörte er ein leises Echo in seinem Innern und das treuherzige Gesicht des
-alten Steuermannes tauchte wieder auf vor seiner Seele.</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-024a.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Monate vergingen. Richter schien in Rom am Ziel seiner Wünsche.
-Natur und Kunst boten im alles, was er für sein Studium brauchte; auch
-fand er Kunstgenossen und Freunde genug. In der Tat, er war glücklich.
-Und doch, was war das für ein Heimweh in seiner Brust? Warum überwältigte
-ihn zuweilen das Gefühl, als ob ihm alles fehle? Und er kam
-sich vor wie ein einsamer Schiffer, der ohne Steuer und Kompaß von Wind
-und Wellen getrieben wird, am Himmel Nacht und kein leuchtendes
-Sternlein. Da fiel im einst ein merkwürdiges Buch in die Hand: Stillings
-Jugend- und Wanderjahre, darin fesselte ihn ein Wort und traf ihn ins
-Herz; es lautete: »Wenn der Mensch nicht dahin gelangt, daß er Gott
-mit einer starken Leidenschaft liebt, so hilft ihn alles nichts, und er kommt
-nicht weiter.«</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-024b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Aber wie sollte er zu solcher Liebe gelangen? Diese Frage bewegte
-ihn unausgesetzt viele Tage lang. Und Gott sandte ihm einen Freund zur<span class="pagenum"><a id="Seite_25">[25]</a></span>
-Hilfe. Ein junger Maler, Ludwig von Maydell war aus Schweden kürzlich
-nach Rom gekommen. Richter fühlte sich sogleich wunderbar zu dem
-schlichten, festen, fleißigen Manne hingezogen. Am Sylvesterabend des Jahres
-1824 hatte er ihm versprochen von 10 Uhr ab bei ihm zuzubringen. Zur
-verabredeten Stunde suchte er ihn auf und findet ihn nicht gleich. Schon
-lenkt er seine Schritte in die nächste Straße wo viele junge Künstler sich
-zu einem lustigen Feste versammelt hatten; schon erblickt er die leuchtenden
-Fenster und hört ihren Gesang, da schaut er nochmals zurück zu den beiden
-Dachfenstern, hinter denen der ernste Freund wohnte. Ein geheimer Zug
-des Herzens entschied für diesen. Er versuchts noch einmal, dringt durch
-das Dunkel der schmalen Gänge und Treppen durch und findet Maydell
-in der Küche, den Tee bereitend. Lachend über Richters Irrfahrt, führt
-er ihn in die Stube, wo noch zwei andere junge Maler warteten. Bald
-saßen die vier bei traulichem Gespräche um den Tisch. Zuletzt um Mitternacht
-las Maydell auf Bitten der andern den 8. Psalm.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-025.png" alt="" />
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_26">[26]</a></span></p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-026a.png" alt="" />
-</div>
-
-<div class="poem"><div class="stanza">
-<span class="i0">»Wenn ich schau den Himmel, Deiner Finger Werk,<br /></span>
-<span class="i0">Den Mond und die Sterne, die Du bereitet,&nbsp;&ndash;<br /></span>
-<span class="i0">Was ist der Mensch, daß Du sein gedenkest,<br /></span>
-<span class="i0">Und das Menschenkind, daß Du Dich sein annimmst?«<br /></span>
-</div></div>
-
-<p>Aus den einfachen warmen Worten, die die Freunde daran schlossen,
-merkte Richter, daß sie hatten, was ihm noch fehlte: Der Glaube an Gott
-und Christum war der Mittelpunkt ihres Lebens und Strebens. Stillbewegt
-hörte er zu. In dieser Nacht ging eine große Umwandlung mit ihm vor.
