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You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Vertraute Briefe an eine Freundin - -Author: Christian Garve - -Release Date: March 11, 2017 [EBook #54341] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VERTRAUTE BRIEFE AN EINE FREUNDIN *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned -images of public domain material from the Google Books -project.) - - - - - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der 1801 erschienenen Buchausgabe - so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung - und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend - korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden - beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich - waren oder im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachige Zitate - werden dem Original entsprechend unverändert wiedergegeben. Das - Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt. - - Das Buch wurde in Frakturschrift gedruckt, wobei üblicherweise - zwischen den Großbuchstaben ‚I‘ und ‚J‘ nicht unterschieden - wird. Daher wurde in einer Passage (‚Frau von I.‘) willkürlich - der erstere Buchstabe gewählt. Für die von der Normalschrift - abweichenden Schriftschnitte wurden die folgenden Sonderzeichen - verwendet: - - gesperrt: +Pluszeichen+ - Antiqua: ~Tilden~ - - Einzelbuchstaben in Antiquaschrift wurden bei der Auszeichnung - nicht berücksichtigt. - - #################################################################### - - - - - Christian Garve’s - - Vertraute Briefe - - an - - eine Freundin. - - Leipzig, - bey P. Phil. Wolf und Compagnie. - 1801. - - - - -Inhalt. - - Seite - Vorrede des Herausgebers. iii - Erster Brief. 3 - Zweyter Brief. 10 - Dritter Brief. 13 - Vierter Brief. 18 - Fünfter Brief. 28 - Sechster Brief. 41 - Siebenter Brief. 51 - Achter Brief. 58 - Neunter Brief. 60 - Zehnter Brief. 68 - Eilfter Brief. 77 - Zwölfter Brief. 81 - Dreyzehnter Brief. 88 - Vierzehnter Brief. 95 - Funfzehnter Brief. 105 - Sechzehnter Brief. 111 - Siebenzehnter Brief. 123 - Achtzehnter Brief. 130 - Neunzehnter Brief. 141 - Zwanzigster Brief. 145 - Ein und zwanzigster Brief. 155 - Zwei und zwanzigster Brief. 165 - Drey und zwanzigster Brief. 172 - Vier und zwanzigster Brief. 178 - Fünf und zwanzigster Brief. 187 - Sechs und zwanzigster Brief. 194 - Sieben und zwanzigster Brief. 202 - Acht und zwanzigster Brief. 205 - Neun und zwanzigster Brief. 215 - Dreyssigster Brief. 221 - Ein und dreyssigster Brief. 227 - Zwey und dreyssigster Brief. 231 - Drey und dreyssigster Brief. 237 - Vier und dreyssigster Brief. 244 - Fünf und dreyssigster Brief. 246 - Sechs und dreyssigster Brief. 250 - Sieben und dreyssigster Brief. 254 - Acht und dreyssigster Brief. 263 - - - - -Vorrede des Herausgebers. - - -Die Freundin Garve’s hat bey der Herausgabe dieser Briefe keine -andere Absicht, als mit allen Freunden und Verehrern des guten Mannes -ein kleines, ihr sehr theures Erbtheil von ihm zu theilen. Daß -dieser Gedanke ihrem eignen Herzen und ihrer Gesinnung gegen ihren -verstorbenen Freund wohlthun, ist sie gern geständig. -- So wenig auch -Garve’s +gelehrter Nachlaß+ dadurch um ein Bedeutendes vermehrt werden -mag, so kann doch auch der Gelehrte sich wohl dieser Briefe freuen; -er sieht in ihnen den Geist blühen, von dem er die Früchte kennt und -schätzt. Was man von Schriftstellern nicht heraus geben muß, sind -taube Blüthen und unreife Früchte; von einem philosophischen Geiste -ist die Blüthe so angenehm, als die Frucht stärkend; und wenn ein Mann -etwas geworden ist -- dann wird der Welt die Frage interessant: wie -wurde er es? -- Diese Briefe enthalten vielleicht manche interessante -Data zur Beantwortung der Fragen: Wie war Garve, der Jüngling? -- Wie -früh war sein Geist gereift, gefaßt, in sich gegründet? -- Wie wurde -Garve, der Mann? -- Wie entwickelte sich der Plan seines Lebens? -- Wie -wurde Garve, der Schriftsteller? -- -- Diese Briefe sind unmittelbar -vor seiner Bearbeitung des Cicero geschrieben, und man kann sie -in mehr als einer Hinsicht als einen Eingang in sein öffentliches -schriftstellerisches Leben ansehen. - -So viel für diejenigen, die in diesen Briefen Garven, den Gelehrten, -suchen. Diese und alle gute Menschen, denen dieselben in die Hände -kommen, mögen sich freuen -- dieß ist der lebhafteste, ja ich kann -wohl sagen, der einzige Wunsch der Herausgeberin, ihren Freund hier -in den ersten, reinsten, natürlichsten Verhältnissen des Lebens zu -sehen, Garven, den +Sohn+, -- den +Freund+ -- und den +Menschen+. -- -Hier kann ihn der Gute lieben, der den Gelehrten nicht kennt; und gern -wird vielleicht der Gelehrte sein philosophisches Werk einen Augenblick -hinlegen, um mit dem menschlichen Verfasser desselben einige Zeit im -Zirkel seiner Familie, seines Jugendlehrers, und seiner Freunde, -zuzubringen. - -Dieß sind die Gedanken der Freundin Garve’s bey der Herausgabe dieser -Briefe, nach welchen sie wegen derselben von dem Publikum beurtheilt zu -werden wünschen muß. - - - - - Vertraute Briefe - - an - - eine Freundin. - - - - -Erster Brief. - - - Dienstags Nachmittags um 3 Uhr, - den 11. May, 1767. - -Endlich bin ich wieder bey Ihnen, und vergesse in diesem Augenblicke -alle die Schwermuth, den Verdruß, und die Langeweile, die ich seit -unserer Trennung ausgestanden habe. Wir haben es uns hundert Mal -gesagt, daß die empfindlichen Herzen mehr zum Leiden als zur Freude -gemacht sind. Und wenn ich der Sympathie, die alle unsere Neigungen -einander so gleich gemacht hat, trauen darf, wenn meine Empfindungen -den Ihrigen ähnlich waren, so sind Sie diese drey Tage über nicht -glücklich gewesen. Zuerst eine mehr süße als unangenehme Schwermuth, -aber bald darauf eine finstere und traurige Melancholie, die alle -Ideen der Seele in ihre Farbe kleidete, und selbst der Hoffnung nicht -zuließ, sie zu trösten. - -Ich finde, daß ich gemeiniglich in dem Augenblicke, wenn mir ein -Unglück widerfährt -- und unsere Trennung halte ich für eins -- mehr -bestürzt als traurig bin. Die Geschwindigkeit, mit welcher es mich -überrascht, benimmt mir die Fähigkeit darüber nachzudenken. Ich werde -einiger Maßen fühllos, ich erstarre. Aber wenn mein Gemüth wieder ruhig -genug ist, die Größe und die Folgen des Uebels zu überlegen; wenn es -sich die Scenen des Vergnügens wieder vorstellt, deren es jetzt beraubt -ist; wenn es von da sich zu den künftigen Aussichten wendet; dann wird -erst sein ganzes Gefühl rege, und alle seine Kräfte vereinigen sich -bloß dazu, es in der Traurigkeit zu unterhalten. - -Ich bin Ihnen noch so nahe, und es scheint mir eine unermeßliche -Entfernung zu seyn. Und doch werde ich Ihnen in einem halben Jahre -nicht näher kommen, -- vielleicht niemals. Aber lassen Sie mich diese -unglückliche Furcht unterdrücken. Ich sehe Sie wieder.... Mein Herz -ist mir dafür Bürge, das der Himmel nicht umsonst mit dem Ihrigen so -sympathetisch gemacht hat. Selbst unter einem entfernten Himmelsstriche -würde ich Sie geliebt haben, ohne Sie zu kennen, -- eine Person, -die Ihnen ähnlich wäre, eine zweyte Wilhelmine. Und nun, da uns die -Vorsicht zusammen gebracht hat, da wir uns haben kennen lernen müssen, -da wir diesen geheimen Zug der Aehnlichkeit in uns entwickelt, unsere -Seelen gegen einander gehalten, und sie so ähnlich gefunden haben, als -zwey freundschaftliche Seelen seyn müssen; da wir überzeugt worden -sind, daß dieses höchste Geschenk der Gottheit, die Freundschaft, -für unsere Herzen gemacht ist: nun sollten wir einander auf immer -verlassen? um wieder in der Welt nach einer uns verwandten Seele zu -suchen und zu seufzen, und sie vielleicht nicht zu finden. - -Sie sehen, ich schreibe stolz. Ich nenne mich keck Ihren Freund; -und zwar in der hohen Bedeutung, in welcher dieses Wort nur selten -gebraucht wird. Aber wen sollte auch Ihre Gütigkeit nicht stolz machen. -Mein Herz ist noch von derjenigen gerührt, die Sie mir den letzten -Tag erwiesen haben. Wie oft habe ich mir nicht die Auftritte dieses -Tages von meiner Einbildungskraft wieder vorspielen lassen! Und immer -verweilte ich mich bey dem Augenblicke, wo ich in einer Bestürzung, -die mich von meinen Bewegungen nicht mehr Herr seyn ließ, meinen Huth -suchte, und Sie mir das unerwartete Vergnügen ankündigten, daß ich noch -einen halben Tag länger bey Ihnen seyn könnte. Niemals hat man eine -freundschaftlichere Gefälligkeit zu einer gelegenern Zeit gethan, zu -einer so gelegenen Zeit, daß ich Ihnen die Grausamkeit vergebe, daß Sie -mich die Angst des Abschieds haben zwey Mal empfinden lassen. - -Ich sollte Ihnen nun meine Reise beschreiben. Ich wollte sie Ihnen -beschreiben. Ich habe jede Kleinigkeit bemerkt, von der ich hoffte, -daß sie entweder einer kleinen Satyre fähig wäre, oder, durch Ihre -freundschaftliche Theilnehmung an allem was mich betrifft, Ihnen -wichtig seyn könnte. Ich hatte in meinen Gedanken eine ganz kleine -Sammlung von solchen Zügen, und schon dachte ich mit Eitelkeit an -die Reisebeschreibung, die ich daraus zusammensetzen wollte. Aber -dieses war noch in der ersten Zeit, wo der Einfluß Ihrer noch nicht -längst verlornen Gegenwart meiner Seele noch Muth und eine gewisse -Munterkeit erlaubte. Aber seit diesem Zeitpunkte sind alle jene Ideen -weggewischt worden. Der Schmerz hat sie alle so einförmig gemacht, daß -ich sie nicht ohne Mühe, und gewiß ohne Anmuth aus ihrer Dunkelheit -hervorziehen würde. Also will ich Ihnen nur kurz sagen, daß ich meine -Reisegesellschaft nicht genauer kennen gelernt habe, als wir sie im -Wirthshause schon kannten, ausgenommen, daß der Macedonier ein großer -Schläfer war, den ich herzlich beneidete, durch die ärgsten Stöße -niemals in seiner Ruhe gestört zu werden; daß der Herr Magister sehr -wenig sprach, und daß dieses Wenige alle Mal etwas kraftloses und -langweiliges war; daß mein Nachbar ein Kaufdiener, und noch ein vierter -ein Dreßdner war. - -Ich selbst habe den Postwagen in W*** verlassen. In der That war -es beynahe eine Unbesonnenheit, die ich beging. Die Sache war so. -Der Postwagen war auf das erschrecklichste befrachtet. Eine Menge -Geldfässer und anderer schwerer Waren! Vier elende und abgetriebene -Pferde würden ihn mit Mühe und Noth bey dem besten Wege gezogen haben. -Aber dieser war entsetzlich. Aus einem Loch ins andere! Ich stieg drey -bis vier Mal ab. Ich ging zu Fuß. Aber so oft ich wieder aufstieg, -verschlechterte sich alle Mal der Weg. Das Gewicht des Wagens machte, -daß er bey jedem Abhange sehr stark schwankte; wir waren zwey Mal in -der größten Gefahr gewesen, umzuwerfen. Endlich bemächtigte sich die -Furcht meiner. Ich dachte an den schrecklichen Fall bey B***werda. -Ich fuhr beständig in Angst. Wir erreichten endlich W***. Einer von -der Gesellschaft, eben der Dreßdner, der eben so furchtsam wie ich -war, nahm hier Extrapost für sich bis H****burg. Ich entschloß mich, -ihm Gesellschaft zu leisten. In der That war es unüberlegt: denn ich -hatte mit genauer Noth so viel Geld bey mir, als nöthig war; und meinen -Koffer hatte ich auf der ordinären zurück gelassen. - -Wir kamen um 9 Uhr nach H***burg. Ich fand keinen Menschen aus -G****dorf. Man erwartete mich erst Montags. Ich wußte also von neuem -nicht, wie ich nach G****dorf hinüber kommen sollte. Ich erwartete -erstlich die ordinäre Post, um meinen Koffer zu haben. Ich ganz -allein, in der Poststube, wo ein durch die jetzigen Meßexpeditionen -abgematteter Postschreiber auf einem Stuhle schlief, bey einem kleinen -einsamen Lämpchen, hatte alle mögliche Zeit zur Schwermuth. In der That -brachte ich die Stunden höchst traurig zu. Endlich kam mein Koffer. -Ich nahm noch einmal Extrapost nach G****dorf. Hier kam ich um 11 Uhr -an. Meine Freunde, oder vielmehr mein Freund, der eben zu Bette gehen -wollte, empfing mich liebreich. - -Hier lebe ich nun nicht mit der düstern Melancholie, die durch die -Einsamkeit genährt wird, aber in einem gewissen Tiefsinn, den man mir -auch anmerkt. Ich habe kaum diesen Augenblick finden können. Man ruft -mich schon etliche Mal, und ich muß nothwendig den Brief endigen, -ob ich gleich nicht den hundertsten Theil von dem gesagt habe, was -ich Ihnen sagen wollte. Was für eine elende, unvollkommene Art der -Unterredung ist doch ein Brief! Gott segne Sie. Von ganzem Herzen - - der Ihrige. - - - - -Zweyter Brief. - - - G***dorf, den 28. May, - 1767. - -Ich reise diesen Augenblick von hier nach H****burg. Dort erwarte ich -Hr. M.. und mit ihm -- das angenehmste, was ich in meinen gegenwärtigen -Umständen erhalten könnte, Ihre eigne Gegenwart ausgenommen. - -Ich fange an, das Leben als eine lange und oft beschwerliche Reise -anzusehen, auf der wir von einem höhern Führer geleitet werden. Von -Zeit zu Zeit kommen einige angenehme Ruheplätze, wo wir uns nur erholen -sollen, und wo wir ganz und gar zu wohnen wünschen. Ihr Haus und ihre -Gesellschaft war einer von diesen. Ich fing schon an in demselben zu -vergessen, daß ich bloß zur Fortsetzung meiner Reise gestärkt werden -sollte. Es kommt der fürchterliche Befehl zum Aufbruche. Ich verlasse -in einer Art von Betäubung den angenehmen Aufenthalt. Endlich kommt -meine Empfindung wieder; aber nur um mich meinen Verlust fühlen zu -lassen. Lange, lange sehe ich mit einer zaudernden Sehnsucht nach dem -gewünschten Orte zurück, indeß ich mich immer mehr von ihm entferne. -Dort, dort, sage ich, ist meine Freundin, und ich reise nach der -entgegenstehenden Gegend. +Von einem unbefriedigten Verlangen zur -Schwermuth ist nur ein einziger Schritt.+ Endlich verlieren sich alle -diese schmerzhaften Ideen in dem Gedanken an meinen großen und gütigen -Anführer. Er ist zugleich der Führer meiner Freundin. In ihm, unserm -gemeinschaftlichen Vater, vereinigen sich wieder unsere Seelen, wenn -sie auch durch noch so weite Entfernungen von einander getrennt sind. -+So ist der Schmerz oft unser Lehrer; und eine menschliche Seele, die -niemals traurig gewesen wäre, müßte gewiß lasterhaft seyn.+ - -Die Pferde sind angespannt, alles ist fertig. Ich schreibe mitten unter -dem Geräusch. -- Ich bin unaufhörlich - - der Ihrige. - - - - -Dritter Brief. - - - B***, den 3. Juni. - -Fleuch, Brief, eile, so geschwind wie meine Gedanken, um es meiner -besten Freundin zu sagen, daß ich meine Reise überstanden, daß ich -meine Mutter wieder gesehen habe, und daß ich mich doch über beydes nur -halb so sehr freue, als wenn sie mit daran Theil nähme. - -O meine gefühlvolle Freundin, was wäre das für eine Scene für Sie -gewesen, da ich meine Mutter wieder sah. Denken Sie nur. Sie wußte -nicht ein Wort davon, daß ich Sonntags kommen würde. Der Himmel hatte -sogar zu meinem Glück den Brief unrichtig gehen lassen, worin ich es -Ihr von G****dorf aus meldete. Sie war den Tag zuvor mit meinem alten -Lehrer (den Sie schon kennen und hochschätzen) dem Hrn. Ringeltauben, -vom Lande herein gekommen. Die Wiederkunft in die Stadt hatte -den Schmerz über den Verlust der liebenswürdigsten Tochter wieder -aufgeweckt. Meine Reise war ihr ein neuer Kummer. Eine Menge von andern -unangenehmen Umständen hatte ihr Gemüth für das Vergnügen verschlossen. -Sie stand am Fenster in einer bekümmerten und traurigen Stellung. Zu -eben der Zeit komme ich an. Ich steige bey einem fremden Hause ab. Ich -fliege mit einer gewissen Art von ängstlicher Eile über die Straßen. -Ich komme an das Haus meiner Mutter, ohne daß mich ein Mensch gewahr -wird, die Treppe hinauf, fort, fort, bis an das Zimmer meiner Mutter. -Ich eröffne die Thüre mit Zittern. In diesem Augenblicke sehe ich meine -Mutter mit ausgebreiteten Armen auf mich zufliegen. -- Mein Sohn, mein -allerliebster Sohn, du bist es! -- Ihre Thränen ersticken das übrige. - -Ich war völlig sprachlos. Ich küßte alle, die in der Stube waren, ohne -ihnen ein Wort zu sagen. Ich ging, wie ein Mensch in der Irre, von -einem zum andern herum, ohne zu wissen, wer um mich war, und was in -mir selbst vorging. Endlich fingen die Thränen an zu fließen. Mein -Herz wurde leichter. Meiner Mutter ihres auch. Ein sanfter und stiller -Schmerz über die Abwesenheit einer Person, die ich bey einem solchen -Auftritte am liebsten würde gegenwärtig gesehen haben, vermischte -sich mit unserer Freude, und brachte eine gewisse stille, aber nicht -verdrießliche Schwermuth hervor, die unter allen Zuständen der Seele -vielleicht der angenehmste ist, und den sie am längsten aushalten kann. - -O meine gütigste Freundin! Ich habe noch nicht alles gewußt, was ich -an meiner Cousine verloren habe. Die liebenswürdigste Gestalt, ein -richtiger und durchdringender Verstand, ein sicheres und feines Gefühl, -Adel und Hoheit in den Empfindungen, Unschuld und Tugend im Herzen; -das waren die Vorzüge, die jeder an ihr kannte, und jeder, der für -Vollkommenheiten von dieser Art Augen hat, hochschätzte. Aber sie war -für mich noch mehr. Sie war die einzige Freundin, der Trost und die -Stütze meiner Mutter, das Band unserer Familie, die Hoffnung und die -Belohnung eines Freundes, den ich verehre, und der in ihr sein Glück -würde gefunden haben. Denken Sie, was ich dabey fühlen muß, wenn man -mir noch die letzten Beweise ihrer Gewogenheit gegen mich erzählt, -ihren Wunsch, mich wieder zu sehen, ihre Freude bey der Hoffnung von -meiner nahen Zurückkunft. Ist denn alles, was gut und vortrefflich ist, -nur bestimmt, zu leiden und zu sterben? - -Schon fange ich an, für Sie selbst zu fürchten. Eine so gute, -rechtschaffene Frau, eine so zärtliche Freundin, eine so verständige -Mutter, ist vielleicht nur ein Darlehn, kein Geschenk, das der Himmel -der Erde macht. Werden Sie ja wieder gesund, oder Sie machen mich ganz -melancholisch. Ich bin es ohnedieß schon halb; meine Mutter kränklich, -von Schmerz und Kummer verzehrt; mein Onkel seiner geliebtesten Tochter -beraubt; meine übrigen Freunde theils zerstreut, theils unglücklich: -ist das nicht mehr als genug, selbst ein hartes Herz zu beunruhigen? -- - -Sie sehen, ich habe Ihre Briefe erhalten. Einen durch Hrn. M.., den -andern gestern mit der Post. Sie sind die angenehmste unter meinen -Ergötzungen gewesen. Was meynen Sie wohl? Herr M.. gab mir ihn erst -in Stauchitz. Bis dahin sagte er nicht ein Wort, daß er einen Brief -von irgend einem Menschen hätte. Glauben Sie nicht, daß mich diese -fehlgeschlagene Hoffnung, einen Brief von Ihnen zu bekommen, den Weg -über sehr unruhig machte? Und doch fürchtete ich mich zu fragen, weil -ich den Zweifel für besser hielt, als einer unangenehmen Sache gewiß zu -seyn. Endlich wagte ich es, ihn ganz leise zu fragen, ob er von Niemand -Briefe hätte. Ja, sagte der Mensch ganz gelassen, ich habe einen von -***. Was ist doch der Mann für eine Schlafmütze, dachte ich. Geschwind, -geschwind her mit dem Briefe! Aber was ist denn das für eine Dame, die -an Sie so zeitig schreibt? -- Eine gute Frau, eine recht sehr gute -Frau! Aber geben Sie mir den Brief her. Nun denken Sie sich das übrige. --- - -Den Augenblick kommt man, und sagt, daß die Post abgeht, und ich meine -Briefe würde hier behalten müssen. Ums Himmelswillen, mein lieber -Post-Sekretär, wenn ich Euch jemals eine solche Freundin, wie ich habe, -wünschen soll, so bestellt diesen Brief an die meinige! - - - - -Vierter Brief. - - - B***, den 8. Juni. - -Ungeachtet ich anfangs über die neue Einrichtung, die es Ihnen mit -meinem Posttage vorzunehmen beliebte, ein bischen murrete, so muß -ich Ihnen doch jetzt sagen, daß Sie es recht gut gemacht haben. Sie -kennen die Theorie des Vergnügens. Sie wissen, wie notwendig es sey, -seine Vergnügungen zu sparen, um sie recht zu genießen. Durch Ihre -gegenwärtige Einrichtung haben Sie zwischen dem Vergnügen, von Ihnen -Briefe zu bekommen, und dem beynahe eben so großen, Briefe an Sie zu -schreiben, fast gleiche Zwischenräume gesetzt, da sie sich vorher -unmittelbar auf einander drängten. Auf diese Art wird mir die Zeit von -einem Freytage zum andern kürzer, und zwischen beyden Unterredungen, -die ich mit Ihnen die Woche halte, bey deren einer ich Sprecher, und -bey der andern Hörer bin, ist doch auch Raum genug, um das Verlangen -nach einer neuen wieder recht lebhaft zu machen. - -Wissen Sie, was mir das ärgste bey dieser Art von Umgang zu seyn -scheint? Dieses, daß ein Brief, den man (wenn unsere Freunde sehr gütig -sind) acht Tage erwartet hat, in eben so viel Minuten zu Ende gelesen -ist, und nach Verlauf dieser glücklichen acht Minuten, in denen man den -Brief lieset, schon wieder die neuen acht Tage angehen, in denen man -auf den folgenden wartet. Bey alle dem bin ich doch noch immer sehr -glücklich, daß Sie so gütig sind, und meinem Vergnügen alle Wochen -einen Theil Ihrer Zeit schenken. Ihre Briefe geben mir wieder in meinen -Augen einen gewissen Werth. Und dieses ist sehr nöthig, da ich mir hier -zuweilen in gewissen Gesellschaften recht einfältig vorkomme. - -Ich habe mir vorgenommen, Ihnen heute viel von mir selbst -vorzuschwatzen. Nicht eben, daß ich mich für einen sehr guten -Gegenstand des Gesprächs hielte; aber ich habe heute nun einmal keinen -bessern, oder wenn ich ihn hätte, so wäre ich nicht dazu aufgelegt, ihn -zu nutzen. Ich muß mich also schon mit mir selbst begnügen. Ueberdieß -sind Sie selbst daran schuld, daß Sie mir die Eitelkeit in den Kopf -gesetzt haben, als wenn alles, was mich anginge, sehr wichtige Sachen -für Sie seyn müßten. Diese Einbildung mache ich mir also zum Vortheile -meiner Trägheit zu Nutze, und mache getrost meine Briefe zu einem -guten, ehrlichen Zeitungsblatte von mir selbst. Heute sollen Sie also -erfahren, wie ich meinen Tag hier gewöhnlicher Weise zubringe; obgleich -der Ausnahmen beynahe so viel sind, als der Fälle, die unter die Regel -gehören. - -So wissen Sie denn, daß ich nicht bloß gewöhnlich, sondern beständig -sehr spät aufstehe. Dieses +spät+ aber müssen Sie weder früher noch -später annehmen, als acht Uhr des Morgens nach B***scher Uhr. Ich habe -schon lange die Ursachen dieser Begebenheit, die mit meinen Entwürfen -und Vorsätzen so wenig übereinstimmt, aufgesucht; ich bin aber noch -nicht weiter als bis auf die Dunkelheit der Alkove gekommen, in der -ich liege, und die der Sonne vor Mittag den Besuch nicht erlaubt. -Dieses ist ein sehr gutes Mittel die fernere Untersuchung wenigstens -aufzuschieben, die sich vermuthlich damit endigen würde, daß ich ein -wenig faul wäre. - -Der erste Gedanke, wenn ich erwache, ist, nach einem kurzen Dank -für das Geschenk eines neuen Tages, der Gedanke an meine Freunde. -Wie glücklich, denke ich alsdann, bin ich, daß ich wieder in einer -Welt erwache, in der so manches edle, vortreffliche Herz an meinem -Leben und an meiner Wohlfahrt Theil nimmt! Ich überzähle alsdann -mit aller der Begierde, mit der ein reicher Geitziger am frühen -Morgen seine Summen wieder überzählt, die Anzahl dieser Freunde. Ich -bin nicht mißvergnügt, daß ich sie so klein finde. +Das Herz liebt -desto stärker, je mehr es konzentrirt ist.+ Dieser stille Genuß der -Glückseligkeit, Freunde zu haben, bereitet mich zu einer andern vor; --- zu der, ihnen Gutes zu wünschen. Wie rührt und wie erhebt mich in -diesem Augenblicke ein Gedanke an den Herrn und den Vater, den ich mit -allen meinen Freunden gemein habe. Er ist bey ihnen, so wie bey mir -gegenwärtig; er regiert ihr Leben, so wie das meinige; er sorgt für -ihre Glückseligkeit mit alle dem Eifer, mit dem ich dafür sorgen würde, -wenn ich die Macht dazu hätte. Durch diese Erinnerung scheinen sich mir -die weitesten Entfernungen zu verengern. Ich vereinige mich mit meinen -Freunden. Bürger einer und derselben großen Republik, in einerley -gemeinschaftlichen Plan von allgemeiner Glückseligkeit verflochten, -von einerley Gesetzen regiert und von gleichen Hoffnungen belebt, sind -unsere Geister unter einem beständigen, gemeinschaftlichen Einfluß eben -derselben Güte! -- - -Ich muß mich mit Gewalt von diesen Betrachtungen losreissen. Das -Vergnügen macht geschwätzig. Und doch sind Worte so wenig fähig, -Vergnügungen von der Art zu beschreiben, daß man nothwendig entweder -einem Herzen, das sie niemals empfunden hat, verdrießlich, oder einem -solchen, das sie kennt, matt und kraftlos vorkommen muß. Auf diese -geheimen Ergötzungen folgt eine andere, an der meine liebe Mutter, und -meine Cousine, die beständig bey ihr ist, Theil nimmt. Wir trinken -gemeinschaftlich auf einem kleinen Altan, den wir haben, und der mit -Grünem besetzt ist, Thee. Sie wissen schon, was ich Ihnen sonst von dem -Vergnügen der Theestunde vorgeschwatzt habe; und in der That bleibt es -noch immer eine der schönsten Stunden des ganzen Tages. Sie können es -auch daraus schließen, daß wir sie fast niemals vor zehn Uhr endigen. -Ich habe mich hier zum Lekteur meiner ganzen Familie aufgeworfen, und -man hört mich noch so ziemlich gern. Ich lese also diesem Amte zu -Folge auch manchmal beym Thee ein Stück vor. Das gewöhnlichste aber -ist, daß wir bloß sprechen; sehr oft von Leipzig, noch weit öfter -von Ihnen; das können Sie denken. Um zehn Uhr gehe ich herunter, und -diese beyden Stunden bis zu Mittage lasse ich mir ungern rauben. Mein -Geist wird ohne eine tägliche Nahrung trocken und leer. Er ist keine -immerbrennende Flamme, die durch ihre eigene Kraft in die Höhe steigt. -Er ist wie das in Stein eingeschlossene Feuer, das nur von Zeit zu Zeit -Funken giebt, und auch diese müssen erst heraus geschlagen werden. Ich -lese also in diesen zwey Stunden, oder ich schreibe. Das was ich lese, -und was ich davon denke, das sollen Sie alles nach und nach erfahren. -- - -Aber diese zwey kostbaren Stunden sind eben jetzt vorbey; ich habe -sie dazu angewendet, an Sie zu schreiben; und das ist gewiß der -beste Gebrauch, den ich die ganze Woche davon mache. Dem ungeachtet -verzweifle ich noch nicht, ehe man mich zu Tische ruft, zu Ende zu -kommen. Das nächste also, was jetzt folgt, ist, daß ich esse. Die -Gesellschaft eben dieselbe, die es beym Thee war. Die Gerichte sehr -mäßig, aber sehr wohlschmeckend. Und hier kann ich nicht unterlassen, -eine kleine Lobrede für die Schlesischen Köche und Köchinnen -einzuschalten. Wenn ein Land durch gute Suppen, durch sehr fettes -und derbes Rindfleisch, durch vortreffliches und wohlzugerichtetes -Kräuterwerk glücklich würde, so wäre in der Welt nichts ungerechter, -als die Klagen, von denen meine Ohren hier gar nicht ausruhen. Denn -alles das und noch weit mehr, als ein solcher Idiot in der jetzigen -Favorit-Wissenschaft der Welt, wie ich bin, sagen kann, das besitzt -Schlesien. O warum kann ich nicht hier Ihren Geschmack aufbieten, mir -Recht zu sprechen! Warum kann ich Sie nicht einmal mit dem Manne, ohne -welchen alle mögliche Schlesische Gerichte umsonst vor Ihnen stünden, -an unserm Tische sitzen sehen! -- - -Wenigstens will ich den Einfall in meinen Gedanken verfolgen. Ich werde -den Augenblick gerufen. Wie wäre es, wenn Sie, ohne ein Wort zu sagen, -nach B***lau gekommen wären, wenn Sie mich heute überraschen wollten, -wenn ich Sie oben schon an unserm Tische sitzen und auf mich schmälen -sähe, daß ich Sie so lange habe warten lassen. Ich gehe, ich gehe, -- -um meinen Traum zu vernichten. -- - -Ich komme eben von Tische wieder, und ich habe nur noch einen -Augenblick Zeit bis zur Post. Auf meiner Mutter Stirne saßen, wie ich -heraufkam, einige finstere Wolken. Einige verdrießliche Geschäfte, und -noch mehr als das, die Unruhe eines Baues, der sie beynahe aus ihrem -Zimmer vertreibt, hatten diese Wolken zusammengezogen. Ich schreibe mir -heute die Ehre zu, sie zerstreut zu haben. Wenigstens habe ich meine -Mutter heiterer verlassen, als ich sie fand. -- - -Um also meinen Tag vollends bis zum Abend zu bringen, so müssen Sie -wissen, daß ich unmittelbar nach Tische eine kleine halbe Stunde den -Flügel spiele. In meiner Mutter Stube steht ein ziemlich guter mit zwey -Klavieren. Dann kommt der gesellschaftliche Kaffee. Sie können glauben, -daß ich den niemals ohne meine Mutter und Cousine trinke, ausgenommen, -wenn diese Frauenzimmerbesuch hat, den ich nicht kenne. Nichts ist -ungewisser und unsicherer als der übrige Rest des Nachmittags. Wir -fahren zuweilen in Gesellschaft einiger Freunde spazieren. Ein ander -Mal gehe ich ganz allein mit einem einzigen Bekannten. Ich besuche dann -und wann die hiesigen öffentlichen Bibliotheken; ich mache zuweilen -Staats-Visiten, die mich ennuyiren; und dann endlich bleibe ich einmal -zu Hause, um recht viel oder gar nichts zu thun. - -Der Abend ist dem Mittag vollkommen ähnlich. Ordentlicher Weise ist -mein Onkel bey uns, der der rechtschaffenste Mann, aber fast immer -kränklich und dann und wann ein wenig argwöhnisch ist. Leben Sie wohl. -Ich bin -- - - N. S. - -Denken Sie einmal, liebste Freundin! gestern bekomme ich von Herrn -Weisen einen Brief, -- einen sehr gütigen, freundschaftlichen -Brief. Und dieses Vergnügen muß mir durch eine so traurige -Nachricht verbittert werden, als die von Meinhards Tode. Ja, dieser -rechtschaffene Mann, dieser große Gelehrte, dieser schöne und -empfindliche Geist, dieser mein Freund -- ist todt. ~Peace to his -gentle shade!~ - - - - -Fünfter Brief. - - - B***, den 9. und 10. Juni. - -Niemals ist ein Brief mit einem so schmerzhaften Verlangen erwartet -worden, als ich gestern den Ihrigen erwartete. Selbst in dem Schoße -meiner Familie, und an der Seite der vortrefflichsten Mutter, empfinde -ich dem ungeachtet, daß mir noch ein Freund und eine Freundin fehlt, -um diesem Glück seine Vollständigkeit zu geben. Ich fühle es, daß mir -Ihr Umgang nothwendig geworden ist; und ohne die Gütigkeit, mit welcher -Sie mir Ihren Briefwechsel versprachen, und ohne die Beständigkeit, -mit welcher Sie dieses Versprechen ausführen, würde ich meine -hiesigen Freunde mit dem beständigen Anblick einer gewissen Unruhe -beleidigt haben, die sie vielleicht auf die Rechnung eines Mangels von -Zärtlichkeit geschrieben hätten. Aber jetzt setzt mich Ihre Gütigkeit -in den Stand, zwey der angenehmsten Beschäftigungen mit einander zu -verbinden, die Unterhaltung mit meiner Mutter und das Andenken an Sie. - -Meine Mutter kannte Sie schon als eine sehr gütige Freundin von ihrem -Sohne, ehe ich noch Leipzig verließ. Aber nun kennt sie Sie als eine -vortreffliche Frau, als eine zärtliche Freundin, mit einem Worte, als -eine Person von einem solchen Geiste und einem solchen Herzen, als die -Liebe und die Freundschaft nöthig hat, wenn sie beschlossen hat, einen -glücklichen Ehemann und einen kleinen Kreis glücklicher Freunde zu -machen. - -Was meynen Sie wohl? Ich zeige meiner Mutter alle Ihre Briefe. Sie -liest sie beynahe mit eben dem Feuer, mit welchem ich sie lese. Bey -gewissen Stellen füllen sich ihre Augen mit Thränen der Zärtlichkeit -und der Freude. So stark wirken diese gleichgestimmten Herzen auf -einander, selbst in der weitesten Entfernung. Glauben Sie wohl, daß -ich es hätte aushalten können, ein ganzes halbes Jahr zuzubringen, -ohne Jemand zu haben, mit dem ich mich von Ihnen unterreden könnte, -und in dessen Schoß ich zuweilen mein volles Herz ausleerte, wenn -Ihre Gütigkeit und die Sehnsucht nach Ihrem Umgange dasselbe mit -zu unruhigen und stürmischen Wünschen anfüllte? Und könnte wohl -diese Person Jemand anders als meine Mutter seyn? Sie, die an den -kleinsten Vergnügen ihres Sohnes Theil nimmt, sollte sie nicht in der -Glückseligkeit, die ihm der Himmel geschenkt hat, eine Freundin und -einen Freund zu besitzen, einen Theil derjenigen wieder finden, die sie -durch den Tod einer Tochter, die zugleich Freundin war, verloren hat? - -Ja, gütigste Freundin, schon theilt meine Mutter alle die Empfindungen -mit mir, die mir die Bekanntschaft mit einer so edlen und zugleich -zärtlichen Seele eingeflößt hat, und die ich, wenn es möglich ist, -durch die Abwesenheit noch gestärkt und vermehrt finde. Unsere -Unterredungen beleben sich am meisten, wenn sie Sie zum Gegenstand -haben; und ohne daß wir es gewahr werden, kommen sie durch die -wunderbarsten Irrgänge immer wieder auf diese Lieblingsmaterie zurück. -So viel Gewalt hat das Herz über unsere Denkungskraft, daß die -leichtesten und schwächsten Verbindungen schon genug sind, Ideen in -die Seele wieder zurück zu bringen, die durch ein starkes Interesse an -uns gebunden sind. Lassen Sie sich dieses von +Home+ viel besser und -gründlicher sagen. Ich mag nicht philosophiren, ich will Ihnen bloß -sagen, was ich empfinde. -- - -Aber gütigste Freundin, wie haben Sie es übers Herz bringen können, -mir mit einem so versteckten, aber für mich doch sehr fühlbaren -Vorwurf wehe zu thun? -- Oder trauten Sie es der Feinheit meines -Gefühls nicht zu, daß ich den kleinen Ansatz von Empfindlichkeit -gewahr werden würde, der Ihnen die Worte eingab: „Ich suchte in der -Folge Ihres Briefes Trost, aber ich fand keinen. Sie, der Sie mit mir -einerley Gefühl haben, Sie empfinden den Unterschied wohl, der zwischen -der Verstorbenen und mir ist!“ Und noch dazu eine so ceremoniöse -Vorsichtigkeit, Ihren Namen nicht zuerst zu schreiben! Ein kleiner, -ganz kleiner Rest von Weiblichkeit! würde Onkel Selby sagen. Wie? -glauben Sie wohl, daß ich meine Cousine liebte, und die Eigenschaften -nicht von ganzem Herzen hochschätzte, die sie liebenswürdig machten? -daß ich ihren Verlust beweinen, und mich nicht zugleich über den Besitz -von Freunden erfreuen sollte, in denen ich ihren Geist und ihr Herz -wieder finde? Oder können Sie so ungerecht gegen sich selbst seyn, -diese größten Geschenke des Himmels in sich zu verkennen, und sich -unter Ihren eigenen Werth herabzusetzen? Liebste, gütigste Freundin, -lassen Sie sich niemals durch einen gewissen Unmuth die Erhabenheit der -Seele schwächen, die ohne Stolz, dennoch ihre eigene Vollkommenheit -fühlt, und indem sie die Stufe erkennt, auf welche die Güte des -Schöpfers sie gesetzt hat, dadurch nur noch mehr Muth bekommt, höhere -zu erreichen. -- - -Aber lieber will ich glauben, daß Sie nur darum diese Stelle in Ihren -Brief gesetzt haben, um mir die Gelegenheit, die ich so sehr wünsche, -zu geben, es Ihnen noch einmal zu sagen, wie hoch ich meine Freundin -schätze, und wie theuer sie meinem Herzen ist. Ich kann dieses, zu -meinem eigenen Vergnügen nicht oft genug wiederholen. Denn welche -Glückseligkeit ist der gleich, seinem Freunde zu sagen, daß man ihn -liebt, wenn es nicht die Glückseligkeit ist, zu hören, daß man von ihm -geliebt wird? Wenn ich also von meiner Cousine rede, so glauben Sie -nur, daß keine Ideen verwandter sind und einander leichter erwecken, -als der Gedanke an ein Gut, das man verloren, und der an ein anderes, -das uns der Himmel noch läßt; und daß der Abgang von so theueren -Freunden das Herz nur noch zärtlicher gegen diejenigen macht, die uns -noch übrig sind. - -Ich glaube, ich habe Ihnen schon in Leipzig gesagt, daß ein Freund von -mir und von unserm Hause, ein junger angehender Dichter, der jetzt -in Halle studirt, ein Gedicht auf meine Muhme gemacht hat. Ich habe -es hier erst zu sehen bekommen. Weil viel gute Stellen darin sind, -obgleich manche gegen die übrigen matt, andere in der Verbindung, -in der sie stehen, nicht richtig und zusammen hängend genug, und -noch andere zu überhäuft und nur durch die Rechte der Poesie zu -entschuldigen sind, so will ich es Ihnen abschreiben. Aber schöner, -als das ganze Gedicht, ist meinem Urtheile nach ein Motto aus dem -Petrarch, welches er demselben vorgesetzt hat. Wo ich nicht irre, so -ist es eine der schönsten Stellen im ganzen Petrarch. Es ist aber zur -Anwendung auf die Person, die der Gegenstand dieses Gedichts ist, -nicht schicklich und angemessen genug, und überhaupt kann es nur im -Munde eines Liebhabers und eines solchen Liebhabers als Petrarch, -sein rechtes Verhältniß bekommen. Ich will es wagen, die Stelle zu -übersetzen, ob ich Sie gleich zu eben der Zeit bedauren werde, daß Sie -nicht das Original lesen können. - - „Wer alles sehen will, was nur die Natur und der Himmel unter den - Menschen vermag, der komme, diese zu sehen. Aber er komme bald. - Denn der Tod raubt zuerst die besten, und läßt die schlechtern - stehen. Dieses in dem Reiche der Götter schon lang erwartete schöne - und sterbliche Geschöpf geht nur vorüber, und bleibt nicht. Wenn er - noch zu rechter Zeit kommt, so wird er jede Tugend, jede Schönheit, - jede erhabene Eigenschaft in einem Körper mit wunderbarer Mischung - vereinigt sehen. Aber wenn er zu lange zaudert, so wird er nur - kommen, um beständig zu weinen“[A]. - -Ist diese Apostrophe nicht das rührendste Gemählde eines von Schmerz -ganz durchdrungenen Herzens? Aber nun zum Gedicht selbst. Sie sollen -nur die besten Strophen davon bekommen. - - Also blühte rühmlich Doris Leben -- - Rühmlich mußte sie es wieder geben; - Und das grosse Beyspiel im Erblassen - Noch der Erde zum Vermächtniß lassen; - - Da ihr lieblich Auge brechen sollte, - Stürmend Feuer durch die Adern rollte, - Freunde sprachlos matte Hände rangen, - Und die Engel froh die Flügel schwangen, - - Schaute sie des Todes letzten Schlägen - Voll Geduld und Majestät entgegen, - Ruhig, da die Trennung jetzt begonnte, - Weil sie nur die Hülle wechseln konnte. - - Keusche Jungfraun, eilt ihr Grab zu ehren. - Pflanzt Zypressen, oft benetzt mit Zähren, - Und gelobet auf dem Staub der Schönen - Euren Wandel einst wie sie zu krönen. - - Aus den Zweigen soll ein Hayn entsprießen, - Junge, leicht verführte Töchter müssen - Ihn besuchen, die Geschichte hören, - Und erröthend sittsam wiederkehren. - - Jährlich sollen freundschaftliche Reyhen, - Wo sie schlummert, zarte Lilien streuen, - Und das Opfer mit gedämpften Saiten - Und wehmüthigem Gesang begleiten. - - Nie, Geliebte, nie wirst du vergessen! - Deinen Nachruhm wird kein Ruhm ermessen. - Laß noch Einen für die Tugend brennen, - So wird er auch dich mit Ehrfurcht nennen. - - Und sollt’ einst auf der undankbar’n Erden - Sie verkannt, gehaßt von allen werden; - Darf sie nur, um alle zu entzücken, - Sich mit deinem süßen Reitze schmücken. - -Dürfte ich wohl so eigennützig seyn, und mit diesem kleinen Geschenke -wuchern? Meine Freunde kennen Sie noch nicht als eine eben so -empfindungsvolle Dichterin, als Sie eine gefühlvolle Ehegattin und -Freundin sind. Einige von den kleinen Stücken, die Sie mir einmal -vorlasen, und unter diesen auch das Hochzeit-Gedicht, das Sie für -einen Ihrer Bekannten gemacht haben, würden mich in den Stand -setzen, dieses Vergnügen meiner Mutter zu machen. Ich würde sogar -durch die Mittheilung derselben ein gewisses Ansehen bekommen. Ich -würde Macht haben, Gefälligkeiten auszutheilen; und ich würde gewiß -meine Geheimnisse nicht so wohlfeil verkaufen. Sie sehen schon, daß -ich unbescheiden genug bin, auch wohl gar eine kleine Mühe Ihnen -aufzulegen. -- - -Wenn ich nur dafür im Stande wäre, Ihr Tagebuch, das mich so sehr -unterhält und mich auf einige Augenblicke wieder zu Ihnen zurück -bringt, mit einem eben so angenehmen zu vergelten. -- Aber meine -Geschichte (ich nehme die Unterhaltung mit meiner Mutter aus, und -die wissen Sie schon größten Theils) ist so einförmig, oft für den -Helden derselben so langweilig, und fast immer für die Leser so wenig -unterrichtend, daß ich alle Mal abgeschreckt werde, so oft ich daran -denke, meine Briefe mit meinen Begebenheiten, anstatt mit meinen -Empfindungen anzufüllen. Sie sollen unterdessen alle meine Freunde, -die ich hier hochschätze, kennen lernen. So bald nur der Cirkel von -Besuchen, in dem ich mich jetzt herumgedreht habe, durch seyn wird, -so werde ich es mir zu einer fest gesetzten Beschäftigung machen, Sie -ganz in unsere Familie und in unsere Bekanntschaften einzuführen, und -mich auch zuweilen für die Langeweile, die mir einige davon machen, zu -rächen. - -Meine Reise ist, wie Sie wissen, glücklich, aber dem ungeachtet -ziemlich unangenehm gewesen. Meine Gesellschafter waren entweder -Misanthropen oder Schläfer. Ich dankte unterdessen beyden für die -Muse, die sie mir gaben, an meine Freunde zu denken. Oft in der Mitte -der Nacht, wenn alles um mich schlief, schweifte meine durch die -Stille noch mehr aufgeweckte Seele zu allen Wohnungen meiner Freunde -umher, und segnete ihren sanften und ruhigen Schlaf. Bald flog ich -unsern langsam kriechenden Pferden zuvor, warf mich in Gedanken zu den -Füßen des Bettes meiner Mutter, küßte sanft ihre Hand um sie nicht zu -wecken, und flehte den Beystand der sie bewachenden Engel an, sie mir -zu beschützen. Bald überraschte ich Sie, weit glücklicher als mein -Freund Reiz, in Ihrem Schlafzimmer, und gebot Ihrem Schutzgeist, Ihnen -mitten im Schlafe die angenehmsten, fröhlichsten und schönsten Bilder -vorzustellen, und Ihre Seele, selbst ohne ihr Wissen, noch vollkommener -zu machen. -- Alsdann -- Ich freue mich, theuerste Freundin, daß unsere -Freundschaft von der Beschaffenheit ist, daß meine Seele von dem -Andenken an Sie, unmittelbar zu dem Gedanken an Gott, unsern großen und -gemeinschaftlichen Freund, übergehen kann, zu dessen Verehrung solche -Seelen, wie die Ihrige, geschaffen worden. Meine Seele steigt durch -diese Stufen auf eine leichtere Art bis zu ihm hinauf. - -Aber ich muß, ich muß schließen u. s. w. - - -Fußnote: - -[A] Für Freunde des Originals folgt hier das ganze Sonnet: - - ~Chi vuol veder quantunque può natura, - E’l Ciel tra noi, venga a mirar costei, - Ch’è sola un Sol, non pur agli occhi miei, - Ma al mondo cieco, che virtù non cura;~ - - ~E venga tosto, perchè morte fura - Prima i migliori, e lascia stare i rei; - Questa aspettata regno degli Dei - Cosa bella mortal passa, e non dura.~ - - ~Vedrà s’arriva a tempo, ogni virtute, - Ogni bellezza, ogni real costume - Giunti in un corpo con mirabil tempre. - Allor dirà, che mie rime son mute. - L’ingegno offeso dal soverchio lume; - Ma se più tarda, avrà da pianger sempre.~ - - - - -Sechster Brief. - - - B***, den -- Juli. - 1767. - -Wissen Sie auch wohl, daß ich Ihre Frage, ob wir noch einerley -Empfindungen mit einander hätten, für einen Vorwurf würde angesehen, -und daß mich dieser Vorwurf würde gekränkt haben, wenn ich nicht selbst -in den Beyspielen, die Sie dafür anführen, eine nette Bestätigung -dieser Gleichheit Ihrer Gesinnungen mit den meinigen, auf die ich so -stolz bin, gefunden hätte. Ich kann mir also unmöglich helfen. Ich muß -erst diese beyden Punkte erörtern, ehe ich ein Wort weiter schreiben -kann, gesetzt auch, daß Ihnen indeß der Brief vor Langerweile aus der -Hand fallen sollte. - -Zuerst also meine Unzufriedenheit bey meiner Ankunft in B****. Sollte -ich Ihnen erst nöthig haben, die Quellen davon zu entdecken? Sie -sagen, ich hatte Freunde verlassen, die mich liebten, und ich kam zu -andern, die ich auch liebte. Haben Sie niemals diese angenehme Mischung -von Schmerz und Vergnügen, von Verlangen und von Befriedigung, von -Sehnsucht nach abwesenden Gütern, und von Genuß der gegenwärtigen -empfunden? Haben sich niemals mit den Thränen, die Sie über den Anblick -neuer Freunde vergossen, diejenigen vermischt, die Ihnen das Andenken -an die, von denen Sie sich losgerissen hatten, ablockte? Sie, die Sie -die menschliche Seele so gut kennen, da Sie Ihre eigene mit so vieler -Sorgfalt studirt haben, wissen Sie nicht, wie geschickt eine gewisse -Art von Freude ist, die traurigen Empfindungen, die eine Zeit lang in -der Seele geschlafen haben, wieder zu erwecken, und mit ihnen vermischt -einen gewissen Zustand der Ermattung hervorzubringen, wo die Seele, zu -denken und zu handeln unfähig, unter der Menge von dunkeln Ideen, die -sich in ihr zusammen drängen, erliegt. So empfand meine gute Mutter den -Verlust ihrer Tochter niemals mehr, als da sie ihren Sohn wieder sah, -und ich fühlte in den ersten Umarmungen meiner Mutter am meisten, wie -viel ich an Freunden verloren hatte, die in diesem Augenblicke mit mir -die Glückseligkeit einer wieder vereinigten Familie würden getheilt -haben. - -Dieses waren die Regungen der ersten Augenblicke. Ihnen folgten andere -eben so traurige, aber weniger angenehme. Glauben Sie ja nicht, daß -die guten Leute immer glücklich sind. Wenn sie es wären, so bin ich -stolz genug zu sagen: unser Haus würde mehr als einen Glücklichen -einschließen. Aber wie weit, wie weit ist es davon entfernt, daß dieses -ganz wahr seyn sollte? Meine Mutter, durch die natürliche Zärtlichkeit -ihres Körpers, und durch die große Empfindlichkeit ihrer Seele, einer -Menge von Uebeln bloß gestellt, mit denen die Natur härtere und -fühllosere Menschen verschont hat; durch eine beynahe fortgehende Reihe -von Unglücksfällen in einer beständigen Uebung dieser Empfindlichkeit -unterhalten; durch eine sehr schwere und sorgenvolle Nahrung, die -sie seit dem Tode ihres Mannes ohne Gehülfen und Rathgeber besorgt, -abgemattet und entkräftet, von Krankheit und der Annäherung des Alters -bis zu dem äußersten Grade der Zärtlichkeit in ihren Nerven gebracht; -und in diesem Zeitpunkte ihrer besten Stütze beraubt, und fast mitten -unter ihrer Familie einsam und verlassen, -- sagen Sie mir, geliebte -Freundin, was würden Sie in meinen Umständen fühlen, wenn Sie, so wie -ich, sich außer Stande sähen, dieser Mutter zu helfen; wenn Sie ihr -sogar in der Zukunft keine Aussicht, wenigstens keine nahe Aussicht -anweisen könnten, durch die Sie ihre gegenwärtigen Umstände erträglich -machten? Sagen Sie mir, liebe Freundin, wo ist die Stelle, die für -mich zubereitet ist, und von der ich hoffen könnte, meiner Mutter die -ihrem gütigen Herzen so theuere Glückseligkeit zu verschaffen, in der -Gesellschaft ihres Sohnes ihre letzten Tage in Ruhe und Zufriedenheit -zuzubringen? Ich selbst in die Welt nur noch so hingeworfen, in die -Welt, die, dem Himmel sey es gedankt, nicht ganz leer von Freunden -für mich, aber vielleicht leer von Beförderern und dem, was man -darin Patronen nennt, ist; ich selbst noch von einem Orte zum andern -herumirrend, zwar nicht ganz ohne Endzweck, aber doch noch ohne große -Mittel, diesen Endzweck auszuführen; was kann ich für meine Mutter -thun, da ich für mich selbst nichts zu thun vermag? - -Glauben Sie wohl, daß es mir unter diesen Umständen leicht wird, daran -zu denken, daß ich meine Mutter verlassen soll; sie so verlassen, ohne -ihr vorher zu sagen, nach was für einem Plane ich arbeiten werde, um -ihre Glückseligkeit mit der Erreichung meiner Wünsche zu vereinigen? -Und doch kann ich nicht anders; ich muß sie verlassen. Alles, sie -selbst ausgenommen, macht, daß ich diesen Augenblick beynahe wünsche. -Die Beförderung, die mir meine Vaterstadt darbieten kann, ist, wie Sie -wissen, nur von einer einzigen Art. Glauben Sie nicht, daß mich der -Name und die gewöhnliche Verachtung eines Schulmannes abhalten würde, -in einen Stand zu treten, der, wenn er recht verwaltet wird, ehrwürdig -ist, und den die Vortheile und die Erleichterung, die ich meiner Mutter -dadurch verschaffe, mir auch sogar liebenswürdig machen würden. Aber -die Verrichtungen, die hier zuerst denen auferlegt sind, die in diesen -Stand treten, die Unwissenheit, und noch mehr der elende Geschmack, -der unter den meisten der hiesigen Schullehrer herrscht, und durch -sie ohne Zweifel die Studirenden ansteckt; der durchgängige Mangel an -guter Lebensart bey dieser ganzen Zunft Leuten, unter denen ich doch -genöthigt würde zu leben; der Mangel an Ermunterung und Hülfsmitteln -zur Vermehrung der Wissenschaften, die ich mehr schätze als alles; -endlich, was darf ich es erst sagen, die Entfernung von Freunden, die -mir theuer sind, um so viel theurer, weil ich sie nicht bloß der Natur -und Familienverbindungen zu danken habe; -- alles dieses, und was weiß -ich noch, was für hundert dunkel damit vermischte Vorstellungen mehr, -machen mir es ganz unmöglich, daran zu denken. - -Nun gut also. Ich gehe von B****. Aber wohin? Nach L***zig? Ja -freilich ist dieß der Ort, der mich unter allen am meisten an sich -zieht. Aber was hälfe es, wenn ich vor mir selbst es verbärge. Es -ist nicht Hoffnung der Beförderung, sondern das Vergnügen, meine -Freunde wieder zu sehen, welches mir diese Stadt vor allen andern so -angenehm macht. Sie wissen selbst, und wenn Sie es nicht wissen, so -lassen Sie sich es den braven und rechtschaffenen Ebert sagen, was für -Geduld und Aufopferungen dazu gehören, sein Glück bey der Leipziger -Akademie zu erwarten. Und während der Zeit, daß ich diese vielleicht -fehl schlagende Probe machte, würde meine arme Mutter von Alter und -Sorgen verzehrt, von ihren noch übrigen Freunden vollends entblößt, -und stürbe, ehe sie die so lange gehoffte und so theuer errungene Ruhe -ihres Alters gekostet hätte. Lassen Sie mich also auf eine andere -Universität gehen, wo die Beförderung leichter und geschwinder ist. -Setzen Sie den besten möglichen Fall. Machen Sie mich in einigen Jahren -zum Professor in Halle, oder in irgend einem andern solchen Winkel der -Erde. Jetzt soll ich meine Mutter in ihrem Alter aus ihrem natürlichen -Boden in ein ganz fremdes Land verpflanzen, sie aus einer belebten und -volkreichen Stadt in einen todten und finstern Flecken führen, sie aus -dem Cirkel ihrer Freunde und ihrer Bekanntschaften, die sie von langer -Zeit her kennen, die sie alle hochschätzen, unter ganz fremde und für -sie noch gar nicht eingenommene Menschen bringen, -- oder mir mit einem -so groben Stolze schmeicheln, daß ich allein aller deren Stelle würde -ersetzen können. -- Ist dieses vielleicht nicht ein eben so schwerer -und trauriger Schritt für beyde? -- Und doch bey dem allen, was bleibt -mir übrig? - -Sie sehen, liebe Freundin, wenn Sie diese Ueberlegungen machen, Sie -werden meine Unruhe nicht schelten, so gütig Sie mich auch von Ihrer -Gewogenheit versichert haben, und so gewiß ich von der Liebe der -Meinigen bin. -- Aber das ist noch lange nicht alles. Ich behalte mir -dieß auf einen andern Brief vor. Ich kann nicht anders; ich muß Sie mit -meinen eigenen Angelegenheiten unterhalten. Der Wohlstand würde dieß -bey Personen, die weniger meine Freunde wären, verbieten. Aber es ist -gar zu eine große und eine zu unentbehrliche Glückseligkeit, zuweilen -sein volles Herz in den Schoß eines Freundes ausschütten zu können. -Ich habe Ihnen schon oft gesagt, Sie und Ihr liebster Gemahl machen -in meiner Einbildungskraft nur Eine Person aus. Sie sind in meinen -Gedanken eben so unzertrennlich, als Sie es durch Ihre Liebe sind. -Alles also, was ich Ihnen schreibe, ist zugleich für ihn geschrieben. -Sein kurzer Brief ist mir dem ungeachtet so angenehm gewesen, als der -längste Brief hundert anderer mir nicht seyn würde..... - -Ich sehe, ich stehe in Gefahr, meinen Brief eben so lang und so voll -von Digressionen zu machen, als es des Tristram Shandy Roman ist. Also -nur noch ein Wort von Klopstock und seinen Briefen, und dann nehme -ich bis auf künftigen Freytag von Ihnen Abschied. (Können Sie wohl -errathen, was ich da erwarte?) -- - -Ich wundere mich gar nicht darüber, daß Ihnen des Mannes, und mir der -Frau ihre Briefe zärtlicher vorkommen. Das macht, würde Onkel Tobias -sagen, Sie sind eine Frau, und ich ein junger Mensch. Ich habe des -Klopstocks Briefe flüchtig gelesen, der Frau ihre recht aufmerksam. Sie -haben vielleicht das Gegentheil gethan. Mit einem gleichen Grade der -Aufmerksamkeit würden wir bey beyden vielleicht gleich viel empfunden -haben. Ich wenigstens, durch die Verschiedenheit Ihres Gefühls -aufmerksam gemacht, habe sie noch einmal gelesen, und schon habe ich -des Klopstock Briefe viel zärtlicher gefunden. Aber, daß es ihre -weniger sind, das wollte ich doch noch nicht gerne für wahr halten. - -Wie gern fieng’ ich noch die eilfte Seite an, um Stellen zu meiner -Vertheidigung anzuführen! Aber es hilft nichts. Es ist jetzt ein Uhr, -Dienstags in der Nacht. Möchten doch die gütigen Engel Ihre und Ihres -Geliebten Ruhe beschirmen u. s. w. - - - - -Siebenter Brief. - - - B***, den -- Juli - 1767. - -Wahrheiten, die uns sehr am Herzen liegen, können niemals zu oft -bewiesen werden. So ein sophistisches Ding ist dieses Herz, daß es sich -der Ueberzeugung von eben der Sache am meisten widersetzt, von der es -am meisten gewiß zu seyn wünscht. Ich, zum Beyspiel, bedarf keiner -neuen Proben mehr, um zu wissen, daß Sie meine Freundin sind. Und doch, -mit welchem Vergnügen habe ich diejenigen aufgenommen, die Sie mir -in Ihren letzten Briefen gegeben haben, gerade so, als wenn dieß die -ersten gewesen wären. Sie wissen, wie schwer sich Empfindungen durch -Beschreibungen deutlich machen lassen. Man kann nichts weiter thun, -als diejenigen, welche ähnliche gehabt haben, an ihr eigenes Gefühl -erinnern. - -So stellen Sie sich also Ihren lieben Mann, meinen Freund, an dem -Abende eines sehr geschäftigen Tages vor. Er tritt zuerst mit einer -etwas tiefsinnigen und zerstreuten Miene in ihr Zimmer. Seine von -fremden Bildern ganz angefüllte Seele empfängt schon die geheimen -Einflüsse Ihrer Gegenwart, ohne sie noch zu fühlen; selbst die ersten -Liebkosungen verschwenden Sie an den Undankbaren vergeblich. Endlich -thut Ihr Anblick und Ihre Zärtlichkeit ihre gehörige Wirkung; und jetzt -schweben nur noch die Sorgen der Geschäfte auf der Oberfläche der -Seele, wie die Nebel an einem heitern Frühlingsmorgen auf dem Gipfel -der äußersten Berge. So gewinnt der Ehemann einen Schritt nach dem -andern über den Geschäftsmann -- bis er zuletzt nur ganz allein übrig -bleibt. Was Ihnen in diesem Augenblicke ein stillschweigender Kuß ist, -den er Ihnen aus vollem Herzen giebt, ein Druck seiner Hand, bey dem er -sie zugleich seine Wilhelmine nennt, sehen Sie, das waren für mich Ihre -Briefe. Versicherungen von Sachen, die wir lange wissen, die wir aber -gern vergessen, an denen wir sogar zweifeln, aus bloßem Muthwillen, um -sie uns noch einmal versichern zu lassen! - -Ich glaube, Sie müssen es schon bemerkt haben, daß es eins von meinen -Steckenpferden ist, (hieraus können Sie schließen, daß ich den -Tristram Shandy lese) über alles, was in und mich herum vorgeht, zu -philosophiren, jede Begebenheit, wenn sie auch die natürlichste und -gewöhnlichste von der Welt ist, zu erklären und aus Gründen zu zeigen, -wie sie möglich gewesen ist. Wenn ich mich nicht irre, so war ich eben -im Begriffe, einen guten Ritt darauf zu thun. Denn, anstatt Ihnen mit -drey Worten zu sagen, liebe Freundin, Ihre Briefe waren mir herzlich -lieb, und dann gleich zur Beantwortung ihres Inhalts fortzugehen; -verwende ich eine und eine halbe Seite, um es zu beweisen, daß es -möglich gewesen ist, daß ich mich über Ihre Briefe habe freuen können. -Und doch, welcher Beweis wäre stärker gewesen, als die Aufmerksamkeit, -mit welcher ich alle Ihre gütigen Vorschläge erwogen habe. - -Nach dem Wunsche, bey Ihnen zu seyn, ist keiner stärker als der, daß -Sie es zuweilen wünschen möchten, daß ich bey Ihnen wäre. Denken -Sie also, was es seyn muß, wenn Sie noch mehr thun, und nicht bloß -wünschen, sondern schon Anstalten machen, mich bey sich zu behalten. -Wenn es mir jemals schwer angekommen ist, Schwierigkeiten gegen den -Rath meiner Freunde zu machen, so ist es gegen einen solchen, der -die größten Wünsche meines Herzens vereiniget. Der Entwurf, den Sie -mir machen, der freylich der natürlichste und ohne Zweifel auch der -sicherste ist, ist dem ungeachtet viel zu weit aussehend, als daß -ich damit meine Mutter beruhigen könnte, die bey Ihrem Alter und -bey Ihrer Schwäche eine Glückseligkeit, auf die sie so viele Jahre -warten muß, für gar keine hält. Und wie kann sie hoffen, diesen -Zeitpunkt zu erleben, wenn die Zeit, die dazwischen ist, mit Sorgen -und Mißvergnügen angefüllt seyn sollte. Gesetzt aber, ich hätte das -Ziel erreicht, und meine Mutter wäre noch im Stande, eine so große -Veränderung vorzunehmen; was sind es nicht für neue Beschwerden, die -die Ausführung unsers Vermögens verursachen würde. -- Meine Mutter -hat bey allen Beschwerlichkeiten ihrer Nahrung doch auch den Vortheil -gehabt, daß sich ihr Vermögen besser verinteressirt hat, als durch -bloßes Ausleihen. Lassen Sie nun von einem nicht großen, aber doch -für einen ehrlichen Mann hinlänglichen Vermögen das abgehen, was der -Abzug kostet; setzen sie dazu die Verschiedenheit des Geldes und der -Preise der Dinge in beyden Ländern, und endlich rechnen Sie noch -die Schwierigkeiten, die mit der Errichtung einer neuen Haushaltung -verbunden sind; und Sie werden sehen, daß meine Mutter nicht die Hälfte -der Bequemlichkeiten würde haben können, zu denen sie hier gewohnt -ist. Denn daß meine eigene Einnahme einen beträchtlichen Zuschuß zu -unserer Oekonomie in wenig Jahren machen sollte, dazu sehe ich keine -andere, als sehr unsichere Hoffnungen. Sehen Sie, so partheiisch -ich für einen Entschluß bin, der mit meinen Neigungen so sehr -übereinstimmt, so kann ich es mir doch nicht verhehlen, daß dieses sehr -beträchtliche Schwierigkeiten sind; und was kann ich darauf antworten, -wenn meine Mutter sie mir entgegensetzt? -- Was anders, als daß die -Schwierigkeiten für mich, in B**** zu bleiben, noch größer sind, und -wenn sie sich auch alle auf eine einzige zurück bringen ließen, ich -meyne diese, daß ich zu dem Stande, der für mich der einzige ist, nicht -die geringste Neigung habe? - -Sie müssen es diesem Briefe ansehen, daß er unter sehr vielen -Zerstreuungen geschrieben ist. Ich bin gar nicht mit ihm zufrieden. -Denn bey alle den Schwierigkeiten, die ich mache, wollte ich doch -nicht, daß Sie glaubten, ich hätte jetzt mehr Lust hier zu bleiben, als -ehemals. Ich komme mit Gottes Hülfe gewiß auf Michaelis nach Leipzig, -aber ob um beständig dort zu bleiben, das ist in den Händen der -Vorsehung. -- - -Ich reise morgen mit dem Herrn Oberforstmeister S**** und seiner -Gemahlin nach S***witz, wo mein ehmaliger Lehrer und Hofmeister Pfarrer -ist. Meine Mutter kommt auf den Freytag mit meinem Onkel und seiner -Tochter nach. Dieser geht alsdann mit dem Herrn Oberforstmeister weiter -ins Gebirge nach L***, um da die Brunnenkur zu brauchen. Wir übrigen -bleiben in S***witz, und werden dort in einer vortrefflichen Gegend -vier oder fünf Wochen in dem Hause meines Lehrers zubringen. Dieser -Aufenthalt könnte mir durch nichts in der Welt unangenehm gemacht -werden, als wenn Ihre Briefe nicht mehr so richtig einliefen, oder die -meinigen nicht zu rechter Zeit auf die Post gegeben würden; denn das -Dorf ist sechs Meilen von B****. Ich werde aber alles mögliche thun, um -beydes zu verhüten. - -Diese Reise macht heute meinen Brief so kurz, und nöthigt mich, den an -meinen lieben M. Reiz ganz aufzuschieben. Es ist jetzt 12 Uhr in der -Nacht und morgen muß ich um 6 Uhr auf seyn. Leben Sie wohl! - - - - -Achter Brief. - - - Mittwochs des Morgens. - -Ich wende noch die Augenblicke, die ich vor dem Antritte meiner Reise -übrig habe, dazu an, an Sie zu denken, und das, was ich gedacht -habe, niederzuschreiben. Ich weiß, daß sich Ihre freundschaftliche -Neubegierde nicht bloß damit beruhigen wird, zu wissen wo ich bin. Sie -werden auch wissen wollen, was ich da mache. -- - -Wenn ich mich nicht irre, so müssen Sie schon Herrn Ringeltauben, in -dessen Hause ich seyn werde, aus meinen Beschreibungen kennen. Ich -verehre ihn als meinen Lehrer; und ich liebe ihn als meinen Freund und -meinen Bruder. Hochachtung und Dankbarkeit sind gewiß die festesten -Bande, die die Natur hat, zwey nicht ganz unedle Seelen mit einander -zu verbinden. Sein Haus soll sehr bequem, und die Gegend vortrefflich -seyn. Meine Mutter, die das Land über alles, und den Herrn Ringeltauben -als ihren Sohn liebt, wird sich dort wieder erholen, und das wird auf -mich zurück wirken. Endlich werde ich Bücher genug haben, um die leeren -Stunden auszufüllen. Der Herr Oberforstmeister, mit dem ich reise, ist -lange im Kriege mit dem General Wobersnow in Leipzig gewesen. Er ist -ein Mann von sehr vielem Verstande, von einer großen Erfahrung, (da er -lange Zeit mit den Vornehmsten der Armee und einige Zeit auch mit dem -Könige selbst umgegangen ist;) und der Mann einer Frau, die beynahe -meine Gespielin gewesen ist. Der Weg heraus geht an der Oder, in -einer sehr angenehmen Gegend. Ihre Briefe dürfen Sie nicht anders als -bisher addressiren. Ich habe gemessene Ordre gestellt, sie mir gleich -nachzuschicken. - -Erwarten Sie also ins künftige Briefe, die voll von ländlicher Unschuld -und Einfalt, aber auch voll von ländlichem Vergnügen sind. - - - - -Neunter Brief. - - - S***witz den -- Juli. - -Es giebt gewisse Arten von Vergnügungen, die uns unempfindlich machen, -weil sie uns berauschen. Indem alsdann die gegenwärtige Empfindung die -ganze Seele ausfüllt, und ihre gesammten Fähigkeiten bloß in dem Genuß -erschöpft werden, so werden alle Erinnerungen, alle Reflexionen aus der -Seele verdrängt, und mit ihnen zugleich die feinern Vergnügungen, die -auf dieselben gegründet sind. In diesem Zustande ist die ganze Seele -Maschine, und sie bewegt sich ganz unwillkührlich nach der Richtung des -Stoßes, die ihr ein so heftiger äußerer Antrieb giebt. - -Eine andere Art hingegen, die nur die Sinnen in so weit rührt, als es -nöthig ist, durch sie die Einbildungskraft rege zu machen, eröffnet -allen Arten von moralischen Empfindungen den Zugang. Sie macht das -Herz weich, und so zu sagen -- schmachtend. Die Vernunft ist dabey -heiter genug, alle verwandten Ideen herbeyzurufen, jede angenehme -Erinnerung mit der augenblicklichen Empfindung zu verbinden, und unter -die Ergötzungen des Auges und des Ohres die moralischen Vergnügungen -der Freundschaft und der Tugend zu mischen. - -Unter diese letztere Gattung gehört diejenige Art von Vergnügen, die -ich jetzt genieße. Sie sind so still und so ruhig, wie die Fluren -des Abends, durch die ich gehe, und eben so heiter und rein, als das -blaue Gewölbe, das mich deckt. Alles das, was ich sehe, und was die -Quelle des Vergnügens ist, ist zugleich ein Stoff zu Betrachtungen, -die vielleicht noch ergötzender sind, als der sinnliche Eindruck -selbst. Wenn ich dann auf einer großen lachenden Wiese, die von alten -ehrwürdigen Eichen rings um eingeschlossen, und von dem schwankenden -Schatten derselben halb überstreut ist, die mildern Einflüsse der -Abendsonne genieße; dann versetze ich in diese Gegend alle meine -Freunde. Ich sammle in Gedanken diesen kleinen aber ehrwürdigen -Haufen von Leuten, die ich liebe und die mich wieder lieben, um mich -herum, alle durch gegenseitige Neigungen an einander gebunden, alle -von einerley Geiste beseelt, zu einerley Empfindungen aufgelegt, und -mit eben denselben Arbeiten des Wohlthuns und der Mildthätigkeit -beschäftigt. Dieses Spiel meiner Einbildungskraft treibe ich so lange -fort, bis ich ganz von den Gegenständen, die um mich sind, entfernt in -andern Welten und noch glücklichern Gegenden herumschwebe. Von diesem -Fluge ermüdet kehre ich wieder zu dem Orte und dem Stande zurück, in -welchem ich bin, und, Dank sey es meinem Geschick! ich habe bey dem -Ende meines Traumes noch nicht alles verloren. Meine Mutter, meine -Cousine, und mein Lehrer und Bruder, die um mich herum sind; Sie, -die erste meiner Freundinnen, und die übrige Reihe meiner männlichen -Freunde, die von mir entfernt, aber durch ihr Andenken, durch ihre -guten Wünsche, und durch ihr Theilnehmen an meinem Wohl, nahe um mich -sind, alle diese theuern Personen, die mir die gütige Vorsicht auf -dem Wege des Lebens aufstoßen ließ, um durch ihre Begleitung das Rauhe -und Unangenehme meiner Reise zu versüßen, alle diese sind wirklich -da, sie lieben mich, sie machen mich durch ihre eigenen Verdienste -hochachtungswürdig, und geben mir durch ihre Achtung den Werth, den ich -mir selbst niemals erwerben würde. - -Ich habe ausfindig gemacht, (denn was für Mittel sucht man nicht -auf, wenn man gewisse Sachen nicht verändern kann, um wenigstens uns -eine andere Seite von ihnen zuzukehren?) daß die Abwesenheit in der -Freundschaft zu etwas nützlich ist. Sie ist das Maß ihrer Stärke. Ich -habe neulich im Plutarch gelesen, und wenn es nicht Plutarch gesagt -hätte, so hätten Sie mir es sagen können, daß der Beweis einer recht -heftigen Liebe nicht sowohl die Größe des Vergnügens sey, die einer in -des andern Gegenwart empfindet, als vielmehr die Größe des Schmerzes, -die ihnen die Trennung verursacht. Mich deucht, man kann eben dieses -von der Freundschaft sagen. Das Vergnügen des freundschaftlichen -Umganges ist, ruhig, gemäßigt, und beynahe mehr Heiterkeit als -Freude; das Verlangen aber, wenn man desselben entbehrt, ist heftig, -zuweilen gar stürmisch. Sie können glauben, daß ich diese Erfahrung -bloß von den Empfindungen abstrahire, die mir die Erinnerung an unsere -ehemaligen Vergnügungen erweckt. Ich weiß also zuverlässig, wie sehr -ich Ihr Freund bin, ich weiß, wie sehr Sie meine Freundin sind. Diese -Ueberzeugung ist mir sehr viel werth. Soll ich Ihnen erst sagen, daß -ich Sie nicht allein meyne, wenn ich von Ihnen rede? - -Ich habe Ihnen bisher nur meine Empfindungen erzählt. Jetzt sollen Sie -noch etwas von meiner Geschichte wissen. Ich habe Ihre Briefe noch -nicht. -- Ich meyne die, die Sie vergangene Woche geschrieben haben, -und die verwichenen Freytag in B*** angekommen seyn müssen. Sagen Sie -mir, ist es nicht mir recht zum Possen, daß die Post nach B***, die die -Briefe von B**** hierher bringt, gerade eine Stunde eher des Freytags -abgehen muß, als die Ihrigen ankommen? und dann geht keine wieder -eher, als auf den Dienstag. Ich bekomme sie also erst Mittwochs. -- -Diese Sache ist gar nicht zu ändern; ich muß also nur aufhören, daran -zu denken. - -Meine Reise ist sehr glücklich und bequem gewesen. Der Herr *** ist ein -durch seinen Verstand und Erfahrung angenehmer Gesellschafter. Seine -Frau ist es etwas weniger; und da ein großer Theil ihres Werths in dem -Range und dem Stande ihres Mannes liegt, so schlägt sie denselben auch -ein bißchen zu hoch an. Aber das thut nichts. Gegen mich, als einen -alten Freund und Verwandten, ist sie immer sehr gütig. - -Die zwey Tage, die bis zu meiner Mutter Ankunft verflossen, -recognoscirten wir, ich und mein lieber Bruder, die Gegend. Sie -können sie nicht leicht schöner jemals gesehen haben. Wir liegen sehr -nahe an der Oder, an deren Ufer überhaupt die schönsten Gegenden von -Schlesien sind. Dunkle, ehrfurchtsvolle Hayne, angenehme Wiesen, die -fruchtbarsten Felder, alle Theile einer bezaubernden Landgegend -wechseln mit einander ab. An dem einen Orte gehen wir auf einem -erhabenen Damm, (denn deren müssen hier sehr viele der Gewalt des -Stroms im Frühjahr entgegengesetzt werden), von dem man auf beyde -Seiten die Aussicht auf die angrenzenden Wiesen und den dabey gelegenen -Wald hat. Der Damm selbst ist mit Eichen besetzt, die ihre hohen -Wipfel einander zuwehen. An einem andern Orte ist ein weitläuftiger -Thiergarten, von drey Stunden in der Rundung, wo man den angenehmsten -Schatten, die erfrischendste Kühle, und den erfreuenden Anblick von -munteren, freyen und glücklichen Geschöpfen zugleich genießt. An einem -dritten Orte ist ein dicker beynahe unwegsamer Wald, wo selbst die -mittägliche Sonne keinen Zugang findet, und wo die melancholische -Stille nur durch das Rauschen der Aeste, oder das entfernte Girren der -Turteltaube, oder das Geräusch eines sich mitten im Walde durch die -Aeste durcharbeitenden Hirsches unterbrochen wird. - -Hier stellen Sie sich also mich, an meiner Seite meine Mutter, meine -Schwester (denn so habe ich meines Onkels Töchter immer betrachtet, -und so habe ich sie geliebt) und meinen Freund vor. Da der Herr ****, -seine Frau, und mein Onkel, in das Bad gegangen sind, so herrschen wir -hier ganz allein. Wir stehen nicht eben sogar früh auf. Wir trinken -gemeinschaftlich unsern Thee. Wir verdienen unsere Mittagsmahlzeit -durch einen recht guten Spaziergang, von dem wir zuweilen unterwegs -unter einer hohen Eiche ausruhen. Die heißen Stunden sind zur Lektüre -und zur Arbeit bestimmt. Der Abend ist ganz zu ländlichen Vergnügungen. -Wir schlafen ruhig und vergnügt, weil keine unsere Ergötzungen etwas -anders als das Verlangen zurück läßt, sie zu wiederholen. - -Ich lese meiner Mutter zuweilen auf einer Rasenbank, die eine große -Haselstaude beschattet, aus den Gedichten des +Gisecke+ vor. O diesen -Mann müssen Sie lesen. Er ist der Dichter der Freundschaft und der -ehelichen Liebe. Wer kann also ihn besser richten? und wessen Beyfall -würde ihn mehr belohnen? Er ist nicht immer stark, aber er ist immer -gut. Leben Sie tausend Mal wohl u. s. w. - - - - -Zehnter Brief. - - - S***witz den 27. Juli. - -Ob ich gleich befürchten muß, daß meine Briefe Sie nicht in Leipzig -treffen, so kann ich es doch nicht über mich erhalten, keine zu -schreiben. Einen Brief an Sie schreiben, ist wenigstens halb so viel, -als einen von Ihnen bekommen. Ich glaube, ich habe Ihnen das schon -einmal gesagt. Aber das thut nichts. Ich fürchte es nicht, mich in -einer Sache zu wiederholen, die auf einerley Art empfunden auch -nur auf einerley Art ausgedrückt werden kann. Ich habe überhaupt -gemerkt, daß wahre Empfindungen sich zwar richtiger, aber niemals so -mannigfaltig ausdrücken lassen, als diejenigen, welche Geschöpfe der -Einbildungskraft sind. Der schöne Geist und das empfindliche Herz sind -deßwegen nicht immer beysammen, und zu gefallen und zu rühren, sind -zwey sehr verschiedene und oft einander entgegenstehende Sachen. - -Sie sind also in Dreßden. Denn ich bin so glücklich gewesen, Ihren -ersten Brief Mittwochs, und den andern unmittelbar darauf Freytags -zu bekommen. Ich weiß nicht, warum mir diese Reise gar nicht recht -war. Sie schienen nicht mir näher zu kommen, sondern sich von mir -zu entfernen. Endlich bin ich auf die Ursache gekommen; wenigstens -das Wahrscheinliche fürs Gewisse zu nehmen. Ich fürchtete, unser -Briefwechsel würde gestört werden. Ueberdieß, glaube ich, weiß -ich Sie gern zu Hause, weil ich mir den Ort, wo