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-Project Gutenberg's Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch, by Heinrich Clauren
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
-almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
-re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
-with this eBook or online at www.gutenberg.org/license
-
-
-Title: Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch
-
-Author: Heinrich Clauren
-
-Release Date: March 13, 2017 [EBook #54353]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DES VATERS SÜNDE, DER MUTTER FLUCH ***
-
-
-
-
-Produced by the Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net (This file was produced from images
-generously made available by The Internet Archive)
-
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- ####################################################################
-
- Anmerkungen zur Transkription
-
- Der vorliegende Text wurde anhand der 1823 erschienenen Buchausgabe
- so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung
- und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend
- korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden
- beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich
- waren oder im Text mehrfach auftreten. Fremdsprachige Zitate und
- Ausdrücke wurden nicht korrigiert.
-
- Das Original wurde in Frakturschrift gedruckt. Die von der
- Normalschrift abweichenden Schriftschnitte wurden in der
- vorliegenden Fassung mit den folgenden Symbolen gekennzeichnet:
-
- gesperrt: +Pluszeichen+
- Antiqua: ~Tilden~
-
- ####################################################################
-
-
-
-
- Scherz und Ernst
-
- von
- H. Clauren.
-
- Zweite Sammlung.
-
- Erstes Bändchen.
-
- Inhalt:
- Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch.
-
-
-
-
- Des
-
- Vaters Sünde, der Mutter Fluch,
-
- von
-
- H. Clauren.
-
-
- Dresden, 1823,
- in der Arnoldischen Buchhandlung.
-
-
-
-
-Der Admiralitätsrath kam von der Session, und lächelte freundlich, als
-Hulda ihm, wie gewöhnlich, Hut und Stock abnehmend, versicherte, daß es
-mit der Mutter recht leidlich gehe; sie hofft, setzte das Mädchen mit
-kindlicher Freude hinzu: heute wieder mit uns essen zu können; suche
-sie da nur möglichst aufzuheitern; sie bedarf dessen in ihrer jetzigen
-Stimmung mehr, als aller Arznei; ich habe alles Ersinnliche gethan, um
-sie ein wenig zu zerstreuen, und sie hat sich diesen Morgen viel besser
-befunden, als die ganze letzte Zeit über.
-
-Der Vater küßte das holde Kind auf die Stirn, und ging mit bejahendem
-Kopfnicken, auf den Zehen, in das Krankenzimmer der Mutter.
-
-Hulda ließ in diesem den kleinen Tisch nur mit drei Gedecken belegen
-und die Mutter nahm an demselben ihren Platz. Hulda faltete die Hände
-und sprach, nach des frommen Hauses alter Sitte, das Gebet zu dem, der
-seine Welt mit Liebe nähret, laut; in ihrem himmelwärts gehobenen
-Blick, in dem Tone ihrer Worte sah und hörte man die freudige Rührung,
-daß die geliebte Mutter sich auf dem Wege der Wiedergenesung, und
-seit vielen Monaten, heute zum ersten Male, in der Mitte des trauten
-Familienkreises befand.
-
-Dem Vater trieb das Mädchen mit seiner einfachen, herzlichen Weise,
-Thränen in die Augen. Er reichte schweigend dem lieblichen Kinde, nach
-dem Gebete, die Hand, und zog die Rechte der Gattinn an seine Lippen.
-Diese aber ließ die stille Feier ihres Genesungfestes unerwiedert,
-tadelte das Essen, und warf der armen Hulda, die sich in sorglicher
-Auswahl des Beßten erschöpft hatte, Mangel an Aufmerksamkeit vor; sie
-würde, die ganze Tischzeit über, diesen Mißton festgehalten haben, wenn
-nicht der Vater, der Bitte des Mädchens eingedenk, die finstern Grillen
-der Leidenden immer abzulenken verstanden und, zu ihrer Aufheiterung,
-das Gespräch auf allerlei Gegenstände geleitet hätte. Die frohe Laune
-und die Gemüthlichkeit ohnehin selbst, ward ihm diese Aufgabe nicht
-schwer, zumal heute, wo ihm, wie Hulda schon bei der zweiten Schüssel
-bemerkt hatte, beständig ein leichtes Lächeln um die Lippen schwebte;
-wie sie den Vater kannte, mußte ihm auf jedem Fall etwas komisches
-begegnet seyn, was sein Inneres noch angenehm beschäftigte, und als sie
-ihm, da er wieder einmal vor sich heimlich lächelte, ihre Vermuthung
-mittheilte, meinte er, daß sie nicht unrecht habe.
-
-Er erzählte jetzt, daß schon seit länger denn vierzehn Tagen, ihm,
-allemal, wenn er Mittags aus der Session komme, ein junger Mensch, auf
-einer und derselben Stelle, unweit der Hauptwache, begegne; Beiden sey
-das aufgefallen, sie hätten bisher allemal, jeder für seine Rechnung,
-ein wenig gelacht und heute habe der junge Mensch höflich den Hut
-gezogen, und höchst freundlich gegrüßt, er, der Vater aber, mitten im
-Gegenkomplimente, über das Spaßhafte des täglichen Zusammentreffens,
-sich nicht enthalten können, laut aufzulachen. Ich sehe uns, setzte er
-scherzend hinzu, wenn das lange so fort geht, noch am Ende die dicksten
-Freunde werden.
-
-Diese Worte, so unbedeutend sie jetzt klangen, so gewichtig, so
-eisenschwer wurden sie in der Folge. Manches Wort mag so in den Kreisen
-der Menschen, kaum gehört, verhallen, was ihnen der Schlüssel zu den
-Geheimnissen ihrer ganzen Zukunft seyn könnte. Wohl uns, daß es so ist.
-
-Du bist morgen, fuhr er, zu Hulda gewendet, fort: bei Linsings auf
-dem Balle. Der Alte kennt die ganze Stadt; gewiß weiß der, wer der
-junge Mann ist; frag’ ihn doch; der Mensch kann vier- fünfundzwanzig
-höchstens alt seyn, und das kaum. --
-
-Hulda legte, mit komischer Naivität, den Zeigefinger der Rechten, an
-das Daumen-Spitzchen der linken Hand, als wolle sie die beschriebenen
-Eigenschaften des Fraglichen, an den Fingern abzählen, --
-
-Hat einen recht hübschen, braunen Lockenkopf --
-
-Hulda war beim Zeigefinger der linken Hand --
-
-Sehr freundliche, dunkelblaue Augen, --
-
-Hulda stand am Mittelfinger, aber in beide kleine Hände schlug, wie aus
-ungesehenen Wetterwolken, ein leises Zittern, daß sie damit unter den
-Tisch fuhr, und nicht weiter zählte; denn der Vater, der jetzt von der
-römischen Nase, von dem Grübchen im Kinn, von den perlweißen Zähnen im
-wohlgeformten Munde, von dem kräftigen Aeußeren, der freien stolzen
-Haltung, und der blühenden Gesundheit des jungen Menschen sprach, und
-den einfachen Geschmack seiner eleganten Kleidung und den Schnee seiner
-Wäsche lobte, mahlte den nämlichen allerliebsten jungen Mann, der --
-sie glühte im ganzen Gesichtchen, und wagte nicht, die Augen vom Teller
-aufzuschlagen; die Mutter aber ward kreideweiß, legte den Kopf in den
-hohen Lehnstuhl zurück, und die todtenblassen Lippen lispelten leise:
-nichts weiter, wenn ihr nicht wollt, daß ich sterben soll.
-
-Hulda und der Vater sprangen auf; Letzterer holte das Riechfläschchen
-und Hulda trocknete der Angegriffenen den kalten Schweiß, der ihr in
-glänzenden Tropfen auf der Stirne stand. Man brachte die Kranke wieder
-zu Bette, und beide stimmten in der Meinung überein, daß die Mutter
-sich zu zeitig herausgewagt habe, und daß der eben sich ereignete
-Zufall, Wirkung ihrer noch zu großen Körperschwäche sey.
-
-Den Nachmittag befand sich die Mutter zwar wieder etwas besser; aber,
-wenn sich Hulda ihrem Lager näherte, fand sie die Leidende fast immer
-in Thränen, und fragte sie, was dem Mütterchen fehle, so entgegnete
-dieses mit milder Freundlichkeit, sie solle sich darüber nicht
-beunruhigen, es werde wohl bald vorübergehen; dem gepreßten Herzen thue
-es zuweilen wohl, sich still ausweinen zu können, und so hätte sie auch
-jetzt eine Art von Erleichterung darin gefunden; daher ihr gegenwärtig
-viel wohler sey, als vorhin.
-
-Mein Mütterchen, sagte Hulda, mit weicher Stimme, und beugte sich
-zu ihr herab: dem gepreßten Herzen? -- was fehlt Dir? was hast Du?
-vielleicht können wir helfen; Du weißt ja, wir --
-
-Aber die Mutter verneinte schweigend, streichelte die rosige Wange des
-süßen Kindes, und bat, sie allein zu lassen, um ein wenig zu schlafen.
-
-Hulda ging in den Garten hinab, setzte sich auf den Balkon des
-Saales, von dem aus sie die herrlichste Aussicht auf den Hafen,
-und rechts auf den grünen Riesenspiegel des unermeßlichen Meeres
-hatte, und wollte arbeiten; aber der junge Mensch -- das braune
-Lockenhaar, die veilchenblauen Augen, die frischen Lippen, und
-wenn diese sich lächelnd öffneten, der Schmelz der blendendweißen
-Zähne, und das Schelmengrübchen in Wange und Kinn -- waren es die
-leisen Abendlüftchen, die aus den geheimen Tiefen des Meeres
-herüberflogen und die Blumen auf ihrem Balkon und die leichte Hülle
-ihres Busens säuselnd durchkühlten, oder waren es die ersten Schauer
-der jungfräulichen Liebe, -- es überhauchte sie auf einmal ein so
-wunderbares Frösteln durch Blut und Adern, daß sie die Hand auf das
-drängende Herz legte, und sich, ohne Worte, fragte, was das sey.
-
-Der junge Mensch, es mußte ein Fremder seyn, denn früher hatte sie ihn
-nie bemerkt; am vorigen Sonntage hatte er, in der Kirche, ihr gegenüber
-gesessen, und kein Auge von ihr verwandt; zwei Tage später war sie
-ausgegangen, um einige Kleinigkeiten in einer Modehandlung zu kaufen;
-nicht zwei Minuten, und der hübsche Fremde tritt ein, und fragt nach
-französischen Blumen. Der Wohllaut seiner Stimme, das Fremdländische
-seiner Aussprache, -- lächelnd sprach sie ihm halblaut nach. Hier
-oben auf dem Balkon hörte sie ja Niemand. Sie ärgerte sich noch, daß
-sie nicht, unter irgend einem Vorwande, länger in dem Kaufgewölbe
-geblieben; sie schämte sich, daß, als der Fremde weggegangen, sie
-wieder zurückgekehrt war, um auch so ein Bouquet von brennender Liebe
-zu verlangen, als der Herr eben eins gekauft hatte; sie freute sich,
-daß die Modehändlerinn erwähnte, wie der Herr das Bouquet zwar gewählt,
-dasselbe aber, weil es, nach seiner Meinung, nicht brennend roth genug
-gewesen, nicht gekauft habe; sie lachte heimlich, daß sie nun auch das
-Roth der Blumen zu blaß gefunden, und sie darum auch nicht genommen,
-und sie beruhigte sich, daß -- lag denn darin nicht der offenbare
-Beweis, daß er, lediglich und einzig und allein, um ihretwillen, in
-das Putzgewölbe gekommen war; hätte er das Bouquet gekauft, -- sie
-beugte sich tiefer auf ihre Nätherei nieder, denn es war, als führe
-ihr ein schmerzlicher Dolchstich mitten durch das Herz -- hätte er die
-Blumen gekauft, so müßte er Jemand gehabt haben, dem er sie schenke,
-aber so -- sie sah wieder freundlich auf, -- und lachte leicht hin in
-die grünen Wogen des fast windstillen Meeres -- denn daß er ihr, und
-nur ihr zu Gefallen gegangen war, das lag ja am Tage; brennende Liebe
-hatte er verlangt! Er konnte ja nicht deutlicher reden! dieß Roth --
-alle Pariser Blumenfabrikanten waren nicht im Stande, es schöner zu
-liefern -- dieß Roth schien ihm noch nicht brennend genug. Gestern,
-als er vor dem Hause vorbeiging, -- wäre nur nicht Hafen-Kapitains
-Linchen gewesen, -- hätte sie so gern das Fenster ein wenig geöffnet,
-denn der Mutter ist frische Luft im Zimmer zuweilen recht zuträglich;
-aber so mußte sie hinter dem Vorhange blos ein Bischen lauschen,
-denn Linchen, das dumme Ding drüben, stand in dem Erker, wie vom
-bösen Schicksal hinbestellt, das hätte den Augenblick gewußt, was es
-bedeute, und wahrhaftig, das Mädchen wäre auch stockblind gewesen,
-wenn es das nicht gemerkt hätte, denn mit unverwandtem Blicke auf das
-Fenster, geht er, als wollte und müßte er die Scheiben mit den Augen
-durchbohren; der alte Kohlenträger schreit zweimal, Platz da, Platz
-da, noch ein Schritt, da stößt der lange Kohlensack, der weit über
-den Kopf des tief gebückten Trägers hervorragt, den Stillverzückten
-in das Gesicht; dieser prallt rechts, rennt den alten Gipsitaliener,
-der sein ganzes Büsten- und Figuren-Magazin von Kaisern, Königen,
-Gelehrten und Grazien, auf einem langen Brete, auf der Schulter
-trägt, mit sich nieder, reißt im Stolpern den Markt-Tisch der dicken
-böhmischen Glashändlerinn an der Ecke, sammt dem ganzen Kram, über
-den Haufen, und schlüpft, fast auf allen Vieren weiter turkelnd, in
-die, zum Glück offenstehende Apotheke; beschwichtiget hier, wie später
-das Hausmädchen berichtete, die ungestümen und mehr denn heidnischen
-Entschädigungforderungen des italienischen Gipsmannes und der
-böhmischen Glasfrau, mit ungezähltem Golde, und entzieht sich, durch
-eine wohlthätige Seitenthür die in das Nebengäßchen, dem, um Gips- und
-Glas-Ruinen zusammengeströmten Janhagel von Matrosen und Straßenjungen.
-
-Sie mußte noch kichern, wenn sie an die verwünschte Scene dachte, aber
-über Hafenkapitains einfältige Lina konnte sie sich ärgern. Diese
-hatte sich zum Fenster heraus gelegt, und vor Lachen gerade heraus
-geschrien. Gott! die ging nun doch eigentlich die Geschichte auch nicht
-im Mindesten etwas an; und in dem lauten Lachen, in dem Herauslegen,
-lag so etwas Gemeines, so etwas Schadenfrohes; das Mädchen war ihr
-lange schon zuwider gewesen, aber jetzt konnte sie es gar nicht mehr
-ausstehen. Die Böhmin aber und der Italiener schienen recht gute
-Menschen zu seyn; Beide hatten, nach des Hausmädchens Rapport, in der
-Apotheke gemeint, dergleichen Unfälle könnten dem beßten Menschen
-begegnen, und es wäre nur ein wahres Glück, daß der hübsche Herr
-keinen Schaden genommen habe, denn um ein solches junges liebes Blut,
-wäre es doch ewig Schade gewesen.
-
-Und nun heute, muß der Vater von dem Menschen bei Tische anfangen; denn
-daß das der nämliche war, litt gar keinen Zweifel. Sie -- sie selbst,
-sollte sich nach ihm erkundigen. Das konnte sie ja nicht; ja wenn das
-abscheuliche Rothwerden nicht wäre. Der alte Handels-Gerichts-Director
-Linsing, wenn der sie dazu ansah, mit seinem blinzelnden Blick, er
-stand ganz lebendig vor ihr, das eine Auge ganz zu, und das andere
-so scharf auf sie gerichtet, -- nein, sie konnte gewiß kein Wort
-herausbringen; er mußte bestimmt denken, sie frage mehr im eigenen, als
-in des Vaters Namen. Und dann, die Linsingschen Mädchen! Hätten die nur
-etwas der Art ergattert, sie hätten sie zu Tode gequält. Wissen mochte
-sie es wohl freilich gern, und der alte Linsing, der Director, konnte
-ihr alles wahrscheinlich ganz genau sagen; des Mannes Haus stand allen
-Fremden offen; wer nur das Weichbild der Stadt betrat, und nicht ganz
-ohne alle Bekanntschaft kam, war in diesem gastfreundlichen Hause
-eingeführt; sie probirte drei- viermal, wie sie fragen wollte, ohne
-Verdacht zu erregen, aber -- nein es ging nicht; sie stockte jetzt
-schon, wenn ihre Lippen, von der ganzen Welt ungehört, die Anmuth des
-Mannes, in Worten aussprechen sollten, dessen Namen zu wissen, der
-Vater begehre; wie sollte sie sich getrauen, dieses Wagestück der
-jungfräulichen Liebe, im Kreise einer Familie zu vollführen, die, bei
-ihrem Scharfsinn in dergleichen kleinen Neckereien, das Verfängliche
-ihrer schüchternen Rede, gleich aus der ersten Sylbe -- Was ist das?
--- da unten im Hafen, auf dem amerikanischen Dreimaster? so wahr
-der Herr lebt, da stand der junge Fremde auf dem Verdeck. Er hing
-nachläßig den einen Fuß über die Laufplanken, welche den Raum für die
-Finknetze umzäunen; dann sprach er, den linken Arm um den Besahnsmast
-geschlungen, mit dem Steuermann; ging hierauf mit diesem und sah nach
-dem Bug und nach dem Vorspill, stieg, es verging ihr der Athem, auf
-die Spitze des Kraanbalkens, lief, flink wie ein Eichhörnchen, auf das
-Bugspriet hinaus, setzte auf die Riegel des Galjons herab, kletterte,
-trotz der beßten Katze, vom Vorsteven weiter hinauf, und hatte dem
-Steuermanne überall etwas zu zeigen und zu weisen; und dieser nickte,
-immer den Hut in der Hand, sehr ehrerbietig, daß es schier aussah, als
-sey das amerikanische Prachtschiff des jungen Mannes Eigenthum.
-
-Gar nicht übel, so ein Schiffchen, sagte lächelnd Hulda halb laut, und
-weidete sich an dem Anblick des jungen stattlichen Schiffsherrn; bisher
-hatte sie ihn immer im schwarzen Frack gesehen, jetzt -- bestimmt hatte
-er gar kein Logis in der Stadt gemiethet, sondern wohnte, wie das in
-den Seehäfen wohl gewöhnlich ist, in der Kajüte seines Dreimasters --
-jetzt hatte er es sich bequem gemacht, und sich in sein seemännisches
-Negligee geworfen; die Tracht stand ihm, meinte Hulda, die in ihrer
-ungesehenen blumenumdufteten Höhe kein Auge von dem frischen, kräftigen
-Seefahrer verwendete, wunderhübsch. Jacke und Beinkleider von seidenem
-streifigen Zeuche; um den Hals ein schottisches Tuch geschlungen,
-dessen leicht geschürzter Knoten auf die offene Brust herabhing; so
-stand er vom Abendglanze der untergehenden Sonne mild umflossen, und
-horchte den melodischen Gesängen zu, die auf dem Deck seines Schiffes,
-vier brandschwarze Neger in ihrer Landessprache recht sinnig begonnen,
-und lachte über das von dem Deck des neben ihm liegenden Fahrzeuges,
-emporgellende Gezwitscher der tausend und aber tausend goldgelben
-Kanarienvögel, die in dem blühenden Orangenwalde, mit dem sie heute
-erst von den Kanarischen Inseln angekommen waren, frei herumschwärmten,
-und immer schärfer schrieen, je lauter die Neger sangen.
-
-Im Saale stand -- der Herr Amerikaner zwischen den schwarzen Sängern
-und den gelben Schreiern, er sah gar zu niedlich aus, sie mußte ihn
-einmal recht betrachten, es sah sie ja Niemand hier, -- im Saale stand
-ein kleines Fernrohr des Vaters; sie schlüpfte hinein, holte es, kam
-wieder heraus, baute sich auf ihrem Nähtischchen ein kleines Versteck
-von recht groß buschigen Levkoitöpfen, streckte dann ihr Fernröhrchen
-dazwischen und lugte, im Geheimen nun überselig, herab, und -- sah
-nichts, denn der Gesuchte war von seinem Verdecke verschwunden.
-
-Sie überflog rasch mit einem Blick den ganzen Hafen, ob er sich etwa
-unterdessen in ein Boot geworfen habe, und sich an das Land setzen
-lasse; aber der ganze Hafen war zwar mit solchen kleinen hin und her
-gehenden Dingern, wie bedeckt, doch der, dem sie nachspähte, fand sich
-in keinem; der Mensch geht am Ende, sagte sie, mit dem Auge wieder
-vor ihrem Fernrohr: mit den Hühnern zu Bette! aber an solch einem
-himmlischen Abend, sich jetzt schon schlafen zu legen, nein das ist ja
-nicht -- sie fuhr in diesem Augenblicke mit dem Rohre an der Seitenwand
-seines Schiffes herab, da -- als schlüge der Blitz ihr das verwünschte
-Ding aus der Hand, so erschrak sie, und fuhr mit einem lauten Ach, in
-die Höhe; denn in der einen Geschützpforte des obern Verdecks, hatte
-der Schelm, hinten im Dunkeln gestanden, ein ellenlanges Telescop vor
-sich, und dieses gerade auf sie gerichtet; mit diesem Goliath von
-Telescop langte er sich alle, Millionen Meilen weite Sterne vom Himmel
-herunter, wie genau mußte er sie hier oben nicht beobachtet haben. Wie
-mochte er lachen, als er sah, wie sie hinter den Levkoibüschen stecke
-und ihn auf dem Verdecke suchte -- was mußte er von ihr -- nein, sie
-konnte um keinen Preis länger oben bleiben; sie fühlte, ihre Wangen
-glühten, wie Feuer, und angezogen war sie heute auch nicht besonders;
-auf eine solche Special-Musterung, wie der da unten, hinter seinen
-Stauchweegers, über sie hielt, hatte sie sich heute freilich nicht
-eingerichtet; sie packte ihre Nätherei, mit der sie diesen Abend nicht
-weit gekommen war, wieder zusammen; er stand -- sie warf nur einen
-halben Viertelsseitenblick hinab, und erkannte, mit bloßen Augen, das
-große Spährohr, das jetzt, über eine brabanter Elle lang, aus der
-Geschützpforte hervorragte, -- er stand noch immer da, und wenn sie
-gleich nicht in Abrede stellte, daß sie in seinem Benehmen, sich mit
-dem langen Dinge nicht vor seinen Matrosen und allen Leuten, auf das
-Verdeck zu stellen, eine Art von Zartheit finden müsse; so meinte
-sie doch auf der andern Seite, daß er die ganze Sternguckerei hätte
-unterweges lassen können, denn wenn das einer ihrer Bekannten, von
-denen beständig mehrere am Bord bald dieses, bald jenes Schiffes im
-Hafen sich befanden, gewahrte, so wäre in den ersten vier und zwanzig
-Stunden, in der ganzen Stadt herum, daß -- Gott! der Mensch stand immer
-noch da; sie hatte nur herab geschielt, aber das Rohr war auf sie
-gestellt, als hätte es der erste Zieler der Welt gerichtet; sie ward
-so unnennbar süß befangen, daß sie, vor heimlichem Lachen, sich über
-das unausstehliche dicke Rohr, gar nicht recht ärgern konnte. Lange
-schon hätte sie vom Balkon gehen können, aber es gab noch erschrecklich
-viel dort oben zu schäftern; der Nähtisch war so staubig, der mußte
-abgewischt werden; die Blumen in den Töpfen -- nein der Vater mußte mit
-dem Gärtner wirklich einmal ein recht ernstlich Wort reden; da war auch
-nicht ein Stock ausgeputzt, keiner angebunden, keiner -- sie nahm einen
-Topf nach dem andern vor und hatte tausend Arbeit. Das gigantische
-Rohr, es stand wahrhaftig noch unverrückt. Anfangs war ihr die Sache
-verdrüßlich gewesen, jetzt, meinte sie bei sich selbst, fange sie an,
-ihr Spaß zu machen.
-
-Die kleinen goldgefiederten Insulaner waren unterdessen müde geworden
-und hatten unter den Orangenblüthen, deren aromatischer Duft die
-ganze Atmosphäre durchwürzte, ihre Nesterchen gesucht; auf dem
-schwarzbetheerten Grönlandsfahrer links weiter unten, streckten die
-thranigen Matrosen sich der Länge nach, unter dem Fockmast zur Ruhe;
-die Neger auf der amerikanischen Fregatte sangen der scheidenden
-Sonne, die eben, ihre Brüder und Schwestern zu wecken, hinab sank,
-die wehmüthigsten Melodieen der Sehnsucht und Liebe nach, und immer
-stiller und lautloser ward es im Hafen; im Westen aber flammte das
-Feuergold der Himmlischen, und bekantete die dunkeln Nachtwolken,
-die tief unten am Horizonte dem Meere entstiegen, mit glühenden
-Säumen. Die indischen weichen Lieder der Schwarzen, klangen in Huldas
-Herzen seltsam wieder; ihr entzückter Blick staunte schweigend in die
-unbeschreibliche Pracht der Abendfeier; die Nachtwinde, die auf der
-gränzenlosen Fläche des Meeresspiegels, ihr eigenes Spiel treiben,
-jagten das leichte, golddurchblitzte Abendgewölk vor sich her, daß sich
-daraus oft wunderbare Gestalten bildeten, deren Deutung die Sinnige,
-ohne die Phantasie sehr anzustrengen, leicht zu finden vermeinte. Die
-Eisberge, die sich dort in das Unermeßliche hinaufthürmten, mit den
-zwei riesenmäßigen Bären und der tiefe Schnee -- nun, daß das auf
-Nordamerika zielte, und zwar auf das alleroberste am Nordpol selbst,
-das lag wohl außer Zweifel. Der ungeheure Wasserfall von mehr denn 4000
-Fuß in der Breite, mit seinen Tafel-Felsen, und seinen Staubwolken, und
-Strudeln und Wirbeln, -- das war der furchtbare Katarakt des +Niagara+,
-durch den in jeder Minute 700,000 Tonnen Wasser, von unermeßlicher
-Höhe, unter donnerndem Getöse herabstürzen; die schwarzen kleinen
-Thiere, rechts unter dem Cran-berries-[1] Gebüsche, das waren gewiß die
-pechschwarzen Eichhörnchen, die oft in einem Tage zu 50,000 durch den
-St. Lorenzostrom schwimmen. Die Thürme und die herrliche große Kuppel,
-das war das Jesuiten-Kollegium und das Franziskaner-Kloster und das
-neue Schloß zu Quebeck; sie kannte den Prospect aus dem trefflichen
-Kupferstich, der im Putzzimmer des englischen Konsuls hing; der
-dichte hohe Laubwald im Hintergrunde links -- auch dieser mußte ein
-amerikanischer seyn, denn dort nur prangen die Wälder, wie sie gelesen
-hatte, in solchem bunten Farbenspiel. Aber tiefer unten am Himmel stand
-auf dem Gipfel eines gigantischen Granitberges, eine dürre menschliche
-Gestalt; Beinkleider, Stiefeln und Strümpfe von Seehundsfellen; ein
-Hemde von Seerabenhaut; schwarze dünne straffe Haare; ein großer Kopf;
-dünne Beine, und die Farbe des Gesichts olivengrün. -- Richtig,
-sagte sie lachend: das ist ein Eskimo auf Labrador, also auch ein
-Amerikaner! Der Glimmerschiefer dort an der nackten Felswand; die
-schönen himmelblauen +Hypersthene+, der Polarfuchs, der Papagaytaucher,
-richtig, richtig, das sind alles heimische Dinge jenes Welttheils; in
-der Zeichnung von Upernamik,[2] die wir neulich vom Onkel aus Herrnhut
-bekamen, ist das alles bis auf die geringste Kleinigkeit da. Jetzt
-bildete sich ein Kr -- ja es ward aus düstern Wolken ein langes hohes
-Kreuz! sie erschrack im Geheimsten ihrer Seele über das sonderbare
-Zeichen des Leidens, und schüttelte sinnend den Kopf, und sagte
-heimlich, weg, weg, denn sie konnte kaum mehr hinsehen, in das magische
-Zauberspiel, so ganz eigen erschien ihr das bedeutsame Marterholz, das
-fest und unbeweglich dastand, als sey es für die Ewigkeit gezimmert;
-es wich nicht und wankte nicht, und unten am Stamme gestaltete sich
-auf dunstigem Nebellager, eine weibliche Figur, die, je länger Hulda
-hinsah, sich immer mehr und mehr der wolkigen Schleier enthüllte, bis
-denn endlich die Mutter in kolossaler Größe, aus dem dunkeln Chaos
-heraustrat, angethan mit einem milchweißen Sterbekleide, über dem
-Haupte einen goldlichten Heiligenschein; ihre Linke ruhte auf einem
-Monumente von weißlich grauem Gestein; ihre Rechte aber hielt sie
-furchtbar drohend, in die Höhe gehoben. --
-
-Mein Mütterchen, rief Hulda seltsam ergriffen: was zürnt mir deine
-sanfte Liebe? was deutet der graue Grabstein, das weiße Sterbegewand,
-und der goldige Reif? und -- das Kreuz, das entsetzliche Kreuz! will es
-denn noch immer nicht weichen? --
-
-Es ward dem Mädchen angst und wehe in der gepreßten Brust; es konnte
-den Blick nicht mehr hinrichten in die gespenstigen Bilder; sie wendete
-sich, und erfreute sich an der herrlichen Abendbeleuchtung, in der die
-alte gothische Sophienkirche, drüben über dem Hafen, prangte; alle die
-langen Fenster waren lauter flimmernde Goldspiegel; das braunrothe
-Gemäuer schien mit Metall überzogen, und in der dunkelblauen Abendluft
-blitzte der große Knopf am himmelhohen Thurme, wie -- ja, sie hatte
-nach dem Amerikaner wirklich nicht wieder sehen wollen, am wenigsten
-jetzt, aber daß ihr Blick, als sie nach der Spitze des Sophienthurms
-hinauf sah, beim Mastkorb[3] des amerikanischen Dreimasters vorbei
-streifte, und daß in diesem, der junge Wagehals, fröhlich und
-wohlgemuth saß, davor konnte sie nicht. Er hatte das heimtückische
-lange Sehrohr mit oben, und ergötzte sich an der Aussicht rund um. Der
-Mastbaum war bestimmt über 100 Fuß hoch,[4] und der Mensch beinelte
-da oben mit beiden Füßen, und trieb allerlei Kurzweil, als säße er im
-Sopha; er -- nein sie konnte nicht mehr hinsehen; sie waren sich Beide
-jetzt einander so nahe, und der dreuste Patron gab seinen Wunsch, in
-der luftigen Höhe hier oben, eine kleine scherzhafte Unterhaltung
-anzuknüpfen, so deutlich zu erkennen, daß sie nur durch geschwindes
-Wegwenden vermeiden konnte, nicht von ihm im nächsten Augenblicke
-freundnachbarlich begrüßt zu werden. Doch ein wenig heimlich und
-verstohlen hinüber zu schielen, versagte sie sich nicht; der junge
-muthige Seelöwe -- er war gar zu hübsch.