-Als die Freunde zum Schluß den alten schönen Choral anstimmten: Nun
-danket alle Gott &ndash; da konnte auch unser Ludwig Richter freudigen Herzens
-mitsingen. Und als am Neujahrsmorgen die Sonne ihre ersten Strahlen
-in Richters Kämmerlein sandte und der Ton des Morgenglöckleins vom
-benachbarten Kirchlein in sein
-Fenster drang &ndash; erwachte er aus
-tiefem Schlafe mit dem Gefühl
-eines unaussprechlichen Glückes,
-das ihm zu Teil geworden,
-Friede und Freude erfüllte sein
-Herz, er fühlte sich wie neugeboren
-und es war ihm als müsse
-er die ganze Welt an sein Herz
-drücken. Wie ein Blitz durchdrang
-ihn das Bewußtsein: »ich
-habe Gott, ich habe meinen
-Heiland gefunden, nun ist alles
-gut, nun ist mir ewig wohl.«</p>
-
-<div class="figleft">
-<img src="images/illu-026b.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Es läßt sich denken, daß er
-von da an mit Maydell durch
-innigste Freundschaft verbunden
-blieb bis an sein Ende. Zeitlebens
-hat er Gott gedankt für den
-Schatz, den er damals bei jenem
-Freunde gefunden. Im Alter
-schrieb er einmal am Sylvesterabend
-in sein Tagebuch: Heut
-um die Mitternacht wird es
-fünfzig Jahre, ein halbes Jahrhundert,<span class="pagenum"><a id="Seite_27">[27]</a></span>
-daß ich in Rom mit Maydell beisammen war und mir in der
-Finsternis, die mich mit Bangen erfüllte, ein helles Licht ausging. In jener
-Nacht fand ich den Weg zu Gott und zu unserm Herrn Jesu Christo.</p>
-
-<p>So ists gekommen, daß Richter später nicht blos ein großer Maler,
-sondern auch ein frommer Maler ward.</p>
-
-<hr class="chap" />
-<div class="chapter">
-<h2 id="kap6">6. Auf der Höhe des Lebens.</h2>
-</div>
-
-<div><img class="drop" src="images/drop-i.png" alt="" /></div>
-<p class="drop drop-i">In Rom malte Richter sein erstes großes Ölgemälde
-und sandte es seinem Wohltäter, dem Vater Arnold,
-zum Dankgeschenk. Ein zweites Bild das er nach
-Dresden schickte, wurde von der dortigen Kunstakademie
-sehr ehrenvoll aufgenommen und belohnt.
-Richter war ein großer Künstler geworden. Am
-1. April 1827 trat er den Heimweg wieder an.
-Sein treuer Freund in Rom, der evangelische Gesandtschaftsprediger
-Rothe, machte ihm ein eigentümliches
-Geschenk zum Abschied, das von liebevoller
-Fürsorge zeugte. Er bescheerte ihm nämlich ein &ndash; feines schwarzes Hündlein,
-das ihm als Reisegefährte dienen sollte. Gar treuherzig sah der kleine
-Spitz bei der Vorstellung zu seinem neuen Herrn auf, setzte sich auf die
-Hinterpfoten und streckte süßsauer lächelnd die Zunge heraus. Piccinino
-hieß das Hündchen, wurde aber im deutschen Land später einfach Pitsch
-gerufen. Es sollte dem fußreisenden Künstler, dem eifrigen Läufer als
-Hemmschuh dienen, damit er sich nicht wieder wie auf der Herreise durch
-Gewaltmärsche krank mache; der Freund wußte, daß der warmherzige
-Richter dem Tierchen keine Strapazen zumuten werde.</p>
-
-<p>Was für eine Freude, als der Sohn endlich wieder im Elternhause
-in Dresden anlangte. »Sieh da, Ludwig der Römer! Nun schön willkommen!«
-so rief ihm der Vater entgegen. Ludwig mußte aber jetzt auf
-eigenen Füßen stehen. Er mietete eine kleine Wohnung für sich und nun
-gings an ein fröhliches Schaffen.</p>
-
-<p>Noch im selben Jahre feierte unser Maler seine Hochzeit mit Gustchen
-&ndash; Auguste &ndash; Freudenberg von Dresden, die er schon lange geliebt.
-27 Jahr lang war er mit ihr aufs innigste verbunden, ein reiches, schönes
-Familienleben wurde ihnen bescheert.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_28">[28]</a></span></p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-028.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Kaum hatte Richter seinen Hausstand begründet, so erhielt er einen
-Ruf als Lehrer an die Zeichenschule in Meißen mit einem Jahresgehalt
-von M. 600. &ndash; Das war freilich zum Leben viel zu wenig, aber es war
-doch etwas sicheres, und das ist für einen angehenden Künstler viel wert.
-Daneben hoffte er durch Verkauf von Bildern das Nötige zu verdienen.
-So zog er freudig in das schöne Meißen, dessen malerische Lage im Elbtal,
-5 Stunden nördlich von Dresden ihn längst entzückt hatte. Die Zeichenschule
-befand sich auf der das Städtchen hoch überragenden Albrechtsburg,
-einem in gotischen Stil kunstreich erbauten Schlosse; auf hoher Wendeltreppe
-stieg man zu den herrlichen Räumen der Kunstschule hinan, wo die
-Plätze der jungen Zeichner sich wie »Sperlingsnester am Hochaltar« ausnahmen
-und den weitesten Ausblick auf Stadt und Strom boten. Richter selbst
-wohnte in einem altertümlichen hohen Haus gegenüber; und das trauliche
-Heim belebte sich bald auch durch Kinderstimmen. Das älteste Töchterlein
-Marie wurde geboren, als gerade vom Turm der Choral geblasen wurde:
-Nun danket alle Gott. Danach folgten Heinemännel (Heinrich) und Aimée.