Sie sind, und die -Beschäftigungen, die Sie da vornehmen, besser vorzustellen weiß. Das -Bild ist lebhafter, weil es mehr bestimmt ist. In Dreßden können Sie -da und da und da seyn. Aber wo Sie wirklich sind, und was Sie wirklich -machen, das kann ich mir zu keiner einzigen Stunde des Tages mit -Gewißheit denken. Ich befinde mich in einem fremden Ort, wo ich meine -Freundin bey jedem Schritt, den sie sich von mir entfernt, verliere, -und sie kaum mit der größten Mühe des Abends im Gasthofe wieder finde. - -Endlich, (denn Sie müssen wissen, ich suche mein Herz zu studiren, -besonders wenn ich irgend eine ungewöhnliche Bewegung darin merke, -und das nicht mehr bloß um meinet, sondern auch um Ihretwillen;) -endlich also überfiel mich die bey einer wirklichen Freundschaft so -natürliche Eifersucht. Ich weiß die eigentliche Absicht Ihrer Reise -nicht. Aber das konnte ich mir doch vorstellen, daß Sie dort neue -Verbindungen errichten würden, oder durch schon gemachte Verbindungen -dazu wären veranlasset worden. Könnten eine Menge von neuen Eindrücken -nicht die alten verdunkeln, wenn sie auch nicht im Stande wären, sie -auszulöschen? Sie werden allenthalben, wo Sie hinkommen, und wo man -noch Geist und Herz genug hat, um es an andern gewahr zu werden, -Freunde finden. Ich müßte sehr verblendet, und mehr eitel als -ehrgeitzig seyn, wenn ich mich überreden sollte, daß mich nicht viele -dieser Freunde an allen Arten von Vorzügen übertreffen sollten. Und -ist es nicht in der Natur, dachte ich, daß man das bessere dem weniger -guten vorzieht? - -Dieser Gedanke würde mich niedergeschlagen haben (und doch bin ich -sonst großmüthig genug, mich wie Phocion, oder wer es sonst war, zu -freuen, daß es so viel bessere Menschen giebt als ich) aber jetzt -würde mich dieser Gedanke niedergeschlagen haben, wenn mir nicht noch -ein Vorzug von mir eingefallen wäre, den ich willens bin, dem größten -Theil Ihrer Freunde, oder lieber (denn was soll ich heucheln?) allen -Ihren Freunden streitig zu machen. Ich liebe und schätze Sie so hoch, --- als es Ihr Bruder thun könnte. Erlauben Sie mir immer, daß ich mir -einen Ehrennamen beylege, zu dem Sie mir selbst das Herz gegeben haben. -Ich liebe Ihren Mann, ich liebe Ihre kleine Wilhelmine, ich liebe Ihre -Freunde; selbst ehe ich sie noch kenne, empfehlen sie sich mir schon -durch diesen Namen mehr als durch alle Lobsprüche. Ich brenne vor -Begierde, an dem Glück und an dem Vergnügen einer solchen würdigen -Familie zu arbeiten; selbst meiner Freundschaft wünschte ich den Segen, -daß sie ein neues Band der ehelichen Liebe zwischen Ihnen beyden wäre, -auf die sich Ihre ganze Glückseligkeit gründet. Ich wünschte mir -einen größern Verstand, um Sie durch meinen Rath zu der glücklichsten -Mutter der vollkommensten Tochter zu machen; und mehr Tugend und mehr -Herrschaft über meine Leidenschaften, um Sie auf eben dem Wege, durch -welchen ich gegangen wäre, zu der Ruhe und der Heiterkeit der Seele -zu führen, die wir uns beyde so sehr wünschen, und die so oft durch -geringe Veranlassungen unterbrochen wird. Ich bin jetzt nahe dabey, -Ihre Frage zu beantworten, und nicht bloß Ihre, sondern auch meine -eigene. - -Der heutige Tag, sagte ich manchmal zu mir selbst, ist vollkommen dem -gestrigen ähnlich. Alle Umstände sind dieselben. Nicht ein einziges von -meinen Gütern ist mir genommen. Nicht ein Wunsch ist heute von seiner -Befriedigung weiter zurück gesetzt, als er es gestern war. Und doch -war ich gestern vergnügt, und heute bin ich traurig und mißvergnügt. -Ich habe diese Betrachtung erst vor wenig Tagen wiederholt, wo mein -Zustand des Gemüths dem Ihrigen vollkommen ähnlich war; ob ich Sie -gleich warnen muß zu glauben, daß eine gewisse Munterkeit im Ausdrucke -ein richtiges Maß für den Grad des Vergnügens sey, den ich zu der -Zeit genieße. Man kützelt sich zuweilen um zu lachen, eben indem man -Schmerzen empfindet. Ich bin heute recht vergnügt, aber es würde die -unnatürlichste Sache von der Welt für mich seyn, Lachen zu erregen. -Also zu unsrer Untersuchung zurück! Sie wissen, daß die stärksten -Triebfedern unsrer Seele im Dunkeln liegen. Die Wirkung wird um desto -schwächer, je sichtbarer die Ursache ist. Das Deutliche reducirt sich -immer auf wenige Begriffe, die bald überzählt sind, und deren Summe -niemals etwas so großes ausmachen kann, daß man davor erschrecken -sollte. Alles das kommt uns nur unermeßlich vor, dessen Grenzen -wir nicht kennen. Sehen Sie, eben so entsteht unser Unmuth, wie an -dem heitern Himmel sich ein kleiner schwarzer Punkt erst in eine -kleine Wolke ausbreitet, dann sich immer mit den benachbarten Dünsten -vermischt und endlich den ganzen Horizont ringsum verdüstert. So lassen -Sie also in diese fröhliche Seele, deren ganze Saiten von dem Vergnügen -ausgespannt sind, jeden Eindruck anzunehmen und zu verdoppeln, -lassen Sie in dieselbe ein einziges Wort eines Geliebten fallen, -eines Ehegatten, oder eines Freundes, das dem Grade der erwarteten -Zärtlichkeit nicht entspricht; eine kleine Ungeschicklichkeit, die -wir selbst begehen, und die in uns die Erinnerung unsrer übrigen -Schwachheiten wieder erweckt; eine kleine Schwierigkeit bey der -Ausführung irgend einer unsrer Absichten, selbst die Empfindung einer -kleinen Unordnung im Körper. Auf einmal kommen die Vorstellungen von -alle dem Unangenehmen, was in unserm ganzen Zustande ist, zu Hauf. Das -Vergnügen hatte sie, so wie die Sonne den Nebel, nicht vernichtet, -sondern nur aus einander getrieben. Gegenwärtiges, Vergangenes, -Zukünftiges, alles drängt sich in unsere enge Seele zusammen, und macht -darin ein solches Chaos, und so eine wilde Vermischung, daß aller unser -Verstand, und wenn wir auch der Stoische Weise wären, nicht zureicht, -es aus einander zu setzen. Alle Uebel werden in diesem Augenblicke -unendlich, unaufhörlich, unvermeidlich. Altes verliert sein Maß und -seine Grenze, weil es beständig mit etwas anderm vermischt ist, das wir -davon nicht scheiden können oder wollen. Wenn man einmal so glücklich -ist, so weit zu kommen, sich sein ganzes Unglück nach einander -herzuerzählen; oder wenn man genöthiget wäre, es in diesem Augenblicke -einem andern zu sagen, so würde man sich wundern, wie Sachen, die, -wenn man sie sagt, so wenig betragen, doch, wenn man sie bloß dunkel -fühlt, einen so großen Eindruck machen und so viel Verwüstung anrichten -können. Ergänzen Sie diese Gedanken durch Ihre eigene Erfahrung. -- - -Aber sagen Sie mir auch dazu, was ich nicht thun kann, wie man es -anstellen muß, um dieser Unruhe -- ich will nicht sagen, ganz los zu -werden, denn das möchte ich nicht einmal; wenn man die Empfindlichkeit -von seinem eigenen Uebel wegnimmt, so verliert man auch die gegen -die Uebel anderer, -- aber sie doch zu mäßigen. Bloß moralische -Vorschriften sind vergebens. Der Verstand geht seinen Weg, und die -Einbildungskraft den ihrigen. Es müssen Uebungen, ordentliche Uebungen -seyn. -- Aber das ist eine Materie, wozu ich Ihren Verstand brauche. -- -Ich schriebe gerne mehr, aber Sie möchten alsdann wirklich anfangen, -kürzere Briefe zu wünschen, und dann sehe ich schon zum Voraus, -würde ich trotz aller meiner Philosophie in eben den Unmuth und die -Unzufriedenheit verfallen, die ich beschreibe. Leben Sie wohl u. s. w. - - - - -Eilfter Brief. - - - S***witz den 4. Aug. - -Ich wußte wohl, daß ich die Reise nach Dreßden nicht umsonst fürchtete. -Ich habe keine Briefe von Ihnen, und das zu einer Zeit, wo ich sie am -allermeisten nöthig gehabt hätte, um mir Muth und Entschlossenheit -dadurch zu geben. Sie sind also noch nicht aus Dreßden zurück gewesen, -oder Sie waren von der Reise zu müde, oder -- diese unglückliche -Sucht Ursachen zu allem zu finden, macht daß wir jede gewöhnliche -Begebenheit durch unsere Auslegung zur Qual für uns machen. Denn daß -Sie noch meine Freundin sind, daß Sie es noch eben so sehr sind, als -da ich Sie das letzte Mal in Borsdorf Thränen vergießen sah, (ein sehr -kostbares Denkmal Ihrer Freundschaft!) das lasse ich mir selbst meine -melancholische Einbildungskraft in ihren finstersten Stunden nicht -ausreden. Aber warum konnte mein Freund Reitz nicht schreiben, daß Sie -noch nicht gekommen wären? Gewiß, ich würde in ähnlichem Falle diese -Aufmerksamkeit für ihn gehabt haben. -- - -Mit mir sind unterdessen manche Veränderungen vorgegangen; -- nicht -eben mit meinen Umständen, aber mit meinen Aussichten. Ich stehe seit -einigen Tagen alles Unangenehme der Unentschlossenheit und des Zweifels -aus. -- Gellert hat mir seit drey Posttagen drey Mal geschrieben. -- -Sie wissen, daß, als ich noch in Leipzig war, ein Hofmeister für des -Graf F.. ältesten Sohn gesucht wurde. Gellert hielt mich dazu für -tüchtig. Ich selbst hatte Lust. Globig aber hatte dazu schon Jemand -erwählt, der aus Göttingen angekommen war. Dieser wurde vom Grafen -nicht angenommen. Nach ihm wurde M. Kraft, (eben der, dem ich in -meiner Abwesenheit meine Stube eingeräumt hatte) vorgeschlagen und -angenommen. Dieser geht nach Petersburg als Astronom. Gellert war -so aufmerksam, diese Gelegenheit sogleich zu ergreifen, und mich an -Globigen mit aller seiner gütigen Partheylichkeit zu empfehlen. Vor -acht Tagen erhalte ich einen Brief von Gellert, in welchem einer vom -Präsidenten an ihn eingeschlossen ist. Er meldet ihm, daß der von ihm -empfohlene Mensch wäre angenommen worden, oder auf Michaelis angenommen -werden könnte. Der Graf verlangte dabey einen Plan zu dem Unterrichte -seines Sohnes, der 15 Jahr alt, von guten Talenten, und nicht ohne -Wissenschaften seyn soll. - -Kaum hatte ich diesen Brief beantwortet, ihm für seine Güte gedankt, -und ihm meinen Entschluß und die Einwilligung meiner Mutter gemeldet, -so kommt von ihm ein zweyter. Ich erwartete nichts Geringeres, als den -Tod des Grafen; denn er ist sehr krank gewesen. Aber es war noch ein -zweyter Vorschlag. Sie kennen die Frau von I., eine K..sche Tochter, -und ihre zwey Söhne, von denen der älteste lahm ist. M. Hahn war bisher -ihr Hofmeister. Dieser kommt nach Hamburg, und die Frau Obersten -sucht einen neuen. Der junge Herr soll bald in die Collegia gehen, -und der jüngste soll bloß der Aufsicht, nicht aber dem Unterricht des -Hofmeisters anvertraut werden. Das Gehalt ist 150 Thaler. Wenn diese -Stelle außer Leipzig läge, so hätte ich sie geradezu ausgeschlagen. -Aber meine Freunde wieder zu sehen, Sie wieder zu sehen, Gellerten -- -alle, alle wieder zu sehen, bey Ihnen zu leben, -- das ist mehr als man -braucht, um eine noch seltsamere Frau, als die Frau von J. ist, und -einen noch beschränkteren Eleven, als ich mir ihren Sohn vorstelle, -ertragen zu lernen. - -Sagen Sie mir, was hätten Sie mir gerathen, Sie und Ihr lieber Mann, -wenn ich bey Ihnen gewesen wäre? Ich will Ihnen sagen, was ich gethan -habe. Ich habe die Entscheidung Gellerten überlassen; ich habe ihm die -Bewegungsgründe und die Schwierigkeiten auf beyden Seiten vorgestellt. -Wenn alles gleich wäre, so würde ich ohne Streit F..s Haus dem J..schen -vorziehen, von dem ich weder mehr Ansehen, noch mehr Umgang mit der -großen Welt, noch mehr Glück aufs künftige zu erwarten habe. In beyden -Fällen komme ich doch erst nach Leipzig, und sehe Sie wieder. -- - -Ich schriebe gern noch mehr, aber um mich selbst zu verläugnen, und um -Sie von meinen langen Briefen ausruhen zu lassen, sage ich kein Wort -mehr, als daß ich u. s. w. - - - - -Zwölfter Brief. - - -Ein treuer, freundschaftlicher Rath kommt niemals zu spät, wenn er auch -gleich eine geschehene Wahl nicht mehr ändern kann. Sie wissen, ich -schrieb Gellerten, an eben dem Tage, da ich Ihnen die Nachricht davon -gab. Es würde mir schwer werden, eine Entscheidung, die ich ihm einmal -übergeben habe, wieder zurück zu nehmen. Ich bin in der That vollkommen -Ihrer Meynung, daß es immer gefährlich ist, dem Urtheile eines andern -(und wäre dieser andere auch der weiseste und rechtschaffenste Mann) -eine Entscheidung zu überlassen, bey der er, wenn es möglich wäre, -sich in uns verwandeln müßte, wenn er richtig urtheilen sollte. Dem -ungeachtet glaube ich, daß ich es nach den Umständen, in welchen ich -war, so machen mußte. Diese Erinnerung wird mich trösten, der Ausgang -der Sache mag seyn, welcher er will. Um mich aber auch bey Ihnen zu -rechtfertigen, so sollen Sie diese Umstände wissen. - -Sie kennen die Schwierigkeit, (oder wenigstens können Sie sich sie -vorstellen), die es einen Menschen kostet, dessen Glück oder Unglück -nicht ihn allein trifft, sondern sich auf Personen ausbreitet, die -ihm theurer als sein eigen Leben sind, was es diesen Menschen, sage -ich, kostet, einen Entschluß zu fassen, von welchem diese Personen -glauben, daß er für sein künftiges Schicksal so wichtig ist. Wenn -man das Unglück hat, Niemand in der Welt anzugehören und eine mit -dem übrigen menschlichen Geschlecht nicht zusammenhängende Insel -auszumachen, so hat man entweder Muth oder Unbesonnenheit genug, -geschwind zu entscheiden. Neigung, und die auf eine gewisse Seite -gerichtete Einbildungskraft geben der Wahl bald den Ausschlag. Wenn man -aber so wie ich, als Sohn, als Verwandter, als Freund, in Verbindungen -steht, die an unser Wohl das Wohl anderer verknüpfen, so wird ein -Entschluß schon weit schwerer, für dessen Erfolg man so vielen Personen -Rechenschaft zu geben hat. - -Setzen Sie nun noch, daß die Sache so sehr ungewiß ist, wie die -meinige, und daß so viel andere, von uns ganz unabhängige Begebenheiten -zusammen kommen, und uns helfen müssen, wenn sie nicht fehl schlagen -soll: wer kann alsdann kühn genug seyn, für den Ausgang zu stehen, -besonders wenn man durch unglückliche Beyspiele geschreckt ist. Man -glaubt in diesen Fällen sehr leicht, daß das, wozu sich eine besondere -Gelegenheit anbietet, mehr als ein Ruf der göttlichen Vorsehung -angesehen werden kann, als das, wozu nichts als unser Entschluß etwas -beygetragen hat. Vielleicht ist dieses zuweilen Vorurtheil. Aber -scheint es uns alsdann nicht Wahrheit, wenn die Unternehmung mißlingt? -Nach Leipzig ohne Ruf und Veranlassung zu gehen, und auf gut Glück -Vorlesungen anzufangen, wie viel Stimmen glauben Sie wohl, daß ich hier -dafür würde gefunden haben? Noch dazu da Leipzig außer unsers Herrn -Ländern liegt, wo, wenn gegen die Regeln der Wahrscheinlichkeit alles -aufs glücklichste fällt, am Ende doch immer die Schwierigkeit übrig -bleibt, die die Versetzung einer ganzen Familie und ihres Vermögens -in einen entfernten Ort mit sich führet. Was blieb mir also bey dem -Wunsch und beynahe bey dem Bedürfniß, das ich hatte, nach Sachsen -zurückzukommen, was blieb mir anders übrig, als eine Art von Beruf -zu wünschen, die mir mehr und stärkere Ursachen verschaffte, mein -Vaterland wieder zu verlassen, als meine bloße Neigung seyn konnte. - -Dieses war die erste Ursache, warum ich eine Hofmeisterstelle wünschte, -zu der mich sonst nicht Noth noch eine sehr große Lust, Hofmeister zu -seyn, antrieb. Diesen Gesichtspunkt einmal festgesetzt, erschien mir -die Sache auch von andern Seiten vortheilhaft, so wie gemeiniglich, -wenn unsere Neigung festgesetzt ist, unser Verstand die Mühe über -sich nimmt, sie durch Gründe zu rechtfertigen, die doch nichts dazu -beygetragen hatten, sie hervorzubringen. Ich fand als Hofmeister -eines jungen Herrn von Stande meine Lust, die Welt, und wenn es seyn -könnte, die große Welt etwas kennen zu lernen, befriedigt; ich sah -in der Ferne die Aussicht zu Reisen. Endlich glaubte ich, daß, wenn -sich durch diesen Weg die Schwierigkeiten des akademischen Lebens, -besonders in Leipzig, etwas erleichtert hätten, wenn es dadurch für -mich wahrscheinlicher geworden wäre glücklich zu seyn, als es für -jeden andern ist, der mit eben so viel Zuversicht, wie ich, seine -Vorlesungen anschlägt: daß, sage ich, ich alsdann meine Verwandten und -Freunde durch stärkere Gründe würde bewegen können, einen beständigen -Aufenthalt in Leipzig genehm zu halten. Dieses sind die Ursachen, warum -ich es für nothwendig gehalten habe, unter einem von beyden Vorschlägen -wählen zu müssen. - -Wenn sich keine solche Gelegenheiten angeboten, oder wenn ich sie -ausgeschlagen hätte; wissen Sie, was für ein Entwurf an dessen Stelle -getreten wäre? Ich würde diesen Winter in B**** geblieben seyn. (Und -würde ich wohl diese Bitte meiner Mutter haben abschlagen können, wenn -ich ihr weiter nichts, als bloß die Begierde lieber anderswo als bey -ihr zu seyn, zum Bewegungsgrunde hätte vorzulegen gewußt?) Man würde -während der Zeit Versuche auf mich gethan haben, meinen Aufenthalt in -meinem Vaterlande beständig zu machen. Wenn ich gegen alle Vorschläge -hartnäckig genug ausgehalten hätte, so würde ich endlich künftige -Ostern nach Halle gegangen seyn, und zu lesen angefangen haben. Ich -weiß, daß dieß doch vielleicht das Ende der Sache seyn wird. Aber -genug, ich bin zufrieden, wenn es nur jetzt nicht geschieht, und wenn -ich noch zuvor das Ziel von Geschicklichkeit und Wissenschaft an einem -dazu weit bequemern Orte erreiche, ohne welches ich mich selbst für -einen unwürdigen Lehrer der Akademie halten würde. -- - -Was nun die Wahl unter beyden betrifft, so war die Zeit zur Ueberlegung -kurz; meine Neigung durch die Vortheile der Nation des Ministers, und -durch die Vortheile des Orts bey der andern getheilt; meine Mutter -höchst unschlüssig, furchtsam, mich den Schwierigkeiten und Gefahren -bloß zu stellen, die sie im Dienste der Großen für mich zu finden -glaubte, und doch auch ungewiß, ob die Vortheile diese Gefahren nicht -überwiegen; ich selbst nicht vermögend genug, sie von allen Umständen, -die die J..sche Condition heruntersetzen, zu unterrichten, und nicht -dreist genug, mir alle die Talente zuzuschreiben, die des Grafen seine -zu erfordern schien. Was konnte ich thun, um mich und sie zugleich -zu beruhigen, als die Entscheidung einem Manne auftragen, der beyde -Stellen besser kennen muß, wie ich. -- - -Noch ist von ihm keine Antwort da. Wenn er für die J..sche entscheidet, -so bestehe ich durchaus auf der Bedingung, Collegia lesen zu dürfen. -Ohne das wird nichts daraus; das versichere ich Sie heilig. Und nun, -l. F., verlassen Sie mich nicht mit Ihrer Liebe, Ihrem Rathe und mit -Ihrem Beystande. In unserer Freundschaft finde ich einen Trost, der mir -jede Schwierigkeiten leichter überwinden, und jeden Kummer ertragen -hilft u. s. w. - - - - -Dreyzehnter Brief. - - - S***witz den 12. Aug. - -Wenn Sie noch mehr solche schöne Briefe, und solche angenehme -Erzählungen nach S**** schreiben, so werden alle meine Freunde anfangen -auf mich neidisch zu werden. Wenn Sie nur sehen sollten, mit was für -Begierde hier Jedermann Ihre Briefe erwartet, mit wie viel Ungeduld -wir uns nach dem Bothen umsehen, der sie uns bringen soll, und wie -wenig einer dem andern Zeit lassen will, sie durchzulesen. Sie können -glauben, daß ich mir nicht wenig darauf zu Gute thue, daß an mich die -Briefe zuerst kommen, und daß ich nicht nur dieses Vergnügen zuerst -genieße, sondern es auch alsdann in meiner Macht habe, Gefälligkeiten -damit auszutheilen. - -In der That, ich würde meine hiesigen Freunde nicht so hoch schätzen, -wenn sie das Glück, eine solche Freundin zu besitzen, nicht für -beneidenswerth hielten. Meine Mutter insbesondere, die jeder Beweis -von der Rechtschaffenheit ihres Sohnes mehr als alles erfreut -- -(und welcher Beweis könnte stärker seyn, als der, daß er von solchen -Freunden ihrer Gewogenheit werth gefunden wird?) meine Mutter ist so -sehr von ihren Briefen eingenommen, daß ein Posttag ohne Briefe ihr -beynahe schon eben so viel Unruhe macht, als mir selbst. Darf ich es -Ihnen wohl erst sagen, daß uns der letzte diese Unruhe gemacht hat? -Denn in der That hatten wir Herz genug, drey Tage nach dem Empfang -Ihres letzten Briefes schon wieder einen neuen zu erwarten. - -Ich habe immer geglaubt, man müsse den Menschen aus den Gegenständen -seines Vergnügens kennen lernen. Ich habe Leute gesehen, die in ihren -Geschäften vernünftig genug schienen, und die sich doch nach geendigter -Arbeit in der elendesten Gesellschaft und durch die abgeschmacktesten -Zeitvertreibe erholen konnten. Diese Leute könnte ich nimmermehr zu -meinen Freunden machen. Wenn ich aber Jemand, so wie meine Freundin, -sich an dem Anblick einer tugendhaften und glücklichen Familie erfreuen -sehe; wer durch den Anblick einer zärtlichen und sorgfältigen Mutter, -eines gütigen Herrn, liebreicher und gutgearteter Bedienten, kurz eines -solchen Hauses, wie Sie mir das Gärtnersche beschreiben, gerührt wird, -für dessen Güte bin ich Bürge, und ohne ihn zu kennen, öffnet sich -schon mein Herz gegen ihn zu sympathetischen Empfindungen. - -Wie gern möchte ich der Rektor von Königsbrück in dem Augenblick -gewesen seyn, da Sie ihn in seinem Hause überraschten. Ich habe -mich schon oft darüber gefreuet, daß das Schicksal einige unserer -Begebenheiten eben so ähnlich gemacht hat, als es unsere Empfindungen -sind. Ich weiß, Sie sagten mir einmal, daß Sie von allen Ihren Lehrern -wären außerordentlich geliebt worden. Der Besuch in Königsbrück hat -mich wieder an dieses Gespräch erinnert. Mein gütiges Schicksal hat -mir eben so nachsehende, oder eben so liebreiche Lehrer gegeben. Alle -sind meine Freunde gewesen, und haben mich mit einer vorzüglichen -Gewogenheit beschenkt. Sie wissen, daß ich jetzt sogar in dem Hause -meines Lehrers wohne, der aber noch weit mehr mein Freund ist. -- - -Von diesem glücklichen Montage, wo Sie vergnügt waren, weil Sie andere -vergnügt machten, habe ich Sie mit Freuden wieder zurück an die -Stelle begleitet, wo Sie sonst oft von einem andern mehr ungestümen -Freunde überfallen wurden, der bey Ihnen alle Mal seine Ruhe und seine -Heiterkeit wieder fand, wenn er beydes durch seine eigene Schwäche, -oder durch unglückliche Nachrichten von seinen Freunden, verloren -hatte. - -Die Beschäftigungen der Ehegattin, der Hausfrau, der Mutter haben mir -immer die edelsten geschienen, die ein menschliches Geschöpf einnehmen -könnten. Sie sind mir aber jetzt noch viel mehr werth, da ich weiß, daß -es die Beschäftigungen meiner Freundin sind. Ich stelle sie mir hundert -Mal des Tages in jedem dieser Geschäfte vor, und entwerfe mir von ihrem -ganzen Leben den schönsten und vortrefflichsten Plan. Von einer Stufe -der weiblichen Vollkommenheit zur andern führe ich Ihre Wilhelmine -bis zu dem Augenblicke, wo Sie sie einem glücklichen und tugendhaften -Manne zuführen, für den Ihre Sorgfalt sie zubereitet hatte. Indeß, daß -Sie in dieser Ihrer Erstgebohrnen schon alle Freuden und Belohnungen -einer Mutter fühlen, theilen sich noch andere Kleinere in die Sorge und -die Arbeiten einer Mutter. So erblicke ich Sie endlich am Ende Ihrer -Laufbahn, unter der Gestalt einer ehrwürdigen Shirley, das Haupt und -die Krone einer ganzen sich immer mehr ausbreitenden Familie, die durch -Dankbarkeit, durch Hochachtung, durch Liebe, durch alles, was die Natur -zärtliches hat, an Sie gebunden ist. Wenn denn von einem Winkel der -Erde, wo Ihr Freund die Erfüllung seiner Wünsche nur aus der Ferne, -aber doch mit der lebhaftesten Bewegung seines schon matt gewordenen -Herzens hört, wenn er sich aus diesem Winkel einmal hervorbegiebt, um -noch seinen letzten Tagen die Glückseligkeit zu geben, seine Freundin -glücklich zu sehen, und sich unter den Haufen ihrer Kinder mischt -- -und ihre Hand mit den Thränen der Freude und Zärtlichkeit benetzt; -- -welchen Monarchen würde ich alsdann beneiden? - -Sie werden sagen, ich machte Schimären. Aber lassen Sie mich sie immer -machen; sie sind oft viel angenehmer als die Wirklichkeiten. Und -glücklich müssen Sie doch seyn mit den Gesinnungen und dem Herzen, -welches Sie haben; Sie mögen es nun werden, auf was für eine Art Sie -wollen. Und ich muß an Ihrer Glückseligkeit Theil nehmen, als Ihr -Freund -- oder als Ihr Schutzgeist. Denn auch bis dahin führt mich -oft meine Einbildungskraft, wenn sie in der gehörigen Mischung von -Melancholie und Vergnügen ist. Ich prophezeihe mir ein kurzes Leben, -und ich bin sehr damit zufrieden. Ich wäre es noch mehr, wenn ich nur -noch zuvor etwas Gutes gethan, und eine Spur von meinem Daseyn zurück -gelassen hätte. In allen Fällen werde ich doch nicht glauben, umsonst -gelebt zu haben, wenn ich auch nur einen Menschen zurück lasse, den ich -besser oder glücklicher gemacht habe. -- - -Ich habe von Gellerten noch keine Antwort. Unterdessen habe ich ihm den -Aufsatz geschickt. Wie gern hätte ich zuvor unsern gemeinschaftlichen -Freund zu Rathe gezogen. Ich verwahre die Kopie für ihn, um sein -Urtheil noch hintennach zu erfahren. -- - -Und nun empfehle ich Sie und Ihren geliebten -- auch von mir geliebten -guten ** der Vorsicht und der Beschützung des Himmels, und trage es -diesem freundschaftlichen gütigen Mond auf, der eben jetzt über meinen -Gesichtskreis kommt, Sie mit seinen Strahlen zu begrüßen -- und Sie an -Ihren Freund zu erinnern, wenn Sie ihn unter bessern Freunden vergessen -sollten u. s. w. - - - - -Vierzehnter Brief. - - - Breßlau den 26. Aug. - -Wenn der Brief in eben dem Augenblicke zu Ihnen kommen könnte, in -welchem ich ihn schreibe, wenn ich tausend Empfindungen mit einem Worte -ausdrücken, und die ganze Fülle meiner Seele ohne Zeichen, durch eine -Art von Inspiration der Ihrigen mittheilen könnte, dann, glaube ich, -würde die Ungeduld gestillt werden, mit welcher ich jetzt diesen Brief -anfange. Die Zeit, bis er zu Ihnen gelangt, scheint mir unermeßlich; -und ich wollte gern, daß Sie es diesen Augenblick wüßten, daß nur -der Zufall, nicht Ihr Freund an Ihrer Unruhe schuld gewesen ist; daß -er eben dieselbe Unruhe um der nämlichen Ursache willen ausgestanden -hat; und daß, so gern er jeden sorgenvollen Augenblick aus Ihrem Leben -austilgen wollte, ihm doch diese Ihre Bekümmerniß, mehr als jedes -andere Zeichen Ihrer Freundschaft schätzbar und theuer ist. - -Ja in der That, l. F., das Schicksal hat sich recht bemühet, unsere -Seelen die letzte Woche mit einerley Gedanken und mit eben denselben -Bekümmernissen einzunehmen. Ihr Brief, (der, den ich in S**** schon vor -acht Tagen erhalten sollte) blieb aus, und ich fand ihn nicht eher, als -des Sonntags bey meiner Zurückkunft in B****. Ich weiß nicht, warum -Ihre Briefe gerade da am ehesten ausbleiben müssen, wenn ich sie am -meisten wünsche. Denken Sie nur, ich trug schon die ganze Woche vorher, -aus Ursachen, die ich mir so wenig erklären, als ihre Wirkung aufheben -kann, einen gewissen stillen mehr nagenden, als heftig beunruhigenden -Verdacht mit mir herum, Sie wären mir nicht mehr so gut, als vordem. -Sie wissen, Gründe richten sehr wenig gegen Empfindungen aus. Ich -erwartete also Ihren nächsten Brief, um meine Furcht und mein Mißtrauen -zu beschämen. Wir konnten den Tag, an welchem Ihre Briefe ankommen, -keinen Boten in die Stadt schicken, und diese Briefe (so dachte ich -damals) blieben also auf der Post bis den folgenden Tage liegen. Ein -sehr unangenehmer Verzug, der aber die Begierde und die Erwartung noch -mehr schärfte. Endlich hatten sich die Stunden bis zur Ankunft des -Boten langsam und traurig genug fortgeschlichen -- und nun kam er ohne -Briefe. - -Stellen Sie sich selbst vor, was eine Fehlschlagung in einer solchen -Verfassung für Wirkungen auf ein Gemüth haben mußte, das dem Ihrigen -ähnlich ist. Sie schienen mir blos deswegen nicht geschrieben zu -haben, um mir zu sagen, daß ich Recht gehabt hätte mich zu fürchten. -Ich bildete mir ein, als hätten Sie in meiner Seele eine Unruhe lesen -können, und hätten deswegen geschwiegen, um ihren Grund zu bestätigen. -Ich hörte schon auf, mein eigner Freund zu seyn; denn gewiß, ich -würde mich selbst für ein nichtswürdiges Geschöpf ansehen, wenn Ihre -Freundschaft mir in meinen Augen keinen Werth mehr gäbe. - -Die Seele kann in einem so unangenehmen Zustande nicht lange beharren. -Er ist, so wie Sie sagen, und so wie meine Erfahrung mich lehrt, ein -Stand der Unthätigkeit, der Philosophie unsers Freundes ungeachtet. -Sie wankt also eine Zeit lang zwischen Reflexion und Gefühl, zwischen -deutlichen Gründen und dunkeln Einbildungen hin und her; sucht eine -Menge Beweise, um das nicht zu glauben, was sie scheut, und stürzt sich -doch wieder, trotz aller Beweise, in ihre traurige Ueberzeugung zurück. -Dieses Mal siegte ich aber doch endlich! denn das war ich gewiß genug, -daß Ihre Freundschaft nicht so, wie der meisten Menschen ihre, ohne -besondere Ursache nur erkalten kann, blos deswegen, weil die nähern -sie immer umgebenden Gegenstände unaufhörlich einen Theil ihrer Wärme -rauben, und sie durch diese allmählige Ausdämpfung zuletzt bis zu der -ordentlichen Temperatur der Gleichgültigkeit zurückbringen. Aber das -wußte ich nicht, daß Sie mich Ihrer Freundschaft immer auf gleiche Art -würdig finden würden. Ich habe immer geglaubt, daß die Freundschaft, -so wie die Liebe, eine gewisse Art von Verblendung erfordere; nicht -eine solche, die die Gestalten verkehrt, sondern die, welche den guten -Eigenschaften allein Licht giebt, und die schlechten in Schatten setzt. -Wie wäre es nun, wenn Sie diese Verblendung gewahr geworden wären, -- -wenn Sie anfingen, mich eben so zu sehn, wie mich alle übrige Menschen -sehn? -- Aber kurz, Sie hatten mir noch keine Veranlassung gegeben, -diese Veränderung zu glauben. Ich konnte selbst den Ursprung dieses -Gedankens in meiner Seele nicht ausfindig machen. Er erfüllte die Seele -so, wie manches falsche Gerücht die Stadt, ohne daß man sagen kann, wer -das Ding zuerst erzählt hat. Und konnten endlich Ihre Briefe nicht aus -tausend andern Ursachen zurückgehalten werden? - -Aber dabey schmeichelte ich mir doch nicht, daß Sie wirklich -geschrieben hätten, und es blos Unrichtigkeit der Post wäre, die mir -Ihren Brief vorenthielte. Ich verließ S**** des Sonntags, nicht mit so -viel Widerstreben, als ich sonst gethan haben würde, wenn ich nicht -Ihre Briefe in der Stadt zu erwarten gehabt hätte. Ich fand sie, und in -denselben die zärtlichste, gütigste Freundin, die Sie immer waren, dazu -gemacht, das Leben nicht bloß Eines Mannes glücklich zu machen. - -In der That bedurfte ich dieses Trostes, um nicht allen meinen Muth -unter der Menge unangenehmer Zufälle zu verlieren, die auf uns in der -Stadt warteten. Meine Mutter kam halb krank nach Hause. Ihr Bruder, -der, wie Sie wissen, im Bade gewesen ist, war kurz zuvor durch den -Banquerout eines der ansehnlichsten hiesigen Häuser, dem er einen -beträchtlichen Theil seines Vermögens anvertraut hatte, zurückgerufen -worden. Ein andrer unsrer Freunde, der brave T****, sah durch eben -diese Begebenheit eine Summe von 10000 Rthlr. auf vielleicht weit -weniger als die Hälfte heruntergesetzt; eine andre Freundin, die Mad. -P*** (eine von den wenigen Frauen, die Ihrer Bekanntschaft werth -wären), war gefährlich krank, und der Arzt hatte ihr erst vor kurzem -die Hoffnung zum Leben wiedergegeben. Meines Onkels jüngste Tochter war -es auch. Die allgemeinen Klagen vermischten sich mit der besondern Noth -unsrer Familie. Endlich bekam ich Gellerts Brief, und die Nachricht -von des Grafen Tode. Mit diesem verschwand alle Aussicht auf künftigen -Winter. Die nächsten Monate sogar hüllten sich wieder in Dunkel -und Finsterniß ein; -- und nirgends, nirgends sahe ich irgend einen -Schimmer eines Lichtes, der mich zu meiner Freundin wieder zurückführte. - -An die Stelle dieser verschwundenen Hoffnung trat eine Furcht, die ich -schon überwunden zu haben glaubte. Während meines Aufenthalts in B*** -ist der Prorektor des hiesigen ersten Gymnasiums wegberufen worden. -Meine Freunde dachten ganz natürlicher Weise an mich. Ich verzeihe -Ihnen den Wunsch, mich hier zu behalten; er entspringt aus einem so -gütigen Herzen, daß ich ihn gern mit meinem Wunsche bestätigen wollte, -wenn es auf weiter nichts als Vergnügen dabei ankäme. Man redete also -viel davon, man erforschte meine Gesinnungen, man ersann sich allerhand -Möglichkeiten. Alles das war gut, so lange die Sache noch in einer -gewissen Ferne blieb. Ich gestand, so oft die Rede davon war, meine -vollkommene Abneigung; und ich gab, wie ich denke, Gründe davon, um ihr -nicht den Schein des Eigensinns und des Vorurtheils zu geben. Man hörte -endlich, da die Wahl ins Lange gezogen wurde, auf davon zu reden. -Heftige Bestrebungen verzehren sich selbst, wenn sie nicht sogleich -thätig werden können. Ich erklärte mich ein Mal für alle Mal, daß ich -keinen Schritt der Sache entgegen thun würde. Eine ganz freywillige, -unveranlaßte Anbietung dieses Amtes würde alsdenn von mir nicht ohne -Ueberlegung verworfen werden. - -Ich glaubte, daß ich gewiß sehen könnte, daß dies niemals geschehen -würde, da der hiesige Magistrat die Maxime hat, den ungestümsten -Bittern die Aemter am ersten zu geben, und da die Jahrbücher von -B*** noch kein Beyspiel von einem jungen Menschen haben, der, ohne -die niedern Stufen des Schuldienstes durchkrochen zu seyn, zu dieser -Würde erhoben worden wäre. Mitten unter diesen Sachen reiseten wir -aufs Land, mein Onkel ins Bad. Die Briefe Gellerts brachten uns alle -diese Gedanken aus dem Sinne, und Leipzig und Dreßden nahmen unsre -Aufmerksamkeit so sehr ein, daß wir nicht mehr wußten, ob es einen -Prorektor in B*** giebt. Ich kam wieder zurück mit der vollkommensten -Sicherheit, daß diese Stelle längst würde besetzt seyn, und daß -alles entschieden sey. Kein Mensch dachte wieder daran, bis Gellerts -Brief dem Laufe unsrer Vorhersehungen eine neue Richtung gab. Gestern -war ich mit meiner Mutter in einer großen und zu meinem Unglück sehr -vermischten Gesellschaft. Einer davon, ein Herr von P***, ein Mann, dem -große Reichthümer und viele Verbindungen eine Art von Ansehn geben, -dem es übrigens weder an Verstande, noch einem gewissen Grade von -Empfindung mangelt, zog mich gleich bei seinem Eintritte auf die Seite. --- Hören Sie, sagte er, wollen Sie Prorektor seyn? -- Die Frage war -sehr kurz, und die Antwort schien entscheidend seyn zu müssen. -- Ich -wiederholte ihm kurz das, was ich allen meinen Freunden schon längst -gesagt hatte. -- Ich war von Herzen froh, als ich endlich erfuhr, -seine Frage bedeutete nichts mehr, als jede andre Frage von der Art; -als ein Freund meines Onkels und meiner Mutter hatte er ihre Wünsche -vorhergesehn, und wollte es bloß erfahren, ob es auch die meinigen -wären. - -Unser Gespräch war noch nicht zu Ende, da es von einem Schwarme andrer -Leute unterbrochen wurde. Ich hatte bey einem sehr vollen Tische -den langweiligsten elendesten Abend von der Welt. Ich dachte fast -an nichts, als an den Kontrast dieser Gesellschaft, und der kleinen -an Ihrem Tische, in der ich so viele Stunden unter dem heitersten -Vergnügen verlor. -- Nur einen einzigen solchen Abend, l. F., und ich -wäre auf einen Monat zufrieden u. s. w. - - - - -Funfzehnter Brief. - - - B***, den 9. Septbr. - -Unerachtet mich meine Reise gehindert hat, an der besondern Lustbarkeit -dieses Tages Theil zu nehmen, so bin ich nichts desto weniger bey -Ihnen gewesen, so wie ich es alle Tage bin. Und vielleicht war es ein -gewisser geheimer Einfluß, den Ihre Seelen auf die meinige hatten, der -mich diesen Tag (es war der letzte, den ich in M*** zubrachte), beynahe -vergnügter machte, als ich die ganze übrige Zeit gewesen war. -- - -Eine Grille, die mir Schwedenborg, und sein Kommentator, M. Kant, in -den Kopf gesetzt hat, kann ich mir noch nicht ausreden. -- So geht -es; Sätze, die uns lieb sind, nimmt man gar zu leicht für Wahrheiten -an, und das Sicherste, was ein Philosoph thun kann, um uns von seinen -Hypothesen zu überzeugen, ist, daß er den Wunsch in uns erregt, daß -sie wahr wären. -- Aber zur Sache selbst. - -Schwedenborg sagt, das Verhältniß, das die Geister gegen einander -haben, und welches ihren Ort ausmacht, ist von dem Orte, den ihre -Körper einnehmen, durchaus unterschieden. Die Geister machen zusammen -eine Welt für sich aus, und die Körper, die ihren Stand bestimmen, -in so fern sie durch Empfindungen denken, und ihre Begriffe aus dem -sinnlichen Gebiete herholen, schränken sie doch nicht im mindesten -ein, in so fern sie Geister sind. -- So ist es also möglich, daß zwey -Geister ganz dicht aneinander stoßen, deren Körper hundert Meilen weit -von einander entfernt sind. Zwischen beyden kann der vertrauteste -Umgang seyn, der aber niemals zum Bewußtseyn kommt, -- als bey -gewissen auserwählten Seelen, denen, wie Schwedenborg sehr deutlich -sich ausdrückt, das Innere geöffnet ist; -- oder bey außerordentlichen -Gelegenheiten, wo der hellere Glanz der Empfindungen, der sonst alle -andere Ideen auslöscht, so sehr verdunkelt wird mit sammt dem ganzen -Gefolge von Erinnerungen und Phantasien, daß jene geistigen Eindrücke -sich aus dem Grunde der Seele herausheben. Durch dieses Mittel will -Schwedenborg alle die wunderbaren Dinge gewußt haben, durch die er -in den Ruf des größten Narren und des größten Wahrsagers unsrer Zeit -gekommen ist. -- - -Aber kurz und gut, die Theorie gefällt mir, und ich dächte also, daß -sie wahr wäre. Meine Seele würde nichts so sehr wünschen, als um alle -die von ihr geliebten und mit ihr verwandten Seelen so nahe zu seyn, -daß sie die Einflüsse derselben empfangen, und auf sie wieder Eindrücke -machen könnte. Der Körper ist bisher zu der Erreichung dieses Wunsches -ein beschwerliches Hinderniß gewesen, jede Vereinigung forderte immer -eine vorhergegangene Trennung, und Freunde wiederzusehen und von -Freunden geschieden zu seyn, waren immer zwey unzertrennliche Sachen. -Aber nun, die Theorie Schwedenborgs einmal festgesetzt, wer hindert -mich, meine Seele an den Ort hinzubringen, wo es ihr am besten gefällt, -und um sie herum alle die Geister zu pflanzen, deren Gemeinschaft so -oft ihren Wunsch und ihre Sehnsucht erregt hat? Lassen Sie mich also 50 -Meilen, und -- was sind diese? lassen Sie mich um halbe Erddiameter von -Ihnen entfernt seyn, -- und doch soll meine Seele von der Ihrigen nicht -um ein Haar breit weiter kommen. Denken Sie, wenn unsre sterblichen -Augen den himmlischen Anblick ertragen könnten, was es wäre, diese -Gesellschaft von Geistern bey einander zu sehn; erst die unsrigen, wie -sie unsichtbare Begriffe von einander annehmen und sich mittheilen, -Begriffe, die erst in künftigen Epoquen unsers Daseyns uns selbst -bekannt werden sollen; wie sie sich vielleicht einander aufklären, -reinigen, bessern, und ohne unser Wissen schon die Glückseligkeit -künftiger Zeitalter verbreiten; -- alsdann die Seelen unsrer liebsten -Freunde, Ihres Gemahls, meiner Mutter, unsers Reizes, -- und dann, -wenn irgendwo in der Welt eine Julie oder eine Schirley lebt, -- ein -reizendes Mädchen, deren Schönheit die Ankündigung von Verstand und -Unschuld ist, -- eine zärtliche Ehegattin, deren geschäftiger Fleiß, --- so wie der Ihrige, -- den Abend eines mühsamen Tages ihrem Manne -und ihrem Freunde mit stiller und unschuldiger Fröhlichkeit krönt, -- -eine ehrwürdige Mutter, der ein neues Geschlecht seine Tugend und seine -Glückseligkeit dankt, -- diese alle bey uns, unsre Vertrauten, schon -vorbereitet, uns künftig, wenn wir einander erkennen werden, zu lieben, -und das Vergnügen einer Gemeinschaft zu fühlen, die hier nur bloß unsre -Reflexion beschäftigte. - -Sie sehen, ich bin in Gefahr, vielleicht ein eben so großer Schwärmer -zu werden, als Schwedenborg selbst. Und in der That ist ein Traum, der -uns vergnügt macht, hundert Mal besser, als eine Wahrheit, die uns -Kummer verursacht. - -Ueber ihr Gedicht und noch mehr über dessen Mittheilung bin ich von -Herzen vergnügt gewesen. Die zwey letzten Strophen haben mir am meisten -gefallen, vielleicht weil Sie darin an mich denken. -- - -Ich hätte Ihnen noch so viel zu sagen, als auf diesem Blatte und -auf zehn andern nicht Raum hätte. Aber ich bin einmal schon des -Mißvergnügens gewohnt, meine Briefe da schließen zu müssen, wo sich -meine Unterredung mit Ihnen erst recht anfangen sollte. Die Ideen -drängen sich so in meinem Kopfe zusammen, sobald ich die Feder ansetze, -an Sie zu schreiben, daß sich endlich eine aus dem Haufen hervordrängt, --- nicht die die vornehmste und wichtigste gewesen wäre, sondern die -sich am schnellsten der Seele und meiner Feder bemächtigen konnte. -- -Aber das muß ich Ihnen doch noch sagen, daß ich von Gellerten, seit dem -letzten, der mir des Grafen Tod ankündigte, keine Briefe habe, und daß -ich ohne Vorschläge von ihm, -- wenig Mittel sehe, diesen Winter mit -Ihnen zuzubringen u. s. w. - - - - -Sechzehnter Brief. - - -Lassen Sie mich Sie immer heute zu einer ungewöhnlichen Zeit -überfallen. Ungelegen kann es Ihnen doch nicht seyn (so zuversichtlich -hat mich schon Ihre Freundschaft gemacht). Mein Herz ist zu voll; und -ich weiß schon, eher wird es nicht ruhig, bis es sich ganz in das -Ihrige ausgegossen hat. Wie sehr empfinde ich heute das Glück, eine -Freundin zu haben, die meinen Schmerz gern mit mir theilt, und lieber -mit mir trauert, als allein fröhlich ist. Aber erschrecken Sie nur -nicht über diesen Anfang. Es ist nur Mitleiden, nicht eignes Unglück, -das diese unruhige Bewegung in mir hervorbringt -- aber Mitleiden, das -auf seinen höchsten Grad gestiegen ist, und beynahe zu eignem Gefühl -wird. -- - -Ich war gestern von meiner Reise den Augenblick angekommen, als man mir -sagte, meine Mutter wäre in dem Krankenzimmer einer Freundin, und sie -würde den Abend dort zubringen. -- Ich habe Ihnen schon mehrmals das -P***sche Haus genannt, als eine von den Familien, die mit der unsrigen -am genauesten verbunden ist und von mir am meisten hochgeschätzt -wird. In der That besteht sie beynahe aus lauter hochachtungswürdigen -Personen. Das Haupt der Familie, der alte Herr P***, ehemals ein sehr -angesehener Kaufmann, war noch außerdem, -- was selten Kaufleute sind --- ein empfindlicher und zärtlicher Ehemann, ein dienstfertiger Freund, -ein gütiger Vater, und ein durch Erfahrung und vielfache Kenntnisse -angenehmer Gesellschafter. Seine Frau, unsre Anverwandte, -- die Krone -ihres Hauses, und beynahe auch des unsrigen, ist von der Natur und -durch ihren Fleiß recht dazu ausgerüstet, Glückliche zu erfreuen, -und die Unglücklichen zu trösten. Ein starker und beynahe männlicher -Verstand, der nur durch eine beständige Uebung, nicht durch Unterricht -ausgebildet ist; eine Gegenwart des Geistes, die selbst durch ihre -zarte Empfindsamkeit niemals geschwächt wird; ein gewisses Feuer und -eine Thätigkeit andern Dienste zu leisten, die die Schwierigkeiten -überwindet, wovor die andern nur erschrecken; ein freundschaftliches -Herz, das seine Befriedigung im Gutes thun findet, und eine gewisse -Art von Mangel fühlt, so bald es sich zu Niemandes Besten beschäftigen -soll; und dieses alles war zu ihrer glücklichen Zeit mit einer -beständigen Heiterkeit der Seele, und mit so viel Lebhaftigkeit -verbunden, daß sie gemeiniglich die Seele der Gesellschaft wurde, in -der sie sich befand. - -Herr P**** hatte von seiner erstern Ehe eine Tochter, die schon -ziemlich erwachsen war, als er sich mit unsrer Freundin vermählte, und -die einige Jahre darauf den Halbbruder ihrer Stiefmutter heyrathete. -Die Frau ***, so heißt diese würdige Frau, hatte von der Natur nicht so -viel vorzügliche Gaben, aber dafür eine gewisse Sanftmuth und Stille -in ihrem Charakter, eine tiefe und mehr durchdringende als lebhafte -Empfindlichkeit, und ein so kindliches, gutes, freundschaftliches Herz -bekommen, daß sie die vertrauteste Freundin und die ehrerbietigste -Tochter ihrer Eltern zugleich war. Ihre Seele war der Seele ihrer -neuen Mutter, oder vielmehr ihrer Schwester (denn so liebten sie sich, -und so ist ihr Betragen gegen einander noch bis auf den heutigen Tag) -nicht ähnlich, aber sie war dazu gemacht, dieselbe auszufüllen, und -mit ihr ein Ganzes auszumachen. Ihr Gemahl, der Frau P**** Bruder, -den sie schon vor drey Jahren durch eine grausame Krankheit verlor, -hatte vielleicht unter allen die wenigsten Talente, aber er besaß -ein so durchaus gutes Herz, er liebte seine Frau und seine Schwester -so innigst, und er räumte ihre Vorzüge über ihn so gern ein, daß man -ihm bloß um seiner Ehrlichkeit willen gut wurde. Und so wie er war, -wurde er auch wieder von seiner Frau, die sonst vielleicht zu einem -scheinbarern Glück Hoffnung gehabt hätte, so geliebt, als wenn er der -vollkommenste aller Männer gewesen wäre. Von diesem ihrem Manne hatte -sie zwey Kinder, einen Sohn und eine Tochter, deren Geburt nun erst -alle Hoffnungen des Großvaters und alle Wünsche der gesammten Familie -erfüllte. - -Beyde Familien wohnten in Einem Hause, aßen an demselben Tische, -liebten sich alle unter einander mit einer Zärtlichkeit ohne Beyspiel, -und machten das Bild einer einträchtigen und glücklichen Familie aus. -Wenn die Geschäfte des Tages sie von einander entfernt hatten, so -kamen sie doch gewiß am Abend alle zusammen, ihre lieben Kleinen mit; -und dann genossen sie in einer beneidenswerthen Ruhe alle Freuden des -häuslichen Lebens, die einzige Glückseligkeit des Menschen, wenn anders -Menschen glücklich seyn können. Ihre äußern Umstände störten diesen -Genuß eben so wenig. Ihr Vermögen war weit mehr als hinlänglich, ihrer -Freunde waren viel; -- und wenn es, um ein Gut zu genießen, nothwendig -ist, daß andre wissen, daß wir es haben; so war die allgemeine -Hochachtung für sie eine Bestätigung ihrer Glückseligkeit und ihrer -Verdienste. - -Und diese ganze Familie, dieser ganze kleine Kreis von tugendhaften -und glücklichen Freunden, liebe Freundin, ist jetzo nur noch -fähig, Mitleiden zu erregen; -- das ganze Gebäude ihrer häuslichen -Glückseligkeit ist durch eine Reihe auf einander folgender -Unglücksfälle zerstört; jede Wurzel des Vergnügens ausgerottet, und -fast hat selbst die Zukunft für sie nichts mehr als Schrecken. Der -Tod des Herrn B***, der vor drey Jahren zu eben der Zeit erfolgte, -als ich hier meine Mutter besuchte, war der Anfang und gleichsam -die Ankündigung davon. Dieser Tod war so schmerzhaft, und mit so -traurigen Umständen begleitet, daß er auf das Gemüth aller einen sehr -tiefen Eindruck machte -- auf das Gemüth seiner Gattin aber einen -immerwährenden. Diese schon von Natur furchtsame und schüchterne Frau -wurde durch den Verlust ihres Mannes beynahe zu Boden gedrückt. Nur die -Gesellschaft und die Zärtlichkeit ihrer Mutter, der Frau P****, und die -Sorgfalt für die Erziehung der beyden liebenswürdigen Kinder, in denen -sie die Liebe der Mutter und der Gattin vereinigte, nur diese hatten -sie bisher erhalten, und ihr nach und nach den Muth und die Freudigkeit -wiedergegeben, ohne die das Leben eine Last ist. - -Eine andere glückliche Begebenheit schien die Freude wieder in dieses -Haus zurückführen zu wollen. Eine Tochter der Frau P****, von einer -erstern Ehe, ihrer Mutter bey weitem nicht gleich, aber doch auch ihrer -nicht ganz unwürdig, heyrathete den Hrn. Z****, der lange Zeit im Felde -Dienste geleistet hatte, ein Liebling der Vornehmsten der Armee und -selbst des Königs gewesen war, und die glücklichsten Aussichten vor -sich hatte. Ein Mann von vielem Verstande, von einer wahrhaft guten -Lebensart, und der, wenn er noch nicht die richtigsten Grundsätze -hatte, doch fähig war, sie anzunehmen. Er war damals ***, und wurde -bald darauf ****, welches eines der ansehnlichsten Aemter in unserm -Lande ist, und unmittelbar auf den geheimen Rath folgt. Dieser Mann -liebte seine Frau, ob sie gleich weder ihm an Gaben gleich, noch seinen -Erwartungen und Wünschen gemäß war. Aber vielleicht liebte er sie noch -mehr um ihrer Mutter als um ihrer selbst willen; und beynahe glaube -ich, daß noch bis auf diese Stunde die Hochachtung, die er für seine -Schwiegermutter hat, die Liebe gegen seine Frau erhält. - -Diese Verbindung, die ihrer Familie ein neues so würdiges Glied gab, -wurde kurz darauf die Quelle mehr als eines Jahres voll Kummer -und Angst. Z**** empfand, nachdem er zur Ruhe kam, die Folgen der -Ermüdungen des Krieges. Er fiel in dem ersten Jahre seines Ehestandes -in eine gefährliche Gliederkrankheit, die ihn zuerst mit den -grausamsten Schmerzen angriff, und alle Augenblicke seinen Tod drohte, -bald darauf ihn des völligen Gebrauchs aller seiner Glieder beraubte, -und ihn ganz hülflos der unaufhörlichen Pflege und Wartung seiner -Freunde selbst in seinen kleinsten Bedürfnissen benöthigt machte. -Diese Krankheit ist endlich, nachdem sie sechs Vierteljahre das ganze -Haus in einer beständigen Abwechselung von Furcht und von Betrübniß -erhalten hat, durch eine sehr beschwerliche Kur, und durch den Gebrauch -mannigfaltiger Bäder gehoben worden. Sie wissen, daß er nur erst -neulich mit meinem Onkel im Bade gewesen ist. -- - -Aber dieses war noch nicht der einzige Kummer. -- Die unglücklichen -Umstände unsers Landes haben die Handlung des Herrn P*** sehr -geschwächt; -- aber noch würden sie ihnen wenig Schaden gethan -haben, wenn sie nicht auch zugleich den Kopf dieses würdigen Alten -geschwächt hätten. Dieser sonst so lebhafte und geschäftige Mann, der -die Thätigkeit selbst war, sich immer herzhaft entschloß und klug -ausführte, dieser versinkt in seinem Alter, von Kummer und Sorgen -niedergedrückt, in eine völlige Unempfindlichkeit. Seine Gemüthskräfte -erlöschen; seine Seele, die durch so viele und starke Eindrücke zu -heftig erschüttert worden, nimmt jetzo gar keine mehr an, oder alle -verlöschen augenblicklich auf dem Grunde, der schon völlig von den -vergangenen Ideen eingenommen ist. So ist er für seine Familie und -seine Freunde schon todt, ob er gleich sich noch unter ihnen bewegt; -und seine Gattin, die sonst von ihm Ansehn und Ehre erhielt, ist jetzo -kaum mit aller ihrer Klugheit und der zärtlichsten Sorgfalt vermögend, -ihn vor der Verachtung der Fremden, und selbst vor der Geringschätzung -seiner Freunde zu schützen. Denken Sie sich nun seine Tochter, die noch -immer dieselbe kindliche, ehrerbietige Zärtlichkeit für ihn hat, und -denken Sie, was es einem Herzen, wie das ihrige, kosten muß, ihn alle -seine schätzbaren Eigenschaften verlieren zu sehn. -- - -Noch war ein einziger Trost für dieses Haus übrig, aber ein sehr -großer, und der vielen Leiden das Gegengewicht halten konnte; -- der -Trost, zwey hoffnungsvolle und liebenswürdige Kinder in ihrem Schooße -aufwachsen zu sehen, die die Verdienste, und, wenn es möglich wäre, die -ehemalige Glückseligkeit ihrer Eltern erneuerten. -- Und nun liegt das -jüngste davon, ein Knabe von ungefähr acht Jahren, die unschuldigste, -sanftmüthigste, geduldigste Seele, das Bild und der Liebling seiner -Mutter -- und ringt mit dem Tode. - -Bey seinem Bette fand ich meine Mutter. Ich bin niemals von einem -Anblicke so gerührt, so durchdrungen worden. Die Krankheit des Kindes -ist die allerschmerzhafteste und grausamste, glaube ich, die ich jemals -gesehn habe: die allerentsetzlichsten Kopfschmerzen, die, wie der Arzt -muthmaßt, aus einer Beschädigung des Gehirns entstehen, und schon vier -Tage und Nächte ohne den geringsten Nachlaß fortdauern. Sie pressen -dem armen liebenswürdigen Knaben, der alles, alles sonst mit der -größesten Gelassenheit erträgt, und selbst jetzo die schmerzhaftesten -Operationen ohne Murren mit sich vornehmen läßt, ein Geschrey aus, das -mir bis in das Innerste der Seele geht. -- O Gott, wer muß der Unmensch -seyn, der die Stimme des Schmerzes ertragen kann, wenn er selbst der -Urheber davon ist! -- Mein Herz wird davon zerrissen! -- Und dann in -dem Augenblicke einer kleinen Linderung ihn mit einer ängstlichen -Zärtlichkeit nach seiner Mutter rufen zu hören, diese vor seinem -Bette knien zu sehen, und dann ihn, wie er seine kleinen Arme um sie -herumschlingt, sie fest an sich drückt, und dann mit einer gewissen -dringenden Heftigkeit sie seiner Liebe versichert, -- dann mitten unter -diesen Liebkosungen, von dem Schmerz überwunden, auf einmal in das -kläglichste Geschrey ausbricht, und das zu ganzen Nächten fortsetzt --- Gott, kaum kann ich den Gedanken davon ertragen. -- Heute ist der -Schmerz schon Herr über sein Bewußtseyn, und er kennt nicht mehr seine -Mutter. -- - -Liebste Freundin, werden Sie mir es wohl vergeben, daß ich Sie mit so -traurigen Gegenständen unterhalte? Aber mir wird meine Noth leichter, -wenn ich denke, Sie wissen sie und nehmen daran Theil. - -N. S. Zu gleicher Zeit mit dem Ihrigen erhielt ich auch einen sehr -freundschaftlichen Brief von Herrn Weise. Eine kleine Anekdote, die er -mir von Meinhardten erzählt, kann ich Ihnen unmöglich verschweigen. -Bey seiner Abreise von Leipzig fragte ihn der Post-Commissar Gellert: -Ob er nicht einige günstige Aussichten hätte? O ja, sagte er, die -glücklichste Aussicht von der Welt -- die Aussicht auf mein Grab. - - - - -Siebenzehnter Brief. - - - Den 16. September. - -Der Kleine, dessen Leiden ich Ihnen schilderte, hat sich gebessert. Er -ist keines menschlichen Leidens mehr fähig. -- Für den tugendhaften -Mann und für den Christen ist der Tod wenig; aber für den Menschen ist -der Schmerz immer etwas sehr Großes. Neulich war mein ganzes Mitleid -für das Kind selbst, jetzo ist es nur noch für seine Mutter. Ich will -Ihnen nicht ihren Schmerz beschreiben, um nicht den Ihrigen rege zu -machen. Sie wissen, was es heißt, Mutter seyn. -- Aber einen andern -Verlust muß ich Ihnen erzählen, der nicht so schmerzhaft, -- aber -doch für uns empfindlich ist; noch dazu einen Verlust, der die ganze -Begierde, zu Ihnen zu kommen, bey mir wieder rege macht, da er mir die -vortrefflichste Gelegenheit dazu verschafft hätte. Denken Sie nur, -ich hätte in Gesellschaft eines Tralles zu Ihnen kommen können, ich -hätte Sie gesehn, Sie hätten einen unsrer besten Freunde gesehn, die -Hochachtung, die ich für meine Freundin habe, hätte sich noch eines -rechtschaffenen Herzens bemeistert, und -- Aber hören Sie erst die -Geschichte. - -Tralles als einen Arzt kennen Sie, glaube ich. Aber das müssen Sie -noch wissen, daß er beynahe der würdigste Gelehrte und der beste -Gesellschafter in B**** ist. Diese Titel werden Sie, denke ich, noch -nicht so aufmerksam machen, (welche Eigenliebe!) als wenn ich Ihnen -sage, daß er der älteste Freund unsers Hauses, daß er fast der einzige -recht vertraute Freund meines Onkels ist, -- daß seine erste Frau die -beste und die einzige Freundin war, die meiner Mutter ihr ganzes Herz -besessen hat. Dieser Mann, der neulich nach Warschau als Leibarzt -kommen sollte, und es aus Liebe zu seinen Freunden ausschlug, hat jetzt -einen andern Antrag, der just in einer so unglücklichen Epoque kommen -muß, da sich B**** bey ihm durch einen ansehnlichen Verlust, den er -durch die Betrügerey eines Freundes leidet, verhaßt gemacht hat, daß -er fast geneigt ist, ihn anzunehmen. Die Fürstin von Gotha verlangt -ihn zu ihrem Beystande bey ihrer jetzigen schwachen Gesundheit, -- -und wünscht ihn als Leibarzt zu behalten. Er kam eben von einer Reise -wieder, als er einen Brief von dem Gothaischen Hofe fand, wo man ihn -unter den schmeichelhaftesten Hoffnungen, die man einem Menschen geben -kann, einladet, noch diesen Herbst nach Gotha zu kommen, seine Familie -mitzubringen, -- und den Winter dort zu bleiben. Es sollte alsdann von -seiner Wahl und von dem Grade von Zufriedenheit abhängen, den er mit -dem dasigen Aufenthalte, und der Art von Aufnahme, die er erhalten -hätte, haben würde, ob er nach Breßlau zurückkehren oder bey ihnen -sein Leben beschließen würde. Denn er ist schon sechszig Jahr. -- Er -ist nun entschlossen, die Reise zu thun, ob er gleich ihren Erfolg -noch nicht vorhersieht. Seine jetzige Frau wird ihn mit ihrem kleinen -Sohne begleiten. Von zwey Töchtern aus der ersten Ehe ist die eine -verheyrathet, und kann also ihrem Vater nicht folgen, die andre will -zum Beystand ihrer Schwester zurückbleiben. - -Dieser D. Tralles nun reist auf den Sonnabend ab, -- und reist -über Leipzig. -- Was würde ich nicht darum gegeben haben, so einen -Gesellschafter zu finden; und wie sehr gütig war nicht seine -Anerbietung. -- Wenn ich mitführe, sagte er, so wollte er wechselsweise -auf dem Kutschersitze fahren, wenn er keinen andern Platz hätte. -Demungeachtet bleibe ich hier, -- verliere einen Freund, den ich noch -hatte, und komme zu denen nicht, die ich entbehrte. -- - -Ich sinne schon die ganze Zeit, seitdem ich diese Reise weiß, auf -Mittel, den D. Tralles Ihnen oder Ihrem lieben Gatten vorzustellen. -Ich schmeichle mir, Sie würden einen Mann nicht ungern sehen, der -erst vor wenig Tagen aus unserm Hause kommt, der uns alle kennt, der -unser Freund ist, -- und der es verdient, auch der Ihrige zu seyn. -Aber ich gestehe es, ich begreife noch nicht, wie die Sache zu machen -ist. Er bleibt nur einen halben Tag und über Nacht in Leipzig. -- Er -will Gellerten besuchen, an den ich heute schreibe, und bey dem ich -ihn anmelde. -- Er ist ein Anverwandter von ***. Man erwartet ihn in -diesem Hause, und man wird ihn ohne Zweifel dahin ziehn. -- Wo mir -recht ist, so ist diese ***sche Familie nicht eben im Besitz einer sehr -großen Achtung. Ich kenne sie nur vom Parterre aus; aber von da sah -mir die Tochter sehr einfältig und eitel -- ihre Mutter stolz und ein -bischen verbuhlt aus. -- Zum Glück hat Tralles eine Gabe, die uns allen -beyden fehlt, -- sich die Narren ganz gut gefallen zu lassen. Er wird -aus der Gesellschaft der vernünftigsten Leute in die Versammlung der -Thoren übergehn, ohne von seiner guten Laune etwas einzubüßen. - -Im Vorbeygehen, -- Sie hätten meine Fehler nicht besser treffen können; --- fast eben dieselben, die mir meine Mutter so oft vorwirft. Sie -gesteht mir, daß sie noch so ziemlich mit mir zufrieden ist, wenn ich -bey ihr oder bey gewissen Personen bin (und das sind noch dazu sehr -wenig), die mir gefallen; aber daß ich der unerträglichste Mensch -wäre unter einer Gesellschaft, die mir mißfiele. In der That verliere -ich unter Leuten von einer gewissen Art nicht bloß meine Lustigkeit, -sondern auch meinen gesunden Verstand; ich denke nicht mehr, ich -vegetire nur. -- Aber wieder zu unserm Tralles zurück! - -Nach dem Plane seiner Reise, den er erst gestern Abend in einer -Gesellschaft entwarf, bey der ich gegenwärtig war, wird er erst auf den -Sonnabend über acht Tage in Leipzig ankommen. Seine Frau und sein Kind -nöthigen ihn, langsamer zu gehen. Bis dahin kann ich Ihnen also noch -einmal schreiben. -- Aber nun meine eigne Rückreise zu Ihnen! -- - -Meine Mutter mag es Ihnen sagen, ob es mir leicht wird, diese -aufzuschieben. In der That sehne ich mich zuweilen nach einer -einzigen Viertelstunde, die ich mit Ihnen zubringen könnte, -- mit -einer solchen Ungeduld, die im Stande wäre, mich zu Ihnen zu führen, -wenn unsre Begierden uns Kräfte gäben. -- Aber meine Mutter wünscht -meine Gegenwart; sie hält sie zu ihrer Gesundheit auf diesen Winter -für nothwendig; sie thut alles, was sie kann, und sie würde noch -mehr thun, um den Winter hindurch von einer andern Seite meinem -Studiren gewisse Beförderungen zu verschaffen, die ich von der einen -verliere. -- Mein Freund hat seine Gedanken recht aus meiner Seele -herausgenommen, -- eben dieselben Vorstellungen, fast mit eben den -Worten, mit welchen ich sie schon manchmal meiner Mutter gemacht habe. -Bücher, Muße, Lehrer, das würde ich hier vielleicht alles haben, -- -aber Freunde, die mich aufmuntern, die mich in einer beständigen -Bewegung erhalten, deren Seele, mit der meinigen gleich gestimmt, jeder -von ihren Gedanken entspräche, und ihnen gleichsam zur Geburt hülfe -- -die fehlen mir durchaus. - -Meine Mutter sehnt sich bald so sehr nach Ihnen, als ich selbst. -Ihr Brief hatte sie ganz aufgeheitert. O Freundschaft und kindliche -Liebe, deinen geheiligten Banden sey meine ganze Seele gewidmet! -- -- -Aber was wäre die Freundschaft ohne Tugend, und was die Tugend ohne -Aufopferungen? u. s. w. - - - - -Achtzehnter Brief. - - - Den 23. September. - -Ich werde heute einen langen Brief schreiben, das sehe ich voraus. -Ich habe wenig Zeit dazu, ich werde ihn also geschwind und schlecht -schreiben. Sie werden ihn also nicht lesen können, und ich werde ihn -umsonst geschrieben haben. Aber das schadet nichts. Für die Mühe, die -es mich kostet, einen Brief an Sie zu schreiben, bin ich schon belohnt, -wenn er geschrieben ist. Meine Seele, die sich jeden Tag mit Ihnen, --- und mit Niemanden lieber beschäftigt, -- heftet sich doch niemals -so ganz, so lange, so ununterbrochen auf meine Freundin, als während -dem ich an sie schreibe. Allen fremden Gedanken, jedem unwillkommenen -Besuche ist in dieser Zeit der Zutritt versagt -- und ich bin so völlig -mit meiner ganzen Seele bey Ihnen, als ich es war, wenn ich des Abends -an Ihrem Fenster (wenn der Mond und die Nachtigall Ihres Nachbars die -ruhige Heiterkeit und die harmonischen, aber simpeln Bewegungen unsrer -Seele abbildeten) der Freundschaft genoß, -- und einen Augenblick -lang, in dem ich die Sorge für die Zukunft und selbst den Wunsch nach -derselben vergaß, sagen konnte: +Nun bin ich glücklich!+ - -Wenn es Ihnen ganz gleichgültig wäre, daß ich nicht nach Leipzig komme, --- so wüßte ich nicht, was mir schwerer seyn würde, als der Winter hier -in Breßlau. Die Freundschaft ist, wie ich sehe, auch grausam. Sie will -das Recht, den Freund vergnügt und glücklich zu machen, so ganz allein, -so ausschließungsweise haben, daß er beynahe darüber murrt, wenn er es -ohne sie seyn könnte. Ich habe es immer den Dichtern übel genommen, -wenn sie ihre Verliebten so eigennützig machen, daß sie ihre Geliebte -mit weniger Schmerz sterben, als in den Armen eines Andern leben und -glücklich seyn sehen. -- Aber ich merke nun schon, daß unsre edelsten -Neigungen immer so eigennützig seyn müssen. Die Liebe ist eine -Leidenschaft. Die Freundschaft ist nur eine Gesinnung. Ihre Wirkungen -sind nur in den Graden unterschieden, -- in ihrer Natur eben dieselben. --- Wenn es einen Menschen gäbe, der Ihnen meine Stelle so vollkommen -ersetzte (verzeihen Sie mir einen Stolz, den Sie mich gelehrt haben), -daß Sie, ohne Wunsch nach meiner Zurückkunft, mich an jedem Orte der -Welt gleich gern sähen: diesem Menschen würde ich nicht gut seyn -können. -- Ich vermehre nun in meinen Gedanken diese Empfindung bis zu -der Stärke, die der Leidenschaft der Liebe proportionirt ist, und ich -sehe es ein, daß der Dichter das menschliche Herz besser versteht, als -der Philosoph; -- und daß, so göttlich Plato auch seyn mag, Shakspeare -doch mehr von der Liebe weiß, als er. Sie haben doch wohl Romeo und -Juillet gesehn? Nun wohl! Glauben Sie nicht, daß Juillet ihren Romeo -lieber vernichtet, als untreu sehen würde? -- Aber davon genug, und -vielleicht schon zu viel, wenn ich es mit dem vergleiche, was ich noch -zu sagen habe. - -Tralles, unser guter Tralles, ist mit seiner Frau und seinem Kinde am -Sonnabend fort. -- Aber er hat keinen Brief an Sie mit. Zuerst, weil es -hier sogar gefährlich ist, einem Reisenden andre als offne Briefe, oder -solche, die er öffnen kann, mitzugeben. Ein neues Edikt setzt auf diese -Vervortheilung der Posten mehr als 100 Rthlr. Strafe. Zum zweyten, weil -ich meine Absicht, Sie und den D. Tralles zusammen zu bringen, doch -nicht würde erreicht haben. Er hätte Ihnen den Brief zugeschickt, oder -seine Frau hätte Ihnen Visite gemacht, -- oder Ihr lieber Gatte wäre zu -dem D. Tralles gegangen. -- Kurz, ich sehe nicht, wie Sie eigentlich -mit ihm in Bekanntschaft gekommen wären. Endlich will er nur über Nacht -in Leipzig bleiben. Ich glaube, es wird nichts daraus werden, dem -ungeachtet wollte er doch, -- und nach diesem Entschlusse nahm er hier -seine Maßregeln. Nun hat er Verwandte in Leipzig, wie Sie schon wissen. -Gellert, dem er von vielen Seiten empfohlen ist, wird ihn aufhalten. -- -Ludwig ist sein alter Schulfreund und sein Korrespondent. Die Zeit wird -also selbst für seine alten Bekanntschaften zu kurz seyn. -- Und doch -wollte ich -- ich weiß nicht wie viel dafür geben, wenn Sie ihn sähen, -oder Ihr lieber Mann, -- oder wenn er Sie sähe. -- Er wird im blauen -Engel wohnen. -- Schon dachte ich, ob Sie ihn vielleicht über eine -wirkliche oder erdichtete Krankheit von sich oder Ihrem Kinde zu Rathe -ziehen wollten; dieses würde immer für ihn schmeichelhaft, aber doch -ein bischen seltsam seyn. Dann dachte ich wieder, ob Ihr Mann nicht den -Tag zu Gellerten gehn könnte. -- Alles das dachte ich, und doch bin ich -noch nicht auf das gekommen, was mir gefällt und genug thut. -- Der -einzige Trost ist, -- er will auf dem Rückwege (denn zurückkommen wird -er gewiß) länger in Leipzig verweilen, -- und alsdenn bin ich entweder -schon bey Ihnen, oder ich schreibe durch Sie an Tralles. -- - -Von Kaufleuten, die nach Leipzig gingen (Kaufleute meine ich, nicht -Krämer), weiß ich keinen, als Herrn ****, und der geht noch dazu mit -seiner Frau. Sie sind beyde -- eben nicht Freunde -- aber Bekannte von -uns. Und die Frau ist noch dazu, -- oder war wenigstens als Jungfer --- eines unsrer schönsten Gesichter. Der Mann ist wohlhabend, und hat -den besten Garten um B***. Für die Meisten ist dies Verdienst genug, -seine Bekanntschaft sehr angelegentlich zu suchen. Für Sie und mich ist -es wenig. Ueberdieß geht er schon morgen ab. Mein Brief also, den ich -heute abschicke, kommt eher an, als er, -- und was brauche ich erst -auf Gelegenheiten zu warten, an Sie zu schreiben, so lange die Posten -richtig gehen? - -Sie verlangen von mir mein Tagebuch? -- Nichts in der Welt wünschte ich -mehr, als daß Sie alle meine Handlungen wüßten, meine ganze Aufführung -unter jeden Umständen, bey jeglicher Veranlassung sähen, -- daß Sie die -Aufseherin meines Herzens seyn könnten, und durch Ihren gütigen Beyfall -das Wahre und das Gute bestätigten, -- und durch Ihren liebreichen -Tadel meine Vorurtheile und meine Schwachheiten besiegen hülfen. -- -Aber wie kann eine kurze, unvollständige, trockne, oft Ihnen vielleicht -langweilige Erzählung diese Absichten erreichen? -- Dem ungeachtet -sollen Sie so viel wissen, als ich zu sagen vermag. Keinen treuern -Geschichtschreiber sollten Sie je gesehen haben, als ich es von mir -selbst seyn wollte. Nur vergeßlicher, mangelhafter.... - -Ich weiß nun selbst nicht mehr, was ich mir noch alles für Schimpfnamen -geben wollte. Man rufte mich ab, -- und nun, in den zwey Minuten, die -mir noch übrig sind, habe ich was bessers zu thun, als auf mich zu -schelten. - -Meine Lebensart also zuerst, -- wäre noch so ziemlich, wenn ich weniger -faul, weniger zu einer anhaltenden Arbeit ungeschickt, weniger unruhig, -und wegen meiner künftigen Aussichten ein bischen scharfsichtiger -wäre. Ich stehe spät auf, -- ob ich mir es gleich am Abende alle -Mal vornehme, früh aufzustehn. -- Die Theestunde bleibt immer noch -die goldne Stunde des Tages. Ich, meine Mutter und meine Muhme, -ein jedes durch den Schlaf erfrischt, und durch keine Arbeit noch -entkräftet, bringt seine erste noch nicht vernutzte Munterkeit in die -Gesellschaft. Während des Thees lese ich vor. Neulich hatten wir den -Hausvater und den natürlichen Sohn, -- jetzo ist es der Hypochondrist. -Der Schriftsteller wird bewundert, -- und der Vorleser bekommt auch -etwas von dem Dank, oder nimmt sich wenigstens selbst seinen Theil -davon, ohne erst daran erinnert zu werden. - -Der übrige Morgen wäre nun dazu, etwas zu arbeiten, -- wenn ich jetzt -oft zum Arbeiten aufgelegt wäre. Wenn ich es bin, so arbeite ich -jetzo für Herrn Weisen, in seiner Bibliothek. Essen und Kaffee ist -wieder die gesellschaftliche Stunde. Ich spiele auf dem Klaviere, -ich liege im Fenster, ich schwatze, ich höre, ich lese vor, eins ums -andre, manchmal alles zugleich, zuweilen nichts von allem. Zwey oder -drey Stunden sind auf die Art leicht hinweg geschwärmt. Sonntags sind -öfter Freunde bey uns, als andre Tage. Den vergangenen machte ich -eine neue Bekanntschaft. Der junge Herr v. **** besuchte mich mit -seinem Schwager, dem H*** ***. Der erste war von seiner Familie zum -Kaufmann bestimmt, von seinen Neigungen zum Studiren; und seine Talente -sind wenigstens nicht wider diese Neigung. Er hat großes Geld, -- -schafft sich also eine prächtige Bibliothek, liest viel, hat prächtige -Instrumente und Musikalien, spielt gut auf dem Flügel, und macht seine -Person, die von Natur nicht sonderlich einnehmend ist, durch seine Mühe -und durch seinen Fleiß wenigstens hochachtungswürdig. -- - -Ordentlicher Weise gehe ich des Abends von fünf Uhr an spatzieren. -- -Ganz allein; und welche Gesellschaft könnte mir auch angenehmer seyn, -als die, die ich mir alsdann aus allen vier Gegenden der Welt zusammen -hole? Shakspeare sagt: Die Welt ist nur eine Werkeltagswelt, wo alle -Sachen, gar nicht so, wie wir wünschen, und wie wir es einrichten -würden, sondern ihren gewöhnlichen alltäglichen Lauf kommen, sie mögen -nun dadurch unsern Wünschen in die Queere kommen, oder nicht. -- Um -also diesem Mangel abzuhelfen, schaffe ich mir alsdann auf meine Hand -eine andre, eine Feyertagswelt. In dieser Welt ist Ihr Mann kein -Advokat mehr, seine Arbeiten unterhalten ihn nur, aber sie nehmen ihn -nicht ganz ein, -- er lebt für den Staat nützlich, aber doch immer für -seine Gattin mehr, als für seine Klienten, -- in dieser Welt sind Ihre -Stunden alle heiter, alle voll Hoffnung, daß die künftige Stunde die -gegenwärtige an Glückseligkeit noch übertreffen werde. In dieser Welt -schreibt mein guter Reiz keine Register mehr; endlich in dieser bin ich -bey Ihnen, -- ich bin Ihr Bruder; meine Mutter ist Ihre Mutter, wir -machen alle nur eine Familie aus. - -Aber nun muß ich Sie nur schon wieder sicher zu unsrer Welt -zurückbringen. -- Denken Sie nur, ein ganz neuer Auftritt. Heute früh, -eben in dem Augenblicke, da ich Ihren Brief schreiben will, schreibt -der Kriegsrath von Klöber, der ehemalige Hofmeister des ersten Sohns -vom Minister ****, mir einen französischen Brief. -- Der jüngste Sohn -des Ministers soll jetzo nach Halle gehn. -- Er schlägt mir vor, -ich sollte die Stelle als Hofmeister bey ihm annehmen. Zweyhundert -Thaler Gehalt; ein Engagement auf zwey Jahre; Hoffnung zu Reisen, -und die Versicherung befördert zu werden. -- Was meinen Sie, daß ich -gethan habe? Ich mußte noch denselben Morgen antworten. Die Sache war -dringend. Ich schicke Ihnen meine Antwort mit. Leben Sie wohl u. s. w. - - - - -Neunzehnter Brief. - - - Den 30. September. - -Nach Ihrem Briefe zu urtheilen, hatten Sie meinen Brief noch nicht -empfangen oder noch nicht gelesen, als Sie den Ihrigen schrieben. In -der That habe ich es mir schon vorgeworfen, daß meine Briefe immer so -lang und so übel geschrieben sind. Ich würde es Ihnen für übel halten, -wenn Sie sich die Mühe nehmen wollten, sie bis ans Ende zu entziffern. -Um es Ihnen also etwas leichter zu machen, und Ihnen doch dabey nicht -ganz unbekannt zu werden, werde ich Ihnen von nun an nichts als -Geschichte schreiben. Bringt der Himmel uns wieder zusammen, so werden -wir Zeit genug haben, Betrachtungen anzustellen. -- - -Wenn Sie also nun jetzo meinen vorigen Brief gelesen hätten, so wüßten -Sie, daß es noch nicht so ganz gewiß ist, ob ich in Breßlau diesen -Winter bleibe. Herr v. Klöber, bey dem ich gestern wieder gewesen -bin, schreibt heute noch ein Mal an den Minister; und die Antwort, -die wir künftigen Sonntag, erwarten, wird die Sache entscheiden. --- Klöber hatte, wie er mir sagte, nicht sowohl zur Absicht, mir -selbst diese Hofmeisterstelle vorzuschlagen, als durch mich Jemanden -kennen zu lernen, der dazu tüchtig wäre. -- Er vermuthete, daß ich -schon andre gewissere Aussichten hätte, und daß ich das Reisen zu -einer nothwendigen Bedingung machen würde, das doch bey dem Sohne -des Ministers noch ungewiß wäre. -- Ich sagte ihm, daß der Entschluß -zu meiner künftigen Lebensart ziemlich fest, aber der Weg, den ich -dazu wählen wollte, noch gar nicht so bestimmt wäre; daß meine größte -Sorge sey, der Charakter des jungen Herrn oder seine Denkungsart könne -vielleicht nicht genug mit der meinigen übereinstimmen, um die Art von -Freundschaft und Vertraulichkeit zu errichten, die zu einer glücklichen -Ausführung meines Geschäfts unumgänglich wäre; daß endlich mir der -Aufenthalt auf einer Akademie noch weit lieber seyn würde, wenn ich -während desselben schon Vorbereitungen und Uebungen auf meine künftige -Lebensart anstellen könnte. Bey allen diesen meinen Antworten müssen -Sie daran denken, daß ich es mit dem Minister von *** zu thun hatte, -dessen Gewogenheit mir in jeder Verfassung von Gewicht seyn würde. -- -Ich will Ihnen nicht erst sagen, was mir Klöber antwortete. Er war -außerordentlich gütig in der Beurtheilung meiner Fähigkeit zu einem -solchen Posten, -- er erzählte mir sein eigen Beispiel, -- endlich -versprach er, noch ein Mal an den Minister zu schreiben, und das, was -ich wünschte, ihm vorzutragen. -- - -Wenn Sie diesen v. Klöber kennten, so würden sie einen rechtschaffenen -Mann, einen Mann von Grundsätzen, von Geschmack und von einer großen -Belesenheit an ihm finden. Er ist sehr lange gereiset. Er spricht alle -drey moderne Sprachen gut. Er kennt die Litteratur von jeder; aber für -die Engländer ist er enthusiastisch. Sie sollten ihn von Shakspeare -reden hören! - -Aber was machen Sie denn, beste beste Freundin? warum lassen Sie mir -denn nichts von diesen Ihren Geschäften, von Ihren häuslichen Unruhen, -von Ihren Bekümmernissen, von Ihren Vergnügen wissen? Warum wollen Sie -mir denn so ganz fremd werden? -- Warum mit mir eine so allgemeine -Sprache, die dem Kompliment so ähnlich sieht? Sie sagen mir wohl, daß -Sie mir noch gut seyn, -- aber bald möchte ich daran zweifeln, da Sie -mich so wenig Ihres Vertrauens würdigen. -- Wie wohl, ich bin heute -ohne dieß unruhig. Vielleicht giebt mein Gesicht den Gegenständen die -finstre Farbe, in der sie mir erscheinen. Ich habe endlich eine lange, -verdrießliche Arbeit geendigt. Ich schicke heute ein ganzes Packt an -Herrn Weisen. Von Gellerten habe ich Briefe, die mich ermahnen, hier zu -bleiben. -- Haben Sie nichts von Tralles gesehen? -- Leben Sie wohl u. -s. w. - - - - -Zwanzigster Brief. - - -Recht! liebe Freundin, von den Eindrücken am Morgen hängt das Vergnügen -oder der Verdruß des ganzen Tages ab. Ich folge Ihren Regeln und ahme -Ihrem Beispiele nach, -- und der erste meiner Gedanken ist heute für -Sie. Warum kann ich doch den Gang dieses Briefes nicht beschleunigen, -oder warum habe ich Ihnen nicht eher geschrieben, um Ihnen geschwind -genug zu sagen, wie richtig Sie gemuthmaßt haben. Ja, ja, tausend Mal -hat es mich gereuet, daß ich diesen Brief geschrieben hatte. Nicht, -als wenn es nicht einerley Empfindungen der Freundschaft wären, die -mir ihn damals eingaben, und die jetzt machen, daß er mich reut. -Aber diese Empfindungen hatten sich den Tag so wunderlich mit einer -Menge verdrießlicher Vorstellungen vermischt, daß Sie selbst diese -Gestalt annahmen und unter einer so fremden Miene beynahe unkenntlich -wurden. -- Ich hasse argwöhnische Freunde; ihre Zärtlichkeit besteht -bloß in dem Verdrusse, den sie leiden oder den sie verursachen. -Aber dem ungeachtet -- eine gewisse Art von Besorgniß begleitet die -Zärtlichkeit, und es kann Gelegenheiten geben, wo sie wirklich in -Argwohn ausbricht. -- So fürchtet Niemand die Verachtung mehr, als der -die Hochachtung wünscht, und der beständige Verdacht, gering geschätzt -zu werden, ist ein sicheres Zeichen des Stolzes. - -„Ja, dachte ich, sie ist wohl noch meine Freundin, aber nicht mehr -so zärtlich, so feurig, als ehemals; sie nimmt nicht mehr an meinen -Angelegenheiten Theil; sie läßt mich nichts mehr von den ihrigen -wissen. -- Wer weiß, sind nicht diese gütigen Gesinnungen, von denen -sie mich versichert, ein bloßer zurückgebliebener Schimmer von -dem Feuer ehemaliger Empfindungen? Und warum, thörichter Mensch, -warum sollte sie dich auch mit dem hohen Grade von Freundschaft -lieben? Welche Verdienste hast du um sie, was für Dienste hast du -ihr geleistet, was für Beweise von deiner Freundschaft ihr gegeben? -Nein, nein! sie kann nicht ohne Ursache lieben; die Natur will, daß -Empfindungen, die auf einer bloßen Verblendung beruhten, mit ihr -zugleich aufhören. Die Einbildung schmückt zuweilen einen Gegenstand -weit über seinen Werth aus, und leiht ihm alle die schönen glänzenden -Farben, durch die er uns gefällt; -- aber dieser Schmuck fällt ab, -die Farben verlöschen und der Verstand kommt zuletzt und zerstört -die ganze Bezauberung. Ja! Abwesenheit und neue Eindrücke haben ihre -Wirkung gethan, -- und vielleicht, was ich, was sie selbst noch für -Zärtlichkeit hält, ist nichts als die Erinnerung, daß sie ehemals -zärtlich gegen mich gewesen ist.