-
-Das Gebilde der Nachtwolken am Abendhimmel, war unterdessen gänzlich
-verschwunden, nur das Kreuz war noch etwas sichtbar, doch nicht
-mehr so düster und schwarzdunkel, wie vorhin; es schwebte, vom
-letzten Strahlen-Glanze der scheidenden Sonne durchglüht, tiefer im
-Hintergrunde, und zerfloß allmählich in unermeßlicher Ferne, vor
-Huldas Augen, in die Feierpracht des milden Lichts, das in rosiger
-Herrlichkeit, jetzt rein und klar, im gränzenlosen Raume flammte, und
-sich in den ruhigen Wogen des unübersehbaren Meeres wiederspiegelte;
-Milliarden Silbersternchen schillerten auf der ewig sich hebenden
-und senkenden chrysoprasgrünen Fläche, und hüpften in die weißen
-Schaumwellen der sanften Brandung, verschwanden und waren im Nu
-wieder tausendfältig da, und Hulda hob, verloren im Entzücken des
-unbeschreiblich großen Schauspiels, das Auge zu dem, der über den
-Wolken thront, und legte die Hände, gefaltet, auf das in süßer
-Vollkommenheit klopfende Herz.
-
-Auf der äußersten Höhe der See, am Horizonte, hatte sie schon lange
-einen schwarzen Punkt gewahrt; er war jetzt näher gekommen, hatte
-geschossen, die Flagge in Schau wehen lassen und aufgebraßt,[5] und die
-Lotsen eilten in ihren Booten hinaus, um den englischen Brigkutter, der
-sich aus jenem schwarzen Pünktlein nach und nach geformt hatte, in den
-Hafen zu bugsiren.
-
-Als der Kutter das Hafenfort passirte, begrüßte ihn dieses mit seinem
-Geschütz; sämmtliche vor Anker liegende Fahrzeuge bewillkommten es mit
-dem gewöhnlichen Hurrah, und der junge Freund im Mastkorbe, schnitt
-ihm, aus läppischem Muthwillen, die tiefsten Komplimente hinab, so daß
-Hulda über den komischen Menschen laut -- ach nein -- das Hähnlein
-im Korbe ward keck -- mitten unter den Bücklingen, die er dem Kutter
-machte, warf der junge Herr Amerikaner, -- sie hatte es wohl gesehen,
--- der Nachbarinn auf dem Balkon, ein halb Dutzend Küsse zu. An den
-Ufern des Missisippi mochte das vielleicht Mode seyn, aber nicht hier
-zu Lande; sie flüchtete in den Saal zurück, eilte, ohne das Unheil,
-welches der englische Kutter ihr brachte, zu ahnen, auf ihr Zimmer;
-drängte das Gesicht, auf dem, -- sie wußte selbst nicht warum, --
-Freude, Muthwille, Lachen und Ausgelassenheit, aus allen Zügen blitzte,
-vor dem Spiegel in die Schranken des Ernstes zurück, und ging, nachdem
-sich das Roth, das ihr der Aerger über den vorwitzigen Nachbar im
-Mastkorbe, auf die Wangen gegossen, ein wenig verloren hatte, zur
-Mutter.
-
-Diese befand sich über alle Erwartung wohl; sie scherzte, seit mehreren
-Wochen zum ersten Male, wieder mit Hulda; sie streichelte ihr die
-Wange; sie liebkos’te das holde Kind mit den zartesten Namen und
-betrachtete es fast unverwandten Blickes, mit sichtbarem Wohlgefallen.
-
-Hulda konnte sich die auffallende Umwandlung platterdings nicht
-erklären; sie frug die Mutter, ob in ihrer Abwesenheit etwas
-vorgefallen sey, was die glückliche heitere Stimmung bewirkte, allein
-die Mutter erwiederte lachend: soll ich mich meines Kindes nicht
-freuen? Du bist so fromm und gut; Du bist so frisch und gesund, so
-groß, und -- die Mutter darf das ja dem bescheidenen Kinde in das
-Gesicht sagen, und so hübsch geworden, und wer dich vor ein paar Jahren
-sah, und Dir jetzt wieder begegnet, kennt Dich nicht mehr. Wie lange
-wird es werden, und ich flechte Dir den Brautkranz in’s Haar!
-
-Der lieblichen Hulda flog alles Blut in die Wangen; davon hatte die
-Mutter im Leben noch nicht gesprochen. Man hatte sie immer noch wie
-ein Kind behandelt; die Mutter hatte sie, noch vor wenigen Tagen, ihr
-Kälbchen geheißen, und gefragt, wenn sie denn einmal die Kinderschuhe
-ausziehen werde, und jetzt -- vom Brautkranz! -- sollte unterdessen
-etwa der wilde Mensch, der Amerikaner -- aber der war ja seit heute
-Mittag nicht von seinem Verdeck gekommen, der saß ja bestimmt noch in
-seinem Korbe. Nein, das war nicht möglich!
-
-Es sollte mich, fuhr die Mutter freundlich fort: nichts glücklicher
-machen, als wenn ich noch die Seligkeit haben sollte, Dich vor meinem
-Hinscheiden, an der Seite eines recht wackern Mannes zu sehen.
-
-Dem Mädchen verging der Athem. Das Gesicht brannte ihm, wie Feuer!
-Der Dreimaster, das Kreuz, die drohende Mutter, das Sterbegewand,
-der englische Kutter, der Grabstein, alles wirrte sich ihr in dem
-Augenblick vor die Seele; sie wollte sich zum Scherz zwingen, und der
-Mutter versichern, daß es mit dem Brautkranz noch lange Zeit habe, aber
--- kein Wort konnte sie über die Lippen bringen. Hatte der Mensch mit
-dem braunen Lockenkopfe und den veilchenblauen Augen -- denn keinen
-andern konnte die Mutter meinen, weil kein anderer auf der ganzen Welt
-in ihrem jungfräulichen, vor wenigen Minuten noch fest verschlossenen
-Herzen lebte -- hatte der vielleicht durch einen Dritten -- nein aber
-so rasend konnte er, wenn sie ihm auch, nach seinem Benehmen, alle
-Tollheiten zutrauen mußte, doch nicht seyn.
-
-Schenkt mir der liebe Herr Gott, setzte die Mutter ernster werdend
-hinzu: meine Gesundheit wieder, und fristet er mir mein Leben, so
-gehört es zu dessen einziger Glückseligkeit, daß ich Dich in der Nähe
-behalte. Mütter, die das Liebste ihres Herzens, ihre Kinder, aus dem
-Hause in die weite Welt ziehen sehen, büßen mehr denn die Hälfte ihres
-ganzen Lebensglücks unwiederbringlich ein. Du bist jetzt in den Jahren,
-meine herzensliebe Hulda, daß Du meine Freundin seyn kannst; hier, das
-weißt Du, mein Kind, ist niemand, dem diese Stelle zu Theil ward. Die
-Männer gehören dem Getriebe der Geschäfte, der halben Welt; und meine
-Sophie, meine treue Schwester, haben sie zweitausend Meilen weit von
-mir weggeführt. Die wußte -- sie sprach leiser, ihre Stimme ward weich
-und stille Thränen traten ihr in das lebensmüde Auge -- die wußte
-alles; meinen Kummer und meinen Schmerz; auch meine Freuden wußte sie;
-ihr Gatte führte sie mit sich aus meinen Armen über das Weltmeer, und
-so habe ich seitdem zwanzig lange Jahre allein gestanden, bis Du jetzt
-heranwuchsest, um mir den Rest meiner Tage durch Deine Freundschaft,
-Deine Liebe zu versüßen, und mir die Augen, wenn sie im Tode sich
-brechen, zum ewigen Schlummer zu schließen. Nicht wahr mein einziges,
-mein süßes Kind, Du gehst nicht von mir?
-
-Nein mein Mütterchen, rief Hulda tief bewegt, und dachte in diesem
-Augenblicke an nichts, als an die heilige Pflicht, die der Vater
-dessen, der die Kindlein zu sich kommen ließ, um sie zu segnen, in die
-fromme Brust jedes guten Menschen gelegt hat. Sie wollte noch etwas
-sagen, aber die Mutter unterbrach sie mitten in der Rede.
-
-Der Vater, hob sie an, und es war, als verhalte sie die Miene des
-Verdrusses mit Mühe: der Vater gab Dir heute den Auftrag, Dich nach
-dem jungen Fremden -- sie hielt inne, und legte die Hand krampfhaft
-zuckend, sich auf die Augen -- nach dem jungen Fremden zu erkundigen.
-Thue das nicht, Hulda, Männer sind in dergleichen Fällen leichter,
-unzarter; Du aber wirst fühlen, daß sich das nicht schickt; der alte
-Director, Du kennst ihn, und besonders die Linsing’schen Mädchen -- sie
-machte ein Gesicht, als seyen ihr letztere unbeschreiblich zuwider --
-bestimmt dächten diese, Du fragtest aus ganz besonderen Ursachen nach
-dem -- nach dem Menschen.
-
-Der armen Hulda flog ein geheimes Zittern durch alle Glieder, als
-die Mutter des Klettervirtuosen auf dem Rösterwerk gedachte; um nur
-davon abzukommen, und um -- sie konnte aus dem Gesichte der Mutter
-nicht recht klug werden; es mußte ihr jemand von dem Unbekannten etwas
-gesagt haben, und um also zu erfahren, wer etwa mit der Mutter sprach,
-fragte sie, nach der Versicherung, daß sie, auch ohne die freundliche
-Erinnerung der Mutter, die Frage nach dem Fremden, bei Directors
-nicht gethan haben würde, querfeldein, ob unterdessen, daß sie im
-Garten arbeitete, Jemand bei der Mutter war; diese aber erwiederte
-halb lächelnd: kein Mensch, und versicherte, sie habe fast die ganze
-Zeit geschlafen, sey vor wenigen Augenblicken erst erwacht und -- sie
-betonte das Wort, -- +gleich+ mit dem Gefühle der angenehmsten
-Erheiterung.
-
-Kurz darauf erzählte die Köchinn, welcher Hulda, zum Abendessen,
-mehreres heraus gab, wie sie sich vorhin über Maklers Suschen ärgerte;
-das kam, fuhr sie, der Schiffssprache wohl kundig, fort: das kam die
-Treppe herauf gebraus’t, wie ein fliegender Sturmwind zwischen den
-Wendekreisen. Ich bat höflich, die Segel back zu brassen, weil die Frau
-Admiralitätsräthinn schlafe; Orkan-Suschen aber blieb beim steifen
-Winde, verlangte dringend, mit der Frau Räthinn zu sprechen, that
-erschrecklich fröhlich, als habe es, wer weiß, was vor eine glatte
-Fahrt, setzte alle Segel bei und mudderte gerades Weges in die Stube.
-Aber keine fünf Minuten, so wendete der Schnellsegler durch den Wind,
-und fuhr von dannen, woher er kam.
-
-Hulda stutzte!
-
-Was war das! die Mutter, sonst die Wahrheit selbst, hatte auf die
-Frage, ob Jemand bei ihr war, geantwortet, kein Mensch! und doch war
-Suschen -- was konnte das Mädchen bei der Mutter gewollt haben? was
-konnte das so dringende Geschäft gewesen seyn? sollte der Mensch
-mit dem langen Sehrohr -- der Mutter sonderbare Aeußerung über das
-Heirathen, -- aber -- einfältiger Gedanke; so etwas -- wenn auch
-Suschen in +seinem+ Auftrage gekommen wäre, so etwas macht sich
-doch nicht in solcher Eil, in solcher Hast ab. Zwar -- das Mädchen
-konnte ja blos einen Brief von ihm bringen -- doch -- nein, die Liebe
-ist unausstehlich! sie macht alles möglich, sie setzt sich über alles
-weg; das Allerunwahrscheinlichste wird dem liebenden Glauben zur
-unumstößlichen Thatsache. Suschen war ein dummes gutherziges Ding; der
-junge Fremde hatte sich, seiner Geschäfte wegen, bei dem Vater, dem
-Schiffsmakler gemeldet; das Gespräch war auf dieß und jenes gekommen,
-am Ende auch auf den Herrn Admiralitätsrath Splügen, und dessen Jungfer
-Tochter; der Herr Fremde hatte -- denn +der+ konnte sich nicht
-verstellen, das hatte ihm Hulda nun schon abgemerkt, -- geäußert, daß
-er dieser Hulda Splügen gar nicht gram sey, Mamsell Suschen, die sich
-nur zu gern in alles mengte, hatte in ihrer lieben Unbefangenheit sich
-erboten --
-
-Der Vater lachte laut auf, denn, eben von seiner Erholung zu Hause
-gekommen, hatte er auf dem Flur der Tochter schon lange zugesehen, die,
-in Gedanken verloren, wie eine Bildsäule stand, das Wachslicht dicht
-vor das Näschen hielt und, mit beiden Augen starr in das milde Licht
-schauend, die Flammengluth nicht ahnete, zu der die ersten Liebesfunken
-in der geheimsten Tiefe ihres Innern, binnen wenigen Stunden,
-emporgelodert waren.
-
-Hulda erschrak über die unvermuthete Nähe des Vaters und sein
-ironisches Lachen so heftig, daß das Licht auslöschte, und das war auch
-recht gut, denn sonst hätte der Vater den Scharlach gewahren müssen,
-der sich über das Zaubergesichtchen der liebholden Träumerinn, mit
-Blitzesschnelle ergossen hatte.
-
-Sie ging zurück, das Licht wieder anzuzünden, und als sie es brachte,
-war der Vater, der vorhin so fröhlich geschienen hatte, verstimmt und
-befangen; er sah den Liebling seines Herzens mit ungewissem Blicke
-an, ging im Zimmer auf und ab, gab seiner Frau die Hand, schüttelte
-schweigend den Kopf, sagte still vor sich hin, nein, -- nein, und ging
-in sein Kabinet.
-
-Was war dem Vater? fragte Hulda besorglich -- die Mutter aber
-entgegnete, nichts, Kind, Du weißt ja, wie die Männer sind.
-
-Hulda schwieg, aber es ward ihr, sie konnte sich selbst nicht sagen,
-warum, bange in der beklommenen Brust, denn ohne Bedeutung war des
-Vaters: nein, nein! und der Mutter unterdrückte Verdrüßlichkeit nicht;
-und daß sie im Spiele war, lag klar am Tage; der Vater sah sie gar zu
-sonderbar an. Am Ende -- ganz gewiß hatte die Mutter den Brief, den ihr
-Suschen brachte, und in welchem der da unten im Hafen ihrer erwähnte,
-dem Vater mitgetheilt, und dieser zu dem Antrage des Tollkühnen, sein
-einziges Kind ihm mit nach Amerika zu geben, -- das vorbedeutende nein,
-nein gesagt -- aber das konnte es ja auch nicht seyn! denn der Mutter
-schien dieses hingeworfene nein nein, gar nicht recht! -- Je mehr sie
-sich alle Umstände zusammensetzte, desto verwirrter ward sie in ihrer
-Logik; und sie zagte jetzt dem Abendbrode entgegen, wo sie zwischen den
-beiden räthselvollen Aeltern sitzen sollte, ohne zu wissen, woran sie
-sey. Sie glaubte, die Mutter werde wegen des Unfalles von heute Mittag,
-nicht mit zu Tische gehen, aber, als wolle diese Vater und Tochter
-absichtlich mit einander nicht allein lassen, sie behauptete, daß ihr
-recht wohl sey, und kam.
-
-Der Vater -- das war so seine Art, wenn er mit der Mutter eine kleine
-vorübergehende Unannehmlichkeit gehabt hatte, -- entfernte sich auf
-einige Minuten in sein Kabinet, kam dann mit erzwungener Laune zurück,
-gedachte des Vorfalls mit keiner Sylbe weiter, und bemühte sich, das
-gute Vernehmen, durch erkünstelte Heiterkeit, möglichst bald wieder
-herzustellen; der Vater brachte seinen, in aller Geschwindigkeit
-zusammengestoppelten Humor mit zu Tische; wenn er aber, mitten im
-Gespräch, Hulda ansah, dann schien dieser es immer, als wenn sein Blick
-ihr verstohlen sagen wollte, mein armes Kind, wenn Du doch wüßtest, was
-sie mit dir vorhätten. Doch späterhin, als er die Galle, die in ihm
-mochte rege werden, mit seinem vortrefflichen Loignon verdünnte, schien
-er das Krüppelchen, was ihm das Schicksal, vor dem Traualtare, an sein
-Lebensglück gebunden hatte, auf einige Augenblicke wieder vergessen zu
-haben; er ward freundlicher, und erzählte von den Begebnissen des Tages
-mit seiner gewohnten Lebhaftigkeit und fröhlichen Laune.
-
-Apropos, begann er unter andern, zu Hulda gewendet: Du brauchst Dich
-morgen bei Direktors nach dem jungen Fremden nicht zu erkundigen. Hulda
-schlug die Augen auf den Teller nieder, und ärgerte sich über sich
-selbst, denn schon dieß einzige Wort jagte ihr eine stechende Röthe
-auf die Wangen; die Mutter aber legte Messer und Gabel weg, als vergehe
-ihr Essen und Trinken.
-
-Beides bemerkte der Vater nicht, und berichtete nun, daß der junge
-Mann aus Mexiko sey. Ich weiß jetzt alles, fuhr er fort: er ist am
-Bord seines eigenen Schiffes, mit einer reichen Ladung von Vanille,
-Seide, Balsam und Kakao, aus dem Südseehafen Acapulco in See gegangen,
-und will hier Leinwand, als Rückfracht nehmen. Am Isthmus von Panama
-hat er weitläufige Kolonien; und aus den undurchdringlichen Wäldern
-seiner Heimath, versieht er mit Schiffsbauholz die Häfen von Veracrux
-und ganz Nordamerika. Mit den Tschipewäern, den Missuriern und den
-Biberindianern oben am Eismeere und mit den Huronen und Algonkinen in
-Kanada, hat er einen ausgebreiteten Handel mit Pelzwaaren, und von
-Yukatan an der Hondurasbai zieht er jährlich ungeheure Quantitäten
-Kampecheholz, mit dem ihr violett färbt, und unsere Aerzte die Ruhr
-vertreiben; und an den unerschöpflichen Gold- und Silbergruben seines
-Vaterlandes, deren Ausbeute jährlich 23 Millionen Piaster beträgt,
-hat er einen namhaften Antheil; seht Kinder, das ist ein Kaufmännchen,
-gegen den die Krämer unserer kleinbürgerlichen Seestadt sich alle
-verstecken müssen. Das Schiff, mit dem er gekommen ist, heißt, wie Du
-Frauchen, Antoinette, und --
-
-Der Mutter ward wieder übel und wehe; sie lehnte sich in den Sessel
-zurück, wehrte mit der Hand, als wolle sie sagen: nichts mehr, nichts
-mehr davon, und verlangte zu Bette. Sie rief zweimal Hulda, dem
-Dienstmädchen zu klingeln, aber diese war ja in Acapulco, und sah ihn
-mit seiner Vanille und Seide, mit seinem Kakao und Balsam, dort die
-Anker lichten, und durchwandelte mit ihm seine Pflanzungen auf der
-Erdenge von Panama und hüllte sich in die prächtigsten Pelze, die er
-bei den Huronen und Biberindianern so eben erkauft hatte, und nahm sich
-vor, von nun an nichts als violett zu tragen, weil aus +seinen+
-Händen die Farbe kam; selbst ein wenig Ruhr hätte sie nicht übel
-genommen, denn +er+ war es ja, der ihr das Heilmittel dagegen, aus
-dem fernen Welttheil brachte.
-
-Aber Hulda, Du sollst ja der Babette klingeln; sagte der Vater
-verwundert, und sah der Stillverzückten in das starr auf einen Punkt
-vor sich hin geheftete Auge.
-
-Gleich, gleich! entgegnete das Mädchen, aus seinen seligen Träumen
-schnell auffahrend, eilte, statt zur Klingelschnur am Sopha, auf den
-Flur hinaus, und zog an der Thürklingel, daß alle Domestiken zusammen
-kamen und, in der Meinung, ein Fremder läute den rasenden Sturm, von
-Ferne schon riefen: nun, nun, nur sachte, wir sind ja nicht taub.
-
-Hulda aber war über das laut schellende Gebimmel der dummen Glocke,
-die, einmal so heftig in Bewegung gesetzt, nicht wieder schweigen
-wollte, längst wieder zu sich gekommen, und flüchtete, um dem Gefrage
-der Aeltern und der Leute, die sie alle für halb verrückt ansehen
-mußten, aus dem Wege zu gehen, in den Garten.
-
-Nein, sagte sie zu sich selbst, das muß anders werden; das taugt
-nicht. Bei Gott, ich finge an, selbst an meinem Verstande zu zweifeln,
-wenn das länger so fortgehen sollte. Er muß heraus aus dem Kopfe
-und aus -- sie wollte hinzusetzen, und aus dem Herzen, aber in dem
-Augenblick ertönte ein mit ungemeiner Zartheit geblasener Flötenaccord;
-schmeichelnde Nachtlüftchen trugen ihn ihr zum lauschenden Ohr, und
-säuselten ihr zu: das ist von ihm.
-
-Sie stand wie angewurzelt --
-
-Das ist von ihm? fragte sie lächelnd, und horchte mit stockendem Athem
-nach den lieblichen Lauten, die ihr zum Herzen sprachen! aber sie waren
-im Dunkel der sie umgebenden Stille verhallt; sie hörte nichts weiter.
-
-Albernes Ding, sprach sie, sich selbst verweisend, von ihm -- als ob es
-nicht tausend Andere im Hafen und in den benachbarten Gärten, und am
-Gestade des Meeres, auch seyn könnten. Die Flöte blasen mehr ehrliche
-Leute -- Nur noch einmal möchte sie es hören, und sie wollte dann
-bestimmt wissen, wo der Vogel sitze.
-
-Am Ende saß er oben, auf dem Balkon des Gartenhauses, wo sie vorhin
-gesessen; dort oben regte sich wahrhaftig etwas, und die Balkonthüre
-öffnete sich langsam. Aber, um Gotteswillen, wie hier heraufgekommen?
--- doch -- der Kletterkatze, die vorhin von dem Schiffe zur Schlupe an
-dem Baumtau hinab gerutscht, und von da, auf demselben halsbrechenden
-Wege, wieder hinauf gekommen war, mit einer Sicherheit, als sey das
-schwankende Tau eine breite Prachttreppe mit eisernen Geländern -- was
-war +der+ nicht möglich? Es bewegte sich oben wieder. --
-
-Etwas war da --
-
-Hinaufgehen und nachsehen? --
-
-Um keinen Preis! War er es, was mußte er von ihr denken! -- War es ein
-Dritter, so setzte sie sich der Gefahr aus, einen Todesschreck davon zu
-tragen. -- Die Leute aus dem Hause rufen? -- wenn er es nun war, -- die
-Geschichte wäre ja morgen in der ganzen Stadt bekannt geworden! -- War
-es gar nichts, hatte sie sich getäuscht, so mußten die Leute, die sie
-vorhin erst hatten Sturm läuten sehen, und fest von ihr aufgefordert
-wurden, etwas zu suchen, was gar nicht da war, in allem Ernste glauben,
-sie sey zum Tollhause reif, und ein Dritter -- konnte in dem leeren
-Gartenhause nicht viel nehmen.
-
-Sie stand, unverwandten Blickes auf den Balkon gerichtet. Das
-Auge, jetzt mehr an die Dunkelheit gewöhnt, erkannte endlich in
-dem Verdächtigen, den unschuldigen Orangeriebaum; und die daneben
-befindlichen großen Levkoibüsche bewegten sich, wenn sie wirklich
-vielleicht ein wenig auf und ab geschwankt hatten, vom Windzuge
-berührt, der aus der halb offen gelassenen Balkonthür kommen mochte.
-
-Es zog sie unwiderstehlich auf den Balkon; sie mußte ja die Thür
-zumachen.
-
-Im Hinaufgehen -- es war, als hörte sie die Flöte wieder. Sie eilte auf
-den Balkon!
-
-Millionen Sterne flimmerten am schwarzen Himmelszelte; am fernen
-Gestade rauschte das Meer in sanfter Brandung; im Hafen aber schlief
-alles; nur die kupferne Lampe im Nachthause, wo der Steuercompaß steht,
-brannte auf jedem Schiffe, und hier und da war noch ein Lichtchen in
-den Kajüten sichtbar. Auch den Bord der Antoinette schien der Gott des
-Schlafes geentert zu haben, denn es rührte sich da unten kein Mäuschen.
-Aber -- jetzt ertönte die himmlische Flöte noch einmal. Es klang, wie
-das Locken der Liebe, in dem der Sprosser zu seinem Nachtigallweibchen
-spricht; so sehnsüchtig und so schmelzend; erst bittender Scherz,
-in kurzen, rund abgebrochenen Sätzen, dann lange, lange Töne gezogen
-durch die Gluth der zärtlichsten Leidenschaft, und immer stärker und
-stärker werdend, und hoch hinausgehend über das Reich alles Irdischen,
-und endlich, zum Zeichen des Glaubens an freundliche Erhörung der
-schüchternen Bitte, ein sich bald in kräftige Volltöne, bald in ein
-süßes, hinsterbendes Pianissimo auflösender Doppeltriller.
-
-Allerliebst, allerliebst, sagte Hulda leise, und holte jetzt erst
-wieder Athem, denn sie hatte ihn in der überseligen Brust verhalten,
-so lange die süßen Laute zu ihr sprachen, um von der Sphärenmusik
-nichts zu verlieren. Sie kamen ja doch vom Deck der Antoinette herauf;
-sie sah, so viel die Sternenhelle es gestattete, ganz deutlich da
-unten, auf der Tasche[6] des Schiffes, nach ihrer Seite zu, etwas
-sich bewegen, und aus dem wehmüthigen spanischen Liedchen, das die
-Flöte spielte, zog Hulda die Ueberzeugung, daß sie sich nicht irrte.
-Der Mexikaner mußte ja ein spanisches Lied blasen! Ihr kam es recht
-eigentlich spanisch vor. Konsuls Alwine besaß bei einem vollständigen
-Musikalien-Vorrath aller National-Melodien, dasselbe Lied, und hatte es
-früher schon zwanzigmal wohl gesungen, aber so klang es nie.
-
-Man konnte aber auch nichts weicheres, nichts rührenderes hören, als
-diese Melodie aus dieser Brust. Es war, als wollte der junge hübsche
-Mensch da unten, seine ganze Seele aushauchen, so deutlich sprach das
-Instrument den süßen Schmerz seines liebekranken Herzens aus. Vorhin so
-läppisch, und jetzt so sanft, so leidend, so schmachtend.
-
-Was für ein kurioser Mensch muß das seyn, dachte Hulda bei sich selbst,
-heimlich lachend, und fragte nach einer Weile, durch seine süße Klage
-weich geworden, halb leise herab: warum so traurig mein Freund? und die
-milden Sterne am dunkeln Himmelszelte, spiegelten sich in den Perlen,
-die ihr an den seidenen Wimpern hingen. Das Wasser war ihr in die Augen
-gekommen, sie wußte selbst nicht wie. Sie hätte zerfließen mögen in nie
-gekannte Lust und Freude. Seine zarte Klage that ihr unaussprechlich
-wohl; sie verstand jeden Hauch seiner Lippen; sie verriethen ihr,
-durch das heimliche Dunkel der Nacht, die frischblutende Wunde, die ihr
-Liebreiz dem Schwärmer schlug, das süße Wehe, in dem der glückliche
-Dulder schier zu vergehen glaubte, und die Südgluth seiner Leidenschaft.
-
-Aber vom Meere herüber zog jetzt der Wind schärfer, durchreifte
-die warme Sommernacht mit eisigen Schauern und mahnte Hulda an das
-Nachhausegehen. Sie warf -- es sah es ja niemand, als der liebe Herr
-Gott, der die ungeheure Gewalt der Liebe in die Brust des Menschen
-gesenkt hat, und dieser deutete es gewiß nicht übel, -- sie warf,
-zum Danke für das hübsche Abendständchen, einen recht herzlichen Kuß
-herab, und sagte kaum hörbar, gute Nacht, mein lieber, lieber Freund,
-gute Nacht, und eilte in das Haus zurück; noch im Gehen warf sie
-einen scheuen Blick in die Himmelsgegend, wo sie, heute Abend, die
-sonderbaren Figuren und Gestalten sah; aber der Grabstein und das
-Kreuz, und das Drohbild der zürnenden Mutter, hatten die schwarzen
-Nachtwolken längst mit undurchdringlichem Schleier verhüllt.
-
-Reiße, mitleidiges Schicksal, den Vorhang vor den Schrecknissen der
-Zukunft nicht zu früh von einander; laß den armen Menschen ihren Wahn,
-daß sie geboren sind, um immer glücklich zu seyn.
-
-Hulda hatte sich gefreut, von ihm zu träumen, aber damit war es dießmal
-nichts; sie träumte wohl, doch nicht von ihm. Tante Sophie sandte ihr
-von Lima aus, schwarzen Krepp zu einem Ballkleide, und einen Schmuck
-von böhmischen Glasperlen, und schrieb ihr einen solchen launigen,
-verwirrten Brief dazu, daß sie, als sie am Morgen erwachte, noch
-darüber lachen mußte. Sie erzählte der Mutter davon, diese lachte mit,
-und sagte mit sonderbarer Betonung, schwarzer Krepp von daher, hat
-eine recht eigene Bedeutung; Hulda wollte fragen, welche, aber die
-Mutter fuhr, des Ballkleides Erwähnung eingedenk, gleich fort, von
-Huldas heutigem Anzuge zu sprechen, und meinte, daß, wie sie hörte, bei
-Directors sehr große Gesellschaft seyn werde, und äußerte daher den
-Wunsch, daß Hulda heute vorzüglich elegant erscheinen möge.
-
-Diese schien dazu keine rechte Lust zu haben, denn Er war ja doch nicht
-dort, und Anderen gefallen zu wollen, kam ihr nicht im entferntesten
-in den Sinn; indessen um der Mutter den Willen zu thun, schmückte sie
-sich mit dem Beßten ihrer geschmackvollen Garderobe.
-
-Sie war verstimmt und konnte den ganzen Tag platterdings ihren Frohsinn
-nicht wieder finden. Zweimal war sie auf dem Balkon gewesen; verkaufte
-er an seiner mitgebrachten Ladung, oder lief er nach der Leinwand zur
-Rückfracht herum, oder hatte er eine Andere gefunden, die ihm -- als
-schnitt ihr Jemand mit scharfschneidigem Stahle das Herz mitten von
-einander, so zuckte sie bei dem Gedanken zusammen -- sie krampfte die
-Hand in einander, und sah mit recht bösem Blick hinab auf das Deck
-der Antoinette; aber er war nicht da; zum vierten Male, kurz zuvor,
-ehe sie zu Directors fuhr, bestieg sie noch einmal den Balkon; sie
-mußte sich da noch einen recht schönen Orangenzweig holen, und all
-die hundert Orangerie-Bäume im Garten unten, blühten nicht so schön,
-als der auf dem Balkon. Wie ein Engel vom Himmel gekommen, sah das
-bildschöne Mädchen in ihrem blendendweißen Prachtgewande, auf dem, in
-luftiger Höhe kühn schwebenden Balkon aus. Von den Verdecken aller
-Schiffe im Hafen, sahen sie nach der himmlischen Gestalt herauf, und
-in den Sprachen aller Völker der Erde, ertönte einstimmig das Urtheil,
-daß das ein wunderhübsches Kind sey; aber Er -- Er war immer noch
-nicht da. Abscheulicher Mexikaner, rief sie im drohenden Scherz leise
-hinab: wo steckst Du? In dem Augenblick kommandirte eine Stimme auf der
-Antoinette, spanisch: ~Saldat a la banda~, (fallt auf’s Fallreep)
-und die Matrosen ließen die Fallreepstreppe an der Steuerbordseite
-hinab, und der alte Doctor Brehme stieg am Bord.