-Wie manchmal hat des Vaters Stift der Kinder frohes Spiel und der
-Mutter treue Fürsorge gezeichnet; und das gelang ihm noch viel besser
-als Landschaften zu malen. Er merkte, daß die Darstellung deutschen
-Familien- und Volkslebens sein eigentliches Gebiet sei. So entstanden in
-Meißen die ersten der sinnigen herzerfreuenden Bilder, die Richter zum
-Liebling des deutschen Volkes und besonders der Kinder gemacht haben.
-An langen Winterabenden saß der Maler oft mit den Kindlein am Ofen,<span class="pagenum"><a id="Seite_29">[29]</a></span>
-erzählte Geschichten und zeigte
-Bilder. Zuletzt greift er auf
-ihr Verlangen und Betteln zum
-Stift und zeichnet vor ihren
-Augen die Erlebnisse des Tages,
-macht auch wohl noch lustige
-Verslein dazu, die sich den
-Kindern wie von selbst einprägen.
-Wie jauchzten die
-Kleinen, wenn sie unter des
-Vaters Händen die Gestalten
-gleichsam hervorwachsen sahen,
-wenn sie forschten und errieten,
-was für ein Bild sich
-wohl aus den einzelnen Linien
-entwickeln werde. In Erinnerung
-an diese schönen
-Abendstunden und an die
-Freude seiner eigenen Kinder hat Richter später seine Bilderbücher »Fürs
-Haus« herausgegeben &ndash; vielleicht das Beste was er dem deutschen Hause
-geboten hat.</p>
-
-<div class="figright">
-<img src="images/illu-029.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Manche Sorgen und Krankheit der geliebten Frau trübten die Meißner
-Zeit für unsern Künstler; er hat sie scherzend die sieben magern Jahre
-Pharaos genannt, weils oft knapp herging in seinem Haushalte. Aber
-sein lebendiges Gottvertrauen und froher Mut hielten ihn aufrecht &ndash; und
-zur rechten Zeit wurde er nach Auflösung der Meißner Zeichenschule 1835
-als Akademielehrer nach Dresden berufen an des pensionirten Vaters Stelle.
-So durfte Richter von schwerer Last befreit, wieder in seine geliebte Vaterstadt
-zurückkehren, und neue Schaffenslust entfalten. 1841 erhielt er den
-Professorentitel. Auch wurden ihm noch zwei herzige Töchterlein, Helene
-und Lieschen bescheert. Warme Liebe umgab ihn zu Hause; seine Schüler
-hingen voll Verehrung an ihm; seine Kunst brachte ihm mehr und mehr
-Gunst und Erfolg, er war ein glücklicher Mann und hatte die Höhe des
-Lebens gewonnen.</p>
-
-<p>Von allen Seiten bekam er Aufträge und sein Stift konnte zeitweise
-den vielen Wünschen und Bestellungen nicht nachkommen. Viele der
-Zeichnungen hat seine Tochter Aimée in Holz geschnitten sowie deren Mann,
-der treffliche August Gaber.</p>
-
-<p>Wäre Richter, wie er ursprünglich sich wünschte, ein Landschaftsmaler
-geworden und geblieben, so hätte er für reiche Leute, hohe Herren und für
-Gemäldegalerien Bilder geliefert, und hätte dort für seine Kunstwerke gewiß
-Anerkennung und Bewunderung gefunden &ndash; dem Volke aber, dem einfachen
-Manne und der Kinderwelt wäre er unbekannt geblieben. Durch die<span class="pagenum"><a id="Seite_30">[30]</a></span>
-Holzschnitte jedoch, mit denen er die verschiedensten Volks- und Jugendbücher
-illustrierte, ist er ein rechter Hausfreund geworden. Gott hat ihm
-eine wunderbare Gabe verliehen, anschaulich, verständlich und dabei mit viel
-Humor und Liebenswürdigkeit das tägliche Tun und Treiben der Menschen
-in Haus und Hof, in Feld und Wald, in Lust und Leid, darzustellen, als
-einer der alles selber erlebt und empfunden hat.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-030.png" alt="" />
-</div>
-
-<p>Von Trauer ist sein schönes Familienleben nicht verschont geblieben.