“ - -Stellen Sie sich nun meine Seele vor, die durch finstre Irrgänge von -melancholischen Betrachtungen bis auf diesen Punkt gekommen war, -und dann bewundern Sie die Gelassenheit, mit der ich meinen letzten -Brief schrieb. -- Die Seele bleibt nicht lange in einem Zustande des -Mißvergnügens, den sie sich selbst verursacht hat. Die Einbildungskraft -nimmt bald wieder einen andern Weg; die Vernunft kehrt sich die -lichtere Seite des Gegenstandes zu, -- und dann wundert man sich über -die feste Gewißheit, mit der man vor wenig Augenblicken Sachen glaubte, -die man jetzt für unmöglich hält. - -„Nein, -- so fing meine Seele an, sich wieder zu erheben -- nein, die -Freundschaft kann in einer edlen Seele niemals ohne Grund entstehen; --- und wenn sie einmal die Vernunft gebilligt hat -- kann sie alsdann -in derselben erlöschen? Diese falsche Demuth, mit der du dich selbst -erniedrigst, würde das Urtheil und die Wahl deiner Freundin verunehren. -Ja, du hast Verdienste um sie: die Begierde, ihr alle mögliche Dienste -zu leisten; ein Herz, welches sich fähig fühlt, um ihretwillen große -Schwierigkeiten zu überwinden; ein Gefühl, welches mit dem ihrigen -übereinstimmend und darauf gerichtet ist, sie, und wenn es möglich -ist, mit ihr gemeinschaftlich alle Menschen glücklich zu machen; -- -dieß sind die einzigen Verdienste, die die Freundschaft verlangt, und -mit denen sie sich beruhigt. -- Und nun, dieses festgesetzt, warum -sollte dich ein Brief beunruhigen, der an sich voll von Gütigkeit, --- nur deswegen dir nicht genug thut, weil er deinen Erwartungen -nicht entspricht? Du erwartetest von ihr Rath, Beyfall, Ermunterung; -du erhieltest dafür nur Versicherungen ihrer Freundschaft und ihres -Wunsches, dich wieder zu sehn. Würden diese dich nicht in einer jeden -andern Gemüthsverfassung, nur nicht in der, in welcher du warst, -zufrieden gestellt haben? -- Und du hast ihr einen Brief schreiben -können, der, wenn sie wirklich das wäre, was du argwöhnst, sie unwillig -machen; und wenn sie das ist, was du wünschest, sie kränken muß.“ -- - -Wie hätte ich in diesem Augenblicke den mit Vergnügen empfangen, der -mir diesen Brief wieder gebracht hätte! -- Sehen Sie, so bin ich -gestraft worden, noch ehe Sie es wünschen konnten, daß ich gestraft -würde. -- Aber da ich nicht das Ganze rechtfertigen kann, so muß -ich wenigstens einen Theil entschuldigen, -- wenigstens den Theil, -wo ich wünschte, mehr von Ihren Umständen zu wissen. -- In der That -ist das, was ich dabey dachte, was ich mir noch jetzo dabey denke, -nur dunkel, und es wird mir schwer, es auszudrücken, -- aber doch -empfinde ich, daß es etwas Wirkliches ist. -- Sehen Sie, mitten -unter diesen angenehmen Kreis von Vergnügen und Beschäftigungen, -die Ihre unschuldigen Tage ausfüllen, stehlen sich nicht oft kleine -Gelegenheiten und Ursachen zur Bekümmerniß, zur Sorge, zur Betrübniß, -zur Freude, zur Hoffnung? Kleine vorübergehende Wolken, die unsern -Himmel auf eine kurze Zeit verfinstern; unvorhergesehene kleine -Stürme, die uns von dem ordentlichen Laufe unsers Lebens auf einige -Augenblicke verschlagen; -- dann wieder auf einmal ein lächelndes, -schönes Ufer, eine unerwartete Aussicht, die die Krümmung des Stroms, -auf dem wir fuhren, uns verborgen gehalten hatte. -- So sehe ich Sie -vielleicht den einen Tag, bey einer kleinen Blässe, die Sie auf dem -Gesichte Ihrer Wilhelmine bemerken, oder bey einer kleinen Verminderung -ihrer gewöhnlichen Munterkeit, -- in eine ganze Reihe von sorgsamen -und traurigen Betrachtungen gerathen, die selbst die Vergnügungen -dieses Tages mit einem gewissen Nebel überziehn; und dann schweben -dunkle Bilder, wie die eines schwermüthigen Traums, auf dem Grunde -der Seele. Den andern empfing Sie vielleicht Ihre liebe Tochter mit -einem freudigen Lächeln, vielleicht erwiederte sie auf eine mehr als -gewöhnliche Art Ihre mütterliche Zärtlichkeit, und zeigte Ihnen von -fern die Belohnungen Ihrer Sorgfalt, in den süßen Ergießungen einer -kindlichen Dankbarkeit; vielleicht blickten durch ihre Bewegungen -oder durch ihre noch unartikulirte Sprache die ersten Strahlen der -aufgehenden Vernunft; -- und dieser Eindruck stimmte die Seele für -diesen Tag zu lauter angenehmen Bewegungen; -- dann wieder eine -zärtlichere Liebkosung von Ihrem Gemahl; ein unerwartetes Merkmal von -der Hochachtung eines Freundes; -- eine auffallende und mit Ihren Ideen -recht übereinstimmende Betrachtung eines Ihrer Schriftsteller; eine -glücklich ausgeführte Arbeit, -- ein vollbrachtes Werk des Wohlthuns -und der Menschenliebe: -- auf der andern Seite eine kaltsinnigere oder -eine zerstreutere Miene auf dem Gesichte Ihres Mannes; eine kleine -Uneinigkeit in Ihren Meinungen; selbst das Mißvergnügen über eine -Handlung, die man wünschte ändern zu können, weil sie unsern Absichten -und unserm Plane nicht vollkommen gemäß gewesen ist; -- alles das -ist es, was ich oft von Ihnen zu wissen wünschte, -- und wobey sich -mein ganzes Herz bewegen würde, wenn ich es von Ihnen hörte. -- O -Freundschaft, wenn deine geheiligten Bande zwey tugendhafte Seelen so -mit einander verbinden, daß alle Empfindungen und Gedanken der einen -in die andre übergehen, -- dann verdoppeln sich ihre Kräfte, Gutes zu -thun; ihre tugendhaften Regungen werden zu Entschlüssen; ihre Fehler -werden ihre Lehrer; und jede fliegt mit der zusammengesetzten Kraft -und Geschwindigkeit von beyden ihrem großen Ziele zu. Mein Herz ist zu -voll. Ich kann nicht mehr schreiben. -- - -Ich habe Zeit gehabt, mich von meinem Enthusiasmus wieder zu erholen. -Die älteste Tochter des D. Tralles ist den Augenblick bey uns gewesen, -und hat einen Brief von ihm aus Leipzig gebracht. Er hat bey O... -gewohnt. Professor Gellert hat ihn mit einer ungemeinen Freundschaft -aufgenommen; er hat ihm selbst wieder in dem O...schen Hause die -Gegenvisite gemacht. D. Ludwig hat seinen alten Freund erkannt, -- und -alle haben sich um die Wette bestrebt, ihm seinen kurzen Aufenthalt -angenehm zu machen. Er ist mit Leipzig und seinen Einwohnern so wohl -zufrieden, daß er ihnen beynahe auf unsre Unkosten Lobsprüche macht, -und sie ehrt, indem er seine Breßlauischen Freunde herunter setzt. Mir -ist bey dieser Begebenheit vorzüglich lieb, daß er mit der Aufnahme -Gellerts vergnügt gewesen ist. Ich habe dadurch ein kleines Verdienst -um Tralles, und einen Beweis von der Gewogenheit Gellerts. - -Aber daß ich von Klöber noch keine Antwort habe, daß ich noch immer in -derselben Ungewißheit bin, in der ich meinen letzten Brief schrieb; -daß ich gestern, da nach Klöbers Vermuthung die entscheidende Antwort -vom Minister (der auf seinen Gütern ist) kommen sollte, gar nichts, -weder von ihm noch dem Minister, gehört habe: alles das ist mir höchst -verdrießlich, und bringt meine Seele in eine gewisse ungeduldige -Bewegung, die sie zu wenig Sachen geschickt läßt. -- Ich erhalte aber -vielleicht noch diese Woche die Antwort -- und dann will ich -- nicht -zur Strafe -- sondern zum Ersatz der unruhigen Stunden, die mich -Ihr und mein neulicher Brief gekostet hat, Ihnen auf den Sonnabend -schreiben. Alsdann sollen Sie zugleich etwas von meiner jetzigen -Lektüre hören. Denken Sie nur, ich lese die ~Fairy Queen~ von Spencer, -einem Dichter, ohne den Milton vielleicht nicht gewesen seyn würde. --- Ich habe nicht geglaubt, ihn in Breßlau zu bekommen; aber es sind -einige sehr vollständige Englische Bibliotheken hier. Leben Sie wohl -u. s. w. - - - - -Ein und zwanzigster Brief. - - - Den 4. Oktober. - -So wenig steht es oft in unsrer Gewalt, unsre Wünsche, oder auch unsre -Versprechen zu erfüllen! Dieses kurzsichtige Ding, die Seele, macht -immer Entwürfe, ohne die Hindernisse eher zu bemerken, bis sie von -ihnen gestört wird; dann springt sie plötzlich auf, sieht um sich herum -nach Hülfsmitteln, findet keine, und überläßt sich endlich einem trägen -und unthätigen Mißvergnügen. Ungefähr dieß ist die Geschichte des -Briefes, den ich an Sie schreiben wollte, und den ich nicht geschrieben -habe. - -Danken Sie es meiner Bescheidenheit, daß ich Ihnen die Erzählung -aller der kleinen Störungen und Geschäfte erspare, die jede für sich -nichtswürdig, doch zusammen genommen zum Herrn meiner ganzen Zeit -wurden. Ich werde mich nun hüten, Ihnen so bald wieder einen Brief -außer den gewöhnlichen zu versprechen. Denn nichts ist verdrießlicher, -als eine erregte Erwartung nicht befriedigen. Aber ich werde desto -aufmerksamer seyn, die Augenblicke ausfindig zu machen, wo ich, ohne -mich vorher angemeldet zu haben, bey meiner Freundin einen unerwarteten -Besuch machen kann. - -Nun kommt Ihr Brief. -- O Sie haben also auf den meinigen gewartet! -Jetzt komme ich mir nicht bloß unglücklich, sondern strafbar vor. Ich -weiß, wie mir es seyn würde, hätten Sie mir ein ähnliches Versprechen -gethan, ohne es zu halten. Lassen Sie mich geschwind von dieser -unangenehmen Erinnerung wegeilen. Der Himmel wird schon heiter, der Weg -gut und die Luft kalt, um Pferd und Postillion hurtig zu machen, und -meinen Brief so geschwind als möglich zu Ihnen zu bringen. - -Außerdem muß ich Ihnen sagen, daß ich jetzo nicht bloß ruhiger, sondern -auch vergnügter bin, als seit einigen Wochen. Vorgestern erhielt ich -einen Brief von Klöber. Die Sache mag wohl ungefähr so seyn, wie ich -vermuthete. Unterdessen weiß Klöber so wenig davon, als ich. So viel -hat er nur durch die dritte Hand gehört, daß in dem Plane des jungen -Herrn Veränderungen gemacht wären, daß er nach Frankfurt an der Oder -gehen sollte, wo ihn schon sein Gouverneur erwartete. Dieser Brief -bestätigt mein Urtheil über das Herz des Herrn von Klöber, denn in -Ansehung seines Verstandes ist es ohnedieß schon ausgemacht. Mich -dünkt, dieser Mann ist zu einer wahren Freundschaft gemacht. Er ist mit -den Großen umgegangen, ohne ihre Denkungsart anzunehmen, und ehrt die -Rechte der Menschlichkeit mehr, als alle die Unterscheidungen, die der -Stolz oder die Sklaverey eingeführt haben. Er liebt die Engländer, und -sein Charakter nähert sich wirklich dem ihrigen. Ich bin zufrieden, daß -ich jetzo einen würdigen Mann mehr kenne, und seine Freundschaft ist -für mich eine größere Akquisition, als eines Ministers Gnade. -- - --- Das ist also die Ursache meiner Zufriedenheit. Aber das ist doch -noch nicht Vergnügen. -- So wissen Sie denn also, daß der Himmel will, -Sie sollen in die meisten meiner Vergnügen einen gewissen stillen aber -wirksamen Einfluß haben. Eine gewisse Beziehung auf Sie macht eine -Sache angenehm, die mir sonst gleichgültig wäre, und vermehrt den Werth -einer andern. -- - -Vor zwey Tagen tritt Herr von Grischanowsky, ein Russischer Kavalier, -der, mit einem Griechischen Popen zum Hofmeister, in Leipzig studirte, -in mein Zimmer. Sie müssen ihn ohne Zweifel wenigstens vom Fenster aus -gekannt haben. Ich bin zuweilen mit ihm in Gesellschaft gewesen; und -da mir Ebert seine Lernbegierde und seinen Fleiß rühmte, und an ihm -selbst mir seine natürliche Offenherzigkeit gefiel, so war mir sein -Umgang nicht ganz unangenehm, ob gleich zu einem guten Gesellschafter -sein Kopf noch zu leer und seine Zunge zu ungebildet ist. -- Diesen -ruft nun sein Vater, Gouverneur der Russischen Ukräne, zurück. Er reist -hier durch, und wird sich acht Tage hier aufhalten. Ein Bekannter -also, der vor wenig Tagen erst aus Leipzig kommt, der mit Ihnen auf -derselben Straße gewohnt hat, der Sie vielleicht gesehen hat, ohne Sie -zu kennen; der außerdem ein Schüler und ein Freund meines guten Eberts -ist; ein solcher Mensch, wenn er nur halb so gut wäre, wie der Herr von -Grischanowsky, muß mir ohne Zweifel sehr willkommen seyn. Er brachte -mir außerdem noch einen Brief von Ebert, worin dieser mich bittet, -seinem Freunde den Aufenthalt hier, so viel ich könnte, angenehm zu -machen. Ich habe nun nach meiner Art Anstalten dazu gemacht. Heute -Nachmittag kommt er zu mir, und da er die Flöte recht hübsch spielt, -so werden wir zusammen ein kleines Duett machen. Nach drey Uhr führe -ich ihn auf die beste unsrer Bibliotheken, und morgen zu Mittag ist -meine Mutter auf mein Verlangen so gütig gewesen, und hat eine kleine -Gesellschaft zum Essen gebeten, die sich ungefähr zur Gesellschaft des -jungen Herrn und seines Hofmeisters schicken wird. Zum Glück ist unter -meinen Verwandten ein Mann, der ehemals in Russischen Diensten als -Officier gestanden hat, der bis zu den äußersten Gränzen des Russischen -Reichs gegen China, den Nordpol und die Türkey gekommen ist, der -selbst Russisch spricht, und eine große Kenntniß von diesem Reiche und -seinen Einwohnern, und also natürlicher Weise (weil wir doch das, was -wir uns die Mühe gegeben haben, zu untersuchen, auch unfehlbar lieben) -auch viel Neigung für sie hat. Er ist jetzo Bau-Direktor von unsrer -Stadt, ein Mann von einer vollkommenen Kenntniß seiner Wissenschaft, -von einer sehr guten Einsicht in die Mathematik, und von einer -ausgebreiteten Erfahrung. Diesen werde ich zur Gesellschaft des jungen -Herrn bestimmen. - -Für den Popen ist ein hiesiger Geistlicher, Herr ***, der ein recht -guter Gesellschafter seyn würde, wenn er seinen Kanzelton ablegen -könnte. Wenigstens hat er doch Neubegierde genug, sich von einem -Fremden recht viel erzählen zu lassen; -- und das ist immer schon ein -großes Verdienst. -- Den Nachmittag wollen wir alsdann, wenn das Wetter -günstig ist, in einem Garten zubringen, und dann des Abends wieder ein -kleines Koncert machen. - -Kleinigkeiten von der Art würde ich sonst an keinen andern Menschen -schreiben. Aber weil wir doch in so viel Stücken ähnlich denken, -so werden wir vielleicht auch noch darin übereinstimmen, daß diese -kleinen Umstände uns am meisten in den Stand setzen, bey unserm Freunde -gegenwärtig zu seyn; und das ist immer für ein Herz, wie das unsrige, -wichtig. - -Noch ist ein andrer von meinen Bekannten aus Leipzig, und noch dazu -mein Landsmann, obgleich aus dem entferntesten Winkel von Schlesien, -Herr von P****, angekommen. Er hat nach mir gefragt, und hat mich noch -nicht gefunden. Auch ich muß ihn sprechen, um alle Gelegenheit zu -nutzen, mich an die vergangene Zeit zu erinnern. Diese Besuche nehmen -mir einen großen Theil meiner Zeit weg, ob ich gleich außerdem nicht so -viel davon übrig habe. Von zehn bis zwölf habe ich meine Vorlesungen -mit dem Herrn v. K*** angefangen. Eine Stunde ist für die Philosophie, -die zweyte für die Römer und Griechen. Ich werde Ihnen künftig einmal -meinen Plan schreiben, nach dem ich das Studium der Philosophie -einrichten würde, wenn ich ganz Herr von der Einrichtung der Erziehung -eines jungen Menschen wäre. -- - -Jetzo muß ich auf Ihren Brief kommen. Daß Weise an mich gedacht und -von mir vortheilhaft gesprochen hat, ist mir lieb. Aber daß er nicht -schreibt, ist mir unbegreiflich. Ich habe ihm vor ungefähr 5 Wochen -einige Beyträge, die er selbst in vielen Briefen so gütig war, von -mir zu verlangen, geschickt. Ich habe ihm nach der Zeit noch ein Mal -geschrieben, nachdem ich seine Lieder durchgelesen hatte. Auch dieser -Brief ist schon wieder vierzehn Tage fort, und noch auf keinen eine -Antwort. In dieser Ungewißheit hat mich Ihre kurze Nachricht wirklich -getröstet; besonders da unser Reiz, den ich bat, noch an dem Tage zu -Weisen zu gehn, und mir von ihm Nachricht zu geben, Hindernisse muß -gefunden haben, meine Bitte zu erfüllen. Sagen Sie es doch unserm -Freunde im Vertrauen, daß der Entwurf unsrer Geschäfte nicht richtig -gemacht ist, wenn gar keine Lücken für unsre Freunde darin sind. - -Sie nur, meine geliebte Freundin, Sie allein ersetzen mir den Verlust, -den mir die Arbeitsamkeit oder die Zerstreuung meiner übrigen -Freunde verursacht. Dank sey es der Liebe, die durch Ihre heftigen -Erschütterungen Ihrer Seele zuerst die Weiche, die Empfindlichkeit -und die schnelle Beweglichkeit gegeben hat, die sie jetzt so sehr zur -Freundschaft fähig macht. - -Sie wollen, ich soll über die Liebe philosophiren. Ich wüßte nicht -leicht einen Gegenstand, der reicher und zugleich einnehmender wäre. -Aber heute sollen Sie anstatt meiner Philosophie nur Einen Vers -aus dem ältesten Englischen Dichter, dem Spencer, bekommen, der es -werth ist, daß Sie ihn kennen lernen. Sein Werk ist eine Ariostische -Epopee; noch unordentlicher, wenn es seyn kann. Aber einzelne -Stellen sind ausnehmend schön. Sein Werk besteht aus sieben Büchern, -wovon jedes eine gewisse Tugend unter einer Reihe von allegorischen -Rittergeschichten vorstellt. So fängt er das dritte Buch an, welches -die Keuschheit zum Gegenstande hat: - - ~Most sacred fire, that burnest mightily - In living breasts, ykindled first above, - Amongst th’ eternal spheres, and lamping sky, - And thence pour’d into men, which men call Love; - Not that same, which doth base affections move - In brutish minds, and filthy lust inflame; - But that sweet fit, that doth true beauty love, - And chooseth vertue for his dearest dame, - Whence spring all noble deeds, and never-dying fame.~ - - II. - - ~Well did antiquity a God thee deem, - That over mortal minds hast so great might, - To order them, as best to thee doth seem, - And all their actions to direct aright etc.~ - -Von diesem Gedichte, von der Philosophie der Liebe und von meiner -jetzigen Lektüre werden meine nächsten Briefe handeln, wofern Sie mit -diesen Materien zufrieden sind. Lessings Dramaturgie werden Sie ohne -Zweifel schon gelesen haben. Außerdem müßten Sie nicht einen Augenblick -anstehen; nur müßten Sie suchen, die Stücke, die er beurtheilt, kurz -zuvor durchzulesen u. s. w. - - - - -Zwei und zwanzigster Brief. - - - Breßlau, den 14. Oktober. - -Wie haben Sie es über Ihr freundschaftliches Herz bringen können, mich -heute ohne Briefe zu lassen, da Sie es empfinden mußten, daß ich eines -neuen Zeugnisses Ihrer Freundschaft jetzo am meisten bedürfte? Aber -es ist nun einmal beschlossen, daß ich diese Woche in nichts ruhig -werden soll. Weiter wäre nichts nöthig, um mich auf diese ganze Woche -unglücklich zu machen, als daß sich in dem Innersten meiner Seele ein -kleiner Argwohn erhübe, und mich überredete, Sie wären unwillig, oder -welches mir noch weit unerträglicher wäre, gleichgültig. -- Denn daß -Sie oder einer von Ihren lieben Theuern krank seyn sollten, daran kann -ich gar nicht einmal denken. -- Aber fürchten Sie nichts. Ich arbeite -aus allen Kräften, alle Art von Argwohn bey mir zu zerstören, oder -ihm zuvor zu kommen. Außerdem, daß er unsern Freund beleidigt, und -uns kränkt, ist er noch eine gewisse Folge eines schwachen Geistes. -Ich setze nämlich zum Voraus (und ich bilde mir ein, daß das nichts -ist, als was ausgemacht ist), daß es Stärke des Geistes sey, eine -einmal durch Gründe erlangte Ueberzeugung, auch ohne immer neue und -wiederholte Beweise, in ihrer ersten Zuverlässigkeit zu erhalten, und -sie gegen die Angriffe, die die bloße Einbildungskraft auf sie thut, in -Sicherheit zu stellen. So sehe ich manche Leute an der Religion, oder -an der fortdauernden Existenz unsrer Seele zweifeln, nicht weil sie die -Gründe niemals erkannt, oder falsch gefunden hätten, sondern weil sie -zu schwach sind, vergangene Betrachtungen sich wieder gegenwärtig zu -machen, und weil das Bild von einer gewissen Möglichkeit, daß die Sache -anders seyn könnte, über ehemals gemachte Schlüsse die Oberhand hat. -- -Wie? -- werde ich also zu mir selbst sagen, wenn der Anfall von Argwohn -heftig und gefährlich ist -- sollte mich dieser Brief erst lehren, -daß sie meine Freundin ist? Oder wenn dieses auch ohne ihn schon -ausgemacht war, kann mir alsdenn sein Ausbleiben mehr rauben, als ich -durch seinen Empfang würde bekommen haben? Ich würde wissen, was sie -macht, wie sie meinen Brief aufgenommen, ob sie mir vergeben hat. Das -ist es also, was ich nicht weiß; und ob es gleich immer unangenehm -ist, sich solche Fragen nicht eher als in vier Tagen beantworten zu -können, so ist es doch immer nur ein kleiner Aufschub. -- Und endlich, -konnte nicht mein feindlicher Dämon ihr eben solche Hindernisse in den -Weg gelegt haben, als ich selbst hatte, da ich am Sonnabend schreiben -wollte? Würde ich wünschen, daß sie das Ausbleiben meines versprochenen -Briefes einer andern Ursache als der Unmöglichkeit zuschriebe, ihn zu -schreiben? -- Ich will Ihnen diese Hindernisse erzählen, zuerst um -mich zu zerstreuen, und mich also gegen einen Feind zu sichern, der -aller meiner Entschließungen ungeachtet mich leicht überfallen könnte, -wenn ich unverwandt den ersten Gegenstand ansähe; und zum andern, weil -sie beynahe den wichtigsten Theil meiner Geschichte auf diese Woche -ausmachen. - -Eben da ich im Begriff war, mich zum Schreiben zu setzen, kommt der -Bediente vom Herrn von Klöber, und bittet mich, in einer halben Stunde -zu ihm zu kommen. Es war Vormittags nach zehn. Ich ziehe mich in aller -Geschwindigkeit an, und gehe. -- Hören Sie, sagte er, indem er mich -empfing, der Minister ist gestern Abends unvermuthet angekommen, und -ich soll Sie jetzo den Augenblick zu ihm führen. -- Diese Nachricht war -mir nicht ganz unerwartet; denn da der Minister nicht antwortete, so -wußte ich dieß keiner andern Ursache zuzuschreiben, als daß er selbst -bald von seinen Gütern, wo er sich aufhielt, herein kommen wollte. -Beynahe aber wäre es mir lieber gewesen, ihm zuerst durch Briefe -bekannt zu werden, weil ich weiß, daß eine natürliche Furchtsamkeit, -über die ich nicht Herr bin, mir bey dem ersten Besuche selbst von -Leuten, deren Stand weit unter dem eines Ministers von Schlesien ist, -nicht die völlige Gegenwart des Geistes läßt, ohne die man sich niemals -von einer vortheilhaften Seite zeigen kann. Ueberdieß ist der Anblick -von Hoheit für ein etwas edles Gemüth immer zu demüthigend, als daß -man mit der ganzen Freyheit und Freudigkeit des Geistes handeln könnte, -die allein unsern Reden und Handlungen Anmuth geben kann. Wir gingen -also hin. Die Abwesenheit des Ministers hatte die Geschäfte gehäuft; -wir waren nicht die einzigen, die auf einen Augenblick warteten, wo sie -ihn sprechen könnten. Endlich kam der Minister aus seinem Kabinet, und -ging auf uns zu. Herr von Klöber stellte mich ihm vor. Der Minister -that an mich nichts als die gewöhnlichen Fragen, wer meine Eltern -und meine Verwandten wären, wo ich studirt hätte, wie lange ich hier -wäre; lauter Fragen, die in jedem andern Munde wenig in Verlegenheit -setzen würden, und die doch in dem Munde eines Ministers auf gewisse -Weise niederschlagend seyn können. Ich beantwortete sie so kurz, als -ich konnte; -- aber das hätte ich nicht geglaubt, daß dieß alles seyn -würde; ich hielt sie nur für eine Einleitung zu einem Gespräche, das, -wie ich hoffte, der Hauptsache näher kommen, für den Minister wichtiger -und mir angenehmer seyn würde. Aber in diesem Augenblicke kehrte er -sich zu dem Bedienten, der im Zimmer stand. „Ist der Doktor noch bey -meiner Frau?“ -- „Ja, Ihre Excellenz!“ -- „Nun, so muß ich wohl noch -einen Augenblick zu ihr gehen; kommen Sie nur zu Tische. Sie auch, Herr -v. Klöber.“ -- Und damit war er fort. -- - -Wir kamen also gegen die in diesem Hause gewöhnliche Tischzeit, gegen -zwey Uhr wieder. Die ganze Gesellschaft, die auf diesen Tag eingeladen -war, versammelte sich nach und nach im Vorzimmer. Ich lernte bey dieser -Gelegenheit den Graf Dönhof, einen Kriegsrath, den geheimden Rath -Meinike und noch eine ganze Menge andrer kennen, die größtentheils -Männer von vielem Verstande sind. Der Minister erschien nicht eher als -um halb drey Uhr. So lange hatten ihn seine Geschäfte aufgehalten. -- -In diesem Augenblicke setzten wir uns auch zu Tische. Die Gemahlin des -Ministers und seine noch unverheyrathetete Tochter waren die einzigen -Damen an der Tafel. Die Damen sprachen bloß französisch. Ueberhaupt -waren die Gespräche gleichgültig. Der Minister bestimmte selbst ihren -Gegenstand, und da sie größtentheils Begebenheiten betrafen, die ich -nicht wußte, so war es ganz natürlich, daß ich dabey stumm war. - -Die Tafel dauerte bis 5 Uhr; und so wie der Minister aufstand, so ging -er auch ohne einen Augenblick zu warten, in sein Cabinet zurück, wo -ihn schon wieder eine ganze Menge Leute und Geschäfte erwarteten. Wir -unterhielten uns noch eine kleine Weile in dem Tafelzimmer. Herr von -Klöber sagte endlich, da er sahe, daß die Hoffnung, diesen Nachmittag -bey Sr. Excellenz vorzukommen, vergeblich wäre, daß wir uns beurlauben -wollten, und daß er dem Bedienten aufgetragen hätte, ihn zu rufen, -sobald der Minister nach ihm fragen würde. Von diesem Augenblicke an -nun weiß ich wieder nichts, und die ganze Sache ist noch nicht einen -Schritt weiter. Ich wünschte sie nur entschieden, nur auf irgend eine -Art entschieden zu sehn; denn die Ungewißheit ist unter allen das -schlimmste u. s. w. - - - - -Drey und zwanzigster Brief. - - - Den 28. Oktober. - -Allemal, wenn ich mich niedersetze, an Sie zu schreiben, ist mein -Kopf von Gegenständen, die alle geschrieben seyn wollen, so voll, daß -ich über der Wahl endlich den größten Theil davon vergesse, oder mein -Brief und die Zeit schon zu Ende ist, wenn ich noch kaum über den -ersten Punkt heraus bin. Indem ich alsdann den Brief schließe, und -es empfinde, wie wenig ich Ihnen gesagt habe, und wie viel ich Ihnen -noch zu sagen hätte; so ärgere ich mich über den elenden Ersatz, den -ein kurzer kaum angefangener Brief für den Umgang mit einer solchen -Freundin, wie Sie sind, thun soll. Ich thue mit dem Kinde in Weisens -Liede den Wunsch: - - O wenn ich doch ein Vogel wär, - So schnell und federleicht, - Der über Berg und Thäler hin - Im Augenblicke streicht! - Dann flög’ ich über Land und See, - Durchreiste jeden Ort, - -Wär bald -- wo denn? Gewiß nirgends, oder doch nirgends öfter, als -bey Ihnen. Was für einen kleinen freundschaftlichen Schrecken würde -ich Ihnen nicht abjagen, wenn ich, ehe Sie sich es versähen, den -gegenüberstehenden Stuhl an Ihrem Fenster einnähme, indem Sie an -dem andern sitzen. Ich sehe schon zum Voraus, ich würde kein Wort -vorbringen können, ich würde stammeln, und wenn ich meine Stimme wieder -hätte, so würden es nur gebrochene Laute seyn, die ich vorbrächte. -- - -Weg, angenehme Schwärmerey, die geschwind genug meine Einbildungskraft -ganz anfüllen, und dann aus meinem Briefe alle wichtigere Gegenstände -verdrängen könnte! -- Nun habe ich mir in meinem Kopfe gewisse Punkte -geordnet, unter welche dieser Brief gebracht werden soll. Aber ich sage -sie Ihnen nicht zuvor, bis ich erst sehe, wie viel ich davon zu Stande -bringe. Sage ich jetzo nur wenig, so können Sie immer glauben, ich -habe nicht mehr schreiben wollen, da Sie sonst hätten denken müssen, -ich hätte nicht mehr schreiben können. Also zur Sache: - -Zuerst fragen Sie mich in Ihrem vorletzten Briefe, ob ich Ihre Briefe -aufhebe? Die Frage würde fast eine kleine Beleidigung seyn, wenn -ich nicht, die Wahrheit zu sagen, ähnliche Beleidigungen auf meiner -Rechnung hätte. Meine Mutter ist die Depositaria davon, so wie von -Ihren Porträts. -- Also wollen Sie diese wirklich wieder haben? Ich bin -in der That so unverschämt gewesen, sie schon für ein halbes Geschenk -anzusehen. Unterdessen, wenn Sie über das Porträt Ihres Gemahls Herr -sind, so sind Sie es doch nicht über das Ihrige. Ich werde Ihnen das -erste zurück schicken, wenn Sie es so befehlen, aber ich werde dadurch -mein Recht auf das andere nur verstärkt glauben. Meine Mutter, die Sie -wahrhaftig liebt, würde an dem Schmerz Theil nehmen, den es mich kosten -würde, dieses kleine Stück von Ihnen selbst aus den Händen zu geben. -Indessen, wenn Sie darauf auch bestünden; so muß ich Ihnen nur sagen, -daß die Gelegenheiten, solche Sachen zu schicken, nicht so häufig sind; -und ich habe immer in meiner Macht, zu sagen, daß ich keine gehabt -habe. Sehen Sie eine andere kleine Beleidigung in Ihrem vorletzten -Briefe, die ich ungeahndet gelassen habe. - -Aber nun auf Ihren jetzigen zu kommen, der so voll von Freundschaft -und gutem Herzen ist, und der mich würde zu Ihrem Freunde gemacht -haben, wenn ich es noch nicht wäre; so muß ich nur Ihre zu große -Demuth ein bischen schelten. Sage nur deiner Freundin, sagte meine -Mutter, indem sie Ihren Brief las: Eine Frau, die eine so edle Freude -an einer guten Handlung haben konnte, als die ist, die sie in ihrem -Briefe erzählt, kann vieler andern Vorzüge entbehren. Glauben Sie -nur, dieses Herz, welches Ihnen der Himmel gegeben hat, ist immer das -größte Geschenk, welches er einem Sterblichen machen kann. Ohne dieses -Herz ist der Verstand ein bloßes blendendes Licht ohne Wärme, und die -Schönheit eine unbedeutende Form. Aber dieses Herz kann der Schönheit -und selbst höherer Einsichten entbehren, und doch immer noch nicht -bloß liebenswürdig sondern verehrungswerth bleiben. Wenn aber diese -glückliche Verbindung zwischen Empfindung und Einsicht, zwischen dem -Kopf und dem Herzen vorhanden ist, die ich in meiner Freundin finde und -hochschätze, wenn der eine der Diener ist, die gutthätigen Absichten -des andern auszuführen: dann kann das Glück immer seine übrigen Güter -zurückhalten; die Natur hat ihm schon genug vorgearbeitet, um in jedem -Umstande, in jeder Verfassung, selbst unter den Beunruhigungen, die -eine Folge dieser Eigenschaften sind, die Person selbst glücklich, und -andre zu ihren Verehrern und Freunden zu machen. -- - -Um Sie nun in Ansehung meiner in Ruhe zu stellen, so muß ich Ihnen -sagen, daß, ob ich gleich noch keine Nachricht habe, ich doch die -Sache für entschieden halte, und auch recht zufrieden damit bin, daß -sie entschieden ist. -- Wenn man bey einer Reise in der Nacht lange -Zeit ohne seinen Weg zu sehen, fortgegangen ist, und nicht gewußt hat, -ob man nicht vielleicht in fremden und unwegsamen Wüsten herumirrt; -wenn dann auf einmal ein aufgehender heller Stern uns zeigt, daß wir, -ohne es zu wissen, noch immer auf dem rechten Wege sind, und von einer -unsichtbaren Hand geleitet, unvermerkt dem Ziele unsrer Bestimmung -näher kommen: dieser Freude ist diejenige gleich, die man fühlt, -wenn man mitten unter dem Zusammenlauf mannichfaliger und uns oft -unangenehmer Begebenheiten einen einzigen fortgehenden Plan erblickt, -der mitten unter diesen verschlungnen Irrgängen immer fortgesetzt -worden ist, und durch alle die Hindernisse, die uns beunruhigten, nicht -aufgehalten werden konnte. - -Ich kann Ihnen nicht das ganze Räthsel erklären, wie ich zu dieser -Betrachtung komme. In der That aber glaube ich Ursache zu haben, -zufrieden zu seyn, wenn ich dem Minister mißfallen habe u. s. w. - - - - -Vier und zwanzigster Brief. - - - Den 11. November. - -Lassen Sie uns immer einige unsrer Erwartungen fehlschlagen, der -Himmel versorgt uns dafür wieder mit Vergnügen, auf die wir weder -Anspruch noch Hoffnung hatten. So war der Brief, den ich gestern von -ihrem lieben Gemahl, so die zwey Briefe, die ich zu gleicher Zeit -von Herrn Weisen erhielt. Meiner Mutter und mir waren Ihre Briefe, -wenn nicht eben so unerwartet, doch gewiß eben so erwünscht. Alle -so voll von Freundschaft, Liebe, Zärtlichkeit, daß mein Herz in -unaussprechlichen Empfindungen überfloß, und wenn der Geist Kraft -genug hätte, diese Einschränkung des Raums und seine enge Wohnung zu -durchbrechen, wenn er, ohne seinen schweren Gefährten, den Körper, -mitzunehmen, mit ätherischer Leichtigkeit mit seinen Wünschen in -gleicher Geschwindigkeit sich bewegen könnte, so wäre Ihr Wunsch und -der meinige gestern erfüllt, ich hätte Sie alle, alle gesehn; auch ihn, -meinen guten und zu geschäftigen Freund, dem ich für den Brief, den er -an mich schreiben will, gern alle die erlasse, die er nicht geschrieben -hat. Ich danke es Ihnen recht sehr, liebster Freund (ich rede jetzt mit -Ihrem guten Manne), daß Sie für die Erhaltung meiner Freunde -- der -größten Glückseligkeit die ich kenne, -- oder welches eben so viel ist, -für meine Gewißheit, daß ich sie noch besitze, so viel Mühe und Sorge -über sich nehmen. -- - -Weise ist in der That einer von meinen schätzbarsten Freunden, und, -Dank sey es seinem gütigen Herzen, auch von meinen zärtlichsten. Ich -habe zwey lange Briefe von ihm bekommen, die beyde vortrefflich sind, -wenn sie nur nicht gar zu schmeichelhaft für mich wären. Meine Mutter, -die an meiner ganzen Correspondenz Theil nimmt, sorgt immer, meine -Freunde werden mich verderben. Und in der That, ich glaube beynah, ihre -Furcht ist nicht ganz ungegründet. -- Aber nun verderben oder nicht, -so werde ich doch nimmermehr zugeben, daß selbst die übertriebenen -Lobsprüche von Freunden mit Schmeicheleyen einerley wären. Wenn uns -die ersten in einen kleinen Irrthum über unsre Verdienste führen, so -sind sie zuerst selbst darin. Ihr Herz hat zuerst ihrem Verstande den -unschuldigen, und beynahe sagte ich, zur Freundschaft nothwendigen -Betrug gespielt; und hundertmal mehr können sie sagen, als wahr -ist, aber niemals ein Wort mehr als sie denken. Da fängt erst die -Schmeicheley an, wo der Ausdruck größer ist als die Gesinnung, und -unser Verstand den Werth des andern richtiger bestimmt, als unsre -Worte. -- - -Der eine Brief von Weisen war schon längst vorher geschrieben, und war -mit einem kleinen Geschenk von Büchern, das er mir bestimmte, einem -hiesigen Buchhändler übergeben worden, der eben erst gestern ankommen -mußte; der andre kam mit der Post, und den habe ich vielleicht zum -Theil Ihnen zu danken. - -Darf ich Ihnen nun wohl noch erst sagen, daß gestern einer von meinen -angenehmsten Tagen gewesen ist, oder vielmehr Stunden, -- denn eine -von den größten Sonderheiten, ich weiß nicht ob der menschlichen -Natur oder der meinigen (leider vermischen sich diese beyde nur gar -zu oft in den Augen des Beobachters; aber genug, ich empfinde sie, -diese Sonderheit, und wie ich sie empfinde, so will ich sie Ihnen -ausdrücken; vielleicht entdecken wir wieder einen neuen Punkt, wo unsre -beyden Seelen an einander gränzen); und die seltsamste Wirkung des -Vergnügens ist gewiß Schwermuth; und demungeachtet ist es bey mir die -gewöhnlichste, wofern das Vergnügen nur mehr empfindlich als rauschend -ist. Wenn meine Seele nach der Befriedigung gewisser Begierden -geschmachtet hat, und sich diese ihr endlich mit einemmale anbietet; -so weigert sich die Seele gleichsam einen Augenblick, dieselbe -anzunehmen; sie entzieht sich dem Genusse eines Vergnügens, das sie -für zu schmeichelhaft hält, als daß sie sich gleich überzeugen könnte, -daß es für sie wirklich bestimmt ist, und das Herz verschließt sich -vor den Eindrücken, die es doch so sehnlich erwartete. Nach und nach, -wenn die erste Bestürzung vorüber ist, wenn sich die angenehmen Bilder -in der Einbildungskraft anhäufen, wenn die wiederholten, aber sanften -Schläge des Vergnügens diese muthwillige Unempfindlichkeit überwunden -haben, öffnet sich das Herz wieder; die Empfindungen strömen von allen -Seiten zu und erfüllen es; die Bewegungen werden lebhafter, das Gesicht -heitrer; unsre ganze Seele bekommt eine Art einer neuen Existenz, und -diese Empfindung von der Verdoppelung ihrer Kräfte verbindet sich noch -mit den Eindrücken des Vergnügens, um diesen glückseligen Zustand eine -Zeitlang zu erhalten. - -Wer in diesen Augenblicken die Gabe zu gefallen, wenn sie auch ihm -sonst fehlt, nicht durch die Zauberkraft des Vergnügens erhält, der mag -es nur aufgeben, jemals zu gefallen. In der That ist ein von Vergnügen -durchdrungnes Herz schon an sich der angenehmste Gegenstand für den -Zuschauer; und außerdem hat der Mensch niemals mehr, als in diesen -Zeiten, seine eignen Talente zu seinem Gebote; seine Ideen werden -lebhafter, seine Einfälle gelingen, sein Witz verliert den Zwang und -die Steife; und alles, was er sagt, bekommt durch die harmonischen -Züge, mit denen sein Gesicht es bekräftigt, und durch eine gewisse -lebhafte und doch anständige Bewegung, mit dem es begleitet wird, mehr -Kraft und mehr Anmuth. - -O wenn diese glücklichen Augenblicke fortdauern könnten! Ich habe von -der Macht des Vergnügens so große Ideen, daß ich glaube, es könnte -Trägheit in Feuer, und Dummheit in Witz verwandeln, wenn wir erst die -Kunst erfunden hätten, es dauernd zu machen. -- Aber so verzehrt sich -die Freude, wie eine Flamme, durch ihre eigne Stärke. -- Die Spannung -der Kräfte, ohne welche sie nicht entstehen würde, bereitet schon die -Erschlaffung vor, mit der zugleich die Schwermuth zurück kehrt; der -Genuß erfordert eine gewisse Anstrengung, die wir nicht gewahr werden, -weil sie angenehm ist, und die uns erst die darauf folgende Erschöpfung -entdeckt; und durch eine unausbleibliche Rückkehr, die ein Gesetz der -ganzen Natur ist, sinkt die Seele eben so tief unter ihre gewöhnliche -Höhe, als sie sich über dieselbe erhoben hatte. - -Ich sehe, ich verliere mich in einer Art von Philosophie, die für -mich alle Mal gefährlich ist. Ich grüble vielleicht gar zu gern über -meine eignen Empfindungen, und oft verliert sich mir der Gegenstand -aus dem Gesichte, indem ich seine Wirkungen aufsuchen will. -- Was -ich eigentlich zu sagen vorhatte, ist dieß. Eine so große Anzahl von -Beweisen der Zärtlichkeit und Freundschaft der würdigsten Personen -hatten meiner Seele eine gewisse Selbstzufriedenheit gegeben, die nicht -Eitelkeit, -- aber doch höchst süß ist. Aber eben diese verlor sich mir -unter der Hand, als ich sie eben erst bemerkte. Auf sie folgte eine -gewisse Furcht, daß einmal eine Zeit kommen könnte, wo diese Freunde -von mir richtiger oder strenger urtheilten; eine Art von Kummer, wie -ich so vortheilhaften Meinungen und so günstigen Erwartungen, die sie -von mir hätten, ein Gnüge leisten könnte. -- Ich schien mir unter -einer Art von Verbindlichkeit zu erliegen, die mir ihre Gütigkeit -auferlegt hatte, und indem ich mein eignes nichtsbedeutendes Selbst -mit dem vergrößerten und geschmeichelten Bilde verglich, welches sie -als ähnlich mit mir annehmen; so wurde mir angst, daß ein solcher -Irrthum einmal vielleicht aufgehoben werden, und irgendwo ein solcher -unglücklicher Brunnen seyn möchte, wie ihn Ariost beschreibt, der, -wenn man ihn kostet, alle Verblendungen der Liebe heilt, und dem -bloßen kalten Verstande alle seine Freyheit zurück giebt, zu prüfen. -Dieser Wunsch, meinen Freunden zu zeigen, daß ich ihrer nicht unwürdig -sey, mit der Unmöglichkeit, die ich vor mir zu sehen glaubte, ihn zu -befriedigen, brachte eine Art von Aengstlichkeit in mich, die endlich, -ohne ihren Gegenstand zu wissen, nach etwas suchte, was mir fehlte, und -was sie doch nicht finden konnte. - -Sehen Sie nun, würde eine andre Freundin, gegen die Schwachheiten -ihres Freundes weniger nachsichtig als Sie, eine solche Anatomie -seiner eignen Thorheiten ertragen; besonders wenn ich darüber das -vergesse, was Sie eigentlich von mir wissen wollten, und was ich auch -zu schreiben im Sinne hatte? -- Herr von Grischanowsky ist beynahe -alle Tage bey uns, wenigstens eine oder zwey Stunden. Meine Mutter ist -ihm seines wirklich guten Herzens wegen recht gut worden. In der That -habe ich in ihm noch weit edlere Gesinnungen entdeckt, als ich selbst -in Leipzig in ihm kannte. -- Aber sein Hofmeister -- ob er gelehrt -ist, das mag er selbst am besten wissen, -- aber daß er höchst grob, -unempfindlich gegen alle Höflichkeit, bäurisch stolz, und ohne alle -Annehmlichkeit im Umgange ist, das wissen wir leider alle, die wir ihn -in unsrer Gesellschaft gehabt haben. Jetzo bitte ich nur immer den -jungen Herrn ohne ihn u. s. w. - - - - -Fünf und zwanzigster Brief. - - - Den 18. November. - -O wenn Sie wüßten, was mich Ihr Brief für einen traurigen Tag gekostet -hat, Sie würden ihn nicht geschrieben haben, oder Sie schrieben -heute einen zweyten, um ihn zu widerrufen! Aber gewiß, gewiß, Sie -werden keinen schreiben. -- Ich lese ihn wieder, Ihren Brief, und er -beunruhigt mich noch mehr. Ich sollte weniger zärtlich gegen Sie seyn, --- ich sollte mich dem Brunnen des Ariosts nähern, +von dem einige -Freunde vielleicht schon getrunken haben+. Wer sind diese Freunde? --- Setzen Sie einmal (um einen Satz, den ich nur in Absicht auf mich -wahr hielt, auf die Freundschaft überhaupt auszudehnen), setzen Sie, -daß eine Art von Uebertreibung dazu gehöre, um den Grad von Liebe -hervor zu bringen, ohne den die Freundschaft kalt und die Ehe in -kurzem beschwerlich ist; setzen Sie, daß unsre Einbildungskraft die -Vollkommenheiten unsers Lieblings vergrößern müsse, wenn sie das Herz -mit der gehörigen Stärke treffen sollen; setzen Sie dieß alles: so -behaupte ich doch, daß selbst diese Verblendung Größe des Geistes -voraus setze, und daß es Stärke des Geistes sey, sie zu erhalten. -Achten Sie also ja nicht meine Theorie für so gefährlich, daß sie den -Kaltsinn für eine natürliche Folge der Ueberlegung erklären sollte. -Wenn er eine beständige Eigenschaft unsers Herzens ist, so ist es -Kleinheit, und folgt er auf einen feurigen Anfang, so ist es Schwäche -der Seele. -- Sie hatten neulich eine Philosophie der Liebe von mir -verlangt. Hier sind einige kleine Züge davon, auf die mich diese -Betrachtungen natürlicher Weise leiten. - -Man kann immer sicher vermuthen, daß in den Meinungen etwas Wahres -sey, die allgemein von den Menschen angenommen werden; und die in den -rohesten Zeiten zuerst. Die Wirkung der Natur, und die Gesinnungen, -die unmittelbar durch den Einfluß der Dinge um uns herum hervor -gebracht werden, erkennt man am besten in den Epoquen, wo wenig andre -Principien der menschlichen Gedanken vorhanden sind. Nun in diesen -Zeiten war Tapferkeit und Liebe die größte Tugend der Männer, und -Keuschheit, oder mit einem andern Worte, Beständigkeit und Treue das -einzige Verdienst der Frauen. Die Rittergeschichten, so ausschweifend -sie sind, vergnügen mich demungeachtet um dieser richtigen und mit der -Natur harmonirenden Grundsätze willen, die allenthalben durchblicken, -und ohne die selbst diese Ausschweifungen nicht Statt gehabt hätten. -- -Wenn die Philosophie sich nun damit bemengt, den Grund dieser Gesinnung -zu erklären, so kann es seyn, sie geräth auf falsche Ursachen; der -Zusammenhang dieser Leidenschaft mit den wesentlichen Vollkommenheiten -des Menschen kann vielleicht durch eine ganz andre Kette gehen, als die -ich einsehe; -- aber sie thut demungeachtet ihr eigentliches Werk, sie -ist in ihrem Berufe. Denn wozu soll Philosophie, wenn sie nicht die -Meinungen und Neigungen, die die Seele einnehmen, ohne daß sie weiß, -woher sie sie hat, als Phänomene behandelt, deren Ursprung gefunden -werden soll? Meine Erklärung ist diese. - -Jede unsrer Ideen ist nach einem gewissen Eindrucke gebildet, den die -Empfindung zuerst in unsrer Seele hervor gebracht hat. Diese Eindrücke -zergliedern, zusammen setzen, anders ordnen, als sie zuerst in die -Seele gekommen sind, das ist alles, was die Seele damit thun kann. -Ideen, deren Theile nicht ursprünglich sinnliche Eindrücke wären, sind -unmöglich. Der Umfang, die Lebhaftigkeit, kurz alle Vollkommenheiten -unsrer Ideen (und diese machen doch wohl den eigentlichen Vorzug des -denkenden Wesens aus) hängen von der Beschaffenheit dieser ersten -Impressionen ab. Sind die Gepräge, die die Gegenstände in unsrer Seele -abdrücken, richtig und vollständig, so werden ihre Kombinationen -ebenfalls richtig seyn, und der Kopf wird helle; sind sie tief und -stark, so werden ihre Kombinationen lebhaft und eindringend, und der -Geist wird schön. Die Kraft zu empfinden ist also die vornehmste -Fähigkeit der Seele, nach deren Größe sich die übrigen richten. Sie -verschafft die Materialien, aus welchen die übrigen bauen; sie bemahlt -zuerst die leere Fläche der Seele mit den Bildern, aus denen die -übrigen auf eben die Art neue machen, wie Apelles seine Venus aus den -schönsten Theilen der Mädchen von Gnidus zusammen setzte. Die Größe -der Seele besteht in der Fähigkeit, viele und große Eindrücke auf -einmal zu bekommen, und sie ohne Verwirrung zu erhalten. Die Stärke der -Seele, in der Fähigkeit, einmal empfangene Eindrücke nicht durch den -beständigen Zufluß von neuem verlöschen zu lassen, sondern sie gegen -das unaufhörliche Reiben neuer Ideen unverletzt zu erhalten. -- - -Sie sehen schon, wie nahe wir zu Ihrer Lieblings-Leidenschaft gekommen -sind. Eben dieselbe Lebhaftigkeit, dasselbe Feuer der Impression, durch -welche große Geister gebildet und große Unternehmungen vorbereitet -werden, bringt diese reizende Tochter, die Liebe, hervor, wenn -die Vollkommenheiten eines andern denkenden Wesens der Gegenstand -sind. Eben diese Dauer, dieses Anhalten der Impression, welche dem -Mathematiker die langwierigsten Untersuchungen zu Ende bringen -hilft, und die weitaussehendsten Entwürfe durch alle Hindernisse und -Schwierigkeiten verfolgt, bringt die Treue in der Freundschaft, und -die Beständigkeit in der Liebe hervor. Wenn sich nun noch mit der -Empfindung, welche Vollkommenheit und Schönheit erregen (und das ist -alles, was bey der Freundschaft nothwendig ist), noch diese süße -Wallung, dieses Gefühl von Lust verbindet, die das Eigenthum der Liebe -ist; wenn der Körper, sonst ein Störer unsrer geistigen Vergnügungen, -sie hier unterstützt, und seinem edlern Theile zu neuen Quellen von -Empfindungen verhilft: dann steigt vom Himmel diese ehrwürdige Göttin -herab, und knüpft zwey menschliche Wesen mit unauflöslichen Banden -an einander; dann weist sie jedem von ihnen als den vornehmsten -Gegenstand und die größte Uebung seiner Empfindungskraft, seinen -Geliebten an. Von ihm soll die Seele diese ewig dauernden Einflüsse -bekommen, die ein Beweis und eine Ausübung ihrer eignen Kraft sind. -Durch diese Gewohnheit gestärkt, und durch diese unaufhörliche -Uebung erhöht, soll seine Empfindung sich von da aus über das ganze -Gebiet von Vollkommenheit und Schönheit ausbreiten; sich nach jeder -Tugend, jeder Vortrefflichkeit ausstrecken, dieselbe umfassen, und -durch eine untergeordnete, aber eben so unveränderliche Liebe mit -sich verbinden. -- So wie die allgemeine Menschenliebe durch die -beständige, aber stufenweise Erweiterung der Familienliebe entsteht; -so wird in edlen Seelen die Tugend durch die Liebe geboren. Die in dem -Geliebten koncentrirte Empfindung entwickelt sich, und geht von einer -Vollkommenheit zur andern, die alle zusammen in dem Gegenstande der -Liebe durch ein dunkles Gefühl wahrgenommen wurden. Die Seele erlangt -die Macht, den äußern Dingen und dem Strome ihrer eignen Ideen zu -widerstehn; sie lernt, mitten unter den beständigen Revolutionen, die -der stets veränderte Eindruck der äußern Dinge in unsern Gesinnungen -hervor zu bringen sucht, die Ideen, die ihr wichtig sind, aufrecht zu -erhalten; und so lehrt die Liebe einen verständigen Geist denken, und -ist die Vorbereitung zur Tugend für das Herz u. s. w. - - - - -Sechs und zwanzigster Brief. - - - Den 21. November. - -Noch ist die Sonne nicht über dem Haupte meiner schlafenden Freundin -aufgegangen. Aber ich, von der Freundschaft und der Begierde bey ihnen -Ihnen zu seyn aufgeweckt, empfinde ein weit süßer und höher Vergnügen, -als Sie selbst in den Armen des Schlafs. Unter dem Schirme dieser -stillen und ehrwürdigen Dunkelheit, die noch Ihr Schlafzimmer bedeckt, -kann ich ungestört den angenehmen Schwärmereyen nachhängen, die von -dem Gelärme und den Zerstreuungen des Tages verdrängt werden. Mich -dünkt, ich sehe Sie mit der Miene der Unschuld, und mit einem gewissen -sanften Lächeln, das durch fröhliche Träume hervor gebracht wird, an -der Seite Ihres lieben Gatten. Wenn Ihre tugendhafte Seele, für die -Ruhe und Glückseligkeit erschaffen, zuweilen durch die verdrießlichen -Zufälle des Tages aus sich selbst heraus gerissen, und mit einer -unruhigen Heftigkeit von Gegenstand zu Gegenstand umher getrieben wird, -so kehrt sie doch des Nachts wieder zu sich selbst und zu der Wohnung -der Zufriedenheit und der Ruhe zurück. Der Geist, der des Tages über -oft von seinem Gefährten, dem Körper, Befehle annehmen mußte, wird -nunmehro ganz wieder sein eigen, und bringt unter den Bildern, die -ihm vorher aufgedrungen wurden, jetzo nur die reinsten und schönsten -wieder hervor. O möchten Sie doch beym Erwachen diese muntre und -fröhliche Heiterkeit, diese Erhöhung Ihrer Kräfte, diese wiedererlangte -Leichtigkeit fühlen, die eines solchen Schlafs unausbleibliche -Frucht ist. O möchten doch meine Wünsche über Ihren heutigen Tag den -glücklichen Einfluß haben, daß dieses Licht, welches Sie jetzt zum -ersten Mal erblickt, keine andern, als die Scenen der Liebe, der -Tugend und der Freundschaft erleuchtete. Möchte der Himmel Ihnen heute -manchen Unglücklichen in den Weg führen, dem Sie beystehen, manchen -Rechtschaffenen, dessen Glück Sie befördern können! Möchte Ihre Seele, -wie die Fläche des Meeres an einem stillen Morgen, von keinem Sturme -bewegt, das Bild des Himmels in sich auffangen, und dem betrachtenden -Zuschauer, Ihrem Gemahl oder Ihrem Freunde, in gemildertem aber -unverfälschtem Glanze wieder zurück werfen. Nun gehe ich zu meiner -alten Materie fort. - -Wenn die Metaphysik der Liebe, die in den Französischen Dichtern und -Schriftstellern so häufig ist, ein elender Ersatz für die wirklichen -Ergießungen der Empfindung ist, die wir in der Julie von Shakspeare -oder Rousseau finden; so wäre sie doch immer ein sehr wichtiges Stück -von Psychologie, wenn man nur mehr die Art, wie diese Leidenschaft -entsteht, und die Zusammenstimmung der verschiedenen Fähigkeiten der -Seele, die da seyn muß, wenn sie zu einem gewissen Grade gelangen soll, -erklärte, als alle die kleinen Symptome, die sich bey ihrer Gegenwart -äußern, und die doch so oft nur von der Galanterie erzeugt, und von der -wahren Empfindung, wie von einem zu heftigen Feuer, verzehrt werden. --- Man kann schon daraus, daß diese Leidenschaft so selten ist, und -daß von tausenden, die sich mit einander verbinden, oft nur zwey von -dieser himmlischen Göttin einander zugeführt werden, -- schon daraus -kann man vermuthen, daß diese Eigenschaft, welche die Seele des Feuers -der Empfindung fähig macht, eine eben so seltne Gabe sey, als die, -welche den Verstand zur Hervorbringung neuer Ideen in den Stand setzt. - -Die Geschichte macht gewissen großen Männern, deren Andenken sie -uns aufbehalten hat, eine Schwachheit aus ihrer Liebe. Aber gewiß, -diese Geschichtschreiber waren keine Philosophen; sie verstanden es -nicht, daß eben dieselbe Quelle die beyden Ströme der Empfindung und -der Einsicht ausgießt; daß die Fähigkeit zu großen Leidenschaften -die großen Männer hervor bringt; und daß Heinrich, wenn er in Nacht -und Nebel, in einem Bauerkittel verkleidet, sich mitten durch die -Postirungen und Wachen der Feinde zu seiner geliebten Estrées -schleicht; wenn in dem heftigesten Anfalle körperlicher Schmerzen diese -Emfindung dennoch bey ihm siegt, und er am Rande des Grabes seiner -Estrées noch schreiben konnte: ~Mon premier penser est à Dieu, et le -second à Vous~; eben dieselben Fähigkeiten des Geistes brauchte, durch -die er der große Feldherr und der vortreffliche König wurde. - -Ich habe die Liebe neulich blos als eine Folge von Eindrücken -angesehen, deren Stärke und Dauer zeigt, wie sehr die Seele fähig ist, -lebende und bleibende Bilder der äußern Gegenstände zu empfangen. Aber -die Seele verhält sich nicht blos leidend; es sind nicht Wirkungen, -die nur auf sie geschehen, und denen sie nur nicht widerstehen darf. -Ihre eigne Kraft muß diese Eindrücke beleben, sie fest halten, sie -in diejenige Form bringen, in welcher sie ihren Einfluß noch immer -auf dieselbe fortsetzen, wenn sie gleich selbst ihre erste Stärke -verloren haben. Akenside macht in seinen ~Pleasures of Imagination~ -eine vortreffliche Anmerkung, die für den Moralisten, und ich denke -auch für den Liebhaber, höchst wichtig ist. Gewisse unsrer Pflichten -und unsrer schönsten Neigungen beruhen auf einer Art von Illusion, die -nur durch eine starke und mächtige Einbildungskraft aufrecht erhalten -werden kann. Von der Art ist die Vaterlandsliebe. Der Begriff von -Societät ist viel zu allgemein und abstrakt, und die Bande, mit welchen -wir an diesen Haufen unbekannter und uns gleichgültiger Menschen -geknüpft sind, wären für uns viel zu schwach, um uns Gefahr und Tod für -diese leicht zu machen: wenn nicht die Einbildungskraft an die Stelle -dieser reellen Objekte, die zu groß und zu weit sind, als daß wir sie -mit unsrer Empfindung umfassen könnten, ein gewisses Phantom setze, -welches wir selbst ausschmücken, und unter dessen Bilde wir diese -unsichtbare Gottheit, das Vaterland, anbeten. So erhitzte sich der -Römer bey dem Anblicke seines Senats, des Kapitols oder irgend eines -andern öffentlichen Monuments, das himmelweit von dem wahren Vaterlande -entfernt war, und welches er doch dafür annahm, um seine Empfindung in -eine engere Sphäre zusammen zu drängen, und sie dadurch zu beleben. - -Lassen Sie uns dieses auf die Liebe anwenden. Sie ist, wenn wir sie -zergliedern, das Resultat aus den vereinigten Wirkungen des Vergnügens -an Vortrefflichkeit, der Freundschaft und der sinnlichen Lust. Es -ist augenscheinlich, daß, wenn die Leidenschaft nur aus einer dieser -Quellen entsteht, sie mit derselben zugleich versiegt; und da alle -Arten von sinnlichem Vergnügen vermöge der Natur der Seele abnehmen, so -muß ein Feuer erkalten, welches blos durch sie angezündet war. -- Aber -es giebt eine andere Art von bessern Seelen, die nicht blos wie Silenen -lieben, und die die Venus, die aus dem Schaume des Meeres entstand, von -der himmlischen, die vom Olympus entspringt, und an dem Throne Jupiters -selbst ihren Sitz hat, unterscheiden; ihr Geist liebt in der That, -nicht blos ihr Körper; und demungeachtet werden diese rechtschaffnen -Liebhaber doch kalte Ehemänner. Die Gewohnheit übt über ihre Seelen -ihre gewöhnliche Gewalt aus, und weil ihre Leidenschaft blos durch -die Eindrücke auf sie hervor gebracht wurde, so verlischt sie, so wie -die Zeit ein Stück nach dem andern von diesen Eindrücken verwischt, -und sie zu der gewöhnlichen Stärke aller übrigen Begriffe in unsrer -Seele zurück bringt. Nur eine dritte Gattung von Seelen, die an die -Stelle ihres Freundes oder ihres Geliebten ein gewisses erhöhtes Ideal -setzen; die aus den Vollkommenheiten, die sie wirklich in ihm gewahr -werden, die sie aber noch verschönern, ein Ganzes zusammen setzen, -welches wirklich vollkommner ist, als der Gegenstand selbst; die in -sich selbst beständig eine neue Quelle von Empfindung finden, und in -der Beschauung des Bildes, was sie sich selbst geschaffen haben, und zu -dem ihnen das Original so zu sagen nur die ersten Striche gegeben hat, -sich mit neuem Feuer beleben: diese sind es allein, die der Liebe ihre -Schwingen ausreissen, und das Feuer, das sonst durch den Zufluß neuer -Materie unterhalten werden muß, durch ihr eignes ernähren. - -Ich bin jetzt auf dem Wege, zu zeigen, wie eben diese Kraft der -Imagination, ohne die niemals eine große oder dauerhafte Liebe gewesen -ist, große Männer und vortreffliche Thaten hervor bringt. -- Aber -dieses ist selbst für einen neuen Brief noch zu viel Materie, und man -ruft mich schon ein Mal über das andre u. s. w. - - - - -Sieben und zwanzigster Brief. - - -Ich habe heute einen so heftigen Schnupfen und Kopfschmerzen, daß -nichts in der Welt, als die Begierde, Ihnen auch die kleinste, und -wenn es nur eine minutenlange Unruhe wäre, zu ersparen, mich hätte -bewegen können, die Feder anzusetzen. Demungeachtet habe ich zwey so -liebe werthe Briefe von Ihnen vor mir, die ich beantworten sollte; -und die mir auch Stoff genug geben würden, wenn ich nicht heute zu -allem, als zu einem gänzlichen Müßiggange, unaufgelegt wäre. Wenn Sie -meine Briefe nicht verstehen, so ist es immer gewiß meine Schuld. Ich -bringe oft meine Gedanken zur Welt, ehe sie völlig ausgebildet sind; -und es ist natürlich, daß meine Freunde, wenn ich sie ihnen in diesem -Zustande übergebe, nicht recht wissen, was sie mit diesen ungeformten -Massen machen sollen. Thun Sie an diesen verunglückten Geschöpfen -die Barmherzigkeit, die Sokrates an ähnlichen Geburten seiner Freunde -that; wenn Sie sie nicht gleich bey der Entstehung haben retten können, -so geben Sie ihnen wenigstens, so wie sie da sind, die erträglichste -Figur, die sie machen können. Bilden Sie sie aus, erziehen Sie -sie; und wenn sie es werth sind, so vermählen Sie sie mit den weit -liebenswürdigern Kindern eines so sanften und zarten Herzens, und eines -so richtigen Verstandes, als der Ihrige ist. - -Ich habe diese Materie noch nicht erschöpft. Ich habe mir die Liebe -blos in ihrer Entstehung vorgestellt. Sie sollen nun auch meine -Gedanken über ihre Wirkungen wissen. Ich sehe schon zum Voraus, daß ich -in Gefahr komme, meine Schwäche sehen zu lassen, indem ich vielleicht -mit meinen Beschreibungen bey Ihnen, die es empfinden, nicht schließen, -was Liebe ist, ungefähr in eben den Rang kommen werde, in welchem bey -uns Sehenden der blinde Philosoph steht, der sehr gründlich, wie er -dachte, die rothe Farbe durch den Schall einer Trompete erklärte. -- - -Ich sehe, ich fange an, meinen Kopfschmerz zu vergessen, indem ich mit -Ihnen rede. Wäre der Abgang der Post nicht so nahe, so glaube ich, ich -schriebe vier Seiten voll, ehe ich daran dächte, daß ich nur so viel -Zeilen schreiben wollte. Erzählen Sie mir doch etwas von Ihrer jetzigen -Lektüre u. s. w. - -N. S. Romeo und Julie ist nun gedruckt. -- Aber Sie müssen das Stück -entweder schon gesehen haben, oder es noch sehen, ehe Sie es lesen. - - - - -Acht und zwanzigster Brief. - - - Den 9. December. - -Ich bin jetzo etwas mehr beschäftigt, als sonst; und wenn ich also -jetzt etwas kürzere Briefe schreibe, so ist es doch gewiß wenigstens -mit dem Wunsche, Ihnen längere schreiben zu können. - -Der Freundschaft, so wie der Tugend ist die nächtliche Stille heilig. -Ich ergötzte mich schon sonst an der Vorstellung, daß sich alsdann -vielleicht oft unsre Gedanken und Betrachtungen begegnen, und unsre -Wünsche vereinigt zum Himmel steigen; und jetzt sehe ich, daß ich -Ursache dazu hatte. Ja, liebe Freundin, die Tugend, diese himmlische -Göttin, breitet ihren Glanz auf alles aus, was sie umgiebt; sie -erleuchtet die Freundschaft, und sie erwärmt sie auch; sie verwandelt -die Liebe, die ein blos körperliches Bedürfniß ist, in die edelste -und erhabenste Leidenschaft, deren eine menschliche Seele fähig ist, -und verlängert sie, die sonst mit dem Genusse zugleich unterging, bis -an die letzten Gränzen unsrer Existenz. Durch sie wird die mütterliche -Zärtlichkeit das Glück des menschlichen Geschlechts, und der Grund, -worauf die Wohlfahrt und die Tugend seiner Glieder erbaut wird; sie -endlich macht alle unsre Vergnügungen heilig, und unsre Ergötzungen zu -so viel guten Werken. - -Sie haben ohne Zweifel jetzo Romeo und Julie gelesen oder gesehen. -Wenn ich es eher bedacht hätte, so hätte ich meine ganze Philosophie -ersparen können. Dieses Stück ist der vortrefflichste Kommentar über -die Liebe. Alle Ausdrücke scheinen von dem Hauche dieser Leidenschaft -beseelt; und das heftigste Feuer brennt durch und durch, und greift -selbst die unempfindlichsten Herzen an. -- Aber sagen Sie mir, -wenn Sie es gelesen haben, warum ist die Rührung im dritten Akte -angenehmer, als die heftige Erschütterung im fünften? Ist es nicht, -daß dort Pflicht mit Liebe, Tugend mit Leidenschaft streitet? Die -vortrefflichste Seele ist zwischen der kindlichen und ehelichen -Zärtlichkeit getheilt. Man sieht sie kämpfen, und wenn endlich die -Liebe alle übrigen Empfindungen verschlingt, so ist sie uns doch schon -auf einer so vortrefflichen Seite bekannt, daß wir ihr ihren Entschluß -zum Heldenmuth anrechnen. Im fünften Akte wirkt blos die Situation, -wenig der Charakter. Die Begebenheit auch bey jeden andern Personen -würde eben so traurig seyn. Die beyden Verliebten zeigen nun nichts -mehr als Liebe, mit keiner andern Empfindung, mit keiner Tugend mehr -vermischt. So wie Fluthen des Meeres, wenn sie sich über ein Land -ergießen, die Mannigfaltigkeiten der Natur auf ein Mal verdecken, -und statt tausend verschiedner, ergötzender Gegenstände nur ihre -eigne traurige, allenthalben gleiche und einförmige Fläche dem Auge -darbieten: so löscht in diesen Augenblicken die Liebe jeden andern -Begriff, jedes Gefühl in der Seele aus. Der Begriff von Tugend, den -wir in die Liebe dieser Personen geheftet hatten, und der uns diese -Liebe noch weit schöner macht, verschwindet vollends, da sie sich zu -Ausschweifungen bringen lassen, die der Tugend so durchaus entgegen -sind. Die ganze Scene ist theatralisch vortrefflich. Der Selbstmord mag -nun entweder durch die heftigen Triebfedern, die in dem außerordentlich -Schrecklichen der Begebenheit dazu enthalten sind, bey uns entschuldigt -werden; oder er mag, wie Moses glaubt, gar nothwendig seyn, um uns von -der Größe der Leidenschaft, auf der doch unsre ganze Rührung beruht, -zu überzeugen. Ob ich gleich das letztre nicht recht glaube. Vergebens -wäre der Selbstmord, um uns zu rühren, wenn wir nicht schon zuvor für -die Person eingenommen, und von der Leidenschaft, die sie einnimmt, -ergriffen wären. Aber im Leben wenigstens würde uns ein solches -Schauspiel mehr Schaudern als Vergnügen erwecken. Lieber wünschte ich, -Julien wie Heloisen in einem Kloster zu sehen. Oft würde ich dieses -alsdann besuchen, um durch die dunkeln und einsamen Wohnungen die -durchdringenden aber doch süßen Klagen der Schwermuth, der Liebe und -der Sehnsucht zu hören. Gottseligkeit sollte mit der Liebe kämpfen; und -Julie würde eine Heilige werden. -- - -Einen Theil der Wirkungen der Liebe sehen Sie also in dem Stücke meines -Freundes zugleich mit ihren Symptomen. Freylich nur die schrecklichsten -und die traurigsten. Aber mich dünkt, sie sind doch sehr geschickt, -uns auf die erfreulichen zu führen. Wie schmerzlich sollte es mir -seyn, wenn hier meine Grundsätze von Ihren Empfindungen abwichen. Aber -doch muß ich sie sagen; die Freymüthigkeit, die in dem Gefolge der -Freundschaft ist, und ein gewisser Eifer, den ich in mir selbst fühle, -Ihnen auch alle meine Vorurtheile, so lange ich sie noch für wahr -halte, ohne Verstellung mitzutheilen, fordert es von mir. - -Sie sehen, ich habe schon meine Meinung gesagt. Es giebt, wie ich -glaube, überhaupt bey jeder unsrer Neigungen eine doppelte Seite. Die -eine will blos genießen, sie sucht den Gegenstand nur auf, hält ihn -fest und ergötzt sich an ihm. Die andre bereitet sich den Genuß erst -vor, indem sie den Gegenstand verschönert, vollkommener, besser, und -wenn er dessen fähig ist, glücklicher macht. Diese schiebt den Genuß -auf, um ihn zu erhöhen. Die Leidenschaft hat eigentlich in dem ersten -Theile unsrer Neigung ihren Sitz. Hier gehört weniger Thätigkeit, nur -Empfindung dazu; man empfängt blos, fühlt und genießt. Die Vernunft -stört hier mit ihren Reflexionen die Heftigkeit der Begierde nicht; -sie wird sogar, wenn die Empfindung heftig wird, eine Zeit