-
-Er ist krank, sagte sie mit gebrochener Stimme: und er hat keine, die
-ihn pflegt, und ich bin böse auf ihn gewesen, daß er nicht da war, und
-er ist doch so unschuldig. Ich, ich bin die Ursache seiner Krankheit,
-denn bestimmt hat er sich gestern Abend, da draußen auf der Galerie, in
-dem kalten Meeres-Thau erkältet, und nun kann ich ihm meine Sorgfalt,
-meine herzliche Theilnahme mit nichts, mit gar nichts beweisen. Gott,
-wenn es nur nicht gefährlich ist -- der Tante schwarzes Kreppkleid aus
-Lima! -- da habe ich ja die schreckliche Lösung des Traumes, über den
-ich und die Mutter heute früh noch lachten.
-
-Aber hier sind Sie? unterbrach ihr Selbstgespräch die athemlose
-Köchinn: die vierrädrige Barkasse liegt vor der Thür schon länger denn
-eine halbe Stunde. Der Steuermann vorn auf dem Bratspill klatscht, zum
-Zeichen, daß er da sey, mit seinem Steuerruderchen, daß alle Leute
-auf der Straße stehen bleiben; er hat schon, Gott weiß wie lange, die
-Pitsjahrs-Flagge am Vortop aufgehießt,[7] und ich kann Sie nirgends
-finden. Wollen Sie nicht Extraliegegeld zahlen, so kommen Sie ja gleich.
-
-Sie mußte fort, in die widrige Gesellschaft, in der sie keine Freude
-finden konnte.
-
-Das ist kein Ballgesicht, sagte die Mutter, als sie kam, um sich bei
-dieser zu verabschieden: was fehlt dir Kind? Du hast ja nasse Augen,
-Mädchen?
-
-Nichts, mein Mütterchen, man hat so seine Tage, entgegnete Hulda
-lächelnd: ich bliebe heute viel lieber zu Hause; die Mutter aber
-meinte, wenn sie nicht krank sey, so müsse sie sich dergleichen
-Mißlaunen nicht so hingeben; sie werde sich bestimmt recht wohl
-dort befinden, und da viel Fremde eingeladen wären, gewiß manche
-interessante Bekanntschaften machen. Dein Englisch, setzte sie
-mütterlich wohlwollend hinzu: mußt Du noch viel mehr üben; wenn Du mit
-jungen Britten sprichst, bist Du immer etwas befangen; hast Du daher
-Gelegenheit, heute englisch zu sprechen, so versäume sie nicht; das ist
-so gut, als hättest Du beim Lehrmeister zwei Stunden.
-
-Desto geläufiger geht es jetzt mit dem Spanischen, entgegnete Hulda
-selbstzufrieden, und dachte im Stillen, daß sie mit dem jungen
-Mexikaner sich gewiß recht gut verständigen wollte, wenn sie ihn nur
-einmal spräche; die Mutter aber erwiederte scharf, daß +die+
-Sprache ihr eigentlich ganz überflüssig, und der Unterricht darin,
-gleich vom Anbeginn an, ihrem Willen ganz entgegen gewesen sey;
-sie empfahl ihr, beim Tanze sich recht in Acht zu nehmen, wünschte
-ihr recht viel Vergnügen, und freute sich, morgen früh von ihr
-umständlichen Bericht über das Fest zu vernehmen.
-
-Der Wirrkopf mit den blauen Augen krank in der Kajüte, und sie auf dem
-Balle! Ein recht widriger Kontrast! Sie nahm sich vor, keinen Schritt
-zu tanzen, und recht zeitig nach Hause zu fahren; vielleicht war es
-doch noch möglich, heute Abend, auf seinem Verdeck, von ihm etwas zu
-erspähen, und wenn es auch nur das Licht in seiner Kajüte sey. In dem
-Augenblick, als sie in das Vorzimmer des Gesellschaftsaales trat, holte
-sie der Doktor Brehme ein, der ebenfalls als Gast hier erschien. Sie
-waren, fragte sie, vom Zufall überrascht: eben am Bord der Antoinette
-im Hafen; haben Sie dort einen Kranken? Sie erschrak, als sie die Frage
-glücklich heraus hatte, aber so gestellt, konnte der Doctor ja ihren
-Grund unmöglich bemerken; doch die Antwort blieb ihr der Gefragte
-schuldig; denn die Flügel der Saalthüre öffneten sich, und sie mußte
-eintreten.
-
-Sie verneigte sich mit holder Anmuth gegen den großen glänzenden
-Halbkreis der geschmückten Versammlung, und ein halbleiser Beifallslaut
-in der ganzen Gesellschaft, sprach das stille Entzücken aus, mit dem
-die Erscheinung der Liebreizenden alle Anwesenden überrascht hatte.
-Schönheit, Unschuld und Jugend, diesen drei Grazien wird überall
-die zarteste Huldigung zu Theil. Aber zauberischer als heute, hatten
-auch des Mädchens älteste Bekanntinnen es nie gesehen. Hulda schaute
-mit schüchterner Befangenheit im Zirkel umher, um die Frau vom Hause
-herauszufinden, da traf ihr Blick auf den jungen Mexikaner. Der Wirth
-des Hause wisperte ihm in das Ohr: das ist unser Admiralschiff, das
-schönste Mädchen der Stadt, und der junge Fremde erwiederte freundlich
-lächelnd: ich streiche die Flagge.[8] Der Director näherte sich dem
-holden Mädchen, um es zu bewillkommen, führte es seiner Gattinn zu,
-fragte nach dem Befinden der Mutter, und betheuerte mit schönen Worten,
-daß Hulda immer liebenswürdig sey, aber heute müßte Adonis selbst ihre
-Toilette gemacht haben, denn reizvoller sey sie nie gewesen. Europa,
-setzte er scherzend hinzu: Europa nicht allein, liegt Ihnen zu Füßen;
-die fernsten Welttheile bringen Ihnen sogar ihre Huldigungen dar.
-
-Der glatte Freund aller schönen Mädchen und Frauen, ein deckenhoher
-Spiegel, vor dem sie eben stand, und auf den sie verstohlen einen
-halben Seitenblick warf, flüsterte ihrer kleinen Eitelkeit zu, daß sie
-heute recht hübsch sey, und des Mexikaners seemännisches Kompliment
-vom Streichen der Flagge, hatte ihrem Ohre wohlgefällig geschmeichelt.
-Der junge Mann schien das Deutsche recht gut zu sprechen. Schade!
--- sie hätte sich lieber spanisch mit ihm unterhalten; die andern
-hätten dann ihr Gespräch nicht verstanden, und ihm, meinte sie, wäre
-es gewiß angenehm auffallend gewesen, hier ein Mädchen zu finden, das
-seine Muttersprache verstehe. Sie war, wie wohl jedes anspruchlose
-Mädchen, mit einer Art von Beklommenheit, in den großen eleganten
-Kreis getreten, aber jetzt, -- war es der Beifall, den sie in jedem
-Auge gelesen, oder das, was der Herr vom Hause, der Director, von den
-Huldigungen der fernen Welttheile gesagt, oder was da drüben der junge
-hübsche Mensch mit den dunkelblauen Augen, vom Flaggen hatte fallen
-lassen, kurz sie fühlte, daß sie hier das Admiralschiff führe. Aber so
-kühn sie auch jetzt in See stach, so konnte sie doch ihr Auge nicht
-zu ihm selbst wenden; das Herz klopfte ihr unter dem Blumenstrauß am
-Busen, daß alle Blätterchen zitterten.
-
-Maklers Suschen war auch da. Hulda ging auf sie zu, um über ihren
-gestrigen Sturmbesuch, von ihr näheren Aufschluß zu erhalten, diese
-aber stellte der Neugierigen den neben ihr stehenden Herrn vor, und
-fragte heimlich lachend, ob sie ihn nicht mehr kenne?
-
-Ein linkischer, dürrer langer Stock, mit hängenden Knieen; mit, bis
-über die klapperbeinigen Waden, herabhängenden endlosen Rockschößen
-und, dem ganzen, allem Geschmack und allem Anstande Hohn sprechenden
-Aeußern nach, ein forcirter Engländer; das Auge grau und matt; das
-durch die enge Halsbinde roth geschnürte Gesicht mit Blüthchen und
-Schwären bedeckt, und in jedem Zuge Spuren eines Londoner Wüstlings,
-der nur in den ~Passages of Leicester, Fitzroy Square, Straffort
-Street~, und ähnlichen Orten, seinen Freuden nachgejagt, und nichts,
-als Langeweile und Lebensüberdruß aus jener Nebelinsel mitgebracht
-hatte. Er redete Hulda englisch an, und versicherte, daß er das
-Deutsche während der sechs Jahre seiner Abwesenheit fast ganz vergessen
-habe, und Hulda erkannte in ihm, Suschens Bruder, Kasperchen, einen
-sonst gewaltig dummen Jungen, den die ganze Stadt ehedem hänselte,
-und der, als Deutschlands männliche Jugend das Schwerdt ergriff, um
-Napoleons Tyrannenketten zu zerhauen, sich aus angeborner Abneigung
-gegen das Kriegsleben, nach London verkrümelte, um dort die Sache
-in Ruhe abzuwarten. Mit dem Vermögen und dem Kredit seines Vaters,
-eines sehr wohlhabenden Mannes, führte ihm der Zufall einen jungen
-mittellosen, aber höchst speculativen Engländer zu, der sich mit ihm
-verband, und ihm, in der goldnen Zeit der brittischen Alleinherrschaft
-auf allen Meeren, sehr große Reichthümer erwarb, und jetzt war
-Kasperchen, nachdem die dummen Teufel, seine wackern Jugendbekannten,
-Arm und Beine, Blut und Leben verloren hatten, mit fast einer Million
-Thalern, auf dem gestrigen Kutter, nach Hause gekommen, weil in der
-einfältigen Friedenszeit, drüben auf der Krämer-Insel, nichts Rechtes
-mehr zu verdienen war. Das Alles erzählte Kasperchen der überraschten
-Hulda englisch, und lag dabei mit dem lüsternen Blick seiner verlebten
-Augen, so starr auf des wunderlieblichen Kindes frischen Liebesreizen,
-daß diesem vor den Faunenblicken des achtundzwanzigjährigen Greises,
-angst und bange ward, und sie mit heimlichem Grauen sich von ihm
-wandte, denn es war ihr in seiner Nähe, als stände sie in einem
-Dunstkreise von allerlei schmorenden Giften.
-
-Die junge Welt rüstete sich zum Tanze, und Suschen fragte den Bruder,
-ob er nicht Hulda auffordern wolle; dieser meinte aber, in London tanze
-ein junger Mann von feinem Geschmack gar nicht; man stelle sich, den
-Hut in der Hand, unter die Zuschauer und spiele ein Bischen Moquirens,
-das wäre ein göttliches Vergnügen, und ergötze im geistreichen Cirkel
-viel mehr, als die albernen Hopsasas, bei denen die Tänzer mehr Schweiß
-vergössen, als das ganze Fest des einfältigen Wirthes gewöhnlich werth
-sey.
-
-Suschen lachte beifällig, und fragte Hulda, ob der Bruder sich
-in den paar Jahren nicht sehr zu seinem Vortheil geändert habe.
-Außerordentlich, erwiederte diese, von kaltem Schauder überreift, und
-dankte ihrem Schöpfer, als der Director kam, und sie durch das Gesuch,
-mit ihm den Ball zu eröffnen, der Fortsetzung dieser Unterhaltung
-überhob.
-
-Die Flügelthüren des hocherleuchteten Ballsaales flogen auf.
-Eine herrliche Polonaise mit Trompeten und Pauken, begrüßte die
-Eintretenden, an deren Spitze die engelschöne Hulda, an der Hand
-des gastlichen Wirthes voranschwebte. Sie tanzte mit hinreißender
-Anmuth, aber ihr war es, als hätte sie Blei in allen Gelenken, denn
-der Mexikaner -- warum hatte sie aber auch hingesehen! doch, nur
-vorbeigestreift war ihr Blick, ach nur so halb vorbei geflogen -- er
-tanzte mit Gustchen, der Tochter vom Hause, und war, einen Augenblick
-nur von ihr in einer Tour abgekommen, so verwirrt geworden, daß er alle
-Gissing[9] verlor, einen wahren Wan-Cours in lauter loxodromischen
-Linien[10] steuerte, und, wie ohne Compaß, verweht und verschlagen, im
-Saale herumirrte, bis sein Convoi, Directors Gustchen, ihn wieder in
-die Colonne bugsirte.
-
-Der kühne Mensch, der die halbe Welt umsegelt, der mehr denn zwanzigmal
-den dringendsten Gefahren des Lebens die Brust muthig gewiesen, und
-wenn alles um ihn herum zu verzagen angefangen, den Kopf allein oben
-behalten hatte -- jetzt -- ein einziger Blick von diesem zauberholden
-Mädchen -- und er war in den Grund gebohrt. Ohne es selbst zu wissen,
-legte er seine Rechte, so oft er sie in der Polonaise frei bekam, auf
-das Herz, als ras’ten in diesem alle zwei und dreißig Compaß-Striche
-vom Boreas bis zum Mesocircius gegen einander.
-
-Ihr Schiff hat einen Leck gesprungen, sagte Gustchen lachend, darf ich
-mit einem gespickten Bonnet[11] aufwarten, oder am Ende ist wohl gar
-ein Pfröpfchen nöthig?[12]
-
-Seyn Sie ein mitleidiger Lotsen, erwiederte der junge Mexikaner
-bittend: und bringen Sie mich in die Docke[13]; Sie kennen das
-Fahrwasser hier, und die Untiefen und Bänke; meine Anker und Taue sind
-klar[14] und meine Pässe in beßter Ordnung.
-
-Ich verstehe, mein Freund, entgegnete Gustchen schalkhaft: behalten Sie
-aber nur die freundlich leuchtende Blüse da vorn an der Spitze unserer
-Polonaisenzunge, hübsch im Auge, und Sie werden alle Bänke und Klippen
-glücklich umfahren.
-
-Während dieses sinnigen Zwiesprachs, in dem Gustchen, Hulda’s innern
-Werth, des breiteren auseinandersetzte, fragte diese der Vater, was
-sie denn zu dem englisirten Casperchen gesagt habe, und zog über den
-unausstehlichen Gast waidlich her; nein, fuhr er fort und tanzte neben
-der Horchenden plaudernd weiter: nein, da lobe ich mir den jungen
-Mexikaner; das ist ein flottes Kerlchen; wie eine Tanne gewachsen,
-Licht im Kopfe, Gesundheit auf den Wangen, Kraft im Arme, und Courage
-in der Brust. Im vierzehnten Jahre schon hat er als Cadett bei der
-Marine gedient, und zwei Seegefechte mitgemacht; Huldchen, das will
-was sagen; so eine Geschichte ist wahrhaftig nicht spaßhaft; ringsum
-Tod, und nirgends Rettung -- erlauben Sie! mein Sopha ist mir lieber;
-so viel Haare der Mensch auch auf den Zähnen hat, aber davon spricht
-er doch mit allem Respekt. Vom Despensero[15] hat er sich nach und
-nach bis zum Teniente[16] hinauf geschwungen, und nach dem Frieden als
-Capitain seinen Abschied genommen; seitdem hat er den Geschäften seines
-früher schon verstorbenen Vaters sich selbst unterzogen und, Huldchen,
-die gehen in das Ganze; solcher Schiffe, als er hier im Hafen liegen
-hat, besitzt er netto ein Dutzend, und was kosten die, und was bringen
-die ein! Huldchen, der Mensch scheint zum Anker gehen zu wollen, wird
--- er tippte ihr schelmisch-lächelnd auf das Herz -- wird hier der
-Flügel[17] wohl Grund fassen?
-
-Herr Direktor, entgegnete Hulda, im dunkelsten Purpur erglühend, und
-haschte mit Hast nach einem andern Gegenstande des Gesprächs: wir
-tanzen jetzt vor, und sollen nicht plaudern.
-
-Lassen Sie, Huldchen, entgegnete der Tänzer mit gutmüthigem Spötteln:
-die andern kommen schon nach, ich weiß, was ich weiß; umsonst klettert
-so ein seefüßiges[18] Eichhörnchen nicht auf den Mars, umsonst bläs’t
-der blöde Schäfer nicht stundenlang die zartesten Lieder seiner Leiden,
-auf der schmachtenden Flöte; umsonst legt er sich am hellen lichten
-Tage nicht auf die Astronomie! Huldchen erlauben Sie mir aber nun auch
-bei Ihnen ein kleines Lothchen zu werfen.[19]
-
-Unsere Polonaise nimmt kein Ende, sagte Hulda, -- halb todt vor
-Schrecken, daß der Direktor, Gott weiß woher, des Mexikaners gestrige
-Faseleien kannte, als hätte er sie selbst mit angesehen, -- wir werden
-aufhören müssen.
-
-Gleich, erwiederte der Direktor: sobald Sie mir gesagt haben, wie es
-mit Ihrem Ankergrunde aussieht; und sollten wir bis morgen früh hier
-herum polonisiren, eher lasse ich Sie nicht los.
-
-Fürchten Sie, auf scharfen[20] oder auf Wellgrund[21] zu stoßen? fragte
-Hulda lächelnd, und verbeugte sich, um den Tanz zu beendigen und dem
-weitern Examen zu entgehen; da folgten denn die übrigen Tanzenden dem
-Signale des Schlusses, und Gustchen kam als treuer Lotse, und führte
-den blanken See-Capitain durch das Gewirre der aufgelös’ten Tanzpaare,
-und stellte ihn der Lieblichen vor, mit der Bemerkung, daß er gekommen,
-um sie um den nächsten Walzer zu bitten.
-
-Der Capitain hatte unterdessen wieder Besinnung und Ruhe gewonnen;
-er näherte sich der Königinn des Balles zwar Anfangs mit einiger
-Schüchternheit, die ihm jedoch recht gut ließ, aber nach und nach ward
-er unbefangener; er nannte Hulda seine schöne Nachbarinn, und machte
-ihr im Scherz Vorwürfe über die Härte, mit der sie ihre armen Blumen
-auf dem Balkon habe bisher verschmachten lassen. Gestern, meinte er,
-hätten sie von ihrer stiefmütterlichen Milde die ersten Tröpfchen
-Wasser endlich einmal bekommen, und so viel er von Weitem erkenne,
-wären doch Blumen darunter, die täglich wollten begossen seyn. Die
-schöne Zeit ihrer Blüthe, setzte er mit einem halb unterdrückten
-Seufzer hinzu: dauert ja ohnehin nur einige Wochen noch; dann sind sie
-vergangen, und dann ruft sie die herzlichste Pflege nicht wieder in das
-Leben zurück.
-
-Hulda -- kein Mensch in der Welt hatte sie die Spitzbuben Sprache der
-Liebe gelehrt, aber, so sind die allerdurchtriebensten Spitzbuben
-unter der Sonne, die Mädchen, wenn es die Linguistik des Herzens gilt;
-Schlauköpfchen Hulda verstand jedes Wort.
-
-Nach ihrer Grammaire übersetzte sie sich die sinnige Rede des
-jungen Capitains, den sie jetzt in der Nähe noch viel tausendmal
-liebenswürdiger fand, und dessen schönes, reines Deutsch ihrem Ohr
-unbeschreiblich wohlklingend lautete, also: Seit ich im Hafen liege,
-bist Du ein einziges Mal nur auf Deinem Balkon sichtbar gewesen. Ich
-sehne mich nach Dir, wie deine Blumen nach frischem Wasser; in Kurzem
-lichte ich die Anker. Sey barmherzig, und schenke mir bis dahin die
-Freude, Dich zu sehen, täglich.
-
-Es entspann sich von da ab, das Gespräch immer lebendiger, beide
-waren bald wie vertraute Bekannte; in dem ganzen Wesen des jungen
-Seemannes lag so etwas herzliches, offenes, biederes, und Hulda, das
-reizende Himmelskind, ward so ungebunden, und entfaltete ihren tiefen
-Werth mit solcher Anmuth, und gab sich ihm so natürlich hin, daß der
-Handelsgerichts-Direktor, der Beide von Ferne bemerkte, zu Gustchen und
-deren Bräutigam sagte: Kinder, die da drüben segeln vor dem Winde[22],
-das Schiffchen lüstert auf’s Steuer, wie ein Häring[23].
-
-Je mehr der Ueberglückliche das Mädchen ansah, desto bestimmter
-überzeugte er sich, dieses Gesicht schon irgendwo im Leben gesehen
-zu haben, nur war es, wie ihm dünkte, blässer, und vielleicht etwas
-weniger schön gewesen. Er sann und sann, aber das war ja nicht möglich.
-Es war dieß der erste europäische Hafen, den er besuchte, und Hulda war
-keine zehn Meilen über die Küste des Meeres hinaus gekommen.
-
-Endlich -- ja, jetzt hatte er es. Ein musterhaft gearbeitetes
-Miniatur-Bild mit goldenem Reif -- bei seinem verstorbenen Vater hatte
-er es einmal -- doch eben begann der muntere Walzer.
-
-Brust an Brust, Auge im Auge, die Arme süß verschlungen, drehte das
-bildschöne Paar, im getäfelten spiegelglatten Saale lustig auf und
-ab, daß die rasche Musik kaum Athem hatte, den beiden sausenden
-Wirbelwinden zu folgen. Wie eine Luft-Säule um ihre Achse mit
-Schnelligkeit sich dreht, und dabei immer weiter und weiter von dannen
-braus’t, wie der gewaltsame Küsel[24] auf des Meeres Spiegelfläche,
-so luftig und leicht flogen sie, eng in einander verschränkt, dahin,
-und entzückten, durch ihre zauberische Anmuth, den ganzen Saal. Selbst
-Caspar, der bei einem Ausfluge nach Paris, Anatole und die Bigottini,
-den gewandten Hoguet und die vierte Grazie, die liebliche Lemiere,
-und in London die Milanie und Lupino gesehen hatte, und alles, was
-nicht von daher war, gern herabwürdigte, gerieth über die Federkraft
-dieses Zephyrpaares in eine solche Exstase, daß er, von der haardünnen
-Scheitel bis zu den schlotternden Knieen, ein hüpfendes Zucken im
-ganzen Leibe verspürte, und jetzt gern mitgetanzt hätte, wenn die
-kranken Röhren seiner schwachen Gebeine solches zu leisten nur irgend
-im Stande gewesen wären.
-
-Er trat, als der Walzer endete, näher zu Hulda, und wollte ihr etwas
-Schönes sagen, aber es war ihr, als überflöge sie ein eisiger Reif,
-so kalt wurden ihr Stirn und Wange, Hals und Busen, in der Nähe des
-englischen Narren. Den Capitain ignorirte er, das war, meinte er,
-brittische Sitte; wollte der Mensch Bekanntschaft mit ihm machen, so
-konnte er ihn anreden; aber dazu schien der Mexikaner nicht viel Lust
-zu haben. Hulda hatte Casperchen stehen lassen, ein Gleiches that der
-Capitain; diese suchte dafür Hulda auf, und setzte sich auf den neben
-ihr befindlichen Sessel.
-
-Die deutschen Engländer sind mir in den Tod zuwider, sagte Hulda: der
-Mensch ist bei uns geboren und erzogen, ein Paar Jahre nur in London
-gewesen, und thut nun, als ob er von seiner lieben Muttersprache kein
-Wort mehr kennte.
-
-Unsere Eskimo’s, hob der Capitain lachend an, sehen nicht viel
-besser aus; ziehen sie dem Patron einen grönländischen Frack von
-Seehundsfellen an, so haben Sie in dem olivenfarbenen Gesichte mit dem
-starren, dünnen kohlenschwarzen Haar, einen Grand von Labrador, wie er
-leibt und lebt.
-
-Hulda erschrack über das hingeworfene Gleichniß des Scherzenden; denn
-sie gedachte des Eskimo’s am gestrigen Abendhimmel, dem Casperchen, bei
-näherer Betrachtung, wie ein Ei dem andern glich. Der Capitain aber,
-der jetzt Hulda in tiefem Sinnen bemerkt hatte, sprang auf, und rief:
-sie ist es wahrhaftig selbst; -- nur bleibt mir ewig unbegreiflich, wie
-das Bild --
-
-Kolonne, Kolonne, ertönte es im Saale; man trat zur Ecossaise an, und
-Hulda ward ihm von einem Dritten entführt.
-
-Er sah ihr nach, und in seinem schmachtenden Blicke lag das Uebermaß
-seines Entzückens, das Mädchen gefunden zu haben, das von der frühesten
-Jugend ab, in jenem ferneren Welttheile, sein Herz so wunderbar
-beschäftigt, und den ersten Träumen seiner Schwärmerei, wie ein
-zauberisches Ideal vorgeschwebt hatte.
-
-Gustchen, Bräutchen, Schutzgeist, rief er, als diese zufällig eben
-bei ihm vorüberging, seiner nicht mehr mächtig: seyn Sie meine
-Vermittlerinn.
-
-Gustchen stutzte freundlich, und sah ihm staunend in das Gesicht.
-
-Sie sind Braut, fuhr er fort: Sie verstehen mich daher, Sie müssen,
-Sie werden mich verstehen. Sagen Sie dem Götterkinde mit den großen
-brennenden Augen da drüben, daß es mich zum Glücklichsten aller
-Glücklichen machen kann. Der Orizava bei uns, hat zwanzig Jahre lang
-Feuer gespieen, aber er ist gegen die Glut, die mir hier in der Brust
-lodert, ein wahrer Bärenberg[25] auf der Iwan-Maien-Insel.
-
-Gustchen wehete sich, das Lachen verhaltend, Kühlung mit dem
-Taschentuche zu.
-
-Sprechen Sie mit dem Engelskinde, sagte der Capitain ängstlich bittend
-und nahm Gustchens Hand zwischen die seinen: ohne Hulda kann ich nicht
-zurück; ich bin ihr fremd, und in den Paar Tagen meines Hierseyns kann
-sie mich nicht kennen lernen, nicht liebgewinnen; aber -- ach Gott,
-wenn ich mich ihr nur so recht -- ich weiß selber nicht, wie ich sagen
-soll; so ist mir in meinem Leben nicht gewesen; ich möchte, daß sie
-durch mich durchsehen könnte, sie würde keinen Schattenfleck in mir
-finden; ich bin rein und klar, und was ihr Herz nur wünschte, will ich
-ihr gewähren. Auf den Händen will ich sie tragen, sie soll ein Leben
-haben, wie im Himmel. Gustchen, liebes englisches Gustchen, sprechen
-Sie mit ihr, aber heute noch; morgen ist dann unsere Verbindung, und --
-
-Warum nicht lieber heute gleich? fiel ihm Gustchen, dem die
-entsetzliche Eile höchst komisch vorkam, in das Wort.
-
-Mir auch recht, fuhr er ernsthaft und dringend fort: auch heute noch.
-Meine Ladung ist gelöscht, mein Schiff hat die Rückfracht eingenommen,
-ich kann morgen fort -- mit ihr, mit ihr in See.
-
-Aber, mein Himmel, fragte Gustchen, und schüttelte über den
-unaufhaltsamen Ehelustigen den Kopf: warum denn das alles so rasch?
-
-Ich kann, ich darf nicht warten, entgegnete der Capitain: ich gehe
-von hier nach Vera Cruz, verweile ich hier zu lange, so komme ich im
-März hin -- und Kind, dann wirthschaften dort unter dem brennenden
-Himmel der Tropen-Länder, die Nordwestwinde so fürchterlich, daß das
-auftobende Meer oft hoch über Stadtmauer schlägt -- dann ginge meine
-Antoinette mit Mann und Maus zu Grunde -- und ach Gott, meine Hulda,
-mein liebes, niedliches Herzensmäuschen -- ich gäbe mich ja selbst
-jenseits nicht zufrieden, wenn diese durch mein Zaudern hier, dort im
-Angesichte des +Cofers von Perote+ und der Gebirge von +Villa
-Ricca+ ihr Blüthenleben in der Tiefe des Meeres endete. Gustchen,
-seyn Sie christlich. Sprechen Sie für mich. Im Tempel des Mondes,
-der auf dem Hügel von +Toatihuacan+ noch aus den Zeiten der
-+Olmeken+ dicht vor Mexico prangt, lasse ich, zum ewigen Danke,
-Ihren Namen in Gold graben.
-
-Liebster Capitain, erwiederte Gustchen und legte sorglich die Hand auf
-seine Stirn: haben Sie Pulk[26] am Bord ihrer Fregatte?
-
-Berauscht bin ich, Gustchen, versetzte Alonso: aber nur von der Liebe,
-und dieser selige Rausch soll nicht eher verfliegen, als bis die
-Granitwände des Hafens +Acapulco+ zu Staub zermürmelt sind.
-
-Aber lieber Freund, erwiederte Gustchen, mit herzlicher Theilnahme:
-Ihre Liebe, verzeihen Sie meiner Offenheit, aber sie kommt mir vor, wie
-die +Nortes de Hueso colorado+, in ihrem Meerbusen, von denen Sie
-uns heute Mittag erzählten.
-
-Ein Windstoß -- ein rasender Windstoß nur sollte meine Liebe seyn?
-fragte Alonso laut lachend. Mein Kind, lesen Sie +Halley+, und
-+d’Alembert+, +Bernoulli+ und +de Luc+; die werden Ihnen
-von den +beständigen+ Ostwinden zwischen den Wendekreisen ein
-Mehreres erzählen; zu +der+ Sorte, Engel, gehört meine Liebe.
-
-Also immer doch Wind, und Wind und Wind, fiel ihm Gustchen bedenklich
-in das Wort.
-
-Der Wind ist mein Element, Gustchen, sagte Alonso entschuldigend: er
-führte mich hierher und mit seiner Hülfe werde ich meine himmlische
-Hulda, die glänzendste aller Prisen, glücklich aufbringen.
-
-Haben Sie denn schon den Marquebrief dazu, mein Herr Capitain, fragte
-scherzend Gustchen: ohne diesen, nehmen Sie sich in Acht, unsere
-See-Gesetze sind streng, ohne diesen sehen wir Sie als Räuber an.
-
-Sie sollen mir den Marquebrief ausfertigen, Gustchen, Sie, entgegnete
-Alonso, und schien die Idee zu haben, daß sie die Sache gleich in’s
-Werk setzen sollte; aber Gustchen fragte, was er wohl glaube, daß
-Hulda von ihm denken werde, wenn er nach der ersten Unterhaltung von
-wenigen Minuten ihr, ohne sie im mindesten näher zu kennen, seine Hand
-antrage, und von ihr verlangen wolle, sich hierüber gleich stehenden
-Fußes zu erklären. Vater und Mutter auf immer und ewig zu verlassen,
-setzte Gustchen hinzu: und einem Manne, mit dem man keine tausend Worte
-gewechselt, den man kaum sechszig Minuten gesehen hat, zwei tausend
-Meilen weit zu folgen, und ihm die ganze Lebenszeit zu gehören, Freund
-Capitain, ist diese Idee kein Windstoß? und dann, Sie selbst, Sie
-wissen ja vom Mädchen nichts, als daß es hübsch ist. Von seinem frommen
-Wandel, von der Reinheit seiner Sitte, von seiner Häuslichkeit, von
-seinen Kenntnissen und Fähigkeiten, von seinem fröhlichen, heiteren
-Sinn, von seiner himmlischen Herzensgüte, wissen Sie noch kein Wort!