-Unter den blühenden Rosen des reizend gelegenen Gartenhauses am Haldenschlag
-erkrankte die älteste Tochter Marie und entschlief nach heißem Kampf,
-erst achtzehnjährig. Aus jenem großen Leid stammen Richters ergreifende
-Zeichnungen zu den Liedern: »Es ist bestimmt in Gottes Rat«, und »Es
-ist ein Schnitter der heißt Tod«, sowie von dem Nachtwächter am offenen
-Grabe, mit dem bedeutsamen Worte »Marie« auf dem Grabkreuz daneben.</p>
-
-<p>Noch schwerer war der Schlag, der Richter im Sommer 1854 traf,
-da ihm ganz plötzlich seine treue Hausfrau von der Seite gerissen wurde.</p>
-
-<p>Seine eigenen Kräfte hatten schon begonnen abzunehmen infolge
-Überanstrengung in Dresden. Im nahen Loschwitz an der Elbe hatte er
-sich ein hübsch an den Bergeshang gelehntes Bauernhaus gekauft, wo er
-stillen Sommeraufenthalt mit den Seinen liebte. Im Jahre 1874 erschien
-sein letztes Werk. Ein einzelnes Blatt aus dem gleichen Jahr trägt seine
-eigenhändige Unterschrift: Meine letzte Zeichnung L. Richter. Ein Augenleiden,<span class="pagenum"><a id="Seite_31">[31]</a></span>
-infolge der feinen Zeichen- und Radierarbeiten, hatte dem fleißigen
-Künstler Halt geboten.</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-031.png" alt="Herr bleibe bei uns" />
-</div>
-
-<p>Er benutzte die Muße, um seine Jugenderinnerungen aufzuschreiben.
-Er hat sie zum Teil seinem Sohne Heinrich diktiert und es ist ein herrliches
-Buch daraus geworden, das Jedermann nur mit Genuß lesen kann. Als
-Richter seines Augenlichts zuletzt ganz beraubt war, wurde er von seinen
-Freunden vielfach bemitleidet. So meinte einmal einer von ihnen, als der
-Meister im Garten auf und ab ging: ob es ihm, der so viel Sinn für
-die Herrlichkeit Gottes in seinen Werken gehabt habe, nicht recht schwer
-sei alle die Blumenpracht jetzt nicht mehr bewundern zu können? »O«,
-sagte der edle Mann lächelnd, »wenn ich mich so in der schönen Natur ergehe,
-finde ich gar mancherlei blühende Blumen. Ich überdenke da mein langes
-Leben und pflücke in so viel herrlichen Erfahrungen ein Blümlein ums
-andere, bis es am Ende ein großer Strauß wird von lauter Gnadenerweisungen<span class="pagenum"><a id="Seite_32">[32]</a></span>
-meines Gottes und Heilandes, &ndash; an dem sich mein inneres Auge
-nicht satt sehen kann.«</p>
-
-<p>An mancherlei Ehrungen hat es dem großen Künstler nicht gefehlt.
-Der alte Kaiser Wilhelm I. setzte ihm 1876 einen Ehrensold aus von jährlich
-Mk. 3000. Die Stadt Dresden ernannte ihn zum Ehrenbürger. Am
-80. Geburtstag wurden ihm zahllose Liebes- und Ehrenbezeugungen von
-allen Seiten, darunter auch ein glänzender Ordensstern von seinem
-sächsischen Landesherrn, zu Teil.</p>
-
-<p>Er blieb der schlichte bescheidene Mann, der er immer gewesen. Bevor
-er sich früh an den Arbeitstisch setzte, las er den Seinen den Morgensegen.
-Ein bequemer brauner Hauspelz war sein täglich Kleid. Enkel und Urenkel
-hat er gesehen und fröhlich mit ihnen gescherzt. Am 19. Juni 1884 beschloß
-er sein reiches gesegnetes Leben in seiner Vaterstadt Dresden. Sie hat ihn
-im Denkmal verewigt auf der berühmten Brühlschen Terrasse, freundlichen,
-sinnenden Blickes schaut der Meister in die Ferne, das Skizzenbuch bereit
-auf seinem Schoß; um den Sockel aber spielen Eidechse und Farrenkraut.
-Er selbst hat gern unter sein Bild, unter den gütigen, geist- und gemütvollen,
-von weißem Haar umwallten Kopf, die Worte gesetzt:</p>
-
-<p>»Große Gedanken und ein reines Herz, das ist's was wir uns von
-Gott erbitten sollten.«</p>
-
-<p>Und wir setzen dazu:</p>
-
-<p>»Selig sind die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.«</p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-032.png" alt="Hosianna" />
-</div>
-
-<p><span class="pagenum"><a id="Seite_33">[33]</a></span></p>
-
-<div class="figcenter">
-<img src="images/illu-033.png" alt="Lasset die Kindlein zu mir kommen." />
-</div>
-
-<hr class="chap" />
-<div class="transnote chapter">
-<p class="h2">Anmerkungen zur Transkription</p>
-
-<p>Das Original ist in Fraktur gesetzt.</p>
-
-<p>Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert.</p>
-</div>
-
-
-
-
-
-
-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Ludwig Richter. Ein deutscher Maler
-und Hausfreund., by Johannes Ninck
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LUDWIG RICHTER ***
-
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