lang völlig -unthätig, -- alle Spannkräfte der Seele erschlaffen, sie sinkt in eine -bezaubernde, aber deswegen vielleicht oft gefährliche Schwärmerey. --- So war die Liebe der Julie in Romeo größtentheils. Wenn sie von -dem andern Theile abgesondert ist, so geschieht das, dessen ich -oben gedachte. Der Grund der Seele, der sonst mit einer Reihe von -mannigfaltigen schönen und lieblichen Bildern bemahlt war, wird nun mit -einer einzigen einförmigen Farbe überzogen; die Einbildungskraft kennt -nunmehr keine andern Bilder, als die zu diesem Gegenstande gehören; -und der Verstand selbst entzieht sich einer jeden andern Reflexion, -als der, welche die Hitze ernähren oder vermehren kann. Hiervon, wenn -sich ein trauriges Geschick mit einer solchen Leidenschaft verbindet, -erwarte ich alle schrecklichen Folgen, die vom Anfange der Welt her so -oft die Begleiter der Liebe gewesen sind. Ein solches Feuer verzehrt -den Menschen, den es nur erwärmen sollte. -- Zum guten Glück sind -auch dazu nur große Seelen fähig. Aber ist es nicht traurig, daß eben -diese am leichtesten durch eine Leidenschaft überwältigt werden, die -jede andre Kraft, jede Fähigkeit ihrer Seele vernichtet; alle ihre -angebornen und erworbenen Vollkommenheiten verschlingt, oder doch für -nichts als für sie arbeiten läßt; der Tugend selbst nur die Gestalt der -Liebe läßt, und dieselbe zu Boden tritt, sobald sie sich ihr entgegen -setzt. - -Gesetzt aber, daß das glücklichste Ende eine Liebe, die blos von -dieser Art ist, bekrönte. Geben Sie der Julie einen Romeo, der alle -Entzückungen der Liebe mit ihr theilt; versöhnen Sie ihre beyden -Familien mit einander, lassen Sie sie mit dem Beyfalle des Himmels und -ihrer Eltern Eheleute werden. Nehmen Sie der Zeit und dem beständigen -Umgange die Gewalt, die sie sonst über die meisten Herzen haben, die -Heftigkeit der Neigung zu mäßigen, und Feuer in Wärme zu verwandeln, -lassen Sie sie in unaufhörlichen Ergießungen ihrer ersten Liebe ihr -Leben zubringen. -- Glücklich können sie vielleicht dabey seyn, -- aber -nützliche brauchbare Leute gewiß nicht; sie sind alsdann für die Welt -verloren. Und wenn sie das erhabenste Genie und den größten Heldenmuth -hätten, so würden sie mit allen beyden nichts weiter ausrichten, als -die Flamme, die bey andern Menschen aus Mangel der Nahrung auslöscht, -unterhalten; sie würden immer empfinden und genießen, -- aber niemals -thun. - -Doch nun wollen wir diese unvollständige Neigung ergänzen, wollen den -andern weniger eigennützigen Theil hinzusetzen. Wir sehen alsdann in -unserm Gemahle oder Freunde nicht mehr blos ein Gut, das wir genießen -sollen; sondern auch ein Eigenthum, das wir verbessern, erweitern und -vortrefflicher machen wollen. Er ist alsdann nicht mehr ein bloßer -Gegenstand unsers Gefühls, sondern auch unsrer Bemühungen. Dieser Theil -der Neigung muß nothwendig ruhiger und gelassener seyn, und bey nicht -sorgfältigen Beobachtern zuweilen den Schein der Kälte annehmen; -zuerst, weil nach der Natur der Seele jede Neigung, die unmittelbar -mit dem Genusse verknüpft ist, stärker seyn muß, als die, welche erst -durch eine Kette von vielen Gliedern mit dem Genusse zusammen hängt; -zum andern, weil wir alsdann von dem Gegenstande selbst mit unsern -Gedanken und unsern Betrachtungen eine Zeit lang abgehen, und sie auf -unsre Bemühungen, auf die Mittel, die wir zu unserm Zwecke wählen -wollen, und auf die Art und Weise, wie wir sie am geschicktesten -anwenden, richten müssen. Diese Neigung ist thätig, bringt alle Kräfte -der Seele in Bewegung, spannt alle ihre Triebfedern, erweckt alle ihre -Begriffe, und erhöht unsre natürliche Stärke bey jeder Handlung, durch -den neuen Endzweck, den wir bey derselben außer dem Unmittelbaren der -Handlung hinzusetzen. So kann der geschäftigste Mann, aus Liebe zu -seiner Gattin, alle die Arbeiten thun, die ihr seinen Umgang entziehen. -Weit von seiner Geliebten, kann der Jüngling sich unter einen Haufen -gezückter Schwerdter stürzen, oder den brausenden Wellen trotzen, indem -das Bild seiner Geliebten wie eine unsichtbare Göttin um ihn schwebt, -seinen Arm stärker, und seinen Muth unerschrockner macht. -- Dann -lassen Sie auf Mühseligkeit und Arbeiten, selbst auf die Entbehrung, -der man sich aus Liebe unterzogen, eine Stunde des Genusses folgen. -- -Dann lächelt der Himmel selbst über ihre Freuden! u. s. w. - - - - -Neun und zwanzigster Brief. - - -Meine Geschäfte sind kaum von der Erheblichkeit, daß man ihnen diesen -Namen geben kann. Demungeachtet füllen sie meine ganze Zeit aus, -besonders, da ich manchmal viele Tage durch Zerstreuungen verhindert -werde, daran zu denken. Außer dem, was ich zu meinem eigenen -Unterrichte vornehme, haben Gellert und Weise von mir einige Arbeiten -gefordert, die ich beschleunigen muß. Ich werde dazu die Zeit zu nutzen -suchen, da Herr von K****, der mich sonst jeden Tag einige Stunden -kostet, verreist ist. Fürchten Sie aber nichts für unsern Briefwechsel. -Die Freundschaft kennt ihre Rechte, und sie weiß sie gegen alle andre -Ansprüche und Forderungen zu vertheidigen. Ueberdieß ist ihre Sprache -kurz. Man versteht sie durch Sympathie. Sie erklärt nicht sowohl ihre -Empfindungen, sie macht nur den andern auf seine eignen aufmerksam; -und nur indem sie des Freundes Herz in Bewegung setzt, zeigt sie ihr -eignes. -- - -Aber warum lassen Sie Ihre Tage durch Träume beunruhigen? -- Oder warum -geben Sie einem Traume, der so vieler guter, glücklicher Auslegungen -fähig ist, gerade die, welche Sie kränken muß. Ich sehe in demselben -nichts, als Ihre eigne Zärtlichkeit, die selbst in den nächtlichen -Gemählden, die Ihnen Ihre Einbildungskraft vorstellt, der Freude des -Wiedersehens eine Gewalt über das Herz giebt, unter welchem dasselbe -erliegt. -- Ich bin als Freund verpflichtet auf Mittel zu denken, die -Ihnen diese öftern Unruhen, wenn es nicht möglich ist, ihnen zuvor zu -kommen, wenigstens mäßigen. Ist es nicht wahr, daß eine solche Unruhe -(ich rede nicht bloß von der letzten) unthätig und zur Verrichtung -eines jeden Geschäftes, selbst zu dem Genusse des Vergnügens unwillig -und unfähig macht? Und ist dieß wohl der Zustand, in dem wir oft seyn -sollen, in dem wir am meisten Gutes zu thun hoffen können? Vermehren -Sie den Grad, oder verlängern Sie diesen Zustand. Sie werden sehen, daß -er nach und nach den Gebrauch jeder unsrer Fähigkeiten aufheben und -uns zu einer Art von Schlaf bringen wird, der voll von fürchterlichen -Träumen ist, und uns eben so viel Zeit raubt, als der natürliche, ohne -uns dieselbe Erquickung zu geben? -- - -Demungeachtet fühlt die Seele eine gewisse Süßigkeit darin, um deren -willen sie sich dieser Unruhe überläßt, und sich selbst den Mitteln -entzieht, die sie aufheben könnten. Ich kenne diesen Zustand, aber -ich finde ihn allemal für mich schädlich, ob ich gleich nicht allemal -so glücklich bin, mich davon zu befreien. Wenn es aber gelingt, -so ist es niemals anders, als durch eine anhaltende und die Seele -sehr einnehmende Beschäftigung. Man muß gleich im Anfange, wenn man -die erste Anlage zu einer solchen Gemüths-Verfassung bemerkt, die -Aufmerksamkeit mit Gewalt von dem Gegenstande abziehen und auf etwas -richten, was im Stande ist, sie anzuheften und von der Rückkehr -abzuhalten. Ein andres Frauenzimmer würde vielleicht den Mangel solcher -Gegenstände vorwenden können; aber Sie nicht, liebe Freundin, die außer -den Geschäften einer Hausmutter auch noch alle die für sich haben, -die die Wissenschaften und die Lektüre verschaffen. Wählen Sie sich -also alsdann eines von den Büchern, die Sie am meisten lieben; oder -noch besser, arbeiten Sie selbst etwas. Sie werden sich zuerst zwingen -müssen. Die Seele wird mit Widerwillen sich von dem neuen Gegenstande -wegwenden. Aber nach und nach, wenn besonders der erste Anfang geglückt -ist, wird sich der Gegenstand der Seele bemächtigen; es wird eine neue -Leidenschaft rege; der Wunsch und die Hoffnung, die Sache, die man vor -hat, schön zu machen. Endlich arbeitet man aus Geschmack fort, da man -blos aus Ueberlegung angefangen hatte. - -Ich freue mich auf Ihre Anmerkungen über die eheliche Liebe, und wenn -sie auch von meinen Grundsätzen abgiengen. Sie wissen nun schon, -wenn wir Philosophen einmal ein System im Kopfe haben, so muß sich -alles darnach richten, und entweder seine Form annehmen, oder es wird -verworfen. Nun nach diesem Systeme finde ich allerdings zwischen der -Liebe vor der Ehe, und in derselben, einen Unterschied. Nicht in -dem Feuer, noch in der Delikatesse derselben; aber in der Art, sie -auszudrücken. Ich nehme wieder meine Eintheilung zu Hülfe. Das was -in der Liebe blos Begierde ist, und zu seinem Endzwecke den Genuß -hat, herrscht nothwendig vor der Ehe. Das was in derselben Bestrebung -und Eifer ist, und zum Gegenstande mehr des Andern Glück, als unser -Vergnügen hat, sollte in der Ehe herrschen. Dem zu Folge muß nothwendig -die Leidenschaft des Liebhabers aufwallend und ungestüm seyn, denn sie -streckt sich erst nach einem Gute aus, welches sie erreichen will; die -Liebe des Ehemannes ruhig und thätig, denn sie arbeitet nun an der -Erhöhung und Verschönerung eines Gutes, das schon ihr Eigenthum ist. -Ohne diese Einschränkung ist die eheliche Liebe in Gefahr, tändelnd -zu werden, welches sie von ihrem wahren Zwecke beynahe eben so weit -abbringt, als die Kälte. - -Ich sage Ihnen alle meine Gedanken, liebe Freundin, als einer Person, -die zu meiner größten Vertraulichkeit und zu einer Kenntniß meiner -innersten Gesinnungen ein Recht hat. Läutern Sie meine Grundsätze, und -arbeiten Sie selbst an der Verbesserung Ihres Freundes u. s. w. - - - - -Dreyßigster Brief. - - -Ihr Urtheil über den Romeo, und Ihr Wunsch wegen seines Schlusses -ist mit meiner Mutter ihrem vollkommen einerley. In der That ist der -letzte Auftritt mehr schrecklich als rührend, Julie mehr unsinnig -als schwärmerisch, und ihre Liebe mehr Raserey als Leidenschaft. -Ich bin begierig, auch von den beyden übrigen Stücken, die in eben -diesem Theile stehen, Ihr Urtheil zu wissen. Marmontels Erzählungen -lassen sich vielleicht um desto schwerer in Dramata verwandeln, je -ausgearbeiteter schon der Dialog ist. Man kann schwerlich verhindern, -daß der Leser nicht die neuen angesetzten Stücke von den alten -unterscheide; und man geht gar zu leicht aus einem Charakter heraus, -der nicht von Anfang an unser eigen ist. So geht es, dünkt mich, mit -der Corally ihrem, der in dem Stücke, die Freundschaft auf der Probe, -am meisten hervor sticht, und den er zuweilen verfehlt hat. -- Aber -ich höre, die Mademoisell Schulz verläßt das Theater. Versäumen Sie -doch ja nicht, Romeo zu sehen, ehe sie fortgeht. Sie macht diese Rolle -unnachahmlich schön; ich setze nur das Einzige an ihr aus, daß sie in -den Stellen, wo ohnedieß schon der zu weit getriebene Affekt beynahe -bis ins Widrige geht, noch einige Grade hinzu setzt. - -Aber genug von dieser Materie, die ohnedieß schon erschöpft ist. -Ich hätte mehr Lust, meinen Streit mit Ihnen, als meine Kritik zu -verlängern. Sie wissen noch nicht, wie hartnäckig ich bin, wenn ich -mir einmal in den Kopf gesetzt habe, etwas zu behaupten. Ihr Brief hat -mir gefallen; und mit weniger Eigensinn, als ich habe, hätten mich -Ihre Gründe verblendet oder überzeugt. In der Verfassung, in welcher -ich bin, kann ich noch nicht sagen, welches von beyden. Denn wenn ich -sagte, daß ich ohne Eigensinn hätte müssen überzeugt werden, so wäre -dieß eben so viel, als gestünde ich zu, ich hätte Unrecht. - -Sie wollen also zwischen dem Liebhaber und dem Ehemanne durchaus keinen -Unterschied zulassen; und ich bildete mir ein, ich hatte es recht -förmlich bewiesen, daß einer seyn müßte. So kann einem die Eigenliebe -verblenden! Vielleicht richte ich durch eine Allegorie aus, was meine -Metaphysik nicht vermochte. -- Wenn zuerst nach einer langen Dürre, -oder am Ende des Winters, Jupiter in einem fruchtbaren Regen in den -Schoos der mütterlichen Erde herab steigt: dann wird auf einmal die -ganze Gestalt der Natur geändert. Blumen und Gewächse von aller Art -bedecken die erst nackte Oberfläche; die Bäume schimmern von jungem -Grün, das nur noch wie zartes Moos auf die kahlen Aeste gestreut ist; -die todte Stille der Natur wird rege und lebendig; Luft und Erde -bekommen wieder Bewohner; der Wechsel ist eben so plötzlich, als schön. --- Aber wenn nun diese erste Rückkehr der Natur zum Leben geschehen -ist, dann kann der ganze liebliche Sonnenschein, und die schönsten, -erfrischendsten Regen, durch die er unterbrochen wird, nicht gleich -große und gleich merkliche Veränderungen hervor bringen. Im Stillen, -ungesehen, wächst nunmehr durch eben die Kraft, die ihn zuerst hervor -brachte, der Halm zur Aehre, das Gras zur Staude, und die Blüthe zur -Frucht heran. Noch immer empfängt die Erde dieselben wohlthätigen und -kräftigen Einflüsse des Himmels; aber sie kann jetzt nicht mehr durch -sie eine ganz neue Schöpfung hervor bringen, sie kann nicht mehr die -ganze Gestalt der Natur umändern. -- Aber in ihrer geheimen Werkstatt -empfängt und nutzt sie noch auf eben die Art den himmlischen Segen, -sie verschließt ihn jetzt in sich, um ihn den Pflanzen ganz allein -mitzutheilen, die sie hervor gebracht hat, und um Korn, Obst, Wein auf -den stillern Herbst zu bereiten. - -Sollten alle folgenden Eindrücke dem ersten gleich seyn? -- Das ist -wider die Natur der Seele. Sie selbst, Sie selbst, die die Natur mit -der zärtlichsten von weiblichen Seelen beglückt, Sie würden sich blos -selbst hintergehen, wenn Sie das als eine gemachte Erfahrung ansähen. --- Soll die Leidenschaft niemals zum Grundsatze, zur Gesinnung werden? --- Alsdann ist sie unnütz und gefährlich. Das stürmende Meer kann nur -Schiffbruch und Untergang verursachen, wenn es ohne Aufhören wüthet. -Aber wenn der heftige Sturm zu einer noch lebhaften aber ruhigern -Bewegung gemäßigt wird, dann bringt er das Schiff mit vollen Segeln in -den Hafen. -- Soll die Seele immer nur von einem einzigem Gegenstande -erfüllt seyn, wie es die Seele des Liebhabers ist? -- Dann verschlingt -und vernichtet dieser Gegenstand alle Kräfte derselben, er verbraucht -alle ihre Fähigkeiten, und läßt für alle ihre übrigen Pflichten und -Geschäfte nichts, als matte, unwillige und kraftlose Bestrebungen. - -Aber wie muß die Liebe seyn, auf deren Flügeln der Geist erhoben, und -seiner Bestimmung und seinem Schöpfer näher gebracht wird? Die Seele, -deren ganze Neigungen und Fähigkeiten sich in einem einzigen würdigen -Gegenstande koncentrirt hat, muß sich von ihm aus auf alles, was gut, -schön und vortrefflich ist, verbreiten. Er muß das Band seyn, welches -die Seele an alle ihre Pflichten verknüpft, und sie mit Freuden an -die Sachen anzieht, die sie sonst aus andern Bewegungsgründen nur mit -Widerwillen, oder doch ohne Vergnügen würde gethan haben. Das Feuer der -Liebe muß sich in eine gleiche und fortdauernde Wärme verwandeln, die -jeder andern gutthätigen Neigung zum keimen hilft, jede tugendhafte -Handlung empor treibt, und jeden Widerstand aus dem Wege stößt. -- -Noch ein Mal: der Liebhaber und die Geliebte wollen nichts, als sich -sehen, sich umarmen und sich genießen. Der Ehemann und seine Gattin -wollen sich und die Welt glücklich machen, und diesen Zwecken zu Ehren -entbehren sie jene Vergnügungen ohne Murren u. s. w. - - - - -Ein und dreyßigster Brief. - - --- -- Ich bin außerordentlich vergnügt darüber, daß Sie meinen -Brief vollkommen nach den Gesinnungen erklärt haben, in denen ich -ihn geschrieben hatte. Sie haben mir eine große Probe abgelegt. Ich -fürchtete nicht, daß Sie über meine Freymüthigkeit böse werden würden; -aber ich erwartete doch eine kleine Empfindlichkeit über einen so -beherzten Widerspruch. Bey jedem andern Frauenzimmer, als bey einer -solchen Philosophin, wie Sie sind, wäre meine Erwartung ganz gewiß -eingetroffen. -- Diese Materie ist jetzo erschöpft, oder ich will sie -doch wenigstens dafür ansehen. Wenn Sie nur wahrhaftig glücklich sind, -so will ich es Ihnen verzeihen, wenn Sie es auch zum Theil durch ein -Vorurtheil wären. -- Ich habe diese Woche eine ganze Gesellschaft -von Leuten gesehen, die es noch durch ein weit handgreiflicheres -Vorurtheil sind, oder wenigstens vorgeben es zu seyn. - -Ich bin mit einer großen Gesellschaft von Frauenzimmern in einem -Nonnenkloster gewesen, und zwar bey denen, die barmherzige Schwestern -heißen, und sich mit der Wartung armer Kranken beschäftigen. Ein -wirklich verehrungswürdiger Orden, der großen und beschwerlichen -Dienste wegen, die seine Mitglieder der Gesellschaft leisten. Sie -sind dabey arm; und da die Anzahl reicher Katholiken bey uns in B*** -immer mehr abnimmt, und die eignen Kapitalien des Klosters nicht nur -an sich klein, sondern auch jetzt ohne Nutzen für sie sind, weil sie -bey einem Hause ausgeliehen stehen, das im Begriff ist, banquerout -zu machen (ehemals einem Besitzer von 500000 Thalern), so müssen die -21 geistlichen Jungfrauen, aus denen das Kloster besteht, sich auf -das äußerste einschränken, weil sie nicht nur sich, sondern auch ihre -Kranken zu ernähren haben, und noch dazu Aerzte und Arzeneyen bezahlen -müssen. Meine Mutter und verschiedene unsrer Bekannten, die ihnen -deswegen von Zeit zu Zeit eine kleine Beysteuer schicken, werden in dem -Kloster als große Wohlthäter angesehen. So sehr ist die Dürftigkeit -auch für kleine Erleichterungen empfindlich. - -Wir wurden also sehr wohl aufgenommen. Wir tranken in der Apotheke, -wohin auch Mannspersonen kommen dürfen, in Gesellschaft der artigsten -und vernünftigsten Schwestern, Kaffee. Die Frauenzimmer wurden hierauf -im ganzen Kloster, ich nur in der Kirche und im Krankenzimmer, herum -geführt. -- Sie können nicht glauben, wie sehr mich diese Leute für -sich interessirt haben. -- Es giebt Personen von den besten Familien, -von gutem Verstande und von einer wirklichen Schönheit darunter. -Besonders ist die würdige Mutter eine höchst vernünftige, gesetzte und -von dem klösterlichen Wesen ziemlich freye Person. Ausser ihr zieht -ein Fräulein Mucius, eine ehemalige Bekannte einer Dame aus unsrer -Gesellschaft, die auch deswegen von der Superiorin die Erlaubniß -erhielt, bey uns zu bleiben, die Augen auf sich. Ungeachtet sie schon -16 Jahre im Kloster ist, so hat sie doch noch alle Züge von Schönheit. -Ein feuriges und schönes Auge, das durch die Kopfbinde ihres Habits -halb verdeckt, und auf eine gewisse Weise schmachtend und zugleich -einnehmend gemacht wird; -- in ihrem Betragen eine gewisse stille und -ruhige Zufriedenheit mit ihrem Zustande, die man bey den glücklichsten -Personen so selten antrifft; eine Stimme, die sehr angenehm und sanft -ist; -- und wenn man sich dieses noch junge Frauenzimmer denkt (deren -Vater ein reicher und vornehmer Mann ist), in einem sehr schlechten -Kleide (ob es sie gleich nicht verstellt), allen Bequemlichkeiten -des Lebens und der Gesellschaft entzogen, zum strengsten Gehorsam -verpflichtet, und oft mit den niedrigsten, beschwerlichsten und -ekelhaftesten Dienstleistungen der Kranken beschäftigt: so muß man -Hochachtung und Mitleid für sie zugleich haben u. s. w. - - - - -Zwey und dreyßigster Brief. - - - Den 9. Januar 1768. - -Für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre freundschaftliche Sorgfalt, mir -Vergnügen zu machen, und es mir an dem Tage[B] zu machen, wo ich durch -tausend andre angenehme Eindrücke mehr als gewöhnlich vorbereitet -bin es zu genießen; dafür danke ich Ihnen aufs verbindlichste. Meine -Mutter hat Ihren Willen sehr genau befolgt. Ich erfuhr Dienstags -nichts davon, daß Briefe angekommen wären, und ich dachte also gewiß, -Sie wollten Ihren Posttag verlegen, und würden von nun an Donnerstags -schreiben. Diese Vermuthung machte, daß ich selbst nicht schrieb, und -dabey blieb ich also ganz ruhig, bis des Donnerstags Morgens, indem -wir alle beysammen waren, meine Mutter, die sich einen Augenblick -entfernt hatte, mit einer sehr feyerlichen Miene, einem großen -Kuchen in der Hand, auf dem Ihr Brief lag, und einem noch größern -Glückwünschungs-Komplimente, das sie, wie sie sagte, von Ihnen -auszurichten hätte, zurück kam. Die Sache war mir so unerwartet, daß -sie mir Anfangs ein Räthsel zu seyn schien. Ich öffnete endlich Ihren -Brief, die Schwierigkeiten wurden durch meine Mutter gehoben, und meine -erste Ueberraschung endigte sich mit einer stillen und angenehmen -Fröhlichkeit. - -So viel war auch nöthig, wenn ich an einem Tage heiter seyn sollte, wo -ich mich von einem heftigen Schnupfen, oder wovon es sonst war, so übel -befand, daß ich eine ernsthafte Krankheit hätte befürchten können. Ich -schob deswegen eine kleine Solennität, die auf diesen Tag bestimmt war, -bis auf den folgenden auf. Gestern also habe ich mir das Vegnügen, ein -Koncert bey mir zu machen, zum zweyten Male erlaubt. Meine Mitspieler -waren noch besser, als das erste Mal. Die Gesellschaft war, außer -meines Onkels Familie, der Hauptmann R*** mit seiner Frau; er ein sehr -geschickter und verständiger Mann, jetzo der Ober-Bau-Inspektor von -B****; sie, eine Sachsin von Geburt, aus Chemnitz, das beste Herz und -die liebreichste, zärtlichste Ehegattin; endlich eine gewisse Fräulein -von W****, ein Frauenzimmer von sehr guter Erziehung und Lebensart, -und von vielem Verstande. Ihr Bruder, bey dem sie lebt, steht in -eben dem Posten, wie mein Onkel, ist ein angenehmer und allenthalben -willkommener Gesellschafter, und verdient um desto mehr Hochachtung, -weil er sich aus einem Stande der Dürftigkeit, in dem er und seine -Schwester, ihres Standes ungeachtet, ihre Jugend zugebracht haben, -durch seine Geschicklichkeit, seinen Fleiß und seine gute Wirthschaft -hat wissen heraus zu ziehen, und sich also die bequeme und artige -Weise, mit der er jetzo lebt, ganz allein schuldig ist. So viel von -unsrer Gesellschaft. - -Unter der Musik nahmen sich die Sachen von einem gewissen Schobert, -dem, der in Paris an Champignons gestorben ist, sehr vorzüglich aus. -Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich mit Ihnen schon davon geredet -habe; aber gesetzt, das wäre auch geschehen, so kann ich es, zum Dank -für das Vergnügen, was mir des Mannes Arbeit gemacht hat, nicht oft -genug wiederholen, daß es die schönsten Sachen sind, die jemals aufs -Klavier sind gesetzt worden; insbesondre die Duetts, Trios und Koncerte -von ihm. Man kann nichts Neueres und zugleich Schöneres hören. Alle -Ideen des ganzen Stücks sind original, und zuweilen so außerordentlich -frappirend, daß sie den unverständigsten Zuhörer treffen müssen. Sie -erfordern aber viel Uebung. Er selbst (denn wenn eine Nachricht wahr -ist, die hier herum geht, so habe ich den Schobert selbst hier auf -meiner Stube mehr als ein Mal vor langen Zeiten spielen hören, er ist -sogar einen halben Monat, oder so etwas, mein Lehrmeister gewesen), -er selbst also, vorausgesetzt, daß es dieser ist, hat die allergrößte -Flüchtigkeit der Hände, die ich jemals gesehen habe. Er setzt also -seine Stücke so, wie sie für seine eignen Finger am besten sind. Aber -sie thun eine unbeschreibliche Wirkung, wenn sie auch nur mittelmäßig -vorgetragen werden. Seine Stücke sind selten, und ich würde sie ohne -die Gütigkeit eines Freundes niemals zu Gesichte bekommen haben. - -So brachten wir also den gestrigen Tag ziemlich vergnügt zu. -Demungeachtet befinde ich mich heute noch nicht ganz wohl. Ich schreibe -deswegen auch nicht so viel, als ich mir vorgenommen hatte. Meine -Mutter wird durch andre Hindernisse in einem ähnlichen Vergnügen -gestört. Ihre Nahrung erfordert um diese Zeit viele Rechnungen, die -sehr beschwerlich sind, und für jede andre Frau beynahe unmöglich -wären. Aber sie verrichtet das alles mit einer Genauigkeit und -Akkuratesse, deren ich gar nicht fähig wäre. Sie wird überdieß von -einem Flusse im Ohre beschwert, und hört deswegen schlecht. - -Ich erinnere mich, daß Sie vor langer Zeit einen Plan zur Erziehung -Ihrer Wilhelmine verlangten. -- Zu einem solchen Plane habe ich weder -Geschicklichkeit noch Geduld genug. Aber zerstreute Anmerkungen, -wenn Sie die haben wollen, wenn Sie sich die Mühe geben wollen, sie -so gut zu verbinden, als sie selbst es werden zulassen, wenn Sie mir -versprechen, die Lücken durch ihre eignen Bemerkungen auszufüllen, die -sollen Sie von mir bekommen. Flößen Sie Ihrer Wilhelmine, wenn Sie -können, etwas von Freundschaft gegen einen Menschen ein, den Sie selbst -mit so vieler beehren. Lassen Sie sie wissen, daß ich eher für sie gute -Wünsche gethan habe, als sie selbst etwas wünschen konnte u. s. w. - - -Fußnote: - -[B] Garvens Geburtstag fällt auf den siebenten Januar. - - - - -Drey und dreyßigster Brief. - - -Das ist wirklich eine Feyer meines Geburtstages, auf die ich mir etwas -zu gute thue. Wenn ein Freund an mich denkt, und diese Erinnerung ihm -Vergnügen macht; wenn er mir so viel Einfluß auf sein Herz zugesteht, -daß ich es zuweilen ruhiger, freudiger, mit sich und mit andern -zufriedener machen kann, das ist die größte Befriedigung, die meine -Liebe und meine Eitelkeit verlangt. Sie, liebe Freundin, verstehen -die Kunst, sich zu vergnügen, schon recht gut. Ihre Hoffnungen darauf -werden Ihnen weit seltner fehlschlagen, wenn Sie es, so wie Sie es -gethan haben, ohne viele Vorbereitungen bey sich selbst suchen. - -Aber wenn Sie nur die Kunst, sich zu quälen, nicht zuweilen eben so gut -verstünden. O, liebe Freundin, beynahe liegt noch das ganze Jahr mit -allen seinen Tagen und Stunden vor Ihnen. Es scheint nun noch völlig -in Ihrer Gewalt zu seyn, was Sie daraus machen wollen. Aber eilen Sie, -eilen Sie, jede, schon die gegenwärtige Minute für die Glückseligkeit -aufzuwenden. Das Vergnügen und die Tugend sind nicht blos als Wirkung -und Ursache, sondern als zwey verschwisterte Eigenschaften der Seele -mit einander verwandt, die gemeiniglich nicht ohne einander zu finden -sind. -- Die Unzufriedenheit und das Mißvergnügen ist immer unthätig -oder in Verwirrung; das Vergnügen ist zugleich ruhig und wirksam. -Die Aufmerksamkeit der Seele ist dann jedes Mal bey dem Gegenstande -zusammen, den sie vor hat, und ihre Kraft ist also ungetheilt, das, -was sie thut, aufs beste zu thun. Das Vergnügen ist für die Seele, -was die Gesundheit für den Körper ist; es macht sie zu allen ihren -Verrichtungen aufgelegter und geschickter. - -Das alles ist nun recht schön und vortrefflich. Aber die Frage ist, -was für eine Art von Diät muß man der Seele vorschreiben, um sie bey -diesem Wohlbefinden zu erhalten? Eine Regel dazu ist uralt, aber sie -ist wahr: man soll mit seinen Wünschen sich in der Natur der Dinge -einschränken, und nichts begehren, was diese nicht zuläßt. Ich weiß -nicht, ob ich Ihnen deutlich genug werde sagen können, was ich denke. -Aber das weiß ich, in meinem Leben und in dem Leben meiner Freunde -sehe ich den größten Theil ihres Verdrusses aus betrogenen Wünschen -und Erwartungen entstehen, die nur deswegen betrogen wurden, weil sie -selbst auf einen Irrthum gegründet waren. Sie z. B. (um meiner Absicht -näher zu kommen) haben bey einem eingezogenen und ruhigen Leben, bey -einem gutgearteten und rechtschaffenen Herzen, bey einem wohlgebildeten -Geiste, und bey dem Genusse der vornehmsten Bequemlichkeiten des -Lebens, wenig andre Ursachen, unzufrieden zu seyn, als die Besorgnisse, -daß Sie von Personen, deren Liebe Sie über alles schätzen, nicht genug -geliebt, nicht genug hochgeachtet werden. Da diese Leidenschaft, in der -That unter den übrigen die edelste, bey Ihnen die stärkste ist, so muß -auch natürlicher Weise aus dieser Quelle die meiste Unzufriedenheit bey -Ihnen entstehen. - -Aber wenn Sie doch nun mit mir ruhig untersuchten, welches wohl -zuweilen die Merkmale sind, aus denen Sie diesen Mangel der -Zärtlichkeit schließen. Ohne Zweifel sind es Unterlassungen von -Handlungen, die Sie als die unausbleiblichen Wirkungen einer solchen -Neigung ansehen. -- Aber wie? sind sie dieses auch wirklich? Ist der -Schluß von diesen Aeußerungen auf die Sache selbst unfehlbar, und -können sie umgekehrt nicht ausbleiben, ohne die Gesinnung selbst -zweifelhaft zu machen? Sie werden dieses selbst nicht denken, -- -wie würde es Ihnen sonst möglich seyn, wieder ruhig zu werden? Aber -gehen Sie in Ihrer Untersuchung noch einen Schritt weiter. Ist es -der Natur der Dinge und des Menschen nach möglich, daß sich die -stärkste, die eingewurzeltste, die mit dem Wesen der Seele selbst -verwebte Leidenschaft (ich will Ihnen zu gefallen es so nennen) immer -durch einerley Beweise zu erkennen giebt? Um davon nur ein frappantes -Beyspiel anzuführen, ob es gleich nicht vollkommen auf den Fall paßt: -ist es möglich, oder wenn es möglich wäre, würde es anständig seyn, -daß sich die Zuneigung eines Greises auf eben die Art und durch eben -die kleinen Beweise zu erkennen gäbe, wie die Zuneigung eines jungen -Menschen? Hier ist der Unterschied handgreiflich, und die ganze Welt -kommt überein, den einen alten Gecken zu nennen, der selbst rechtmäßige -Neigungen auf eine zu seinem Alter und seinen Umständen unschickliche -Art an den Tag legt. Aber kann es nicht im menschlichen Leben eben -solche andre Unterschiede geben, die nicht eben so in die Augen fallen, -aber doch eben so wirklich sind? -- Und sollte es also nicht eine -Forderung unmöglicher Dinge seyn, wenn man, allen diesen Unterschieden -zuwider, von demselben Menschen unter den verschiedensten Umständen -doch immer einerley Zeichen seiner Liebe verlangte? -- Ich gebe es zu, -daß Ihr lieber Gatte Sie jetzo so liebt, wie damals, da er Bräutigam -war. -- Aber wenn Sie verlangten, daß er Sie davon alle Augenblicke -aufs neue mit aller der Eilfertigkeit und dem Empressement versichern -sollte, als wenn er es Ihnen zum ersten Male sagte; wenn Sie eine -beständige Wiederholung aller der kleinen Zeichen der Zärtlichkeit -forderten, die bey einem Liebhaber oft nur den Mangel an Gelegenheit -zu größern Proben ersetzen: so forderten Sie etwas, was der Natur der -Dinge, und wo nicht dieser, doch gewiß Ihrer Ruhe und der Ruhe Ihres -Mannes zuwider wäre. - -Sehen Sie, das ist der Inhalt meiner ehemaligen Theorie, und gewiß -meine Absicht ist Ihre Glückseligkeit. Also verlange ich keine -Abnahme der Liebe, keine Kälte, sondern nur in ihrem Ausdrucke mehr -Ernsthaftigkeit und weniger Spielwerk. -- Wenn die Leidenschaft vor der -Heyrath blos Leidenschaft ist, sagen Sie, so wird sie niemals Gesinnung -werden. Vollkommen richtig! wenn Vorurtheil und sinnliche Lust die Wahl -anstellen. Aber lassen Sie die Leidenschaft des Liebhabers auf alle -Vollkommenheiten des Geistes und Herzens gegründet seyn: so wäre doch -dieß die einzige Sache in der ganzen Natur, wo die erste Bekanntschaft -mit einem gewissen Gut und der fortgesetzte Genuß desselben vollkommen -einerley Wirkungen hätte. -- Wie? wenn Mann und Frau sich nicht -wie Liebhaber und Geliebte gegen einander betragen, wenn sie die -vertrautesten, die zärtlichsten Freunde von einander werden, so sollten -sie sich keine Gefälligkeiten mehr thun können, so sollten sie sich -einander blos nicht beleidigen? Und das wäre doch Freundschaft? -- Ich -verstehe Sie nicht, liebe Freundin. -- Sie sagen, wenn Sie alle diese -Dinge (diese +kleinen+ Zärtlichkeiten, Bemühungen und Opfer) wegnehmen, -so hat die Ehe keinen wesentlichen Reiz mehr. Wie? so sollte die Ehe, -die ehrwürdigste und heiligste Verbindung, ihren Reiz verlieren, wenn -sich die beyden Eheleute nicht alle Augenblicke sagten, daß sie sich -lieben; wenn sie sich nicht die Hände drückten; wenn nicht eins dem -andern nachsähe, so oft es auf zwey Minuten von ihm geht; wenn es ihm -nicht entgegen käme; wenn es ihm nicht auf der Stelle und mit aller -geflissentlichen Aufmerksamkeit jede Liebkosung erwiederte, die ihm von -dem andern gemacht worden? - -Ich sehe, da ich dieses noch ein Mal durchlese, nur die vertrauteste -Freundschaft kann die Freymüthigkeit entschuldigen, mit der ich Ihnen -geschrieben habe. Aber ich müßte Sie nicht so sehr lieben, wenn ich Sie -nicht von Vorurtheilen frey zu machen suchte, die sonst das Elend Ihres -Lebens seyn könnten u. s. w. - - - - -Vier und dreyßigster Brief. - - - Den 24. Januar. - -Ihr letzter Brief ist schön, und das Gedicht, was Sie mir abgeschrieben -haben, recht vortrefflich. Es ist gewiß eine Ihrer besten Arbeiten von -dieser Art. Ihr Herz ist bey dem Gegenstande gewesen, und das Herz -führt immer den Verstand und das Genie sehr glücklich. - -Aber warum gehen Sie nicht nach Halle, wenn Sie schon in Crellwitz -sind? Ich wünschte doch, daß Sie einen Ort, wo ich zwey Jahre sehr -übel zugebracht habe, und wo ich vielleicht noch viele andre, aber -besser, werde zubringen müssen, kennten. Der erste Anblick ist widrig, -das gebe ich zu; aber das ist doch eben so ausgemacht, daß das Auge -die prächtigsten Häuser und die elendesten Leimhütten gleich gut -gewohnt wird, und daß alsdann der Verdruß über die Häßlichkeit, und das -Vergnügen an der Schönheit, beynahe zu einer gleichen Empfindung der -Gleichgültigkeit herunter gestimmt werden. O besetzen Sie die Hütten -mit Freunden, die ich liebe und die ich verehre, und sie werden mir -schöner vorkommen als Palläste. Doch auch diese habe ich in Halle noch -nicht. Unterdessen kenne ich doch Leute, die vielleicht aufgelegt dazu -wären es zu werden. - -Auf oder nach Ostern, den Tag weiß ich nicht, komme ich mit Gottes -Hülfe nach Leipzig. Ein Brief von Gellert, voll von Gütigkeit und -Freundschaft, hat mich erst vor fünf Tagen dazu eingeladen. Dieser -Mann ist wahrhaftig mein Freund. -- Ist mir nun ein kleiner Stolz -nicht zu verzeihen? -- Ich bringe hier meinen Winter sehr vergnügt zu. -Am Freytage war ich in dem Hause eines Hrn. v. P***, dessen Fräulein -Tochter, eine sehr gute und sehr angenehme Freundin von meiner Mutter -und von uns allen, ein kleines Koncert machte. Sie spielt sehr gut auf -dem Flügel. Ich spielte einige Sachen von Schobert τῷ πάνυ; lassen Sie -sich Reizen dieses erklären. Wir waren bis um 11 Uhr recht vergnügt. -- -Gestern kam wieder eine kleine Wolke. -- Aber kurz ich bin vergnügt, -und bin u. s. w. - - - - -Fünf und dreyßigster Brief. - - -So schmeichelhaft es mir ist, daß Sie meine Ankunft wünschen, und so -angenehm mir also auch die Hoffnung ist, solche Freunde wieder zu -sehen; so muß ich doch sagen, daß mich die Vorstellung des Abschieds -erschreckt. Eine Menge alter, und einige neue Freunde, die ich hier -besitze, machen mir meinen Aufenthalt sehr angenehm, und die Trennung -fürchterlich. Vor allem aber ist es meine Mutter, die mir bange -macht. Ich hinterlasse sie zwar unter einer Menge von Personen, die -sie hochachten; aber doch kaum bey einer einzigen, die ihre vertraute -Freundin wäre; und selbst vor dieser würde doch ihre mütterliche -Zärtlichkeit meiner Gesellschaft noch einen Vorzug geben. Die Umstände -unsers Landes und die häuslichen, die davon abhängen, werden immer -trauriger; und es ist schwer zu bestimmen, wo dieser Fortgang vom -Bösen zum Schlimmern still stehen wird. Meine Mutter empfindet dieses -bey einem ziemlich weitläufigen Hauswesen, das ganz allein von ihrer -Sorgfalt in Ordnung gehalten werden muß, weit mehr, als ein jedes andre -Frauenzimmer. Ueberdieß ist sie oft kränklich, und braucht von einer -andern Seite eine kleine Aufmunterung, wenn die Schwachheit ihres -Körpers und ihre Umstände sie niederschlagen. Ich bedaure also beynahe -zuweilen, daß ich meinen Plan nicht so angelegt habe, daß ich zwischen -dem praktischen und dem akademischen Leben hätte wählen können. Meine -Freunde hier würden für mich viel gethan haben. Nach meiner jetzigen -Aussicht kann ihre Liebe mein Leben nur angenehmer, nicht mein -Fortkommen leichter machen. -- Doch ich will alle diese unangenehmen -Ideen mit freudigern abwechseln lassen. - -Ich habe diese Woche ein sehr empfindliches Vergnügen gehabt; das -Vergnügen, ein neues Verdienst kennen zu lernen. An unsern D. Tralles -war aus Lausanne von dem berühmten Tissot eine gewisse Frau von -Wyllamons empfohlen worden, die hier durch, nach Polen, in das Haus -des Fürsten Czartorinsky als Hofdame ging. Der Herr Tralles bat mich -und einige Andre beyde Mal zu sich, als er sie bey sich hatte. Wenig -Frauenzimmer habe ich in meinem Leben gesehen, die mich durch die Größe -ihres Geistes, die Richtigkeit und die Tiefe ihres Raisonnements, -die Genauigkeit und Schönheit des Ausdrucks, und eine gewisse -unbeschreibliche Annehmlichkeit, mit der sie dieß alles begleitete, so -beym ersten Besuche für sich eingenommen hätten. Sie war weder sehr -jung, noch sehr schön, aber die Anmuth selbst. Augen, welche redeten, -und deren Bewegungen alles, was sie sagte, unterstützten; ihre ganze -Aktion war damit übereinstimmend; und ohne die geringste Achtsamkeit -auf sich selbst zu zeigen, that sie doch alle Mal das, was die -strengste Aufmerksamkeit hätte fordern können. Sie redete Französisch -und Englisch gleich gut, das erste in einem Grade von Vortrefflichkeit, -der auch bey Franzosen selten seyn mag; ihre Ausdrücke waren alle -Mal edel, gewählt, beynahe philosophisch richtig, und doch so frey -und so ungezwungen, als es zum Gespräche nothwendig ist. -- Ich habe -wenig Stunden angenehmer zugebracht, als die, welche ich mit ihr in -Gesellschaft war. Sie hatte viel gelesen, und urtheilte darüber nicht -blos richtig, sondern auch fein. -- Jedermann wurde von ihr bezaubert. - -Alles das schreibe ich Ihnen, weil ein genossenes Vergnügen seinem -Freunde mittheilen ein zweytes Vergnügen ist u. s. w. - - - - -Sechs und dreyßigster Brief. - - - Den 24. Februar. - -Auf der empfindlichsten Seite hätte mein Brief Sie angegriffen? -Wahrhaftig, das war nicht die Absicht seines Schreibers. Selbst nicht -einmal die kleine Bosheit, die doch noch so gut mit der Freundschaft -bestehen kann, eine Art von Eifersucht zu erregen, um sich von neuem -von der Liebe des Andern zu versichern. Meine Absicht war noch weit -einfältiger und mein Bewegungsgrund noch weit unschuldiger. Ich glaubte -nicht, daß ich an der Frau von Wyllamons Vollkommenheiten lobte, die -Ihnen fehlten. Ich dachte blos, Ihnen ein Vergnügen durch die Erzählung -des meinigen zu machen. Sie wissen, die Eindrücke, die das Gute oder -das Böse von Personen oder Sachen auf uns macht, stehen nicht in unsrer -Gewalt. Die, welche die Frau von Wyllamons gemacht hatte, waren alle -für sie günstig. Ich schrieb diese in der Einfalt meines Herzens -nieder, um sie in Ihnen, wenn ich könnte, auf eine schwächere Art zu -erregen (Sie sagen selbst, Eindrücke von der Art sind angenehm). Ich -glaubte dabey um desto weniger Behutsamkeit zu bedürfen, je ähnlicher -diese Empfindungen denjenigen waren, die Ihre erste Bekanntschaft -bey mir erregte. Sie konnten es wahrscheinlicher Weise nicht einmal -wünschen, daß ich die Vorzüge, auf die sich zuerst meine Freundschaft -und meine Hochachtung für sie gründete, bey einer andern verkennen -oder gering schätzen sollte. -- Aber deswegen sind diese Frau und Sie -nicht auf gleichem Fuße mit mir. Die erste ist eine bloße Bekannte, die -ich ihrer Talente wegen hochschätzen muß, deren Herz ich noch nicht -kenne, und von der ich bisher nichts als Vergnügen und Höflichkeiten -erhalten habe. Sie sind meine Freundin, deren Herz ich geprüft habe, -von deren Freundschaft ich gewiß bin, und deren Einsichten mir nicht -blos zu dem flüchtigen Vergnügen eines Abends, sondern zu dem Glücke -meines Lebens gereichen. Ihr heutiger Brief selbst ist voll von den -freundschaftlichen Gesinnungen, die Ihr Herz von andern Herzen so sehr -unterscheiden. - -Lassen Sie sich also die neuen Freunde nicht beunruhigen. Sie würden -auch die Ihrigen werden, wenn Sie sie kennten. Wollten Sie wohl -Jemanden zu Ihrem Freunde haben, den die ganze übrige Welt verschmähte? -Und würden Sie sich nicht Ihrer Neigung schämen müssen, wenn der -Gegenstand derselben unfähig wäre, irgend einem Andern eine ähnliche -Neigung einzuflößen? -- Ich kenne den Werth alter Freunde, und ich -empfinde den Vorzug, den eine bestätigte Liebe vor einer blos flüchtig -bezeigten Gefälligkeit haben muß. Alles also, was ich noch ins Künftige -von dem Vergnügen sagen werde, was mir meine hiesigen Freunde machen, --- sehen Sie es niemals anders, als wie eine Aufforderung an Sie an, -an diesem Vergnügen Theil zu nehmen, und wie ein stillschweigendes -Versprechen, daß ich eben dieses Vergnügen, wenn es noch mit einer -mehr gründlichen, wesentlichen Glückseligkeit verbunden ist, noch weit -stärker empfinden werde. - -Meine Mutter -- wissen Sie das? -- ist auch eifersüchtig. Sie wollen -nicht, daß ich mich vor meinem Abschiede fürchten soll? Wie kann ich -das, wenn es nicht blos um meine eigne Glückseligkeit zu thun ist, -sondern auch um meiner Mutter ihre? Sie müßten mich nicht für fähig -halten, ein guter Freund zu seyn, wenn ich ein schlechter Sohn seyn -könnte. Und wäre ich das nicht, wenn ich eine solche Mutter, wie die -meinige, gern verlassen könnte? u. s. w. - - - - -Sieben und dreyßigster Brief. - - - Den 19. März. - -Wenn ich jetzt nicht mehr als gewöhnlich beschäftigt wäre, und wenn -ich nicht den Zeitpunkt immer näher kommen sähe, in dem ich Sie wieder -sehen soll: so würde ich mir es selbst nicht vergeben, daß ich Sie -zuweilen auf meine Briefe einen Posttag länger warten lasse, als es -unserm ersten Vertrage gemäß ist. Ich könnte zwar sagen, es wäre Rache. -Aber ich finde nichts davon in meinem Herzen; und wenn Sie mir auch -noch seltnere und noch kürzere Briefe schrieben, so würde mich doch -mein eignes Vergnügen nöthigen, an Sie zu schreiben. Es ist also nicht -Vorsatz, sondern Unvermögen, wenn ich mir dieses Vergnügen zuweilen -versage. Ein Unvermögen, welches (erlauben Sie mir, das zu sagen) ich -bey Ihnen nicht voraus setzen kann, da Sie mir selbst versichern, daß -Ihr Umgang eingeschränkter als jemals ist, und Ihre Geschäfte sich -doch nicht häufen können. - -Aber um Ihnen eine Probe von meiner Uneigennützigkeit zu geben: so -muß ich Ihnen gestehen, daß, wenn ich gleich zuweilen dadurch eines -Theils Ihres Andenkens, ja sogar Ihres persönlichen oder schriftlichen -Umganges (nur nicht Ihrer Freundschaft) beraubt seyn sollte; ich Ihnen -doch einen etwas ausgebreitetern Umgang wünschte, und zwar vornehmlich -unter Ihrem eignen Geschlechte. -- - -„Unter meinem eignen Geschlechte? Wie können Sie mir etwas wünschen, -wovon ich Ihnen so oft gesagt habe, daß ich es nicht zu meiner -Glückseligkeit rechnen würde, wenn ich es hätte?“ - -Aber wollten Sie mir wohl noch einmal die Ursachen wiederholen, warum -Sie es nicht darunter rechnen? - -„Was habe ich nöthig, Ihnen das erst zu sagen? Sollten Sie nicht -wissen, wie leer der Umgang mit den mehresten Frauenzimmern ist; wie -wenig sich mit --“ - -ihnen anfangen läßt, wollen Sie sagen. Zum Unglück wahr genug! -Aber warum wollen Sie nicht daran arbeiten helfen, daß ihr Umgang -lehrreicher werde, daß sich mehr mit ihnen anfangen lasse? Was würde -aus dem niedrigern Theile unsers Geschlechts, oder des menschlichen -Geschlechts überhaupt werden, wenn sich der edlere Theil demselben -entziehen wollte, und ihm mit seinem Umgange zugleich die Mittel -benähme, ihm ähnlich zu werden? - -„Aber ich habe nicht eben den Beruf, und auch nicht das Vermögen, eine -Verbesserin zu seyn. -- Ueberdieß, wozu bedarf ich den Umgang? Ich habe -meinen Gatten, den liebe ich; und die Stunden, die er nicht bey mir -ist, sind gut genug mit der Erwartung von ihm ausgefüllt; wenn noch ein -kleines unbefriedigtes Verlangen in meinem Herzen übrig wäre, so würde -die Freundschaft von zwey oder drey Freunden meines Mannes es doch ganz -ausfüllen. Und endlich --“ - -Und was endlich? - -„Sie wissen, ich liebe meinen Mann über alles -- ich wünsche, daß er -mich über alles liebt --“ - -Und was denn also --? - -„Ich würde es nicht leiden können, wenn eine meiner Freundinnen ihm -eben so gut gefiele, daß ich nicht mehr gewiß genug seyn könnte, daß -seine Frau ihm noch besser gefiele.“ - -Mich dünkt, Sie würden (wenn Sie mir meine Freymüthigkeit vergeben -wollen) diesen Bewegungsgrund nicht zuletzt angeführt haben, wenn Sie -den stärksten hätten zuerst anführen wollen. - -„Gut! lassen Sie es seyn, daß es der stärkste ist. Ja, ich bin -eifersüchtig; und man kann gar nicht lieben, ohne eifersüchtig zu seyn. --- Ich kann sogar keine Freundschaft für echt halten, die ihren Freund -so ruhig mit Vielen theilen kann. Hüten Sie sich, daß nicht Ihr Rath, -meinen Umgang zu erweitern, mich argwohnen läßt, daß Sie ihn nicht mehr -so eifrig für sich selbst wünschen.“ - -Das können Sie im Ernste nicht denken; -- noch viel weniger, wenn Sie -meine Gründe hören. - -„Und diese Gründe?“ - -Nur noch einen Augenblick Geduld! Sagen Sie mir, haben Sie nicht -gehört, daß die Natur mit jeder Neigung, die sie uns giebt, oder mit -jedem Vergnügen, das Sie uns genießen läßt, eine andre Absicht habe, -als dieß Vergnügen selbst? - -„Ums Himmels willen! so weit müssen Sie ausholen? Sie werden doch -nimmermehr die halbe Metaphysik abschreiben müssen, um mich zu bewegen, -daß ich ein halb Dutzend Karkassen in meiner Stube zusammen bringe.“ - -Nun gut also, wenn ich Sie nicht mit der Ueberzeugung überraschen kann, -so will ich sehen, ob ich mit offenbarer Gewalt gewinne. -- Sie sind -eine Ehegattin, aber auch zugleich ein Frauenzimmer und eine Mutter. - -„Ja, eine Mutter! Und eben deswegen, weil ich diesen süßen, ehrwürdigen -Namen trage, brauche ich weniger als jemals eine Gesellschaft, die mir -blos die Zeit vertreiben soll. Meine Wilhelmine und mein Mann werden -mir bald die Stelle der ganzen Welt ersetzen. Aber ein Frauenzimmer -auch, sagten Sie, wäre ich; was soll das zur Sache?“ - -Als Frauenzimmer müssen Sie nothwendig die allervertrauteste -Freundschaft, die möglich ist, nur mit einem Frauenzimmer haben können. - -„Und die Ursache davon?“ - -O hätten Sie nur erst diese Ihnen verwandte Seele unter Ihrem eignen -Geschlechte gefunden; kennten Sie nur erst das Frauenzimmer, das würdig -wäre, Ihre Freundin zu seyn: dann würden Sie mir die Frage selbst -beantworten. O wie glücklich würde ich seyn! Ihre Vertraute würde auch -meine Freundin seyn. -- Sie kennen Julie und Claire; Clarissa und Howe. -Sagen Sie mir, wäre es möglich, daß eine von beyden an die Stelle ihrer -Freundin einen Freund gesetzt hätte, ohne daß doch das Wesen ihrer -Freundschaft zerstört worden wäre? - -„Wie? also giebts gar keine Freundschaft unter den beyden -Geschlechtern? Also sind Sie nicht mehr mein Freund?“ - -Nicht so hitzig, liebste Freundin! Ich denke nicht, daß ich unsre -Freundschaft herunter setze, wenn ich sage, daß es noch eine höhere -giebt, -- aber keine höhere, wenn die Wahl wieder auf eine Mannsperson -fällt. -- Wenn ich aber einem Frauenzimmer den Vorrang gebe, so denke -ich, ich bin blos großmüthig, nicht kaltsinnig. - -„Gut! Eine Freundin ließ ich mir gefallen, eine ganz vertraute -Freundin, wenn ich sie hätte. Aber wozu der Umgang mit Vielen?“ - -Um diese Eine darunter zu finden. Muß man nicht erst wählen können, ehe -man sich entschließt? - -„Und dann -- als Mutter, sagten Sie auch, müßte ich mit Frauenzimmern -Umgang haben. -- Eine beständige Zerstreuung ist wohl also ein gutes -Mittel, seine mütterliche Pflicht zu erfüllen?“ - -Nein, die größte Hinderniß, glaube ich. Aber nicht aller Umgang ist -eine Zerstreuung, die schädlich wäre. - -„Aber sagen Sie mir doch den Nutzen, den mein Kind davon haben könnte.“ - -Ich muß Ihnen gestehen, ich bilde mir ein, zur Erziehung eines jungen -Frauenzimmers ist der Umgang mit Personen ihres Alters und ihres -Geschlechts nicht blos nützlich, sondern nothwendig. -- Es wird sonst -nicht Frauenzimmer genug; es verliert etwas von dem Charakter, und -also auch von den Annehmlichkeiten seines Geschlechts; es nähert sich -dem unsrigen, ohne doch dadurch mehr zu gefallen. Wie kann aber eine -Mutter ihrer Tochter eine Gesellschaft von ihrem Alter und Geschlecht -verschaffen, wenn sie selbst keine hat? - -„Meine Tochter soll in meiner Gesellschaft lieber seyn, als in der -Gesellschaft der ganzen übrigen Welt. Mein Umgang muß ihr, wenn ich -anders es verstehe, eine Mutter zu seyn, den sehr leicht ersetzen, den -ich ihr nicht werde schaffen können. Und ich hoffe, mein und meiner -Freunde Unterricht wird sie alles das lehren, was Sie sie aus dem -Umgange wollten lernen lassen.“ - -O liebste Freundin, wer wollte wohl daran zweifeln, daß Sie nicht -die beste Mutter seyn würden, der Sie kennt? Ich wollte auch Ihrer -Tochter keinen andern Lehrer zugestehen, als Sie. Aber um seine Sitten -zu bilden; um den Menschen mit einer gewissen Dreistigkeit unter die -Augen sehen zu können; um von allen seinen guten Eigenschaften in -der Welt Gebrauch machen zu können, deren man sich in seinem Kabinet -bewußt ist: dazu gehört, daß man die Menschen bey Zeiten kennen lerne; -daß man viele Muster vor sich habe; daß man weiß, was für ein Grad -von Vollkommenheit in der Welt gemeiniglich angetroffen und gefordert -werde; und daß man -- soll ich es sagen? -- das Zutrauen auf sich -selbst durch die öftern Beweise von den Schwachheiten Andrer vermehre. - -„Also sehe ich wohl, meine Wilhelmine wird eine Herumläuferin werden -müssen, wenn sie Ihnen gefallen soll.“ - -Nicht so ganz und gar. Sie verstehen mich besser, liebste Freundin, als -Sie mir es gestehen wollen. -- Müßte ich nicht entweder Sie hochachten, -oder sehr eigennützig seyn, wenn ich nicht einer Person, der ich -Verdienste zuschreibe, so vielen Einfluß auf Andre, eine so große -Sphäre ihrer Wirksamkeit, als möglich ist, wünschen sollte? - -Da haben Sie eine kleine Probe von einem der Gedanken-Gespräche, mit -denen ich meine Entfernung von Ihnen zu vergessen suche. Wenn es Ihnen -nicht ganz mißfällt, so will ich mich öfter unterstehen, Ihnen die -Unterredungen zu erzählen, die ich ohne Ihr Wissen und Willen mit Ihnen -gehalten habe. - -Gellerts Bild habe ich durch Hubern sechs Mal bekommen, und unter meine -guten Freunde ausgetheilt. Danken Sie dem Herrn Bause dafür, wenn Sie -ihn sehen. Er wird unser zweyter Wille werden. Und nun möchte ich doch -wissen, ob Herr M. Reiz noch unter den Lebendigen ist. Ich glaube, -daß ich meine Freunde öfterer aus meinem Grabe, wenn ich gestorben -wäre, besuchen würde, als er aus seinem Kabinet es thut. -- Lesen Sie -doch: +Vergleichung des Zustandes und der Kräfte der Menschen mit dem -Zustande und den Kräften der Thiere+ u. s. w. - - - - -Acht und dreyßigster Brief. - - -Ich bin in der That über das Ausbleiben Ihrer Briefe ein wenig unruhig -gewesen. Das kann Ihnen M. Reiz aus dem Briefe sagen, den ich an ihn -beygelegt habe. In einer solchen Verfassung war es wirklich grausam, -- -doch Ihr Brief selbst ist so voll von Freundschaft und Güte, daß ich -nicht mehr daran denken kann, wie sauer ich mir ihn verdient habe. - -Gellert hat den Ausspruch gethan. Ich weiß, Sie werden es selbst -billigen, daß ich ihm diese Entscheidung übertragen, oder daß er so -entschieden hat, sobald Sie sich in meine Verfassung setzen. Stellen -Sie sich einen Menschen vor, der nach zwey verschiedenen Gegenden -zugleich getrieben wird. Vor sich sieht er ein Ziel, welches er gern -erreichen möchte, und nach welchem zu laufen er von alten Athleten, -die seine Stärke oder Geschwindigkeit besser als er selbst zu kennen -glauben, aufgemuntert wird. Schon ist seine Seele, schon sind seine -Muskeln in einer Bewegung, die er noch seinen Füßen nicht hat geben -können; er steht zitternd und unruhig, und erwartet das Zeichen des -Aufbruchs. An beyden Seiten der Schranken sieht er Freunde, die ihm -zurufen, ihn aufmuntern, und ihm auf alle Fälle ihre Glückwünsche oder -ihr Mitleid versprechen. Auf der entgegengesetzten Seite sieht man -Mutter, Onkel, alle natürlichen Freunde des jungen Kämpfers, mit einem -ganzen Kreise von erworbenen Freunden, die sich immer weiter und weiter -von der Laufbahn entfernen, und ihm zurufen, zu ihnen zu kommen, und -noch für immer, oder für eine Weile, mit ihnen zu gehen. Der junge -Mensch ist unentschlossen, verwirrt, ängstlich. Unterdessen geht -die Zeit immer fort. Der Augenblick, wo das Zeichen zum Lauf gegeben -werden soll, nähert sich; seine Freunde entfernen sich immer weiter -und vermehren ihre Zurufungen. Was kann natürlicher Weise der junge -Mensch thun? Nachdem er eine Zeit lang beydes zu vereinigen gesucht, -bald sich nach dem Ziele ausgestreckt, bald seine Freunde zurück zu -halten gesucht hat; und durch entgegengesetzte Bewegungen, die einander -wechselsweise aufheben, in eine Art von Unthätigkeit und Leblosigkeit -gekommen ist; wird er nicht alsdann einen alten Kämpfer, besonders -den, der ihn zuerst ermuntert hat, sich in die Schranken zu stellen, -fragen, wie lange noch Zeit zum Aufbruche sey, und wie weit er noch die -Seinigen begleiten könne? -- Und werden die gütigen Freunde, die ihn an -den Schranken erwarten, wohl unwillig seyn, wenn er diesem Ausspruche -folgt, und sich aus einer solchen Verlegenheit reißt? - -Meine Allegorie ist viel zu lang, denn sie hat mir zwey Drittheile -von dem Platze genommen, den ich noch zu ganz andern Sachen bestimmt -hatte. -- Wenn ich nicht jetzo über meiner Disputation arbeitete, so -würde mich nichts hindern, den zweiten und den dritten Bogen zu nehmen. -Aber jetzo muß ich wirklich ein Wirthschafter mit meiner Zeit seyn. -In drey Wochen, so viel ich jetzo voraus sehe, denke ich abzureisen. -Erfreuen Sie mich unterdessen oft mit Ihren Briefen, und machen Sie -mir, oder bestätigen Sie mir vielmehr die Hoffnung, daß ich Sie nicht -nur so freundschaftlich, so zärtlich, wie Sie immer gewesen sind, -sondern auch gesund, munter und fröhlich antreffen werde u. s. w. - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Vertraute Briefe an eine Freundin, by -Christian Garve - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VERTRAUTE BRIEFE AN EINE FREUNDIN *** - -***** This file should be named 54341-0.txt or 54341-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/4/3/4/54341/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned -images of public domain material from the Google Books -project.) - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Vertraute Briefe an eine Freundin - -Author: Christian Garve - -Release Date: March 11, 2017 [EBook #54341] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VERTRAUTE BRIEFE AN EINE FREUNDIN *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned -images of public domain material from the Google Books -project.) - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> - -<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1801 erschienenen -Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. -Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden -stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente -Schreibweisen wurden beibehalten, insbesondere wenn diese in der -damaligen Zeit üblich waren oder im Text mehrfach auftreten. -Fremdsprachige Zitate werden dem Original entsprechend unverändert -wiedergegeben. Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt.</p> - -<p class="p0">Das Buch wurde in Frakturschrift gedruckt, wobei -üblicherweise zwischen den Großbuchstaben ‚I‘ und ‚J‘ nicht -unterschieden wird. Daher wurde in einer Passage (‚<a href="#frauvoni">Frau von I.</a>‘) -willkürlich der erstere Buchstabe gewählt. Antiquaschrift wird in -dieser Version <span class="antiqua">kursiv</span> dargestellt; -Einzelbuchstaben in Antiquaschrift wurden bei der Auszeichnung aber -nicht berücksichtigt. <span class="htmlnoshow"> Abhängig von der im -jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original -<em class="gesperrt">gesperrt</em> gedruckten Passagen gesperrt, in -serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt -erscheinen.</span></p> - -</div> - -<p class="s2 center break-before padtop3">Christian Garve’s</p> - -<h1>Vertraute Briefe<br /> - -<span class="s6">an<br /> - -eine Freundin.</span></h1> - -<hr class="rtitle1" /> - -<hr class="rtitle2" /> - -<p class="s4 center">L<span class="mleft0_3">e</span><span class="mleft0_3">i</span><span class="mleft0_3">p</span><span class="mleft0_3">z</span><span class="mleft0_3">i</span><span class="mleft0_3">g</span>,<br /> -bey P. Phil. Wolf und Compagnie.<br /> -1<span class="mleft0_3">8</span><span class="mleft0_3">0</span><span class="mleft0_3">1</span>.</p> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<h2 id="Inhalt">Inhalt.</h2> - -</div> - -<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="vat"> - - </td> - <td class="s5 vat tdr"> - Seite - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Vorrede des Herausgebers. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Vorrede_des_Herausgebers">iii</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Erster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Erster_Brief">3</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zweyter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Zweyter_Brief">10</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Dritter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Dritter_Brief">13</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Vierter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Vierter_Brief">18</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Fünfter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Fuenfter_Brief">28</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Sechster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Sechster_Brief">41</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Siebenter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Siebenter_Brief">51</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Achter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Achter_Brief">58</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Neunter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Neunter_Brief">60</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zehnter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Zehnter_Brief">68</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Eilfter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Eilfter_Brief">77</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zwölfter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Zwoelfter_Brief">81</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Dreyzehnter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Dreyzehnter_Brief">88</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Vierzehnter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Vierzehnter_Brief">95</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Funfzehnter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Funfzehnter_Brief">105</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Sechzehnter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Sechzehnter_Brief">111</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Siebenzehnter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Siebenzehnter_Brief">123</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Achtzehnter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Achtzehnter_Brief">130</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Neunzehnter Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Neunzehnter_Brief">141</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Zwanzigster_Brief">145</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Ein und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Ein_und_zwanzigster_Brief">155</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zwei und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Zwei_und_zwanzigster_Brief">165</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Drey und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Drey_und_zwanzigster_Brief">172</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Vier und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Vier_und_zwanzigster_Brief">178</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Fünf und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Fuenf_und_zwanzigster_Brief">187</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Sechs und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Sechs_und_zwanzigster_Brief">194</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Sieben und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Sieben_und_zwanzigster_Brief">202</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Acht und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Acht_und_zwanzigster_Brief">205</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Neun und zwanzigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Neun_und_zwanzigster_Brief">215</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Dreyssigster_Brief">221</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Ein und dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Ein_und_dreyssigster_Brief">227</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Zwey und dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Zwey_und_dreyssigster_Brief">231</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Drey und dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Drey_und_dreyssigster_Brief">237</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Vier und dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Vier_und_dreyssigster_Brief">244</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Fünf und dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Fuenf_und_dreyssigster_Brief">246</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Sechs und dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Sechs_und_dreyssigster_Brief">250</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Sieben und dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Sieben_und_dreyssigster_Brief">254</a> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - Acht und dreyssigster Brief. - </td> - <td class="vab padleft3 tdr"> - <a href="#Acht_und_dreyssigster_Brief">263</a> - </td> - </tr> -</table> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_iii" id="Seite_iii">[S. iii]</a></span></p> - -<h2 id="Vorrede_des_Herausgebers">Vorrede des Herausgebers.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">D</span>ie Freundin Garve’s hat bey der Herausgabe dieser Briefe keine -andere Absicht, als mit allen Freunden und Verehrern des guten Mannes -ein kleines, ihr sehr theures Erbtheil von ihm zu theilen. Daß -dieser Gedanke ihrem eignen Herzen und ihrer Gesinnung gegen ihren -verstorbenen Freund wohlthun, ist sie gern geständig. — So wenig auch -Garve’s <em class="gesperrt">gelehrter Nachlaß</em> dadurch um ein Bedeutendes vermehrt -werden mag, so<span class="pagenum"><a name="Seite_iv" id="Seite_iv">[S. iv]</a></span> kann doch auch der Gelehrte sich wohl dieser Briefe -freuen; er sieht in ihnen den Geist blühen, von dem er die Früchte -kennt und schätzt. Was man von Schriftstellern nicht heraus geben muß, -sind taube Blüthen und unreife Früchte; von einem philosophischen -Geiste ist die Blüthe so angenehm, als die Frucht stärkend; und -wenn ein Mann etwas geworden ist — dann wird der Welt die Frage -interessant: wie wurde er es? — Diese Briefe enthalten vielleicht -manche interessante Data zur Beantwortung der Fragen: Wie war Garve, -der Jüngling? — Wie früh war sein Geist gereift, gefaßt, in sich -gegründet? — Wie wurde Garve, der Mann? — Wie entwickelte sich der -Plan seines Lebens? — Wie wurde Garve, der Schriftsteller? — — Diese -Briefe sind unmittelbar vor seiner Bearbeitung des Cicero geschrieben, -und man<span class="pagenum"><a name="Seite_v" id="Seite_v">[S. v]</a></span> kann sie in mehr als einer Hinsicht als einen Eingang in sein -öffentliches schriftstellerisches Leben ansehen.</p> - -<p>So viel für diejenigen, die in diesen Briefen Garven, den Gelehrten, -suchen. Diese und alle gute Menschen, denen dieselben in die Hände -kommen, mögen sich freuen — dieß ist der lebhafteste, ja ich kann -wohl sagen, der einzige Wunsch der Herausgeberin, ihren Freund hier -in den ersten, reinsten, natürlichsten Verhältnissen des Lebens zu -sehen, Garven, den <em class="gesperrt">Sohn</em>, — den <em class="gesperrt">Freund</em> — und den -<em class="gesperrt">Menschen</em>. — Hier kann ihn der Gute lieben, der den Gelehrten -nicht kennt; und gern wird vielleicht der Gelehrte sein philosophisches -Werk einen Augenblick hinlegen, um mit dem menschlichen Verfasser -desselben einige Zeit im Zirkel seiner Familie, sei<span class="pagenum"><a name="Seite_vi" id="Seite_vi">[S. vi]</a></span>nes Jugendlehrers, -und seiner Freunde, zuzubringen.</p> - -<p>Dieß sind die Gedanken der Freundin Garve’s bey der Herausgabe dieser -Briefe, nach welchen sie wegen derselben von dem Publikum beurtheilt zu -werden wünschen muß.</p> - -<hr class="full" /> - -<div class="chapter"> - -<p class="s1 center mtop3">Vertraute Briefe</p> - -<p class="s4 center">an</p> - -<p class="s4 center">eine Freundin.</p> - -</div> - -<hr class="r25" /> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[S. 3]</a></span></p> - -<h2 id="Erster_Brief">Erster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Dienstags Nachmittags um 3 Uhr,<br /> -den 11. May, 1767.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">E</span>ndlich bin ich wieder bey Ihnen, und vergesse in diesem Augenblicke -alle die Schwermuth, den Verdruß, und die Langeweile, die ich seit -unserer Trennung ausgestanden habe. Wir haben es uns hundert Mal -gesagt, daß die empfindlichen Herzen mehr zum Leiden als zur Freude -gemacht sind. Und wenn ich der Sympathie, die alle unsere Neigungen -einander so gleich gemacht hat, trauen darf, wenn meine Empfindungen -den Ihrigen ähnlich waren, so sind Sie diese drey Tage über nicht -glücklich gewesen. Zuerst eine mehr süße als unangenehme Schwermuth, -aber bald darauf eine finstere und traurige Melancholie,<span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span> die alle -Ideen der Seele in ihre Farbe kleidete, und selbst der Hoffnung nicht -zuließ, sie zu trösten.</p> - -<p>Ich finde, daß ich gemeiniglich in dem Augenblicke, wenn mir ein -Unglück widerfährt — und unsere Trennung halte ich für eins — mehr -bestürzt als traurig bin. Die Geschwindigkeit, mit welcher es mich -überrascht, benimmt mir die Fähigkeit darüber nachzudenken. Ich werde -einiger Maßen fühllos, ich erstarre. Aber wenn mein Gemüth wieder ruhig -genug ist, die Größe und die Folgen des Uebels zu überlegen; wenn es -sich die Scenen des Vergnügens wieder vorstellt, deren es jetzt beraubt -ist; wenn es von da sich zu den künftigen Aussichten wendet; dann wird -erst sein ganzes Gefühl rege, und alle seine Kräfte vereinigen sich -bloß dazu, es in der Traurigkeit zu unterhalten.</p> - -<p>Ich bin Ihnen noch so nahe, und es scheint mir eine unermeßliche -Entfernung zu seyn. Und doch werde ich Ihnen in einem halben Jahre -nicht näher kommen, — vielleicht niemals. Aber lassen Sie mich diese -unglückliche Furcht unterdrücken. Ich sehe Sie<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span> wieder.... Mein Herz -ist mir dafür Bürge, das der Himmel nicht umsonst mit dem Ihrigen so -sympathetisch gemacht hat. Selbst unter einem entfernten Himmelsstriche -würde ich Sie geliebt haben, ohne Sie zu kennen, — eine Person, -die Ihnen ähnlich wäre, eine zweyte Wilhelmine. Und nun, da uns die -Vorsicht zusammen gebracht hat, da wir uns haben kennen lernen müssen, -da wir diesen geheimen Zug der Aehnlichkeit in uns entwickelt, unsere -Seelen gegen einander gehalten, und sie so ähnlich gefunden haben, als -zwey freundschaftliche Seelen seyn müssen; da wir überzeugt worden -sind, daß dieses höchste Geschenk der Gottheit, die Freundschaft, -für unsere Herzen gemacht ist: nun sollten wir einander auf immer -verlassen? um wieder in der Welt nach einer uns verwandten Seele zu -suchen und zu seufzen, und sie vielleicht nicht zu finden.</p> - -<p>Sie sehen, ich schreibe stolz. Ich nenne mich keck Ihren Freund; -und zwar in der hohen Bedeutung, in welcher dieses Wort nur selten -gebraucht wird. Aber wen sollte auch Ihre Gütigkeit nicht stolz machen. -Mein<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> Herz ist noch von derjenigen gerührt, die Sie mir den letzten -Tag erwiesen haben. Wie oft habe ich mir nicht die Auftritte dieses -Tages von meiner Einbildungskraft wieder vorspielen lassen! Und immer -verweilte ich mich bey dem Augenblicke, wo ich in einer Bestürzung, -die mich von meinen Bewegungen nicht mehr Herr seyn ließ, meinen Huth -suchte, und Sie mir das unerwartete Vergnügen ankündigten, daß ich noch -einen halben Tag länger bey Ihnen seyn könnte. Niemals hat man eine -freundschaftlichere Gefälligkeit zu einer gelegenern Zeit gethan, zu -einer so gelegenen Zeit, daß ich Ihnen die Grausamkeit vergebe, daß Sie -mich die Angst des Abschieds haben zwey Mal empfinden lassen.</p> - -<p>Ich sollte Ihnen nun meine Reise beschreiben. Ich wollte sie Ihnen -beschreiben. Ich habe jede Kleinigkeit bemerkt, von der ich hoffte, -daß sie entweder einer kleinen Satyre fähig wäre, oder, durch Ihre -freundschaftliche Theilnehmung an allem was mich betrifft, Ihnen -wichtig seyn könnte. Ich hatte in meinen Gedanken eine ganz kleine -Sammlung von solchen Zügen, und schon dachte ich mit<span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span> Eitelkeit an -die Reisebeschreibung, die ich daraus zusammensetzen wollte. Aber -dieses war noch in der ersten Zeit, wo der Einfluß Ihrer noch nicht -längst verlornen Gegenwart meiner Seele noch Muth und eine gewisse -Munterkeit erlaubte. Aber seit diesem Zeitpunkte sind alle jene Ideen -weggewischt worden. Der Schmerz hat sie alle so einförmig gemacht, daß -ich sie nicht ohne Mühe, und gewiß ohne Anmuth aus ihrer Dunkelheit -hervorziehen würde. Also will ich Ihnen nur kurz sagen, daß ich meine -Reisegesellschaft nicht genauer kennen gelernt habe, als wir sie im -Wirthshause schon kannten, ausgenommen, daß der Macedonier ein großer -Schläfer war, den ich herzlich beneidete, durch die ärgsten Stöße -niemals in seiner Ruhe gestört zu werden; daß der Herr Magister sehr -wenig sprach, und daß dieses Wenige alle Mal etwas kraftloses und -langweiliges war; daß mein Nachbar ein Kaufdiener, und noch ein vierter -ein Dreßdner war.