-Lernen Sie dieses seltene Wesen, mit seinem rein kindlichen Gemüth,
-mit seinem Zartgefühl, im ganzen Umfange seines Werthes erst kennen,
-recht genau kennen, ergründen Sie in der Tiefe dieser schönen Seele,
-die in ihrer Lage wahrhaft heilige Gabe, zwischen Vater und Mutter,
-die ewig kalt neben einander durch das Leben gehen, die versöhnende
-Vermittlerinn zu seyn; betrachten Sie die namenlose Liebe, mit der
-jedes der unter sich heimlich verfeindeten Eltern, an diesem ihnen, im
-eigentlichen Sinne des Worts, von Gott gesandten Kinde hängt, und wie
-es jedem derselben, das, durch ihre sonderbare gegenseitige Stellung
-freudenleere Leben, durch die zarteste Pflichterfüllung, durch die
-anständigste Beseitigung aller Veranlassungen zu Mißhelligkeiten, und
-durch Scherz und Frohsinn zu versüßen weiß, und Sie werden es lieben
-müssen.
-
-Aber da soll doch mein großes Raa-Segel, mit allen Bolten, Schoten,
-Halsen und Nockbindseln, wie mitten von einander reißen! Gott verzeih
-mir die schwere Sünde, aber ich liebe das Mädchen ja schon bis zum
-Rasendwerden. Gustchen, wenn Sie das noch nicht weg haben, so ist ihr
-Peil-Compaß keinen Schuß Pulver werth. Sie reden vom Kennenlernen;
-als ob ich das Himmelskind nicht schon durch und durch kennte; alle
-Menschen, die ich hier spreche, sagen, was Sie sagen; überall höre ich
-nichts als Gutes -- und ach, schon in Mexico -- ich war, glaube ich,
-noch nicht einmal wohlbestallter Seecadet -- betete ich dieses Ideal
-schon an, mit einer Gluth, mit einer --
-
-In Mexiko? fragte Gustchen gespannter und war nahe daran, ihn für
-wenigstens halb wahnsinnig zu erklären.
-
-Sagen Sie, hob er über etwas tief brütend an: hat sich Hulda je mahlen
--- doch das ist ja wieder nicht möglich; ich sah das Bild vor länger
-denn zehn Jahren, und da war Hulda ja noch ein Kind.
-
-Wahrhaftig, ich glaube, Sie reden irre, hob Gustchen scherzend an: was
-denn vor ein Bild?
-
-Hat Hulda, versetzte Alonso, im Sinnen und Nachdenken ganz verloren:
-irgend eine ältere Person ihrer Familie, etwa die Mutter oder eine
-Verwandte, der sie ähnlich, aber sehr ähnlich sieht?
-
-Der Mutter, entgegnete Gustchen, den Sinn der sonderbaren Frage nicht
-verstehend: gleicht sie zum Sprechen, nur daß diese natürlich 20-22
-Jahre älter ist und durch beständiges Kränkeln --
-
-Zum Sprechen? fiel er ihr hastig in das Wort; ist die Mutter hier?
-
-Die finden Sie in keiner Gesellschaft; seit dem ersten Augenblicke
-ihres Hierseyns ist, wie die Eltern mir oft erzählt haben, die Kirche
-der einzige Ort gewesen, den sie besucht; sie scheint mit der Welt
-zerfallen zu seyn, und meidet alle Menschen. Außer alten Maklers, die
-zu den Stillen im Lande gehören, geht sie mit keiner Seele um.
-
-Seit dem ersten Augenblicke ihres Hierseyns sagen Sie, fuhr Alonso in
-großer Spannung fort: ist die Mutter nicht von hier?
-
-Nein, erwiederte Gustchen, und konnte nicht begreifen, was der
-Großinquisitor mit allen diesen umständlichen Fragen wollte: sie ist,
-wenn ich nicht irre, aus Frankfurt am Main.
-
-Alonso fuhr bei dem Worte, wie vom Blitz getroffen auf. Merkwürdig,
-rief er und legte sich die Hand vor die Augen, als starre er vor dem
-verworrenen Gewebe der menschlichen Schicksale, zu dem er den Faden
-fand, erschrocken zurück: aus Frankfurt am Main? Gustchen, wäre ich
-Intendant von Mexico, für diese Nachricht beliehe ich Sie auf ewige
-Zeiten mit den Silbergängen von +Guanaxuato+, +Zacatacas+ und
-+Tasco+.
-
-Gustchen hielt lachend die Hand hin, um den Muthschein auf diese
-unermeßlichen Gruben in Empfang zu nehmen, aber Alonso eilte fort, ging
-in eines der entlegensten Zimmer, das eine Alabaster-Lampe mit ihrem
-traulichen Halbdunkel beleuchtete, warf sich dann auf das Sopha, und
-verlor sich in die Erinnerung seiner Jugend, und in die Pläne seiner
-Zukunft. Die Stille des Kabinets that ihm unendlich wohl, und das
-Rauschen der fernen Tanzmusik wiegte ihn in die süßesten Träume.
-
-Nach länger denn einer Stunde fand ihn Gustchen, das mit dem Bräutigam
-jetzt kam, um ihn aufzusuchen.
-
-Ist das, hob die Muthwillige an: auf Ihren mexikanischen Bällen Mode,
-daß die jungen Herren, statt fröhlich zu tanzen und guter Dinge zu
-seyn, -- sie wollte weiter reden, aber da fiel ihr Blick in seine
-nassen Augen, die durch zerdrückte Thränen die sanfte Bitte thaten,
-seiner nicht zu spotten.
-
-Was ist Ihnen, Freund? fragte Woldemar, der Bräutigam, mit milder Rede:
-Auguste hat mir mitgetheilt, was Sie ihr vertraut; seyn Sie offen gegen
-uns, wir meinen es ehrlich und gut; was ist Ihnen?
-
-Nichts, nichts, entgegnete Alonso wehmüthig lächelnd: ich dachte nur an
-meinen Vater! wenn der noch lebte, und ich führte ihm Hulda als Tochter
-zu -- ich kenne kein seligeres Glück. Laßt, ich bitte Euch Kinder,
-laßt Euch durch das sonderbare Gefühl, was mich überrascht hat, in
-Eurer Freude nicht stören. Auf der ganzen Erde, in Eurer alten und in
-meiner neuen Welt, habe ich Niemand, der die entsetzliche Leere füllt,
-die mir das Herz so weit und so öde macht; ich habe mich in Arbeit
-und Geschäfte gestürzt, und meinte, darüber das himmlische Sehnen
-zu vergessen, was mit süßem Schmerze die Brust mir zerquält. Aber
-an all dem Gelde, womit Fleiß und Ordnung sich bei uns so reichlich
-belohnt sehen, konnte ich keine Freude haben; es fehlte mir immer
-und immer, was ich zu nennen nicht vermochte, da sah ich Euch Beide,
-vom trauten Familienkreise umschlossen, täglich im Arme bräutlicher
-Liebe, hörte von Euren Lippen Euer Glück preisen, las in Euern Augen
-Euer neidenswerthes Loos, und wußte nun, was mir gefehlt hatte. Hulda
--- Ihr kennt ja die Scham der Liebe; sie kann und mag die Geschichte
-ihres Geheimnisses nicht verrathen; ich weiß auch selbst nicht mehr,
-wie das Alles kam; aber wie ich sie das Erstemal sah -- mein Vater,
-ich war noch Kind, als er starb, aber jene Stunde, die letzte seines
-Lebens, werde ich nie vergessen -- der ließ sich von Manuel, seinem
-treuen Sclaven, aus dem Wand-Schränkchen, wozu er Schlüssel unterm
-Kopfkissen hervorholte, ein Miniaturgemälde bringen -- ich sehe es noch
-vor mir; ein schön gestalteter Frauenkopf; vor allem fiel mir die
-Lockenpracht des dunkelen Haares auf; accurat so hatte mein Vater einen
-Onyx, auf dem sich eine herrliche Camee der Julia, der Tochter des
-Kaisers August befand; mit kindischer Neugierde fragte ich ihn, ob das
-die Kaisertochter Julia sey; aber, als ich das schwarze brennende Auge
-sah, und die Purpurlippen und das Lächeln in den Mundwinkeln, da meinte
-ich, es sey wohl meine selige Mutter, denn so hatte Manuel mir sie oft
-beschrieben, der sie gesehen, als sie mit dem Vater eben aus Europa
-gekommen war.
-
-Sie sollte es seyn, entgegnete mein Vater, und betrachtete das Bild
-lange mit thränenschwerem Auge, und drückte es an seine, in leisen
-Todesschauern zuckenden Lippen. Seitdem habe ich das Bild nie wieder
-gesehen, ich weiß auch nicht, wohin es nach dem Tode des Vaters kam,
-aber die sanften Züge dieses himmlischen Gesichts, waren mir geblieben;
-allmählich war die Idee an die wunderschöne Kaisertochter und an die
-Mutter, aus meiner Seele geschwunden, und an beider Stelle ein Wesen
-mir vor die Phantasie getreten, das meine Heilige ward. Ich sah es in
-meinen Träumen, ich liebte es als meinen Schutzgeist, bis ich nach und
-nach älter ward, und dieß Nebelbild meiner jugendlichen Schwärmereien
-allmählich aus dem Gedächtnisse verlor. Aber als ich hier Hulda das
-erste Mal sah, das schwarzbraune Haar in Flechten und Locken wie die
-Camee der römischen Kaisertochter; die seelenvollen großen Augen unter
-den schön geschweiften Bogen; die würzigen Lippen; den Carmin auf der
-pfirsichsammetnen Wange, den zartgeformten Hals; die volle, in frommer
-Keuschheit ruhig wogende Schwanenbrust, und über das alles den Geist
-der höchsten Anmuth, den Himmelsglanz der reinsten Unschuld, den
-unnennbaren Zauber der süßesten Liebe, da hatte ich meinen Schutzgeist,
-die Heilige meiner Jugend wiedergefunden. Sie oder keine! hat mein Herz
-laut gesprochen. Jetzt wißt Ihr, meine Freunde, wie es mit mir steht!
-helft mir, mein Glück mit erringen. Ohne Hulda kann ich nicht leben.
-
-Der Bräutigam schloß Alonso herzlich an seine Brust, und stimmte in
-Gustchens Versicherung ein, daß, so viel sie wüßten, Hulda’s Herz
-noch frei sey, und -- doch sie trat mit Emma, Gustchens Schwester,
-eben selbst in das Kabinet. Beide Mädchen hatten das Brautpaar in
-allen Zimmern gesucht, und Hulda war nicht wenig überrascht, dasselbe
-in tiefem und wie es schien, in recht ernstem Gespräch mit Alonso
-verloren, hier zu finden.
-
-Wir sprechen von Ihnen, hob Alonso an und erfaßte ihre Hand, und machte
-ein so feierliches Gesicht dazu, daß Gustchen angst und bange wurde,
-denn sie meinte, er würde gleich auf dem Fleck um Hulda förmlich
-anhalten. Bei Unterhaltungen dieser Art war, nach ihrer Ansicht, jeder
-Zeuge lästig; sie entfernte sich also mit ihrem Bräutigam und Emma
-heimlich, und Alonso wußte dieß ihr Dank, denn er mußte seinem Herzen
-Luft machen, und Hulda sagen, wie unendlich er sie liebe.
-
-Hulda hörte ihm mit stillem Wohlgefallen zu; er sprach mit sanfter,
-ernster Rede, wie es dem Manne ziemt, wenn er das heilige Geheimniß
-seines Herzens dem Mädchen gesteht, das er sich zur Lebensgefährtinn
-erkohr. Sie wußte selbst nicht, wie ihr geschah; sie hörte das
-Geständniß seiner Liebe mit einer Fassung, als wäre sie darauf
-vorbereitet. -- Sie war es ja auch wirklich; sein Benehmen, seine
-Blicke hatten ihr ja längst gesagt, was jetzt seine Lippen mit so
-reizender Schüchternheit wiederholten. Er setzte ihr mit der Offenheit,
-die er ihr als rechtlicher Mann schuldig war, die Lage seiner Umstände
-aus einander, und aus seinen schlichten Aeußerungen über diesen Punkt,
-der ihr, einzig und allein um der Eltern willen, der Berücksichtigung
-nicht unwerth zu seyn schien, konnte sie wohl abnehmen, daß Alonso, in
-seinem Vaterlande, in welchem Personen von zehn und zwölf Millionen
-Piastern[27] nichts Seltenes sind, nicht der Aermste war, und einen
-ganz vorzüglichen Werth legte sie auf den Schluß seines Antrages, in
-welchem er sich erbot, seinen Wohnsitz, wenn es ihr in Mexico nicht
-gefallen sollte, künftig nach Europa, an jeden ihr beliebigen Ort
-verlegen zu wollen. An ihrer Seite, meine Hulda, setzte er herzlich
-und mit unbeschreiblicher Zartheit hinzu: werde ich in den milden
-Bambuswäldern von Loxa, wie in den wüsten Steppen des goldreichen
-Choco, in den ewig sanften Frühlingsländern von Xaleppa und Tasco, wie
-zwischen den grauenhaften todtenstillen Eiswänden auf Smeerenborg an
-der Spitze des Nordpols, glücklich und zufrieden leben; Sie schaffen
-mir in der neuen, wie in der alten Welt, mein Paradies, und eben
-so wenig, als der Vulkan von Masaya, dessen goldige Flammensäule,
-beständig und immer, zwanzig Meilen weit in das Land leuchtet, seines
-Feuerstrahls je beraubt werden wird, eben so wenig wird die Gluth
-meiner Liebe je verl --
-
-Herr Kapitain, unterbrach ihn Hulda mädchenhaft züchtig, und schlug den
-Zauberblick ihrer zärtlichen Augen, in welchen das Entzücken der Liebe
-lächelte, vor dem lodernden Liebesvulkan zur Erde nieder: Sie sehen
-mich heute zum ersten Mal; diese Raschheit -- ich weiß nicht --
-
-Entschuldigen Sie diese, hob Alonso bittend an, und legte ihre Hand auf
-sein stürmisch bewegtes Herz: mit der heißen Zone meines Geburtlandes;
-dort, wo die Ananas und der Pisang, das Zuckerrohr und die Fächerpalme,
-die Sie hier nur mit Glasfenstern und Oefen treiben, wild wachsen, wo
-alle, auch hier heimische Früchte, saftreicher und frischer gedeihen,
-wo manches, wie z. B. die Mimosen, die Sie hier im Blumentopfe als
-ärmliches Pflänzchen ziehen, mannhohes Buschwerk ist, wo die Tannen,
-wie z. B. auf dem Olymp in Neugeorgien, eine Höhe von dreihundert
-Fuß erreichen, dort sind auch die Menschen anders; ihre Leidenschaft
-ist glühender, ihr Handeln rascher, ihr Wirken kräftiger. Langes
-Zaudern, wie es das Ceremonielle der europäischen Sitte verlangen
-mag, verstattet mir meine Lage nicht. Schlagen Sie ein, meine einzige
-Hulda; mein Herz ist gediegen und schlackenfrei, wie das Gold im
-Berge +Ilimani+,[28] krystallrein meine Seele, gesund und frisch
-mein Blut; Gott sey mein Zeuge, daß ich Keine liebe, als nur Sie; die
-allererste Liebe, Hulda, Himmelskind, sind Sie, und neben Ihnen kann
-ich Keine denken.
-
-Er umschlang das wunderschöne Mädchen, das in süßer Verwirrung sich
-vergaß und, ohne es zu wissen, das schmachtende Auge zu ihm aufhob,
-und ihm, mit beredtem Blicke, seine Gegenliebe schweigend gestand; da
-zog der Ueberglückliche die Heißgeliebte enger an die, in Freude und
-Seligkeit überströmende Brust, und die stummen Lippen näherten sich
-einander zum feierlichen Verlobung-K --
-
-Aber Kinder, rief der Bräutigam, und klatschte lachend in die Hände,
-daß Beide auseinander prallten: der ganze Ball fragt nach dem Herrn
-Mexicaner und nach Ihnen, meine Hulda, und unterdessen steht Ihr hier,
-am fernsten Ende des Hauses, und raspelt mit einander Süßholz! Ja, wenn
-man heut zu Tage das junge Volk nur eine Minute aus den Augen läßt!
-Geben Sie mir den Arm, Hulda, und Sie, Capitain, folgen in einer Weile
-nach.
-
-Hulda ging willenlos, und ihrer selbst sich unbewußt, neben dem
-Bräutigam her, denn sie war in diesem Augenblick mehr in Neuspanien,
-als auf dem Balle; Alonso aber stand eine lange Weile noch, in
-lautloser Verzückung in dem Cabinet, faltete die Hände hoch in die Luft
-hinaus, und rief endlich, als hätte es ihm bis dahin an Athem gefehlt:
-Hulda! Dein! mit treuer Liebe bis zum Tode, Dein.
-
-Hulda hatte unterdessen zur Francaise antreten müssen; aber mit dem
-Tanzen ging es heute platterdings nicht; sie machte nichts als lauter
-Unordnung im ganzen Quarree, denn er stand ja da in dem Fensterbogen
-des Saales, mit verschränkten Armen, und starrte bald nach ihr herüber,
-bald sah er durch die schwitzenden Scheiben hinauf zu den Sternen.
-Droben waren Vater und Mutter. Beide hatte er kaum recht gekannt, aber
-es war ihm, als müsse er heute mit ihnen sprechen, ihnen sein Glück
-erzählen, und Sie um ihren Segen bitten.
-
-Ein bildschöner Abend, sagte Hafencapitains Lina, die schon lange
-die Gelegenheit abgepaßt hatte, mit dem crösusreichen Capitain,
-das Gespräch anzuknüpfen, näherte sich ihm mit einer leichten
-Verbeugung, warf das Auge in den flimmernden Sternenhimmel, streifte
-auf dem Rückwege auf die arme Erdenwelt, mit ihren Blicken an dem
-reizenden Fremdling vorüber, und drückte die dürre Brust aus dem
-kaffeegelben brabanter Kantenbesatz ihres heidnisch zusammengeschnürten
-Ballleibchens möglichst heraus.
-
-Bildschön, bildschön! entgegnete er, noch in tiefen Gedanken, und
-beantwortete ihre entgegenkommende Verbeugung mit einem kurzen
-Bückling.
-
-Bei Ihnen zu Hause, fuhr sie fort, und fand den jungen Piaster-Adonis,
-den sie bisher immer nur von ferne gesehen hatte, im Geheimen ganz
-unaussprechlich liebenswürdig: ist es dort jetzt Tag oder Nacht?
-
-Stockfinster, stockfinster, antwortete Alonso, ohne zu wissen, was er
-sprach, denn er hatte in die Sterne am Himmel, und in die der Augen
-seines Engels drüben in der Francaise gesehen, und sie hatten ihm
-freundlich geleuchtet.
-
-Des Hafencapitains eitles Töchterchen vermeinte, in seiner
-Kurzsylbigkeit ein stummes Zeichen seiner Huldigung zu finden; ihr
-Liebesreiz hatte den blöden Schäfer befangen gemacht, er hatte vor
-Entzücken die Sprache verloren; ich habe mir, hob sie, um das Gespräch
-weiter zu führen, und nach und nach die unsichtbaren Fesseln zu lösen,
-in die ihn ihr zartes Entgegenkommen geschlagen hatte, traulich an: ich
-habe mir dort alle Menschen schwarz gedacht; indessen --
-
-Pechschwarz, pechschwarz! fiel er ihr in das Wort, und ging aus dem
-Fenster, als triebe ihn die Unleidliche von dannen; sie aber sah ihm
-zärtlich lächelnd nach; zehnmal wiederholte sie sich sein bildschön,
-stockfinster, und pechschwarz; mehr, als die drei Worte hatte sie von
-ihm nicht gehört; aber sie hallten in ihrem girrenden Taubenherzen
-wieder, als hätte sie ein Seraph zu ihr gesprochen.
-
-Allen ihren Bekanntinnen erzählte sie, was der Mexikaner für ein ganz
-allerliebster Mensch sey; ihr guter Geist müsse ihr gerathen haben, die
-Francaise nicht mit zu tanzen; sie habe unterdessen eine Unterhaltung
-mit dem Manne gehabt, die ihr tausendmal lieber gewesen sey, als
-zehn Cottillons und alle Francaisen der Welt. Hulda, deren Tanz eben
-beendigt war, stand in der Nähe und hörte jedes Wort.
-
-Ein Glück war, setzte Lina mit recht feiner Koketterie hinzu: daß uns
-Niemand behorchte, denn der Mensch hat die Gabe, einem so niedliche
-Schmeicheleien zu sagen, daß man wahrhaftig recht bescheiden seyn muß,
-um nicht ein Bischen sehr eitel zu werden.
-
-Was sprach er denn von pechschwarz? fragte des reichen Rheders
-goldgelockte Tochter Alma, die in ihrem Quarree, dem Fenster zunächst
-gestanden hatte.
-
-Was mußt Du für Oehrchen haben, erwiederte Lina mit sichtbarer Freude,
-von ihm länger reden zu können. Wir sprachen von den Mexikanerinnen; er
-lobte ihr schwarzes, seidenes Haar, aber solch pechrabenschwarzes, wie
-das meine, betheuerte er, in ganz Südamerika nicht gefunden zu haben;
-er bestand darauf, daß ich ihm eine Locke mitgeben sollte, -- da kann
-der gute Freund aber lange warten.
-
-Nun, und was war denn das mit dem stockfinster, fragte Alma weiter
-und die umstehenden Mädchen stießen sich heimlich mit den Elnbogen
-und ergötzten sich an des einfältigen Dinges ihnen längst bekanntem
-unerträglichem Dünkel; Hulda aber fühlte, wie die bitterste Galle sich
-auf die Frühlingssaat ihrer Liebe ergoß, und die frischen Keime alle,
-wie Mehlthau, vergiftete.
-
-Nein, auch das hast Du gehört, sagte staunend Lina, und lachte: ei,
-das war nichts, als dummes verrücktes Zeug; ich lobte nämlich die
-Beleuchtung des Saals, und sagte, bei ihm, unterm Aequator könnte es in
-der Mittagsstunde nicht heller seyn; da meinte er aber, und legte die
-Hand sich auf das Herz, ihm sey alles stockfinster gewesen, bis ich in
-den Saal getreten; da habe ich ihm aber gut darauf gedient. Ich sage
-Euch, er kann einem Dinge weiß machen, man traut seinen eigenen Ohren
-nicht mehr. Aber liebste Alma, weiter hast Du doch nichts gehört?
-
-Von bildschön war noch die Rede, versetzte diese, und wollte weiter
-reden, aber Linchen hielt ihr den kleinen Schelmenmund zu, und rief:
-nein das ist abscheulich von Dir; aber warte nur, ich will mich bei
-Dir auch einmal auf’s Horchen legen, und dann alles ausplaudern, ohne
-Schonung. Ich konnte ja nichts dafür, wenn Du Achtung gegeben hast,
-so wirst Du gesehen haben, wie er mir auf allen Schritten und Tritten
-nachging, und mich wie ein Schatten verfolgte, bis ich da, wo Du
-tanztest, an das Fenster kam; da konnte ich vor vier, fünf Herren, die
-dort standen, nicht weiter, und fing an zu sprechen, und --
-
-Platz da, Platz da! erscholl es im Saale, und ein auf des Sturmwindes
-brausenden Flügeln heranwalzendes Paar schob Linchen, des Teufels
-Lügenkind, meuchlings auf die Seite, und sprengte das kleine, um sie
-versammelte Auditorium aus einander; Hulda wendete sich, sagte,
-im ganzen Gesicht kreideweiß und den zerreissendsten Krampf in der
-gequälten Brust, halb laut vor sich hin: das ist abscheulich! und stand
-vor Alonso, der sie zum Walzer aufforderte.
-
-Was ist abscheulich, fragte Alonso freundlich, und wollte sich mit ihr
-in die Reihe der Tanzpaare stellen; sie aber wand sich aus seinem Arme,
-gab eine sie schnell anwandelnde Unpäßlichkeit vor, und eilte in das
-nächste Seitenzimmer.
-
-Alonso folgte ihr, doch sie bat ihn, sie allein zu lassen, so dringend,
-daß er, in der Voraussetzung, weiblicher Hülfe zu bedürfen, zu Gustchen
-eilte, und diese ersuchte, ihr Beistand zu leisten.
-
-Gustchen fand sie in Thränen; auf alle Fragen, was ihr fehle, erhielt
-die Bereitwillige keine Antwort, und als Gustchen erzählte, mit welcher
-Todesangst Alonso sie aufsuchte und wie ängstlich Händeringend er bat,
-ihr auf das Schleunigste beizuspringen, erwiederte sie schneidend kurz:
-nichts von ihm, ich bitte Dich, um Gotteswillen, nie wieder ein Wort
-von ihm; laß mir meinen Wagen holen, ich kann nicht bleiben.
-
-Aber sage Mädchen, begann Gustchen theilnehmend: was hast Du, was ist
-Dir?
-
-Morgen, erwiederte bittend Hulda, und zitterte am ganzen Körper: morgen
-will ich Dir alles erzählen; jetzt nur den Wagen.
-
-Gustchen schüttelte bedenklich den Kopf; das Mädchen war vorhin, wie
-sie kam, leichenbleich gewesen, jetzt brannte ihm dunkele Röthe auf
-Stirn, Wange und Brust; es weinte schluchzend, und das Blut jagte ihm
-mit solch’ tobendem Rasen durch alle Pulse, daß der Busen fieberhaft
-schnell auf- und abwogte.
-
-Gustchen ging, und Hulda sank auf das Sopha, und gab sich ihrem
-Schmerze mit kindischer Schwäche hin.
-
-Du bist nicht wohl, höre ich, fragte sie Alma, und legte ihr sorglich
-die Hand auf die brennende Stirn; Hulda aber that sich Gewalt an, sich
-vor ihr zu verbergen, und versicherte, ihr kleiner Unfall habe nicht
-viel auf sich, und werde hoffentlich bald vorübergehen; was sagst
-Du, hob Alma, um die Leidende ein wenig zu zerstreuen, lachend an:
-was sagst Du zu der göttlichen Geschichte mit dem alten Dinge, der
-Caroline? sieh, ich stand drei Schritte von ihr, und habe jede Sylbe
-gehört; an dem ganzen Auftritte ist doch kein wahres Wort; das Mädchen
-kann lügen, wie gedruckt.
-
-Hulda horchte hoch auf, und Gustchen kam zurück, und berichtete, daß
-der Wagen bestellt sey.
-
-Sie -- fuhr Alma unbefangen fort, und ahnte nicht, welchen heilenden
-Balsam sie auf die blutenden Wunden in Hulda’s zerrissenem Herzen
-legte: +sie+ kam auf ihn zu! +sie+ drängte sich an ihn heran;
-+sie+ knüpfte die Unterhaltung an! und er, Gott weiß, was ihm im
-Kopfe stecken mochte, er hörte gar nicht auf sie, er antwortete, ohne
-sie anzusehen, kurz und einsylbig, und ließ sie, da sie ihm anfing
-unerträglich zu werden, im Fensterbogen stehen.
-
-Und die Locke? fragte Hulda, wie aus bösem Traume erwachend, und die
-Wolkenschleier, die ihren Blick trübten, verschwanden und das Auge
-glänzte wieder, wie die Sonne nach schwerem überstandenem Gewitter.
-
-Der Mensch hat nicht daran gedacht, entgegnete Alma: ich sage Dir
-ja, die Caroline hat uns da, in aller Geschwindigkeit, eine Komödie
-vorgelogen, an der auch nicht ein einziges --
-
-Wieder besser? fragte Alonso zärtlich besorgt und steckte den braunen
-Lockenkopf zur Thür herein, und in Hulda’s freundlichem Lächeln lag die
-Versicherung ihrer völligen Genesung; sie hatte ihm ungeheuer Unrecht
-gethan, und mußte das schon ein Bischen wieder gut machen; sie bot
-ihm die zarte weiche Hand, und -- der Mensch ist seiner nicht immer
-mächtig -- und drückte seine Rechte zum Dank für seine Theilnahme recht
-herzlich; dieser sanfte Druck, so unmerklich er auch seyn mochte,
-schlug in das südamerikanische glühende Blut so allmächtig ein,
-daß Alonso, überglücklich, Hulda’s Händchen mit leidenschaftlicher
-Heftigkeit an seine Lippen zog, und komisch naiv versicherte, daß er
-ihrer Unpäßlichkeit noch recht viele kleine Rückfälle wünsche; denn
-Krankheiten dieser Symptome machten sie unendlich liebenswürdig. Der
-schuldlose Mensch! hätte er nur ihre Krankheit gekannt!
-
-Der Bediente, der jetzt meldete, daß der Wagen vorgefahren sey,
-setzte Hulda in unbeschreibliche Verlegenheit. Gustchen, das Alma’s
-Erzählung mit angehört, und sich aus dieser Hulda’s plötzliches
-Erkranken sattsam erklärt hatte, that, aus neckender Schadenfreude,
-der Gepreßten nicht den Gefallen, ihr zum Bleiben zuzureden. Alma aber,
-das schlaue Kind, das sich, die beiden Menschen einander gegenüber,
-Hulda’s schnelles Uebelbefinden, die Heilkraft ihrer Erzählung, und
-Hulda’s Freundlichkeit gegen Alonso, in der eine förmliche Abbitte
-für begangenes schweres Unrecht lag, mit mathematischer Gewißheit aus
-einandersetzte, sagte zum Bedienten mit einem launigen Seitenblick auf
-Hulda: wir sind jetzt wieder besser, der Wagen kann abbestellt werden.
-Gott gebe, setzte die Scharfsichtige, als der Bediente abgetreten war,
-hinzu, und sah dabei recht drohend aus: Gott gebe, daß wir auf immer
-kurirt sind.
-
-Gustchen lachte laut auf, und klatschte vor Freude über Alma’s tiefen
-Blick in die Hände; Hulda aber sagte, halb böse: das ist nicht hübsch
-von Euch; sie legte das erglühende Gesichtchen auf Alma’s Achsel, denn
-sie schämte sich vor den beiden Mädchen, denen die Geschichte der
-viertelstündigen Krankheit und Genesung das Geheimniß ihrer unendlichen
-Liebe, so wie die Gewalt der Eifersucht über ihr armes Herz, verrathen
-hatte.
-
-Mein liebreizendes Mädchen, flisterte ihr Alma, die Purpurwange
-streichelnd, heimlich in das Ohr: zieh hin in Frieden, und hüte Dich
-vor solchem Krankwerden. Dein Mexikaner ist entsetzlich hübsch, dem
-kann kein Mädchen gram seyn; wehrst Du der Eifersucht nicht, so stirbst
-Du in den ersten acht Tagen nach der Hochzeit.
-
-Haben Sie Anfälle der Art schon öfter gehabt? fragte Alonso mit
-gutmüthiger Besorglichkeit. Alle drei Mädchen mußten ihm in das Gesicht
-lachen, und Alma versicherte, daß dieß der guten Hulda zum ersten
-Male in ihrem Leben widerfahren sey; dießmal habe sie die arme Kranke
-geheilt, hinsichtlich der Zukunft aber hänge es vorzüglich von ihm ab,
-ob sich der Anlaß zu öfteren Rückfällen zeigen werde.
-
-Aber Alma, rief Hulda verlegen und unwillig, und eilte, um den
-Neckereien der beiden heillosen Mädchen zu entkommen, in den Saal;
-Alonso, dem dieß alles Hieroglyphen waren, fragte Gustchen scherzend,
-ob er verrathen oder verkauft sey, und diese entgegnete ihm mit
-schäkerndem Muthwillen: verrathen +und+ verkauft.
-
-Ein kurzer Trompetenschmetter rief zur langen Tafel. Alonso, dem dieses
-europäische Speisesignal fremd war, fragte Alma nach der Bedeutung
-desselben, und während ihm diese erklärte, daß der Trompetenschall für
-jeden Herrn das Zeichen sey, der Dame, neben der er bei Tafel sitzen
-sollte, den Arm zu bieten, und sie in den Speisesaal zu führen, war
-Casperchen gekommen, und hatte der erschrockenen Hulda eröffnet, daß
-ihm das Glück zu Theil worden sey, für diesen Abend ihr Tischnachbar
-zu seyn; Alma, die im Gespräch mit Alonso, davon so wenig, als dieser
-selbst bemerkt hatte, ward von einem jungen Herrn abgeholt; Gustchen
-flog bereits mit ihrem Bräutigam der Tafel zu, und Alonso, der jetzt
-allein im Ballsaale stand, und sich in der süßen Hoffnung, neben Hulda
-zu sitzen, nach dieser umsah, bekam vor Unmuth fast eine Ohnmacht, als
-Hafen-Capitains unausstehliches Linchen auf ihn zueilte, sich Glück
-wünschte, vom umsichtigen Wirth des Hauses, einem so interessanten
-Manne, zur Tischnachbarinn bestimmt zu seyn, ihn um seinen Arm bat, und
-die Versicherung hinzufügte, daß sie sich über alle Maßen freue, recht
-viel von seinem Vaterlande zu hören, daß Neuspanien ihr Lieblingsland,
-und es, von ihrer frühesten Jugend an, ihr höchster Wunsch sey, in
-jenen herrlichen Gefilden, wo Gold und Silber, wie hier zu Lande die
-Feldsteine, umher lägen, das Hüttchen ihres häuslichen Friedens für
-immer zu bauen.
-
-Der häßliche Mischmasch mit den Tischplätzen war von Suschen und
-Linchen gekartet worden. Caspar hatte, nach Gustchens Anordnung neben
-letzterer, und Alonso, wie sich von selbst verstand, neben Hulda sitzen
-sollen. Casperchen aber erklärte seiner Schwester, daß, wenn er nicht
-neben Hulda zu sitzen komme, er gleich nach Hause fahre, und Linchen
-steckte Suschen, der junge Mexikaner habe sich recht bitterlich bei ihr
-beklagt, beim Tische ihre Nachbarschaft einzubüßen, und so hatte denn
-Maklers Suschen den Wechsel der Plätze eigenmächtig veranstaltet, und
-freute sich, dem Bruder der Freundinn und dem armen Capitain geholfen
-zu haben; auch Hulda, meinte sie, werde ihr heimlich Dank wissen,
-denn was konnte ihr an dem Amerikaner liegen, der in wenigen Tagen,
-vielleicht auf ewig, wieder in See stach, statt daß Casperchen sich
-mit seinem in London ihm zugeströmten Gelde hier niederließ, und nach
-dem, zwischen den beiden Müttern längst verabredeten, der armen Hulda
-aber noch nicht bekannten Plane, dieser ehestens seine Hand zu bieten
-bestimmt war.
-
-Hulda aß, vor Unmuth über den unwillkommenen Nachbar, an dessen Stelle
-sie sich einen ganz andern gedacht hatte, keinen Bissen, und sprach
-kein Wort. Casperchen erzählte ihr von London, von seinen Geschäften
-und von seinem Gelde, lobte ihre schöne, weiße Haut und ihr Fleisch,
-und versicherte recht spaßhafter Weise, daß eine Brittinn, mit der
-er eine kleine vorübergehende Liebschaft gehabt habe, ihr ähnlich
-sehe, wie eine Schwester der andern, ließ nicht undeutlich fallen,
-daß er, des Herumschwärmens müde, nunmehr in den Stand der heiligen
-Ehe zu treten, nicht übel Willens sey, daß er, wie er sich recht zart
-ausdrückte, glaube, seine Hörner abgelaufen zu haben, und nun eine Frau
-suche, die sich in der Welt zu zeigen wisse, ihn seinen Gang gehen
-lasse, und dabei so hübsch sey, daß sich alle Leute wundern müßten, wie
-er zu der schönen Frau kam.
-
-Hulda hörte von dem unerträglichen Gespräche keine Sylbe; sie sah
-links weg; schräg über, weit unten am Ende der fast unabsehbaren
-langen Tafel, saß Alonso; er aß und trank, als sollte er von morgen
-an, zeitlebens auf der Hungerinsel Kodiak hausen; man sah es ihm an,
-er aß und trank nur aus Verdruß. Der zudringlichen Karoline, die
-ihn mit tausend Fragen peinigte, antwortete er nur mit Kopfnicken
-oder Schütteln, denn sprechen konnte er nicht, weil er beständig
-entweder volle Backen, oder das Glas am Munde hatte. So ärgerlich
-Hulda auch war, sie mußte doch über ihn lachen; je zärtlicher ihm
-Karoline zusetzte, desto größere Bissen steckte er sich in den Mund;
-je deutlicher die Ausbrüche ihres Liebesdranges wurden, in desto
-längeren Zügen schlürfte er seinen Wein, so daß, als sie alle Register
-vergeblich gezogen hatte, und er auf alles nichts, oder höchstens ein
-kurzes hm, erwiederte, sie eher neben einem Kannibalen, als neben einem
-Neuspanier zu sitzen wähnte.
-
-Jetzt kam -- der Spaßvogel, der Herr Oberkonstabler hatte die witzige
-Gesundheit:
-
- Es lebe, wer gern trinkt und liebt,
- Und seiner Nachbarinn ein Küßchen giebt
-
-ausgebracht, -- die Reihe an Alonso. Linchen machte die Schalkhafte;
-sie breitete die Serviette, wie einen Vorhang, zwischen sich und ihm,
-und versteckte sich schäkernd dahinter, den Sturm des liebeglühenden
-Amerikaners mit Verlangen erwartend. Alonso aber that, als habe er von
-der ganzen Gesundheit keine Sylbe gehört, und als Linchen des längern
-Harrens müde, den zärtlichen Schelmenblick über den obern Rand ihres
-Keuschheitserviettchens warf, saß er ganz ruhig und bearbeitete die
-gutgespickte Brust eines feisten Fasans, mit unendlichem Appetite; die
-Umsitzenden lachten laut, und Linchen schmollte mit dem mexikanischen
-Klotze, wie sie ihn nun nannte, von Grund des Herzens.
-
-Gustchen, das am ganz entgegengesetzten Ende der Tafel saß, und in
-der Meinung stand, Alonso und Hulda im traulichsten Gespräch zusammen
-zu finden, erstaunte, als sie jetzt an des Bräutigams Arm die Runde
-machte, um mit den Gästen ihres Vaters ein freundliches Tischwort zu
-wechseln, nicht wenig, Freund Alonso hier neben Hafencapitains Linchen,
-und drüben schräg über, Hulda neben Casperchen zu finden. Sie fragte
-Alonso heimlich, was ihn bewog, seinen Platz, den sie ihm neben Hulda
-bestimmte, zu wechseln; dieser aber, da er hörte, daß ihm sein Recht,
-durch die Eigenmächtigkeit eines Dritten, gekürzt wurde, sprang auf,
-eilte, mit zornfunkelnder Röthe im ganzen Gesichte, zu Casperchen,
-tippte ihm so kräftig auf die Achseln, daß dieser noch acht Tage daran
-zu fühlen hatte, und ersuchte ihn, augenblicklich aufzustehen, und
-ihm Platz zu machen. Hulda zitterte vor Schreck am ganzen Körper,
-Casperchen aber sah sich um, affektirte den Unbefangenen, und that, als
-verstände er die sonderbare Zumuthung nicht.
-
-Herr, sagte Alonso, seiner Wuth fast nicht mehr Meister: ich breche
-Ihnen hier auf dem Fleck Ihre kranken morschen Knochen in einander,
-wenn Sie mir nicht den Augenblick meinen Platz räumen. Zaudern Sie nur
-eine Sekunde, so trete ich Ihnen das Lebenslicht mit den Beinen aus.
-Er blickte ihm dabei so grimmig in die Augen, und griff ihm in das
-mürbe Schulterblatt, auf dem zufällig seine Hand lag, so gräßlich, daß
-Casperchen wohl abnahm, wie mit dieser Riesenkraft nicht zu spaßen sey.
-
-Um kein Aufsehen zu machen! entgegnete Casperchen, und die Lippen
-flogen ihm, daß er kaum reden, und die Kniee schlotterten ihm, daß
-er kaum gehen konnte; und so schlich er, hinter der Tafel, die ihn
-fast laut bespöttelte, zur böslicher Weise verlassenen Lina, die das
-erbärmliche Surrogat ihres verlornen Mexikaners kaum eines Blickes
-würdigte.
-
-Was haben Sie gemacht? fragte Hulda den siegreichen Alonso, mit
-verhaltenem Unwillen. Die ganze Gesellschaft sieht mit zweideutigem
-Blick auf mich; ich sitze wie am Pranger, und morgen bin ich das
-Gespräch aller Zirkel in der ganzen Stadt.
-
-Was ich gemacht habe? erwiederte Alonso, bis zum Muthwillen fröhlich
--- mir mein Recht bewahrt, und das ist jedes Ehrenmannes Pflicht. So
-lange ich glaubte, daß der Wirth des Hauses mich da hinüber neben die
-Schmachtlampe bestimmt hatte, so lange mußte ich, als Gast, seine
-getroffene Einrichtung ehren; sobald aber Gustchen mir sagte, daß mir
-Unrecht geschah, sobald mußte der Patron, der mir schon vom ersten
-Eintritt in die Gesellschaft, wie Brechpulver war, wieder herausgeben,
-was er mir raubte; und hätte es mir, oder ihm, auf der Stelle das
-Leben kosten sollen, ich wäre nicht gewichen. Der Seelenverkäufer hat
-mir eine Stunde gestohlen, die mir mit dem ganzen Lumpenleben dieses
-Lurrendrehers[29] nicht ersetzt werden kann -- und was die Stadt
-anbelangt, die lassen Sie sprechen, was sie will; sie soll hoffentlich
-noch mehr von uns zu erzählen bekommen; glauben Sie, die meisten
-Menschen, selbst in den Zirkeln der höheren Stände, die wir für die
-geistreichern halten sollen, wüßten oft gar nichts zu reden, wenn sie
-nicht über die Leute sprechen dürften. Die Stadt wird uns ordentlich
-verbindlich seyn, wenn wir ihr einmal etwas zu reden geben. -- Hulda,
-setzte er ernster werdend hinzu: meine einzige, liebe Hulda, reichen
-Sie mir Ihre Hand, ich bringe Ihre Gesundheit aus, und die ganze Stadt
-weiß alsdann, woran sie ist. --
-
-Hulda verging fast vor Todesangst, denn er griff schon zum Glase, und
-wollte sich vom Stuhle erheben.
-
-Stürmisches Ungethüm, sagte sie, und wollte böse seyn, und konnte
-doch nicht auf ihn grollen; aber mit Wort und Blick bat sie auf
-das dringendste, sie nicht in diese entsetzliche Verlegenheit zu
-setzen. Sie haben vorhin Ihrer Eltern erwähnt, fügte sie, mit
-niedergeschlagenen Augen hinzu, denn sie fühlte, daß das, was sie sagen
-wollte, mehr, als ein halbes Jawort war, aber der Dränger -- preßte er
-es ihr nicht durch den kecken Vorsatz ab, ihre und seine Gesundheit,
-als Braut und Bräutigam, ausbringen zu wollen? Mußte sie, um ihn davon
-abzuhalten, nicht zum letzten Mittel greifen? Sie haben vorhin Ihrer
-Eltern erwähnt; was würden die meinigen von Ihnen halten müssen, wenn
-Sie hier, ohne ihnen ein Wort gegönnt zu haben --
-
-Darf ich kommen? wann? morgen früh? wie viel Uhr? fiel er ihr in die
-Rede, und küßte, vor Freude halb unsinnig, ihr die Hand bald wund.
-
-Aber Alonso, sagte flehentlich die vom ganzen Umkreise mit Lorgnetten
-und Brillen Beliebäugelte: die ganze Gesellschaft sieht ja auf uns; wir
-sind ja nicht allein!
-
-Wollte doch Gott, erwiederte er lachend: wir säßen auf den berüchtigten
-Inseln zwischen dem Nordcap Tschalaginskoi und Siberien; die sind von
-Rhinoceros- und Elephantenknochen zusammen gefroren; auf denen wohnt
-kein Mensch; dort sähe uns Niemand!
-
-Hulda wollte sich dieses paradisische Eldorado verbitten, aber eben
-kam Gustchen, und meldete ihr den Wunsch des Vaters, baldigst zu Hause
-zu kommen, weil die Mutter wieder recht krank sey. Sie stand daher
-eilig auf, bat, vorfahren zu lassen, und hörte, von der unerwarteten
-Nachricht erschüttert, nur mit halbem Ohr, Alonso’s Bedauern, daß sie
-die Gesellschaft so zeitig verlasse, so wie seine wiederholte Frage,
-ob und wann er morgen früh kommen dürfe, und seine kaum gewagte Bitte,
-heute Abend noch, oder wenn dieß nicht möglich seyn sollte, wenigstens
-morgen ihrer Blumen auf dem Balkon zu gedenken. Er begleitete sie
-bis zum Wagen, und schien wohl auf einen Gutenachtkuß im Stillen
-gerechnet zu haben, aber, vor dem Kutscher und den zwei Bedienten mit
-Windlichtern und Fackeln, hatte der Schüchterne doch nicht den Muth,
-sich vielleicht einer abschlägigen Weisung auszusetzen.
-
-Was sollte er jetzt noch in der Gesellschaft! er flüchtete in seine
-stille Kajüte, und blickte, von Zeit zu Zeit, mit der stillen
-Sehnsucht glühender Liebe, nach dem Balkon hinauf, aber es ward tiefe
-Mitternacht, und Hulda blieb aus.
-
-Die Kindespflicht fesselte sie an das Bette der leidenden Mutter, die
-wieder recht krank gewesen war, jetzt aber ein wenig mehr Ruhe bekam,
-und nach einer Weile einschlummerte.
-
-Der Vater winkte dem Mädchen in das Nebenzimmer.
-
-Wie ist es gekommen, fragte Hulda ängstlich, daß Mutterchen so
-plötzlich wieder erkrankt ist? sie befand sich heute Mittag so wohl!
-hätte ich den Rückfall nur ahnen können, ich hätte ja keinen Fuß aus
-dem Hause gesetzt; ich mache mir jetzt ordentlich ein Gewissen daraus!
-
-Wie ist es gekommen, erwiederte der Vater verdrüßlich: Du warst kaum
-fort, so ließen sich Maklers melden; ich kann die scheinheiligen
-Menschen, die ewig und immer die Gottesfurcht im Munde und die
-unmenschlichste Kälte im Herzen haben, nicht leiden, und bat, daß sie
-ihnen absagen lasse; aber sie meinte, daß ihr recht wohl sey, daß sie
-sich nach Unterhaltung sehne, daß sie die Veranlassung des Besuches
-schon wisse, und sie daher nur kommen möchten. Ich ging, weil ich das
-frömmelnde Wesen der beiden Menschen nun einmal platterdings nicht
-ausstehen kann, auf die Ressource, und kam vor einer Stunde erst
-wieder. Da rief mich denn die Mutter an das Bette, und machte mich,
-nach einer langen, weit ausgeholten Einleitung über die Nothwendigkeit,
-auf Dein zeitliches Glück nun mit Ernst bedacht zu seyn, mit dem ihr,
-diesen Nachmittag, eröffneten Antrage der Eltern bekannt, Dich ihrem
-Caspar zur Frau zu geben?
-
-Mich? -- dem Caspar? fragte Hulda erbleicht.
-
-Mach’, was Du willst, fuhr der Vater fort: aber ich kann mir nicht
-denken, daß ein reines keusches Mädchen, wie Du, meine Hulda, mit dem
-ausgemergelten Menschen glücklich seyn kann. Ich habe ihn heute früh
-gesehen. Wie die leibhaftige Sünde sieht er aus, und dabei so brutal,
-so plump, so ungeschlacht! das soll englisch seyn! der Narr! Die
-Britten sind Ehrenleute, die auf feine Manier und Anstand, auf Sitte
-und Anspruchlosigkeit eben so streng halten, als wir. -- Mein einziges
-Kind diesem entnervten Wüstlinge in die Arme zu legen! -- nein, es wäre
-mir nicht möglich. -- Ich entgegnete dieß der Mutter, aber sie bestand
-mit ungewohnter Festigkeit darauf; sie lobte die Eltern, als fromme
-christliche Leute, den Sohn als gewandten, mit Glücksgütern reich
-begabten Kaufmann; und das Suschen, das einfältige Ding, das allen
-Menschen nach dem Munde redet, um sich bei allen einzuschmeicheln, als
-ein gefügiges liebenswürdiges Wesen, versicherte wiederholentlich, daß
-sie für Dich und uns kein größeres Glück kenne, als Dich in diesem
-Hause aufgehoben zu wissen, in welchem Religion und Tugend heimisch
-wären, und wo in einem Tage mehr und frömmer und andächtiger gebetet
-werde, als in der ganzen Stadt in einem Jahre, und bestürmte mich um
-meine Einwilligung in die Verbindung.
-
-Ich war bis dahin recht ruhig geblieben, und hatte mich möglichst
-zu fassen gesucht; als ich aber aus ihren Reden merkte, daß von
-Caspars Eltern, die, wie Du weißt, auf die Mutter von je an, einen
-unbegreiflichen Einfluß gehabt haben, diese Parthie schon seit
-längerer Zeit abgekartet war, und ich gewahrte, daß sie, ohne meinen
-Einwendungen vorhaltende Gründe entgegen zu setzen, auf ihrem Willen
-fest beharrte, mochte ich -- es galt ja Dein ganzes Lebensglück, mein
-einzig liebes Kind -- mochte ich wohl etwas zu heftig geworden seyn.
-Unser Zweisprach ward immer lebhafter, ich vergaß, daß die arme Mutter
-krank war, ich platzte mit dem, seit Jahren schon verhaltenem Grolle
-gegen das Schleichervolk, die Maklers, aus der Brust heraus, und das
-erschütterte dann die Mutter so, daß sie in die heftigsten Krämpfe
-verfiel, und ihr Zustand so bedenklich ward, daß ich Dich holen lassen
-mußte. Habe ich gefehlt, so mag mir Gott verzeihen, aber sprach ich
-nicht für Dich, wer sollte Deiner sich annehmen, und wo ist der Vater,
-der bei ruhigem Blute bleiben kann, wenn er sieht, daß sein Kind, sein
-einziges Kind, aus bloßem Vorurtheil, aus blinder Geistesbefangenheit,
-um das Heil seines ganzen Lebens hienieden gebracht werden soll. Jetzt
-geh, meine Tochter, und leg’ Dich nieder, und bete zu Gott, daß er der
-Mutter erkaltetes Herz erwärme, damit sie von Dir nicht fordere, was
-Deinen Vater in die Grube bringen würde; denn den Menschen an Deiner
-Seite als meinen Schwiegersohn, zu sehen, würde ich kein halbes Jahr
-überleben.
-
-Seyn Sie auf die Mutter nicht böse, mein Vater, hob Hulda an, und
-weinte kindlich fromme Thränen: sie meint es gut mit mir, und glaubt,
-mein Glück durch diese Verbindung zu begründen; wenn ich ihr aber
-sagen werde, daß ich den Menschen +nie+ lieben +kann+, wird
-sie sicher von dem Plane abstehen. Sie ist ja gut und verständig; ich
-will schon mit ihr reden, daß meine Worte Eingang finden sollen in ihr
-mütterliches Herz.
-
-Thue das, mein Kind, sagte der Vater: und leg Dich nun zur Ruhe, und
-bereite Dich zu morgen vor, daß Du gefaßt bist, und ihre Wünsche
-zurückweisen kannst, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit.
-
-Hulda legte sich wohl nieder, aber schlafen konnte sie nicht; die Augen
-fielen ihr vor Müdigkeit zwar hundertmal zu, aber sie schlug sie auch
-hundertmal wieder auf, denn bald umklammerte sie Caspar mit seinen
-langen dürren Armen, bald sah sie sich von einem Schlangenindianer
-an den Gewässern der Columbia verfolgt; bald lustwandelte sie mit
-Alonso am Meerbusen von Florida, umduftet von den hier wild wachsenden
-Orangen, im Schatten der breitblättrigen Banane und des zierlichen
-Bambusbusches; bald sprang das sanftmüthige flüchtige Thier, die
-Antelope, an den himmelhohen Basaltwänden des obern Missuri vor ihnen
-vorüber; -- bald hörte sie seine sanfte Rede, und sah in das dunkele
-Veilchenblau seiner großen Augen und fühlte das Schwellen seiner
-frischen Lippen auf ihrem rosigen Munde. Bald schwebte sie, umschlungen
-von seinem kräftigen Arm, und unter vollstimmiger Begleitung eines
-köstlichen Walzers, zum Ballsaal hinaus, über die blauen Berge am
-Kanhawa, über die goldgedeckten Tempel der Omegas im Innern von Guyana
-hin, bis zu den blumenreichen Küsten des stillen Meeres; -- bald kamen
-wieder die Bilder am gestrigen Abendhimmel ihr vor die träumende
-Seele, und das lange hohe Kreuz und die drohende Mutter und die dürre
-Gestalt des Eskimos auf Labrador. -- Da habe ich ja, sagte sie von der
-Stille der Mitternacht umdunkelt, leise zu sich selbst: da habe ich ja
-die Deutung jener Himmelsbilder! das Kreuz -- ach es ist so schwarz
-und so schwer, und das Gesicht der Mutter so kalt und finster -- und
-der entsetzliche Eskimo mit der grausenden Larve -- weg, weg mit den
-schrecklichen Bildern -- an ihn will ich denken, der so freundlich
-mit mir sprach, dessen Rede mir so wohl klang, dessen Seele so klar
-vor mir liegt, wie die Krystallquellen am Fuße der Luftvulkane[30]
-bei Turbako; in dessen Armen mir war, als stände ich kühl beschattet
-vom silberglänzenden Laubwerk des Riesenbaums.[31] -- Aber, kann ich
-denn auch im Traume nicht aus dem verwünschten Amerika heraus, sagte
-sie jetzt völlig erwacht, und konnte nun nicht mehr schlafen, und
-wiederholte sich, vom Frühroth des ersten Morgengoldes im Bettchen
-freundlich begrüßt, alles, was er gesprochen, und hatte vor der
-heutigen Unterhaltung mit der Mutter keine Angst mehr, denn er wollte
-ja selbst kommen, und mit ihm hielt Casperchen keinen Vergleich aus;
-sah die Mutter auf zeitliches Gut, so wog der zwanzigste Theil von
-Alonsos Vermögen, den ganzen Caspar auf, und da Alonso erklärt hatte,
-daß die Wahl des künftigen Wohnorts lediglich von ihr abhängen solle;
-so verstand es sich, daß sie ihrem gestrigen Versprechen eingedenk, die
-Mutter nicht verlassen, sondern wenigstens so lange als diese lebe,
-hier bleiben werde, und somit war jede Schwierigkeit beseitiget.
-
-Armes, getäuschtes Mädchen!
-
-Beim Frühstück schon, trat die Mutter mit den Absichten hervor,
-die ihr Caspars Eltern gestern eröffnet hatten; sie erinnerte Hulda
-an deren gegebenes Versprechen, sich nicht außerhalb des Orts zu
-verheirathen; hielt der Familie, in deren Kreise sie künftig leben
-werde, die gebührende Lobrede, und ließ sich über Caspars wohlgeordnete
-Vermögensumstände und seine, im Auslande erworbene Bildung des weiteren
-aus; vergaß auch nicht die Schwierigkeit, bei der gegenwärtigen
-Heirathscheu der meisten jungen Leute im Orte, eine ähnliche
-vortheilhafte Parthie sobald wieder zu finden, in das gehörige Licht
-zu setzen, und schloß mit der Bemerkung, daß sie auf dieß alles, von
-der gehorsamen und liebenden Tochter, eine, den elterlichen Wünschen
-entsprechende Erklärung erwarte.
-
-Hulda bog freundlich lächelnd aus; kam Alonso, der blühend schöne,
-frische Mann, dem der liebe Herr Gott die Reinheit des unverdorbensten
-Herzens, die Unschuld der zartesten Sitte, und die Gediegenheit der
-ehrenfesten Grundsätze auf jeden Zug seines einnehmenden Gesichts
-geprägt hatte, und hörte die Mutter von den zehn Millionen Piaster, die
-ihm der alte Handelsgerichtsdirector nachrechnen wollte, und erfuhr
-sie, daß ihr Hulda nicht aus dem Hause geführt werden, sondern bis
-an des Lebens Ende bei ihr bleiben sollte, so war von dem Casperchen
-keine Rede mehr; das stand mit mathematischer Gewißheit ihr im Köpfchen
-geschrieben; und kommen wollte er ja; er hatte es versprochen, und
-dieser wunderhübsche Mund hatte gewiß noch keine Lüge gesagt. Sie
-küßte der Mutter die Hand, nahm die ganze Sache als einen leichten
-Scherz, indem es bei ihrer Jugend keine Eile habe, meinte, daß es
-ihr ordentlich lächerlich sey, jetzt an das Heirathen zu denken, und
-betheuerte, daß vor allem erst die geliebte Mutter gesund werden müsse,
-und sich dann hierüber ja wohl werde ein Mehreres sprechen lassen.
-
-Damit kam die Schlaue aber nicht los. Die Mutter ward empfindlich und
-begriff nicht, wie der besonnenen Hulda, die kein Kind mehr sey, ein
-so wichtiger Schritt, als die Verbindung eines Mädchens mit einem
-jungen Manne, auf die ganze Lebenszeit wäre, lächerlich seyn könne,
-und bat sie, dem sehr wichtigen Gegenstande einen Augenblick ernster
-Betrachtung zu schenken. Meine Tage, setzte sie hinzu: sind gezählt,
-ich habe auf dieser Welt keinen Wunsch mehr, als Dich glücklich zu
-wissen; ich habe zu Gott gebetet, daß er mir in dieser letzten Sorge
-hienieden, seinen Beistand nicht versage; er hat mir in den Eltern
-des, Dir vom Schicksal Bestimmten, christlich gesinnte Rathgeber
-geschenkt, und daß der Himmel unsern Beschluß segnet, beweis’t, daß der
-junge Mann, der Deine Hand begehrt, noch ehe ich die Augen schließe,
-glücklich und mit dem reichen Erwerbe seines redlichen Fleißes hier
-eintrifft, und ich die Freude noch erlebe, Dir den Brautkranz in das
-Haar zu flechten, und Deinen Ehrentag mit zu feiern. Ich bin daher fest
-überzeugt, daß das Werk, was wir mit frommem Gebet begannen, ein Gott
-wohlgefälliges sey, und Dein Glück und Deine Zufriedenheit begründen
-werde. Ich sehe also keinen Grund ab, warum Du mit Deiner Erklärung
-bis zu dem sehr ungewissen, und wahrscheinlich nie eintretenden
-Zeitpunkt meiner Genesung, Anstand nehmen willst, besonders da eine
-Menge Eltern hier, welche unbescholtene und mannbare Töchter haben,
-den von Dir herbeigeführten Aufschub mit Freuden benutzen, und den
-Entschluß des jungen Mannes, Dir seine Hand zu bieten, durch allerhand
-Zwischenträgereien schwankend, und ihn, am Ende, Dir selbst abwendig
-zu machen suchen würden. Alle diese Umstände bestimmen mich, Deine
-Erklärung und, da Du gegen das Haus so wenig als gegen ihn selbst
-etwas einwenden kannst, Dein Jawort in dieser Sache +jetzt+ zu
-gewärtigen.
-
-Die arme Hulda verlor fast die Fassung. In diesem Augenblicke der
-Mutter zu sagen, daß ihr Herz nicht mehr frei sey, war nicht möglich.
-Die Mutter kannte ja den nicht, dem es gehörte. -- Sie hatte, als der
-Vater zum ersten Male von ihm sprach, und ihn vom Kopfe bis zum Fuß
-beschrieb, gesagt: nichts weiter, wenn ihr nicht wollt, daß ich sterben
-soll; als der Vater vorgestern Abend bei Tische von ihm wieder anfing,
-legte sie Messer und Gabel weg; wie dieser äusserte, daß des
-jungen Mannes Schiff ihren Namen führe, klagte sie über heftigeres
-Uebelseyn; gestern früh erregte der schwarze Krepp, den Tante Sophie,
-von Lima aus, im Traume sandte, ihr spöttelndes Gelächter. Sie eiferte
-gegen die spanische Sprache; -- alles das zusammen genommen, webte in
-dem feinfühlenden Mädchen eine Ahnung, deren Daseyn es sich kaum selbst
-recht bewußt war; aber es mußte etwas seyn, was mit ihm, wenn auch,
-wie natürlich, in ganz entfernter Beziehung stand, und was der Mutter
-an ihm unlieb war; doch sie hatte ihn selbst ja noch nicht gesehen,
-ihm konnte, nach Almas Geständniß, kein Mädchen gram seyn; bei seinem
-Anblick war bestimmt auch die Mutter gewonnen; er kam gewiß heute,
-spätestens morgen, allerspätestens übermorgen. Drei Tage also bat sich
-Hulda Bedenkzeit aus, küßte der Mutter beide Hände, und ärgerte sich,
-daß sie nicht einmal so viel Gewalt über sich hatte, wenigstens ein
-ernsthaftes Gesicht zu machen. Aber der ewig wolkenlose Südhimmel des
-paradisischen Climas, in dem ihr Alonso geboren wurde, lag in ihrer
-Seele, in ihrem Auge; die heimliche Freude, die Mutter mit einem
-zehntausendmal bessern Schwiegersohne zu überraschen, blitzte ihr aus
-allen Mienen, und sich zu verstellen, hatte ja das reine Wesen nie
-gelernt.
-
-Die drei Tage sind Dir vergönnt, sagte die Mutter nach einigem Besinnen
-höchst mißgelaunt; aber ich begreife Dich nicht; Du behandelst den
-Schritt, zu dem jedes wohlgesittete Mädchen mit feierlichem Ernst sich
-vorbereitet, so leichtsinnig, als wäre es eine Ballangelegenheit; wenn
-Du vorliesest, so steht Dir bei irgend einer sentimentalen Stelle
-gleich das Wasser in den Augen, und jetzt ist Dir das Lachen näher, als
-das Weinen, und wo hier zwanzig Mädchen aus den ersten Familien mit
-beiden Händen zugreifen würden, thust Du, als ob Dir die angetragene,
-weiß Gott, doch höchst ehrenwerthe Parthie noch nicht gut genug wäre.