</p> - -<p>Ich selbst habe den Postwagen in W*** verlassen. In der That war -es beynahe eine Unbesonnenheit, die ich beging. Die Sache<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> war so. -Der Postwagen war auf das erschrecklichste befrachtet. Eine Menge -Geldfässer und anderer schwerer Waren! Vier elende und abgetriebene -Pferde würden ihn mit Mühe und Noth bey dem besten Wege gezogen haben. -Aber dieser war entsetzlich. Aus einem Loch ins andere! Ich stieg drey -bis vier Mal ab. Ich ging zu Fuß. Aber so oft ich wieder aufstieg, -verschlechterte sich alle Mal der Weg. Das Gewicht des Wagens machte, -daß er bey jedem Abhange sehr stark schwankte; wir waren zwey Mal in -der größten Gefahr gewesen, umzuwerfen. Endlich bemächtigte sich die -Furcht meiner. Ich dachte an den schrecklichen Fall bey B***werda. -Ich fuhr beständig in Angst. Wir erreichten endlich W***. Einer von -der Gesellschaft, eben der Dreßdner, der eben so furchtsam wie ich -war, nahm hier Extrapost für sich bis H****burg. Ich entschloß mich, -ihm Gesellschaft zu leisten. In der That war es unüberlegt: denn ich -hatte mit genauer Noth so viel Geld bey mir, als nöthig war; und meinen -Koffer hatte ich auf der ordinären zurück gelassen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span></p> - -<p>Wir kamen um 9 Uhr nach H***burg. Ich fand keinen Menschen aus -G****dorf. Man erwartete mich erst Montags. Ich wußte also von neuem -nicht, wie ich nach G****dorf hinüber kommen sollte. Ich erwartete -erstlich die ordinäre Post, um meinen Koffer zu haben. Ich ganz -allein, in der Poststube, wo ein durch die jetzigen Meßexpeditionen -abgematteter Postschreiber auf einem Stuhle schlief, bey einem kleinen -einsamen Lämpchen, hatte alle mögliche Zeit zur Schwermuth. In der That -brachte ich die Stunden höchst traurig zu. Endlich kam mein Koffer. -Ich nahm noch einmal Extrapost nach G****dorf. Hier kam ich um 11 Uhr -an. Meine Freunde, oder vielmehr mein Freund, der eben zu Bette gehen -wollte, empfing mich liebreich.</p> - -<p>Hier lebe ich nun nicht mit der düstern Melancholie, die durch die -Einsamkeit genährt wird, aber in einem gewissen Tiefsinn, den man mir -auch anmerkt. Ich habe kaum diesen Augenblick finden können. Man ruft -mich schon etliche Mal, und ich muß nothwendig den Brief endigen, -ob ich gleich<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> nicht den hundertsten Theil von dem gesagt habe, was -ich Ihnen sagen wollte. Was für eine elende, unvollkommene Art der -Unterredung ist doch ein Brief! Gott segne Sie. Von ganzem Herzen</p> - -<p class="gruss">der Ihrige.</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 id="Zweyter_Brief">Zweyter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">G***dorf, den 28. May, 1767.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>ch reise diesen Augenblick von hier nach H****burg. Dort erwarte ich -Hr. M.. und mit ihm — das angenehmste, was ich in meinen gegenwärtigen -Umständen erhalten könnte, Ihre eigne Gegenwart ausgenommen.</p> - -<p>Ich fange an, das Leben als eine lange und oft beschwerliche Reise -anzusehen, auf der wir von einem höhern Führer geleitet werden.<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span> Von -Zeit zu Zeit kommen einige angenehme Ruheplätze, wo wir uns nur erholen -sollen, und wo wir ganz und gar zu wohnen wünschen. Ihr Haus und ihre -Gesellschaft war einer von diesen. Ich fing schon an in demselben zu -vergessen, daß ich bloß zur Fortsetzung meiner Reise gestärkt werden -sollte. Es kommt der fürchterliche Befehl zum Aufbruche. Ich verlasse -in einer Art von Betäubung den angenehmen Aufenthalt. Endlich kommt -meine Empfindung wieder; aber nur um mich meinen Verlust fühlen zu -lassen. Lange, lange sehe ich mit einer zaudernden Sehnsucht nach dem -gewünschten Orte zurück, indeß ich mich immer mehr von ihm entferne. -Dort, dort, sage ich, ist meine Freundin, und ich reise nach der -entgegenstehenden Gegend. <em class="gesperrt">Von einem unbefriedigten Verlangen zur -Schwermuth ist nur ein einziger Schritt.</em> Endlich verlieren sich -alle diese schmerzhaften Ideen in dem Gedanken an meinen großen und -gütigen Anführer. Er ist zugleich der Führer meiner Freundin. In ihm, -unserm gemeinschaftlichen Vater, vereinigen sich wieder unsere Seelen, -wenn<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span> sie auch durch noch so weite Entfernungen von einander getrennt -sind. <em class="gesperrt">So ist der Schmerz oft unser Lehrer; und eine menschliche -Seele, die niemals traurig gewesen wäre, müßte gewiß lasterhaft -seyn.</em></p> - -<p>Die Pferde sind angespannt, alles ist fertig. Ich schreibe mitten unter -dem Geräusch. — Ich bin unaufhörlich</p> - -<p class="gruss">der Ihrige.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span></p> - -<h2 id="Dritter_Brief">Dritter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">B***, den 3. Juni.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">F</span>leuch, Brief, eile, so geschwind wie meine Gedanken, um es meiner -besten Freundin zu sagen, daß ich meine Reise überstanden, daß ich -meine Mutter wieder gesehen habe, und daß ich mich doch über beydes nur -halb so sehr freue, als wenn sie mit daran Theil nähme.</p> - -<p>O meine gefühlvolle Freundin, was wäre das für eine Scene für Sie -gewesen, da ich meine Mutter wieder sah. Denken Sie nur. Sie wußte -nicht ein Wort davon, daß ich Sonntags kommen würde. Der Himmel hatte -sogar zu meinem Glück den Brief unrichtig gehen lassen, worin ich es -Ihr von G****dorf aus meldete. Sie war den Tag zuvor mit meinem alten -Lehrer (den Sie schon kennen und hochschätzen) dem Hrn. Ringeltauben, -vom Lande herein gekommen.<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span> Die Wiederkunft in die Stadt hatte -den Schmerz über den Verlust der liebenswürdigsten Tochter wieder -aufgeweckt. Meine Reise war ihr ein neuer Kummer. Eine Menge von andern -unangenehmen Umständen hatte ihr Gemüth für das Vergnügen verschlossen. -Sie stand am Fenster in einer bekümmerten und traurigen Stellung. Zu -eben der Zeit komme ich an. Ich steige bey einem fremden Hause ab. Ich -fliege mit einer gewissen Art von ängstlicher Eile über die Straßen. -Ich komme an das Haus meiner Mutter, ohne daß mich ein Mensch gewahr -wird, die Treppe hinauf, fort, fort, bis an das Zimmer meiner Mutter. -Ich eröffne die Thüre mit Zittern. In diesem Augenblicke sehe ich meine -Mutter mit ausgebreiteten Armen auf mich zufliegen. — Mein Sohn, mein -allerliebster Sohn, du bist es! — Ihre Thränen ersticken das übrige.</p> - -<p>Ich war völlig sprachlos. Ich küßte alle, die in der Stube waren, ohne -ihnen ein Wort zu sagen. Ich ging, wie ein Mensch in der Irre, von -einem zum andern herum, ohne zu wissen, wer um mich war, und was<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span> in -mir selbst vorging. Endlich fingen die Thränen an zu fließen. Mein -Herz wurde leichter. Meiner Mutter ihres auch. Ein sanfter und stiller -Schmerz über die Abwesenheit einer Person, die ich bey einem solchen -Auftritte am liebsten würde gegenwärtig gesehen haben, vermischte -sich mit unserer Freude, und brachte eine gewisse stille, aber nicht -verdrießliche Schwermuth hervor, die unter allen Zuständen der Seele -vielleicht der angenehmste ist, und den sie am längsten aushalten kann.</p> - -<p>O meine gütigste Freundin! Ich habe noch nicht alles gewußt, was ich -an meiner Cousine verloren habe. Die liebenswürdigste Gestalt, ein -richtiger und durchdringender Verstand, ein sicheres und feines Gefühl, -Adel und Hoheit in den Empfindungen, Unschuld und Tugend im Herzen; -das waren die Vorzüge, die jeder an ihr kannte, und jeder, der für -Vollkommenheiten von dieser Art Augen hat, hochschätzte. Aber sie war -für mich noch mehr. Sie war die einzige Freundin, der Trost und die -Stütze meiner Mutter, das Band unserer Familie, die Hoffnung und die<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span> -Belohnung eines Freundes, den ich verehre, und der in ihr sein Glück -würde gefunden haben. Denken Sie, was ich dabey fühlen muß, wenn man -mir noch die letzten Beweise ihrer Gewogenheit gegen mich erzählt, -ihren Wunsch, mich wieder zu sehen, ihre Freude bey der Hoffnung von -meiner nahen Zurückkunft. Ist denn alles, was gut und vortrefflich ist, -nur bestimmt, zu leiden und zu sterben?</p> - -<p>Schon fange ich an, für Sie selbst zu fürchten. Eine so gute, -rechtschaffene Frau, eine so zärtliche Freundin, eine so verständige -Mutter, ist vielleicht nur ein Darlehn, kein Geschenk, das der Himmel -der Erde macht. Werden Sie ja wieder gesund, oder Sie machen mich ganz -melancholisch. Ich bin es ohnedieß schon halb; meine Mutter kränklich, -von Schmerz und Kummer verzehrt; mein Onkel seiner geliebtesten Tochter -beraubt; meine übrigen Freunde theils zerstreut, theils unglücklich: -ist das nicht mehr als genug, selbst ein hartes Herz zu beunruhigen? —</p> - -<p>Sie sehen, ich habe Ihre Briefe erhalten. Einen durch Hrn. M.., den -andern gestern<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span> mit der Post. Sie sind die angenehmste unter meinen -Ergötzungen gewesen. Was meynen Sie wohl? Herr M.. gab mir ihn erst -in Stauchitz. Bis dahin sagte er nicht ein Wort, daß er einen Brief -von irgend einem Menschen hätte. Glauben Sie nicht, daß mich diese -fehlgeschlagene Hoffnung, einen Brief von Ihnen zu bekommen, den Weg -über sehr unruhig machte? Und doch fürchtete ich mich zu fragen, weil -ich den Zweifel für besser hielt, als einer unangenehmen Sache gewiß zu -seyn. Endlich wagte ich es, ihn ganz leise zu fragen, ob er von Niemand -Briefe hätte. Ja, sagte der Mensch ganz gelassen, ich habe einen von -***. Was ist doch der Mann für eine Schlafmütze, dachte ich. Geschwind, -geschwind her mit dem Briefe! Aber was ist denn das für eine Dame, die -an Sie so zeitig schreibt? — Eine gute Frau, eine recht sehr gute -Frau! Aber geben Sie mir den Brief her. Nun denken Sie sich das übrige. -—</p> - -<p>Den Augenblick kommt man, und sagt, daß die Post abgeht, und ich meine -Briefe würde hier behalten müssen. Ums Himmels<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span>willen, mein lieber -Post-Sekretär, wenn ich Euch jemals eine solche Freundin, wie ich habe, -wünschen soll, so bestellt diesen Brief an die meinige!</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 id="Vierter_Brief">Vierter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">B***, den 8. Juni.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">U</span>ngeachtet ich anfangs über die neue Einrichtung, die es Ihnen mit -meinem Posttage vorzunehmen beliebte, ein bischen murrete, so muß -ich Ihnen doch jetzt sagen, daß Sie es recht gut gemacht haben. Sie -kennen die Theorie des Vergnügens. Sie wissen, wie notwendig es sey, -seine Vergnügungen zu sparen, um sie recht zu genießen. Durch Ihre -gegenwärtige Einrichtung haben Sie zwischen dem Vergnügen, von Ihnen -Briefe zu bekommen, und dem beynahe eben so großen, Briefe an Sie zu -schreiben, fast gleiche Zwischenräume gesetzt, da sie sich vorher<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> -unmittelbar auf einander drängten. Auf diese Art wird mir die Zeit von -einem Freytage zum andern kürzer, und zwischen beyden Unterredungen, -die ich mit Ihnen die Woche halte, bey deren einer ich Sprecher, und -bey der andern Hörer bin, ist doch auch Raum genug, um das Verlangen -nach einer neuen wieder recht lebhaft zu machen.</p> - -<p>Wissen Sie, was mir das ärgste bey dieser Art von Umgang zu seyn -scheint? Dieses, daß ein Brief, den man (wenn unsere Freunde sehr gütig -sind) acht Tage erwartet hat, in eben so viel Minuten zu Ende gelesen -ist, und nach Verlauf dieser glücklichen acht Minuten, in denen man den -Brief lieset, schon wieder die neuen acht Tage angehen, in denen man -auf den folgenden wartet. Bey alle dem bin ich doch noch immer sehr -glücklich, daß Sie so gütig sind, und meinem Vergnügen alle Wochen -einen Theil Ihrer Zeit schenken. Ihre Briefe geben mir wieder in meinen -Augen einen gewissen Werth. Und dieses ist sehr nöthig, da ich mir hier -zuweilen in gewissen Gesellschaften recht einfältig vorkomme.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span></p> - -<p>Ich habe mir vorgenommen, Ihnen heute viel von mir selbst -vorzuschwatzen. Nicht eben, daß ich mich für einen sehr guten -Gegenstand des Gesprächs hielte; aber ich habe heute nun einmal keinen -bessern, oder wenn ich ihn hätte, so wäre ich nicht dazu aufgelegt, ihn -zu nutzen. Ich muß mich also schon mit mir selbst begnügen. Ueberdieß -sind Sie selbst daran schuld, daß Sie mir die Eitelkeit in den Kopf -gesetzt haben, als wenn alles, was mich anginge, sehr wichtige Sachen -für Sie seyn müßten. Diese Einbildung mache ich mir also zum Vortheile -meiner Trägheit zu Nutze, und mache getrost meine Briefe zu einem -guten, ehrlichen Zeitungsblatte von mir selbst. Heute sollen Sie also -erfahren, wie ich meinen Tag hier gewöhnlicher Weise zubringe; obgleich -der Ausnahmen beynahe so viel sind, als der Fälle, die unter die Regel -gehören.</p> - -<p>So wissen Sie denn, daß ich nicht bloß gewöhnlich, sondern beständig -sehr spät aufstehe. Dieses <em class="gesperrt">spät</em> aber müssen Sie weder früher -noch später annehmen, als acht Uhr des Morgens nach B***scher Uhr. -Ich habe schon lange die Ursachen dieser Begeben<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span>heit, die mit meinen -Entwürfen und Vorsätzen so wenig übereinstimmt, aufgesucht; ich bin -aber noch nicht weiter als bis auf die Dunkelheit der Alkove gekommen, -in der ich liege, und die der Sonne vor Mittag den Besuch nicht -erlaubt. Dieses ist ein sehr gutes Mittel die fernere Untersuchung -wenigstens aufzuschieben, die sich vermuthlich damit endigen würde, daß -ich ein wenig faul wäre.</p> - -<p>Der erste Gedanke, wenn ich erwache, ist, nach einem kurzen Dank für -das Geschenk eines neuen Tages, der Gedanke an meine Freunde. Wie -glücklich, denke ich alsdann, bin ich, daß ich wieder in einer Welt -erwache, in der so manches edle, vortreffliche Herz an meinem Leben -und an meiner Wohlfahrt Theil nimmt! Ich überzähle alsdann mit aller -der Begierde, mit der ein reicher Geitziger am frühen Morgen seine -Summen wieder überzählt, die Anzahl dieser Freunde. Ich bin nicht -mißvergnügt, daß ich sie so klein finde. <em class="gesperrt">Das Herz liebt desto -stärker, je mehr es konzentrirt ist.</em> Dieser stille Genuß der -Glückseligkeit, Freunde zu haben, bereitet mich zu einer andern vor; -— zu der,<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span> ihnen Gutes zu wünschen. Wie rührt und wie erhebt mich in -diesem Augenblicke ein Gedanke an den Herrn und den Vater, den ich mit -allen meinen Freunden gemein habe. Er ist bey ihnen, so wie bey mir -gegenwärtig; er regiert ihr Leben, so wie das meinige; er sorgt für -ihre Glückseligkeit mit alle dem Eifer, mit dem ich dafür sorgen würde, -wenn ich die Macht dazu hätte. Durch diese Erinnerung scheinen sich mir -die weitesten Entfernungen zu verengern. Ich vereinige mich mit meinen -Freunden. Bürger einer und derselben großen Republik, in einerley -gemeinschaftlichen Plan von allgemeiner Glückseligkeit verflochten, -von einerley Gesetzen regiert und von gleichen Hoffnungen belebt, sind -unsere Geister unter einem beständigen, gemeinschaftlichen Einfluß eben -derselben Güte! —</p> - -<p>Ich muß mich mit Gewalt von diesen Betrachtungen losreissen. Das -Vergnügen macht geschwätzig. Und doch sind Worte so wenig fähig, -Vergnügungen von der Art zu beschreiben, daß man nothwendig entweder -einem Herzen, das sie niemals empfunden hat, verdrießlich, oder einem -solchen, das sie kennt,<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> matt und kraftlos vorkommen muß. Auf diese -geheimen Ergötzungen folgt eine andere, an der meine liebe Mutter, und -meine Cousine, die beständig bey ihr ist, Theil nimmt. Wir trinken -gemeinschaftlich auf einem kleinen Altan, den wir haben, und der mit -Grünem besetzt ist, Thee. Sie wissen schon, was ich Ihnen sonst von dem -Vergnügen der Theestunde vorgeschwatzt habe; und in der That bleibt es -noch immer eine der schönsten Stunden des ganzen Tages. Sie können es -auch daraus schließen, daß wir sie fast niemals vor zehn Uhr endigen. -Ich habe mich hier zum Lekteur meiner ganzen Familie aufgeworfen, und -man hört mich noch so ziemlich gern. Ich lese also diesem Amte zu -Folge auch manchmal beym Thee ein Stück vor. Das gewöhnlichste aber -ist, daß wir bloß sprechen; sehr oft von Leipzig, noch weit öfter -von Ihnen; das können Sie denken. Um zehn Uhr gehe ich herunter, und -diese beyden Stunden bis zu Mittage lasse ich mir ungern rauben. Mein -Geist wird ohne eine tägliche Nahrung trocken und leer. Er ist keine -immerbrennende Flamme, die durch ihre eigene Kraft in die Höhe<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span> steigt. -Er ist wie das in Stein eingeschlossene Feuer, das nur von Zeit zu Zeit -Funken giebt, und auch diese müssen erst heraus geschlagen werden. Ich -lese also in diesen zwey Stunden, oder ich schreibe. Das was ich lese, -und was ich davon denke, das sollen Sie alles nach und nach erfahren. —</p> - -<p>Aber diese zwey kostbaren Stunden sind eben jetzt vorbey; ich habe -sie dazu angewendet, an Sie zu schreiben; und das ist gewiß der -beste Gebrauch, den ich die ganze Woche davon mache. Dem ungeachtet -verzweifle ich noch nicht, ehe man mich zu Tische ruft, zu Ende zu -kommen. Das nächste also, was jetzt folgt, ist, daß ich esse. Die -Gesellschaft eben dieselbe, die es beym Thee war. Die Gerichte sehr -mäßig, aber sehr wohlschmeckend. Und hier kann ich nicht unterlassen, -eine kleine Lobrede für die Schlesischen Köche und Köchinnen -einzuschalten. Wenn ein Land durch gute Suppen, durch sehr fettes -und derbes Rindfleisch, durch vortreffliches und wohlzugerichtetes -Kräuterwerk glücklich würde, so wäre in der Welt nichts ungerechter, -als die Klagen, von denen meine Ohren hier gar<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> nicht ausruhen. Denn -alles das und noch weit mehr, als ein solcher Idiot in der jetzigen -Favorit-Wissenschaft der Welt, wie ich bin, sagen kann, das besitzt -Schlesien. O warum kann ich nicht hier Ihren Geschmack aufbieten, mir -Recht zu sprechen! Warum kann ich Sie nicht einmal mit dem Manne, ohne -welchen alle mögliche Schlesische Gerichte umsonst vor Ihnen stünden, -an unserm Tische sitzen sehen! —</p> - -<p>Wenigstens will ich den Einfall in meinen Gedanken verfolgen. Ich werde -den Augenblick gerufen. Wie wäre es, wenn Sie, ohne ein Wort zu sagen, -nach B***lau gekommen wären, wenn Sie mich heute überraschen wollten, -wenn ich Sie oben schon an unserm Tische sitzen und auf mich schmälen -sähe, daß ich Sie so lange habe warten lassen. Ich gehe, ich gehe, — -um meinen Traum zu vernichten. —</p> - -<p>Ich komme eben von Tische wieder, und ich habe nur noch einen -Augenblick Zeit bis zur Post. Auf meiner Mutter Stirne saßen, wie ich -heraufkam, einige finstere Wolken. Einige verdrießliche Geschäfte, und -noch mehr als das, die Unruhe eines Baues, der sie<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span> beynahe aus ihrem -Zimmer vertreibt, hatten diese Wolken zusammengezogen. Ich schreibe mir -heute die Ehre zu, sie zerstreut zu haben. Wenigstens habe ich meine -Mutter heiterer verlassen, als ich sie fand. —</p> - -<p>Um also meinen Tag vollends bis zum Abend zu bringen, so müssen Sie -wissen, daß ich unmittelbar nach Tische eine kleine halbe Stunde den -Flügel spiele. In meiner Mutter Stube steht ein ziemlich guter mit zwey -Klavieren. Dann kommt der gesellschaftliche Kaffee. Sie können glauben, -daß ich den niemals ohne meine Mutter und Cousine trinke, ausgenommen, -wenn diese Frauenzimmerbesuch hat, den ich nicht kenne. Nichts ist -ungewisser und unsicherer als der übrige Rest des Nachmittags. Wir -fahren zuweilen in Gesellschaft einiger Freunde spazieren. Ein ander -Mal gehe ich ganz allein mit einem einzigen Bekannten. Ich besuche dann -und wann die hiesigen öffentlichen Bibliotheken; ich mache zuweilen -Staats-Visiten, die mich ennuyiren; und dann endlich bleibe ich einmal -zu Hause, um recht viel oder gar nichts zu thun.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span></p> - -<p>Der Abend ist dem Mittag vollkommen ähnlich. Ordentlicher Weise ist -mein Onkel bey uns, der der rechtschaffenste Mann, aber fast immer -kränklich und dann und wann ein wenig argwöhnisch ist. Leben Sie wohl. -Ich bin —</p> - -<p class="center mtop1">N. S.</p> - -<p>Denken Sie einmal, liebste Freundin! gestern bekomme ich von Herrn -Weisen einen Brief, — einen sehr gütigen, freundschaftlichen -Brief. Und dieses Vergnügen muß mir durch eine so traurige -Nachricht verbittert werden, als die von Meinhards Tode. Ja, dieser -rechtschaffene Mann, dieser große Gelehrte, dieser schöne und -empfindliche Geist, dieser mein Freund — ist todt. <span class="antiqua">Peace to his -gentle shade!</span></p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span></p> - -<h2 id="Fuenfter_Brief">Fünfter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">B***, den 9. und 10. Juni.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">N</span>iemals ist ein Brief mit einem so schmerzhaften Verlangen erwartet -worden, als ich gestern den Ihrigen erwartete. Selbst in dem Schoße -meiner Familie, und an der Seite der vortrefflichsten Mutter, empfinde -ich dem ungeachtet, daß mir noch ein Freund und eine Freundin fehlt, -um diesem Glück seine Vollständigkeit zu geben. Ich fühle es, daß mir -Ihr Umgang nothwendig geworden ist; und ohne die Gütigkeit, mit welcher -Sie mir Ihren Briefwechsel versprachen, und ohne die Beständigkeit, -mit welcher Sie dieses Versprechen ausführen, würde ich meine -hiesigen Freunde mit dem beständigen Anblick einer gewissen Unruhe -beleidigt haben, die sie vielleicht auf die Rechnung eines Mangels von -Zärtlichkeit geschrieben hätten. Aber jetzt setzt<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span> mich Ihre Gütigkeit -in den Stand, zwey der angenehmsten Beschäftigungen mit einander zu -verbinden, die Unterhaltung mit meiner Mutter und das Andenken an Sie.</p> - -<p>Meine Mutter kannte Sie schon als eine sehr gütige Freundin von ihrem -Sohne, ehe ich noch Leipzig verließ. Aber nun kennt sie Sie als eine -vortreffliche Frau, als eine zärtliche Freundin, mit einem Worte, als -eine Person von einem solchen Geiste und einem solchen Herzen, als die -Liebe und die Freundschaft nöthig hat, wenn sie beschlossen hat, einen -glücklichen Ehemann und einen kleinen Kreis glücklicher Freunde zu -machen.</p> - -<p>Was meynen Sie wohl? Ich zeige meiner Mutter alle Ihre Briefe. Sie -liest sie beynahe mit eben dem Feuer, mit welchem ich sie lese. Bey -gewissen Stellen füllen sich ihre Augen mit Thränen der Zärtlichkeit -und der Freude. So stark wirken diese gleichgestimmten Herzen auf -einander, selbst in der weitesten Entfernung. Glauben Sie wohl, daß -ich es hätte aushalten können, ein ganzes halbes Jahr zuzubringen, -ohne Jemand zu haben, mit dem ich mich von Ihnen un<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span>terreden könnte, -und in dessen Schoß ich zuweilen mein volles Herz ausleerte, wenn -Ihre Gütigkeit und die Sehnsucht nach Ihrem Umgange dasselbe mit -zu unruhigen und stürmischen Wünschen anfüllte? Und könnte wohl -diese Person Jemand anders als meine Mutter seyn? Sie, die an den -kleinsten Vergnügen ihres Sohnes Theil nimmt, sollte sie nicht in der -Glückseligkeit, die ihm der Himmel geschenkt hat, eine Freundin und -einen Freund zu besitzen, einen Theil derjenigen wieder finden, die sie -durch den Tod einer Tochter, die zugleich Freundin war, verloren hat?</p> - -<p>Ja, gütigste Freundin, schon theilt meine Mutter alle die Empfindungen -mit mir, die mir die Bekanntschaft mit einer so edlen und zugleich -zärtlichen Seele eingeflößt hat, und die ich, wenn es möglich ist, -durch die Abwesenheit noch gestärkt und vermehrt finde. Unsere -Unterredungen beleben sich am meisten, wenn sie Sie zum Gegenstand -haben; und ohne daß wir es gewahr werden, kommen sie durch die -wunderbarsten Irrgänge immer wieder auf diese Lieblingsmaterie zurück. -So<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span> viel Gewalt hat das Herz über unsere Denkungskraft, daß die -leichtesten und schwächsten Verbindungen schon genug sind, Ideen in die -Seele wieder zurück zu bringen, die durch ein starkes Interesse an uns -gebunden sind. Lassen Sie sich dieses von <em class="gesperrt">Home</em> viel besser und -gründlicher sagen. Ich mag nicht philosophiren, ich will Ihnen bloß -sagen, was ich empfinde. —</p> - -<p>Aber gütigste Freundin, wie haben Sie es übers Herz bringen können, -mir mit einem so versteckten, aber für mich doch sehr fühlbaren -Vorwurf wehe zu thun? — Oder trauten Sie es der Feinheit meines -Gefühls nicht zu, daß ich den kleinen Ansatz von Empfindlichkeit -gewahr werden würde, der Ihnen die Worte eingab: „Ich suchte in der -Folge Ihres Briefes Trost, aber ich fand keinen. Sie, der Sie mit mir -einerley Gefühl haben, Sie empfinden den Unterschied wohl, der zwischen -der Verstorbenen und mir ist!“ Und noch dazu eine so ceremoniöse -Vorsichtigkeit, Ihren Namen nicht zuerst zu schreiben! Ein kleiner, -ganz kleiner Rest von Weiblichkeit! würde Onkel Selby sagen. Wie? -glauben<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> Sie wohl, daß ich meine Cousine liebte, und die Eigenschaften -nicht von ganzem Herzen hochschätzte, die sie liebenswürdig machten? -daß ich ihren Verlust beweinen, und mich nicht zugleich über den Besitz -von Freunden erfreuen sollte, in denen ich ihren Geist und ihr Herz -wieder finde? Oder können Sie so ungerecht gegen sich selbst seyn, -diese größten Geschenke des Himmels in sich zu verkennen, und sich -unter Ihren eigenen Werth herabzusetzen? Liebste, gütigste Freundin, -lassen Sie sich niemals durch einen gewissen Unmuth die Erhabenheit der -Seele schwächen, die ohne Stolz, dennoch ihre eigene Vollkommenheit -fühlt, und indem sie die Stufe erkennt, auf welche die Güte des -Schöpfers sie gesetzt hat, dadurch nur noch mehr Muth bekommt, höhere -zu erreichen. —</p> - -<p>Aber lieber will ich glauben, daß Sie nur darum diese Stelle in Ihren -Brief gesetzt haben, um mir die Gelegenheit, die ich so sehr wünsche, -zu geben, es Ihnen noch einmal zu sagen, wie hoch ich meine Freundin -schätze, und wie theuer sie meinem Herzen ist. Ich kann dieses, zu -meinem eigenen Vergnügen<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span> nicht oft genug wiederholen. Denn welche -Glückseligkeit ist der gleich, seinem Freunde zu sagen, daß man ihn -liebt, wenn es nicht die Glückseligkeit ist, zu hören, daß man von ihm -geliebt wird? Wenn ich also von meiner Cousine rede, so glauben Sie -nur, daß keine Ideen verwandter sind und einander leichter erwecken, -als der Gedanke an ein Gut, das man verloren, und der an ein anderes, -das uns der Himmel noch läßt; und daß der Abgang von so theueren -Freunden das Herz nur noch zärtlicher gegen diejenigen macht, die uns -noch übrig sind.</p> - -<p>Ich glaube, ich habe Ihnen schon in Leipzig gesagt, daß ein Freund von -mir und von unserm Hause, ein junger angehender Dichter, der jetzt -in Halle studirt, ein Gedicht auf meine Muhme gemacht hat. Ich habe -es hier erst zu sehen bekommen. Weil viel gute Stellen darin sind, -obgleich manche gegen die übrigen matt, andere in der Verbindung, -in der sie stehen, nicht richtig und zusammen hängend genug, und -noch andere zu überhäuft und nur durch die Rechte der Poesie zu -entschuldigen sind, so will ich es<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span> Ihnen abschreiben. Aber schöner, -als das ganze Gedicht, ist meinem Urtheile nach ein Motto aus dem -Petrarch, welches er demselben vorgesetzt hat. Wo ich nicht irre, so -ist es eine der schönsten Stellen im ganzen Petrarch. Es ist aber zur -Anwendung auf die Person, die der Gegenstand dieses Gedichts ist, -nicht schicklich und angemessen genug, und überhaupt kann es nur im -Munde eines Liebhabers und eines solchen Liebhabers als Petrarch, -sein rechtes Verhältniß bekommen. Ich will es wagen, die Stelle zu -übersetzen, ob ich Sie gleich zu eben der Zeit bedauren werde, daß Sie -nicht das Original lesen können.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span></p> - -<div class="blockquot"> - -<p>„Wer alles sehen will, was nur die Natur und der Himmel unter den -Menschen vermag, der komme, diese zu sehen. Aber er komme bald. -Denn der Tod raubt zuerst die besten, und läßt die schlechtern -stehen. Dieses in dem Reiche der Götter schon lang erwartete schöne -und sterbliche Geschöpf geht nur vorüber, und bleibt nicht. Wenn er -noch zu rechter Zeit kommt, so wird er jede Tugend, jede Schönheit, -jede erhabene Eigenschaft in einem Körper mit wunderbarer Mischung -vereinigt sehen. Aber wenn er zu lange zaudert, so wird er nur -kommen, um beständig zu weinen“<a name="FNAnker_A_1" id="FNAnker_A_1"></a><a href="#Fussnote_A_1" class="fnanchor">[A]</a>.</p></div> - -<p>Ist diese Apostrophe nicht das rührendste Gemählde eines von Schmerz -ganz durch<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span>drungenen Herzens? Aber nun zum Gedicht selbst. Sie sollen -nur die besten Strophen davon bekommen.</p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Also blühte rühmlich Doris Leben —</div> - <div class="verse">Rühmlich mußte sie es wieder geben;</div> - <div class="verse">Und das grosse Beyspiel im Erblassen</div> - <div class="verse">Noch der Erde zum Vermächtniß lassen;</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Da ihr lieblich Auge brechen sollte,</div> - <div class="verse">Stürmend Feuer durch die Adern rollte,</div> - <div class="verse">Freunde sprachlos matte Hände rangen,</div> - <div class="verse">Und die Engel froh die Flügel schwangen,</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Schaute sie des Todes letzten Schlägen</div> - <div class="verse">Voll Geduld und Majestät entgegen,</div> - <div class="verse">Ruhig, da die Trennung jetzt begonnte,</div> - <div class="verse">Weil sie nur die Hülle wechseln konnte.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Keusche Jungfraun, eilt ihr Grab zu ehren.</div> - <div class="verse">Pflanzt Zypressen, oft benetzt mit Zähren,</div> - <div class="verse">Und gelobet auf dem Staub der Schönen</div> - <div class="verse">Euren Wandel einst wie sie zu krönen.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Aus den Zweigen soll ein Hayn entsprießen,</div> - <div class="verse">Junge, leicht verführte Töchter müssen</div> - <div class="verse">Ihn besuchen, die Geschichte hören,</div> - <div class="verse">Und erröthend sittsam wiederkehren.</div> - </div> -<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37"></a></span> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Jährlich sollen freundschaftliche Reyhen,</div> - <div class="verse">Wo sie schlummert, zarte Lilien streuen,</div> - <div class="verse">Und das Opfer mit gedämpften Saiten</div> - <div class="verse">Und wehmüthigem Gesang begleiten.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Nie, Geliebte, nie wirst du vergessen!</div> - <div class="verse">Deinen Nachruhm wird kein Ruhm ermessen.</div> - <div class="verse">Laß noch Einen für die Tugend brennen,</div> - <div class="verse">So wird er auch dich mit Ehrfurcht nennen.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Und sollt’ einst auf der undankbar’n Erden</div> - <div class="verse">Sie verkannt, gehaßt von allen werden;</div> - <div class="verse">Darf sie nur, um alle zu entzücken,</div> - <div class="verse">Sich mit deinem süßen Reitze schmücken.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Dürfte ich wohl so eigennützig seyn, und mit diesem kleinen Geschenke -wuchern? Meine Freunde kennen Sie noch nicht als eine eben so -empfindungsvolle Dichterin, als Sie eine gefühlvolle Ehegattin und -Freundin sind. Einige von den kleinen Stücken, die Sie mir einmal -vorlasen, und unter diesen auch das Hochzeit-Gedicht, das Sie für -einen Ihrer Bekannten gemacht haben, würden mich in den Stand -setzen, dieses Vergnügen meiner<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> Mutter zu machen. Ich würde sogar -durch die Mittheilung derselben ein gewisses Ansehen bekommen. Ich -würde Macht haben, Gefälligkeiten auszutheilen; und ich würde gewiß -meine Geheimnisse nicht so wohlfeil verkaufen. Sie sehen schon, daß -ich unbescheiden genug bin, auch wohl gar eine kleine Mühe Ihnen -aufzulegen. —</p> - -<p>Wenn ich nur dafür im Stande wäre, Ihr Tagebuch, das mich so sehr -unterhält und mich auf einige Augenblicke wieder zu Ihnen zurück -bringt, mit einem eben so angenehmen zu vergelten. — Aber meine -Geschichte (ich nehme die Unterhaltung mit meiner Mutter aus, und -die wissen Sie schon größten Theils) ist so einförmig, oft für den -Helden derselben so langweilig, und fast immer für die Leser so wenig -unterrichtend, daß ich alle Mal abgeschreckt werde, so oft ich daran -denke, meine Briefe mit meinen Begebenheiten, anstatt mit meinen -Empfindungen anzufüllen. Sie sollen unterdessen alle meine Freunde, -die ich hier hochschätze, kennen lernen. So bald nur der Cirkel von -Besuchen,<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> in dem ich mich jetzt herumgedreht habe, durch seyn wird, -so werde ich es mir zu einer fest gesetzten Beschäftigung machen, Sie -ganz in unsere Familie und in unsere Bekanntschaften einzuführen, und -mich auch zuweilen für die Langeweile, die mir einige davon machen, zu -rächen.</p> - -<p>Meine Reise ist, wie Sie wissen, glücklich, aber dem ungeachtet -ziemlich unangenehm gewesen. Meine Gesellschafter waren entweder -Misanthropen oder Schläfer. Ich dankte unterdessen beyden für die -Muse, die sie mir gaben, an meine Freunde zu denken. Oft in der Mitte -der Nacht, wenn alles um mich schlief, schweifte meine durch die -Stille noch mehr aufgeweckte Seele zu allen Wohnungen meiner Freunde -umher, und segnete ihren sanften und ruhigen Schlaf. Bald flog ich -unsern langsam kriechenden Pferden zuvor, warf mich in Gedanken zu den -Füßen des Bettes meiner Mutter, küßte sanft ihre Hand um sie nicht zu -wecken, und flehte den Beystand der sie bewachenden Engel an, sie mir -zu beschützen. Bald überraschte ich Sie,<span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span> weit glücklicher als mein -Freund Reiz, in Ihrem Schlafzimmer, und gebot Ihrem Schutzgeist, Ihnen -mitten im Schlafe die angenehmsten, fröhlichsten und schönsten Bilder -vorzustellen, und Ihre Seele, selbst ohne ihr Wissen, noch vollkommener -zu machen. — Alsdann — Ich freue mich, theuerste Freundin, daß unsere -Freundschaft von der Beschaffenheit ist, daß meine Seele von dem -Andenken an Sie, unmittelbar zu dem Gedanken an Gott, unsern großen und -gemeinschaftlichen Freund, übergehen kann, zu dessen Verehrung solche -Seelen, wie die Ihrige, geschaffen worden. Meine Seele steigt durch -diese Stufen auf eine leichtere Art bis zu ihm hinauf.</p> - -<p>Aber ich muß, ich muß schließen u. s. w.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_A_1" id="Fussnote_A_1"></a><a href="#FNAnker_A_1"><span class="label">[A]</span></a> -Für Freunde des Originals folgt hier das ganze Sonnet:</p> - -<div class="poetry-container antiqua"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Chi vuol veder quantunque può natura,</div> - <div class="verse mleft1">E’l Ciel tra noi, venga a mirar costei,</div> - <div class="verse mleft1">Ch’è sola un Sol, non pur agli occhi miei,</div> - <div class="verse mleft1">Ma al mondo cieco, che virtù non cura;</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse">E venga tosto, perchè morte fura</div> - <div class="verse mleft1">Prima i migliori, e lascia stare i rei;</div> - <div class="verse mleft1">Questa aspettata regno degli Dei</div> - <div class="verse mleft1">Cosa bella mortal passa, e non dura.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Vedrà s’arriva a tempo, ogni virtute,</div> - <div class="verse mleft1">Ogni bellezza, ogni real costume</div> - <div class="verse mleft1">Giunti in un corpo con mirabil tempre.</div> - <div class="verse">Allor dirà, che mie rime son mute.</div> - <div class="verse mleft1">L’ingegno offeso dal soverchio lume;</div> - <div class="verse mleft1">Ma se più tarda, avrà da pianger sempre.</div> - </div> - </div> -</div> - -</div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span></p> - -<h2 id="Sechster_Brief">Sechster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">B***, den — Juli.<br /> -1767.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">W</span>issen Sie auch wohl, daß ich Ihre Frage, ob wir noch einerley -Empfindungen mit einander hätten, für einen Vorwurf würde angesehen, -und daß mich dieser Vorwurf würde gekränkt haben, wenn ich nicht selbst -in den Beyspielen, die Sie dafür anführen, eine nette Bestätigung -dieser Gleichheit Ihrer Gesinnungen mit den meinigen, auf die ich so -stolz bin, gefunden hätte. Ich kann mir also unmöglich helfen. Ich muß -erst diese beyden Punkte erörtern, ehe ich ein Wort weiter schreiben -kann, gesetzt auch, daß Ihnen indeß der Brief vor Langerweile aus der -Hand fallen sollte.</p> - -<p>Zuerst also meine Unzufriedenheit bey meiner Ankunft in B****. Sollte -ich<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> Ihnen erst nöthig haben, die Quellen davon zu entdecken? Sie -sagen, ich hatte Freunde verlassen, die mich liebten, und ich kam zu -andern, die ich auch liebte. Haben Sie niemals diese angenehme Mischung -von Schmerz und Vergnügen, von Verlangen und von Befriedigung, von -Sehnsucht nach abwesenden Gütern, und von Genuß der gegenwärtigen -empfunden? Haben sich niemals mit den Thränen, die Sie über den Anblick -neuer Freunde vergossen, diejenigen vermischt, die Ihnen das Andenken -an die, von denen Sie sich losgerissen hatten, ablockte? Sie, die Sie -die menschliche Seele so gut kennen, da Sie Ihre eigene mit so vieler -Sorgfalt studirt haben, wissen Sie nicht, wie geschickt eine gewisse -Art von Freude ist, die traurigen Empfindungen, die eine Zeit lang in -der Seele geschlafen haben, wieder zu erwecken, und mit ihnen vermischt -einen gewissen Zustand der Ermattung hervorzubringen, wo die Seele, zu -denken und zu handeln unfähig, unter der Menge von dunkeln Ideen, die -sich in ihr zusammen drängen, erliegt. So empfand meine gute Mutter den -Verlust ihrer<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span> Tochter niemals mehr, als da sie ihren Sohn wieder sah, -und ich fühlte in den ersten Umarmungen meiner Mutter am meisten, wie -viel ich an Freunden verloren hatte, die in diesem Augenblicke mit mir -die Glückseligkeit einer wieder vereinigten Familie würden getheilt -haben.</p> - -<p>Dieses waren die Regungen der ersten Augenblicke. Ihnen folgten andere -eben so traurige, aber weniger angenehme. Glauben Sie ja nicht, daß -die guten Leute immer glücklich sind. Wenn sie es wären, so bin ich -stolz genug zu sagen: unser Haus würde mehr als einen Glücklichen -einschließen. Aber wie weit, wie weit ist es davon entfernt, daß dieses -ganz wahr seyn sollte? Meine Mutter, durch die natürliche Zärtlichkeit -ihres Körpers, und durch die große Empfindlichkeit ihrer Seele, einer -Menge von Uebeln bloß gestellt, mit denen die Natur härtere und -fühllosere Menschen verschont hat; durch eine beynahe fortgehende Reihe -von Unglücksfällen in einer beständigen Uebung dieser Empfindlichkeit -unterhalten; durch eine sehr schwere und sorgen<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span>volle Nahrung, die -sie seit dem Tode ihres Mannes ohne Gehülfen und Rathgeber besorgt, -abgemattet und entkräftet, von Krankheit und der Annäherung des Alters -bis zu dem äußersten Grade der Zärtlichkeit in ihren Nerven gebracht; -und in diesem Zeitpunkte ihrer besten Stütze beraubt, und fast mitten -unter ihrer Familie einsam und verlassen, — sagen Sie mir, geliebte -Freundin, was würden Sie in meinen Umständen fühlen, wenn Sie, so wie -ich, sich außer Stande sähen, dieser Mutter zu helfen; wenn Sie ihr -sogar in der Zukunft keine Aussicht, wenigstens keine nahe Aussicht -anweisen könnten, durch die Sie ihre gegenwärtigen Umstände erträglich -machten? Sagen Sie mir, liebe Freundin, wo ist die Stelle, die für -mich zubereitet ist, und von der ich hoffen könnte, meiner Mutter die -ihrem gütigen Herzen so theuere Glückseligkeit zu verschaffen, in der -Gesellschaft ihres Sohnes ihre letzten Tage in Ruhe und Zufriedenheit -zuzubringen? Ich selbst in die Welt nur noch so hingeworfen, in die -Welt, die, dem Himmel sey es gedankt, nicht ganz leer von Freunden -für mich, aber viel<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span>leicht leer von Beförderern und dem, was man -darin Patronen nennt, ist; ich selbst noch von einem Orte zum andern -herumirrend, zwar nicht ganz ohne Endzweck, aber doch noch ohne große -Mittel, diesen Endzweck auszuführen; was kann ich für meine Mutter -thun, da ich für mich selbst nichts zu thun vermag?</p> - -<p>Glauben Sie wohl, daß es mir unter diesen Umständen leicht wird, daran -zu denken, daß ich meine Mutter verlassen soll; sie so verlassen, ohne -ihr vorher zu sagen, nach was für einem Plane ich arbeiten werde, um -ihre Glückseligkeit mit der Erreichung meiner Wünsche zu vereinigen? -Und doch kann ich nicht anders; ich muß sie verlassen. Alles, sie -selbst ausgenommen, macht, daß ich diesen Augenblick beynahe wünsche. -Die Beförderung, die mir meine Vaterstadt darbieten kann, ist, wie Sie -wissen, nur von einer einzigen Art. Glauben Sie nicht, daß mich der -Name und die gewöhnliche Verachtung eines Schulmannes abhalten würde, -in einen Stand zu treten, der, wenn er recht verwaltet<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span> wird, ehrwürdig -ist, und den die Vortheile und die Erleichterung, die ich meiner Mutter -dadurch verschaffe, mir auch sogar liebenswürdig machen würden. Aber -die Verrichtungen, die hier zuerst denen auferlegt sind, die in diesen -Stand treten, die Unwissenheit, und noch mehr der elende Geschmack, -der unter den meisten der hiesigen Schullehrer herrscht, und durch -sie ohne Zweifel die Studirenden ansteckt; der durchgängige Mangel an -guter Lebensart bey dieser ganzen Zunft Leuten, unter denen ich doch -genöthigt würde zu leben; der Mangel an Ermunterung und Hülfsmitteln -zur Vermehrung der Wissenschaften, die ich mehr schätze als alles; -endlich, was darf ich es erst sagen, die Entfernung von Freunden, die -mir theuer sind, um so viel theurer, weil ich sie nicht bloß der Natur -und Familienverbindungen zu danken habe; — alles dieses, und was weiß -ich noch, was für hundert dunkel damit vermischte Vorstellungen mehr, -machen mir es ganz unmöglich, daran zu denken.</p> - -<p>Nun gut also. Ich gehe von B****. Aber wohin? Nach L***zig? Ja -freilich<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span> ist dieß der Ort, der mich unter allen am meisten an sich -zieht. Aber was hälfe es, wenn ich vor mir selbst es verbärge. Es -ist nicht Hoffnung der Beförderung, sondern das Vergnügen, meine -Freunde wieder zu sehen, welches mir diese Stadt vor allen andern so -angenehm macht. Sie wissen selbst, und wenn Sie es nicht wissen, so -lassen Sie sich es den braven und rechtschaffenen Ebert sagen, was für -Geduld und Aufopferungen dazu gehören, sein Glück bey der Leipziger -Akademie zu erwarten. Und während der Zeit, daß ich diese vielleicht -fehl schlagende Probe machte, würde meine arme Mutter von Alter und -Sorgen verzehrt, von ihren noch übrigen Freunden vollends entblößt, -und stürbe, ehe sie die so lange gehoffte und so theuer errungene Ruhe -ihres Alters gekostet hätte. Lassen Sie mich also auf eine andere -Universität gehen, wo die Beförderung leichter und geschwinder ist. -Setzen Sie den besten möglichen Fall. Machen Sie mich in einigen Jahren -zum Professor in Halle, oder in irgend einem andern solchen Winkel der -Erde. Jetzt soll ich meine Mutter in ihrem Alter aus ihrem<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span> natürlichen -Boden in ein ganz fremdes Land verpflanzen, sie aus einer belebten und -volkreichen Stadt in einen todten und finstern Flecken führen, sie aus -dem Cirkel ihrer Freunde und ihrer Bekanntschaften, die sie von langer -Zeit her kennen, die sie alle hochschätzen, unter ganz fremde und für -sie noch gar nicht eingenommene Menschen bringen, — oder mir mit einem -so groben Stolze schmeicheln, daß ich allein aller deren Stelle würde -ersetzen können. — Ist dieses vielleicht nicht ein eben so schwerer -und trauriger Schritt für beyde? — Und doch bey dem allen, was bleibt -mir übrig?</p> - -<p>Sie sehen, liebe Freundin, wenn Sie diese Ueberlegungen machen, Sie -werden meine Unruhe nicht schelten, so gütig Sie mich auch von Ihrer -Gewogenheit versichert haben, und so gewiß ich von der Liebe der -Meinigen bin. — Aber das ist noch lange nicht alles. Ich behalte mir -dieß auf einen andern Brief vor. Ich kann nicht anders; ich muß Sie mit -meinen eigenen Angelegenheiten unterhalten. Der Wohlstand würde dieß -bey Personen,<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span> die weniger meine Freunde wären, verbieten. Aber es ist -gar zu eine große und eine zu unentbehrliche Glückseligkeit, zuweilen -sein volles Herz in den Schoß eines Freundes ausschütten zu können. -Ich habe Ihnen schon oft gesagt, Sie und Ihr liebster Gemahl machen -in meiner Einbildungskraft nur Eine Person aus. Sie sind in meinen -Gedanken eben so unzertrennlich, als Sie es durch Ihre Liebe sind. -Alles also, was ich Ihnen schreibe, ist zugleich für ihn geschrieben. -Sein kurzer Brief ist mir dem ungeachtet so angenehm gewesen, als der -längste Brief hundert anderer mir nicht seyn würde.....</p> - -<p>Ich sehe, ich stehe in Gefahr, meinen Brief eben so lang und so voll -von Digressionen zu machen, als es des Tristram Shandy Roman ist. Also -nur noch ein Wort von Klopstock und seinen Briefen, und dann nehme -ich bis auf künftigen Freytag von Ihnen Abschied. (Können Sie wohl -errathen, was ich da erwarte?) —</p> - -<p>Ich wundere mich gar nicht darüber, daß Ihnen des Mannes, und mir der -Frau ihre<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span> Briefe zärtlicher vorkommen. Das macht, würde Onkel Tobias -sagen, Sie sind eine Frau, und ich ein junger Mensch. Ich habe des -Klopstocks Briefe flüchtig gelesen, der Frau ihre recht aufmerksam. Sie -haben vielleicht das Gegentheil gethan. Mit einem gleichen Grade der -Aufmerksamkeit würden wir bey beyden vielleicht gleich viel empfunden -haben. Ich wenigstens, durch die Verschiedenheit Ihres Gefühls -aufmerksam gemacht, habe sie noch einmal gelesen, und schon habe ich -des Klopstock Briefe viel zärtlicher gefunden. Aber, daß es ihre -weniger sind, das wollte ich doch noch nicht gerne für wahr halten.</p> - -<p>Wie gern fieng’ ich noch die eilfte Seite an, um Stellen zu meiner -Vertheidigung anzuführen! Aber es hilft nichts. Es ist jetzt ein Uhr, -Dienstags in der Nacht. Möchten doch die gütigen Engel Ihre und Ihres -Geliebten Ruhe beschirmen u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span></p> - -<h2 id="Siebenter_Brief">Siebenter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">B***, den — Juli<br /> -1767.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">W</span>ahrheiten, die uns sehr am Herzen liegen, können niemals zu oft -bewiesen werden. So ein sophistisches Ding ist dieses Herz, daß es sich -der Ueberzeugung von eben der Sache am meisten widersetzt, von der es -am meisten gewiß zu seyn wünscht. Ich, zum Beyspiel, bedarf keiner -neuen Proben mehr, um zu wissen, daß Sie meine Freundin sind. Und doch, -mit welchem Vergnügen habe ich diejenigen aufgenommen, die Sie mir -in Ihren letzten Briefen gegeben haben, gerade so, als wenn dieß die -ersten gewesen wären. Sie wissen, wie schwer sich Empfindungen durch -Beschreibungen deutlich machen lassen. Man kann nichts weiter thun, -als diejenigen, welche ähnliche gehabt haben, an ihr eigenes Gefühl -erinnern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span></p> - -<p>So stellen Sie sich also Ihren lieben Mann, meinen Freund, an dem -Abende eines sehr geschäftigen Tages vor. Er tritt zuerst mit einer -etwas tiefsinnigen und zerstreuten Miene in ihr Zimmer. Seine von -fremden Bildern ganz angefüllte Seele empfängt schon die geheimen -Einflüsse Ihrer Gegenwart, ohne sie noch zu fühlen; selbst die ersten -Liebkosungen verschwenden Sie an den Undankbaren vergeblich. Endlich -thut Ihr Anblick und Ihre Zärtlichkeit ihre gehörige Wirkung; und jetzt -schweben nur noch die Sorgen der Geschäfte auf der Oberfläche der -Seele, wie die Nebel an einem heitern Frühlingsmorgen auf dem Gipfel -der äußersten Berge. So gewinnt der Ehemann einen Schritt nach dem -andern über den Geschäftsmann — bis er zuletzt nur ganz allein übrig -bleibt. Was Ihnen in diesem Augenblicke ein stillschweigender Kuß ist, -den er Ihnen aus vollem Herzen giebt, ein Druck seiner Hand, bey dem er -sie zugleich seine Wilhelmine nennt, sehen Sie, das waren für mich Ihre -Briefe. Versicherungen von Sachen, die wir lange wissen, die wir aber -gern vergessen, an denen<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span> wir sogar zweifeln, aus bloßem Muthwillen, um -sie uns noch einmal versichern zu lassen!</p> - -<p>Ich glaube, Sie müssen es schon bemerkt haben, daß es eins von meinen -Steckenpferden ist, (hieraus können Sie schließen, daß ich den -Tristram Shandy lese) über alles, was in und mich herum vorgeht, zu -philosophiren, jede Begebenheit, wenn sie auch die natürlichste und -gewöhnlichste von der Welt ist, zu erklären und aus Gründen zu zeigen, -wie sie möglich gewesen ist. Wenn ich mich nicht irre, so war ich eben -im Begriffe, einen guten Ritt darauf zu thun. Denn, anstatt Ihnen mit -drey Worten zu sagen, liebe Freundin, Ihre Briefe waren mir herzlich -lieb, und dann gleich zur Beantwortung ihres Inhalts fortzugehen; -verwende ich eine und eine halbe Seite, um es zu beweisen, daß es -möglich gewesen ist, daß ich mich über Ihre Briefe habe freuen können. -Und doch, welcher Beweis wäre stärker gewesen, als die Aufmerksamkeit, -mit welcher ich alle Ihre gütigen Vorschläge erwogen habe.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span></p> - -<p>Nach dem Wunsche, bey Ihnen zu seyn, ist keiner stärker als der, daß -Sie es zuweilen wünschen möchten, daß ich bey Ihnen wäre. Denken -Sie also, was es seyn muß, wenn Sie noch mehr thun, und nicht bloß -wünschen, sondern schon Anstalten machen, mich bey sich zu behalten. -Wenn es mir jemals schwer angekommen ist, Schwierigkeiten gegen den -Rath meiner Freunde zu machen, so ist es gegen einen solchen, der -die größten Wünsche meines Herzens vereiniget. Der Entwurf, den Sie -mir machen, der freylich der natürlichste und ohne Zweifel auch der -sicherste ist, ist dem ungeachtet viel zu weit aussehend, als daß -ich damit meine Mutter beruhigen könnte, die bey Ihrem Alter und -bey Ihrer Schwäche eine Glückseligkeit, auf die sie so viele Jahre -warten muß, für gar keine hält. Und wie kann sie hoffen, diesen -Zeitpunkt zu erleben, wenn die Zeit, die dazwischen ist, mit Sorgen -und Mißvergnügen angefüllt seyn sollte. Gesetzt aber, ich hätte das -Ziel erreicht, und meine Mutter wäre noch im Stande, eine so große -Veränderung vorzunehmen; was sind es nicht für neue Be<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span>schwerden, die -die Ausführung unsers Vermögens verursachen würde. — Meine Mutter -hat bey allen Beschwerlichkeiten ihrer Nahrung doch auch den Vortheil -gehabt, daß sich ihr Vermögen besser verinteressirt hat, als durch -bloßes Ausleihen. Lassen Sie nun von einem nicht großen, aber doch -für einen ehrlichen Mann hinlänglichen Vermögen das abgehen, was der -Abzug kostet; setzen sie dazu die Verschiedenheit des Geldes und der -Preise der Dinge in beyden Ländern, und endlich rechnen Sie noch -die Schwierigkeiten, die mit der Errichtung einer neuen Haushaltung -verbunden sind; und Sie werden sehen, daß meine Mutter nicht die Hälfte -der Bequemlichkeiten würde haben können, zu denen sie hier gewohnt -ist. Denn daß meine eigene Einnahme einen beträchtlichen Zuschuß zu -unserer Oekonomie in wenig Jahren machen sollte, dazu sehe ich keine -andere, als sehr unsichere Hoffnungen. Sehen Sie, so partheiisch -ich für einen Entschluß bin, der mit meinen Neigungen so sehr -übereinstimmt, so kann ich es mir doch nicht verhehlen, daß dieses sehr -beträchtliche Schwierigkeiten sind;<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span> und was kann ich darauf antworten, -wenn meine Mutter sie mir entgegensetzt? — Was anders, als daß die -Schwierigkeiten für mich, in B**** zu bleiben, noch größer sind, und -wenn sie sich auch alle auf eine einzige zurück bringen ließen, ich -meyne diese, daß ich zu dem Stande, der für mich der einzige ist, nicht -die geringste Neigung habe?</p> - -<p>Sie müssen es diesem Briefe ansehen, daß er unter sehr vielen -Zerstreuungen geschrieben ist. Ich bin gar nicht mit ihm zufrieden. -Denn bey alle den Schwierigkeiten, die ich mache, wollte ich doch -nicht, daß Sie glaubten, ich hätte jetzt mehr Lust hier zu bleiben, als -ehemals. Ich komme mit Gottes Hülfe gewiß auf Michaelis nach Leipzig, -aber ob um beständig dort zu bleiben, das ist in den Händen der -Vorsehung. —</p> - -<p>Ich reise morgen mit dem Herrn Oberforstmeister S**** und seiner -Gemahlin nach S***witz, wo mein ehmaliger Lehrer und Hofmeister Pfarrer -ist. Meine Mutter kommt auf den Freytag mit meinem<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span> Onkel und seiner -Tochter nach. Dieser geht alsdann mit dem Herrn Oberforstmeister weiter -ins Gebirge nach L***, um da die Brunnenkur zu brauchen. Wir übrigen -bleiben in S***witz, und werden dort in einer vortrefflichen Gegend -vier oder fünf Wochen in dem Hause meines Lehrers zubringen. Dieser -Aufenthalt könnte mir durch nichts in der Welt unangenehm gemacht -werden, als wenn Ihre Briefe nicht mehr so richtig einliefen, oder die -meinigen nicht zu rechter Zeit auf die Post gegeben würden; denn das -Dorf ist sechs Meilen von B****. Ich werde aber alles mögliche thun, um -beydes zu verhüten.</p> - -<p>Diese Reise macht heute meinen Brief so kurz, und nöthigt mich, den an -meinen lieben M. Reiz ganz aufzuschieben. Es ist jetzt 12 Uhr in der -Nacht und morgen muß ich um 6 Uhr auf seyn. Leben Sie wohl!</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span></p> - -<h2 id="Achter_Brief">Achter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Mittwochs des Morgens.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>ch wende noch die Augenblicke, die ich vor dem Antritte meiner Reise -übrig habe, dazu an, an Sie zu denken, und das, was ich gedacht -habe, niederzuschreiben. Ich weiß, daß sich Ihre freundschaftliche -Neubegierde nicht bloß damit beruhigen wird, zu wissen wo ich bin. Sie -werden auch wissen wollen, was ich da mache. —</p> - -<p>Wenn ich mich nicht irre, so müssen Sie schon Herrn Ringeltauben, in -dessen Hause ich seyn werde, aus meinen Beschreibungen kennen. Ich -verehre ihn als meinen Lehrer; und ich liebe ihn als meinen Freund und -meinen Bruder. Hochachtung und Dankbarkeit sind gewiß die festesten -Bande, die die Natur hat, zwey nicht ganz unedle Seelen mit einander -zu verbinden. Sein Haus soll sehr bequem,<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span> und die Gegend vortrefflich -seyn. Meine Mutter, die das Land über alles, und den Herrn Ringeltauben -als ihren Sohn liebt, wird sich dort wieder erholen, und das wird auf -mich zurück wirken. Endlich werde ich Bücher genug haben, um die leeren -Stunden auszufüllen. Der Herr Oberforstmeister, mit dem ich reise, ist -lange im Kriege mit dem General Wobersnow in Leipzig gewesen. Er ist -ein Mann von sehr vielem Verstande, von einer großen Erfahrung, (da er -lange Zeit mit den Vornehmsten der Armee und einige Zeit auch mit dem -Könige selbst umgegangen ist;) und der Mann einer Frau, die beynahe -meine Gespielin gewesen ist. Der Weg heraus geht an der Oder, in -einer sehr angenehmen Gegend. Ihre Briefe dürfen Sie nicht anders als -bisher addressiren. Ich habe gemessene Ordre gestellt, sie mir gleich -nachzuschicken.</p> - -<p>Erwarten Sie also ins künftige Briefe, die voll von ländlicher Unschuld -und Einfalt, aber auch voll von ländlichem Vergnügen sind.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span></p> - -<h2 id="Neunter_Brief">Neunter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">S***witz den — Juli.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">E</span>s giebt gewisse Arten von Vergnügungen, die uns unempfindlich machen, -weil sie uns berauschen. Indem alsdann die gegenwärtige Empfindung die -ganze Seele ausfüllt, und ihre gesammten Fähigkeiten bloß in dem Genuß -erschöpft werden, so werden alle Erinnerungen, alle Reflexionen aus der -Seele verdrängt, und mit ihnen zugleich die feinern Vergnügungen, die -auf dieselben gegründet sind. In diesem Zustande ist die ganze Seele -Maschine, und sie bewegt sich ganz unwillkührlich nach der Richtung des -Stoßes, die ihr ein so heftiger äußerer Antrieb giebt.</p> - -<p>Eine andere Art hingegen, die nur die Sinnen in so weit rührt, als es -nöthig ist, durch sie die Einbildungskraft rege zu machen, eröffnet -allen Arten von moralischen Empfindungen den Zugang. Sie macht das -Herz<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span> weich, und so zu sagen — schmachtend. Die Vernunft ist dabey -heiter genug, alle verwandten Ideen herbeyzurufen, jede angenehme -Erinnerung mit der augenblicklichen Empfindung zu verbinden, und unter -die Ergötzungen des Auges und des Ohres die moralischen Vergnügungen -der Freundschaft und der Tugend zu mischen.</p> - -<p>Unter diese letztere Gattung gehört diejenige Art von Vergnügen, die -ich jetzt genieße. Sie sind so still und so ruhig, wie die Fluren -des Abends, durch die ich gehe, und eben so heiter und rein, als das -blaue Gewölbe, das mich deckt. Alles das, was ich sehe, und was die -Quelle des Vergnügens ist, ist zugleich ein Stoff zu Betrachtungen, -die vielleicht noch ergötzender sind, als der sinnliche Eindruck -selbst. Wenn ich dann auf einer großen lachenden Wiese, die von alten -ehrwürdigen Eichen rings um eingeschlossen, und von dem schwankenden -Schatten derselben halb überstreut ist, die mildern Einflüsse der -Abendsonne genieße; dann versetze ich in diese Gegend alle meine -Freunde. Ich sammle in<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> Gedanken diesen kleinen aber ehrwürdigen -Haufen von Leuten, die ich liebe und die mich wieder lieben, um mich -herum, alle durch gegenseitige Neigungen an einander gebunden, alle -von einerley Geiste beseelt, zu einerley Empfindungen aufgelegt, und -mit eben denselben Arbeiten des Wohlthuns und der Mildthätigkeit -beschäftigt. Dieses Spiel meiner Einbildungskraft treibe ich so lange -fort, bis ich ganz von den Gegenständen, die um mich sind, entfernt in -andern Welten und noch glücklichern Gegenden herumschwebe. Von diesem -Fluge ermüdet kehre ich wieder zu dem Orte und dem Stande zurück, in -welchem ich bin, und, Dank sey es meinem Geschick! ich habe bey dem -Ende meines Traumes noch nicht alles verloren. Meine Mutter, meine -Cousine, und mein Lehrer und Bruder, die um mich herum sind; Sie, -die erste meiner Freundinnen, und die übrige Reihe meiner männlichen -Freunde, die von mir entfernt, aber durch ihr Andenken, durch ihre -guten Wünsche, und durch ihr Theilnehmen an meinem Wohl, nahe um mich -sind, alle diese theuern Personen, die mir die gütige Vorsicht<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span> auf -dem Wege des Lebens aufstoßen ließ, um durch ihre Begleitung das Rauhe -und Unangenehme meiner Reise zu versüßen, alle diese sind wirklich -da, sie lieben mich, sie machen mich durch ihre eigenen Verdienste -hochachtungswürdig, und geben mir durch ihre Achtung den Werth, den ich -mir selbst niemals erwerben würde.</p> - -<p>Ich habe ausfindig gemacht, (denn was für Mittel sucht man nicht -auf, wenn man gewisse Sachen nicht verändern kann, um wenigstens uns -eine andere Seite von ihnen zuzukehren?) daß die Abwesenheit in der -Freundschaft zu etwas nützlich ist. Sie ist das Maß ihrer Stärke. Ich -habe neulich im Plutarch gelesen, und wenn es nicht Plutarch gesagt -hätte, so hätten Sie mir es sagen können, daß der Beweis einer recht -heftigen Liebe nicht sowohl die Größe des Vergnügens sey, die einer in -des andern Gegenwart empfindet, als vielmehr die Größe des Schmerzes, -die ihnen die Trennung verursacht. Mich deucht, man kann eben dieses -von der Freundschaft sagen. Das Vergnügen des freundschaftlichen -Um<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span>ganges ist, ruhig, gemäßigt, und beynahe mehr Heiterkeit als -Freude; das Verlangen aber, wenn man desselben entbehrt, ist heftig, -zuweilen gar stürmisch. Sie können glauben, daß ich diese Erfahrung -bloß von den Empfindungen abstrahire, die mir die Erinnerung an unsere -ehemaligen Vergnügungen erweckt. Ich weiß also zuverlässig, wie sehr -ich Ihr Freund bin, ich weiß, wie sehr Sie meine Freundin sind. Diese -Ueberzeugung ist mir sehr viel werth. Soll ich Ihnen erst sagen, daß -ich Sie nicht allein meyne, wenn ich von Ihnen rede?</p> - -<p>Ich habe Ihnen bisher nur meine Empfindungen erzählt. Jetzt sollen Sie -noch etwas von meiner Geschichte wissen. Ich habe Ihre Briefe noch -nicht. — Ich meyne die, die Sie vergangene Woche geschrieben haben, -und die verwichenen Freytag in B*** angekommen seyn müssen. Sagen Sie -mir, ist es nicht mir recht zum Possen, daß die Post nach B***, die die -Briefe von B**** hierher bringt, gerade eine Stunde eher des Freytags -abgehen muß, als die<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span> Ihrigen ankommen? und dann geht keine wieder -eher, als auf den Dienstag. Ich bekomme sie also erst Mittwochs. — -Diese Sache ist gar nicht zu ändern; ich muß also nur aufhören, daran -zu denken.</p> - -<p>Meine Reise ist sehr glücklich und bequem gewesen. Der Herr *** ist ein -durch seinen Verstand und Erfahrung angenehmer Gesellschafter. Seine -Frau ist es etwas weniger; und da ein großer Theil ihres Werths in dem -Range und dem Stande ihres Mannes liegt, so schlägt sie denselben auch -ein bißchen zu hoch an. Aber das thut nichts. Gegen mich, als einen -alten Freund und Verwandten, ist sie immer sehr gütig.</p> - -<p>Die zwey Tage, die bis zu meiner Mutter Ankunft verflossen, -recognoscirten wir, ich und mein lieber Bruder, die Gegend. Sie -können sie nicht leicht schöner jemals gesehen haben. Wir liegen sehr -nahe an der Oder, an deren Ufer überhaupt die schönsten Gegenden von -Schlesien sind. Dunkle, ehrfurchtsvolle Hayne, angenehme Wiesen, die -frucht<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span>barsten Felder, alle Theile einer bezaubernden Landgegend -wechseln mit einander ab. An dem einen Orte gehen wir auf einem -erhabenen Damm, (denn deren müssen hier sehr viele der Gewalt des -Stroms im Frühjahr entgegengesetzt werden), von dem man auf beyde -Seiten die Aussicht auf die angrenzenden Wiesen und den dabey gelegenen -Wald hat. Der Damm selbst ist mit Eichen besetzt, die ihre hohen -Wipfel einander zuwehen. An einem andern Orte ist ein weitläuftiger -Thiergarten, von drey Stunden in der Rundung, wo man den angenehmsten -Schatten, die erfrischendste Kühle, und den erfreuenden Anblick von -munteren, freyen und glücklichen Geschöpfen zugleich genießt. An einem -dritten Orte ist ein dicker beynahe unwegsamer Wald, wo selbst die -mittägliche Sonne keinen Zugang findet, und wo die melancholische -Stille nur durch das Rauschen der Aeste, oder das entfernte Girren der -Turteltaube, oder das Geräusch eines sich mitten im Walde durch die -Aeste durcharbeitenden Hirsches unterbrochen wird.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span></p> - -<p>Hier stellen Sie sich also mich, an meiner Seite meine Mutter, meine -Schwester (denn so habe ich meines Onkels Töchter immer betrachtet, -und so habe ich sie geliebt) und meinen Freund vor. Da der Herr ****, -seine Frau, und mein Onkel, in das Bad gegangen sind, so herrschen wir -hier ganz allein. Wir stehen nicht eben sogar früh auf. Wir trinken -gemeinschaftlich unsern Thee. Wir verdienen unsere Mittagsmahlzeit -durch einen recht guten Spaziergang, von dem wir zuweilen unterwegs -unter einer hohen Eiche ausruhen. Die heißen Stunden sind zur Lektüre -und zur Arbeit bestimmt. Der Abend ist ganz zu ländlichen Vergnügungen. -Wir schlafen ruhig und vergnügt, weil keine unsere Ergötzungen etwas -anders als das Verlangen zurück läßt, sie zu wiederholen.</p> - -<p>Ich lese meiner Mutter zuweilen auf einer Rasenbank, die eine große -Haselstaude beschattet, aus den Gedichten des <em class="gesperrt">Gisecke</em> vor. O -diesen Mann müssen Sie lesen. Er ist der Dichter der Freundschaft und -der ehelichen Liebe. Wer kann also ihn besser<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span> richten? und wessen -Beyfall würde ihn mehr belohnen? Er ist nicht immer stark, aber er ist -immer gut. Leben Sie tausend Mal wohl u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 id="Zehnter_Brief">Zehnter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">S***witz den 27. Juli.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">O</span>b ich gleich befürchten muß, daß meine Briefe Sie nicht in Leipzig -treffen, so kann ich es doch nicht über mich erhalten, keine zu -schreiben. Einen Brief an Sie schreiben, ist wenigstens halb so viel, -als einen von Ihnen bekommen. Ich glaube, ich habe Ihnen das schon -einmal gesagt. Aber das thut nichts. Ich fürchte es nicht, mich in -einer Sache zu wiederholen, die auf einerley Art empfunden auch -nur auf einerley Art ausgedrückt werden kann. Ich habe überhaupt -gemerkt, daß wahre Empfindungen sich zwar richtiger, aber niemals so -mannigfaltig ausdrücken lassen, als<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span> diejenigen, welche Geschöpfe der -Einbildungskraft sind. Der schöne Geist und das empfindliche Herz sind -deßwegen nicht immer beysammen, und zu gefallen und zu rühren, sind -zwey sehr verschiedene und oft einander entgegenstehende Sachen.</p> - -<p>Sie sind also in Dreßden. Denn ich bin so glücklich gewesen, Ihren -ersten Brief Mittwochs, und den andern unmittelbar darauf Freytags -zu bekommen. Ich weiß nicht, warum mir diese Reise gar nicht recht -war. Sie schienen nicht mir näher zu kommen, sondern sich von mir -zu entfernen. Endlich bin ich auf die Ursache gekommen; wenigstens -das Wahrscheinliche fürs Gewisse zu nehmen. Ich fürchtete, unser -Briefwechsel würde gestört werden. Ueberdieß, glaube ich, weiß -ich Sie gern zu Hause, weil ich mir den Ort, wo Sie sind, und die -Beschäftigungen, die Sie da vornehmen, besser vorzustellen weiß. Das -Bild ist lebhafter, weil es mehr bestimmt ist. In Dreßden können Sie -da und da und da seyn. Aber wo Sie wirklich sind, und was Sie wirklich -machen, das kann ich mir zu<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span> keiner einzigen Stunde des Tages mit -Gewißheit denken. Ich befinde mich in einem fremden Ort, wo ich meine -Freundin bey jedem Schritt, den sie sich von mir entfernt, verliere, -und sie kaum mit der größten Mühe des Abends im Gasthofe wieder finde.</p> - -<p>Endlich, (denn Sie müssen wissen, ich suche mein Herz zu studiren, -besonders wenn ich irgend eine ungewöhnliche Bewegung darin merke, -und das nicht mehr bloß um meinet, sondern auch um Ihretwillen;) -endlich also überfiel mich die bey einer wirklichen Freundschaft so -natürliche Eifersucht. Ich weiß die eigentliche Absicht Ihrer Reise -nicht. Aber das konnte ich mir doch vorstellen, daß Sie dort neue -Verbindungen errichten würden, oder durch schon gemachte Verbindungen -dazu wären veranlasset worden. Könnten eine Menge von neuen Eindrücken -nicht die alten verdunkeln, wenn sie auch nicht im Stande wären, sie -auszulöschen? Sie werden allenthalben, wo Sie hinkommen, und wo man -noch Geist und Herz genug hat, um es an andern gewahr zu werden, -Freunde finden.<span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span> Ich müßte sehr verblendet, und mehr eitel als -ehrgeitzig seyn, wenn ich mich überreden sollte, daß mich nicht viele -dieser Freunde an allen Arten von Vorzügen übertreffen sollten. Und -ist es nicht in der Natur, dachte ich, daß man das bessere dem weniger -guten vorzieht?