-Auf was willst Du denn warten? Auf was bildest Du Dir denn ein,
-Ansprüche machen zu können. Unsere Umstände sind, wie Du weißt, im
-Gegensatz vieler hier weit reicheren Häuser, nicht glänzend; und Dein
-Bischen Larve -- mein Kind, es hat schönere Mädchen gegeben, und sie
-sind alle verblüht. Also sehe ich nicht ab, auf was Du glaubst groß
-pochen zu können, oder -- fragte sie nach einer kurzen Pause, die Worte
-scharf und hart betonend, und durchbohrte das Mädchen mit stechendem
-Blick: steckt Dir etwas anders im Kopfe?
-
-Nichts, als der gestrige Ball, entgegnete erschrocken das wahrhafte
-Kind, das noch nie gelogen, und bückte sich auf die Hand der Mutter
-tief nieder, denn das erste Morgenroth der heimlichen Liebe überhauchte
-die Lilienwangen der Liebreizenden, mit dem dunkelsten Purpur.
-
-Warum nicht auch Deine Puppen, erwiederte die Mutter mit saurer
-Bitterkeit: wahrhaftig, man sollte denken, Du hättest noch gestern
-damit gespielt, so kindisch benimmst Du Dich heute. Geh und sammle
-Dich; und wenn Du Deinen Ball, und Deine Narrenpossen verschlafen hast,
-so komme wieder, daß wir, wie es einem Mädchen Deines Alters ziemt, ein
-verständiges Wort weiter über die Sache reden können.
-
-Sie wendete sich in ihrem Bette verdrüßlich nach der Wand zu, und
-Hulda, der es nun anfing recht ernsthaft zu Muthe zu werden, flüchtete
-zum Vater, der von einem Geschäftsgange eben jetzt zu Hause kam.
-
-Nun Mädchen, rief dieser ihr entgegen: Du siehst ja recht bedeutsam
-aus! hat die Mutter mit Dir schon gesprochen?
-
-Ich habe drei Tage Bedenkzeit, entgegnete triumphirend die Tochter, und
-sah den Vater, der sie so unaussprechlich liebte, der so herzensgut
-war, und von dem jungen Seemanne gestern und vorgestern nichts als
-Liebes und Gutes gesprochen hatte, mit einem Blicke an, als fragte
-sie sich, ob sie es wagen dürfe, ihm ehrlich und offen zu beichten.
-Väterchen, hob sie an, und lehnte die Wange an seine Brust, damit er
-ihr zu dem, was sie ihm zu sagen habe, nicht in das Gesicht sehen möge:
-liebes Väterchen, mit dem Caspar ist es nichts.
-
-Gut, mein Kind, erwiederte der Alte lächelnd: darüber sind wir, Gott
-sey Dank, einverstanden, und die Mutter wird am Ende auch die Idee
-aufgeben.
-
-Aber, fuhr sie leiser fort, und senkte die Augenlieder, als schäme sie
-sich vor sich selber: aber mit einem andern -- vielleicht -- da ist es
-nicht ganz richtig. Sie lag mit dem Ohr dicht an des Vaters Herzen; sie
-hörte es schlagen -- das Herz, das es so redlich mit ihr meinte, es
-schlug ruhig fort -- der Vater sprach kein Wort, er schien noch Näheres
-von ihr zu gewärtigen.
-
-Dir, mein liebes Väterchen, fuhr sie mit verhaltener Stimme fort, und
-schlang beide Arme dichter um ihn: muß ich mich vertrauen; noch ist das
-heilige Geheimniß über meine Lippen nicht gekommen, noch weiß es, außer
-Dir --
-
-Die ganze Stadt, fiel ihr der Vater lachend in das Wort, und küßte
-segnend dem einzigen, dem lieblichen Kinde Stirne und Mund, und die
-hellen Thränen der süßesten Freude des Menschen, der Elternfreude über
-das Glück des geliebten Kindes, zitterten ihm im Auge.
-
-Die ganze Stadt? wiederholte Hulda staunend, und sah dem Vater in das
-freundlich naße Auge, und las in diesem ihr Glück und ihre Hoffnungen.
-
-Wo ich bei unsern Bekannten heute früh hinkam, versetzte der Vater:
-machte man mir große Gratulationen; die Menschen waren gestern auf
-dem Balle gewesen, und hatten von da das Gerücht Deiner Brautschaft
-mitgebracht; ich werde neugierig, der Sache näher auf die Spur zu
-kommen, steige zu Directors, und höre denn da zu meiner nicht geringen
-Verwunderung, daß mein Herr Mexikaner -- o, nun weiß ich wohl, warum
-mich der Patron immer bei der Hauptwache abgepaßt hat. Höre, Huldchen,
-etwas Schlechtes hast Du Dir nicht ausgesucht, den alten Linsing hat er
-zu seinem Brautwerber erkohren, und sich an den Rechten gewendet; der
-Mann ist in ihn selber verliebt, wie ein Mädchen. Wenn er nur halb so
-brav und gut ist, als der Director ihn schildert, so mag er um Deine
-Hand werben, Hulda, und er soll mir willkommen seyn.
-
-Mein Vater, mein einziger lieber englischer Vater! rief Hulda im
-Uebermaße ihres Entzückens, und sank ihm, trunken vor Freude und Wonne,
-in die Arme.
-
-Sein Vermögen, fuhr der Alte fort, und hob die Brust höher, denn
-es that ihm wohl, seine Tochter im Besitz solcher unermeßlichen
-Reichthümer zu sehen, -- der alte wackere Linsing hat ihm gesagt, daß,
-wenn er sich mit der Sache befassen solle, der junge Mann ihm über
-seine Lage reinen Wein einschenken, und seine Angaben ihm möglichst
-belegen müsse; die Nachweisung seines Vermögens wird nur glaubhaft,
-wenn man sie nach dem Maßstabe berechnet, der nur dort, in jener
-Heimath des Reichthums und Ueberflusses denkbar ist. Nach unserm Gelde
-angeschlagen, reicht Dir der Ehrenmann mit seiner Hand, ein Besitzthum
-von ungefähr funfzehn Millionen[32] Thalern -- ich kann Dir zehn
-deutsche Fürsten nennen, die mit diesem mexikanischen Krösus gern
-tauschen würden, und von +der+ Seite also betrachtet, ist das
-Glück meines Kindes gesichert; er hat zwar geäußert, sich, wenn Du
-es durchaus wünschest, hier ansiedeln zu wollen: allein, wenn es ihm
-irgend schwer wird, sein Vaterland Preis zu geben -- ich ziehe mit
-der Mutter den Augenblick hin; dort, wo der Oelbaum gedeiht, und der
-Paradiesfeigenbaum, wo der Weitzen dreißigfältig trägt, die Ananas, wie
-bei uns die Heidelbeeren, in den Wäldern überall wild wachsen, und die
-Sonnenblume sechsmal größer ist, als hier zu Lande; dort, wo ein ewiger
-Frühling blüht, und den dunkelblauen Himmel keine Wolke trübt; wo nur
-leichte Morgennebel und des Thaues Perlentropfen die blumenbedeckten
-Fluren netzen, und des Meeres Winde die Lüfte kühlen; dort muß ja auch
-der Mensch kräftiger aufleben und der Kranke genesen -- Der einzige
-Zweifel --
-
-Hulda zog die schönen Augenbrauen zusammen, und harrte mit ängstlichem
-Blick auf die Zweifel des Vaters, der recht bedenklich den Kopf wiegte,
-und mit der Sprache nicht heraus zu wollen schien.
-
-Der einzige Zweifel ist jetzt daher nur der, ob auch Du, meine Hulda,
-in seine und meine Wünsche Dich fügen, ob Du Dich entschließen wirst,
-ihm Deine Hand, und Dein Herz --
-
-Mein Väterchen -- unterbrach ihn Hulda verschämt lächelnd: was können
-Sie einem angst machen! Dieser einzige Zweifel wird sich wohl heben
-lassen. Sprechen Sie ihn nur erst selbst, und sein treues biederes
-Herz, sein fröhlicher Sinn, sein offenes trauliches Wesen, seine
-anspruchlose Natürlichkeit werden Ihnen gewiß gefallen; auch ist er
--- setzte sie, mit gesenktem Köpfchen schmunzelnd hinzu: nicht ganz
-häßlich.
-
-Nun aber sag’ mir Kind, fragte der Vater, das Lächeln mit Mühe
-verhaltend: wie hat sich das alles so schnell gemacht? Du bist ja kaum
-drei, vier Stunden auf dem Balle gewesen?
-
-Mit der Liebe? entgegnete Hulda, und machte ein recht naives
-Professorgesicht dazu: mit der Liebe, ich meine die so recht
-eigentliche liebe Liebe, ist es, glaube ich, wie mit der Ewigkeit;
-sie hat keinen Anfang und kein Ende. Ich weiß selbst nicht, wie das
-alles kam. Auf dem Balle aber sahen wir uns auch nicht zum ersten
-Male; wir kennen uns schon viel länger, und nun erzählte sie, wie er
-ihr in der Kirche gegenüber saß, und von dem Zusammentreffen in der
-Modehandlung, und von der Unglücksgeschichte mit der Glashändlerinn und
-dem Gipsitaliener, und von den Kinderstreichen auf dem Verdecke seines
-Dreimasters, und oben im Mars, und von dem verwünschten Sehrohre, und
-der schmachtenden Flöte, und von -- Babette platzte zum Zimmer herein,
-und meldete den Capitain Don Mantequilla.
-
-Hulda rief fröhlich: das ist er! schlüpfte -- denn wie sie war, im
-nachlässigsten Morgenputz, konnte sie sich nicht vor ihm sehen lassen,
--- schlüpfte durch eine Seitenthür und eilte auf ihr Zimmer, um sich
-anzukleiden.
-
-Er war gekommen, er hatte Wort gehalten. Er sprach die Eltern um ihre
-Hand an.
-
-Wer mahlt des Mädchens Entzücken, wer das süße Beben ihres in Liebe
-und Freude erglühenden Busens!
-
-Blumen, Band, Perlen, Häubchen, nichts paßte ihr heute in das Haar;
-die Locken liefen nicht, wie sie sollten; beide Händchen flogen ihr
-zitternd; sie konnte nicht zu Stande kommen. Das Morgenkleid war zu
-einfach, +das+ zu geschmückt, alle Kasten standen offen, alle
-Kommodenfächer, alle Schränke, alle Cartons! Sie holte aus allen das
-Beßte, und nichts war gut genug; der Spiegel -- sie kam sich bleich,
-reizlos, nicht ein Bischen hübsch vor; nein der Spiegel war Schuld
-daran, der hing im allerschlechtesten Lichte -- aber der in der
-Toilette, den sie nach allen Weltgegenden richtete, gab ihr Bild um
-kein Haar besser zurück; am Ende war sie in ein blaßblaues Kleid und in
-rothe Schuhe gefahren, und hatte auf den gelben Morgenhut ein grünes
-Bouquet gesteckt -- blau, roth, gelb und grün -- i Gott bewahre, rief
-sie lachend: lieber gar alle Farben mit einander, daß er denkt, es
-komme ein lebendiges Prisma, -- in zwei Minuten hatte sie alles wieder
-von sich geworfen, und machte ihre Toilette von Neuem -- lassen wir die
-Selige in dem bunten Chaos ihrer Garderobenherrlichkeiten fröhlich
-gewähren -- es war ja ohnehin fast das letzte Scheide-Lächeln ihrer
-untergehenden Freudensonne; denn ach! nur zu bald trübten sich am
-Horizonte ihres Lebens die Wolken, aus denen der Sturm sich gestaltete,
-der alle ihre Blumen entblättern, alle ihre Bänder zerreißen, alle ihre
-Hoffnungen zertrümmern, ihr ganzes Lebens-Glück auf immer und ewig
-vernichten sollte! --
-
-Wahr und ehrlich, kurz und offen hatte Alonso mit dem Vater gesprochen.
-Es bedurfte keines weitläufigen Eingangs; Director Linsing hatte beiden
-schon die nöthigen Präliminarien eröffnet. Alonso machte seinen Antrag
-mit so zarter Bescheidenheit; legte in denselben so viel Feierliches;
-sprach von der Unmöglichkeit, ohne Hulda leben zu können, mit so vieler
-Rührung; entschuldigte seine, durch den Drang der für den Seemann
-vollgiltigen Umstände herbeigeführte Eile, die ihn nöthige, vielleicht
-schon in wenigen Tagen die Anker zu lichten, so wahr und einfach, und
-gelobte, den Pflichten des Gatten und des Sohnes bis zu seinem Tode
-treu zu seyn, mit solch’ frommer Rede, daß der alte Herr sich der
-Thränen nicht länger enthalten konnte, den jungen Mann an sein Herz
-drückte, und ihm, aus voller Brust und im heiligsten Vertrauen auf
-dessen Rechtlichkeit, sein einziges Kind, das Liebste dieser Welt, in
-die neue mitzugeben unbedenklich versprach.
-
-Auf Alonso’s Wunsch, der Mutter jetzt vorgestellt zu werden, erwiederte
-indessen der Vater, daß er sie, ihrer Kränklichkeit halber, erst dazu
-ein wenig vorbereiten müsse; er bäte daher, ihn morgen wieder mit
-seinem Besuche zu beehren, wo er ihn bei ihr einführen wolle; zugleich
-ersuchte er ihn, nicht gleich das erste Mal, des eigentlichen Zwecks
-seines Besuches zu erwähnen, sondern unter dem Vorwand zu kommen, daß
-er hörte, sie habe eine Schwester in Lima, und er wolle sich daher
-erkundigen, ob sie dahin ihm etwa Aufträge mitgeben wolle.
-
-Auch Hulda darf ich nicht sehen? fragte Alonso mit kindlicher
-Befangenheit, und versicherte, daß ihm die Zeit von gestern Abend bis
-jetzt eine halbe Ewigkeit gedauert habe; da ließ denn der Vater das
-Mädchen holen, und es kam im einfachsten Hauskleide, bloß, dem neuen
-Vaterlande zu Ehren, eine prächtige, blühende Datura[33] am Busen, und
-drei von Tante Sophie zum Geschenk erhaltene Schnüre californischer
-Perlen um den Hals. Aber schön war Hulda zum Entzücken; die Liebe hatte
-ihre Wangen geröthet, die Freude lachte ihr im ganzen Gesichtchen, und
-das bräutliche Schmachten der keuschesten Jungfräulichkeit schwamm in
-dem Feuerblick ihres großen himmlischen Auges. Mit frommer Weihe legte
-der Alte das unberührte Kleinod seines Vaterherzens an die Brust des
-schönen jungen Mannes aus der neuen Welt, den der Zufall zweitausend
-Meilen weit hergeführt hatte, um zu den Füßen eines der reizendsten
-Mädchen unsers alten ehrlichen Welttheils, das zarte Geständniß
-abzulegen, daß das eigentliche wahre Glück des Menschen nur in den
-Armen einer liebenden Gattinn heimisch sey, die unsere Freuden und
-Leiden redlich theile, und durch ihre Reize, wie durch ihre Tugenden,
-unsere Tage verschönere.
-
-Braut Hulda hob den Entzückten an ihre treue Brust, und wie die
-bekannte wunderschöne Gruppe von Amor und Psyche, so lieblich in
-einander verschlungen, stand das Paar, Auge in Auge, Mund an Mund,
-und feierte die seligste Minute glücklich Liebender, die Minute des
-Verlobung-Kusses.
-
-Alonso zog sich einen prächtigen Smaragdring vom Finger, überreichte
-ihn der überraschten Hulda, und sagte: aus +Deinen+ Brüchen an der
-Küste von Manta[34] nimm dieß als Morgengabe von mir gütig an, doch
-mein ganzes Hab’ ist ja Dein. Den leisesten Deiner Wünsche -- vertrau’
-ihn mir, meine einzige, meine himmlische Hulda, und ich werde kein
-größeres Glück kennen, als ihn Dir zu erfüllen. Ich könnte zehnmal
-reicher seyn, als ich es bin; allein ich achtete des eiteln Geldes
-nicht, weil ich tausendmal mehr hatte, als ich brauchte; jetzt Dir die
-Welt zum Paradies zu schaffen, ist mein Streben; nun will ich erst mit
-Freuden mich in die Geschäfte werfen; ich habe einen Zweck, das Lächeln
-Deiner Huld! Des Meeres Wogen, der Winde Hauch, des Nordens Eis und
-Schnee, der Sonne Gluth in unserm Süden, kurz, alle Elemente will ich
-mir zinsbar machen, und meines Vaterlandes Kern ist rein gediegenes
-Gold; heraus aus meiner Erde tiefen Schachten sollen, meine Hulda,
-Dir, mein Fleiß und meine Kunst das mächtige Metall im Ueberflusse
-fördern! Vor Dir will ich die Früchte meines Fleißes, die Schätze,
-die des Handels Treiben mir zusammen häufet, niederlegen, und Deiner
-Lippen süßer Kuß, ein Blick aus Deinem Augenpaar, und das Geständniß
-Deines Rosenmundes, daß Dich es nicht gereut, Dein Herz und Deine Hand
-mir fremdem Mann vertraut zu haben, -- dieß, Hulda, dieß soll mehr mir
-seyn, als all das kalte Gold, das im ersten beßten Brennspiegel sich zu
-+nichts+ verflüchtiget, das immer irdisch bleibt, und droben gar
-nichts gilt.
-
-Ehe sich Alonso verabschiedete, lud er den Vater und Hulda ein, sich es
-bei ihm heute Abend, am Bord seiner Antoinette gefallen zu lassen.
-
-Der Vater sah die Tochter, die Tochter den Vater an. Beiden war es um
-die Mutter zu thun; sah man das Mädchen mit dem Vater am Bord des
-mexikanischen Dreimasters, so war Huldas Verbindung mit Alonso, von dem
-zur Zeit die Mutter noch kein Wort wußte, in den Augen der ganzen Stadt
-keinem Zweifel mehr unterworfen, und daß dieß gegen die Mutter nicht
-gerechtfertigt werden konnte, fühlten beide, indessen Hulda richtete
-den bittenden Blick, daß er zusagen möge, zu freundlich auf den Vater,
-und diesem that die kleine Eitelkeit, den Leuten möglichst bald kund
-zu thun, daß der mexikanische Capitain Mantequilla mit dem Dutzend
-dreimastigen Schiffen auf der See, und den Silbergruben in Loretto, den
-Goldbergwerken in Oaxaca, den Zuckerplantagen unfern Vera-Crux und den
-15 Millionen Thalern, und den andern unzähligen Herrlichkeiten, der
-Herr Schwiegersohn des Herrn Admiralitätraths Splügen sey, zu wohl,
-auch hatte der lebensfrohe Alte einen vergnügten Abend zu lieb, als daß
-er abschlagen konnte.
-
-Alonso eilte fröhlich von dannen, und der Vater und Hulda überboten
-sich einander in dem Lobe des Liebenswürdigen; -- doch die Mutter, die
-Mutter fiel beiden nur zu bald ein, aber sie wichen von einander in den
-Ansichten ab, wie ihr die Sache, die den Plänen mit Casperchen so ganz
-entgegen war, am beßten beizubringen sey.
-
-Hulda, welche in ihrem süßen Liebeswahn die Ueberzeugung hatte, daß
-Alonso’s persönliche Anmuth die Mutter am meisten bestimmen würde,
-den werthlosen Caspar fallen zu lassen, war der Meinung, daß es
-das Gerathenste gewesen wäre, den Capitain gleich jetzt der Mutter
-vorzustellen, sie jedoch später erst, wenn sie den liebenswerthen
-Mann hätte selbst näher kennen gelernt, von seinen Heirathanträgen
-zu unterrichten; der Vater hingegen, der, wie alle fröhliche Leute,
-jede Unannehmlichkeit gern so weit als möglich hinaus schob, der im
-Voraus sah, daß die Erscheinung des jungen Mannes, welcher der Mutter
-längst entworfenen Pläne mit einem Male vernichten sollte, sehr harte
-Auftritte herbeiführen würde, und, nach seiner Ansicht sehr richtig
-berechnete, daß, wenn er mit Hulda diesen Nachmittag den Capitain am
-Bord besuchte, und sich dadurch das Gerücht von dessen Verbindung
-mit seiner Tochter gehörig in der Stadt verbreitet habe, die Mutter
-dann, um der Ehre ihres Kindes willen, diesen einmal geschehenen
-öffentlichen Schritt nicht zurück nehmen könnte, behauptete, daß es
-viel besser sey, wenn er ihr heute den Mexikaner vorläufig auf morgen
-anmelde, daß man, bei der Reizbarkeit ihres Charakters überhaupt alles
-sogenannte, mit der Thüre in das Haus fallen, vermeiden müsse, und daß
-daher alles viel besser gehen werde, wenn es nicht zu übertrieben rasch
-gehe, weil, wie auch Hulda selbst wisse, der Mutter, im Allgemeinen,
-jeder Schein von Uebereilung, besonders in einer so delikaten
-Angelegenheit, verhaßt sey.
-
-Hulda äußerte, auch wieder sehr richtig, die Besorgniß, daß Caspars
-Eltern, die von ihrem bekannt gewordenen Verhältniß zu Alonso eben
-so genau unterrichtet wären, als alle andere Leute auf dem gestrigen
-Balle, es gewiß an nichts fehlen lassen würden, um die Mutter davon
-in Kenntniß zu setzen; dadurch aber würde Alonso’s Spiel unendlich
-erschwert werden, denn, daß ihn diese schleichende Kopfhänger-Familie
-dabei in das allernachtheiligste Licht setzen werde, sey im Voraus
-anzunehmen; doch der Vater beschwichtigte ihre Furcht durch die
-Versicherung, dem vorzubauen. Er gab zu dem Ende allen Domestiken im
-Hause, unter dem Vorwande, daß seine Frau, ihrer Gesundheit wegen,
-aller lästigen Besuche heute überhoben seyn wolle, den Befehl,
-Niemand, ohne Unterschied, zu ihr zu lassen, und um ihr, wenn sie es
-etwa klingeln hörte, keinen Anlaß zu geben, zu fragen, wer da war, so
-umwickelte er den Klöppel der Hausglocke eigenhändig mit Papier und
-Leinwand.
-
-So glaubte er, in jeder Hinsicht seine Sache ganz vortrefflich gemacht
-zu haben, und lächelte bei sich selbst über die Heimlichkeit, zu der er
-sich, wie er es entschuldigte, durch den Drang der Umstände bequemen
-müsse.
-
-Dem Zartfühlenden regte sich wohl etwas in der Brust, was ihm sagte,
-daß nicht recht sey, was er thue, daß alle Heimlichkeiten zwischen
-Eheleuten nichts taugen, und daß aber -- beruhigte er sein Gewissen:
-hat es nicht Antoinette an Dich gebracht? warum besteht sie auf Hulda’s
-Verbindung mit dem unerträglichen Caspar, als läge alles Heil der
-Erden in diesem widrigen Menschen? Warum hört sie auf das Zuflistern
-gehaltloser Frömmelei mehr, als auf das Wort der Vernunft und des
-Herzens? Warum gibt sie gleich Krämpfe und Schwindel und Anwandelung
-von Ohnmachten vor, wenn irgend ein Gegenstand im Gespräch berührt
-wird, von dem sie nicht sprechen will? Mit den Waffen, mit denen
-sie, aus blinder Vorliebe für eine einmal eingewurzelte Marotte, auf
-das Glück ihres eigenen Kindes los geht, als wollte und müßte sie es
-vernichten, wollen wir ihre Batterie demontiren. Maklers müssen außer
-Einfluß gesetzt, das heißt, entfernt gehalten werden; heute sind wir
-auf dem Dreimaster unten im Hafen noch recht lustig, und morgen stelle
-ich meine Heeresmasse in Schlachtordnung; die Mutter wird totaliter
-aus dem Felde geschlagen, und über’s Jahr, wenn wir das Kind in seinem
-Mexiko besuchen, und dieses uns einen bausbäckigen Enkel entgegen
-bringt, und unser europäisches genügsames Auge fast erblindet, vor dem
-Glanz des Ueberflusses und des Glücks, in dem Hulda dort schwelgt,
-und ihr Mund freudig bekennet, daß sie, an Alonso’s Seite, die
-neidenswertheste Frau in allen fünf Welttheilen sey, da, da -- soll
-die Mutter mir danken, daß ich ihrem kleinen Eigensinne nicht fröhnte,
-sondern dem herz- und marklosen Casperchen die Thür wies, und --
-
-Die gedämpfte Klingel klapperte draußen; der Admiralitätrath hielt
-lauschend mitten in seinem Monologe inne.
-
-Es war richtig Casperchen. Die Frau Räthinn schlafe, hieß es, und
-der Ehelustige zog ab. Später kam Suschen; dann der Herr Makler; den
-Beschluß machte dessen liebwertheste Hälfte.
-
-Dasselbe Manöuvre begann auch nach dem Essen; alle viere kamen einzeln
-und alle viere wurden abgewiesen.
-
-Schlafen, schlafen, und immer schlafen, hatte die Maklerinn, vor
-innerer Bosheit kochend, mit freundlichem Lächeln zu Babette gesagt:
-sie haben der Frau am Ende ein Ruhepülverchen gegeben, aber, und wenn
-sie Mithridat genossen, ich muß sie aufwecken, aufrütteln muß ich sie,
-da es noch Zeit ist; ich komme wieder, mein Lämmchen, und zum dritten
-Male laß ich mich nicht abweisen.
-
-Meine Frau will allein seyn, entgegnete der Admiralitätrath der
-berichtenden Babette: verstehst Du, sie +will+ heute Niemand
-sprechen; darnach wird sich gerichtet.
-
-Mit diesen Worten ging er, Hulda am Arme, in den Hafen. Der Mutter
-hatte er gesagt, sie wollten nur einen kleinen Spaziergang machen,
-weil der Nachmittag gar zu schön sey.
-
-Schon lange lag Alonso’s große Barkasse nebst der Travalje und
-der Kapitains-Schaluppe am Lande; alle drei Fahrzeuge hatten sich
-unterdessen allmählig mit den eingeladenen Gästen aus der Stadt
-gefüllt, und sobald jetzt Hulda und der Admiralitätrath an den Bord
-der Barkasse gekommen waren, und sich die drei Fahrzeuge, nach der
-Antoinette zu, in Bewegung setzten, gab der mexikanische stolze
-Dreimaster eine Kanonensalve, daß alle Fenster in der Stadt klirrten;
--- und sämmtliche, im Hafen liegende Schiffe begrüßten die Ankommenden
-mit dem Donner ihres Geschützes, denn auf alle Fahrzeuge klein und groß
-im ganzen Hafen, hatte der überglückliche Alonso, Speise und Trank in
-Ueberfluß vertheilt, so daß die Matrosen, ohne Ausnahme, des süßen
-Weines voll waren und die neue Capitainfrau immer drauf los leben
-ließen, noch ehe sie dieselbe gesehen hatten; alle Capitaine aber, so
-viel ihrer im Hafen vor Anker lagen, hatte Alonso auf seinem Schiffe,
-heute Mittag schon, stattlich bewirthet, und hielt sie noch um sich
-versammelt, so daß die Herren lustig und guter Dinge waren, und der
-heranschwimmenden jungen, himmelschönen Frau Kolleginn zur See, die
-gebührende Ehre, von den, unter ihren Befehlen stehenden Schiffen aus,
-geziemend erweisen zu lassen, sich nicht versagen mochten. Und Alonso’s
-scharf gebautes Prachtschiff, und die Fahrzeuge aller Nationen im
-Hafen, strichen vor der liebreizenden Königinn des Tages, Flaggen und
-Segel, und von den buntbewimpelten Masten und im hohen Tauwerk aller
-Schiffe, erscholl aus dem Munde des Schiffvolks aller Welttheile, ein
-tausendstimmiges Hurrah, Hurrah, Hurrah! und in dieß alles schmetterte
-und wirbelte das, aus der Stadt geholte große Musikchor auf der
-Antoinette, mit Trompeten und Pauken, daß kein Mensch sein eigenes Wort
-zu hören im Stande war. Alonso selbst, in der herrlichen Uniform der
-spanischen Marine, stand, kräftig und schön, wie ein junger Gott, auf
-der Steuerbordseite der Antoinette, und kommandirte ~Listo, Saltad
-a la banda!~[35] und ein Theil seiner Neger, die alle sich in das
-beßte Zeug geworfen hatten, und recht stattlich aussahen, stellten sich
-eilends an beiden Seiten der Fallreepstreppe, von oben nach unten,
-in Parade; und das Fallreep[36] selbst war oben am Schiffe, an einem
-metallenen Köcher mit Kupidos goldenen Pfeilen befestiget, und mit
-purpurrothem Tuche überzogen, und von Knopf zu Knopf[37] hingen leichte
-Gewinde von brennender Liebe, deren Deutung Hulda, bei der Erinnerung
-ihrer ersten Bekanntschaft mit Alonso im Putzladen, nicht schwer ward.
-
-Die allgemeine Huldigung, mit der die Bescheidene, vor den Augen der,
-am Ufer, in dichten Massen zusammengedrängten Neugierigen, vom ganzen
-Hafen bewillkommt wurde, hatte Hulda sonderbar bewegt; es traten ihr,
-als sie den Fuß auf die unterste Stufe der Fallreepstreppe setzte, und
-mit diesem gleichsam den ersten Schritt in ihr nunmehriges Vaterland,
-in die neue Welt that, Thränen in’s fröhlich lachende Auge. Alonso
-umschlang öffentlich, vor Hafen und Stadt, im Angesichte seines Meeres
-und ihrer Erde, die liebreizende Braut, und seine Neger, über funfzig
-an der Zahl, riefen dreimal Hurrah, und warfen sich ihrer milden
-Gebieterinn zu Füßen. Der Pilot,[38] der Primero Contramaestro[39]
-und der Guardian[40] aber, näherten sich der neuen Herrinn, und
-überreichten ihr, nach ächt altmexikanischer Sitte,[41] einen Strauß
-von frischen Blumen; der Pilot, ein kräftig schöner, schwarzer
-Mann, redete die Gefeierte spanisch an, prieß Don Alonso, als ihren
-gütigen Herrn, und wünschte sich und all den tausend Sclaven in der
-fernen Heimath Glück, daß der Kapitain ihnen eine Mutter zuführe,
-deren Tugenden Don Alonso’s Auswahl verbürge. Du bist, setzte er im
-Ueberwallen seines Gefühls, und im Glauben seiner Väter, hinzu: Du
-bist herrlich, wie die Sonne, und freundlich, wie der Mond, und wer
-den milden Sternen Deiner Augen folgt, wird den Pfad zum Himmel nicht
-verfehlen. Sey, Du blendend weißer Engel, uns und unsern Kindern unsere
-Sonne, unser Mond; Tonatiuh[42] hat Dich geschmückt mit ihrem Roth,
-und Meztli Dich mit seinem Glanze; Du bist so schön, als wärest Du das
-Kind von beiden; wir werden göttlich Dich verehren, denn nur in Deiner
-zarten Hand liegt unser Glück. Sey immer gütig uns. Die Sonne zürnt
-ja nie, und nie der Mond, und schwebst Du einstens spät hinüber, wo
-keine Stürme heulen, und keine Donner brausen, so soll der Weg nach
-Deinem Hügel unserer Enkel Alameda[43] seyn; sie werden räuchern Dir
-das stille Blumen-Grab mit Cobans beßtem Weihrauch und mit Ambra von
-Masaya, und Dir die Gruft umpflanzen mit Pomeranzen und Limonen, und
-mit Cypressen und mit des ewigen Friedens schattenreichen Palmen. Da
-sollst Du schlummern kühl, denn, unserer Enkel Thränen um die verlorne
-Mutter, werden netzen jene Bäume, daß sie gedeihen, und noch in
-fernster Zeit, wie feste Denksäulen des Dankes, hoch hinaus ragen in
-unsers Himmels schöne Luft.
-
-Hulda reichte dem Sprecher, dem die hellen Zähren über die schwarzen
-Backen rollten, die weiße Hand, und beantwortete seine herzliche Rede,
-in recht geläufigem Spanisch.
-
-Der alte Admiralitätrath dachte, es wäre Pfingsten, so hatte sich der
-Geist des Herrn über sein gelehriges Töchterlein ergossen. Es war aber
-der heilige Geist der Liebe, der das holde Mädchen, das im Spanischen
-früher wohl hinlänglichen Unterricht, aber wenige Uebung gehabt hatte,
-jetzt ohne Anstoß und Furcht in fremder Zunge reden ließ, daß die
-ganze Mannschaft der Antoinette darob laut entzückt war.
-
-Der blendend weiße Engel, das himmlische Kind der Sonne und des
-Mondes, versprach ihnen, ihr und der Ihrigen Schutzgeist zu seyn;
-ihre Frauen und ihre Kinder begrüßte sie in der Ferne, als ihre
-Pfleglinge; ihr Wohlstand solle das Ziel ihrer Wünsche werden, und im
-Zauberergusse ihres glühenden Gefühls, gelobte sie ihnen und allen
-ihren Familien, mit dem Beistande ihres Gottes, und von Don Alonso’s
-menschenfreundlicher Güte unterstützt, ihr zeitliches Glück nach
-Kräften begründen zu wollen.
-
-Sämmtliche Neger drängten sich, von den Reizen des schneezarten
-Seraphs, und dessen einfacher Rede tief ergriffen, um sie herum, und
-küßten ihr den Saum ihres Gewandes, und schworen ihr unaufgefordert
-Liebe, Treue und Gehorsam. Alonso aber, hingerissen von dem Entzücken
-seiner ehrlichen Neger, und bezaubert von der, in ihrer Art einzigen
-Gruppe der schwarzen Figuren, um seine schlanke Lilie, schenkte
-mit feierlichen Worten, zum ewigen Andenken des heutigen Festes,
-den Sclaven ihre Freiheit, und Hulda mischte in den Jubel der
-Freigelassenen, ihren herzlichen Dank, und betheuerte dem edlen
-Menschen, daß er ihr kein erfreulicheres Brautgeschenk hätte ersinnen
-können.
-
-Jetzt ging es zur Tafel, und was beide Welten, und das Meer und
-die Erde dem leckern Gaum zu bieten nur vermochten, das war mit
-verschwenderischer Pracht hier aufgetischt. So gegessen und getrunken
-war in der ehrsamen Hafenstadt, seit der Legung ihres ersten
-Grundsteins, nicht geworden, und alle Gäste versicherten einstimmig,
-daß Capitain Mantequilla der vortrefflichste Mensch unter der Sonne
-sey. Die Seeluft macht durstig; wenigstens leerte man alle Flaschen
-des köstlichen Weins, so daß viele Gäste, die rank[44] worden waren
-und übervolle Ladung hatten, das Wasser des ganzen Binnenhafens, für
-lauter Champagner ansahen, andere den großen Mastbaum, als ihren
-dicksten Freund, inbrünstiglich umarmten, und andere wieder, in der
-Weinrührung, so windelweich wurden, daß sie in das Besahnsegel,
-heimlicher Weise Thränen der zärtlichsten Freundschaft weinten. Alonso
-hatte den Nachtisch mit lauter amerikanischen Früchten besetzen lassen;
-Aepfel von Gili, von der Größe eines Menschenkopfs; sechszehnlöthige
-Pfirsichen von Valparayso und Mendoza; zwölfpfündige Weintrauben von
-Talca, Vanille von Paraguay, Pisangäpfel, Pomeranzen und Limonen, und
-zwanzig andere saftreiche und kühlende Obstarten; jetzt aber zu guter
-Letzt, credenzte er den feurigsten Liqueurwein seines Vaterlandes, den
-kostbaren Rebensaft von Passo del Norte.[45] +Der+ brachte mit
-seinem dunkelflüssigen Golde alle gute Geister in Aufruhr, und Alles
-erklärte, mit tausend Freuden dahin zu gehen, wo dieses Götterblut
-flösse. Alonso stand, vom rauschenden Gewühl der Gäste entfernt, mit
-Hulda vorn am Bratspill, hielt die Glückliche im Arme, und fragte
-scherzend: ob er die Anker lichten, und mit der ganzen Gesellschaft,
-wie sie hier wäre, in die neue Welt segeln solle?
-
-Ich bin wohl bereit, entgegnete Hulda mit bräutlicher Liebe, und
-schmiegte sich dichter an den Mann, der sie zweitausend Meilen weit,
-über das Meer führen wollte, und an dem sie sich fest halten sollte in
-allen Stürmen des Lebens: die alle hier aber mag ich nicht mitnehmen.
-Mit Dir allein, Alonso, will ich seyn; an Deiner Seite bedarf ich
-keines Menschen. Dir will ich folgen, wohin Du willst. Auf Deinem
-Eigenthume, hier auf Deinem Schiffe, auf dem Dein kühner Arm mich durch
-des Meeres wilde Wogen, und durch der Winde grausende Gewalt hinüber
-führen will, in Deines Vaterlandes weite Ferne, hier laß mich Liebe
-Dir, und Treue schwören. Dein menschlich fühlend Herz, gab Deinen
-armen Negern das höchste Gut, die Freiheit. Mir kann es Höheres nicht
-geben, als sich selbst. Schwöre mir Alonso Deine Liebe, und auf Dein
-Herz will ich meine Rechte legen, und Gott der Herr soll meinen Eid der
-Treue hören. Ihr glaubig frommer Blick flog auf zu dem, den sie zum
-Zeugen ihres Schwures gefordert hatte, da schwebte am Wolkenhimmel --
-auf derselben Stelle -- sie schrak zurück, und barg das geisterbleiche
-Antlitz an Don Alonso’s Brust.
-
-Was ist Dir, Hulda? fragte dieser erstaunt; sie aber schauerte kalt in
-einander, und wieß, ohne aufzusehen, nach dem Abendroth, und fragte:
-siehst Du nichts?
-
-Dort, erwiederte Alonso lächelnd: die Gottheit meiner Schwarzen,
-schließt dort ihr müdes Auge, und zieht sich vor ihr Lager den
-Wolkenvorhang lauschig zu; mit Gold hat sie die Zipfel all gesäumt; sie
-macht das stets recht zierlich; und rechts am Bette steht ein Baum, ein
-blühend schöner Bananas.
-
-Ein Baum? fuhr Hulda ängstlich auf! Ein Kreuz, Alonso, ist’s. Ein
-hohes, langes Kreuz -- und dicht daneben liegt -- mein Heiland und mein
-Gott -- am Stamme des Kreuzes betet meine Mutter --
-
-Aber liebholdes Wesen, entgegnete beruhigend Alonso: was regt Dich so
-allmächtig auf! Ein Kreuz? -- nun ja, wenn Du ein Bischen davon, und
-ein Bischen dazu thust, und überall mit Deiner Phantasie nachhelfen
-willst, verwandelt sich am Ende mein Paradiesfeigenbaum[46] in Dein
-Kreuz, und -- die Wolke da unten -- hm -- ja -- eine weibliche Figur
-ist es -- aber, was bringst Du Deine gute Mutter in dieses Nebelspiel,
-und wie, ich bitte Dich, wie kann ein bischen Wasserdunst solch
-Gaukelwerk erhitzter Phantasie Dir gleich zusammen treiben? der Passo
-del Norte hat Dich nicht etwa, setzte er in süßer Liebeständelei hinzu,
-und tippte auf Hulda’s Stirn: mein trautes Kind, berückt?
-
-O scherze nicht, Alonso, entgegnete Hulda erschüttert, und bat, sie und
-den Vater bald zu entlassen, weil sie zur Mutter müsse.
-
-Du kömmst mir nicht vom Bord, erwiederte Alonso, und umfaßte Hulda mit
-inniger Liebe: ich bin fest segelklar[47] und warte nur auf guten Wind.
-Beim ersten Lüftchen setze ich meine Segel bei, und steche frisch und
-wohlgemuth, mit meinem Bräutchen, in die hohe See.
-
-Alonso, doch nicht ohne meiner Mutter Segen? fragte Hulda ernst: und
-doch nicht ohne des Dieners Christi fromme Weihe?
-
-Das wird mir alles viel zu lang, entgegnete Alonso mit heißer Ungeduld.
-Die Mutter -- ja; die werd’ ich morgen sprechen; sie soll uns segnen,
-Hulda. Was aber das Copuliren hier betrifft -- ich bitte Dich, eh’ sich
-das alles ordnet, der Trauschein meiner Eltern, das Zeugniß meiner
-Taufe -- das alles muß herbei, ehe wir das Aufgebot verlangen können.
--- So lange kann und darf ich hier nicht warten. Viel besser ist’s,
-Du gehst als Braut zu mir an Bord. Auch mitten auf der See ist unser
-Gott bei uns. Wirf Deine Anker in mein Herz, sie greifen da in festen
-Grund. Als Braut, vertraue mir, als unberührte Braut führt Dich Alonso
-heim. Es liegt für mich ein namenloser Zauber in dem Gedanken! Gewähre
-mir, zum Zeichen Deines Glaubens an meine Ehrfurcht vor Deiner Tugend,
-diesen Wunsch. Sechs Monden sind es nur, dann steigt die Jungfrau an
-das Land der neuen Welt, und sinkt in Mexiko, vor Gottes Hochaltar in
-unsrer goldgeschmückten Kathedrale, als junge Frau an meine Brust, zu
-lohnen mir die uns selbst aufgelegte süße Pein der schmerzlichsten
-Entsagung, durch ihrer Liebe Vollgenuß.
-
-Gib den Gedanken auf, versetzte bittend Hulda: ich traue Dir und mir,
-denn keuscher Liebe ist die schwerste Prüfung leicht; die Eltern
-aber würden darein sich nimmer fügen; doch morgen früh darüber mehr!
-Vielleicht läßt sich das alles leichter machen, als Du denkst, das
-liebe Gold ist ja der beßte Hebel aller Hindernisse, und auch die gute
-Kirche läßt das Dispensiren sich bezahlen. Jetzt lebe wohl, Alonso,
-gute Nacht, und süße Träume!
-
-Ein langer, langer Abschiedkuß, und Hulda fuhr mit ihrem Vater an das
-Land zurück. Trompeten schmetterten ihr nach, und wilde Paukenwirbel;
-und Hurrah schrie das Schiffsvolk aller Decke, und des Kanonendonners
-furchtbares Krachen verkündete dem Hafen und der Stadt, daß jetzt des
-Mexikaners schöne Braut nach Hause fahre. Alonso wehte ihr mit weißem
-Tuche, so lang sein Blick sie noch erreichen konnte, den Wunsch der
-guten Nacht noch nach, und alle seine Gäste, die Becher in der Hand,
-schrien Vivat, Vivat hoch, und blieben bis zur späten Mitternacht, und
-tollten auf des Bräutigams Schiffe, als wäre morgen Hochzeit, und heute
-Polterabend.
-
-Alonso nahm, sobald Hulda ihn verlassen hatte, an dem Tanz und dem
-rasenden Lärmen der fast überlustigen Gäste keinen unmittelbaren
-Antheil; er blieb zwar der Rolle des gastlichen Wirths, mit der
-artigsten Aufmerksamkeit, treu; aber, wo er konnte entfernte er sich,
-und wenn er allein war, und ungesehen, so stellte er sich hin, und
-schaute durch die Dunkelheit der Nacht hinauf nach dem bewußten Balkon.
-
-Endlich erschien etwas Weißes da oben, und kaum gewahrten dieß einige,
-die ihn belauscht hatten, als der Spektakel von neuem begann, und die
-ganze Gesellschaft der weißen Erscheinung mit Trompeten und Pauken, und
-dem Hurrah der Neger, ein Vivat ausbrachte, daß es drüben an den Mauern
-der schlummernden Stadt widerhallte.
-
-In dem Augenblicke zündeten die Mexikaner, und hundert Matrosen anderer
-Schiffe, die sie sich zur Hülfe geholt hatten, mehrere tausend Laternen
-an, die an den Seiten des Schiffes, am Tauwerk, und an den Mastbäumen,
-bis zum Mars hinauf, in zierlicher Ordnung hingen, und einen
-unbeschreiblich schönen Anblick gewährten. Oben auf dem Topp des großen
-und des Fockmastes, waren Sonne und Mond in herrlichen Transparents
-zu sehen, und die unzähligen Lichter auf dem kaum merkbar hin und her
-schwankenden Schiffe, die sich in dem schillernden Wasser rings um,
-hundertmal wiederspiegelten, stellten den ganzen hochbeleuchteten
-Dreimaster in einen zauberisch schönen Feuerkreis.
-
-Alonso freute sich, daß diese feenartige Ueberraschung, die er Hulda
-zu Ehren veranstaltet hatte, nicht von ihr unbemerkt geblieben war;
-sie hatte ihm, von der Höhe ihres Balkons herab, einen herzlichen
-Kuß zugeworfen, und er schwamm nun in einem Meere von Fröhlichkeit.
-Er gab noch heraus, was Butlerei[48] und Kambüse[49] vermochten, und
-man schwärmte bis zum hellen Morgen, wo die armen, diese Nacht oft
-gestörten gelbgefiederten Schreihälse auf dem benachbarten canarischen
-Schiffe, den Tag verkündeten, und man die gastliche Antoinette verließ.
-
-Doch einen Augenblick noch auf Hulda zurück. Als sie mit dem Vater zu
-Hause kam, empfing sie die Mutter mit verweinten Augen.
-
-Ihr habt Euch auf Eurem Spaziergange ja recht lange verweilt, sagte sie
-kalt, und durchbohrte Hulda mit einem pfeilscharfen Blicke.
-
-Wir sind in Gesellschaft gewesen, entgegnete Hulda offen, und morgen
-früh wird --
-
-Erspare Deine Bekenntnisse, fiel sie dem Mädchen, das ihr jetzt das
-Geständniß seiner glücklichen Liebe ablegen wollte, bitter in das Wort.
--- Deine zärtliche -- fuhr sie zum Manne fort: Deine zärtliche Vorsorge
-für meine Ruhe hat Dir wenig geholfen; ich weiß alles, leider durch
-Fremde. Mein Kind hat sein Vertrauen zu mir verloren; wo Vertrauen
-fehlt, ist auch keine Liebe, Hulda, ich bitte Dich um Gotteswillen,
-womit habe ich dieß verdient? Ich habe seit Empfang dieser Zeilen
--- sie wies auf ein Billet der Maklerin -- Stunden gelebt, die mir
-den Abschied aus diesem Leben leider recht erleichtern. Ich träumte,
-wenigstens von meinem einzigen Kinde geliebt zu seyn! -- und dieses
-hintergeht mich, hintergeht mich da, wo andere gute Töchter sich der
-Mutter, ihrer ersten, ihrer treuesten Freundin, vor allen andern
-vertrauen. -- Die ganze Stadt weiß, was mir, von Dir, von meinem Kinde
-verborgen wird. Gott im Himmel! habe ich denn auf der ganzen Welt
-keinen Freund mehr, als den Tod? --
-
-Antoinette! hob der Vater ruhig an: seit Du mir Deine Hand gabst, habe
-ich nie hinter Deinem Rücken gehandelt; traue mir so viel Selbstgefühl
-zu, daß ich jetzt nicht anfangen werde, mich einem Fehler Preis zu
-geben, der -- er sagte das mit weicher Stimme -- auch den letzten
-Pfeiler unsers häuslichen Glücks untergraben würde. Was ich gethan
-habe, kann jeder wissen. Der Mann, der sich um Hulda’s Hand bewirbt,
-wollte heute früh schon Dich begrüßen; ich hielt ihn davon ab, und
-bat um Aufschub bis morgen, weil ich auf den Besuch Dich vorbereiten
-wollte; von seiner jugendlichen Raschheit mußte ich fürchten, daß
-er gleich heute mit seinem Anliegen hervortreten möchte; von Deiner
-Liebe zum einmal gefaßten Plane aber, daß Du, krank und mißgelaunt,
-nicht möchtest Dich ihm so erklären, wie wir mit ihm es wünschen. Ein
-+solcher+ Schwiegersohn, ist er einmal gekränkt, kömmt nicht
-leicht wieder, und darum rieth mir die Vernunft, mit Vorsicht hier
-an’s Werk zu gehen. Er lud uns beide zu sich ein; ich sagte zu, um
-unterdessen, bis ich mit Dir darüber sprechen konnte, den Mann, dem
-wir das Kind auf Lebenszeit hingeben sollen, noch näher zu ergründen.
-Daß seine Absicht ruchtbar ward, daß Maklers sie Dir hinterbringen,
-und ihres Sohnes Nebenbuhler in schwarzen Schatten stellen würden,
-konnte ich mir denken, und darum suchte ich die Menschen, wenigstens
-bis morgen, von Dir zu entfernen, damit Du ihn dann ohne Vorurtheil
-sähest, und zwischen ihm und Maklers Caspar freie Wahl hättest. Wenn
-ich hierinn gefehlt habe, so verzeihe mir Gott; ich that es nur, um
-Hulda’s Beßten willen. Du liebst das Kind, wie ich, und darum wirst
-auch Du mir gern vergeben, wenn mein Verfahren Dich beleidigt hat.
-Wehe wollte ich damit, beim Himmel, Dir nicht thun. Den Zweck, Alonso
-näher zu erforschen, habe ich nun zwar ganz verfehlt, denn in dem Saus
-und Braus von hundert frohen Gästen, ließ sich des Menschen Herz nicht
-sonderlich sondiren; indeß, was ich sah und was ich hörte, bezeichnet
-wohl den Mann, der unserm Kinde, außer Glanz und Reichthum, ein reines
-Herz darbringt, und, gute Antoinette, das ist in der Liebe und in der
-Ehe, ja doch immer der beßte Hausrath!
-
-Die mexikanischen Weine müssen Euch über die europäischen Hindernisse
-hinweggehoben haben, oder ich begreife Dich und Hulda nicht, entgegnete
-die Mutter mit erzwungener Ruhe: lies doch den Brief meiner ehrlichen
-Maklerin. Der Mensch kann der gefährlichste Abenteurer seyn; das
-kümmert euch nicht. Er lügt Euch seine Piaster millionen weise her,
-und ihr seyd, mit der ganzen Stadt, gutmüthig genug, seine Prahlereien
-ihm auf’s Wort zu glauben. Er will von deutscher Abkunft seyn, und
-nennt sich Mantequilla! er hat gar, hie und da, den kecken tollen
-Wunsch geäußert, das Kind als Braut nach Mexiko zu nehmen, weil ihm der
-Trauschein seiner Aeltern und sein Tauf-Zeugniß nicht herzuschaffen
-seyen. Wer weiß, was für verlaufenes Gesindel seine Eltern sind! daß
-sie niemals getraut, und daß er nicht getauft -- beweis’t sein leerer
-Vorwand! Und einem solchen soll mein Kind, mein einziges Kind, geopfert
-werden? Nein -- nimmermehr. Wär’ frommer Sinn in seiner Heidenbrust,
-und hätte alles, was er sagt, recht seinen Grund, so gäbe er der Sache
-Raum, und käm nach Jahresfrist zurück, und brächte die Documente alle
-mit, die wir verlangen müssen, wenn uns der Vorwurf unsrer Mitwelt
-nicht treffen soll, daß wir ganz ohne Kopf handelten.
-
-Das alles, liebe Frau, begann der Vater sanft: läßt morgen sich
-besprechen; das Mädchen ist noch jung, und kann das Jahr noch warten.
-Zwei tausend Meilen hin, zwei tausend Meilen her, sind wohl kein
-kleiner Weg; indessen muß Alonso sich, bestehest Du darauf, mit
-kindlichem Gehorsam darein fügen; die Liebe mag ihm Zeit und Weg
-verkürzen. Auch hat er sich, wenn Du es wünschest, schon erklärt, sein
-Vaterland ganz aufzugeben, und hier bei uns sein Lebenlang zu bleiben;
-ich mochte ihm sein Wort deßhalb nicht fodern, denn aus dem ungeheuern
-Geschäft, was dort sich um ihn treibt, sich hieher in unsern Hökerkram
-zu setzen, kann seine Jugendkraft, die immer höher strebt, nicht
-reizen. Der zärtlichen Mutter aber, die das Kind ungern von sich ziehen
-sieht, ist wohl ein Vorschlag dieser Art nicht zu verargen. Sprich
-morgen selbst mit ihm. Vielleicht erfüllt er Deine Wünsche.
-
-Die Mutter hatte still und ruhig zugehört; ihr Gesicht schien sich bei
-dem, was der Vater zuletzt anführte, ein wenig aufzuheitern.
-
-Hulda kniete neben dem Bette nieder, und küßte ihre Hand, und fragte
-leise, ob Mütterchen noch böse sey.
-
-Sie schwieg und lächelte, und eine stille Thräne zitterte ihr im halb
-erloschenen Auge.
-
-Der Vater benutzte die in ihrem Innern vorgehende mildere Stimmung, und
-erzählte, daß der alte Linsing, der recht geläufig spanisch spreche,
-sich mit dem Steuermann und dem Guardian, so wie mit einigen Matrosen
-auf der Antoinette unterhalten, und sie, hinsichtlich der Vermögenslage
-ihres Capitains, recht umständlich über dieß und jenes ausgefragt, daß
-aber, nach dem was sie darüber hätten fallen lassen, Alonso eher zu
-wenig, als zu viel davon gesagt habe. Er kann, setzte er hinzu, weil er
-bemerkt hatte, daß die Idee von Alonso’s hiesiger Niederlassung, der
-Mutter vorzüglich zusagte: mit seinen funfzehn Millionen hier leben,
-wie ein Fürst.
-
-Und meine Hulda liebt den fremden Mann? fragte die Mutter mit mildem
-Worte.
-
-Wie keinen andern, lispelte Hulda leise, und bog sich auf der Mutter
-Hand herab.
-
-Ich werde, versetzte die Mutter mit einem Tone, als wolle sie Hulda und
-den Vater überzeugen, daß beide sich in ihr geirrt hatten: ich werde
-meines Kindes Glück nicht stören. Ich habe zwar geglaubt, daß der, den
-ich im Stillen erwählte, auch Hulda werde wohlgefallen, doch, wenn das
-nicht soll seyn, kann ich mich gern fügen. Ist das, was von Alonso’s
-fabelhaftem Reichthum Ihr erzählt, zur Hälfte nur gegründet, und ist
-er meines Kindes Liebe werth, und kann er meinen Wunsch erfüllen, und
-seinen Wohnplatz bald, auf immer her verlegen! so kenne ich meine
-Mutterpflicht, und werde ihr nichts schuldig bleiben. Mit Freuden
-opfere ich dann jene kleine Grille, und segne Euren Bund.
-
-Hulda traute ihrem Ohre kaum; sie umschlang die zärtliche Mutter, und
-bedeckte ihre bleiche Wange mit den Küssen der kindlichsten Liebe. Noch
-danke nicht, mein Kind, sagte die Mutter freundlich: erst wünsche ich
-den Mann zu sehen, dem es gelang, dieß reine Herz so schnell für sich
-zu gewinnen; doch -- jetzt nichts, nichts mehr davon. Ihr wißt, ich
-liebe nicht viel Worte.
-
-Da eilte Hulda von dannen und flog in den Garten, um dem vor Freude
-und Entzücken fast zerspringenden Herzen Luft zu machen. So rasch, so
-leicht der Mutter Sinn zu wenden, hatte sie sich nicht gedacht. Die
-Schickung wollte alles so; der Finger dessen, der das Herz des Menschen
-lenkt, ließ sich hier nicht verkennen. Den ganzen Tag war sie noch
-nicht auf dem Balkon gewesen, und hatte es Alonso doch versprochen! Ein
-wenig mußte sie hinauf, und kaum, als sie sich sehen ließ, stand, wie
-durch einen Zauberschlag, das ganze Schiff, vom Wasserspiegel bis zum
-Topp, so herrlich groß beleuchtet -- ganz oben -- höher noch als sie,
-die Sonne und der Mond -- der Mexikaner sanfte Götter! verschwunden
-war am schwarzen Himmel das Kreuz und alle dräuende Gestalten. Nur
-Jauchzen hörte sie vom Schiff herauf und laute Freude, und mit der
-Liebe glücklichstem Entzücken warf sie dem schönen Mann, der beide Arme
-ihr entgegen breitete, die süßesten der Küsse zu.
-
-Er kam den folgenden Morgen bei früher Tageszeit, hörte von Hulda und
-dem Vater, wie die Sachen sich unterdessen gestaltet hatten, und welche
-Wünsche ihm würden eröffnet werden, und trat, in beider Mitte, in das
-Zimmer der Mutter.
-
-Ein Fieberblitz zuckte dieser durch alle Glieder, als sie seiner
-ansichtig ward; sie schrie laut auf und verhüllte das Gesicht mit ihrem
-Tuche, als hätte sie ein Gespenst gesehen.
-
-Der Capitain Don Mantequila, hob der Vater, wegen dieses sonderbaren
-Auftritts, sehr verlegen an, und wollte ihr Alonso vorstellen. Sie aber
-rief: um Gotteswillen weg, weg -- das ist sein Gesicht -- das ist er
-selbst. Warum -- ich frage Dich furchtbare Allmacht, warum mir hier, am
-Rande des Grabes, noch diese ungeheure Qual! --
-
-Antoinette, sagte der Vater höchlich bestürzt: was ist Dir? Mütterchen,
-rief Hulda, und stürzte vor ihr Bette auf die Knie nieder: um
-Gotteswillen sprich -- was hast Du für ein böses Traumgesicht?
-
-Laßt mich sterben! tödtet mich! macht meinem entsetzlichen Leben ein
-Ende! entgegnete die Mutter aus schwer gepreßter Brust, und rang die
-Hände mit abgewendetem Gesicht -- +das+, +das+ soll Hulda’s
-Gatte seyn? Ein Teufel ist es, den die Hölle ausgespien! Ich habe ihm
-geflucht! Sie richtete sich in die Höhe, die Augen rollten funkelnd
-ihr im Kopfe, die bleichen Wangen brannten dunkelroth, und krampfhaft
-bebten ihr die blassen Lippen -- Es ist die letzte Stunde meines
-Lebens! des Todes Schauer rieseln kalt mir durch die Seele -- die Rache
-Gottes führt Dich Sünder zum Gericht. Ich fluche dreimal Dir -- Fluch,
-Fluch, Fluch, Dir schauderhaftem Ungeheuer! --
-
-Um Jesus Christi willen, Mutter! schrie Hulda außer sich, und faßte
-die drohende Rechte der Schrecklichen, die vor ihr grausend lag, wie
-jenes Wolkenbild am Himmel.
-
-Der Mutter aber war der Athem ausgegangen -- der Tod schlug grinsend
-seine kalten Arme um die sichere Beute -- die Pulse stockten, und wie
-das letzte Gift des unversöhnlichsten Ingrimms, so trat ihr der weiße
-Schaum auf die zuckenden Lippen. --
-
-Alonso schwankte vom Vater begleitet lautlos zur Thüre hinaus.
-
-Der Mutter brechendes Auge suchte ihn, und da es ihn nicht mehr fand,
-ward sie ruhiger. -- Sie athmete schwer. -- Sie seufzte tief -- eine
-Riesenlast lag ihr auf dem Herzen. Sie hatte aber nicht die Kraft mehr,
-sich sie abzuwälzen. Nur abgebrochene Worte, die kaum mehr verständlich
-waren, konnte sie hervorbringen.
-
-Sie faßte Hulda’s Hand, und drückte sie heftig in die ihrigen. Mit
-höchster Anstrengung sammelte sie den Rest ihrer Kräfte, und sprach in
-kurzen Sätzen, halb laut -- Die letzte Bitte Deiner Mutter! schwöre
-mir, ihm nimmer zu gehören --
-
-Du bist krank, meine Mutter, sagte Hulda weinend: Deine Phantasie --
-
-Nein, erwiederte die Sterbende: ist er es nicht, so ist’s sein Sohn;
-ich habe ihm geflucht bis in das dritte Glied -- Sophie wird Dir alles
-sagen.
-
-Der Heiland hat verziehen, entgegnete Hulda: er betete für seine
-Feinde; und Du, mein Mütterchen, willst scheiden aus der Welt mit
-solchem Groll, und wie -- wie kann Alonso den verdienen, da Du ihn nie
-sahest?
-
-Gott strafte auch der Väter Sünde bis in’s vierte Glied. Alonso soll
-des Vaters Sünde büßen.
-
-Kennst Du den Vater denn?
-
-Ein schwerer Seufzer war die Antwort; das Auge fand die letzten
-Thränen; -- die Arme schluchzte laut, das hart gequälte Herz ward
-endlich weich und milde.
-
-Nimm Mutter, Deinen Fluch zurück, bat Hulda christlich fromm, in Angst
-und Schmerz ganz aufgelös’t. Der Tod versöhnt ja alles! Laß beten mich
-für Deiner Seele Ruhe. O -- Mutter richte nicht! Ich weiß nicht, was
-man gegen Dich verbrochen hat. Alonso aber ist nicht schuldig! Und Gott
-allein ist unser Richter. Mach’ Dir die Sterbestunde leicht. Vergib,
-so wird auch Gott Dir gern vergeben, und Engel werden Deine fromme
-Seele zu seinen Himmeln sanft geleiten.
-
-Da fiel ein Schuß, ein zweiter, und ein dritter, und von dem Hafenfort
-erdonnerte des Abschiedgrusses Antwort.
-
-Alonso geht in See, schrie händeringend Hulda, und sank ohnmächtig in
-einander. --
-
- * * * * *
-
-Die Unglückliche hatte sich nicht getäuscht.
-
-Alonso, bis in den Grund der Seele erschüttert, des Mutterfluches
-grause Worte in dem Herzen, kam todtenbleich an seines Schiffes Bord.
-
-Er fand den alten Linsing, warf weinend sich ihm in die Arme und rief,
-vom scharfen Schmerz zerrissen: Ich muß von dannen, ich muß fort.
-Allmählig nur gelang dem antheilvollen Freunde, das schreckliche
-Begebniß ihm abzufragen.
-
-Alonso, hob er tröstend an: nur hier nicht gleich so rasch gehandelt.
-Die Frau hat phantasirt; ein Mißverständniß seltner Art muß hier zum
-Grunde liegen. Mein Freund, mein lieber Sohn, sey ruhig. Es wird, es
-muß sich alles noch enträthseln.
-
-Kann Hulda den je lieben, den ihrer Mutter Fluch getroffen hat? fragte
-Alonso und starrte dunkeln Blickes vor sich hin. Ich ahne Gräßliches!
-Ein Mißverständniß ist es nicht. Die Frau gehörte dieser Welt schon
-nicht mehr an, und drüben sieht man heller, als wir blöde Menschen.