</p> - -<p>Dieser Gedanke würde mich niedergeschlagen haben (und doch bin ich -sonst großmüthig genug, mich wie Phocion, oder wer es sonst war, zu -freuen, daß es so viel bessere Menschen giebt als ich) aber jetzt -würde mich dieser Gedanke niedergeschlagen haben, wenn mir nicht noch -ein Vorzug von mir eingefallen wäre, den ich willens bin, dem größten -Theil Ihrer Freunde, oder lieber (denn was soll ich heucheln?) allen -Ihren Freunden streitig zu machen. Ich liebe und schätze Sie so hoch, -— als es Ihr Bruder thun könnte. Erlauben Sie mir immer, daß ich mir -einen Ehrennamen beylege, zu dem Sie mir selbst das Herz gegeben haben. -Ich liebe Ihren Mann, ich liebe Ihre kleine Wilhelmine, ich liebe Ihre -Freunde; selbst ehe ich sie noch kenne, empfehlen sie sich mir schon -durch die<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span>sen Namen mehr als durch alle Lobsprüche. Ich brenne vor -Begierde, an dem Glück und an dem Vergnügen einer solchen würdigen -Familie zu arbeiten; selbst meiner Freundschaft wünschte ich den Segen, -daß sie ein neues Band der ehelichen Liebe zwischen Ihnen beyden wäre, -auf die sich Ihre ganze Glückseligkeit gründet. Ich wünschte mir -einen größern Verstand, um Sie durch meinen Rath zu der glücklichsten -Mutter der vollkommensten Tochter zu machen; und mehr Tugend und mehr -Herrschaft über meine Leidenschaften, um Sie auf eben dem Wege, durch -welchen ich gegangen wäre, zu der Ruhe und der Heiterkeit der Seele -zu führen, die wir uns beyde so sehr wünschen, und die so oft durch -geringe Veranlassungen unterbrochen wird. Ich bin jetzt nahe dabey, -Ihre Frage zu beantworten, und nicht bloß Ihre, sondern auch meine -eigene.</p> - -<p>Der heutige Tag, sagte ich manchmal zu mir selbst, ist vollkommen dem -gestrigen ähnlich. Alle Umstände sind dieselben. Nicht ein einziges von -meinen Gütern ist mir ge<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span>nommen. Nicht ein Wunsch ist heute von seiner -Befriedigung weiter zurück gesetzt, als er es gestern war. Und doch -war ich gestern vergnügt, und heute bin ich traurig und mißvergnügt. -Ich habe diese Betrachtung erst vor wenig Tagen wiederholt, wo mein -Zustand des Gemüths dem Ihrigen vollkommen ähnlich war; ob ich Sie -gleich warnen muß zu glauben, daß eine gewisse Munterkeit im Ausdrucke -ein richtiges Maß für den Grad des Vergnügens sey, den ich zu der -Zeit genieße. Man kützelt sich zuweilen um zu lachen, eben indem man -Schmerzen empfindet. Ich bin heute recht vergnügt, aber es würde die -unnatürlichste Sache von der Welt für mich seyn, Lachen zu erregen. -Also zu unsrer Untersuchung zurück! Sie wissen, daß die stärksten -Triebfedern unsrer Seele im Dunkeln liegen. Die Wirkung wird um desto -schwächer, je sichtbarer die Ursache ist. Das Deutliche reducirt sich -immer auf wenige Begriffe, die bald überzählt sind, und deren Summe -niemals etwas so großes ausmachen kann, daß man davor erschrecken -sollte. Alles das kommt uns nur unermeßlich vor, dessen Grenzen<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span> -wir nicht kennen. Sehen Sie, eben so entsteht unser Unmuth, wie an -dem heitern Himmel sich ein kleiner schwarzer Punkt erst in eine -kleine Wolke ausbreitet, dann sich immer mit den benachbarten Dünsten -vermischt und endlich den ganzen Horizont ringsum verdüstert. So lassen -Sie also in diese fröhliche Seele, deren ganze Saiten von dem Vergnügen -ausgespannt sind, jeden Eindruck anzunehmen und zu verdoppeln, -lassen Sie in dieselbe ein einziges Wort eines Geliebten fallen, -eines Ehegatten, oder eines Freundes, das dem Grade der erwarteten -Zärtlichkeit nicht entspricht; eine kleine Ungeschicklichkeit, die -wir selbst begehen, und die in uns die Erinnerung unsrer übrigen -Schwachheiten wieder erweckt; eine kleine Schwierigkeit bey der -Ausführung irgend einer unsrer Absichten, selbst die Empfindung einer -kleinen Unordnung im Körper. Auf einmal kommen die Vorstellungen von -alle dem Unangenehmen, was in unserm ganzen Zustande ist, zu Hauf. Das -Vergnügen hatte sie, so wie die Sonne den Nebel, nicht vernichtet, -sondern nur aus einander getrieben. Gegenwärtiges, Vergan<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span>genes, -Zukünftiges, alles drängt sich in unsere enge Seele zusammen, und macht -darin ein solches Chaos, und so eine wilde Vermischung, daß aller unser -Verstand, und wenn wir auch der Stoische Weise wären, nicht zureicht, -es aus einander zu setzen. Alle Uebel werden in diesem Augenblicke -unendlich, unaufhörlich, unvermeidlich. Altes verliert sein Maß und -seine Grenze, weil es beständig mit etwas anderm vermischt ist, das wir -davon nicht scheiden können oder wollen. Wenn man einmal so glücklich -ist, so weit zu kommen, sich sein ganzes Unglück nach einander -herzuerzählen; oder wenn man genöthiget wäre, es in diesem Augenblicke -einem andern zu sagen, so würde man sich wundern, wie Sachen, die, -wenn man sie sagt, so wenig betragen, doch, wenn man sie bloß dunkel -fühlt, einen so großen Eindruck machen und so viel Verwüstung anrichten -können. Ergänzen Sie diese Gedanken durch Ihre eigene Erfahrung. —</p> - -<p>Aber sagen Sie mir auch dazu, was ich nicht thun kann, wie man es -anstellen muß,<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span> um dieser Unruhe — ich will nicht sagen, ganz los zu -werden, denn das möchte ich nicht einmal; wenn man die Empfindlichkeit -von seinem eigenen Uebel wegnimmt, so verliert man auch die gegen -die Uebel anderer, — aber sie doch zu mäßigen. Bloß moralische -Vorschriften sind vergebens. Der Verstand geht seinen Weg, und die -Einbildungskraft den ihrigen. Es müssen Uebungen, ordentliche Uebungen -seyn. — Aber das ist eine Materie, wozu ich Ihren Verstand brauche. — -Ich schriebe gerne mehr, aber Sie möchten alsdann wirklich anfangen, -kürzere Briefe zu wünschen, und dann sehe ich schon zum Voraus, -würde ich trotz aller meiner Philosophie in eben den Unmuth und die -Unzufriedenheit verfallen, die ich beschreibe. Leben Sie wohl u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span></p> - -<h2 id="Eilfter_Brief">Eilfter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">S***witz den 4. Aug.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>ch wußte wohl, daß ich die Reise nach Dreßden nicht umsonst fürchtete. -Ich habe keine Briefe von Ihnen, und das zu einer Zeit, wo ich sie am -allermeisten nöthig gehabt hätte, um mir Muth und Entschlossenheit -dadurch zu geben. Sie sind also noch nicht aus Dreßden zurück gewesen, -oder Sie waren von der Reise zu müde, oder — diese unglückliche -Sucht Ursachen zu allem zu finden, macht daß wir jede gewöhnliche -Begebenheit durch unsere Auslegung zur Qual für uns machen. Denn daß -Sie noch meine Freundin sind, daß Sie es noch eben so sehr sind, als -da ich Sie das letzte Mal in Borsdorf Thränen vergießen sah, (ein sehr -kostbares Denkmal Ihrer Freundschaft!) das lasse ich mir selbst meine -melancholische Einbildungskraft in ihren finstersten Stunden nicht -ausreden. Aber warum<span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span> konnte mein Freund Reitz nicht schreiben, daß Sie -noch nicht gekommen wären? Gewiß, ich würde in ähnlichem Falle diese -Aufmerksamkeit für ihn gehabt haben. —</p> - -<p>Mit mir sind unterdessen manche Veränderungen vorgegangen; — nicht -eben mit meinen Umständen, aber mit meinen Aussichten. Ich stehe seit -einigen Tagen alles Unangenehme der Unentschlossenheit und des Zweifels -aus. — Gellert hat mir seit drey Posttagen drey Mal geschrieben. — -Sie wissen, daß, als ich noch in Leipzig war, ein Hofmeister für des -Graf F.. ältesten Sohn gesucht wurde. Gellert hielt mich dazu für -tüchtig. Ich selbst hatte Lust. Globig aber hatte dazu schon Jemand -erwählt, der aus Göttingen angekommen war. Dieser wurde vom Grafen -nicht angenommen. Nach ihm wurde M. Kraft, (eben der, dem ich in -meiner Abwesenheit meine Stube eingeräumt hatte) vorgeschlagen und -angenommen. Dieser geht nach Petersburg als Astronom. Gellert war -so aufmerksam, diese Gelegenheit sogleich zu ergreifen, und mich an -Globigen<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span> mit aller seiner gütigen Partheylichkeit zu empfehlen. Vor -acht Tagen erhalte ich einen Brief von Gellert, in welchem einer vom -Präsidenten an ihn eingeschlossen ist. Er meldet ihm, daß der von ihm -empfohlene Mensch wäre angenommen worden, oder auf Michaelis angenommen -werden könnte. Der Graf verlangte dabey einen Plan zu dem Unterrichte -seines Sohnes, der 15 Jahr alt, von guten Talenten, und nicht ohne -Wissenschaften seyn soll.</p> - -<p>Kaum hatte ich diesen Brief beantwortet, ihm für seine Güte gedankt, -und ihm meinen Entschluß und die Einwilligung meiner Mutter gemeldet, -so kommt von ihm ein zweyter. Ich erwartete nichts Geringeres, als den -Tod des Grafen; denn er ist sehr krank gewesen. Aber es war noch ein -zweyter Vorschlag. Sie kennen die <a id="frauvoni"></a>Frau von I., eine K..sche Tochter, -und ihre zwey Söhne, von denen der älteste lahm ist. M. Hahn war bisher -ihr Hofmeister. Dieser kommt nach Hamburg, und die Frau Obersten -sucht einen neuen. Der junge Herr soll bald in die<span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span> Collegia gehen, -und der jüngste soll bloß der Aufsicht, nicht aber dem Unterricht des -Hofmeisters anvertraut werden. Das Gehalt ist 150 Thaler. Wenn diese -Stelle außer Leipzig läge, so hätte ich sie geradezu ausgeschlagen. -Aber meine Freunde wieder zu sehen, Sie wieder zu sehen, Gellerten — -alle, alle wieder zu sehen, bey Ihnen zu leben, — das ist mehr als man -braucht, um eine noch seltsamere Frau, als die Frau von J. ist, und -einen noch beschränkteren Eleven, als ich mir ihren Sohn vorstelle, -ertragen zu lernen.</p> - -<p>Sagen Sie mir, was hätten Sie mir gerathen, Sie und Ihr lieber Mann, -wenn ich bey Ihnen gewesen wäre? Ich will Ihnen sagen, was ich gethan -habe. Ich habe die Entscheidung Gellerten überlassen; ich habe ihm die -Bewegungsgründe und die Schwierigkeiten auf beyden Seiten vorgestellt. -Wenn alles gleich wäre, so würde ich ohne Streit F..s Haus dem J..schen -vorziehen, von dem ich weder mehr Ansehen, noch mehr Umgang mit der -großen Welt, noch mehr Glück aufs künftige zu erwarten habe. In<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span> beyden -Fällen komme ich doch erst nach Leipzig, und sehe Sie wieder. —</p> - -<p>Ich schriebe gern noch mehr, aber um mich selbst zu verläugnen, und um -Sie von meinen langen Briefen ausruhen zu lassen, sage ich kein Wort -mehr, als daß ich u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 id="Zwoelfter_Brief">Zwölfter Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">E</span>in treuer, freundschaftlicher Rath kommt niemals zu spät, wenn er auch -gleich eine geschehene Wahl nicht mehr ändern kann. Sie wissen, ich -schrieb Gellerten, an eben dem Tage, da ich Ihnen die Nachricht davon -gab. Es würde mir schwer werden, eine Entscheidung, die ich ihm einmal -übergeben habe, wieder zurück zu nehmen. Ich bin in der That vollkommen -Ihrer Meynung, daß es immer gefährlich ist, dem Urtheile eines andern -(und wäre dieser andere auch der<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span> weiseste und rechtschaffenste Mann) -eine Entscheidung zu überlassen, bey der er, wenn es möglich wäre, -sich in uns verwandeln müßte, wenn er richtig urtheilen sollte. Dem -ungeachtet glaube ich, daß ich es nach den Umständen, in welchen ich -war, so machen mußte. Diese Erinnerung wird mich trösten, der Ausgang -der Sache mag seyn, welcher er will. Um mich aber auch bey Ihnen zu -rechtfertigen, so sollen Sie diese Umstände wissen.</p> - -<p>Sie kennen die Schwierigkeit, (oder wenigstens können Sie sich sie -vorstellen), die es einen Menschen kostet, dessen Glück oder Unglück -nicht ihn allein trifft, sondern sich auf Personen ausbreitet, die -ihm theurer als sein eigen Leben sind, was es diesen Menschen, sage -ich, kostet, einen Entschluß zu fassen, von welchem diese Personen -glauben, daß er für sein künftiges Schicksal so wichtig ist. Wenn -man das Unglück hat, Niemand in der Welt anzugehören und eine mit -dem übrigen menschlichen Geschlecht nicht zusammenhängende Insel -auszumachen, so hat man entweder Muth oder Unbesonnenheit genug,<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span> -geschwind zu entscheiden. Neigung, und die auf eine gewisse Seite -gerichtete Einbildungskraft geben der Wahl bald den Ausschlag. Wenn man -aber so wie ich, als Sohn, als Verwandter, als Freund, in Verbindungen -steht, die an unser Wohl das Wohl anderer verknüpfen, so wird ein -Entschluß schon weit schwerer, für dessen Erfolg man so vielen Personen -Rechenschaft zu geben hat.</p> - -<p>Setzen Sie nun noch, daß die Sache so sehr ungewiß ist, wie die -meinige, und daß so viel andere, von uns ganz unabhängige Begebenheiten -zusammen kommen, und uns helfen müssen, wenn sie nicht fehl schlagen -soll: wer kann alsdann kühn genug seyn, für den Ausgang zu stehen, -besonders wenn man durch unglückliche Beyspiele geschreckt ist. Man -glaubt in diesen Fällen sehr leicht, daß das, wozu sich eine besondere -Gelegenheit anbietet, mehr als ein Ruf der göttlichen Vorsehung -angesehen werden kann, als das, wozu nichts als unser Entschluß etwas -beygetragen hat. Vielleicht ist dieses zuweilen Vorurtheil. Aber -scheint es uns alsdann nicht Wahrheit, wenn<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span> die Unternehmung mißlingt? -Nach Leipzig ohne Ruf und Veranlassung zu gehen, und auf gut Glück -Vorlesungen anzufangen, wie viel Stimmen glauben Sie wohl, daß ich hier -dafür würde gefunden haben? Noch dazu da Leipzig außer unsers Herrn -Ländern liegt, wo, wenn gegen die Regeln der Wahrscheinlichkeit alles -aufs glücklichste fällt, am Ende doch immer die Schwierigkeit übrig -bleibt, die die Versetzung einer ganzen Familie und ihres Vermögens -in einen entfernten Ort mit sich führet. Was blieb mir also bey dem -Wunsch und beynahe bey dem Bedürfniß, das ich hatte, nach Sachsen -zurückzukommen, was blieb mir anders übrig, als eine Art von Beruf -zu wünschen, die mir mehr und stärkere Ursachen verschaffte, mein -Vaterland wieder zu verlassen, als meine bloße Neigung seyn konnte.</p> - -<p>Dieses war die erste Ursache, warum ich eine Hofmeisterstelle wünschte, -zu der mich sonst nicht Noth noch eine sehr große Lust, Hofmeister zu -seyn, antrieb. Diesen Gesichtspunkt einmal festgesetzt, erschien mir -die<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span> Sache auch von andern Seiten vortheilhaft, so wie gemeiniglich, -wenn unsere Neigung festgesetzt ist, unser Verstand die Mühe über -sich nimmt, sie durch Gründe zu rechtfertigen, die doch nichts dazu -beygetragen hatten, sie hervorzubringen. Ich fand als Hofmeister -eines jungen Herrn von Stande meine Lust, die Welt, und wenn es seyn -könnte, die große Welt etwas kennen zu lernen, befriedigt; ich sah -in der Ferne die Aussicht zu Reisen. Endlich glaubte ich, daß, wenn -sich durch diesen Weg die Schwierigkeiten des akademischen Lebens, -besonders in Leipzig, etwas erleichtert hätten, wenn es dadurch für -mich wahrscheinlicher geworden wäre glücklich zu seyn, als es für -jeden andern ist, der mit eben so viel Zuversicht, wie ich, seine -Vorlesungen anschlägt: daß, sage ich, ich alsdann meine Verwandten und -Freunde durch stärkere Gründe würde bewegen können, einen beständigen -Aufenthalt in Leipzig genehm zu halten. Dieses sind die Ursachen, warum -ich es für nothwendig gehalten habe, unter einem von beyden Vorschlägen -wählen zu müssen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span></p> - -<p>Wenn sich keine solche Gelegenheiten angeboten, oder wenn ich sie -ausgeschlagen hätte; wissen Sie, was für ein Entwurf an dessen Stelle -getreten wäre? Ich würde diesen Winter in B**** geblieben seyn. (Und -würde ich wohl diese Bitte meiner Mutter haben abschlagen können, wenn -ich ihr weiter nichts, als bloß die Begierde lieber anderswo als bey -ihr zu seyn, zum Bewegungsgrunde hätte vorzulegen gewußt?) Man würde -während der Zeit Versuche auf mich gethan haben, meinen Aufenthalt in -meinem Vaterlande beständig zu machen. Wenn ich gegen alle Vorschläge -hartnäckig genug ausgehalten hätte, so würde ich endlich künftige -Ostern nach Halle gegangen seyn, und zu lesen angefangen haben. Ich -weiß, daß dieß doch vielleicht das Ende der Sache seyn wird. Aber -genug, ich bin zufrieden, wenn es nur jetzt nicht geschieht, und wenn -ich noch zuvor das Ziel von Geschicklichkeit und Wissenschaft an einem -dazu weit bequemern Orte erreiche, ohne welches ich mich selbst für -einen unwürdigen Lehrer der Akademie halten würde. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span></p> - -<p>Was nun die Wahl unter beyden betrifft, so war die Zeit zur Ueberlegung -kurz; meine Neigung durch die Vortheile der Nation des Ministers, und -durch die Vortheile des Orts bey der andern getheilt; meine Mutter -höchst unschlüssig, furchtsam, mich den Schwierigkeiten und Gefahren -bloß zu stellen, die sie im Dienste der Großen für mich zu finden -glaubte, und doch auch ungewiß, ob die Vortheile diese Gefahren nicht -überwiegen; ich selbst nicht vermögend genug, sie von allen Umständen, -die die J..sche Condition heruntersetzen, zu unterrichten, und nicht -dreist genug, mir alle die Talente zuzuschreiben, die des Grafen seine -zu erfordern schien. Was konnte ich thun, um mich und sie zugleich -zu beruhigen, als die Entscheidung einem Manne auftragen, der beyde -Stellen besser kennen muß, wie ich. —</p> - -<p>Noch ist von ihm keine Antwort da. Wenn er für die J..sche entscheidet, -so bestehe ich durchaus auf der Bedingung, Collegia lesen zu dürfen. -Ohne das wird nichts daraus; das versichere ich Sie heilig. Und nun,<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span> -l. F., verlassen Sie mich nicht mit Ihrer Liebe, Ihrem Rathe und mit -Ihrem Beystande. In unserer Freundschaft finde ich einen Trost, der mir -jede Schwierigkeiten leichter überwinden, und jeden Kummer ertragen -hilft u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 id="Dreyzehnter_Brief">Dreyzehnter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">S***witz den 12. Aug.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">W</span>enn Sie noch mehr solche schöne Briefe, und solche angenehme -Erzählungen nach S**** schreiben, so werden alle meine Freunde anfangen -auf mich neidisch zu werden. Wenn Sie nur sehen sollten, mit was für -Begierde hier Jedermann Ihre Briefe erwartet, mit wie viel Ungeduld -wir uns nach dem Bothen umsehen, der sie uns bringen soll, und wie -wenig einer dem andern Zeit lassen will, sie durchzulesen. Sie können -glauben, daß ich mir nicht wenig darauf zu<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> Gute thue, daß an mich die -Briefe zuerst kommen, und daß ich nicht nur dieses Vergnügen zuerst -genieße, sondern es auch alsdann in meiner Macht habe, Gefälligkeiten -damit auszutheilen.</p> - -<p>In der That, ich würde meine hiesigen Freunde nicht so hoch schätzen, -wenn sie das Glück, eine solche Freundin zu besitzen, nicht für -beneidenswerth hielten. Meine Mutter insbesondere, die jeder Beweis -von der Rechtschaffenheit ihres Sohnes mehr als alles erfreut — -(und welcher Beweis könnte stärker seyn, als der, daß er von solchen -Freunden ihrer Gewogenheit werth gefunden wird?) meine Mutter ist so -sehr von ihren Briefen eingenommen, daß ein Posttag ohne Briefe ihr -beynahe schon eben so viel Unruhe macht, als mir selbst. Darf ich es -Ihnen wohl erst sagen, daß uns der letzte diese Unruhe gemacht hat? -Denn in der That hatten wir Herz genug, drey Tage nach dem Empfang -Ihres letzten Briefes schon wieder einen neuen zu erwarten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span></p> - -<p>Ich habe immer geglaubt, man müsse den Menschen aus den Gegenständen -seines Vergnügens kennen lernen. Ich habe Leute gesehen, die in ihren -Geschäften vernünftig genug schienen, und die sich doch nach geendigter -Arbeit in der elendesten Gesellschaft und durch die abgeschmacktesten -Zeitvertreibe erholen konnten. Diese Leute könnte ich nimmermehr zu -meinen Freunden machen. Wenn ich aber Jemand, so wie meine Freundin, -sich an dem Anblick einer tugendhaften und glücklichen Familie erfreuen -sehe; wer durch den Anblick einer zärtlichen und sorgfältigen Mutter, -eines gütigen Herrn, liebreicher und gutgearteter Bedienten, kurz eines -solchen Hauses, wie Sie mir das Gärtnersche beschreiben, gerührt wird, -für dessen Güte bin ich Bürge, und ohne ihn zu kennen, öffnet sich -schon mein Herz gegen ihn zu sympathetischen Empfindungen.</p> - -<p>Wie gern möchte ich der Rektor von Königsbrück in dem Augenblick -gewesen seyn, da Sie ihn in seinem Hause überraschten. Ich habe -mich schon oft darüber gefreuet, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span> das Schicksal einige unserer -Begebenheiten eben so ähnlich gemacht hat, als es unsere Empfindungen -sind. Ich weiß, Sie sagten mir einmal, daß Sie von allen Ihren Lehrern -wären außerordentlich geliebt worden. Der Besuch in Königsbrück hat -mich wieder an dieses Gespräch erinnert. Mein gütiges Schicksal hat -mir eben so nachsehende, oder eben so liebreiche Lehrer gegeben. Alle -sind meine Freunde gewesen, und haben mich mit einer vorzüglichen -Gewogenheit beschenkt. Sie wissen, daß ich jetzt sogar in dem Hause -meines Lehrers wohne, der aber noch weit mehr mein Freund ist. —</p> - -<p>Von diesem glücklichen Montage, wo Sie vergnügt waren, weil Sie andere -vergnügt machten, habe ich Sie mit Freuden wieder zurück an die -Stelle begleitet, wo Sie sonst oft von einem andern mehr ungestümen -Freunde überfallen wurden, der bey Ihnen alle Mal seine Ruhe und seine -Heiterkeit wieder fand, wenn er beydes durch seine eigene Schwäche, -oder durch unglückliche Nachrichten von seinen Freunden, verloren -hatte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span></p> - -<p>Die Beschäftigungen der Ehegattin, der Hausfrau, der Mutter haben mir -immer die edelsten geschienen, die ein menschliches Geschöpf einnehmen -könnten. Sie sind mir aber jetzt noch viel mehr werth, da ich weiß, daß -es die Beschäftigungen meiner Freundin sind. Ich stelle sie mir hundert -Mal des Tages in jedem dieser Geschäfte vor, und entwerfe mir von ihrem -ganzen Leben den schönsten und vortrefflichsten Plan. Von einer Stufe -der weiblichen Vollkommenheit zur andern führe ich Ihre Wilhelmine -bis zu dem Augenblicke, wo Sie sie einem glücklichen und tugendhaften -Manne zuführen, für den Ihre Sorgfalt sie zubereitet hatte. Indeß, daß -Sie in dieser Ihrer Erstgebohrnen schon alle Freuden und Belohnungen -einer Mutter fühlen, theilen sich noch andere Kleinere in die Sorge und -die Arbeiten einer Mutter. So erblicke ich Sie endlich am Ende Ihrer -Laufbahn, unter der Gestalt einer ehrwürdigen Shirley, das Haupt und -die Krone einer ganzen sich immer mehr ausbreitenden Familie, die durch -Dankbarkeit, durch Hochachtung, durch Liebe, durch alles, was die Natur -zärtliches<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span> hat, an Sie gebunden ist. Wenn denn von einem Winkel der -Erde, wo Ihr Freund die Erfüllung seiner Wünsche nur aus der Ferne, -aber doch mit der lebhaftesten Bewegung seines schon matt gewordenen -Herzens hört, wenn er sich aus diesem Winkel einmal hervorbegiebt, um -noch seinen letzten Tagen die Glückseligkeit zu geben, seine Freundin -glücklich zu sehen, und sich unter den Haufen ihrer Kinder mischt — -und ihre Hand mit den Thränen der Freude und Zärtlichkeit benetzt; — -welchen Monarchen würde ich alsdann beneiden?</p> - -<p>Sie werden sagen, ich machte Schimären. Aber lassen Sie mich sie immer -machen; sie sind oft viel angenehmer als die Wirklichkeiten. Und -glücklich müssen Sie doch seyn mit den Gesinnungen und dem Herzen, -welches Sie haben; Sie mögen es nun werden, auf was für eine Art Sie -wollen. Und ich muß an Ihrer Glückseligkeit Theil nehmen, als Ihr -Freund — oder als Ihr Schutzgeist. Denn auch bis dahin führt mich -oft meine Einbildungskraft, wenn sie in der gehörigen Mi<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span>schung von -Melancholie und Vergnügen ist. Ich prophezeihe mir ein kurzes Leben, -und ich bin sehr damit zufrieden. Ich wäre es noch mehr, wenn ich nur -noch zuvor etwas Gutes gethan, und eine Spur von meinem Daseyn zurück -gelassen hätte. In allen Fällen werde ich doch nicht glauben, umsonst -gelebt zu haben, wenn ich auch nur einen Menschen zurück lasse, den ich -besser oder glücklicher gemacht habe. —</p> - -<p>Ich habe von Gellerten noch keine Antwort. Unterdessen habe ich ihm den -Aufsatz geschickt. Wie gern hätte ich zuvor unsern gemeinschaftlichen -Freund zu Rathe gezogen. Ich verwahre die Kopie für ihn, um sein -Urtheil noch hintennach zu erfahren. —</p> - -<p>Und nun empfehle ich Sie und Ihren geliebten — auch von mir geliebten -guten ** der Vorsicht und der Beschützung des Himmels, und trage es -diesem freundschaftlichen gütigen Mond auf, der eben jetzt über meinen -Gesichtskreis kommt, Sie mit seinen Strahlen zu begrüßen — und Sie an -Ihren Freund zu erinnern, wenn Sie ihn unter bessern Freunden vergessen -sollten u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span></p> - -<h2 id="Vierzehnter_Brief">Vierzehnter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Breßlau den 26. Aug.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">W</span>enn der Brief in eben dem Augenblicke zu Ihnen kommen könnte, in -welchem ich ihn schreibe, wenn ich tausend Empfindungen mit einem Worte -ausdrücken, und die ganze Fülle meiner Seele ohne Zeichen, durch eine -Art von Inspiration der Ihrigen mittheilen könnte, dann, glaube ich, -würde die Ungeduld gestillt werden, mit welcher ich jetzt diesen Brief -anfange. Die Zeit, bis er zu Ihnen gelangt, scheint mir unermeßlich; -und ich wollte gern, daß Sie es diesen Augenblick wüßten, daß nur -der Zufall, nicht Ihr Freund an Ihrer Unruhe schuld gewesen ist; daß -er eben dieselbe Unruhe um der nämlichen Ursache willen ausgestanden -hat; und daß, so gern er jeden sorgenvollen Augenblick aus Ihrem Leben -austilgen wollte, ihm doch diese Ihre Bekümmerniß, mehr als jedes -andere Zeichen Ihrer Freundschaft schätzbar und theuer ist.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span></p> - -<p>Ja in der That, l. F., das Schicksal hat sich recht bemühet, unsere -Seelen die letzte Woche mit einerley Gedanken und mit eben denselben -Bekümmernissen einzunehmen. Ihr Brief, (der, den ich in S**** schon vor -acht Tagen erhalten sollte) blieb aus, und ich fand ihn nicht eher, als -des Sonntags bey meiner Zurückkunft in B****. Ich weiß nicht, warum -Ihre Briefe gerade da am ehesten ausbleiben müssen, wenn ich sie am -meisten wünsche. Denken Sie nur, ich trug schon die ganze Woche vorher, -aus Ursachen, die ich mir so wenig erklären, als ihre Wirkung aufheben -kann, einen gewissen stillen mehr nagenden, als heftig beunruhigenden -Verdacht mit mir herum, Sie wären mir nicht mehr so gut, als vordem. -Sie wissen, Gründe richten sehr wenig gegen Empfindungen aus. Ich -erwartete also Ihren nächsten Brief, um meine Furcht und mein Mißtrauen -zu beschämen. Wir konnten den Tag, an welchem Ihre Briefe ankommen, -keinen Boten in die Stadt schicken, und diese Briefe (so dachte ich -damals) blieben also auf der Post bis den folgenden Tage liegen. Ein -sehr<span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span> unangenehmer Verzug, der aber die Begierde und die Erwartung noch -mehr schärfte. Endlich hatten sich die Stunden bis zur Ankunft des -Boten langsam und traurig genug fortgeschlichen — und nun kam er ohne -Briefe.</p> - -<p>Stellen Sie sich selbst vor, was eine Fehlschlagung in einer solchen -Verfassung für Wirkungen auf ein Gemüth haben mußte, das dem Ihrigen -ähnlich ist. Sie schienen mir blos deswegen nicht geschrieben zu -haben, um mir zu sagen, daß ich Recht gehabt hätte mich zu fürchten. -Ich bildete mir ein, als hätten Sie in meiner Seele eine Unruhe lesen -können, und hätten deswegen geschwiegen, um ihren Grund zu bestätigen. -Ich hörte schon auf, mein eigner Freund zu seyn; denn gewiß, ich -würde mich selbst für ein nichtswürdiges Geschöpf ansehen, wenn Ihre -Freundschaft mir in meinen Augen keinen Werth mehr gäbe.</p> - -<p>Die Seele kann in einem so unangenehmen Zustande nicht lange beharren. -Er ist, so wie Sie sagen, und so wie meine Erfahrung mich lehrt, ein -Stand der Unthätigkeit, der<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span> Philosophie unsers Freundes ungeachtet. -Sie wankt also eine Zeit lang zwischen Reflexion und Gefühl, zwischen -deutlichen Gründen und dunkeln Einbildungen hin und her; sucht eine -Menge Beweise, um das nicht zu glauben, was sie scheut, und stürzt sich -doch wieder, trotz aller Beweise, in ihre traurige Ueberzeugung zurück. -Dieses Mal siegte ich aber doch endlich! denn das war ich gewiß genug, -daß Ihre Freundschaft nicht so, wie der meisten Menschen ihre, ohne -besondere Ursache nur erkalten kann, blos deswegen, weil die nähern -sie immer umgebenden Gegenstände unaufhörlich einen Theil ihrer Wärme -rauben, und sie durch diese allmählige Ausdämpfung zuletzt bis zu der -ordentlichen Temperatur der Gleichgültigkeit zurückbringen. Aber das -wußte ich nicht, daß Sie mich Ihrer Freundschaft immer auf gleiche Art -würdig finden würden. Ich habe immer geglaubt, daß die Freundschaft, -so wie die Liebe, eine gewisse Art von Verblendung erfordere; nicht -eine solche, die die Gestalten verkehrt, sondern die, welche den guten -Eigenschaften allein Licht giebt, und die schlechten in Schatten setzt. -Wie wäre es nun,<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span> wenn Sie diese Verblendung gewahr geworden wären, — -wenn Sie anfingen, mich eben so zu sehn, wie mich alle übrige Menschen -sehn? — Aber kurz, Sie hatten mir noch keine Veranlassung gegeben, -diese Veränderung zu glauben. Ich konnte selbst den Ursprung dieses -Gedankens in meiner Seele nicht ausfindig machen. Er erfüllte die Seele -so, wie manches falsche Gerücht die Stadt, ohne daß man sagen kann, wer -das Ding zuerst erzählt hat. Und konnten endlich Ihre Briefe nicht aus -tausend andern Ursachen zurückgehalten werden?</p> - -<p>Aber dabey schmeichelte ich mir doch nicht, daß Sie wirklich -geschrieben hätten, und es blos Unrichtigkeit der Post wäre, die mir -Ihren Brief vorenthielte. Ich verließ S**** des Sonntags, nicht mit so -viel Widerstreben, als ich sonst gethan haben würde, wenn ich nicht -Ihre Briefe in der Stadt zu erwarten gehabt hätte. Ich fand sie, und in -denselben die zärtlichste, gütigste Freundin, die Sie immer waren, dazu -gemacht, das Leben nicht bloß Eines Mannes glücklich zu machen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span></p> - -<p>In der That bedurfte ich dieses Trostes, um nicht allen meinen Muth -unter der Menge unangenehmer Zufälle zu verlieren, die auf uns in der -Stadt warteten. Meine Mutter kam halb krank nach Hause. Ihr Bruder, -der, wie Sie wissen, im Bade gewesen ist, war kurz zuvor durch den -Banquerout eines der ansehnlichsten hiesigen Häuser, dem er einen -beträchtlichen Theil seines Vermögens anvertraut hatte, zurückgerufen -worden. Ein andrer unsrer Freunde, der brave T****, sah durch eben -diese Begebenheit eine Summe von 10000 Rthlr. auf vielleicht weit -weniger als die Hälfte heruntergesetzt; eine andre Freundin, die Mad. -P*** (eine von den wenigen Frauen, die Ihrer Bekanntschaft werth -wären), war gefährlich krank, und der Arzt hatte ihr erst vor kurzem -die Hoffnung zum Leben wiedergegeben. Meines Onkels jüngste Tochter war -es auch. Die allgemeinen Klagen vermischten sich mit der besondern Noth -unsrer Familie. Endlich bekam ich Gellerts Brief, und die Nachricht -von des Grafen Tode. Mit diesem verschwand alle Aussicht auf künftigen -Winter. Die nächsten Monate<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> sogar hüllten sich wieder in Dunkel -und Finsterniß ein; — und nirgends, nirgends sahe ich irgend einen -Schimmer eines Lichtes, der mich zu meiner Freundin wieder zurückführte.</p> - -<p>An die Stelle dieser verschwundenen Hoffnung trat eine Furcht, die ich -schon überwunden zu haben glaubte. Während meines Aufenthalts in B*** -ist der Prorektor des hiesigen ersten Gymnasiums wegberufen worden. -Meine Freunde dachten ganz natürlicher Weise an mich. Ich verzeihe -Ihnen den Wunsch, mich hier zu behalten; er entspringt aus einem so -gütigen Herzen, daß ich ihn gern mit meinem Wunsche bestätigen wollte, -wenn es auf weiter nichts als Vergnügen dabei ankäme. Man redete also -viel davon, man erforschte meine Gesinnungen, man ersann sich allerhand -Möglichkeiten. Alles das war gut, so lange die Sache noch in einer -gewissen Ferne blieb. Ich gestand, so oft die Rede davon war, meine -vollkommene Abneigung; und ich gab, wie ich denke, Gründe davon, um ihr -nicht den Schein des Eigensinns und des Vorurtheils zu geben. Man hörte -endlich, da die Wahl ins Lange<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span> gezogen wurde, auf davon zu reden. -Heftige Bestrebungen verzehren sich selbst, wenn sie nicht sogleich -thätig werden können. Ich erklärte mich ein Mal für alle Mal, daß ich -keinen Schritt der Sache entgegen thun würde. Eine ganz freywillige, -unveranlaßte Anbietung dieses Amtes würde alsdenn von mir nicht ohne -Ueberlegung verworfen werden.</p> - -<p>Ich glaubte, daß ich gewiß sehen könnte, daß dies niemals geschehen -würde, da der hiesige Magistrat die Maxime hat, den ungestümsten -Bittern die Aemter am ersten zu geben, und da die Jahrbücher von -B*** noch kein Beyspiel von einem jungen Menschen haben, der, ohne -die niedern Stufen des Schuldienstes durchkrochen zu seyn, zu dieser -Würde erhoben worden wäre. Mitten unter diesen Sachen reiseten wir -aufs Land, mein Onkel ins Bad. Die Briefe Gellerts brachten uns alle -diese Gedanken aus dem Sinne, und Leipzig und Dreßden nahmen unsre -Aufmerksamkeit so sehr ein, daß wir nicht mehr wußten, ob es einen -Prorektor in B*** giebt. Ich kam wieder zurück mit der vollkommensten -Sicherheit,<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> daß diese Stelle längst würde besetzt seyn, und daß -alles entschieden sey. Kein Mensch dachte wieder daran, bis Gellerts -Brief dem Laufe unsrer Vorhersehungen eine neue Richtung gab. Gestern -war ich mit meiner Mutter in einer großen und zu meinem Unglück sehr -vermischten Gesellschaft. Einer davon, ein Herr von P***, ein Mann, dem -große Reichthümer und viele Verbindungen eine Art von Ansehn geben, -dem es übrigens weder an Verstande, noch einem gewissen Grade von -Empfindung mangelt, zog mich gleich bei seinem Eintritte auf die Seite. -— Hören Sie, sagte er, wollen Sie Prorektor seyn? — Die Frage war -sehr kurz, und die Antwort schien entscheidend seyn zu müssen. — Ich -wiederholte ihm kurz das, was ich allen meinen Freunden schon längst -gesagt hatte. — Ich war von Herzen froh, als ich endlich erfuhr, -seine Frage bedeutete nichts mehr, als jede andre Frage von der Art; -als ein Freund meines Onkels und meiner Mutter hatte er ihre Wünsche -vorhergesehn, und wollte es bloß erfahren, ob es auch die meinigen -wären.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span></p> - -<p>Unser Gespräch war noch nicht zu Ende, da es von einem Schwarme andrer -Leute unterbrochen wurde. Ich hatte bey einem sehr vollen Tische -den langweiligsten elendesten Abend von der Welt. Ich dachte fast -an nichts, als an den Kontrast dieser Gesellschaft, und der kleinen -an Ihrem Tische, in der ich so viele Stunden unter dem heitersten -Vergnügen verlor. — Nur einen einzigen solchen Abend, l. F., und ich -wäre auf einen Monat zufrieden u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span></p> - -<h2 id="Funfzehnter_Brief">Funfzehnter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">B***, den 9. Septbr.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">U</span>nerachtet mich meine Reise gehindert hat, an der besondern Lustbarkeit -dieses Tages Theil zu nehmen, so bin ich nichts desto weniger bey -Ihnen gewesen, so wie ich es alle Tage bin. Und vielleicht war es ein -gewisser geheimer Einfluß, den Ihre Seelen auf die meinige hatten, der -mich diesen Tag (es war der letzte, den ich in M*** zubrachte), beynahe -vergnügter machte, als ich die ganze übrige Zeit gewesen war. —</p> - -<p>Eine Grille, die mir Schwedenborg, und sein Kommentator, M. Kant, in -den Kopf gesetzt hat, kann ich mir noch nicht ausreden. — So geht -es; Sätze, die uns lieb sind, nimmt man gar zu leicht für Wahrheiten -an, und das Sicherste, was ein Philosoph thun kann, um uns von seinen -Hypothesen zu überzeugen, ist, daß er den Wunsch in uns<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> erregt, daß -sie wahr wären. — Aber zur Sache selbst.</p> - -<p>Schwedenborg sagt, das Verhältniß, das die Geister gegen einander -haben, und welches ihren Ort ausmacht, ist von dem Orte, den ihre -Körper einnehmen, durchaus unterschieden. Die Geister machen zusammen -eine Welt für sich aus, und die Körper, die ihren Stand bestimmen, -in so fern sie durch Empfindungen denken, und ihre Begriffe aus dem -sinnlichen Gebiete herholen, schränken sie doch nicht im mindesten -ein, in so fern sie Geister sind. — So ist es also möglich, daß zwey -Geister ganz dicht aneinander stoßen, deren Körper hundert Meilen weit -von einander entfernt sind. Zwischen beyden kann der vertrauteste -Umgang seyn, der aber niemals zum Bewußtseyn kommt, — als bey -gewissen auserwählten Seelen, denen, wie Schwedenborg sehr deutlich -sich ausdrückt, das Innere geöffnet ist; — oder bey außerordentlichen -Gelegenheiten, wo der hellere Glanz der Empfindungen, der sonst alle -andere Ideen auslöscht, so sehr verdunkelt wird mit sammt dem ganzen -Gefolge von<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span> Erinnerungen und Phantasien, daß jene geistigen Eindrücke -sich aus dem Grunde der Seele herausheben. Durch dieses Mittel will -Schwedenborg alle die wunderbaren Dinge gewußt haben, durch die er -in den Ruf des größten Narren und des größten Wahrsagers unsrer Zeit -gekommen ist. —</p> - -<p>Aber kurz und gut, die Theorie gefällt mir, und ich dächte also, daß -sie wahr wäre. Meine Seele würde nichts so sehr wünschen, als um alle -die von ihr geliebten und mit ihr verwandten Seelen so nahe zu seyn, -daß sie die Einflüsse derselben empfangen, und auf sie wieder Eindrücke -machen könnte. Der Körper ist bisher zu der Erreichung dieses Wunsches -ein beschwerliches Hinderniß gewesen, jede Vereinigung forderte immer -eine vorhergegangene Trennung, und Freunde wiederzusehen und von -Freunden geschieden zu seyn, waren immer zwey unzertrennliche Sachen. -Aber nun, die Theorie Schwedenborgs einmal festgesetzt, wer hindert -mich, meine Seele an den Ort hinzubringen, wo es ihr am besten gefällt, -und um sie herum alle die Geister zu pflanzen,<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span> deren Gemeinschaft so -oft ihren Wunsch und ihre Sehnsucht erregt hat? Lassen Sie mich also 50 -Meilen, und — was sind diese? lassen Sie mich um halbe Erddiameter von -Ihnen entfernt seyn, — und doch soll meine Seele von der Ihrigen nicht -um ein Haar breit weiter kommen. Denken Sie, wenn unsre sterblichen -Augen den himmlischen Anblick ertragen könnten, was es wäre, diese -Gesellschaft von Geistern bey einander zu sehn; erst die unsrigen, wie -sie unsichtbare Begriffe von einander annehmen und sich mittheilen, -Begriffe, die erst in künftigen Epoquen unsers Daseyns uns selbst -bekannt werden sollen; wie sie sich vielleicht einander aufklären, -reinigen, bessern, und ohne unser Wissen schon die Glückseligkeit -künftiger Zeitalter verbreiten; — alsdann die Seelen unsrer liebsten -Freunde, Ihres Gemahls, meiner Mutter, unsers Reizes, — und dann, -wenn irgendwo in der Welt eine Julie oder eine Schirley lebt, — ein -reizendes Mädchen, deren Schönheit die Ankündigung von Verstand und -Unschuld ist, — eine zärtliche Ehegattin, deren geschäftiger Fleiß, -— so wie der Ihrige, — den Abend<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> eines mühsamen Tages ihrem Manne -und ihrem Freunde mit stiller und unschuldiger Fröhlichkeit krönt, — -eine ehrwürdige Mutter, der ein neues Geschlecht seine Tugend und seine -Glückseligkeit dankt, — diese alle bey uns, unsre Vertrauten, schon -vorbereitet, uns künftig, wenn wir einander erkennen werden, zu lieben, -und das Vergnügen einer Gemeinschaft zu fühlen, die hier nur bloß unsre -Reflexion beschäftigte.</p> - -<p>Sie sehen, ich bin in Gefahr, vielleicht ein eben so großer Schwärmer -zu werden, als Schwedenborg selbst. Und in der That ist ein Traum, der -uns vergnügt macht, hundert Mal besser, als eine Wahrheit, die uns -Kummer verursacht.</p> - -<p>Ueber ihr Gedicht und noch mehr über dessen Mittheilung bin ich von -Herzen vergnügt gewesen. Die zwey letzten Strophen haben mir am meisten -gefallen, vielleicht weil Sie darin an mich denken. —</p> - -<p>Ich hätte Ihnen noch so viel zu sagen, als auf diesem Blatte und -auf zehn andern nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span> Raum hätte. Aber ich bin einmal schon des -Mißvergnügens gewohnt, meine Briefe da schließen zu müssen, wo sich -meine Unterredung mit Ihnen erst recht anfangen sollte. Die Ideen -drängen sich so in meinem Kopfe zusammen, sobald ich die Feder ansetze, -an Sie zu schreiben, daß sich endlich eine aus dem Haufen hervordrängt, -— nicht die die vornehmste und wichtigste gewesen wäre, sondern die -sich am schnellsten der Seele und meiner Feder bemächtigen konnte. — -Aber das muß ich Ihnen doch noch sagen, daß ich von Gellerten, seit dem -letzten, der mir des Grafen Tod ankündigte, keine Briefe habe, und daß -ich ohne Vorschläge von ihm, — wenig Mittel sehe, diesen Winter mit -Ihnen zuzubringen u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span></p> - -<h2 id="Sechzehnter_Brief">Sechzehnter Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">L</span>assen Sie mich Sie immer heute zu einer ungewöhnlichen Zeit -überfallen. Ungelegen kann es Ihnen doch nicht seyn (so zuversichtlich -hat mich schon Ihre Freundschaft gemacht). Mein Herz ist zu voll; und -ich weiß schon, eher wird es nicht ruhig, bis es sich ganz in das -Ihrige ausgegossen hat. Wie sehr empfinde ich heute das Glück, eine -Freundin zu haben, die meinen Schmerz gern mit mir theilt, und lieber -mit mir trauert, als allein fröhlich ist. Aber erschrecken Sie nur -nicht über diesen Anfang. Es ist nur Mitleiden, nicht eignes Unglück, -das diese unruhige Bewegung in mir hervorbringt — aber Mitleiden, das -auf seinen höchsten Grad gestiegen ist, und beynahe zu eignem Gefühl -wird. —</p> - -<p>Ich war gestern von meiner Reise den Augenblick angekommen, als man mir -sagte, meine Mutter wäre in dem Krankenzimmer<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> einer Freundin, und sie -würde den Abend dort zubringen. — Ich habe Ihnen schon mehrmals das -P***sche Haus genannt, als eine von den Familien, die mit der unsrigen -am genauesten verbunden ist und von mir am meisten hochgeschätzt -wird. In der That besteht sie beynahe aus lauter hochachtungswürdigen -Personen. Das Haupt der Familie, der alte Herr P***, ehemals ein sehr -angesehener Kaufmann, war noch außerdem, — was selten Kaufleute sind -— ein empfindlicher und zärtlicher Ehemann, ein dienstfertiger Freund, -ein gütiger Vater, und ein durch Erfahrung und vielfache Kenntnisse -angenehmer Gesellschafter. Seine Frau, unsre Anverwandte, — die Krone -ihres Hauses, und beynahe auch des unsrigen, ist von der Natur und -durch ihren Fleiß recht dazu ausgerüstet, Glückliche zu erfreuen, -und die Unglücklichen zu trösten. Ein starker und beynahe männlicher -Verstand, der nur durch eine beständige Uebung, nicht durch Unterricht -ausgebildet ist; eine Gegenwart des Geistes, die selbst durch ihre -zarte Empfindsamkeit niemals geschwächt wird; ein gewisses Feuer und -eine Thätigkeit andern Dienste zu<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span> leisten, die die Schwierigkeiten -überwindet, wovor die andern nur erschrecken; ein freundschaftliches -Herz, das seine Befriedigung im Gutes thun findet, und eine gewisse -Art von Mangel fühlt, so bald es sich zu Niemandes Besten beschäftigen -soll; und dieses alles war zu ihrer glücklichen Zeit mit einer -beständigen Heiterkeit der Seele, und mit so viel Lebhaftigkeit -verbunden, daß sie gemeiniglich die Seele der Gesellschaft wurde, in -der sie sich befand.</p> - -<p>Herr P**** hatte von seiner erstern Ehe eine Tochter, die schon -ziemlich erwachsen war, als er sich mit unsrer Freundin vermählte, und -die einige Jahre darauf den Halbbruder ihrer Stiefmutter heyrathete. -Die Frau ***, so heißt diese würdige Frau, hatte von der Natur nicht so -viel vorzügliche Gaben, aber dafür eine gewisse Sanftmuth und Stille -in ihrem Charakter, eine tiefe und mehr durchdringende als lebhafte -Empfindlichkeit, und ein so kindliches, gutes, freundschaftliches Herz -bekommen, daß sie die vertrauteste Freundin und die ehrerbietigste -Tochter ihrer Eltern<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span> zugleich war. Ihre Seele war der Seele ihrer -neuen Mutter, oder vielmehr ihrer Schwester (denn so liebten sie sich, -und so ist ihr Betragen gegen einander noch bis auf den heutigen Tag) -nicht ähnlich, aber sie war dazu gemacht, dieselbe auszufüllen, und -mit ihr ein Ganzes auszumachen. Ihr Gemahl, der Frau P**** Bruder, -den sie schon vor drey Jahren durch eine grausame Krankheit verlor, -hatte vielleicht unter allen die wenigsten Talente, aber er besaß -ein so durchaus gutes Herz, er liebte seine Frau und seine Schwester -so innigst, und er räumte ihre Vorzüge über ihn so gern ein, daß man -ihm bloß um seiner Ehrlichkeit willen gut wurde. Und so wie er war, -wurde er auch wieder von seiner Frau, die sonst vielleicht zu einem -scheinbarern Glück Hoffnung gehabt hätte, so geliebt, als wenn er der -vollkommenste aller Männer gewesen wäre. Von diesem ihrem Manne hatte -sie zwey Kinder, einen Sohn und eine Tochter, deren Geburt nun erst -alle Hoffnungen des Großvaters und alle Wünsche der gesammten Familie -erfüllte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span></p> - -<p>Beyde Familien wohnten in Einem Hause, aßen an demselben Tische, -liebten sich alle unter einander mit einer Zärtlichkeit ohne Beyspiel, -und machten das Bild einer einträchtigen und glücklichen Familie aus. -Wenn die Geschäfte des Tages sie von einander entfernt hatten, so -kamen sie doch gewiß am Abend alle zusammen, ihre lieben Kleinen mit; -und dann genossen sie in einer beneidenswerthen Ruhe alle Freuden des -häuslichen Lebens, die einzige Glückseligkeit des Menschen, wenn anders -Menschen glücklich seyn können. Ihre äußern Umstände störten diesen -Genuß eben so wenig. Ihr Vermögen war weit mehr als hinlänglich, ihrer -Freunde waren viel; — und wenn es, um ein Gut zu genießen, nothwendig -ist, daß andre wissen, daß wir es haben; so war die allgemeine -Hochachtung für sie eine Bestätigung ihrer Glückseligkeit und ihrer -Verdienste.</p> - -<p>Und diese ganze Familie, dieser ganze kleine Kreis von tugendhaften -und glücklichen Freunden, liebe Freundin, ist jetzo nur noch -fähig, Mitleiden zu erregen; — das ganze Gebäude ihrer häuslichen -Glückseligkeit ist<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span> durch eine Reihe auf einander folgender -Unglücksfälle zerstört; jede Wurzel des Vergnügens ausgerottet, und -fast hat selbst die Zukunft für sie nichts mehr als Schrecken. Der -Tod des Herrn B***, der vor drey Jahren zu eben der Zeit erfolgte, -als ich hier meine Mutter besuchte, war der Anfang und gleichsam -die Ankündigung davon. Dieser Tod war so schmerzhaft, und mit so -traurigen Umständen begleitet, daß er auf das Gemüth aller einen sehr -tiefen Eindruck machte — auf das Gemüth seiner Gattin aber einen -immerwährenden. Diese schon von Natur furchtsame und schüchterne Frau -wurde durch den Verlust ihres Mannes beynahe zu Boden gedrückt. Nur die -Gesellschaft und die Zärtlichkeit ihrer Mutter, der Frau P****, und die -Sorgfalt für die Erziehung der beyden liebenswürdigen Kinder, in denen -sie die Liebe der Mutter und der Gattin vereinigte, nur diese hatten -sie bisher erhalten, und ihr nach und nach den Muth und die Freudigkeit -wiedergegeben, ohne die das Leben eine Last ist.</p> - -<p>Eine andere glückliche Begebenheit schien die Freude wieder in dieses -Haus zurückführen<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span> zu wollen. Eine Tochter der Frau P****, von einer -erstern Ehe, ihrer Mutter bey weitem nicht gleich, aber doch auch ihrer -nicht ganz unwürdig, heyrathete den Hrn. Z****, der lange Zeit im Felde -Dienste geleistet hatte, ein Liebling der Vornehmsten der Armee und -selbst des Königs gewesen war, und die glücklichsten Aussichten vor -sich hatte. Ein Mann von vielem Verstande, von einer wahrhaft guten -Lebensart, und der, wenn er noch nicht die richtigsten Grundsätze -hatte, doch fähig war, sie anzunehmen. Er war damals ***, und wurde -bald darauf ****, welches eines der ansehnlichsten Aemter in unserm -Lande ist, und unmittelbar auf den geheimen Rath folgt. Dieser Mann -liebte seine Frau, ob sie gleich weder ihm an Gaben gleich, noch seinen -Erwartungen und Wünschen gemäß war. Aber vielleicht liebte er sie noch -mehr um ihrer Mutter als um ihrer selbst willen; und beynahe glaube -ich, daß noch bis auf diese Stunde die Hochachtung, die er für seine -Schwiegermutter hat, die Liebe gegen seine Frau erhält.</p> - -<p>Diese Verbindung, die ihrer Familie ein neues so würdiges Glied gab, -wurde kurz<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> darauf die Quelle mehr als eines Jahres voll Kummer -und Angst. Z**** empfand, nachdem er zur Ruhe kam, die Folgen der -Ermüdungen des Krieges. Er fiel in dem ersten Jahre seines Ehestandes -in eine gefährliche Gliederkrankheit, die ihn zuerst mit den -grausamsten Schmerzen angriff, und alle Augenblicke seinen Tod drohte, -bald darauf ihn des völligen Gebrauchs aller seiner Glieder beraubte, -und ihn ganz hülflos der unaufhörlichen Pflege und Wartung seiner -Freunde selbst in seinen kleinsten Bedürfnissen benöthigt machte. -Diese Krankheit ist endlich, nachdem sie sechs Vierteljahre das ganze -Haus in einer beständigen Abwechselung von Furcht und von Betrübniß -erhalten hat, durch eine sehr beschwerliche Kur, und durch den Gebrauch -mannigfaltiger Bäder gehoben worden. Sie wissen, daß er nur erst -neulich mit meinem Onkel im Bade gewesen ist. —</p> - -<p>Aber dieses war noch nicht der einzige Kummer. — Die unglücklichen -Umstände unsers Landes haben die Handlung des Herrn P*** sehr -geschwächt; — aber noch würden<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span> sie ihnen wenig Schaden gethan -haben, wenn sie nicht auch zugleich den Kopf dieses würdigen Alten -geschwächt hätten. Dieser sonst so lebhafte und geschäftige Mann, der -die Thätigkeit selbst war, sich immer herzhaft entschloß und klug -ausführte, dieser versinkt in seinem Alter, von Kummer und Sorgen -niedergedrückt, in eine völlige Unempfindlichkeit. Seine Gemüthskräfte -erlöschen; seine Seele, die durch so viele und starke Eindrücke zu -heftig erschüttert worden, nimmt jetzo gar keine mehr an, oder alle -verlöschen augenblicklich auf dem Grunde, der schon völlig von den -vergangenen Ideen eingenommen ist. So ist er für seine Familie und -seine Freunde schon todt, ob er gleich sich noch unter ihnen bewegt; -und seine Gattin, die sonst von ihm Ansehn und Ehre erhielt, ist jetzo -kaum mit aller ihrer Klugheit und der zärtlichsten Sorgfalt vermögend, -ihn vor der Verachtung der Fremden, und selbst vor der Geringschätzung -seiner Freunde zu schützen. Denken Sie sich nun seine Tochter, die noch -immer dieselbe kindliche, ehrerbietige Zärtlichkeit für ihn hat, und -denken Sie, was es einem Herzen, wie das ihrige, kosten<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span> muß, ihn alle -seine schätzbaren Eigenschaften verlieren zu sehn. —</p> - -<p>Noch war ein einziger Trost für dieses Haus übrig, aber ein sehr -großer, und der vielen Leiden das Gegengewicht halten konnte; — der -Trost, zwey hoffnungsvolle und liebenswürdige Kinder in ihrem Schooße -aufwachsen zu sehen, die die Verdienste, und, wenn es möglich wäre, die -ehemalige Glückseligkeit ihrer Eltern erneuerten. — Und nun liegt das -jüngste davon, ein Knabe von ungefähr acht Jahren, die unschuldigste, -sanftmüthigste, geduldigste Seele, das Bild und der Liebling seiner -Mutter — und ringt mit dem Tode.</p> - -<p>Bey seinem Bette fand ich meine Mutter. Ich bin niemals von einem -Anblicke so gerührt, so durchdrungen worden. Die Krankheit des Kindes -ist die allerschmerzhafteste und grausamste, glaube ich, die ich jemals -gesehn habe: die allerentsetzlichsten Kopfschmerzen, die, wie der Arzt -muthmaßt, aus einer Beschädigung des Gehirns entstehen, und schon vier -Tage und Nächte ohne den geringsten<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span> Nachlaß fortdauern. Sie pressen -dem armen liebenswürdigen Knaben, der alles, alles sonst mit der -größesten Gelassenheit erträgt, und selbst jetzo die schmerzhaftesten -Operationen ohne Murren mit sich vornehmen läßt, ein Geschrey aus, das -mir bis in das Innerste der Seele geht. — O Gott, wer muß der Unmensch -seyn, der die Stimme des Schmerzes ertragen kann, wenn er selbst der -Urheber davon ist! — Mein Herz wird davon zerrissen! — Und dann in -dem Augenblicke einer kleinen Linderung ihn mit einer ängstlichen -Zärtlichkeit nach seiner Mutter rufen zu hören, diese vor seinem -Bette knien zu sehen, und dann ihn, wie er seine kleinen Arme um sie -herumschlingt, sie fest an sich drückt, und dann mit einer gewissen -dringenden Heftigkeit sie seiner Liebe versichert, — dann mitten unter -diesen Liebkosungen, von dem Schmerz überwunden, auf einmal in das -kläglichste Geschrey ausbricht, und das zu ganzen Nächten fortsetzt -— Gott, kaum kann ich den Gedanken davon ertragen. — Heute ist der -Schmerz schon Herr über sein Bewußtseyn, und er kennt nicht mehr seine -Mutter. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span></p> - -<p>Liebste Freundin, werden Sie mir es wohl vergeben, daß ich Sie mit so -traurigen Gegenständen unterhalte? Aber mir wird meine Noth leichter, -wenn ich denke, Sie wissen sie und nehmen daran Theil.</p> - -<p>N. S. Zu gleicher Zeit mit dem Ihrigen erhielt ich auch einen sehr -freundschaftlichen Brief von Herrn Weise. Eine kleine Anekdote, die er -mir von Meinhardten erzählt, kann ich Ihnen unmöglich verschweigen. -Bey seiner Abreise von Leipzig fragte ihn der Post-Commissar Gellert: -Ob er nicht einige günstige Aussichten hätte? O ja, sagte er, die -glücklichste Aussicht von der Welt — die Aussicht auf mein Grab.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span></p> - -<h2 id="Siebenzehnter_Brief">Siebenzehnter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 16. September.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">D</span>er Kleine, dessen Leiden ich Ihnen schilderte, hat sich gebessert. Er -ist keines menschlichen Leidens mehr fähig. — Für den tugendhaften -Mann und für den Christen ist der Tod wenig; aber für den Menschen ist -der Schmerz immer etwas sehr Großes. Neulich war mein ganzes Mitleid -für das Kind selbst, jetzo ist es nur noch für seine Mutter. Ich will -Ihnen nicht ihren Schmerz beschreiben, um nicht den Ihrigen rege zu -machen. Sie wissen, was es heißt, Mutter seyn. — Aber einen andern -Verlust muß ich Ihnen erzählen, der nicht so schmerzhaft, — aber -doch für uns empfindlich ist; noch dazu einen Verlust, der die ganze -Begierde, zu Ihnen zu kommen, bey mir wieder rege macht, da er mir die -vortrefflichste Gelegenheit dazu verschafft hätte. Denken Sie nur, -ich hätte in Gesellschaft eines Tralles zu Ihnen kommen können, ich -hätte<span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span> Sie gesehn, Sie hätten einen unsrer besten Freunde gesehn, die -Hochachtung, die ich für meine Freundin habe, hätte sich noch eines -rechtschaffenen Herzens bemeistert, und — Aber hören Sie erst die -Geschichte.</p> - -<p>Tralles als einen Arzt kennen Sie, glaube ich. Aber das müssen Sie -noch wissen, daß er beynahe der würdigste Gelehrte und der beste -Gesellschafter in B**** ist. Diese Titel werden Sie, denke ich, noch -nicht so aufmerksam machen, (welche Eigenliebe!) als wenn ich Ihnen -sage, daß er der älteste Freund unsers Hauses, daß er fast der einzige -recht vertraute Freund meines Onkels ist, — daß seine erste Frau die -beste und die einzige Freundin war, die meiner Mutter ihr ganzes Herz -besessen hat. Dieser Mann, der neulich nach Warschau als Leibarzt -kommen sollte, und es aus Liebe zu seinen Freunden ausschlug, hat jetzt -einen andern Antrag, der just in einer so unglücklichen Epoque kommen -muß, da sich B**** bey ihm durch einen ansehnlichen Verlust, den er -durch die Betrügerey eines Freundes leidet, verhaßt gemacht hat, daß -er<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span> fast geneigt ist, ihn anzunehmen. Die Fürstin von Gotha verlangt -ihn zu ihrem Beystande bey ihrer jetzigen schwachen Gesundheit, — -und wünscht ihn als Leibarzt zu behalten. Er kam eben von einer Reise -wieder, als er einen Brief von dem Gothaischen Hofe fand, wo man ihn -unter den schmeichelhaftesten Hoffnungen, die man einem Menschen geben -kann, einladet, noch diesen Herbst nach Gotha zu kommen, seine Familie -mitzubringen, — und den Winter dort zu bleiben. Es sollte alsdann von -seiner Wahl und von dem Grade von Zufriedenheit abhängen, den er mit -dem dasigen Aufenthalte, und der Art von Aufnahme, die er erhalten -hätte, haben würde, ob er nach Breßlau zurückkehren oder bey ihnen -sein Leben beschließen würde. Denn er ist schon sechszig Jahr. — Er -ist nun entschlossen, die Reise zu thun, ob er gleich ihren Erfolg -noch nicht vorhersieht. Seine jetzige Frau wird ihn mit ihrem kleinen -Sohne begleiten. Von zwey Töchtern aus der ersten Ehe ist die eine -verheyrathet, und kann also ihrem Vater nicht folgen, die andre will -zum Beystand ihrer Schwester zurückbleiben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span></p> - -<p>Dieser D. Tralles nun reist auf den Sonnabend ab, — und -reist über Leipzig. — Was würde ich nicht darum gegeben haben, so -einen Gesellschafter zu finden; und wie sehr gütig war nicht seine -Anerbietung. — Wenn ich mitführe, sagte er, so wollte er wechselsweise -auf dem Kutschersitze fahren, wenn er keinen andern Platz hätte. -Demungeachtet bleibe ich hier, — verliere einen Freund, den ich noch -hatte, und komme zu denen nicht, die ich entbehrte. —</p> - -<p>Ich sinne schon die ganze Zeit, seitdem ich diese Reise weiß, -auf Mittel, den D. Tralles Ihnen oder Ihrem lieben Gatten -vorzustellen. Ich schmeichle mir, Sie würden einen Mann nicht ungern -sehen, der erst vor wenig Tagen aus unserm Hause kommt, der uns alle -kennt, der unser Freund ist, — und der es verdient, auch der Ihrige zu -seyn. Aber ich gestehe es, ich begreife noch nicht, wie die Sache zu -machen ist. Er bleibt nur einen halben Tag und über Nacht in Leipzig. -— Er will Gellerten besuchen, an den ich heute schreibe, und bey dem -ich ihn anmelde. — Er ist ein Anverwandter<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> von ***. Man erwartet ihn -in diesem Hause, und man wird ihn ohne Zweifel dahin ziehn. — Wo mir -recht ist, so ist diese ***sche Familie nicht eben im Besitz einer sehr -großen Achtung. Ich kenne sie nur vom Parterre aus; aber von da sah -mir die Tochter sehr einfältig und eitel — ihre Mutter stolz und ein -bischen verbuhlt aus. — Zum Glück hat Tralles eine Gabe, die uns allen -beyden fehlt, — sich die Narren ganz gut gefallen zu lassen. Er wird -aus der Gesellschaft der vernünftigsten Leute in die Versammlung der -Thoren übergehn, ohne von seiner guten Laune etwas einzubüßen.</p> - -<p>Im Vorbeygehen, — Sie hätten meine Fehler nicht besser treffen können; -— fast eben dieselben, die mir meine Mutter so oft vorwirft. Sie -gesteht mir, daß sie noch so ziemlich mit mir zufrieden ist, wenn ich -bey ihr oder bey gewissen Personen bin (und das sind noch dazu sehr -wenig), die mir gefallen; aber daß ich der unerträglichste Mensch -wäre unter einer Gesellschaft, die mir mißfiele. In der That verliere -ich unter Leuten von einer<span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span> gewissen Art nicht bloß meine Lustigkeit, -sondern auch meinen gesunden Verstand; ich denke nicht mehr, ich -vegetire nur. — Aber wieder zu unserm Tralles zurück!</p> - -<p>Nach dem Plane seiner Reise, den er erst gestern Abend in einer -Gesellschaft entwarf, bey der ich gegenwärtig war, wird er erst auf den -Sonnabend über acht Tage in Leipzig ankommen. Seine Frau und sein Kind -nöthigen ihn, langsamer zu gehen. Bis dahin kann ich Ihnen also noch -einmal schreiben. — Aber nun meine eigne Rückreise zu Ihnen! —</p> - -<p>Meine Mutter mag es Ihnen sagen, ob es mir leicht wird, diese -aufzuschieben. In der That sehne ich mich zuweilen nach einer -einzigen Viertelstunde, die ich mit Ihnen zubringen könnte, — mit -einer solchen Ungeduld, die im Stande wäre, mich zu Ihnen zu führen, -wenn unsre Begierden uns Kräfte gäben. — Aber meine Mutter wünscht -meine Gegenwart; sie hält sie zu ihrer Gesundheit auf diesen Winter -für nothwendig; sie thut alles, was sie kann, und sie würde noch -mehr thun,<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span> um den Winter hindurch von einer andern Seite meinem -Studiren gewisse Beförderungen zu verschaffen, die ich von der einen -verliere. — Mein Freund hat seine Gedanken recht aus meiner Seele -herausgenommen, — eben dieselben Vorstellungen, fast mit eben den -Worten, mit welchen ich sie schon manchmal meiner Mutter gemacht habe. -Bücher, Muße, Lehrer, das würde ich hier vielleicht alles haben, — -aber Freunde, die mich aufmuntern, die mich in einer beständigen -Bewegung erhalten, deren Seele, mit der meinigen gleich gestimmt, jeder -von ihren Gedanken entspräche, und ihnen gleichsam zur Geburt hülfe — -die fehlen mir durchaus.</p> - -<p>Meine Mutter sehnt sich bald so sehr nach Ihnen, als ich selbst. -Ihr Brief hatte sie ganz aufgeheitert. O Freundschaft und kindliche -Liebe, deinen geheiligten Banden sey meine ganze Seele gewidmet! — — -Aber was wäre die Freundschaft ohne Tugend, und was die Tugend ohne -Aufopferungen? u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span></p> - -<h2 id="Achtzehnter_Brief">Achtzehnter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 23. September.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>ch werde heute einen langen Brief schreiben, das sehe ich voraus. -Ich habe wenig Zeit dazu, ich werde ihn also geschwind und schlecht -schreiben. Sie werden ihn also nicht lesen können, und ich werde ihn -umsonst geschrieben haben. Aber das schadet nichts. Für die Mühe, die -es mich kostet, einen Brief an Sie zu schreiben, bin ich schon belohnt, -wenn er geschrieben ist. Meine Seele, die sich jeden Tag mit Ihnen, -— und mit Niemanden lieber beschäftigt, — heftet sich doch niemals -so ganz, so lange, so ununterbrochen auf meine Freundin, als während -dem ich an sie schreibe. Allen fremden Gedanken, jedem unwillkommenen -Besuche ist in dieser Zeit der Zutritt versagt — und ich bin so völlig -mit meiner ganzen Seele bey Ihnen, als ich es war, wenn ich des Abends -an Ihrem Fenster (wenn der<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span> Mond und die Nachtigall Ihres Nachbars die -ruhige Heiterkeit und die harmonischen, aber simpeln Bewegungen unsrer -Seele abbildeten) der Freundschaft genoß, — und einen Augenblick -lang, in dem ich die Sorge für die Zukunft und selbst den Wunsch nach -derselben vergaß, sagen konnte: <em class="gesperrt">Nun bin ich glücklich!</em></p> - -<p>Wenn es Ihnen ganz gleichgültig wäre, daß ich nicht nach Leipzig komme, -— so wüßte ich nicht, was mir schwerer seyn würde, als der Winter hier -in Breßlau. Die Freundschaft ist, wie ich sehe, auch grausam. Sie will -das Recht, den Freund vergnügt und glücklich zu machen, so ganz allein, -so ausschließungsweise haben, daß er beynahe darüber murrt, wenn er es -ohne sie seyn könnte. Ich habe es immer den Dichtern übel genommen, -wenn sie ihre Verliebten so eigennützig machen, daß sie ihre Geliebte -mit weniger Schmerz sterben, als in den Armen eines Andern leben und -glücklich seyn sehen. — Aber ich merke nun schon, daß unsre edelsten -Neigungen immer so eigennützig seyn müssen.<span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span> Die Liebe ist eine -Leidenschaft. Die Freundschaft ist nur eine Gesinnung. Ihre Wirkungen -sind nur in den Graden unterschieden, — in ihrer Natur eben dieselben. -— Wenn es einen Menschen gäbe, der Ihnen meine Stelle so vollkommen -ersetzte (verzeihen Sie mir einen Stolz, den Sie mich gelehrt haben), -daß Sie, ohne Wunsch nach meiner Zurückkunft, mich an jedem Orte der -Welt gleich gern sähen: diesem Menschen würde ich nicht gut seyn -können. — Ich vermehre nun in meinen Gedanken diese Empfindung bis zu -der Stärke, die der Leidenschaft der Liebe proportionirt ist, und ich -sehe es ein, daß der Dichter das menschliche Herz besser versteht, als -der Philosoph; — und daß, so göttlich Plato auch seyn mag, Shakspeare -doch mehr von der Liebe weiß, als er. Sie haben doch wohl Romeo und -Juillet gesehn? Nun wohl! Glauben Sie nicht, daß Juillet ihren Romeo -lieber vernichtet, als untreu sehen würde? — Aber davon genug, und -vielleicht schon zu viel, wenn ich es mit dem vergleiche, was ich noch -zu sagen habe.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span></p> - -<p>Tralles, unser guter Tralles, ist mit seiner Frau und seinem Kinde am -Sonnabend fort. — Aber er hat keinen Brief an Sie mit. Zuerst, weil es -hier sogar gefährlich ist, einem Reisenden andre als offne Briefe, oder -solche, die er öffnen kann, mitzugeben. Ein neues Edikt setzt auf diese -Vervortheilung der Posten mehr als 100 Rthlr. Strafe. Zum zweyten, weil -ich meine Absicht, Sie und den D. Tralles zusammen zu bringen, -doch nicht würde erreicht haben. Er hätte Ihnen den Brief zugeschickt, -oder seine Frau hätte Ihnen Visite gemacht, — oder Ihr lieber Gatte -wäre zu dem D. Tralles gegangen. — Kurz, ich sehe nicht, wie -Sie eigentlich mit ihm in Bekanntschaft gekommen wären. Endlich will er -nur über Nacht in Leipzig bleiben. Ich glaube, es wird nichts daraus -werden, dem ungeachtet wollte er doch, — und nach diesem Entschlusse -nahm er hier seine Maßregeln. Nun hat er Verwandte in Leipzig, wie Sie -schon wissen. Gellert, dem er von vielen Seiten empfohlen ist, wird ihn -aufhalten. — Ludwig ist sein alter Schulfreund und sein Korrespondent. -Die Zeit wird also selbst für seine alten<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> Bekanntschaften zu kurz -seyn. — Und doch wollte ich — ich weiß nicht wie viel dafür geben, -wenn Sie ihn sähen, oder Ihr lieber Mann, — oder wenn er Sie sähe. -— Er wird im blauen Engel wohnen. — Schon dachte ich, ob Sie ihn -vielleicht über eine wirkliche oder erdichtete Krankheit von sich -oder Ihrem Kinde zu Rathe ziehen wollten; dieses würde immer für ihn -schmeichelhaft, aber doch ein bischen seltsam seyn. Dann dachte ich -wieder, ob Ihr Mann nicht den Tag zu Gellerten gehn könnte. — Alles -das dachte ich, und doch bin ich noch nicht auf das gekommen, was mir -gefällt und genug thut. — Der einzige Trost ist, — er will auf dem -Rückwege (denn zurückkommen wird er gewiß) länger in Leipzig verweilen, -— und alsdenn bin ich entweder schon bey Ihnen, oder ich schreibe -durch Sie an Tralles. —</p> - -<p>Von Kaufleuten, die nach Leipzig gingen (Kaufleute meine ich, nicht -Krämer), weiß ich keinen, als Herrn ****, und der geht noch dazu mit -seiner Frau. Sie sind beyde — eben nicht Freunde — aber Bekannte von -uns.<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> Und die Frau ist noch dazu, — oder war wenigstens als Jungfer -— eines unsrer schönsten Gesichter. Der Mann ist wohlhabend, und hat -den besten Garten um B***. Für die Meisten ist dies Verdienst genug, -seine Bekanntschaft sehr angelegentlich zu suchen. Für Sie und mich ist -es wenig. Ueberdieß geht er schon morgen ab. Mein Brief also, den ich -heute abschicke, kommt eher an, als er, — und was brauche ich erst -auf Gelegenheiten zu warten, an Sie zu schreiben, so lange die Posten -richtig gehen?</p> - -<p>Sie verlangen von mir mein Tagebuch? — Nichts in der Welt wünschte ich -mehr, als daß Sie alle meine Handlungen wüßten, meine ganze Aufführung -unter jeden Umständen, bey jeglicher Veranlassung sähen, — daß Sie die -Aufseherin meines Herzens seyn könnten, und durch Ihren gütigen Beyfall -das Wahre und das Gute bestätigten, — und durch Ihren liebreichen -Tadel meine Vorurtheile und meine Schwachheiten besiegen hülfen. — -Aber wie kann eine kurze, unvollständige, trockne, oft Ihnen vielleicht -langweilige Erzählung diese<span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span> Absichten erreichen? — Dem ungeachtet -sollen Sie so viel wissen, als ich zu sagen vermag. Keinen treuern -Geschichtschreiber sollten Sie je gesehen haben, als ich es von mir -selbst seyn wollte. Nur vergeßlicher, mangelhafter....</p> - -<p>Ich weiß nun selbst nicht mehr, was ich mir noch alles für Schimpfnamen -geben wollte. Man rufte mich ab, — und nun, in den zwey Minuten, die -mir noch übrig sind, habe ich was bessers zu thun, als auf mich zu -schelten.</p> - -<p>Meine Lebensart also zuerst, — wäre noch so ziemlich, wenn ich weniger -faul, weniger zu einer anhaltenden Arbeit ungeschickt, weniger unruhig, -und wegen meiner künftigen Aussichten ein bischen scharfsichtiger -wäre. Ich stehe spät auf, — ob ich mir es gleich am Abende alle -Mal vornehme, früh aufzustehn. — Die Theestunde bleibt immer noch -die goldne Stunde des Tages. Ich, meine Mutter und meine Muhme, -ein jedes durch den Schlaf erfrischt, und durch keine Arbeit noch -entkräftet, bringt seine erste noch nicht vernutzte<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> Munterkeit in die -Gesellschaft. Während des Thees lese ich vor. Neulich hatten wir den -Hausvater und den natürlichen Sohn, — jetzo ist es der Hypochondrist. -Der Schriftsteller wird bewundert, — und der Vorleser bekommt auch -etwas von dem Dank, oder nimmt sich wenigstens selbst seinen Theil -davon, ohne erst daran erinnert zu werden.</p> - -<p>Der übrige Morgen wäre nun dazu, etwas zu arbeiten, — wenn ich jetzt -oft zum Arbeiten aufgelegt wäre. Wenn ich es bin, so arbeite ich -jetzo für Herrn Weisen, in seiner Bibliothek. Essen und Kaffee ist -wieder die gesellschaftliche Stunde. Ich spiele auf dem Klaviere, -ich liege im Fenster, ich schwatze, ich höre, ich lese vor, eins ums -andre, manchmal alles zugleich, zuweilen nichts von allem. Zwey oder -drey Stunden sind auf die Art leicht hinweg geschwärmt. Sonntags sind -öfter Freunde bey uns, als andre Tage. Den vergangenen machte ich -eine neue Bekanntschaft. Der junge Herr v. **** besuchte mich mit -seinem Schwager, dem H*** ***. Der erste war von seiner Familie zum<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span> -Kaufmann bestimmt, von seinen Neigungen zum Studiren; und seine Talente -sind wenigstens nicht wider diese Neigung. Er hat großes Geld, — -schafft sich also eine prächtige Bibliothek, liest viel, hat prächtige -Instrumente und Musikalien, spielt gut auf dem Flügel, und macht seine -Person, die von Natur nicht sonderlich einnehmend ist, durch seine Mühe -und durch seinen Fleiß wenigstens hochachtungswürdig. —</p> - -<p>Ordentlicher Weise gehe ich des Abends von fünf Uhr an spatzieren. — -Ganz allein; und welche Gesellschaft könnte mir auch angenehmer seyn, -als die, die ich mir alsdann aus allen vier Gegenden der Welt zusammen -hole? Shakspeare sagt: Die Welt ist nur eine Werkeltagswelt, wo alle -Sachen, gar nicht so, wie wir wünschen, und wie wir es einrichten -würden, sondern ihren gewöhnlichen alltäglichen Lauf kommen, sie mögen -nun dadurch unsern Wünschen in die Queere kommen, oder nicht. — Um -also diesem Mangel abzuhelfen, schaffe ich mir alsdann auf meine Hand -eine andre, eine Feyertagswelt. In dieser Welt<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> ist Ihr Mann kein -Advokat mehr, seine Arbeiten unterhalten ihn nur, aber sie nehmen ihn -nicht ganz ein, — er lebt für den Staat nützlich, aber doch immer für -seine Gattin mehr, als für seine Klienten, — in dieser Welt sind Ihre -Stunden alle heiter, alle voll Hoffnung, daß die künftige Stunde die -gegenwärtige an Glückseligkeit noch übertreffen werde. In dieser Welt -schreibt mein guter Reiz keine Register mehr; endlich in dieser bin ich -bey Ihnen, — ich bin Ihr Bruder; meine Mutter ist Ihre Mutter, wir -machen alle nur eine Familie aus.</p> - -<p>Aber nun muß ich Sie nur schon wieder sicher zu unsrer Welt -zurückbringen. — Denken Sie nur, ein ganz neuer Auftritt. Heute früh, -eben in dem Augenblicke, da ich Ihren Brief schreiben will, schreibt -der Kriegsrath von Klöber, der ehemalige Hofmeister des ersten Sohns -vom Minister ****, mir einen französischen Brief. — Der jüngste Sohn -des Ministers soll jetzo nach Halle gehn. — Er schlägt mir vor, -ich sollte die Stelle als Hofmeister bey ihm annehmen. Zweyhundert<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> -Thaler Gehalt; ein Engagement auf zwey Jahre; Hoffnung zu Reisen, -und die Versicherung befördert zu werden. — Was meinen Sie, daß ich -gethan habe? Ich mußte noch denselben Morgen antworten. Die Sache war -dringend. Ich schicke Ihnen meine Antwort mit. Leben Sie wohl u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span></p> - -<h2 id="Neunzehnter_Brief">Neunzehnter Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 30. September.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">N</span>ach Ihrem Briefe zu urtheilen, hatten Sie meinen Brief noch nicht -empfangen oder noch nicht gelesen, als Sie den Ihrigen schrieben. In -der That habe ich es mir schon vorgeworfen, daß meine Briefe immer so -lang und so übel geschrieben sind. Ich würde es Ihnen für übel halten, -wenn Sie sich die Mühe nehmen wollten, sie bis ans Ende zu entziffern. -Um es Ihnen also etwas leichter zu machen, und Ihnen doch dabey nicht -ganz unbekannt zu werden, werde ich Ihnen von nun an nichts als -Geschichte schreiben. Bringt der Himmel uns wieder zusammen, so werden -wir Zeit genug haben, Betrachtungen anzustellen. —</p> - -<p>Wenn Sie also nun jetzo meinen vorigen Brief gelesen hätten, so wüßten -Sie, daß es noch nicht so ganz gewiß ist, ob ich in Breßlau diesen -Winter bleibe. Herr v. Klöber, bey dem<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span> ich gestern wieder gewesen -bin, schreibt heute noch ein Mal an den Minister; und die Antwort, -die wir künftigen Sonntag, erwarten, wird die Sache entscheiden. -— Klöber hatte, wie er mir sagte, nicht sowohl zur Absicht, mir -selbst diese Hofmeisterstelle vorzuschlagen, als durch mich Jemanden -kennen zu lernen, der dazu tüchtig wäre. — Er vermuthete, daß ich -schon andre gewissere Aussichten hätte, und daß ich das Reisen zu -einer nothwendigen Bedingung machen würde, das doch bey dem Sohne -des Ministers noch ungewiß wäre. — Ich sagte ihm, daß der Entschluß -zu meiner künftigen Lebensart ziemlich fest, aber der Weg, den ich -dazu wählen wollte, noch gar nicht so bestimmt wäre; daß meine größte -Sorge sey, der Charakter des jungen Herrn oder seine Denkungsart könne -vielleicht nicht genug mit der meinigen übereinstimmen, um die Art von -Freundschaft und Vertraulichkeit zu errichten, die zu einer glücklichen -Ausführung meines Geschäfts unumgänglich wäre; daß endlich mir der -Aufenthalt auf einer Akademie noch weit lieber seyn würde, wenn ich -während desselben schon Vorbereitungen und Uebungen auf meine<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span> künftige -Lebensart anstellen könnte. Bey allen diesen meinen Antworten müssen -Sie daran denken, daß ich es mit dem Minister von *** zu thun hatte, -dessen Gewogenheit mir in jeder Verfassung von Gewicht seyn würde. — -Ich will Ihnen nicht erst sagen, was mir Klöber antwortete. Er war -außerordentlich gütig in der Beurtheilung meiner Fähigkeit zu einem -solchen Posten, — er erzählte mir sein eigen Beispiel, — endlich -versprach er, noch ein Mal an den Minister zu schreiben, und das, was -ich wünschte, ihm vorzutragen. —</p> - -<p>Wenn Sie diesen v. Klöber kennten, so würden sie einen rechtschaffenen -Mann, einen Mann von Grundsätzen, von Geschmack und von einer großen -Belesenheit an ihm finden. Er ist sehr lange gereiset. Er spricht alle -drey moderne Sprachen gut. Er kennt die Litteratur von jeder; aber für -die Engländer ist er enthusiastisch. Sie sollten ihn von Shakspeare -reden hören!</p> - -<p>Aber was machen Sie denn, beste beste Freundin? warum lassen Sie mir -denn nichts von<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> diesen Ihren Geschäften, von Ihren häuslichen Unruhen, -von Ihren Bekümmernissen, von Ihren Vergnügen wissen? Warum wollen Sie -mir denn so ganz fremd werden? — Warum mit mir eine so allgemeine -Sprache, die dem Kompliment so ähnlich sieht? Sie sagen mir wohl, daß -Sie mir noch gut seyn, — aber bald möchte ich daran zweifeln, da Sie -mich so wenig Ihres Vertrauens würdigen. — Wie wohl, ich bin heute -ohne dieß unruhig. Vielleicht giebt mein Gesicht den Gegenständen die -finstre Farbe, in der sie mir erscheinen. Ich habe endlich eine lange, -verdrießliche Arbeit geendigt. Ich schicke heute ein ganzes Packt an -Herrn Weisen. Von Gellerten habe ich Briefe, die mich ermahnen, hier zu -bleiben. — Haben Sie nichts von Tralles gesehen? — Leben Sie wohl -u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span></p> - -<h2 id="Zwanzigster_Brief">Zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">R</span>echt! liebe Freundin, von den Eindrücken am Morgen hängt das Vergnügen -oder der Verdruß des ganzen Tages ab. Ich folge Ihren Regeln und ahme -Ihrem Beispiele nach, — und der erste meiner Gedanken ist heute für -Sie. Warum kann ich doch den Gang dieses Briefes nicht beschleunigen, -oder warum habe ich Ihnen nicht eher geschrieben, um Ihnen geschwind -genug zu sagen, wie richtig Sie gemuthmaßt haben. Ja, ja, tausend Mal -hat es mich gereuet, daß ich diesen Brief geschrieben hatte. Nicht, -als wenn es nicht einerley Empfindungen der Freundschaft wären, die -mir ihn damals eingaben, und die jetzt machen, daß er mich reut. -Aber diese Empfindungen hatten sich den Tag so wunderlich mit einer -Menge verdrießlicher Vorstellungen vermischt, daß Sie selbst diese -Gestalt annahmen und unter einer so fremden Miene beynahe unkenntlich -wurden. — Ich hasse argwöhnische<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span> Freunde; ihre Zärtlichkeit besteht -bloß in dem Verdrusse, den sie leiden oder den sie verursachen. -Aber dem ungeachtet — eine gewisse Art von Besorgniß begleitet die -Zärtlichkeit, und es kann Gelegenheiten geben, wo sie wirklich in -Argwohn ausbricht. — So fürchtet Niemand die Verachtung mehr, als der -die Hochachtung wünscht, und der beständige Verdacht, gering geschätzt -zu werden, ist ein sicheres Zeichen des Stolzes.</p> - -<p>„Ja, dachte ich, sie ist wohl noch meine Freundin, aber nicht mehr -so zärtlich, so feurig, als ehemals; sie nimmt nicht mehr an meinen -Angelegenheiten Theil; sie läßt mich nichts mehr von den ihrigen -wissen. — Wer weiß, sind nicht diese gütigen Gesinnungen, von denen -sie mich versichert, ein bloßer zurückgebliebener Schimmer von -dem Feuer ehemaliger Empfindungen? Und warum, thörichter Mensch, -warum sollte sie dich auch mit dem hohen Grade von Freundschaft -lieben? Welche Verdienste hast du um sie, was für Dienste hast du -ihr geleistet, was für Beweise von deiner Freundschaft ihr gegeben? -Nein,<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span> nein! sie kann nicht ohne Ursache lieben; die Natur will, daß -Empfindungen, die auf einer bloßen Verblendung beruhten, mit ihr -zugleich aufhören. Die Einbildung schmückt zuweilen einen Gegenstand -weit über seinen Werth aus, und leiht ihm alle die schönen glänzenden -Farben, durch die er uns gefällt; — aber dieser Schmuck fällt ab, -die Farben verlöschen und der Verstand kommt zuletzt und zerstört -die ganze Bezauberung. Ja! Abwesenheit und neue Eindrücke haben ihre -Wirkung gethan, — und vielleicht, was ich, was sie selbst noch für -Zärtlichkeit hält, ist nichts als die Erinnerung, daß sie ehemals -zärtlich gegen mich gewesen ist.“</p> - -<p>Stellen Sie sich nun meine Seele vor, die durch finstre Irrgänge von -melancholischen Betrachtungen bis auf diesen Punkt gekommen war, -und dann bewundern Sie die Gelassenheit, mit der ich meinen letzten -Brief schrieb. — Die Seele bleibt nicht lange in einem Zustande des -Mißvergnügens, den sie sich selbst verursacht hat. Die Einbildungskraft -nimmt bald wieder einen andern Weg; die Vernunft<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span> kehrt sich die -lichtere Seite des Gegenstandes zu, — und dann wundert man sich über -die feste Gewißheit, mit der man vor wenig Augenblicken Sachen glaubte, -die man jetzt für unmöglich hält.</p> - -<p>„Nein, — so fing meine Seele an, sich wieder zu erheben — nein, die -Freundschaft kann in einer edlen Seele niemals ohne Grund entstehen; -— und wenn sie einmal die Vernunft gebilligt hat — kann sie alsdann -in derselben erlöschen? Diese falsche Demuth, mit der du dich selbst -erniedrigst, würde das Urtheil und die Wahl deiner Freundin verunehren. -Ja, du hast Verdienste um sie: die Begierde, ihr alle mögliche Dienste -zu leisten; ein Herz, welches sich fähig fühlt, um ihretwillen große -Schwierigkeiten zu überwinden; ein Gefühl, welches mit dem ihrigen -übereinstimmend und darauf gerichtet ist, sie, und wenn es möglich -ist, mit ihr gemeinschaftlich alle Menschen glücklich zu machen; — -dieß sind die einzigen Verdienste, die die Freundschaft verlangt, und -mit denen sie sich beruhigt. — Und nun, dieses festgesetzt, warum<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> -sollte dich ein Brief beunruhigen, der an sich voll von Gütigkeit, -— nur deswegen dir nicht genug thut, weil er deinen Erwartungen -nicht entspricht? Du erwartetest von ihr Rath, Beyfall, Ermunterung; -du erhieltest dafür nur Versicherungen ihrer Freundschaft und ihres -Wunsches, dich wieder zu sehn. Würden diese dich nicht in einer jeden -andern Gemüthsverfassung, nur nicht in der, in welcher du warst, -zufrieden gestellt haben? — Und du hast ihr einen Brief schreiben -können, der, wenn sie wirklich das wäre, was du argwöhnst, sie unwillig -machen; und wenn sie das ist, was du wünschest, sie kränken muß.“ —</p> - -<p>Wie hätte ich in diesem Augenblicke den mit Vergnügen empfangen, der -mir diesen Brief wieder gebracht hätte! — Sehen Sie, so bin ich -gestraft worden, noch ehe Sie es wünschen konnten, daß ich gestraft -würde. — Aber da ich nicht das Ganze rechtfertigen kann, so muß -ich wenigstens einen Theil entschuldigen, — wenigstens den Theil, -wo ich wünschte, mehr von Ihren Umständen zu wissen. — In der That -ist das, was ich dabey dachte, was<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span> ich mir noch jetzo dabey denke, -nur dunkel, und es wird mir schwer, es auszudrücken, — aber doch -empfinde ich, daß es etwas Wirkliches ist. — Sehen Sie, mitten -unter diesen angenehmen Kreis von Vergnügen und Beschäftigungen, -die Ihre unschuldigen Tage ausfüllen, stehlen sich nicht oft kleine -Gelegenheiten und Ursachen zur Bekümmerniß, zur Sorge, zur Betrübniß, -zur Freude, zur Hoffnung? Kleine vorübergehende Wolken, die unsern -Himmel auf eine kurze Zeit verfinstern; unvorhergesehene kleine -Stürme, die uns von dem ordentlichen Laufe unsers Lebens auf einige -Augenblicke verschlagen; — dann wieder auf einmal ein lächelndes, -schönes Ufer, eine unerwartete Aussicht, die die Krümmung des Stroms, -auf dem wir fuhren, uns verborgen gehalten hatte. — So sehe ich Sie -vielleicht den einen Tag, bey einer kleinen Blässe, die Sie auf dem -Gesichte Ihrer Wilhelmine bemerken, oder bey einer kleinen Verminderung -ihrer gewöhnlichen Munterkeit, — in eine ganze Reihe von sorgsamen -und traurigen Betrachtungen gerathen, die selbst die Vergnügungen -dieses Tages mit einem gewissen Nebel<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span> überziehn; und dann schweben -dunkle Bilder, wie die eines schwermüthigen Traums, auf dem Grunde -der Seele. Den andern empfing Sie vielleicht Ihre liebe Tochter mit -einem freudigen Lächeln, vielleicht erwiederte sie auf eine mehr als -gewöhnliche Art Ihre mütterliche Zärtlichkeit, und zeigte Ihnen von -fern die Belohnungen Ihrer Sorgfalt, in den süßen Ergießungen einer -kindlichen Dankbarkeit; vielleicht blickten durch ihre Bewegungen -oder durch ihre noch unartikulirte Sprache die ersten Strahlen der -aufgehenden Vernunft; — und dieser Eindruck stimmte die Seele für -diesen Tag zu lauter angenehmen Bewegungen; — dann wieder eine -zärtlichere Liebkosung von Ihrem Gemahl; ein unerwartetes Merkmal von -der Hochachtung eines Freundes; — eine auffallende und mit Ihren Ideen -recht übereinstimmende Betrachtung eines Ihrer Schriftsteller; eine -glücklich ausgeführte Arbeit, — ein vollbrachtes Werk des Wohlthuns -und der Menschenliebe: — auf der andern Seite eine kaltsinnigere oder -eine zerstreutere Miene auf dem Gesichte Ihres Mannes; eine kleine -Uneinigkeit in Ihren Meinungen; selbst das<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span> Mißvergnügen über eine -Handlung, die man wünschte ändern zu können, weil sie unsern Absichten -und unserm Plane nicht vollkommen gemäß gewesen ist; — alles das -ist es, was ich oft von Ihnen zu wissen wünschte, — und wobey sich -mein ganzes Herz bewegen würde, wenn ich es von Ihnen hörte. — O -Freundschaft, wenn deine geheiligten Bande zwey tugendhafte Seelen so -mit einander verbinden, daß alle Empfindungen und Gedanken der einen -in die andre übergehen, — dann verdoppeln sich ihre Kräfte, Gutes zu -thun; ihre tugendhaften Regungen werden zu Entschlüssen; ihre Fehler -werden ihre Lehrer; und jede fliegt mit der zusammengesetzten Kraft -und Geschwindigkeit von beyden ihrem großen Ziele zu. Mein Herz ist zu -voll. Ich kann nicht mehr schreiben. —</p> - -<p>Ich habe Zeit gehabt, mich von meinem Enthusiasmus wieder zu erholen. -Die älteste Tochter des D. Tralles ist den Augenblick bey uns -gewesen, und hat einen Brief von ihm aus Leipzig gebracht. Er hat -bey O... gewohnt. Professor Gellert hat ihn mit einer<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span> ungemeinen -Freundschaft aufgenommen; er hat ihm selbst wieder in dem O...schen -Hause die Gegenvisite gemacht. D. Ludwig hat seinen alten Freund -erkannt, — und alle haben sich um die Wette bestrebt, ihm seinen -kurzen Aufenthalt angenehm zu machen. Er ist mit Leipzig und seinen -Einwohnern so wohl zufrieden, daß er ihnen beynahe auf unsre Unkosten -Lobsprüche macht, und sie ehrt, indem er seine Breßlauischen Freunde -herunter setzt. Mir ist bey dieser Begebenheit vorzüglich lieb, daß -er mit der Aufnahme Gellerts vergnügt gewesen ist. Ich habe dadurch -ein kleines Verdienst um Tralles, und einen Beweis von der Gewogenheit -Gellerts.</p> - -<p>Aber daß ich von Klöber noch keine Antwort habe, daß ich noch immer in -derselben Ungewißheit bin, in der ich meinen letzten Brief schrieb; -daß ich gestern, da nach Klöbers Vermuthung die entscheidende Antwort -vom Minister (der auf seinen Gütern ist) kommen sollte, gar nichts, -weder von ihm noch dem Minister, gehört habe: alles das ist mir höchst -verdrießlich, und bringt meine Seele<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> in eine gewisse ungeduldige -Bewegung, die sie zu wenig Sachen geschickt läßt. — Ich erhalte aber -vielleicht noch diese Woche die Antwort — und dann will ich — nicht -zur Strafe — sondern zum Ersatz der unruhigen Stunden, die mich -Ihr und mein neulicher Brief gekostet hat, Ihnen auf den Sonnabend -schreiben. Alsdann sollen Sie zugleich etwas von meiner jetzigen -Lektüre hören. Denken Sie nur, ich lese die <span class="antiqua">Fairy Queen</span> von -Spencer, einem Dichter, ohne den Milton vielleicht nicht gewesen seyn -würde. — Ich habe nicht geglaubt, ihn in Breßlau zu bekommen; aber es -sind einige sehr vollständige Englische Bibliotheken hier. Leben Sie -wohl u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span></p> - -<h2 id="Ein_und_zwanzigster_Brief">Ein und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 4. Oktober.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">S</span>o wenig steht es oft in unsrer Gewalt, unsre Wünsche, oder auch unsre -Versprechen zu erfüllen! Dieses kurzsichtige Ding, die Seele, macht -immer Entwürfe, ohne die Hindernisse eher zu bemerken, bis sie von -ihnen gestört wird; dann springt sie plötzlich auf, sieht um sich herum -nach Hülfsmitteln, findet keine, und überläßt sich endlich einem trägen -und unthätigen Mißvergnügen. Ungefähr dieß ist die Geschichte des -Briefes, den ich an Sie schreiben wollte, und den ich nicht geschrieben -habe.</p> - -<p>Danken Sie es meiner Bescheidenheit, daß ich Ihnen die Erzählung -aller der kleinen Störungen und Geschäfte erspare, die jede für sich -nichtswürdig, doch zusammen genommen zum Herrn meiner ganzen Zeit -wurden. Ich werde<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span> mich nun hüten, Ihnen so bald wieder einen Brief -außer den gewöhnlichen zu versprechen. Denn nichts ist verdrießlicher, -als eine erregte Erwartung nicht befriedigen. Aber ich werde desto -aufmerksamer seyn, die Augenblicke ausfindig zu machen, wo ich, ohne -mich vorher angemeldet zu haben, bey meiner Freundin einen unerwarteten -Besuch machen kann.</p> - -<p>Nun kommt Ihr Brief. — O Sie haben also auf den meinigen gewartet! -Jetzt komme ich mir nicht bloß unglücklich, sondern strafbar vor. Ich -weiß, wie mir es seyn würde, hätten Sie mir ein ähnliches Versprechen -gethan, ohne es zu halten. Lassen Sie mich geschwind von dieser -unangenehmen Erinnerung wegeilen. Der Himmel wird schon heiter, der Weg -gut und die Luft kalt, um Pferd und Postillion hurtig zu machen, und -meinen Brief so geschwind als möglich zu Ihnen zu bringen.</p> - -<p>Außerdem muß ich Ihnen sagen, daß ich jetzo nicht bloß ruhiger, sondern -auch vergnügter bin, als seit einigen Wochen. Vorgestern erhielt ich -einen Brief von Klöber. Die Sache<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span> mag wohl ungefähr so seyn, wie ich -vermuthete. Unterdessen weiß Klöber so wenig davon, als ich. So viel -hat er nur durch die dritte Hand gehört, daß in dem Plane des jungen -Herrn Veränderungen gemacht wären, daß er nach Frankfurt an der Oder -gehen sollte, wo ihn schon sein Gouverneur erwartete. Dieser Brief -bestätigt mein Urtheil über das Herz des Herrn von Klöber, denn in -Ansehung seines Verstandes ist es ohnedieß schon ausgemacht. Mich -dünkt, dieser Mann ist zu einer wahren Freundschaft gemacht. Er ist mit -den Großen umgegangen, ohne ihre Denkungsart anzunehmen, und ehrt die -Rechte der Menschlichkeit mehr, als alle die Unterscheidungen, die der -Stolz oder die Sklaverey eingeführt haben. Er liebt die Engländer, und -sein Charakter nähert sich wirklich dem ihrigen. Ich bin zufrieden, daß -ich jetzo einen würdigen Mann mehr kenne, und seine Freundschaft ist -für mich eine größere Akquisition, als eines Ministers Gnade. —</p> - -<p>— Das ist also die Ursache meiner Zufriedenheit. Aber das ist doch -noch nicht Vergnügen. —<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> So wissen Sie denn also, daß der Himmel will, -Sie sollen in die meisten meiner Vergnügen einen gewissen stillen aber -wirksamen Einfluß haben. Eine gewisse Beziehung auf Sie macht eine -Sache angenehm, die mir sonst gleichgültig wäre, und vermehrt den Werth -einer andern. —</p> - -<p>Vor zwey Tagen tritt Herr von Grischanowsky, ein Russischer Kavalier, -der, mit einem Griechischen Popen zum Hofmeister, in Leipzig studirte, -in mein Zimmer. Sie müssen ihn ohne Zweifel wenigstens vom Fenster aus -gekannt haben. Ich bin zuweilen mit ihm in Gesellschaft gewesen; und -da mir Ebert seine Lernbegierde und seinen Fleiß rühmte, und an ihm -selbst mir seine natürliche Offenherzigkeit gefiel, so war mir sein -Umgang nicht ganz unangenehm, ob gleich zu einem guten Gesellschafter -sein Kopf noch zu leer und seine Zunge zu ungebildet ist. — Diesen -ruft nun sein Vater, Gouverneur der Russischen Ukräne, zurück. Er reist -hier durch, und wird sich acht Tage hier aufhalten. Ein Bekannter -also, der vor wenig Tagen erst aus Leipzig kommt, der<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> mit Ihnen auf -derselben Straße gewohnt hat, der Sie vielleicht gesehen hat, ohne Sie -zu kennen; der außerdem ein Schüler und ein Freund meines guten Eberts -ist; ein solcher Mensch, wenn er nur halb so gut wäre, wie der Herr von -Grischanowsky, muß mir ohne Zweifel sehr willkommen seyn. Er brachte -mir außerdem noch einen Brief von Ebert, worin dieser mich bittet, -seinem Freunde den Aufenthalt hier, so viel ich könnte, angenehm zu -machen. Ich habe nun nach meiner Art Anstalten dazu gemacht. Heute -Nachmittag kommt er zu mir, und da er die Flöte recht hübsch spielt, -so werden wir zusammen ein kleines Duett machen. Nach drey Uhr führe -ich ihn auf die beste unsrer Bibliotheken, und morgen zu Mittag ist -meine Mutter auf mein Verlangen so gütig gewesen, und hat eine kleine -Gesellschaft zum Essen gebeten, die sich ungefähr zur Gesellschaft des -jungen Herrn und seines Hofmeisters schicken wird. Zum Glück ist unter -meinen Verwandten ein Mann, der ehemals in Russischen Diensten als -Officier gestanden hat, der bis zu den äußersten Gränzen des Russischen -Reichs gegen China, den<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span> Nordpol und die Türkey gekommen ist, der -selbst Russisch spricht, und eine große Kenntniß von diesem Reiche und -seinen Einwohnern, und also natürlicher Weise (weil wir doch das, was -wir uns die Mühe gegeben haben, zu untersuchen, auch unfehlbar lieben) -auch viel Neigung für sie hat. Er ist jetzo Bau-Direktor von unsrer -Stadt, ein Mann von einer vollkommenen Kenntniß seiner Wissenschaft, -von einer sehr guten Einsicht in die Mathematik, und von einer -ausgebreiteten Erfahrung. Diesen werde ich zur Gesellschaft des jungen -Herrn bestimmen.</p> - -<p>Für den Popen ist ein hiesiger Geistlicher, Herr ***, der ein recht -guter Gesellschafter seyn würde, wenn er seinen Kanzelton ablegen -könnte. Wenigstens hat er doch Neubegierde genug, sich von einem -Fremden recht viel erzählen zu lassen; — und das ist immer schon ein -großes Verdienst. — Den Nachmittag wollen wir alsdann, wenn das Wetter -günstig ist, in einem Garten zubringen, und dann des Abends wieder ein -kleines Koncert machen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span></p> - -<p>Kleinigkeiten von der Art würde ich sonst an keinen andern Menschen -schreiben. Aber weil wir doch in so viel Stücken ähnlich denken, -so werden wir vielleicht auch noch darin übereinstimmen, daß diese -kleinen Umstände uns am meisten in den Stand setzen, bey unserm Freunde -gegenwärtig zu seyn; und das ist immer für ein Herz, wie das unsrige, -wichtig.</p> - -<p>Noch ist ein andrer von meinen Bekannten aus Leipzig, und noch dazu -mein Landsmann, obgleich aus dem entferntesten Winkel von Schlesien, -Herr von P****, angekommen. Er hat nach mir gefragt, und hat mich noch -nicht gefunden. Auch ich muß ihn sprechen, um alle Gelegenheit zu -nutzen, mich an die vergangene Zeit zu erinnern. Diese Besuche nehmen -mir einen großen Theil meiner Zeit weg, ob ich gleich außerdem nicht so -viel davon übrig habe. Von zehn bis zwölf habe ich meine Vorlesungen -mit dem Herrn v. K*** angefangen. Eine Stunde ist für die Philosophie, -die zweyte für die Römer und Griechen. Ich werde Ihnen künftig einmal -meinen<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span> Plan schreiben, nach dem ich das Studium der Philosophie -einrichten würde, wenn ich ganz Herr von der Einrichtung der Erziehung -eines jungen Menschen wäre. —</p> - -<p>Jetzo muß ich auf Ihren Brief kommen. Daß Weise an mich gedacht und -von mir vortheilhaft gesprochen hat, ist mir lieb. Aber daß er nicht -schreibt, ist mir unbegreiflich. Ich habe ihm vor ungefähr 5 Wochen -einige Beyträge, die er selbst in vielen Briefen so gütig war, von -mir zu verlangen, geschickt. Ich habe ihm nach der Zeit noch ein Mal -geschrieben, nachdem ich seine Lieder durchgelesen hatte. Auch dieser -Brief ist schon wieder vierzehn Tage fort, und noch auf keinen eine -Antwort. In dieser Ungewißheit hat mich Ihre kurze Nachricht wirklich -getröstet; besonders da unser Reiz, den ich bat, noch an dem Tage zu -Weisen zu gehn, und mir von ihm Nachricht zu geben, Hindernisse muß -gefunden haben, meine Bitte zu erfüllen. Sagen Sie es doch unserm -Freunde im Vertrauen, daß der Entwurf unsrer Geschäfte nicht richtig -gemacht ist, wenn gar keine Lücken für unsre Freunde darin sind.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span></p> - -<p>Sie nur, meine geliebte Freundin, Sie allein ersetzen mir den Verlust, -den mir die Arbeitsamkeit oder die Zerstreuung meiner übrigen -Freunde verursacht. Dank sey es der Liebe, die durch Ihre heftigen -Erschütterungen Ihrer Seele zuerst die Weiche, die Empfindlichkeit -und die schnelle Beweglichkeit gegeben hat, die sie jetzt so sehr zur -Freundschaft fähig macht.</p> - -<p>Sie wollen, ich soll über die Liebe philosophiren. Ich wüßte nicht -leicht einen Gegenstand, der reicher und zugleich einnehmender wäre. -Aber heute sollen Sie anstatt meiner Philosophie nur Einen Vers -aus dem ältesten Englischen Dichter, dem Spencer, bekommen, der es -werth ist, daß Sie ihn kennen lernen. Sein Werk ist eine Ariostische -Epopee; noch unordentlicher, wenn es seyn kann. Aber einzelne -Stellen sind ausnehmend schön. Sein Werk besteht aus sieben Büchern, -wovon jedes eine gewisse Tugend unter einer Reihe von allegorischen -Rittergeschichten vorstellt. So fängt er das dritte Buch an, welches -die Keuschheit zum Gegenstande hat:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span></p> - -<div class="poetry-container antiqua"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Most sacred fire, that burnest mightily</div> - <div class="verse">In living breasts, ykindled first above,</div> - <div class="verse">Amongst th’eternal spheres, and lamping sky,</div> - <div class="verse">And thence pour’d into men, which men call Love;</div> - <div class="verse">Not that same, which doth base affections move</div> - <div class="verse">In brutish minds, and filthy lust inflame;</div> - <div class="verse">But that sweet fit, that doth true beauty love,</div> - <div class="verse">And chooseth vertue for his dearest dame,</div> - <div class="verse">Whence spring all noble deeds, and never-dying fame.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft10 padtop1">II.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse mleft1">Well did antiquity a God thee deem,</div> - <div class="verse">That over mortal minds hast so great might,</div> - <div class="verse">To order them, as best to thee doth seem,</div> - <div class="verse">And all their actions to direct aright etc.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Von diesem Gedichte, von der Philosophie der Liebe und von meiner -jetzigen Lektüre werden meine nächsten Briefe handeln, wofern Sie mit -diesen Materien zufrieden sind. Lessings Dramaturgie werden Sie ohne -Zweifel schon gelesen haben. Außerdem müßten Sie nicht einen Augenblick -anstehen; nur müßten Sie suchen, die Stücke, die er beurtheilt, kurz -zuvor durchzulesen u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span></p> - -<h2 id="Zwei_und_zwanzigster_Brief">Zwei und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Breßlau, den 14. Oktober.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">W</span>ie haben Sie es über Ihr freundschaftliches Herz bringen können, mich -heute ohne Briefe zu lassen, da Sie es empfinden mußten, daß ich eines -neuen Zeugnisses Ihrer Freundschaft jetzo am meisten bedürfte? Aber -es ist nun einmal beschlossen, daß ich diese Woche in nichts ruhig -werden soll. Weiter wäre nichts nöthig, um mich auf diese ganze Woche -unglücklich zu machen, als daß sich in dem Innersten meiner Seele ein -kleiner Argwohn erhübe, und mich überredete, Sie wären unwillig, oder -welches mir noch weit unerträglicher wäre, gleichgültig. — Denn daß -Sie oder einer von Ihren lieben Theuern krank seyn sollten, daran kann -ich gar nicht einmal denken. — Aber fürchten Sie nichts. Ich arbeite -aus allen Kräften, alle Art von Argwohn bey mir zu zerstören, oder -ihm zuvor<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span> zu kommen. Außerdem, daß er unsern Freund beleidigt, und -uns kränkt, ist er noch eine gewisse Folge eines schwachen Geistes. -Ich setze nämlich zum Voraus (und ich bilde mir ein, daß das nichts -ist, als was ausgemacht ist), daß es Stärke des Geistes sey, eine -einmal durch Gründe erlangte Ueberzeugung, auch ohne immer neue und -wiederholte Beweise, in ihrer ersten Zuverlässigkeit zu erhalten, und -sie gegen die Angriffe, die die bloße Einbildungskraft auf sie thut, in -Sicherheit zu stellen. So sehe ich manche Leute an der Religion, oder -an der fortdauernden Existenz unsrer Seele zweifeln, nicht weil sie die -Gründe niemals erkannt, oder falsch gefunden hätten, sondern weil sie -zu schwach sind, vergangene Betrachtungen sich wieder gegenwärtig zu -machen, und weil das Bild von einer gewissen Möglichkeit, daß die Sache -anders seyn könnte, über ehemals gemachte Schlüsse die Oberhand hat. — -Wie? — werde ich also zu mir selbst sagen, wenn der Anfall von Argwohn -heftig und gefährlich ist — sollte mich dieser Brief erst lehren, -daß sie meine Freundin ist? Oder wenn dieses auch ohne ihn schon -ausgemacht<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span> war, kann mir alsdenn sein Ausbleiben mehr rauben, als ich -durch seinen Empfang würde bekommen haben? Ich würde wissen, was sie -macht, wie sie meinen Brief aufgenommen, ob sie mir vergeben hat. Das -ist es also, was ich nicht weiß; und ob es gleich immer unangenehm -ist, sich solche Fragen nicht eher als in vier Tagen beantworten zu -können, so ist es doch immer nur ein kleiner Aufschub. — Und endlich, -konnte nicht mein feindlicher Dämon ihr eben solche Hindernisse in den -Weg gelegt haben, als ich selbst hatte, da ich am Sonnabend schreiben -wollte? Würde ich wünschen, daß sie das Ausbleiben meines versprochenen -Briefes einer andern Ursache als der Unmöglichkeit zuschriebe, ihn zu -schreiben? — Ich will Ihnen diese Hindernisse erzählen, zuerst um -mich zu zerstreuen, und mich also gegen einen Feind zu sichern, der -aller meiner Entschließungen ungeachtet mich leicht überfallen könnte, -wenn ich unverwandt den ersten Gegenstand ansähe; und zum andern, weil -sie beynahe den wichtigsten Theil meiner Geschichte auf diese Woche -ausmachen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span></p> - -<p>Eben da ich im Begriff war, mich zum Schreiben zu setzen, kommt der -Bediente vom Herrn von Klöber, und bittet mich, in einer halben Stunde -zu ihm zu kommen. Es war Vormittags nach zehn. Ich ziehe mich in aller -Geschwindigkeit an, und gehe. — Hören Sie, sagte er, indem er mich -empfing, der Minister ist gestern Abends unvermuthet angekommen, und -ich soll Sie jetzo den Augenblick zu ihm führen. — Diese Nachricht war -mir nicht ganz unerwartet; denn da der Minister nicht antwortete, so -wußte ich dieß keiner andern Ursache zuzuschreiben, als daß er selbst -bald von seinen Gütern, wo er sich aufhielt, herein kommen wollte. -Beynahe aber wäre es mir lieber gewesen, ihm zuerst durch Briefe -bekannt zu werden, weil ich weiß, daß eine natürliche Furchtsamkeit, -über die ich nicht Herr bin, mir bey dem ersten Besuche selbst von -Leuten, deren Stand weit unter dem eines Ministers von Schlesien ist, -nicht die völlige Gegenwart des Geistes läßt, ohne die man sich niemals -von einer vortheilhaften Seite zeigen kann. Ueberdieß ist der Anblick -von Hoheit für ein etwas edles Gemüth immer zu<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span> demüthigend, als daß -man mit der ganzen Freyheit und Freudigkeit des Geistes handeln könnte, -die allein unsern Reden und Handlungen Anmuth geben kann. Wir gingen -also hin. Die Abwesenheit des Ministers hatte die Geschäfte gehäuft; -wir waren nicht die einzigen, die auf einen Augenblick warteten, wo sie -ihn sprechen könnten. Endlich kam der Minister aus seinem Kabinet, und -ging auf uns zu. Herr von Klöber stellte mich ihm vor. Der Minister -that an mich nichts als die gewöhnlichen Fragen, wer meine Eltern -und meine Verwandten wären, wo ich studirt hätte, wie lange ich hier -wäre; lauter Fragen, die in jedem andern Munde wenig in Verlegenheit -setzen würden, und die doch in dem Munde eines Ministers auf gewisse -Weise niederschlagend seyn können. Ich beantwortete sie so kurz, als -ich konnte; — aber das hätte ich nicht geglaubt, daß dieß alles seyn -würde; ich hielt sie nur für eine Einleitung zu einem Gespräche, das, -wie ich hoffte, der Hauptsache näher kommen, für den Minister wichtiger -und mir angenehmer seyn würde. Aber in diesem Augenblicke kehrte er -sich zu dem Bedienten,<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> der im Zimmer stand. „Ist der Doktor noch bey -meiner Frau?“ — „Ja, Ihre Excellenz!“ — „Nun, so muß ich wohl noch -einen Augenblick zu ihr gehen; kommen Sie nur zu Tische. Sie auch, Herr -v. Klöber.“ — Und damit war er fort. —</p> - -<p>Wir kamen also gegen die in diesem Hause gewöhnliche Tischzeit, gegen -zwey Uhr wieder. Die ganze Gesellschaft, die auf diesen Tag eingeladen -war, versammelte sich nach und nach im Vorzimmer. Ich lernte bey dieser -Gelegenheit den Graf Dönhof, einen Kriegsrath, den geheimden Rath -Meinike und noch eine ganze Menge andrer kennen, die größtentheils -Männer von vielem Verstande sind. Der Minister erschien nicht eher als -um halb drey Uhr. So lange hatten ihn seine Geschäfte aufgehalten. — -In diesem Augenblicke setzten wir uns auch zu Tische. Die Gemahlin des -Ministers und seine noch unverheyrathetete Tochter waren die einzigen -Damen an der Tafel. Die Damen sprachen bloß französisch. Ueberhaupt -waren die Gespräche gleichgültig. Der Minister bestimmte selbst<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span> ihren -Gegenstand, und da sie größtentheils Begebenheiten betrafen, die ich -nicht wußte, so war es ganz natürlich, daß ich dabey stumm war.</p> - -<p>Die Tafel dauerte bis 5 Uhr; und so wie der Minister aufstand, so ging -er auch ohne einen Augenblick zu warten, in sein Cabinet zurück, wo -ihn schon wieder eine ganze Menge Leute und Geschäfte erwarteten. Wir -unterhielten uns noch eine kleine Weile in dem Tafelzimmer. Herr von -Klöber sagte endlich, da er sahe, daß die Hoffnung, diesen Nachmittag -bey Sr. Excellenz vorzukommen, vergeblich wäre, daß wir uns beurlauben -wollten, und daß er dem Bedienten aufgetragen hätte, ihn zu rufen, -sobald der Minister nach ihm fragen würde. Von diesem Augenblicke an -nun weiß ich wieder nichts, und die ganze Sache ist noch nicht einen -Schritt weiter. Ich wünschte sie nur entschieden, nur auf irgend eine -Art entschieden zu sehn; denn die Ungewißheit ist unter allen das -schlimmste u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span></p> - -<h2 id="Drey_und_zwanzigster_Brief">Drey und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 28. Oktober.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">A</span>llemal, wenn ich mich niedersetze, an Sie zu schreiben, ist mein -Kopf von Gegenständen, die alle geschrieben seyn wollen, so voll, daß -ich über der Wahl endlich den größten Theil davon vergesse, oder mein -Brief und die Zeit schon zu Ende ist, wenn ich noch kaum über den -ersten Punkt heraus bin. Indem ich alsdann den Brief schließe, und -es empfinde, wie wenig ich Ihnen gesagt habe, und wie viel ich Ihnen -noch zu sagen hätte; so ärgere ich mich über den elenden Ersatz, den -ein kurzer kaum angefangener Brief für den Umgang mit einer solchen -Freundin, wie Sie sind, thun soll. Ich thue mit dem Kinde in Weisens -Liede den Wunsch:</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span></p> - -<div class="poetry-container"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">O wenn ich doch ein Vogel wär,</div> - <div class="verse">So schnell und federleicht,</div> - <div class="verse">Der über Berg und Thäler hin</div> - <div class="verse">Im Augenblicke streicht!</div> - <div class="verse">Dann flög’ ich über Land und See,</div> - <div class="verse">Durchreiste jeden Ort,</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="p0">Wär bald — wo denn? Gewiß nirgends, oder doch nirgends öfter, als -bey Ihnen. Was für einen kleinen freundschaftlichen Schrecken würde -ich Ihnen nicht abjagen, wenn ich, ehe Sie sich es versähen, den -gegenüberstehenden Stuhl an Ihrem Fenster einnähme, indem Sie an -dem andern sitzen. Ich sehe schon zum Voraus, ich würde kein Wort -vorbringen können, ich würde stammeln, und wenn ich meine Stimme wieder -hätte, so würden es nur gebrochene Laute seyn, die ich vorbrächte. —</p> - -<p>Weg, angenehme Schwärmerey, die geschwind genug meine Einbildungskraft -ganz anfüllen, und dann aus meinem Briefe alle wichtigere Gegenstände -verdrängen könnte! — Nun habe ich mir in meinem Kopfe gewisse Punkte -geordnet, unter welche dieser Brief gebracht werden soll. Aber ich sage -sie Ihnen nicht zuvor, bis ich erst sehe, wie viel ich davon zu Stande -bringe. Sage ich jetzo nur<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span> wenig, so können Sie immer glauben, ich -habe nicht mehr schreiben wollen, da Sie sonst hätten denken müssen, -ich hätte nicht mehr schreiben können. Also zur Sache:</p> - -<p>Zuerst fragen Sie mich in Ihrem vorletzten Briefe, ob ich Ihre Briefe -aufhebe? Die Frage würde fast eine kleine Beleidigung seyn, wenn -ich nicht, die Wahrheit zu sagen, ähnliche Beleidigungen auf meiner -Rechnung hätte. Meine Mutter ist die Depositaria davon, so wie von -Ihren Porträts. — Also wollen Sie diese wirklich wieder haben? Ich bin -in der That so unverschämt gewesen, sie schon für ein halbes Geschenk -anzusehen. Unterdessen, wenn Sie über das Porträt Ihres Gemahls Herr -sind, so sind Sie es doch nicht über das Ihrige. Ich werde Ihnen das -erste zurück schicken, wenn Sie es so befehlen, aber ich werde dadurch -mein Recht auf das andere nur verstärkt glauben. Meine Mutter, die Sie -wahrhaftig liebt, würde an dem Schmerz Theil nehmen, den es mich kosten -würde, dieses kleine Stück von Ihnen selbst aus den Händen zu geben.<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> -Indessen, wenn Sie darauf auch bestünden; so muß ich Ihnen nur sagen, -daß die Gelegenheiten, solche Sachen zu schicken, nicht so häufig sind; -und ich habe immer in meiner Macht, zu sagen, daß ich keine gehabt -habe. Sehen Sie eine andere kleine Beleidigung in Ihrem vorletzten -Briefe, die ich ungeahndet gelassen habe.</p> - -<p>Aber nun auf Ihren jetzigen zu kommen, der so voll von Freundschaft -und gutem Herzen ist, und der mich würde zu Ihrem Freunde gemacht -haben, wenn ich es noch nicht wäre; so muß ich nur Ihre zu große -Demuth ein bischen schelten. Sage nur deiner Freundin, sagte meine -Mutter, indem sie Ihren Brief las: Eine Frau, die eine so edle Freude -an einer guten Handlung haben konnte, als die ist, die sie in ihrem -Briefe erzählt, kann vieler andern Vorzüge entbehren. Glauben Sie -nur, dieses Herz, welches Ihnen der Himmel gegeben hat, ist immer das -größte Geschenk, welches er einem Sterblichen machen kann. Ohne dieses -Herz ist der Verstand ein bloßes blendendes Licht<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> ohne Wärme, und die -Schönheit eine unbedeutende Form. Aber dieses Herz kann der Schönheit -und selbst höherer Einsichten entbehren, und doch immer noch nicht -bloß liebenswürdig sondern verehrungswerth bleiben. Wenn aber diese -glückliche Verbindung zwischen Empfindung und Einsicht, zwischen dem -Kopf und dem Herzen vorhanden ist, die ich in meiner Freundin finde und -hochschätze, wenn der eine der Diener ist, die gutthätigen Absichten -des andern auszuführen: dann kann das Glück immer seine übrigen Güter -zurückhalten; die Natur hat ihm schon genug vorgearbeitet, um in jedem -Umstande, in jeder Verfassung, selbst unter den Beunruhigungen, die -eine Folge dieser Eigenschaften sind, die Person selbst glücklich, und -andre zu ihren Verehrern und Freunden zu machen. —</p> - -<p>Um Sie nun in Ansehung meiner in Ruhe zu stellen, so muß ich Ihnen -sagen, daß, ob ich gleich noch keine Nachricht habe, ich doch die -Sache für entschieden halte, und auch recht zufrieden damit bin, daß -sie entschieden ist. — Wenn man bey einer Reise in der<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span> Nacht lange -Zeit ohne seinen Weg zu sehen, fortgegangen ist, und nicht gewußt hat, -ob man nicht vielleicht in fremden und unwegsamen Wüsten herumirrt; -wenn dann auf einmal ein aufgehender heller Stern uns zeigt, daß wir, -ohne es zu wissen, noch immer auf dem rechten Wege sind, und von einer -unsichtbaren Hand geleitet, unvermerkt dem Ziele unsrer Bestimmung -näher kommen: dieser Freude ist diejenige gleich, die man fühlt, -wenn man mitten unter dem Zusammenlauf mannichfaliger und uns oft -unangenehmer Begebenheiten einen einzigen fortgehenden Plan erblickt, -der mitten unter diesen verschlungnen Irrgängen immer fortgesetzt -worden ist, und durch alle die Hindernisse, die uns beunruhigten, nicht -aufgehalten werden konnte.</p> - -<p>Ich kann Ihnen nicht das ganze Räthsel erklären, wie ich zu dieser -Betrachtung komme. In der That aber glaube ich Ursache zu haben, -zufrieden zu seyn, wenn ich dem Minister mißfallen habe u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span></p> - -<h2 id="Vier_und_zwanzigster_Brief">Vier und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 11. November.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">L</span>assen Sie uns immer einige unsrer Erwartungen fehlschlagen, der -Himmel versorgt uns dafür wieder mit Vergnügen, auf die wir weder -Anspruch noch Hoffnung hatten. So war der Brief, den ich gestern von -ihrem lieben Gemahl, so die zwey Briefe, die ich zu gleicher Zeit -von Herrn Weisen erhielt. Meiner Mutter und mir waren Ihre Briefe, -wenn nicht eben so unerwartet, doch gewiß eben so erwünscht. Alle -so voll von Freundschaft, Liebe, Zärtlichkeit, daß mein Herz in -unaussprechlichen Empfindungen überfloß, und wenn der Geist Kraft -genug hätte, diese Einschränkung des Raums und seine enge Wohnung zu -durchbrechen, wenn er, ohne seinen schweren Gefährten, den Körper, -mitzunehmen, mit ätherischer Leichtigkeit mit seinen Wünschen in -gleicher Geschwindigkeit sich bewegen könnte,<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span> so wäre Ihr Wunsch und -der meinige gestern erfüllt, ich hätte Sie alle, alle gesehn; auch ihn, -meinen guten und zu geschäftigen Freund, dem ich für den Brief, den er -an mich schreiben will, gern alle die erlasse, die er nicht geschrieben -hat. Ich danke es Ihnen recht sehr, liebster Freund (ich rede jetzt mit -Ihrem guten Manne), daß Sie für die Erhaltung meiner Freunde — der -größten Glückseligkeit die ich kenne, — oder welches eben so viel ist, -für meine Gewißheit, daß ich sie noch besitze, so viel Mühe und Sorge -über sich nehmen. —</p> - -<p>Weise ist in der That einer von meinen schätzbarsten Freunden, und, -Dank sey es seinem gütigen Herzen, auch von meinen zärtlichsten. Ich -habe zwey lange Briefe von ihm bekommen, die beyde vortrefflich sind, -wenn sie nur nicht gar zu schmeichelhaft für mich wären. Meine Mutter, -die an meiner ganzen Correspondenz Theil nimmt, sorgt immer, meine -Freunde werden mich verderben. Und in der That, ich glaube beynah, ihre -Furcht ist nicht ganz ungegründet. — Aber<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span> nun verderben oder nicht, -so werde ich doch nimmermehr zugeben, daß selbst die übertriebenen -Lobsprüche von Freunden mit Schmeicheleyen einerley wären. Wenn uns -die ersten in einen kleinen Irrthum über unsre Verdienste führen, so -sind sie zuerst selbst darin. Ihr Herz hat zuerst ihrem Verstande den -unschuldigen, und beynahe sagte ich, zur Freundschaft nothwendigen -Betrug gespielt; und hundertmal mehr können sie sagen, als wahr -ist, aber niemals ein Wort mehr als sie denken. Da fängt erst die -Schmeicheley an, wo der Ausdruck größer ist als die Gesinnung, und -unser Verstand den Werth des andern richtiger bestimmt, als unsre -Worte. —</p> - -<p>Der eine Brief von Weisen war schon längst vorher geschrieben, und war -mit einem kleinen Geschenk von Büchern, das er mir bestimmte, einem -hiesigen Buchhändler übergeben worden, der eben erst gestern ankommen -mußte; der andre kam mit der Post, und den habe ich vielleicht zum -Theil Ihnen zu danken.</p> - -<p>Darf ich Ihnen nun wohl noch erst sagen, daß gestern einer von meinen -angenehmsten Tagen gewesen ist, oder vielmehr Stun<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span>den, — denn eine -von den größten Sonderheiten, ich weiß nicht ob der menschlichen -Natur oder der meinigen (leider vermischen sich diese beyde nur gar -zu oft in den Augen des Beobachters; aber genug, ich empfinde sie, -diese Sonderheit, und wie ich sie empfinde, so will ich sie Ihnen -ausdrücken; vielleicht entdecken wir wieder einen neuen Punkt, wo unsre -beyden Seelen an einander gränzen); und die seltsamste Wirkung des -Vergnügens ist gewiß Schwermuth; und demungeachtet ist es bey mir die -gewöhnlichste, wofern das Vergnügen nur mehr empfindlich als rauschend -ist. Wenn meine Seele nach der Befriedigung gewisser Begierden -geschmachtet hat, und sich diese ihr endlich mit einemmale anbietet; -so weigert sich die Seele gleichsam einen Augenblick, dieselbe -anzunehmen; sie entzieht sich dem Genusse eines Vergnügens, das sie -für zu schmeichelhaft hält, als daß sie sich gleich überzeugen könnte, -daß es für sie wirklich bestimmt ist, und das Herz verschließt sich -vor den Eindrücken, die es doch so sehnlich erwartete. Nach und nach, -wenn die erste Bestürzung vorüber ist, wenn sich die angenehmen<span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span> Bilder -in der Einbildungskraft anhäufen, wenn die wiederholten, aber sanften -Schläge des Vergnügens diese muthwillige Unempfindlichkeit überwunden -haben, öffnet sich das Herz wieder; die Empfindungen strömen von allen -Seiten zu und erfüllen es; die Bewegungen werden lebhafter, das Gesicht -heitrer; unsre ganze Seele bekommt eine Art einer neuen Existenz, und -diese Empfindung von der Verdoppelung ihrer Kräfte verbindet sich noch -mit den Eindrücken des Vergnügens, um diesen glückseligen Zustand eine -Zeitlang zu erhalten.</p> - -<p>Wer in diesen Augenblicken die Gabe zu gefallen, wenn sie auch ihm -sonst fehlt, nicht durch die Zauberkraft des Vergnügens erhält, der mag -es nur aufgeben, jemals zu gefallen. In der That ist ein von Vergnügen -durchdrungnes Herz schon an sich der angenehmste Gegenstand für den -Zuschauer; und außerdem hat der Mensch niemals mehr, als in diesen -Zeiten, seine eignen Talente zu seinem Gebote; seine Ideen werden -lebhafter, seine Einfälle gelingen, sein Witz verliert den<span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span> Zwang und -die Steife; und alles, was er sagt, bekommt durch die harmonischen -Züge, mit denen sein Gesicht es bekräftigt, und durch eine gewisse -lebhafte und doch anständige Bewegung, mit dem es begleitet wird, mehr -Kraft und mehr Anmuth.</p> - -<p>O wenn diese glücklichen Augenblicke fortdauern könnten! Ich habe von -der Macht des Vergnügens so große Ideen, daß ich glaube, es könnte -Trägheit in Feuer, und Dummheit in Witz verwandeln, wenn wir erst die -Kunst erfunden hätten, es dauernd zu machen. — Aber so verzehrt sich -die Freude, wie eine Flamme, durch ihre eigne Stärke. — Die Spannung -der Kräfte, ohne welche sie nicht entstehen würde, bereitet schon die -Erschlaffung vor, mit der zugleich die Schwermuth zurück kehrt; der -Genuß erfordert eine gewisse Anstrengung, die wir nicht gewahr werden, -weil sie angenehm ist, und die uns erst die darauf folgende Erschöpfung -entdeckt; und durch eine unausbleibliche Rückkehr, die ein Gesetz der -ganzen Natur ist, sinkt die Seele eben so tief unter ihre gewöhnliche -Höhe, als sie sich über dieselbe erhoben hatte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span></p> - -<p>Ich sehe, ich verliere mich in einer Art von Philosophie, die für -mich alle Mal gefährlich ist. Ich grüble vielleicht gar zu gern über -meine eignen Empfindungen, und oft verliert sich mir der Gegenstand -aus dem Gesichte, indem ich seine Wirkungen aufsuchen will. — Was -ich eigentlich zu sagen vorhatte, ist dieß. Eine so große Anzahl von -Beweisen der Zärtlichkeit und Freundschaft der würdigsten Personen -hatten meiner Seele eine gewisse Selbstzufriedenheit gegeben, die nicht -Eitelkeit, — aber doch höchst süß ist. Aber eben diese verlor sich mir -unter der Hand, als ich sie eben erst bemerkte. Auf sie folgte eine -gewisse Furcht, daß einmal eine Zeit kommen könnte, wo diese Freunde -von mir richtiger oder strenger urtheilten; eine Art von Kummer, wie -ich so vortheilhaften Meinungen und so günstigen Erwartungen, die sie -von mir hätten, ein Gnüge leisten könnte. — Ich schien mir unter -einer Art von Verbindlichkeit zu erliegen, die mir ihre Gütigkeit -auferlegt hatte, und indem ich mein eignes nichtsbedeutendes Selbst -mit dem vergrößerten und geschmeichelten Bilde verglich, welches sie -als ähnlich mit mir annehmen;<span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span> so wurde mir angst, daß ein solcher -Irrthum einmal vielleicht aufgehoben werden, und irgendwo ein solcher -unglücklicher Brunnen seyn möchte, wie ihn Ariost beschreibt, der, -wenn man ihn kostet, alle Verblendungen der Liebe heilt, und dem -bloßen kalten Verstande alle seine Freyheit zurück giebt, zu prüfen. -Dieser Wunsch, meinen Freunden zu zeigen, daß ich ihrer nicht unwürdig -sey, mit der Unmöglichkeit, die ich vor mir zu sehen glaubte, ihn zu -befriedigen, brachte eine Art von Aengstlichkeit in mich, die endlich, -ohne ihren Gegenstand zu wissen, nach etwas suchte, was mir fehlte, und -was sie doch nicht finden konnte.</p> - -<p>Sehen Sie nun, würde eine andre Freundin, gegen die Schwachheiten -ihres Freundes weniger nachsichtig als Sie, eine solche Anatomie -seiner eignen Thorheiten ertragen; besonders wenn ich darüber das -vergesse, was Sie eigentlich von mir wissen wollten, und was ich auch -zu schreiben im Sinne hatte? — Herr von Grischanowsky ist beynahe -alle Tage bey uns, wenigstens eine oder zwey Stunden. Meine Mutter ist -ihm seines wirklich guten<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span> Herzens wegen recht gut worden. In der That -habe ich in ihm noch weit edlere Gesinnungen entdeckt, als ich selbst -in Leipzig in ihm kannte. — Aber sein Hofmeister — ob er gelehrt -ist, das mag er selbst am besten wissen, — aber daß er höchst grob, -unempfindlich gegen alle Höflichkeit, bäurisch stolz, und ohne alle -Annehmlichkeit im Umgange ist, das wissen wir leider alle, die wir ihn -in unsrer Gesellschaft gehabt haben. Jetzo bitte ich nur immer den -jungen Herrn ohne ihn u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span></p> - -<h2 id="Fuenf_und_zwanzigster_Brief">Fünf und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 18. November.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">O</span> wenn Sie wüßten, was mich Ihr Brief für einen traurigen Tag gekostet -hat, Sie würden ihn nicht geschrieben haben, oder Sie schrieben -heute einen zweyten, um ihn zu widerrufen! Aber gewiß, gewiß, Sie -werden keinen schreiben. — Ich lese ihn wieder, Ihren Brief, und -er beunruhigt mich noch mehr. Ich sollte weniger zärtlich gegen Sie -seyn, — ich sollte mich dem Brunnen des Ariosts nähern, <em class="gesperrt">von dem -einige Freunde vielleicht schon getrunken haben</em>. Wer sind diese -Freunde? — Setzen Sie einmal (um einen Satz, den ich nur in Absicht -auf mich wahr hielt, auf die Freundschaft überhaupt auszudehnen), -setzen Sie, daß eine Art von Uebertreibung dazu gehöre, um den Grad von -Liebe hervor zu bringen, ohne den die Freundschaft kalt und die Ehe -in kurzem<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span> beschwerlich ist; setzen Sie, daß unsre Einbildungskraft -die Vollkommenheiten unsers Lieblings vergrößern müsse, wenn sie das -Herz mit der gehörigen Stärke treffen sollen; setzen Sie dieß alles: -so behaupte ich doch, daß selbst diese Verblendung Größe des Geistes -voraus setze, und daß es Stärke des Geistes sey, sie zu erhalten. -Achten Sie also ja nicht meine Theorie für so gefährlich, daß sie den -Kaltsinn für eine natürliche Folge der Ueberlegung erklären sollte. -Wenn er eine beständige Eigenschaft unsers Herzens ist, so ist es -Kleinheit, und folgt er auf einen feurigen Anfang, so ist es Schwäche -der Seele. — Sie hatten neulich eine Philosophie der Liebe von mir -verlangt. Hier sind einige kleine Züge davon, auf die mich diese -Betrachtungen natürlicher Weise leiten.</p> - -<p>Man kann immer sicher vermuthen, daß in den Meinungen etwas Wahres -sey, die allgemein von den Menschen angenommen werden; und die in den -rohesten Zeiten zuerst. Die Wirkung der Natur, und die Gesinnungen, -die unmittelbar durch den Einfluß der<span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span> Dinge um uns herum hervor -gebracht werden, erkennt man am besten in den Epoquen, wo wenig andre -Principien der menschlichen Gedanken vorhanden sind. Nun in diesen -Zeiten war Tapferkeit und Liebe die größte Tugend der Männer, und -Keuschheit, oder mit einem andern Worte, Beständigkeit und Treue das -einzige Verdienst der Frauen. Die Rittergeschichten, so ausschweifend -sie sind, vergnügen mich demungeachtet um dieser richtigen und mit der -Natur harmonirenden Grundsätze willen, die allenthalben durchblicken, -und ohne die selbst diese Ausschweifungen nicht Statt gehabt hätten. — -Wenn die Philosophie sich nun damit bemengt, den Grund dieser Gesinnung -zu erklären, so kann es seyn, sie geräth auf falsche Ursachen; der -Zusammenhang dieser Leidenschaft mit den wesentlichen Vollkommenheiten -des Menschen kann vielleicht durch eine ganz andre Kette gehen, als die -ich einsehe; — aber sie thut demungeachtet ihr eigentliches Werk, sie -ist in ihrem Berufe. Denn wozu soll Philosophie, wenn sie nicht die -Meinungen und Neigungen, die die Seele einnehmen, ohne daß sie weiß, -woher sie sie hat, als<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> Phänomene behandelt, deren Ursprung gefunden -werden soll? Meine Erklärung ist diese.</p> - -<p>Jede unsrer Ideen ist nach einem gewissen Eindrucke gebildet, den die -Empfindung zuerst in unsrer Seele hervor gebracht hat. Diese Eindrücke -zergliedern, zusammen setzen, anders ordnen, als sie zuerst in die -Seele gekommen sind, das ist alles, was die Seele damit thun kann. -Ideen, deren Theile nicht ursprünglich sinnliche Eindrücke wären, sind -unmöglich. Der Umfang, die Lebhaftigkeit, kurz alle Vollkommenheiten -unsrer Ideen (und diese machen doch wohl den eigentlichen Vorzug des -denkenden Wesens aus) hängen von der Beschaffenheit dieser ersten -Impressionen ab. Sind die Gepräge, die die Gegenstände in unsrer Seele -abdrücken, richtig und vollständig, so werden ihre Kombinationen -ebenfalls richtig seyn, und der Kopf wird helle; sind sie tief und -stark, so werden ihre Kombinationen lebhaft und eindringend, und der -Geist wird schön. Die Kraft zu empfinden ist also die vornehmste -Fähigkeit der Seele, nach deren Größe sich die übrigen richten. Sie -verschafft die Materialien,<span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span> aus welchen die übrigen bauen; sie bemahlt -zuerst die leere Fläche der Seele mit den Bildern, aus denen die -übrigen auf eben die Art neue machen, wie Apelles seine Venus aus den -schönsten Theilen der Mädchen von Gnidus zusammen setzte. Die Größe -der Seele besteht in der Fähigkeit, viele und große Eindrücke auf -einmal zu bekommen, und sie ohne Verwirrung zu erhalten. Die Stärke der -Seele, in der Fähigkeit, einmal empfangene Eindrücke nicht durch den -beständigen Zufluß von neuem verlöschen zu lassen, sondern sie gegen -das unaufhörliche Reiben neuer Ideen unverletzt zu erhalten. —</p> - -<p>Sie sehen schon, wie nahe wir zu Ihrer Lieblings-Leidenschaft gekommen -sind. Eben dieselbe Lebhaftigkeit, dasselbe Feuer der Impression, durch -welche große Geister gebildet und große Unternehmungen vorbereitet -werden, bringt diese reizende Tochter, die Liebe, hervor, wenn -die Vollkommenheiten eines andern denkenden Wesens der Gegenstand -sind. Eben diese Dauer, dieses Anhalten der Impression, welche dem -Mathematiker die langwierigsten<span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span> Untersuchungen zu Ende bringen -hilft, und die weitaussehendsten Entwürfe durch alle Hindernisse und -Schwierigkeiten verfolgt, bringt die Treue in der Freundschaft, und -die Beständigkeit in der Liebe hervor. Wenn sich nun noch mit der -Empfindung, welche Vollkommenheit und Schönheit erregen (und das ist -alles, was bey der Freundschaft nothwendig ist), noch diese süße -Wallung, dieses Gefühl von Lust verbindet, die das Eigenthum der Liebe -ist; wenn der Körper, sonst ein Störer unsrer geistigen Vergnügungen, -sie hier unterstützt, und seinem edlern Theile zu neuen Quellen von -Empfindungen verhilft: dann steigt vom Himmel diese ehrwürdige Göttin -herab, und knüpft zwey menschliche Wesen mit unauflöslichen Banden -an einander; dann weist sie jedem von ihnen als den vornehmsten -Gegenstand und die größte Uebung seiner Empfindungskraft, seinen -Geliebten an. Von ihm soll die Seele diese ewig dauernden Einflüsse -bekommen, die ein Beweis und eine Ausübung ihrer eignen Kraft sind. -Durch diese Gewohnheit gestärkt, und durch diese unaufhörliche -Uebung erhöht, soll seine Empfindung sich von<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span> da aus über das ganze -Gebiet von Vollkommenheit und Schönheit ausbreiten; sich nach jeder -Tugend, jeder Vortrefflichkeit ausstrecken, dieselbe umfassen, und -durch eine untergeordnete, aber eben so unveränderliche Liebe mit -sich verbinden. — So wie die allgemeine Menschenliebe durch die -beständige, aber stufenweise Erweiterung der Familienliebe entsteht; -so wird in edlen Seelen die Tugend durch die Liebe geboren. Die in dem -Geliebten koncentrirte Empfindung entwickelt sich, und geht von einer -Vollkommenheit zur andern, die alle zusammen in dem Gegenstande der -Liebe durch ein dunkles Gefühl wahrgenommen wurden. Die Seele erlangt -die Macht, den äußern Dingen und dem Strome ihrer eignen Ideen zu -widerstehn; sie lernt, mitten unter den beständigen Revolutionen, die -der stets veränderte Eindruck der äußern Dinge in unsern Gesinnungen -hervor zu bringen sucht, die Ideen, die ihr wichtig sind, aufrecht zu -erhalten; und so lehrt die Liebe einen verständigen Geist denken, und -ist die Vorbereitung zur Tugend für das Herz u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span></p> - -<h2 id="Sechs_und_zwanzigster_Brief">Sechs und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 21. November.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">N</span>och ist die Sonne nicht über dem Haupte meiner schlafenden Freundin -aufgegangen. Aber ich, von der Freundschaft und der Begierde bey ihnen -Ihnen zu seyn aufgeweckt, empfinde ein weit süßer und höher Vergnügen, -als Sie selbst in den Armen des Schlafs. Unter dem Schirme dieser -stillen und ehrwürdigen Dunkelheit, die noch Ihr Schlafzimmer bedeckt, -kann ich ungestört den angenehmen Schwärmereyen nachhängen, die von -dem Gelärme und den Zerstreuungen des Tages verdrängt werden. Mich -dünkt, ich sehe Sie mit der Miene der Unschuld, und mit einem gewissen -sanften Lächeln, das durch fröhliche Träume hervor gebracht wird, an -der Seite Ihres lieben Gatten. Wenn Ihre tugendhafte Seele, für die -Ruhe und Glückseligkeit erschaffen, zuweilen durch die verdrießlichen -Zufälle des Tages aus<span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span> sich selbst heraus gerissen, und mit einer -unruhigen Heftigkeit von Gegenstand zu Gegenstand umher getrieben wird, -so kehrt sie doch des Nachts wieder zu sich selbst und zu der Wohnung -der Zufriedenheit und der Ruhe zurück. Der Geist, der des Tages über -oft von seinem Gefährten, dem Körper, Befehle annehmen mußte, wird -nunmehro ganz wieder sein eigen, und bringt unter den Bildern, die -ihm vorher aufgedrungen wurden, jetzo nur die reinsten und schönsten -wieder hervor. O möchten Sie doch beym Erwachen diese muntre und -fröhliche Heiterkeit, diese Erhöhung Ihrer Kräfte, diese wiedererlangte -Leichtigkeit fühlen, die eines solchen Schlafs unausbleibliche -Frucht ist. O möchten doch meine Wünsche über Ihren heutigen Tag den -glücklichen Einfluß haben, daß dieses Licht, welches Sie jetzt zum -ersten Mal erblickt, keine andern, als die Scenen der Liebe, der -Tugend und der Freundschaft erleuchtete. Möchte der Himmel Ihnen heute -manchen Unglücklichen in den Weg führen, dem Sie beystehen, manchen -Rechtschaffenen, dessen Glück Sie befördern können! Möchte Ihre Seele, -wie die Fläche des Meeres an einem<span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span> stillen Morgen, von keinem Sturme -bewegt, das Bild des Himmels in sich auffangen, und dem betrachtenden -Zuschauer, Ihrem Gemahl oder Ihrem Freunde, in gemildertem aber -unverfälschtem Glanze wieder zurück werfen. Nun gehe ich zu meiner -alten Materie fort.</p> - -<p>Wenn die Metaphysik der Liebe, die in den Französischen Dichtern und -Schriftstellern so häufig ist, ein elender Ersatz für die wirklichen -Ergießungen der Empfindung ist, die wir in der Julie von Shakspeare -oder Rousseau finden; so wäre sie doch immer ein sehr wichtiges Stück -von Psychologie, wenn man nur mehr die Art, wie diese Leidenschaft -entsteht, und die Zusammenstimmung der verschiedenen Fähigkeiten der -Seele, die da seyn muß, wenn sie zu einem gewissen Grade gelangen soll, -erklärte, als alle die kleinen Symptome, die sich bey ihrer Gegenwart -äußern, und die doch so oft nur von der Galanterie erzeugt, und von der -wahren Empfindung, wie von einem zu heftigen Feuer, verzehrt werden. -— Man kann schon daraus, daß diese Leidenschaft so selten ist, und -daß von tausenden, die sich mit<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span> einander verbinden, oft nur zwey von -dieser himmlischen Göttin einander zugeführt werden, — schon daraus -kann man vermuthen, daß diese Eigenschaft, welche die Seele des Feuers -der Empfindung fähig macht, eine eben so seltne Gabe sey, als die, -welche den Verstand zur Hervorbringung neuer Ideen in den Stand setzt.</p> - -<p>Die Geschichte macht gewissen großen Männern, deren Andenken sie -uns aufbehalten hat, eine Schwachheit aus ihrer Liebe. Aber gewiß, -diese Geschichtschreiber waren keine Philosophen; sie verstanden es -nicht, daß eben dieselbe Quelle die beyden Ströme der Empfindung und -der Einsicht ausgießt; daß die Fähigkeit zu großen Leidenschaften -die großen Männer hervor bringt; und daß Heinrich, wenn er in Nacht -und Nebel, in einem Bauerkittel verkleidet, sich mitten durch die -Postirungen und Wachen der Feinde zu seiner geliebten Estrées -schleicht; wenn in dem heftigesten Anfalle körperlicher Schmerzen diese -Emfindung dennoch bey ihm siegt, und er am Rande des Grabes seiner -Estrées noch schreiben<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> konnte: <span class="antiqua">Mon premier penser est à Dieu, et -le second à Vous</span>; eben dieselben Fähigkeiten des Geistes brauchte, -durch die er der große Feldherr und der vortreffliche König wurde.</p> - -<p>Ich habe die Liebe neulich blos als eine Folge von Eindrücken -angesehen, deren Stärke und Dauer zeigt, wie sehr die Seele fähig ist, -lebende und bleibende Bilder der äußern Gegenstände zu empfangen. Aber -die Seele verhält sich nicht blos leidend; es sind nicht Wirkungen, -die nur auf sie geschehen, und denen sie nur nicht widerstehen darf. -Ihre eigne Kraft muß diese Eindrücke beleben, sie fest halten, sie in -diejenige Form bringen, in welcher sie ihren Einfluß noch immer auf -dieselbe fortsetzen, wenn sie gleich selbst ihre erste Stärke verloren -haben. Akenside macht in seinen <span class="antiqua">Pleasures of Imagination</span> eine -vortreffliche Anmerkung, die für den Moralisten, und ich denke auch für -den Liebhaber, höchst wichtig ist. Gewisse unsrer Pflichten und unsrer -schönsten Neigungen beruhen auf einer Art von Illusion, die nur durch -eine starke und mächtige Einbildungskraft aufrecht erhalten werden<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span> -kann. Von der Art ist die Vaterlandsliebe. Der Begriff von Societät -ist viel zu allgemein und abstrakt, und die Bande, mit welchen wir an -diesen Haufen unbekannter und uns gleichgültiger Menschen geknüpft -sind, wären für uns viel zu schwach, um uns Gefahr und Tod für diese -leicht zu machen: wenn nicht die Einbildungskraft an die Stelle -dieser reellen Objekte, die zu groß und zu weit sind, als daß wir sie -mit unsrer Empfindung umfassen könnten, ein gewisses Phantom setze, -welches wir selbst ausschmücken, und unter dessen Bilde wir diese -unsichtbare Gottheit, das Vaterland, anbeten. So erhitzte sich der -Römer bey dem Anblicke seines Senats, des Kapitols oder irgend eines -andern öffentlichen Monuments, das himmelweit von dem wahren Vaterlande -entfernt war, und welches er doch dafür annahm, um seine Empfindung in -eine engere Sphäre zusammen zu drängen, und sie dadurch zu beleben.</p> - -<p>Lassen Sie uns dieses auf die Liebe anwenden. Sie ist, wenn wir sie -zergliedern, das Resultat aus den vereinigten Wirkungen des Vergnügens -an Vortrefflichkeit, der Freundschaft<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span> und der sinnlichen Lust. Es -ist augenscheinlich, daß, wenn die Leidenschaft nur aus einer dieser -Quellen entsteht, sie mit derselben zugleich versiegt; und da alle -Arten von sinnlichem Vergnügen vermöge der Natur der Seele abnehmen, so -muß ein Feuer erkalten, welches blos durch sie angezündet war. — Aber -es giebt eine andere Art von bessern Seelen, die nicht blos wie Silenen -lieben, und die die Venus, die aus dem Schaume des Meeres entstand, von -der himmlischen, die vom Olympus entspringt, und an dem Throne Jupiters -selbst ihren Sitz hat, unterscheiden; ihr Geist liebt in der That, -nicht blos ihr Körper; und demungeachtet werden diese rechtschaffnen -Liebhaber doch kalte Ehemänner. Die Gewohnheit übt über ihre Seelen -ihre gewöhnliche Gewalt aus, und weil ihre Leidenschaft blos durch -die Eindrücke auf sie hervor gebracht wurde, so verlischt sie, so wie -die Zeit ein Stück nach dem andern von diesen Eindrücken verwischt, -und sie zu der gewöhnlichen Stärke aller übrigen Begriffe in unsrer -Seele zurück bringt. Nur eine dritte Gattung von Seelen, die an die -Stelle ihres Freundes oder ihres Geliebten ein gewisses<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span> erhöhtes Ideal -setzen; die aus den Vollkommenheiten, die sie wirklich in ihm gewahr -werden, die sie aber noch verschönern, ein Ganzes zusammen setzen, -welches wirklich vollkommner ist, als der Gegenstand selbst; die in -sich selbst beständig eine neue Quelle von Empfindung finden, und in -der Beschauung des Bildes, was sie sich selbst geschaffen haben, und zu -dem ihnen das Original so zu sagen nur die ersten Striche gegeben hat, -sich mit neuem Feuer beleben: diese sind es allein, die der Liebe ihre -Schwingen ausreissen, und das Feuer, das sonst durch den Zufluß neuer -Materie unterhalten werden muß, durch ihr eignes ernähren.</p> - -<p>Ich bin jetzt auf dem Wege, zu zeigen, wie eben diese Kraft der -Imagination, ohne die niemals eine große oder dauerhafte Liebe gewesen -ist, große Männer und vortreffliche Thaten hervor bringt. — Aber -dieses ist selbst für einen neuen Brief noch zu viel Materie, und man -ruft mich schon ein Mal über das andre u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span></p> - -<h2 id="Sieben_und_zwanzigster_Brief">Sieben und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>ch habe heute einen so heftigen Schnupfen und Kopfschmerzen, daß -nichts in der Welt, als die Begierde, Ihnen auch die kleinste, und -wenn es nur eine minutenlange Unruhe wäre, zu ersparen, mich hätte -bewegen können, die Feder anzusetzen. Demungeachtet habe ich zwey so -liebe werthe Briefe von Ihnen vor mir, die ich beantworten sollte; -und die mir auch Stoff genug geben würden, wenn ich nicht heute zu -allem, als zu einem gänzlichen Müßiggange, unaufgelegt wäre. Wenn Sie -meine Briefe nicht verstehen, so ist es immer gewiß meine Schuld. Ich -bringe oft meine Gedanken zur Welt, ehe sie völlig ausgebildet sind; -und es ist natürlich, daß meine Freunde, wenn ich sie ihnen in diesem -Zustande übergebe, nicht recht wissen, was sie mit diesen ungeformten -Massen machen sollen. Thun Sie an diesen verunglückten<span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span> Geschöpfen -die Barmherzigkeit, die Sokrates an ähnlichen Geburten seiner Freunde -that; wenn Sie sie nicht gleich bey der Entstehung haben retten können, -so geben Sie ihnen wenigstens, so wie sie da sind, die erträglichste -Figur, die sie machen können. Bilden Sie sie aus, erziehen Sie -sie; und wenn sie es werth sind, so vermählen Sie sie mit den weit -liebenswürdigern Kindern eines so sanften und zarten Herzens, und eines -so richtigen Verstandes, als der Ihrige ist.</p> - -<p>Ich habe diese Materie noch nicht erschöpft. Ich habe mir die Liebe -blos in ihrer Entstehung vorgestellt. Sie sollen nun auch meine -Gedanken über ihre Wirkungen wissen. Ich sehe schon zum Voraus, daß ich -in Gefahr komme, meine Schwäche sehen zu lassen, indem ich vielleicht -mit meinen Beschreibungen bey Ihnen, die es empfinden, nicht schließen, -was Liebe ist, ungefähr in eben den Rang kommen werde, in welchem bey -uns Sehenden der blinde Philosoph steht, der sehr gründlich, wie er -dachte, die rothe Farbe durch den Schall einer Trompete erklärte. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span></p> - -<p>Ich sehe, ich fange an, meinen Kopfschmerz zu vergessen, indem ich mit -Ihnen rede. Wäre der Abgang der Post nicht so nahe, so glaube ich, ich -schriebe vier Seiten voll, ehe ich daran dächte, daß ich nur so viel -Zeilen schreiben wollte. Erzählen Sie mir doch etwas von Ihrer jetzigen -Lektüre u. s. w.</p> - -<p>N. S. Romeo und Julie ist nun gedruckt. — Aber Sie müssen das Stück -entweder schon gesehen haben, oder es noch sehen, ehe Sie es lesen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span></p> - -<h2 id="Acht_und_zwanzigster_Brief">Acht und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 9. December.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>ch bin jetzo etwas mehr beschäftigt, als sonst; und wenn ich also -jetzt etwas kürzere Briefe schreibe, so ist es doch gewiß wenigstens -mit dem Wunsche, Ihnen längere schreiben zu können.</p> - -<p>Der Freundschaft, so wie der Tugend ist die nächtliche Stille heilig. -Ich ergötzte mich schon sonst an der Vorstellung, daß sich alsdann -vielleicht oft unsre Gedanken und Betrachtungen begegnen, und unsre -Wünsche vereinigt zum Himmel steigen; und jetzt sehe ich, daß ich -Ursache dazu hatte. Ja, liebe Freundin, die Tugend, diese himmlische -Göttin, breitet ihren Glanz auf alles aus, was sie umgiebt; sie -erleuchtet die Freundschaft, und sie erwärmt sie auch; sie verwandelt -die Liebe, die ein blos körperliches Bedürfniß ist, in die<span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span> edelste -und erhabenste Leidenschaft, deren eine menschliche Seele fähig ist, -und verlängert sie, die sonst mit dem Genusse zugleich unterging, bis -an die letzten Gränzen unsrer Existenz. Durch sie wird die mütterliche -Zärtlichkeit das Glück des menschlichen Geschlechts, und der Grund, -worauf die Wohlfahrt und die Tugend seiner Glieder erbaut wird; sie -endlich macht alle unsre Vergnügungen heilig, und unsre Ergötzungen zu -so viel guten Werken.</p> - -<p>Sie haben ohne Zweifel jetzo Romeo und Julie gelesen oder gesehen. -Wenn ich es eher bedacht hätte, so hätte ich meine ganze Philosophie -ersparen können. Dieses Stück ist der vortrefflichste Kommentar über -die Liebe. Alle Ausdrücke scheinen von dem Hauche dieser Leidenschaft -beseelt; und das heftigste Feuer brennt durch und durch, und greift -selbst die unempfindlichsten Herzen an. — Aber sagen Sie mir, -wenn Sie es gelesen haben, warum ist die Rührung im dritten Akte -angenehmer, als die heftige Erschütterung im fünften? Ist es nicht, -daß dort Pflicht mit Liebe, Tugend mit Leidenschaft streitet? Die -vortrefflichste Seele<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span> ist zwischen der kindlichen und ehelichen -Zärtlichkeit getheilt. Man sieht sie kämpfen, und wenn endlich die -Liebe alle übrigen Empfindungen verschlingt, so ist sie uns doch schon -auf einer so vortrefflichen Seite bekannt, daß wir ihr ihren Entschluß -zum Heldenmuth anrechnen. Im fünften Akte wirkt blos die Situation, -wenig der Charakter. Die Begebenheit auch bey jeden andern Personen -würde eben so traurig seyn. Die beyden Verliebten zeigen nun nichts -mehr als Liebe, mit keiner andern Empfindung, mit keiner Tugend mehr -vermischt. So wie Fluthen des Meeres, wenn sie sich über ein Land -ergießen, die Mannigfaltigkeiten der Natur auf ein Mal verdecken, -und statt tausend verschiedner, ergötzender Gegenstände nur ihre -eigne traurige, allenthalben gleiche und einförmige Fläche dem Auge -darbieten: so löscht in diesen Augenblicken die Liebe jeden andern -Begriff, jedes Gefühl in der Seele aus. Der Begriff von Tugend, den -wir in die Liebe dieser Personen geheftet hatten, und der uns diese -Liebe noch weit schöner macht, verschwindet vollends, da sie sich zu -Ausschweifungen bringen lassen, die der Tugend so durchaus<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span> entgegen -sind. Die ganze Scene ist theatralisch vortrefflich. Der Selbstmord mag -nun entweder durch die heftigen Triebfedern, die in dem außerordentlich -Schrecklichen der Begebenheit dazu enthalten sind, bey uns entschuldigt -werden; oder er mag, wie Moses glaubt, gar nothwendig seyn, um uns von -der Größe der Leidenschaft, auf der doch unsre ganze Rührung beruht, -zu überzeugen. Ob ich gleich das letztre nicht recht glaube. Vergebens -wäre der Selbstmord, um uns zu rühren, wenn wir nicht schon zuvor für -die Person eingenommen, und von der Leidenschaft, die sie einnimmt, -ergriffen wären. Aber im Leben wenigstens würde uns ein solches -Schauspiel mehr Schaudern als Vergnügen erwecken. Lieber wünschte ich, -Julien wie Heloisen in einem Kloster zu sehen. Oft würde ich dieses -alsdann besuchen, um durch die dunkeln und einsamen Wohnungen die -durchdringenden aber doch süßen Klagen der Schwermuth, der Liebe und -der Sehnsucht zu hören. Gottseligkeit sollte mit der Liebe kämpfen; und -Julie würde eine Heilige werden. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span></p> - -<p>Einen Theil der Wirkungen der Liebe sehen Sie also in dem Stücke meines -Freundes zugleich mit ihren Symptomen. Freylich nur die schrecklichsten -und die traurigsten. Aber mich dünkt, sie sind doch sehr geschickt, -uns auf die erfreulichen zu führen. Wie schmerzlich sollte es mir -seyn, wenn hier meine Grundsätze von Ihren Empfindungen abwichen. Aber -doch muß ich sie sagen; die Freymüthigkeit, die in dem Gefolge der -Freundschaft ist, und ein gewisser Eifer, den ich in mir selbst fühle, -Ihnen auch alle meine Vorurtheile, so lange ich sie noch für wahr -halte, ohne Verstellung mitzutheilen, fordert es von mir.</p> - -<p>Sie sehen, ich habe schon meine Meinung gesagt. Es giebt, wie ich -glaube, überhaupt bey jeder unsrer Neigungen eine doppelte Seite. Die -eine will blos genießen, sie sucht den Gegenstand nur auf, hält ihn -fest und ergötzt sich an ihm. Die andre bereitet sich den Genuß erst -vor, indem sie den Gegenstand verschönert, vollkommener, besser, und -wenn er dessen fähig ist, glücklicher macht. Diese schiebt den Genuß -auf, um ihn zu erhöhen. Die<span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span> Leidenschaft hat eigentlich in dem ersten -Theile unsrer Neigung ihren Sitz. Hier gehört weniger Thätigkeit, nur -Empfindung dazu; man empfängt blos, fühlt und genießt. Die Vernunft -stört hier mit ihren Reflexionen die Heftigkeit der Begierde nicht; -sie wird sogar, wenn die Empfindung heftig wird, eine Zeit lang völlig -unthätig, — alle Spannkräfte der Seele erschlaffen, sie sinkt in eine -bezaubernde, aber deswegen vielleicht oft gefährliche Schwärmerey. -— So war die Liebe der Julie in Romeo größtentheils. Wenn sie von -dem andern Theile abgesondert ist, so geschieht das, dessen ich -oben gedachte. Der Grund der Seele, der sonst mit einer Reihe von -mannigfaltigen schönen und lieblichen Bildern bemahlt war, wird nun mit -einer einzigen einförmigen Farbe überzogen; die Einbildungskraft kennt -nunmehr keine andern Bilder, als die zu diesem Gegenstande gehören; -und der Verstand selbst entzieht sich einer jeden andern Reflexion, -als der, welche die Hitze ernähren oder vermehren kann. Hiervon, wenn -sich ein trauriges Geschick mit einer solchen Leidenschaft verbindet, -erwarte ich alle schrecklichen Folgen, die vom<span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span> Anfange der Welt her so -oft die Begleiter der Liebe gewesen sind. Ein solches Feuer verzehrt -den Menschen, den es nur erwärmen sollte. — Zum guten Glück sind -auch dazu nur große Seelen fähig. Aber ist es nicht traurig, daß eben -diese am leichtesten durch eine Leidenschaft überwältigt werden, die -jede andre Kraft, jede Fähigkeit ihrer Seele vernichtet; alle ihre -angebornen und erworbenen Vollkommenheiten verschlingt, oder doch für -nichts als für sie arbeiten läßt; der Tugend selbst nur die Gestalt der -Liebe läßt, und dieselbe zu Boden tritt, sobald sie sich ihr entgegen -setzt.</p> - -<p>Gesetzt aber, daß das glücklichste Ende eine Liebe, die blos von -dieser Art ist, bekrönte. Geben Sie der Julie einen Romeo, der alle -Entzückungen der Liebe mit ihr theilt; versöhnen Sie ihre beyden -Familien mit einander, lassen Sie sie mit dem Beyfalle des Himmels und -ihrer Eltern Eheleute werden. Nehmen Sie der Zeit und dem beständigen -Umgange die Gewalt, die sie sonst über die meisten Herzen haben, die -Heftigkeit der Neigung zu mäßigen, und Feuer in Wärme zu verwandeln,<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span> -lassen Sie sie in unaufhörlichen Ergießungen ihrer ersten Liebe ihr -Leben zubringen. — Glücklich können sie vielleicht dabey seyn, — aber -nützliche brauchbare Leute gewiß nicht; sie sind alsdann für die Welt -verloren. Und wenn sie das erhabenste Genie und den größten Heldenmuth -hätten, so würden sie mit allen beyden nichts weiter ausrichten, als -die Flamme, die bey andern Menschen aus Mangel der Nahrung auslöscht, -unterhalten; sie würden immer empfinden und genießen, — aber niemals -thun.</p> - -<p>Doch nun wollen wir diese unvollständige Neigung ergänzen, wollen den -andern weniger eigennützigen Theil hinzusetzen. Wir sehen alsdann in -unserm Gemahle oder Freunde nicht mehr blos ein Gut, das wir genießen -sollen; sondern auch ein Eigenthum, das wir verbessern, erweitern und -vortrefflicher machen wollen. Er ist alsdann nicht mehr ein bloßer -Gegenstand unsers Gefühls, sondern auch unsrer Bemühungen. Dieser Theil -der Neigung muß nothwendig ruhiger und gelassener seyn, und bey nicht -sorgfältigen Beobachtern<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span> zuweilen den Schein der Kälte annehmen; -zuerst, weil nach der Natur der Seele jede Neigung, die unmittelbar -mit dem Genusse verknüpft ist, stärker seyn muß, als die, welche erst -durch eine Kette von vielen Gliedern mit dem Genusse zusammen hängt; -zum andern, weil wir alsdann von dem Gegenstande selbst mit unsern -Gedanken und unsern Betrachtungen eine Zeit lang abgehen, und sie auf -unsre Bemühungen, auf die Mittel, die wir zu unserm Zwecke wählen -wollen, und auf die Art und Weise, wie wir sie am geschicktesten -anwenden, richten müssen. Diese Neigung ist thätig, bringt alle Kräfte -der Seele in Bewegung, spannt alle ihre Triebfedern, erweckt alle ihre -Begriffe, und erhöht unsre natürliche Stärke bey jeder Handlung, durch -den neuen Endzweck, den wir bey derselben außer dem Unmittelbaren der -Handlung hinzusetzen. So kann der geschäftigste Mann, aus Liebe zu -seiner Gattin, alle die Arbeiten thun, die ihr seinen Umgang entziehen. -Weit von seiner Geliebten, kann der Jüngling sich unter einen Haufen -gezückter Schwerdter stürzen, oder den brausenden Wellen trotzen, indem -das<span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span> Bild seiner Geliebten wie eine unsichtbare Göttin um ihn schwebt, -seinen Arm stärker, und seinen Muth unerschrockner macht. — Dann -lassen Sie auf Mühseligkeit und Arbeiten, selbst auf die Entbehrung, -der man sich aus Liebe unterzogen, eine Stunde des Genusses folgen. — -Dann lächelt der Himmel selbst über ihre Freuden! u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span></p> - -<h2 id="Neun_und_zwanzigster_Brief">Neun und zwanzigster Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">M</span>eine Geschäfte sind kaum von der Erheblichkeit, daß man ihnen diesen -Namen geben kann. Demungeachtet füllen sie meine ganze Zeit aus, -besonders, da ich manchmal viele Tage durch Zerstreuungen verhindert -werde, daran zu denken. Außer dem, was ich zu meinem eigenen -Unterrichte vornehme, haben Gellert und Weise von mir einige Arbeiten -gefordert, die ich beschleunigen muß. Ich werde dazu die Zeit zu nutzen -suchen, da Herr von K****, der mich sonst jeden Tag einige Stunden -kostet, verreist ist. Fürchten Sie aber nichts für unsern Briefwechsel. -Die Freundschaft kennt ihre Rechte, und sie weiß sie gegen alle andre -Ansprüche und Forderungen zu vertheidigen. Ueberdieß ist ihre Sprache -kurz. Man versteht sie durch Sympathie. Sie erklärt nicht sowohl ihre -Empfindungen,<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span> sie macht nur den andern auf seine eignen aufmerksam; -und nur indem sie des Freundes Herz in Bewegung setzt, zeigt sie ihr -eignes. —</p> - -<p>Aber warum lassen Sie Ihre Tage durch Träume beunruhigen? — Oder warum -geben Sie einem Traume, der so vieler guter, glücklicher Auslegungen -fähig ist, gerade die, welche Sie kränken muß. Ich sehe in demselben -nichts, als Ihre eigne Zärtlichkeit, die selbst in den nächtlichen -Gemählden, die Ihnen Ihre Einbildungskraft vorstellt, der Freude des -Wiedersehens eine Gewalt über das Herz giebt, unter welchem dasselbe -erliegt. — Ich bin als Freund verpflichtet auf Mittel zu denken, die -Ihnen diese öftern Unruhen, wenn es nicht möglich ist, ihnen zuvor zu -kommen, wenigstens mäßigen. Ist es nicht wahr, daß eine solche Unruhe -(ich rede nicht bloß von der letzten) unthätig und zur Verrichtung -eines jeden Geschäftes, selbst zu dem Genusse des Vergnügens unwillig -und unfähig macht? Und ist dieß wohl der Zustand, in dem wir oft seyn -sollen, in dem wir<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span> am meisten Gutes zu thun hoffen können? Vermehren -Sie den Grad, oder verlängern Sie diesen Zustand. Sie werden sehen, daß -er nach und nach den Gebrauch jeder unsrer Fähigkeiten aufheben und -uns zu einer Art von Schlaf bringen wird, der voll von fürchterlichen -Träumen ist, und uns eben so viel Zeit raubt, als der natürliche, ohne -uns dieselbe Erquickung zu geben? —</p> - -<p>Demungeachtet fühlt die Seele eine gewisse Süßigkeit darin, um deren -willen sie sich dieser Unruhe überläßt, und sich selbst den Mitteln -entzieht, die sie aufheben könnten. Ich kenne diesen Zustand, aber -ich finde ihn allemal für mich schädlich, ob ich gleich nicht allemal -so glücklich bin, mich davon zu befreien. Wenn es aber gelingt, -so ist es niemals anders, als durch eine anhaltende und die Seele -sehr einnehmende Beschäftigung. Man muß gleich im Anfange, wenn man -die erste Anlage zu einer solchen Gemüths-Verfassung bemerkt, die -Aufmerksamkeit mit Gewalt von dem Gegenstande abziehen und auf etwas -richten, was im Stande ist, sie anzuheften<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span> und von der Rückkehr -abzuhalten. Ein andres Frauenzimmer würde vielleicht den Mangel solcher -Gegenstände vorwenden können; aber Sie nicht, liebe Freundin, die außer -den Geschäften einer Hausmutter auch noch alle die für sich haben, -die die Wissenschaften und die Lektüre verschaffen. Wählen Sie sich -also alsdann eines von den Büchern, die Sie am meisten lieben; oder -noch besser, arbeiten Sie selbst etwas. Sie werden sich zuerst zwingen -müssen. Die Seele wird mit Widerwillen sich von dem neuen Gegenstande -wegwenden. Aber nach und nach, wenn besonders der erste Anfang geglückt -ist, wird sich der Gegenstand der Seele bemächtigen; es wird eine neue -Leidenschaft rege; der Wunsch und die Hoffnung, die Sache, die man vor -hat, schön zu machen. Endlich arbeitet man aus Geschmack fort, da man -blos aus Ueberlegung angefangen hatte.</p> - -<p>Ich freue mich auf Ihre Anmerkungen über die eheliche Liebe, und wenn -sie auch von meinen Grundsätzen abgiengen. Sie wissen nun schon, -wenn wir Philosophen einmal<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span> ein System im Kopfe haben, so muß sich -alles darnach richten, und entweder seine Form annehmen, oder es wird -verworfen. Nun nach diesem Systeme finde ich allerdings zwischen der -Liebe vor der Ehe, und in derselben, einen Unterschied. Nicht in -dem Feuer, noch in der Delikatesse derselben; aber in der Art, sie -auszudrücken. Ich nehme wieder meine Eintheilung zu Hülfe. Das was -in der Liebe blos Begierde ist, und zu seinem Endzwecke den Genuß -hat, herrscht nothwendig vor der Ehe. Das was in derselben Bestrebung -und Eifer ist, und zum Gegenstande mehr des Andern Glück, als unser -Vergnügen hat, sollte in der Ehe herrschen. Dem zu Folge muß nothwendig -die Leidenschaft des Liebhabers aufwallend und ungestüm seyn, denn sie -streckt sich erst nach einem Gute aus, welches sie erreichen will; die -Liebe des Ehemannes ruhig und thätig, denn sie arbeitet nun an der -Erhöhung und Verschönerung eines Gutes, das schon ihr Eigenthum ist. -Ohne diese Einschränkung ist die eheliche Liebe in Gefahr, tändelnd -zu werden, welches sie von<span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span> ihrem wahren Zwecke beynahe eben so weit -abbringt, als die Kälte.</p> - -<p>Ich sage Ihnen alle meine Gedanken, liebe Freundin, als einer Person, -die zu meiner größten Vertraulichkeit und zu einer Kenntniß meiner -innersten Gesinnungen ein Recht hat. Läutern Sie meine Grundsätze, und -arbeiten Sie selbst an der Verbesserung Ihres Freundes u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span></p> - -<h2 id="Dreyssigster_Brief">Dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>hr Urtheil über den Romeo, und Ihr Wunsch wegen seines Schlusses -ist mit meiner Mutter ihrem vollkommen einerley. In der That ist der -letzte Auftritt mehr schrecklich als rührend, Julie mehr unsinnig -als schwärmerisch, und ihre Liebe mehr Raserey als Leidenschaft. -Ich bin begierig, auch von den beyden übrigen Stücken, die in eben -diesem Theile stehen, Ihr Urtheil zu wissen. Marmontels Erzählungen -lassen sich vielleicht um desto schwerer in Dramata verwandeln, je -ausgearbeiteter schon der Dialog ist. Man kann schwerlich verhindern, -daß der Leser nicht die neuen angesetzten Stücke von den alten -unterscheide; und man geht gar zu leicht aus einem Charakter heraus, -der nicht von Anfang an unser eigen ist. So geht es, dünkt mich, mit -der Corally ihrem, der in dem Stücke, die Freundschaft auf der Probe, -am meisten hervor sticht,<span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span> und den er zuweilen verfehlt hat. — Aber -ich höre, die Mademoisell Schulz verläßt das Theater. Versäumen Sie -doch ja nicht, Romeo zu sehen, ehe sie fortgeht. Sie macht diese Rolle -unnachahmlich schön; ich setze nur das Einzige an ihr aus, daß sie in -den Stellen, wo ohnedieß schon der zu weit getriebene Affekt beynahe -bis ins Widrige geht, noch einige Grade hinzu setzt.</p> - -<p>Aber genug von dieser Materie, die ohnedieß schon erschöpft ist. -Ich hätte mehr Lust, meinen Streit mit Ihnen, als meine Kritik zu -verlängern. Sie wissen noch nicht, wie hartnäckig ich bin, wenn ich -mir einmal in den Kopf gesetzt habe, etwas zu behaupten. Ihr Brief hat -mir gefallen; und mit weniger Eigensinn, als ich habe, hätten mich -Ihre Gründe verblendet oder überzeugt. In der Verfassung, in welcher -ich bin, kann ich noch nicht sagen, welches von beyden. Denn wenn ich -sagte, daß ich ohne Eigensinn hätte müssen überzeugt werden, so wäre -dieß eben so viel, als gestünde ich zu, ich hätte Unrecht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span></p> - -<p>Sie wollen also zwischen dem Liebhaber und dem Ehemanne durchaus keinen -Unterschied zulassen; und ich bildete mir ein, ich hatte es recht -förmlich bewiesen, daß einer seyn müßte. So kann einem die Eigenliebe -verblenden! Vielleicht richte ich durch eine Allegorie aus, was meine -Metaphysik nicht vermochte. — Wenn zuerst nach einer langen Dürre, -oder am Ende des Winters, Jupiter in einem fruchtbaren Regen in den -Schoos der mütterlichen Erde herab steigt: dann wird auf einmal die -ganze Gestalt der Natur geändert. Blumen und Gewächse von aller Art -bedecken die erst nackte Oberfläche; die Bäume schimmern von jungem -Grün, das nur noch wie zartes Moos auf die kahlen Aeste gestreut ist; -die todte Stille der Natur wird rege und lebendig; Luft und Erde -bekommen wieder Bewohner; der Wechsel ist eben so plötzlich, als schön. -— Aber wenn nun diese erste Rückkehr der Natur zum Leben geschehen -ist, dann kann der ganze liebliche Sonnenschein, und die schönsten, -erfrischendsten Regen, durch die er unterbrochen wird, nicht gleich -große und gleich merkliche Veränderungen hervor bringen. Im<span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span> Stillen, -ungesehen, wächst nunmehr durch eben die Kraft, die ihn zuerst hervor -brachte, der Halm zur Aehre, das Gras zur Staude, und die Blüthe zur -Frucht heran. Noch immer empfängt die Erde dieselben wohlthätigen und -kräftigen Einflüsse des Himmels; aber sie kann jetzt nicht mehr durch -sie eine ganz neue Schöpfung hervor bringen, sie kann nicht mehr die -ganze Gestalt der Natur umändern. — Aber in ihrer geheimen Werkstatt -empfängt und nutzt sie noch auf eben die Art den himmlischen Segen, -sie verschließt ihn jetzt in sich, um ihn den Pflanzen ganz allein -mitzutheilen, die sie hervor gebracht hat, und um Korn, Obst, Wein auf -den stillern Herbst zu bereiten.</p> - -<p>Sollten alle folgenden Eindrücke dem ersten gleich seyn? — Das ist -wider die Natur der Seele. Sie selbst, Sie selbst, die die Natur mit -der zärtlichsten von weiblichen Seelen beglückt, Sie würden sich blos -selbst hintergehen, wenn Sie das als eine gemachte Erfahrung ansähen. -— Soll die Leidenschaft niemals zum Grundsatze, zur Gesinnung werden? -—<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span> Alsdann ist sie unnütz und gefährlich. Das stürmende Meer kann nur -Schiffbruch und Untergang verursachen, wenn es ohne Aufhören wüthet. -Aber wenn der heftige Sturm zu einer noch lebhaften aber ruhigern -Bewegung gemäßigt wird, dann bringt er das Schiff mit vollen Segeln in -den Hafen. — Soll die Seele immer nur von einem einzigem Gegenstande -erfüllt seyn, wie es die Seele des Liebhabers ist? — Dann verschlingt -und vernichtet dieser Gegenstand alle Kräfte derselben, er verbraucht -alle ihre Fähigkeiten, und läßt für alle ihre übrigen Pflichten und -Geschäfte nichts, als matte, unwillige und kraftlose Bestrebungen.</p> - -<p>Aber wie muß die Liebe seyn, auf deren Flügeln der Geist erhoben, und -seiner Bestimmung und seinem Schöpfer näher gebracht wird? Die Seele, -deren ganze Neigungen und Fähigkeiten sich in einem einzigen würdigen -Gegenstande koncentrirt hat, muß sich von ihm aus auf alles, was gut, -schön und vortrefflich ist, verbreiten. Er muß das Band seyn, welches -die Seele an alle ihre Pflichten<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span> verknüpft, und sie mit Freuden an -die Sachen anzieht, die sie sonst aus andern Bewegungsgründen nur mit -Widerwillen, oder doch ohne Vergnügen würde gethan haben. Das Feuer der -Liebe muß sich in eine gleiche und fortdauernde Wärme verwandeln, die -jeder andern gutthätigen Neigung zum keimen hilft, jede tugendhafte -Handlung empor treibt, und jeden Widerstand aus dem Wege stößt. — -Noch ein Mal: der Liebhaber und die Geliebte wollen nichts, als sich -sehen, sich umarmen und sich genießen. Der Ehemann und seine Gattin -wollen sich und die Welt glücklich machen, und diesen Zwecken zu Ehren -entbehren sie jene Vergnügungen ohne Murren u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span></p> - -<h2 id="Ein_und_dreyssigster_Brief">Ein und dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0">— — <span class="initial">I</span>ch bin außerordentlich vergnügt darüber, daß Sie meinen -Brief vollkommen nach den Gesinnungen erklärt haben, in denen ich -ihn geschrieben hatte. Sie haben mir eine große Probe abgelegt. Ich -fürchtete nicht, daß Sie über meine Freymüthigkeit böse werden würden; -aber ich erwartete doch eine kleine Empfindlichkeit über einen so -beherzten Widerspruch. Bey jedem andern Frauenzimmer, als bey einer -solchen Philosophin, wie Sie sind, wäre meine Erwartung ganz gewiß -eingetroffen. — Diese Materie ist jetzo erschöpft, oder ich will sie -doch wenigstens dafür ansehen. Wenn Sie nur wahrhaftig glücklich sind, -so will ich es Ihnen verzeihen, wenn Sie es auch zum Theil durch ein -Vorurtheil wären. — Ich habe diese Woche eine ganze Gesellschaft -von Leuten gesehen, die es noch durch ein weit<span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span> handgreiflicheres -Vorurtheil sind, oder wenigstens vorgeben es zu seyn.</p> - -<p>Ich bin mit einer großen Gesellschaft von Frauenzimmern in einem -Nonnenkloster gewesen, und zwar bey denen, die barmherzige Schwestern -heißen, und sich mit der Wartung armer Kranken beschäftigen. Ein -wirklich verehrungswürdiger Orden, der großen und beschwerlichen -Dienste wegen, die seine Mitglieder der Gesellschaft leisten. Sie -sind dabey arm; und da die Anzahl reicher Katholiken bey uns in B*** -immer mehr abnimmt, und die eignen Kapitalien des Klosters nicht nur -an sich klein, sondern auch jetzt ohne Nutzen für sie sind, weil sie -bey einem Hause ausgeliehen stehen, das im Begriff ist, banquerout -zu machen (ehemals einem Besitzer von 500000 Thalern), so müssen die -21 geistlichen Jungfrauen, aus denen das Kloster besteht, sich auf -das äußerste einschränken, weil sie nicht nur sich, sondern auch ihre -Kranken zu ernähren haben, und noch dazu Aerzte und Arzeneyen bezahlen -müssen. Meine Mutter und verschiedene unsrer Bekannten, die ihnen<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span> -deswegen von Zeit zu Zeit eine kleine Beysteuer schicken, werden in dem -Kloster als große Wohlthäter angesehen. So sehr ist die Dürftigkeit -auch für kleine Erleichterungen empfindlich.</p> - -<p>Wir wurden also sehr wohl aufgenommen. Wir tranken in der Apotheke, -wohin auch Mannspersonen kommen dürfen, in Gesellschaft der artigsten -und vernünftigsten Schwestern, Kaffee. Die Frauenzimmer wurden hierauf -im ganzen Kloster, ich nur in der Kirche und im Krankenzimmer, herum -geführt. — Sie können nicht glauben, wie sehr mich diese Leute für -sich interessirt haben. — Es giebt Personen von den besten Familien, -von gutem Verstande und von einer wirklichen Schönheit darunter. -Besonders ist die würdige Mutter eine höchst vernünftige, gesetzte und -von dem klösterlichen Wesen ziemlich freye Person. Ausser ihr zieht -ein Fräulein Mucius, eine ehemalige Bekannte einer Dame aus unsrer -Gesellschaft, die auch deswegen von der Superiorin die Erlaubniß -erhielt, bey uns zu bleiben, die Augen auf sich. Ungeachtet sie schon -16 Jahre im Kloster ist, so hat sie doch noch alle Züge<span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span> von Schönheit. -Ein feuriges und schönes Auge, das durch die Kopfbinde ihres Habits -halb verdeckt, und auf eine gewisse Weise schmachtend und zugleich -einnehmend gemacht wird; — in ihrem Betragen eine gewisse stille und -ruhige Zufriedenheit mit ihrem Zustande, die man bey den glücklichsten -Personen so selten antrifft; eine Stimme, die sehr angenehm und sanft -ist; — und wenn man sich dieses noch junge Frauenzimmer denkt (deren -Vater ein reicher und vornehmer Mann ist), in einem sehr schlechten -Kleide (ob es sie gleich nicht verstellt), allen Bequemlichkeiten -des Lebens und der Gesellschaft entzogen, zum strengsten Gehorsam -verpflichtet, und oft mit den niedrigsten, beschwerlichsten und -ekelhaftesten Dienstleistungen der Kranken beschäftigt: so muß man -Hochachtung und Mitleid für sie zugleich haben u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span></p> - -<h2 id="Zwey_und_dreyssigster_Brief">Zwey und dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 9. Januar 1768.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">F</span>ür Ihre Aufmerksamkeit und Ihre freundschaftliche Sorgfalt, mir -Vergnügen zu machen, und es mir an dem Tage<a name="FNAnker_B_2" id="FNAnker_B_2"></a><a href="#Fussnote_B_2" class="fnanchor">[B]</a> zu machen, wo ich durch -tausend andre angenehme Eindrücke mehr als gewöhnlich vorbereitet -bin es zu genießen; dafür danke ich Ihnen aufs verbindlichste. Meine -Mutter hat Ihren Willen sehr genau befolgt. Ich erfuhr Dienstags -nichts davon, daß Briefe angekommen wären, und ich dachte also gewiß, -Sie wollten Ihren Posttag verlegen, und würden von nun an Donnerstags -schreiben. Diese Vermuthung machte, daß ich selbst nicht schrieb, und -dabey blieb ich also ganz ruhig, bis des Donnerstags Morgens, indem -wir alle beysammen waren,<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span> meine Mutter, die sich einen Augenblick -entfernt hatte, mit einer sehr feyerlichen Miene, einem großen -Kuchen in der Hand, auf dem Ihr Brief lag, und einem noch größern -Glückwünschungs-Komplimente, das sie, wie sie sagte, von Ihnen -auszurichten hätte, zurück kam. Die Sache war mir so unerwartet, daß -sie mir Anfangs ein Räthsel zu seyn schien. Ich öffnete endlich Ihren -Brief, die Schwierigkeiten wurden durch meine Mutter gehoben, und meine -erste Ueberraschung endigte sich mit einer stillen und angenehmen -Fröhlichkeit.</p> - -<p>So viel war auch nöthig, wenn ich an einem Tage heiter seyn sollte, wo -ich mich von einem heftigen Schnupfen, oder wovon es sonst war, so übel -befand, daß ich eine ernsthafte Krankheit hätte befürchten können. Ich -schob deswegen eine kleine Solennität, die auf diesen Tag bestimmt war, -bis auf den folgenden auf. Gestern also habe ich mir das Vegnügen, ein -Koncert bey mir zu machen, zum zweyten Male erlaubt. Meine Mitspieler -waren noch besser, als das erste Mal. Die Gesellschaft war, außer -meines Onkels Familie,<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span> der Hauptmann R*** mit seiner Frau; er ein sehr -geschickter und verständiger Mann, jetzo der Ober-Bau-Inspektor von -B****; sie, eine Sachsin von Geburt, aus Chemnitz, das beste Herz und -die liebreichste, zärtlichste Ehegattin; endlich eine gewisse Fräulein -von W****, ein Frauenzimmer von sehr guter Erziehung und Lebensart, -und von vielem Verstande. Ihr Bruder, bey dem sie lebt, steht in -eben dem Posten, wie mein Onkel, ist ein angenehmer und allenthalben -willkommener Gesellschafter, und verdient um desto mehr Hochachtung, -weil er sich aus einem Stande der Dürftigkeit, in dem er und seine -Schwester, ihres Standes ungeachtet, ihre Jugend zugebracht haben, -durch seine Geschicklichkeit, seinen Fleiß und seine gute Wirthschaft -hat wissen heraus zu ziehen, und sich also die bequeme und artige -Weise, mit der er jetzo lebt, ganz allein schuldig ist. So viel von -unsrer Gesellschaft.</p> - -<p>Unter der Musik nahmen sich die Sachen von einem gewissen Schobert, -dem, der in Paris an Champignons gestorben ist, sehr<span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span> vorzüglich aus. -Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich mit Ihnen schon davon geredet -habe; aber gesetzt, das wäre auch geschehen, so kann ich es, zum Dank -für das Vergnügen, was mir des Mannes Arbeit gemacht hat, nicht oft -genug wiederholen, daß es die schönsten Sachen sind, die jemals aufs -Klavier sind gesetzt worden; insbesondre die Duetts, Trios und Koncerte -von ihm. Man kann nichts Neueres und zugleich Schöneres hören. Alle -Ideen des ganzen Stücks sind original, und zuweilen so außerordentlich -frappirend, daß sie den unverständigsten Zuhörer treffen müssen. Sie -erfordern aber viel Uebung. Er selbst (denn wenn eine Nachricht wahr -ist, die hier herum geht, so habe ich den Schobert selbst hier auf -meiner Stube mehr als ein Mal vor langen Zeiten spielen hören, er ist -sogar einen halben Monat, oder so etwas, mein Lehrmeister gewesen), -er selbst also, vorausgesetzt, daß es dieser ist, hat die allergrößte -Flüchtigkeit der Hände, die ich jemals gesehen habe. Er setzt also -seine Stücke so, wie sie für seine eignen Finger am besten sind. Aber -sie thun eine unbeschreibliche Wirkung, wenn sie auch<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span> nur mittelmäßig -vorgetragen werden. Seine Stücke sind selten, und ich würde sie ohne -die Gütigkeit eines Freundes niemals zu Gesichte bekommen haben.</p> - -<p>So brachten wir also den gestrigen Tag ziemlich vergnügt zu. -Demungeachtet befinde ich mich heute noch nicht ganz wohl. Ich schreibe -deswegen auch nicht so viel, als ich mir vorgenommen hatte. Meine -Mutter wird durch andre Hindernisse in einem ähnlichen Vergnügen -gestört. Ihre Nahrung erfordert um diese Zeit viele Rechnungen, die -sehr beschwerlich sind, und für jede andre Frau beynahe unmöglich -wären. Aber sie verrichtet das alles mit einer Genauigkeit und -Akkuratesse, deren ich gar nicht fähig wäre. Sie wird überdieß von -einem Flusse im Ohre beschwert, und hört deswegen schlecht.</p> - -<p>Ich erinnere mich, daß Sie vor langer Zeit einen Plan zur Erziehung -Ihrer Wilhelmine verlangten. — Zu einem solchen Plane habe ich weder -Geschicklichkeit noch Geduld genug. Aber zerstreute Anmerkungen, -wenn<span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span> Sie die haben wollen, wenn Sie sich die Mühe geben wollen, sie -so gut zu verbinden, als sie selbst es werden zulassen, wenn Sie mir -versprechen, die Lücken durch ihre eignen Bemerkungen auszufüllen, die -sollen Sie von mir bekommen. Flößen Sie Ihrer Wilhelmine, wenn Sie -können, etwas von Freundschaft gegen einen Menschen ein, den Sie selbst -mit so vieler beehren. Lassen Sie sie wissen, daß ich eher für sie gute -Wünsche gethan habe, als sie selbst etwas wünschen konnte u. s. w.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a name="Fussnote_B_2" id="Fussnote_B_2"></a><a href="#FNAnker_B_2"><span class="label">[B]</span></a> Garvens Geburtstag fällt auf den siebenten Januar.</p> - -</div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[S. 237]</a></span></p> - -<h2 id="Drey_und_dreyssigster_Brief">Drey und dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">D</span>as ist wirklich eine Feyer meines Geburtstages, auf die ich mir etwas -zu gute thue. Wenn ein Freund an mich denkt, und diese Erinnerung ihm -Vergnügen macht; wenn er mir so viel Einfluß auf sein Herz zugesteht, -daß ich es zuweilen ruhiger, freudiger, mit sich und mit andern -zufriedener machen kann, das ist die größte Befriedigung, die meine -Liebe und meine Eitelkeit verlangt. Sie, liebe Freundin, verstehen -die Kunst, sich zu vergnügen, schon recht gut. Ihre Hoffnungen darauf -werden Ihnen weit seltner fehlschlagen, wenn Sie es, so wie Sie es -gethan haben, ohne viele Vorbereitungen bey sich selbst suchen.</p> - -<p>Aber wenn Sie nur die Kunst, sich zu quälen, nicht zuweilen eben so gut -verstünden. O, liebe Freundin, beynahe liegt noch das ganze Jahr mit -allen seinen Tagen und Stunden vor<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[S. 238]</a></span> Ihnen. Es scheint nun noch völlig -in Ihrer Gewalt zu seyn, was Sie daraus machen wollen. Aber eilen Sie, -eilen Sie, jede, schon die gegenwärtige Minute für die Glückseligkeit -aufzuwenden. Das Vergnügen und die Tugend sind nicht blos als Wirkung -und Ursache, sondern als zwey verschwisterte Eigenschaften der Seele -mit einander verwandt, die gemeiniglich nicht ohne einander zu finden -sind. — Die Unzufriedenheit und das Mißvergnügen ist immer unthätig -oder in Verwirrung; das Vergnügen ist zugleich ruhig und wirksam. -Die Aufmerksamkeit der Seele ist dann jedes Mal bey dem Gegenstande -zusammen, den sie vor hat, und ihre Kraft ist also ungetheilt, das, -was sie thut, aufs beste zu thun. Das Vergnügen ist für die Seele, -was die Gesundheit für den Körper ist; es macht sie zu allen ihren -Verrichtungen aufgelegter und geschickter.</p> - -<p>Das alles ist nun recht schön und vortrefflich. Aber die Frage ist, -was für eine Art von Diät muß man der Seele vorschreiben, um sie bey -diesem Wohlbefinden zu erhalten? Eine Regel dazu ist uralt, aber sie -ist wahr: man soll mit seinen Wünschen sich in der Natur<span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[S. 239]</a></span> der Dinge -einschränken, und nichts begehren, was diese nicht zuläßt. Ich weiß -nicht, ob ich Ihnen deutlich genug werde sagen können, was ich denke. -Aber das weiß ich, in meinem Leben und in dem Leben meiner Freunde -sehe ich den größten Theil ihres Verdrusses aus betrogenen Wünschen -und Erwartungen entstehen, die nur deswegen betrogen wurden, weil sie -selbst auf einen Irrthum gegründet waren. Sie z. B. (um meiner Absicht -näher zu kommen) haben bey einem eingezogenen und ruhigen Leben, bey -einem gutgearteten und rechtschaffenen Herzen, bey einem wohlgebildeten -Geiste, und bey dem Genusse der vornehmsten Bequemlichkeiten des -Lebens, wenig andre Ursachen, unzufrieden zu seyn, als die Besorgnisse, -daß Sie von Personen, deren Liebe Sie über alles schätzen, nicht genug -geliebt, nicht genug hochgeachtet werden. Da diese Leidenschaft, in der -That unter den übrigen die edelste, bey Ihnen die stärkste ist, so muß -auch natürlicher Weise aus dieser Quelle die meiste Unzufriedenheit bey -Ihnen entstehen.</p> - -<p>Aber wenn Sie doch nun mit mir ruhig untersuchten, welches wohl -zuweilen die Merk<span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[S. 240]</a></span>male sind, aus denen Sie diesen Mangel der -Zärtlichkeit schließen. Ohne Zweifel sind es Unterlassungen von -Handlungen, die Sie als die unausbleiblichen Wirkungen einer solchen -Neigung ansehen. — Aber wie? sind sie dieses auch wirklich? Ist der -Schluß von diesen Aeußerungen auf die Sache selbst unfehlbar, und -können sie umgekehrt nicht ausbleiben, ohne die Gesinnung selbst -zweifelhaft zu machen? Sie werden dieses selbst nicht denken, — -wie würde es Ihnen sonst möglich seyn, wieder ruhig zu werden? Aber -gehen Sie in Ihrer Untersuchung noch einen Schritt weiter. Ist es -der Natur der Dinge und des Menschen nach möglich, daß sich die -stärkste, die eingewurzeltste, die mit dem Wesen der Seele selbst -verwebte Leidenschaft (ich will Ihnen zu gefallen es so nennen) immer -durch einerley Beweise zu erkennen giebt? Um davon nur ein frappantes -Beyspiel anzuführen, ob es gleich nicht vollkommen auf den Fall paßt: -ist es möglich, oder wenn es möglich wäre, würde es anständig seyn, -daß sich die Zuneigung eines Greises auf eben die Art und durch eben -die kleinen Beweise zu erkennen gäbe, wie die<span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[S. 241]</a></span> Zuneigung eines jungen -Menschen? Hier ist der Unterschied handgreiflich, und die ganze Welt -kommt überein, den einen alten Gecken zu nennen, der selbst rechtmäßige -Neigungen auf eine zu seinem Alter und seinen Umständen unschickliche -Art an den Tag legt. Aber kann es nicht im menschlichen Leben eben -solche andre Unterschiede geben, die nicht eben so in die Augen fallen, -aber doch eben so wirklich sind? — Und sollte es also nicht eine -Forderung unmöglicher Dinge seyn, wenn man, allen diesen Unterschieden -zuwider, von demselben Menschen unter den verschiedensten Umständen -doch immer einerley Zeichen seiner Liebe verlangte? — Ich gebe es zu, -daß Ihr lieber Gatte Sie jetzo so liebt, wie damals, da er Bräutigam -war. — Aber wenn Sie verlangten, daß er Sie davon alle Augenblicke -aufs neue mit aller der Eilfertigkeit und dem Empressement versichern -sollte, als wenn er es Ihnen zum ersten Male sagte; wenn Sie eine -beständige Wiederholung aller der kleinen Zeichen der Zärtlichkeit -forderten, die bey einem Liebhaber oft nur den Mangel an Gelegenheit -zu größern Proben ersetzen: so forderten Sie etwas, was der Na<span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[S. 242]</a></span>tur der -Dinge, und wo nicht dieser, doch gewiß Ihrer Ruhe und der Ruhe Ihres -Mannes zuwider wäre.</p> - -<p>Sehen Sie, das ist der Inhalt meiner ehemaligen Theorie, und gewiß -meine Absicht ist Ihre Glückseligkeit. Also verlange ich keine -Abnahme der Liebe, keine Kälte, sondern nur in ihrem Ausdrucke mehr -Ernsthaftigkeit und weniger Spielwerk. — Wenn die Leidenschaft vor der -Heyrath blos Leidenschaft ist, sagen Sie, so wird sie niemals Gesinnung -werden. Vollkommen richtig! wenn Vorurtheil und sinnliche Lust die Wahl -anstellen. Aber lassen Sie die Leidenschaft des Liebhabers auf alle -Vollkommenheiten des Geistes und Herzens gegründet seyn: so wäre doch -dieß die einzige Sache in der ganzen Natur, wo die erste Bekanntschaft -mit einem gewissen Gut und der fortgesetzte Genuß desselben vollkommen -einerley Wirkungen hätte. — Wie? wenn Mann und Frau sich nicht -wie Liebhaber und Geliebte gegen einander betragen, wenn sie die -vertrautesten, die zärtlichsten Freunde von einander werden, so sollten -sie sich keine Gefälligkeiten mehr thun können, so sollten sie sich -einander<span class="pagenum"><a name="Seite_243" id="Seite_243">[S. 243]</a></span> blos nicht beleidigen? Und das wäre doch Freundschaft? — -Ich verstehe Sie nicht, liebe Freundin. — Sie sagen, wenn Sie alle -diese Dinge (diese <em class="gesperrt">kleinen</em> Zärtlichkeiten, Bemühungen und Opfer) -wegnehmen, so hat die Ehe keinen wesentlichen Reiz mehr. Wie? so -sollte die Ehe, die ehrwürdigste und heiligste Verbindung, ihren Reiz -verlieren, wenn sich die beyden Eheleute nicht alle Augenblicke sagten, -daß sie sich lieben; wenn sie sich nicht die Hände drückten; wenn nicht -eins dem andern nachsähe, so oft es auf zwey Minuten von ihm geht; wenn -es ihm nicht entgegen käme; wenn es ihm nicht auf der Stelle und mit -aller geflissentlichen Aufmerksamkeit jede Liebkosung erwiederte, die -ihm von dem andern gemacht worden?</p> - -<p>Ich sehe, da ich dieses noch ein Mal durchlese, nur die vertrauteste -Freundschaft kann die Freymüthigkeit entschuldigen, mit der ich Ihnen -geschrieben habe. Aber ich müßte Sie nicht so sehr lieben, wenn ich Sie -nicht von Vorurtheilen frey zu machen suchte, die sonst das Elend Ihres -Lebens seyn könnten u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[S. 244]</a></span></p> - -<h2 id="Vier_und_dreyssigster_Brief">Vier und dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 24. Januar.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>hr letzter Brief ist schön, und das Gedicht, was Sie mir abgeschrieben -haben, recht vortrefflich. Es ist gewiß eine Ihrer besten Arbeiten von -dieser Art. Ihr Herz ist bey dem Gegenstande gewesen, und das Herz -führt immer den Verstand und das Genie sehr glücklich.</p> - -<p>Aber warum gehen Sie nicht nach Halle, wenn Sie schon in Crellwitz -sind? Ich wünschte doch, daß Sie einen Ort, wo ich zwey Jahre sehr -übel zugebracht habe, und wo ich vielleicht noch viele andre, aber -besser, werde zubringen müssen, kennten. Der erste Anblick ist widrig, -das gebe ich zu; aber das ist doch eben so ausgemacht, daß das Auge -die prächtigsten Häuser und die elendesten Leimhütten gleich gut -gewohnt wird, und daß alsdann der Verdruß über die Häßlichkeit, und das -Vergnügen an der Schönheit, beynahe zu einer gleichen Empfindung der -Gleichgültigkeit herunter gestimmt<span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[S. 245]</a></span> werden. O besetzen Sie die Hütten -mit Freunden, die ich liebe und die ich verehre, und sie werden mir -schöner vorkommen als Palläste. Doch auch diese habe ich in Halle noch -nicht. Unterdessen kenne ich doch Leute, die vielleicht aufgelegt dazu -wären es zu werden.</p> - -<p>Auf oder nach Ostern, den Tag weiß ich nicht, komme ich mit Gottes -Hülfe nach Leipzig. Ein Brief von Gellert, voll von Gütigkeit und -Freundschaft, hat mich erst vor fünf Tagen dazu eingeladen. Dieser -Mann ist wahrhaftig mein Freund. — Ist mir nun ein kleiner Stolz -nicht zu verzeihen? — Ich bringe hier meinen Winter sehr vergnügt zu. -Am Freytage war ich in dem Hause eines Hrn. v. P***, dessen Fräulein -Tochter, eine sehr gute und sehr angenehme Freundin von meiner Mutter -und von uns allen, ein kleines Koncert machte. Sie spielt sehr gut auf -dem Flügel. Ich spielte einige Sachen von Schobert τῷ πάνυ; lassen Sie -sich Reizen dieses erklären. Wir waren bis um 11 Uhr recht vergnügt. — -Gestern kam wieder eine kleine Wolke. — Aber kurz ich bin vergnügt, -und bin u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_246" id="Seite_246">[S. 246]</a></span></p> - -<h2 id="Fuenf_und_dreyssigster_Brief">Fünf und dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">S</span>o schmeichelhaft es mir ist, daß Sie meine Ankunft wünschen, und so -angenehm mir also auch die Hoffnung ist, solche Freunde wieder zu -sehen; so muß ich doch sagen, daß mich die Vorstellung des Abschieds -erschreckt. Eine Menge alter, und einige neue Freunde, die ich hier -besitze, machen mir meinen Aufenthalt sehr angenehm, und die Trennung -fürchterlich. Vor allem aber ist es meine Mutter, die mir bange -macht. Ich hinterlasse sie zwar unter einer Menge von Personen, die -sie hochachten; aber doch kaum bey einer einzigen, die ihre vertraute -Freundin wäre; und selbst vor dieser würde doch ihre mütterliche -Zärtlichkeit meiner Gesellschaft noch einen Vorzug geben. Die Umstände -unsers Landes und die häuslichen, die davon abhängen, werden immer -trauriger; und es ist schwer zu bestimmen, wo dieser Fortgang vom -Bösen zum Schlimmern still stehen<span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[S. 247]</a></span> wird. Meine Mutter empfindet dieses -bey einem ziemlich weitläufigen Hauswesen, das ganz allein von ihrer -Sorgfalt in Ordnung gehalten werden muß, weit mehr, als ein jedes andre -Frauenzimmer. Ueberdieß ist sie oft kränklich, und braucht von einer -andern Seite eine kleine Aufmunterung, wenn die Schwachheit ihres -Körpers und ihre Umstände sie niederschlagen. Ich bedaure also beynahe -zuweilen, daß ich meinen Plan nicht so angelegt habe, daß ich zwischen -dem praktischen und dem akademischen Leben hätte wählen können. Meine -Freunde hier würden für mich viel gethan haben. Nach meiner jetzigen -Aussicht kann ihre Liebe mein Leben nur angenehmer, nicht mein -Fortkommen leichter machen. — Doch ich will alle diese unangenehmen -Ideen mit freudigern abwechseln lassen.</p> - -<p>Ich habe diese Woche ein sehr empfindliches Vergnügen gehabt; das -Vergnügen, ein neues Verdienst kennen zu lernen. An unsern D. -Tralles war aus Lausanne von dem berühmten Tissot eine gewisse Frau -von Wyllamons empfohlen worden, die hier durch, nach Polen,<span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[S. 248]</a></span> in das -Haus des Fürsten Czartorinsky als Hofdame ging. Der Herr Tralles bat -mich und einige Andre beyde Mal zu sich, als er sie bey sich hatte. -Wenig Frauenzimmer habe ich in meinem Leben gesehen, die mich durch die -Größe ihres Geistes, die Richtigkeit und die Tiefe ihres Raisonnements, -die Genauigkeit und Schönheit des Ausdrucks, und eine gewisse -unbeschreibliche Annehmlichkeit, mit der sie dieß alles begleitete, so -beym ersten Besuche für sich eingenommen hätten. Sie war weder sehr -jung, noch sehr schön, aber die Anmuth selbst. Augen, welche redeten, -und deren Bewegungen alles, was sie sagte, unterstützten; ihre ganze -Aktion war damit übereinstimmend; und ohne die geringste Achtsamkeit -auf sich selbst zu zeigen, that sie doch alle Mal das, was die -strengste Aufmerksamkeit hätte fordern können. Sie redete Französisch -und Englisch gleich gut, das erste in einem Grade von Vortrefflichkeit, -der auch bey Franzosen selten seyn mag; ihre Ausdrücke waren alle -Mal edel, gewählt, beynahe philosophisch richtig, und doch so frey -und so ungezwungen, als es zum Gespräche nothwendig ist. — Ich habe -wenig<span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[S. 249]</a></span> Stunden angenehmer zugebracht, als die, welche ich mit ihr in -Gesellschaft war. Sie hatte viel gelesen, und urtheilte darüber nicht -blos richtig, sondern auch fein. — Jedermann wurde von ihr bezaubert.</p> - -<p>Alles das schreibe ich Ihnen, weil ein genossenes Vergnügen seinem -Freunde mittheilen ein zweytes Vergnügen ist u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[S. 250]</a></span></p> - -<h2 id="Sechs_und_dreyssigster_Brief">Sechs und dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 24. Februar.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">A</span>uf der empfindlichsten Seite hätte mein Brief Sie angegriffen? -Wahrhaftig, das war nicht die Absicht seines Schreibers. Selbst nicht -einmal die kleine Bosheit, die doch noch so gut mit der Freundschaft -bestehen kann, eine Art von Eifersucht zu erregen, um sich von neuem -von der Liebe des Andern zu versichern. Meine Absicht war noch weit -einfältiger und mein Bewegungsgrund noch weit unschuldiger. Ich glaubte -nicht, daß ich an der Frau von Wyllamons Vollkommenheiten lobte, die -Ihnen fehlten. Ich dachte blos, Ihnen ein Vergnügen durch die Erzählung -des meinigen zu machen. Sie wissen, die Eindrücke, die das Gute oder -das Böse von Personen oder Sachen auf uns macht, stehen nicht in unsrer -Gewalt. Die, welche die Frau von Wyllamons gemacht hatte, waren alle -für sie günstig. Ich<span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[S. 251]</a></span> schrieb diese in der Einfalt meines Herzens -nieder, um sie in Ihnen, wenn ich könnte, auf eine schwächere Art zu -erregen (Sie sagen selbst, Eindrücke von der Art sind angenehm). Ich -glaubte dabey um desto weniger Behutsamkeit zu bedürfen, je ähnlicher -diese Empfindungen denjenigen waren, die Ihre erste Bekanntschaft -bey mir erregte. Sie konnten es wahrscheinlicher Weise nicht einmal -wünschen, daß ich die Vorzüge, auf die sich zuerst meine Freundschaft -und meine Hochachtung für sie gründete, bey einer andern verkennen -oder gering schätzen sollte. — Aber deswegen sind diese Frau und Sie -nicht auf gleichem Fuße mit mir. Die erste ist eine bloße Bekannte, die -ich ihrer Talente wegen hochschätzen muß, deren Herz ich noch nicht -kenne, und von der ich bisher nichts als Vergnügen und Höflichkeiten -erhalten habe. Sie sind meine Freundin, deren Herz ich geprüft habe, -von deren Freundschaft ich gewiß bin, und deren Einsichten mir nicht -blos zu dem flüchtigen Vergnügen eines Abends, sondern zu dem Glücke -meines Lebens gereichen. Ihr heutiger Brief selbst ist voll von den<span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[S. 252]</a></span> -freundschaftlichen Gesinnungen, die Ihr Herz von andern Herzen so sehr -unterscheiden.</p> - -<p>Lassen Sie sich also die neuen Freunde nicht beunruhigen. Sie würden -auch die Ihrigen werden, wenn Sie sie kennten. Wollten Sie wohl -Jemanden zu Ihrem Freunde haben, den die ganze übrige Welt verschmähte? -Und würden Sie sich nicht Ihrer Neigung schämen müssen, wenn der -Gegenstand derselben unfähig wäre, irgend einem Andern eine ähnliche -Neigung einzuflößen? — Ich kenne den Werth alter Freunde, und ich -empfinde den Vorzug, den eine bestätigte Liebe vor einer blos flüchtig -bezeigten Gefälligkeit haben muß. Alles also, was ich noch ins Künftige -von dem Vergnügen sagen werde, was mir meine hiesigen Freunde machen, -— sehen Sie es niemals anders, als wie eine Aufforderung an Sie an, -an diesem Vergnügen Theil zu nehmen, und wie ein stillschweigendes -Versprechen, daß ich eben dieses Vergnügen, wenn es noch mit einer -mehr gründlichen, wesentlichen Glückseligkeit verbunden ist, noch weit -stärker empfinden werde.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_253" id="Seite_253">[S. 253]</a></span></p> - -<p>Meine Mutter — wissen Sie das? — ist auch eifersüchtig. Sie wollen -nicht, daß ich mich vor meinem Abschiede fürchten soll? Wie kann ich -das, wenn es nicht blos um meine eigne Glückseligkeit zu thun ist, -sondern auch um meiner Mutter ihre? Sie müßten mich nicht für fähig -halten, ein guter Freund zu seyn, wenn ich ein schlechter Sohn seyn -könnte. Und wäre ich das nicht, wenn ich eine solche Mutter, wie die -meinige, gern verlassen könnte? u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[S. 254]</a></span></p> - -<h2 id="Sieben_und_dreyssigster_Brief">Sieben und dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<div class="kopf">Den 19. März.</div> - -<p class="p0"><span class="initial">W</span>enn ich jetzt nicht mehr als gewöhnlich beschäftigt wäre, und wenn -ich nicht den Zeitpunkt immer näher kommen sähe, in dem ich Sie wieder -sehen soll: so würde ich mir es selbst nicht vergeben, daß ich Sie -zuweilen auf meine Briefe einen Posttag länger warten lasse, als es -unserm ersten Vertrage gemäß ist. Ich könnte zwar sagen, es wäre Rache. -Aber ich finde nichts davon in meinem Herzen; und wenn Sie mir auch -noch seltnere und noch kürzere Briefe schrieben, so würde mich doch -mein eignes Vergnügen nöthigen, an Sie zu schreiben. Es ist also nicht -Vorsatz, sondern Unvermögen, wenn ich mir dieses Vergnügen zuweilen -versage. Ein Unvermögen, welches (erlauben Sie mir, das zu sagen) ich -bey Ihnen nicht voraus setzen kann, da Sie mir selbst versichern, daß -Ihr Umgang eingeschränkter<span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[S. 255]</a></span> als jemals ist, und Ihre Geschäfte sich -doch nicht häufen können.</p> - -<p>Aber um Ihnen eine Probe von meiner Uneigennützigkeit zu geben: so -muß ich Ihnen gestehen, daß, wenn ich gleich zuweilen dadurch eines -Theils Ihres Andenkens, ja sogar Ihres persönlichen oder schriftlichen -Umganges (nur nicht Ihrer Freundschaft) beraubt seyn sollte; ich Ihnen -doch einen etwas ausgebreitetern Umgang wünschte, und zwar vornehmlich -unter Ihrem eignen Geschlechte. —</p> - -<p>„Unter meinem eignen Geschlechte? Wie können Sie mir etwas wünschen, -wovon ich Ihnen so oft gesagt habe, daß ich es nicht zu meiner -Glückseligkeit rechnen würde, wenn ich es hätte?“</p> - -<p>Aber wollten Sie mir wohl noch einmal die Ursachen wiederholen, warum -Sie es nicht darunter rechnen?</p> - -<p>„Was habe ich nöthig, Ihnen das erst zu sagen? Sollten Sie nicht -wissen, wie leer der Umgang mit den mehresten Frauenzimmern ist; wie -wenig sich mit —“</p> - -<p>ihnen anfangen läßt, wollen Sie sagen. Zum Unglück wahr genug! -Aber warum wollen<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[S. 256]</a></span> Sie nicht daran arbeiten helfen, daß ihr Umgang -lehrreicher werde, daß sich mehr mit ihnen anfangen lasse? Was würde -aus dem niedrigern Theile unsers Geschlechts, oder des menschlichen -Geschlechts überhaupt werden, wenn sich der edlere Theil demselben -entziehen wollte, und ihm mit seinem Umgange zugleich die Mittel -benähme, ihm ähnlich zu werden?</p> - -<p>„Aber ich habe nicht eben den Beruf, und auch nicht das Vermögen, eine -Verbesserin zu seyn. — Ueberdieß, wozu bedarf ich den Umgang? Ich habe -meinen Gatten, den liebe ich; und die Stunden, die er nicht bey mir -ist, sind gut genug mit der Erwartung von ihm ausgefüllt; wenn noch ein -kleines unbefriedigtes Verlangen in meinem Herzen übrig wäre, so würde -die Freundschaft von zwey oder drey Freunden meines Mannes es doch ganz -ausfüllen. Und endlich —“</p> - -<p>Und was endlich?</p> - -<p>„Sie wissen, ich liebe meinen Mann über alles — ich wünsche, daß er -mich über alles liebt —“</p> - -<p>Und was denn also —?</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[S. 257]</a></span></p> - -<p>„Ich würde es nicht leiden können, wenn eine meiner Freundinnen ihm -eben so gut gefiele, daß ich nicht mehr gewiß genug seyn könnte, daß -seine Frau ihm noch besser gefiele.“</p> - -<p>Mich dünkt, Sie würden (wenn Sie mir meine Freymüthigkeit vergeben -wollen) diesen Bewegungsgrund nicht zuletzt angeführt haben, wenn Sie -den stärksten hätten zuerst anführen wollen.</p> - -<p>„Gut! lassen Sie es seyn, daß es der stärkste ist. Ja, ich bin -eifersüchtig; und man kann gar nicht lieben, ohne eifersüchtig zu seyn. -— Ich kann sogar keine Freundschaft für echt halten, die ihren Freund -so ruhig mit Vielen theilen kann. Hüten Sie sich, daß nicht Ihr Rath, -meinen Umgang zu erweitern, mich argwohnen läßt, daß Sie ihn nicht mehr -so eifrig für sich selbst wünschen.“</p> - -<p>Das können Sie im Ernste nicht denken; — noch viel weniger, wenn Sie -meine Gründe hören.</p> - -<p>„Und diese Gründe?“</p> - -<p>Nur noch einen Augenblick Geduld! Sagen Sie mir, haben Sie nicht -gehört, daß die Natur mit jeder Neigung, die sie uns giebt,<span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[S. 258]</a></span> oder mit -jedem Vergnügen, das Sie uns genießen läßt, eine andre Absicht habe, -als dieß Vergnügen selbst?</p> - -<p>„Ums Himmels willen! so weit müssen Sie ausholen? Sie werden doch -nimmermehr die halbe Metaphysik abschreiben müssen, um mich zu bewegen, -daß ich ein halb Dutzend Karkassen in meiner Stube zusammen bringe.“</p> - -<p>Nun gut also, wenn ich Sie nicht mit der Ueberzeugung überraschen kann, -so will ich sehen, ob ich mit offenbarer Gewalt gewinne. — Sie sind -eine Ehegattin, aber auch zugleich ein Frauenzimmer und eine Mutter.</p> - -<p>„Ja, eine Mutter! Und eben deswegen, weil ich diesen süßen, ehrwürdigen -Namen trage, brauche ich weniger als jemals eine Gesellschaft, die mir -blos die Zeit vertreiben soll. Meine Wilhelmine und mein Mann werden -mir bald die Stelle der ganzen Welt ersetzen. Aber ein Frauenzimmer -auch, sagten Sie, wäre ich; was soll das zur Sache?“</p> - -<p>Als Frauenzimmer müssen Sie nothwendig die allervertrauteste -Freundschaft, die möglich ist, nur mit einem Frauenzimmer haben können.</p> - -<p>„Und die Ursache davon?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[S. 259]</a></span></p> - -<p>O hätten Sie nur erst diese Ihnen verwandte Seele unter Ihrem eignen -Geschlechte gefunden; kennten Sie nur erst das Frauenzimmer, das würdig -wäre, Ihre Freundin zu seyn: dann würden Sie mir die Frage selbst -beantworten. O wie glücklich würde ich seyn! Ihre Vertraute würde auch -meine Freundin seyn. — Sie kennen Julie und Claire; Clarissa und Howe. -Sagen Sie mir, wäre es möglich, daß eine von beyden an die Stelle ihrer -Freundin einen Freund gesetzt hätte, ohne daß doch das Wesen ihrer -Freundschaft zerstört worden wäre?</p> - -<p>„Wie? also giebts gar keine Freundschaft unter den beyden -Geschlechtern? Also sind Sie nicht mehr mein Freund?“</p> - -<p>Nicht so hitzig, liebste Freundin! Ich denke nicht, daß ich unsre -Freundschaft herunter setze, wenn ich sage, daß es noch eine höhere -giebt, — aber keine höhere, wenn die Wahl wieder auf eine Mannsperson -fällt. — Wenn ich aber einem Frauenzimmer den Vorrang gebe, so denke -ich, ich bin blos großmüthig, nicht kaltsinnig.</p> - -<p>„Gut! Eine Freundin ließ ich mir gefallen, eine ganz vertraute -Freundin, wenn ich sie hätte. Aber wozu der Umgang mit Vielen?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[S. 260]</a></span></p> - -<p>Um diese Eine darunter zu finden. Muß man nicht erst wählen können, ehe -man sich entschließt?</p> - -<p>„Und dann — als Mutter, sagten Sie auch, müßte ich mit Frauenzimmern -Umgang haben. — Eine beständige Zerstreuung ist wohl also ein gutes -Mittel, seine mütterliche Pflicht zu erfüllen?“</p> - -<p>Nein, die größte Hinderniß, glaube ich. Aber nicht aller Umgang ist -eine Zerstreuung, die schädlich wäre.</p> - -<p>„Aber sagen Sie mir doch den Nutzen, den mein Kind davon haben könnte.“</p> - -<p>Ich muß Ihnen gestehen, ich bilde mir ein, zur Erziehung eines jungen -Frauenzimmers ist der Umgang mit Personen ihres Alters und ihres -Geschlechts nicht blos nützlich, sondern nothwendig. — Es wird sonst -nicht Frauenzimmer genug; es verliert etwas von dem Charakter, und -also auch von den Annehmlichkeiten seines Geschlechts; es nähert sich -dem unsrigen, ohne doch dadurch mehr zu gefallen. Wie kann aber eine -Mutter ihrer Tochter eine Gesellschaft von ihrem Alter und Geschlecht -verschaffen, wenn sie selbst keine hat?</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[S. 261]</a></span></p> - -<p>„Meine Tochter soll in meiner Gesellschaft lieber seyn, als in der -Gesellschaft der ganzen übrigen Welt. Mein Umgang muß ihr, wenn ich -anders es verstehe, eine Mutter zu seyn, den sehr leicht ersetzen, den -ich ihr nicht werde schaffen können. Und ich hoffe, mein und meiner -Freunde Unterricht wird sie alles das lehren, was Sie sie aus dem -Umgange wollten lernen lassen.“</p> - -<p>O liebste Freundin, wer wollte wohl daran zweifeln, daß Sie nicht -die beste Mutter seyn würden, der Sie kennt? Ich wollte auch Ihrer -Tochter keinen andern Lehrer zugestehen, als Sie. Aber um seine Sitten -zu bilden; um den Menschen mit einer gewissen Dreistigkeit unter die -Augen sehen zu können; um von allen seinen guten Eigenschaften in -der Welt Gebrauch machen zu können, deren man sich in seinem Kabinet -bewußt ist: dazu gehört, daß man die Menschen bey Zeiten kennen lerne; -daß man viele Muster vor sich habe; daß man weiß, was für ein Grad -von Vollkommenheit in der Welt gemeiniglich angetroffen und gefordert -werde; und daß man — soll ich es sagen? — das Zu<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[S. 262]</a></span>trauen auf sich -selbst durch die öftern Beweise von den Schwachheiten Andrer vermehre.</p> - -<p>„Also sehe ich wohl, meine Wilhelmine wird eine Herumläuferin werden -müssen, wenn sie Ihnen gefallen soll.“</p> - -<p>Nicht so ganz und gar. Sie verstehen mich besser, liebste Freundin, als -Sie mir es gestehen wollen. — Müßte ich nicht entweder Sie hochachten, -oder sehr eigennützig seyn, wenn ich nicht einer Person, der ich -Verdienste zuschreibe, so vielen Einfluß auf Andre, eine so große -Sphäre ihrer Wirksamkeit, als möglich ist, wünschen sollte?</p> - -<p>Da haben Sie eine kleine Probe von einem der Gedanken-Gespräche, mit -denen ich meine Entfernung von Ihnen zu vergessen suche. Wenn es Ihnen -nicht ganz mißfällt, so will ich mich öfter unterstehen, Ihnen die -Unterredungen zu erzählen, die ich ohne Ihr Wissen und Willen mit Ihnen -gehalten habe.</p> - -<p>Gellerts Bild habe ich durch Hubern sechs Mal bekommen, und unter meine -guten Freunde ausgetheilt. Danken Sie dem Herrn Bause dafür, wenn Sie -ihn sehen. Er wird unser zweyter Wille werden. Und nun möchte ich<span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[S. 263]</a></span> doch -wissen, ob Herr M. Reiz noch unter den Lebendigen ist. Ich glaube, daß -ich meine Freunde öfterer aus meinem Grabe, wenn ich gestorben wäre, -besuchen würde, als er aus seinem Kabinet es thut. — Lesen Sie doch: -<em class="gesperrt">Vergleichung des Zustandes und der Kräfte der Menschen mit dem -Zustande und den Kräften der Thiere</em> u. s. w.</p> - -<div class="chapter"> - -<h2 id="Acht_und_dreyssigster_Brief">Acht und dreyßigster Brief.</h2> - -</div> - -<p class="p0"><span class="initial">I</span>ch bin in der That über das Ausbleiben Ihrer Briefe ein wenig unruhig -gewesen. Das kann Ihnen M. Reiz aus dem Briefe sagen, den ich an ihn -beygelegt habe. In einer solchen Verfassung war es wirklich grausam, — -doch Ihr Brief selbst ist so voll von Freundschaft und Güte, daß ich -nicht mehr daran denken kann, wie sauer ich mir ihn verdient habe.</p> - -<p>Gellert hat den Ausspruch gethan. Ich weiß, Sie werden es selbst -billigen, daß ich<span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[S. 264]</a></span> ihm diese Entscheidung übertragen, oder daß er so -entschieden hat, sobald Sie sich in meine Verfassung setzen. Stellen -Sie sich einen Menschen vor, der nach zwey verschiedenen Gegenden -zugleich getrieben wird. Vor sich sieht er ein Ziel, welches er gern -erreichen möchte, und nach welchem zu laufen er von alten Athleten, -die seine Stärke oder Geschwindigkeit besser als er selbst zu kennen -glauben, aufgemuntert wird. Schon ist seine Seele, schon sind seine -Muskeln in einer Bewegung, die er noch seinen Füßen nicht hat geben -können; er steht zitternd und unruhig, und erwartet das Zeichen des -Aufbruchs. An beyden Seiten der Schranken sieht er Freunde, die ihm -zurufen, ihn aufmuntern, und ihm auf alle Fälle ihre Glückwünsche oder -ihr Mitleid versprechen. Auf der entgegengesetzten Seite sieht man -Mutter, Onkel, alle natürlichen Freunde des jungen Kämpfers, mit einem -ganzen Kreise von erworbenen Freunden, die sich immer weiter und weiter -von der Laufbahn entfernen, und ihm zurufen, zu ihnen zu kommen, und -noch für immer, oder für eine Weile, mit ihnen zu gehen. Der junge -Mensch ist<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[S. 265]</a></span> unentschlossen, verwirrt, ängstlich. Unterdessen geht -die Zeit immer fort. Der Augenblick, wo das Zeichen zum Lauf gegeben -werden soll, nähert sich; seine Freunde entfernen sich immer weiter -und vermehren ihre Zurufungen. Was kann natürlicher Weise der junge -Mensch thun? Nachdem er eine Zeit lang beydes zu vereinigen gesucht, -bald sich nach dem Ziele ausgestreckt, bald seine Freunde zurück zu -halten gesucht hat; und durch entgegengesetzte Bewegungen, die einander -wechselsweise aufheben, in eine Art von Unthätigkeit und Leblosigkeit -gekommen ist; wird er nicht alsdann einen alten Kämpfer, besonders -den, der ihn zuerst ermuntert hat, sich in die Schranken zu stellen, -fragen, wie lange noch Zeit zum Aufbruche sey, und wie weit er noch die -Seinigen begleiten könne? — Und werden die gütigen Freunde, die ihn an -den Schranken erwarten, wohl unwillig seyn, wenn er diesem Ausspruche -folgt, und sich aus einer solchen Verlegenheit reißt?</p> - -<p>Meine Allegorie ist viel zu lang, denn sie hat mir zwey Drittheile -von dem Platze genommen, den ich noch zu ganz andern Sachen<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[S. 266]</a></span> bestimmt -hatte. — Wenn ich nicht jetzo über meiner Disputation arbeitete, so -würde mich nichts hindern, den zweiten und den dritten Bogen zu nehmen. -Aber jetzo muß ich wirklich ein Wirthschafter mit meiner Zeit seyn. -In drey Wochen, so viel ich jetzo voraus sehe, denke ich abzureisen. -Erfreuen Sie mich unterdessen oft mit Ihren Briefen, und machen Sie -mir, oder bestätigen Sie mir vielmehr die Hoffnung, daß ich Sie nicht -nur so freundschaftlich, so zärtlich, wie Sie immer gewesen sind, -sondern auch gesund, munter und fröhlich antreffen werde u. s. w.</p> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Vertraute Briefe an eine Freundin, by -Christian Garve - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK VERTRAUTE BRIEFE AN EINE FREUNDIN *** - -***** This file should be named 54341-h.htm or 54341-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/5/4/3/4/54341/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned -images of public domain material from the Google Books -project.) - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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It exists -because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from -people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. -To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 -and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact -information can be found at the Foundation's web site and official -page at http://pglaf.org - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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