-Sie hat sich nicht geirrt. Mein Vater -- und ihr Bild! Im Sterben noch
-war sie sich ähnlich. -- Antoinette nannte sie der Mann -- des Vaters
-Lieblingsname -- zu ehren ihn, hab’ ich mein Schiff also genannt.
--- Aus Frankfurt sagt Auguste -- aus jedem Umstand press’ ich einen
-Tropfen zu dem Gifte, das mir in ihrem Fluche liegt. Und Hulda -- mein
-ganzes Glück, mein Leben -- dem Fluchbedeckten darf sie ja die reine
-Hand in Ewigkeit nicht reichen. -- O -- hätt’ ich doch aus meinem
-Scherze Ernst gemacht; ich wollte gestern mit ihr fort, -- da hielt
-sie mich, um ihrer Mutter Segen willen. Statt dessen schleuderte die
-Sterbende, aus ihres Grabes Schauertiefe, mir ihren Fluch in’s todte
-Leben nach! -- So wahr mein Gott im hohen reinen Himmel -- ich büße
-eine fremde Schuld. -- Was helfen nun mir alle Millionen! Das Höchste
-meines Lebens, das Herz des Engels ist mir freventlich geraubt, und ich
-bin bettelarm! So lang ich athme, wird das meine ihr allein gehören.
--- Nein, außer ihr kann Keine ich je lieben! -- Mein alter Herr und
-Freund, bringt meine Schwüre ihr. Der Sonne Strahl soll langsam quälend
-mich vertrocknen, des Mondes mildes Licht mir nimmer wieder scheinen,
-und meines großen Gottes Rache fort und fort mich überall verfolgen,
-wenn meinen Schwur der Treue ich je breche. Bringt, Freund, ihr diesen
-Kuß! Ich kann sie nimmer wieder sehen.
-
-Alonso, liebster Freund, ermahnte bittend der Director: ach haltet
-diesesmal nur Euern raschen Sinn im Zügel. Die Mutter ist ja krank, sie
-kann sich bessern; das böse Wort, dem Irrthum bloß enteilt, kann sie
-ja widerrufen. -- Sie kann vielleicht auch sterben, und dann ist Hulda
-frei! --
-
-So denkt Ihr hier in Eurer alten Welt? fragte Alonso bitter. Ein
-Irrthum war es nicht! Der Geist des höhern Lichts sprach aus des
-Todtenrichters Munde. Und lebt sie Jahre noch, sie wird, sie kann nicht
-widerrufen. Und thät sie es -- meint Ihr, daß sie damit den in Gift
-getauchten Dolch mir aus dem Herzen ziehen könnte, den sie tief hinein
-gestoßen hat? Was ich hörte, ich kann es nicht ungehört machen. Ich
-könnte nimmermehr mit Liebe mich ihr nahen; ich könnte nie Vertrauen zu
-ihr fassen. Sie könnte Mutter nimmermehr mir seyn. -- Und frei, sagt
-Ihr, sey Hulda wenn sie stürbe? Wohl werden Wunder nicht geschehn, wenn
-Hulda mir die Hand nach ihrer Mutter Tode gäbe. Kann Hulda aber das?
-Kann Hulda an der Seite des Verfluchten sich eine Stunde nur des Lebens
-freuen? -- Beim kleinsten Mißgeschick -- muß sie nicht immer gleich des
-Mutterfluches harte Folgen fürchten? -- Das Drohbild, was sie gestern
-in den Wolken sah! -- Mein Gott und Herr, soll das ein Vorgefühl des
-Jammers, den der Zorn der Mutter uns bereitet hat, gewesen seyn? --
-Ich kann nicht bleiben; -- ich muß fort. Sie noch einmal zu sehen, ist
-mehr als ich ertragen kann. -- Mein Arm darf sie nicht mehr umfangen!
-Sie muß mich fliehen, ich bin geächtet. -- In wenig Stunden bin ich der
-ganzen Stadt Gespött! man zeigt mit Fingern auf den kühnen Fremden, der
-sich erdreistete, der Blumen lieblichste Europa’s Gärten zu entführen,
-und den ein Weib mit Fluch und Bann belegte! -- Nein! fort von hier!
-hinaus in’s wilde Meer! vielleicht wirft bald eine Welle mich in des
-Abgrunds dunkle Tiefe! -- Gott sey mir Armen gnädig.
-
-Mit wildem Ungestüm sprang er zum Fockmast vor, und schrie den Negern
-zu: ~Listo! levad el ancla~,[50] und andern: ~Listo! dad vela~[51];
-und pfeilschnell flogen sie auf ihre Posten. Die schweren Anker wanden
-sich aus ihrem Grunde, und in die aufgehießten Segel blies der leichte
-Landwind seewärts.
-
-Alonso ließ ein kleines Boot aussetzen, um den alten Linsing an das
-Land zu bringen. Noch einmal schloß er ihn in seine Arme. Ein heißer
-Thränenstrom entstürzte seinen Augen. Mein letztes Wort ist Hulda! rief
-er im Schmerz der Trennung fast vergehend. Beschwöret sie, mit Liebe
-meiner immer eingedenk zu bleiben. -- Doch ihre Hand sey frei. Kann
-sie mit einem Andern glücklich seyn, so segne ich den Bund, mag es mir
-auch das Leben kosten. Kein Bild, kein Blatt, nicht eine Locke, ich
-habe nichts von ihr, das süße Wehe nur in der gequälten Brust. Noch
-höre ich den Wohllaut ihrer Stimme, noch sehe ich die reizende Gestalt;
-mein guter Gott, laß mir dies beides nur, so lange ich das Leben hier
-noch friste. -- Noch einmal laßt mich athmen tief -- es ist die Luft
-in der sie lebt, laßt ihres Athems Würze mich einsaugen. -- Ich sehe
-sie ja +nie+ -- verstehst Du alter Freund, verstehst Du dieses
-Schreckenswort? -- Ich sehe nie sie wieder; -- die Lootsen kommen an
-den Bord, aus Euerm Hafen mich zu bringen. Gehabt Euch wohl. Ich steure
-meinen Cours in’s Grab. Mein Herzensfreund, wenn Du mich liebst, so
-bitte mit mir Gott, daß er das liebeleere Leben mir bald ende. Dort
-oben gilt kein Fluch. Dort seh ich Hulda wieder! -- Dank Dir, mein
-alter Freund, daß Du die bittere Scheidestunde mir versüßest. Bring
-Frau und Kindern meinen Gruß. Dieß, Linsing, meiner Hulda!
-
-Er gab ihm aus einem neben ihm stehenden Blumentopfe, einen Zweig
-brennender Liebe, drückte ihm einen Kuß auf die Lippen, zog ihn noch
-einmal an sein Herz, und die Kanonen seines Schiffes sagten dem Hafen
-Lebewohl.
-
-Linsing ließ sich an das Land setzen, und Alonso stand wie ein
-Wahnsinniger, mit starrem Blicke nach dem Balkon gerichtet.
-
-Weiter und weiter trieb der Wind die Antoinette hinaus, dem
-unermeßlichen Weltmeere zu -- Hulda erschien nicht -- Alonso’s Kräfte
-schwanden. Die starke Eiche brach, wie mürbes Rohr, zusammen. Er stieß
-der bittersten Verzweiflung lauten Schrei aus der zerrissenen Brust,
-und stürzte halb todt auf das Verdeck; da eilten seine treuen Neger
-schnell herbei, und trugen ihren Herrn erstarrt in die Kajütte.
-
- * * * * *
-
-Wer mahlt der armen Hulda namenlosen Schmerz, als sie erwachte. Die
-Mutter lag entseelt vor ihr im Bette. Das Herz, es schlug nicht mehr,
-kein Athemzug -- das starre Auge hatte nicht mehr Leben, vom bittern
-Todeskampf war das Gesicht entstellt -- der Fluch -- es war, als hätte
-sie ihn nicht zurück genommen, als wäre sie mit ihm zur Unterwelt
-gefahren.
-
-Des Kindes Angstgeschrei rief den Vater und die Bedienung herbei.
-Auch der Arzt kam. Alle Mittel, des Todes Macht zu bannen, blieben
-erfolglos.
-
-Hulda konnte nicht bleiben; das furchtbar zürnende Gesicht der -- mein
-Jesus, rief sie laut: ich will ja, Mutter, Deinen Willen thun, nur
-zürne mir im Tode nicht! Ich war Dein liebes Kind ja immer, und Gott
-wird Kraft mir geben, daß ich -- O Mutter, Mutter, höre noch aus Deiner
-fernen Welt auf Deines Kindes banges Flehen -- geh’ nicht mit diesem
-Groll in Deine stille Gruft.
-
-Der Vater bat weinend die Umstehenden, Hulda auf ihr Zimmer zu bringen.
-Bete mein Kind, sagte er, ihr ängstliches Zagen beschwichtigend: auf
-Deinen Knieen um die Ruhe der Verklärten. Alles meines Bestrebens
-ungeachtet, hat ihr das Leben der Freuden wenig nur geboten. Sie nannte
-oft den Tod nur ihren einzigen Freund. Sein sanfter Schlaf möge ihr die
-Erquickung schenken, die sie hier nirgends finden konnte, und jenseits,
-wo uns kein Kummer trüben soll und wo wir klarer schauen werden, wird
-sich vielleicht auch mir des Trübsinns Grund eröffnen, der überall die
-Rosen ihres Lebens bleichte.
-
-Hulda, in Thränen der kindlichsten Wehmuth zerfließend, lag in ihrem
-Zimmer, vor ihrem Gott gebeugt, als der alte Linsing eintrat, die
-brennende Liebe ihr reichte, Alonso’s Scheidekuß ihr auf die Lippen
-drückte, und ihre vorhin geäußerte, über das plötzliche Verscheiden der
-Mutter aber wieder entschwundene Ahnung von Alonsos Abreise, durch die
-einfachen, im Munde des tief gerührten Mannes kaum vernehmbaren Worte:
-Er ist fort! bestätigte.
-
-Sie sah den Todesboten mit thränenschweren Augen an, that aus der
-blutenden Brust einen lauten Schmerzensschrei und sank, dem Jammer des
-Lebens auf ewig verfallen, ohne Besinnung zu Boden.
-
-Nach einer Stunde erst kam sie so weit wieder zu sich, daß sie ihrer
-Sinne mächtig ward. Unter dem Vorwande, frische Luft zu schöpfen, ging
-sie in den Garten, trat später in den Saal und bestieg den Balkon.
-
-Auf der Stelle im Hafen, wo die prächtige Antoinette vor Anker lag,
-befand sich jetzt ein unansehnlicher Grönlandsfahrer; draußen auf dem
-Meere, ganz oben, auf der fernsten Höhe des Wasserspiegels, gewahrte
-sie einen schwarzen Punkt. Das war Alonso’s Schiff; mit gebrochenem
-Herzen rief sie dem Entschwindenden, der unauslöschlichen Liebe
-verzweiflungvolles Lebewohl, leise nach, und sah, still vor sich
-weinend, starren Auges, nach dem immer mehr und mehr enteilenden Punkte
-hin, bis er verschwand.
-
-Zehnmal wischte sie sich die aus der gepreßten Brust unaufhaltsam
-hervorquellenden Thränen von den Wimpern, um noch einmal, nur noch ein
-einziges Mal das fliehende Schiff zu erspähen. Aber ihr Auge erreichte
-es nicht mehr! --
-
-Die Mutter todt, Alonso fort! -- Vielleicht auf immer und ewig fort! --
-
-Die Unglückliche drückte das letzte Zeichen seiner Treue, die
-brennende Liebe, an die Lippen, und überließ sich, still weinend, der
-schmerzlichsten Trauer.
-
- * * * * *
-
-Die Leiche der Mutter zu sehen, hatte sie absichtlich gemieden; das
-zürnende Drohgesicht -- es wich nicht von ihrem innern Auge; sie sah es
-wachend und träumend.
-
-Am Begräbnißtage -- sie hatte den entsetzlichen Augenblick lange
-gefürchtet, wo sie der Hülle der Vorangegangenen zum letzten Mal sich
-nähern sollte, um ihr der Kindesliebe frommen Dank zu bringen, und ihr
-zur Nacht des langen Schlafs, die Ruhe der Seligen zu wünschen -- am
-Begräbnißtage trat sie an den Sarg.
-
-Der Mutter Züge hatten sich verändert; nichts trübte mehr die
-qualerfüllte Brust, in der das frömmste Herz geschlagen. Der Kummer
-dieses Lebens drückte nicht mehr auf die Engelreine. Versöhnt mit dem
-Geschick, und harrend ihres Lohns, der droben guter Menschen wartet,
-lag sie, wie eine Gottverklärte da. Ein mildes Lächeln schwebte in
-jedem ihrer Züge; es war, als spräch’ ihr blasser Mund, mein Glück war
-nicht von dieser Welt. Jetzt ist mir wohl. Der Gott, der jede still
-geweinte Thräne zählt, wiegt jede mir durch tausend Freuden auf.
-
-Mein Mütterchen, sagte Hulda mit der Wehmuth leisestem Tone, und kniete
-am Sarge nieder: Du zürnest nicht mehr mit mir? Du behältst mir drüben
-Deine Liebe? Dein Kind darf furchtlos an das Wiedersehen denken? --
-Der in den letzten Augenblicken Deines Lebens den Frieden Deiner Seele
-störte, er hat zum Opfer sich und mich gebracht. Das Kind soll folgsam
-seiner Mutter seyn. So hat sein edles Herz gewollt. Laß nun auch ab
-von Deinem Hasse gegen ihn, und kann aus jenen Lichtgefilden, in
-denen Deine Seele schwebt, auf Dein verwais’tes Kind Dein mütterlicher
-Segen wirken, so gib mir Kräfte, daß ich ertrage, was Dein Gebot mir
-auferlegt; und ist es in dem Plane des Geschicks, daß des irdischen
-Lebens Glück unwiderruflich mir verloren sey, so rufe Du mich bald,
-daß ich Dir folge, denn diese arme Welt gewährt mir keine Freude mehr.
-Schlaf sanft, mein Mütterchen! die Klage meiner Leiden soll in Deiner
-Ruhe Dich nicht stören. Kein Vorwurf soll in Deine stille Kammer Dich
-begleiten. Mein Heiland starb am martervollen Kreuze; er duldete und
-schwieg; auch ich will schweigend dulden. Vergebung flehete er, weil
-sie nicht wußten, was sie thaten. Vielleicht hast Du, mein Mütterchen,
-auch nicht gewußt, warum Du mir gethan, was meines Lebens Blüthe
-vernichtet hat, auf ewig. Mein Jesus lehrte mich, in diesem Fall,
-Vergebung Dir erbitten; und so soll Gott sich Deiner mild erbarmen, und
-wenn Du fehltest, mit seiner Liebe nur Dich richten. In Deinem Willen
-lag gewiß mein Wohl, und darum sey entladen aller Schuld, und kehre ein
-in Deiner Freuden Reich.
-
-Sie neigte ihr Haupt auf die gefalteten Hände, und wimmerte, leise
-schluchzend. Da traten die mit schwarzem Krepp umflorten Träger
-ein, und verschlossen den Sarg. Einen Blick noch warf sie auf die
-Entschlafene, einen Blick der Liebe, der Verzeihung und des Friedens;
-und der Gott, der den schuldlosen Kindern das Himmelreich verheißet,
-und in seinem unerforschlichen Willen von seinen Auserwählten oft der
-Prüfung schwere Opfer fodert, schenkte ihrem Herzen wohlthätige Thränen
-und sanften Trost.
-
- * * * * *
-
-Mit einem spanischen Schiffe, das einige Wochen später nach dem Hafen
-von Calao[52] abging, hatte Hulda den Tod der Mutter deren Schwester,
-der Tante Sophie in Lima berichtet, sie von ihren Verhältnissen zu
-Alonso in Kenntniß gesetzt, und sie zugleich um die Aufschlüsse über
-der Mutter unerklärliche Abneigung gegen letztern gebeten.
-
- * * * * *
-
-Der Kummer über den Verlornen; der Schmerz, daß die erste Freundinn
-ihres Herzens, ihre Mutter, ein Bündniß nicht gebilliget hatte, in dem
-Hulda ihr ganzes Lebensglück zu finden meinte; die zweitausend Meilen
-weite Trennung von dem Treugeliebten; der sich täglich mehr begründete
-Zweifel eines möglichen Wiedersehens; das heimliche Spötteln mancher
-werthlosen Menschen; die heimtückische Rachsucht der Makler-Familie,
-die sich freute, das unglückliche Mädchen auf alle ersinnliche Art zu
-kränken; das lange vergebliche Harren auf eine endliche Nachricht von
-ihm und der Tante -- Alles dieß nagte zerstörend an Hulda’s frischer
-Jugendkraft. Sie verlor allen Reiz am Leben, zog sich aus allen
-gesellschaftlichen Kreisen, mied alle Zerstreuungen, und lebte nur
-ihrem stillen Kummer und der Erinnerung der seligen Stunden, die ihr in
-Alonso’s Nähe vom Geschick, nur viel zu spärlich, zugemessen gewesen
-waren.
-
-Einem reinen, zartfühlenden Mädchen ist kein Gift gefährlicher, als das
-des Grams der Liebe. Wie schmerzlich hatte dieses hier gewüthet! Die
-schöne Knospe, sie war geknickt. Verwelkt waren Blätter und Zweige;
-verdorrt der Saft des Lebens!
-
-Ich kannte Hulda’s Lage, und meine herzliche Theilnahme erwarb mir ihr
-freundliches Wohlwollen.
-
-Sie sprach, wenn sie mit Gustchen, ihrer vertrautesten Freundinn allein
-war, gern von Alonso, -- aus der geheimsten Tiefe ihrer Seele schien
-dann immer noch ein schwacher Strahl der Hoffnung aufzublitzen, daß
-eine Verbindung mit dem Geliebten ihres Herzens doch möglich sey.
-
-Ihre blasse Wange röthete sich dann ein wenig, und das thränenmüde Auge
-blickte mit wehmüthigem Lächeln in die Zukunft. Sie glich der Sonne
-am frühen Herbstabend, die, hinter trüben Wolken hinabsinkend, noch
-einmal der Erde den freundlichen Scheideblick zuwirft. In ihrem großen,
-geistvollen Auge lag ein Himmel voll Seligkeit, und wenn sie vom Herzen
-zum Herzen sprach, glaubte man eine Heilige der christlichen Vorwelt zu
-hören, so demüthig war ihr Sinn, so gottergeben ihr engelreines Gemüth,
-so vorbereitet ihre Seele auf das Jenseit, dem sie, durch Vollendung
-ihres edlen Selbst, entgegen reifte. Nur wenn die Rede auf ihn kam, an
-dem ihr Herz mit unaussprechlicher Liebe hing, trat die Anhänglichkeit
-an das Irdische mit all ihrem Zauber wieder vor; sie erschrak dann
-über die kalte Hand des Todes, die ihr den Blüthenreiz der Jugend so
-grausam abgestreift, das frische Purpurroth auf ihrer Lilienwange in
-kranke Leichenblässe gewandelt, und des Fleisches kräftige Frische
-so unerbittlich gewelkt hatte. Ihr Lieblingsaufenthalt war auf dem
-Balkon; wer die süßeste Sehnsucht der Liebe mahlen wollte, mußte dieß
-Mädchen sehen, wenn es oft Stunden lang, unverwendeten Blickes, in das
-unermeßliche Weltmeer schauete; und dann, heimlich vor sich hin, die
-Augen voll Wasser, den Kopf schüttelte, und leise sagte: er kömmt immer
-noch nicht.
-
- * * * * *
-
-Endlich, nach vierzehn langen Monaten, trafen Briefe von der Tante
-Sophie ein.
-
-Der Mutter Wille, schrieb diese unter andern: ist, wie Du mir sagst,
-daß ich Dir das dunkele Räthsel löse, das der Unglücklichen Leben bis
-zur letzten Stunde trübte, und Dir, meine theure Hulda, alle Deine
-Hoffnungen, all’ Dein Glück, unwiederbringlich vernichtet hat.
-
-Ich erfülle diesen Willen mit schwerem Herzen, weil ich des
-Unerforschlichen Wege, auf denen sich Folgen an Ursachen in ewiger
-Kette fortreihen, hier so sichtbar gezeichnet finde, daß ich alle
-Menschen laut und dringend beschwören möchte, jeden ihrer Schritte,
-jede ihrer Handlungen, und alles, was der Natur der Dinge nach, daraus
-entstehen muß, prüfend zu berathen, um seine Seele nicht mit Vorwürfen
-zu belasten, die keine Macht der Welt von uns zu nehmen vermag.
-
-Antoinette ward, in der Blüthe ihrer Jahre, von einem jungen Manne
-geliebt, der ihren Reizen und ihren Tugenden mit unbeschreiblicher
-Leidenschaftlichkeit huldigte. Selbst ohne Vermögen, bot er, in
-leichter Hoffnung auf künftiges Glück, und ohne zu überrechnen, was zur
-Führung eines auch nur mittelmäßigen Hausstandes unentbehrlich nöthig
-ist, dem Mädchen seines Herzens die Hand; unsere Eltern aber, wie die
-seinigen, konnten diesen raschen Schritt nicht billigen, und empfahlen
-dem Heirathlustigen, die Verbesserung seiner Lage abzuwarten, die ihm,
-bei seinen Kenntnissen, mit der Zeit nicht entstehen könne.
-
-Man hielt die Trennung beider Liebenden für das zweckmäßigste Mittel,
-ihn von allen Zerstreuungen abzuhalten, um sich desto bestimmter seinem
-Berufe widmen, und die Begründung seiner künftigen Selbständigkeit
-desto ungestörter bewirken zu können.
-
-Er verließ, unter den heiligsten Schwüren ewiger Treue, unser
-Frankfurt, und ging nach Hamburg, um auf dem Comptoir eines der ersten
-dasigen Häuser zu arbeiten. Mangel an festen Grundsätzen, rasches
-Temperament, und Gelegenheit -- wie viele junge Männer unsrer Zeit
-mögen diesen verführerischen Dämonen ihres Lebensglücks sich nicht
-schon in die Arme geworfen haben, ohne die Folgen ihrer Unbesonnenheit
-zu berechnen -- Ein junges, unerfahrnes Mädchen von gutem Herkommen,
-wohnt mit ihm in einem und dem nämlichen Hause; sie sehen sich
-täglich; ihr beiderseitiger Umgang wird vertrauter, und der Mann, der
-vor wenigen Monaten noch, zu Antoinettens Füßen die Reinheit seiner
-Liebe mit tausend Eiden bekräftigte, mußte, um die Gefallene nicht
-dem Spotte der Welt Preis zu geben, mit ihr flüchten. In Mexiko gebar
-sie Alonso, und starb vor Gram über ihren Leichtsinn, der sie aus dem
-Kreise ihrer achtbaren Familie in einen fremden Erdstrich bannte, worin
-sie sich arm und verlassen fühlte und, nachdem der erste Rausch der
-Leidenschaft verflogen war, sich von dem nicht mehr geliebt sah, dem
-sie alles geopfert hatte. Alonso’s Vater machte seine Talente bald
-geltend; wer hier Thätigkeit mit Umsicht verbindet, +muß+ sein
-Ziel erreichen; das Glück war dem Manne, der sich nun mit rastlosem
-Eifer in die Geschäfte warf, vorzüglich günstig, und so hinterließ er
-seinem eingebornen Sohne ein Vermögen, welches, selbst nach hiesigem
-Maßstabe, zu den bedeutendern gehört. Seinen deutschen Namen, Schmalz,
-hatte er, wahrscheinlich um unentdeckt zu bleiben, oder weil die sechs
-Consonanten in Einer Sylbe, dem spanischen und indischen Munde seiner
-Geschäftsverbündeten und Untergebenen unaussprechbar waren, in das
-Spanische übersetzt, und sich daher Mantequilla genannt; oft schon
-hatte ich von dem reichen Mantequilla in Mexiko gehört, ohne zu ahnen,
-daß dieß der Unbesonnene sey, der meiner Antoinette das Herz gebrochen
-hat.
-
-Auf diese hatte seine Treulosigkeit einen furchtbaren Eindruck
-gemacht. Sie war von dem Augenblicke an, da sie die Nachricht seiner
-Flucht hörte, wie umgewandelt; sonst die fröhliche Unbefangenheit,
-die Gutmüthigkeit, die Liebe selbst, ward sie kalt und verschlossen;
-sie haßte das Leben und seine Freuden; in ihrem Innern gährte eine
-Säure, eine Bitterkeit, die sie gegen alle Menschen immer mehr und mehr
-verfeindeten; ihre Vernunft nur und ihr Pflichtgefühl, zügelten ihren
-heimlichen Ingrimm gegen die ganze Welt; sie glaubte an keine Eide
-mehr; sie hielt das ganze Menschengeschlecht für entwürdiget.
-
-Dein Vater, von dem Reize ihrer blendenden Schönheit hingerissen,
-warb um ihre Hand; er ward von allen seinen Freunden gewarnt; allein
-der joviale Mann hielt ihre Kälte für Tiefe des Gemüths; ihre
-Zurückgezogenheit für Folge ihrer bisher eingeschränkten Lebensweise;
-ihre Bitterkeit, für Witz. Sie gab ihm ihre Hand ohne Liebe; sie gab
-sie ihm, weil es unsere Aeltern wünschten, weil sie jede ihrer Wünsche
-als unwiderrufliches Gesetz ansah, und weil sie jede ihrer Pflichten
-mit einer Strenge gegen sich selbst erfüllte, die an Märtyrerwahn
-gränzte. Es that ihr wohl, sich dem älterlichen Willen zum Opfer
-zu bringen; ihr Leben hatte, nach ihrer trüben Ansicht, doch nun
-wenigstens +einen+ Zweck gehabt.
-
-Es gibt, für den Mann von Gefühl, kein entsetzlicheres Loos unter dem
-Monde, als mit einer Gattinn verbunden zu seyn, die ihm, aus mehreren
-bewegenden Nebenumständen, nur nicht aus dem Drange ihres Herzens,
-ihre Hand gegeben. Antoinette erkannte alle Bemühungen Deines Vaters,
-ihr das Leben angenehm zu machen, sich in ihre unermüdlichen Launen
-zu fügen, und ihr Beweise seines herzlichsten Wohlwollens, seiner
-innigsten Liebe zu geben, an; aber sie konnte ihm dafür nichts, als
-bloßen Dank wiedergeben; sie haßte sich darüber selbst; sie klagte, in
-jedem ihrer Briefe, sich deßhalb selber an; die engelgleiche Schonung,
-mit der Dein Vater ihr zurückstoßendes Benehmen trug, und gegen andere
-sogar entschuldigte, drückte sie noch tiefer nieder; sie setzte sich
-in ihren schwermüthigen Selbstbetrachtungen zusammen, daß sie ihm und
-andern eine Last sey, und zerfiel so mit dem innern Glauben an sich
-und ihren Werth immer mehr. Eine sonderbare Frömmelei, der sie sich,
-nach ihren Briefen, besonders in der spätern Zeit, hingegeben zu haben,
-und in der sie, wie aus mehreren ihrer Aeußerungen hervorging, von
-einem dortigen mit ihr befreundetem Hause, bestärkt zu werden schien,
-dämpfte ihre zuweilen rege werdenden Bemühungen, sich aus sich selbst
-heraus zu reißen, noch mehr. Sie hielt jede Widerwärtigkeit für eine
-ausdrückliche Schickung Gottes, welcher die züchtige, die er lieb
-habe, und fügte sich zur Duldsamkeit der strengsten Büßerinnen unsrer
-christlichen Vorzeit. Ewig und ewig wühlte aber das Andenken an die
-Wehthat des Meineidigen, in ihrem tausendfach zerrissenen Herzen. Ach
-könnten die Männer das Unermeßliche der Liebe ahnen, das im keuschen
-Busen der Jungfrau so allmächtig wogt, sie würden die ungeheure Qual
-verstehen, die eine solche Liebe leidet, wenn sie betrogen wird!
-Verdamme nicht Deine unglückliche Mutter, wenn sie, -- diese brennende
-Qual mehr denn zwanzig Jahre im gewaltsam verschlossenen Herzen, in
-der Stunde des ersehnten Todes, Alonso erkennend, -- den wortbrüchigen
-Vater verfluchte! Es liegt in diesem Fluche etwas so schauderhaft
-Gräßliches, daß mir die Sinne vergingen, als ich ihn las. Hörten ihn
-doch alle, die sich eines gleichen Verbrechens schuldig wissen!
-
-Deine Briefe, meine Hulda, bestimmten mich zu einer Reise nach Mexiko.
-Nach meiner festen Ueberzeugung galten die grausenden Verwünschungen
-der Sterbenden nicht dem schuldlosen Sohne, sondern der Sünde des
-Vaters. Alonso’s Aehnlichkeit mit diesem hatte der Unglücklichen, die
-auf der furchtbaren Schauerbrücke zwischen dieß und jenseits stand, wo
-alle Sehnen, alle Nerven, alle Fibern im Kampfe mit dem wüthenden Tode,
-bis zum Zerspringen gereizt, wo ihre Sinne krampfhaft zerrüttet, wo die
-unsichtbaren Bande zwischen Seele und Körper, von der erbarmunglosen
-Parze schon halb zerschnitten waren, jene Aehnlichkeit, sage ich, hatte
-in diesem entsetzlichen Augenblicke, ihrer verworrenen Phantasie das
-Bild des Treulosen wie mit einem Zauberschlage vorgeführt; dem Jahre
-lang, unter der Gewalt der Vernunft erlegenen Herzen entstürzte fest
-das bitterste aller Gifte, das Gift gekränkter Liebe. Das Recht, was
-sie sich anmaßte, den Vater im Sohne noch zu hassen, ist ein Beweis
-ihres Wahnsinns mehr. Ihr frommer Geist war schon von ihr gewichen;
-diese Aeußerung war nur die letzte Zuckung ihres verblutenden Herzens.
-Nur einen lichten Augenblick hätte sie noch haben dürfen, nur der
-ernsten Zusprache eines verständigen Freundes hätte es bedurft, und
-jene unseligen Worte wären über ihre Lippen nicht gekommen, oder von
-ihr, mit ihrem milden christlichen Sinne, widerrufen worden.
-
-Im Plane der Vorsehung hat es anders gelegen! Jene Sünde des Vaters
-hat den schuldlosen Sohn zum Opfer gefordert.
-
-Bereite Dich vor, meine Hulda, das Schmerzlichste zu hören.
-
-Ein Schwarzer empfing mich und meinen Gatten in Alonso’s fürstlichem
-Palaste.
-
-Auf unsere Frage nach seinem Herrn, brach der Mann in sanfte Thränen
-aus. Nur zu seiner Ruhestätte kann ich Euch geleiten, entgegnete er,
-mein edler Herr ist todt!
-
-Hulda, halte fest an Gott und seinen Glauben! Alonso ist in der Blüthe
-seines Lebens, in des Todes kalte Arme gesunken.
-
-Wenige Tage nach seiner Abfahrt aus Euerm Hafen, hatte ihn, wie der
-Neger erzählte, ein hitziges Fieber befallen. Der Steuermann, der
-Bootsmann, der Guardian, alle bitten ihn, zurückzukehren; er aber
-besteht auf der Fortsetzung der Fahrt; nach zwei langen Monaten fängt
-die Kraft des Rüstigen endlich an, sich allmählig wieder zu regen;
-alles preis’t Gott, der ihn, ohne ärztliche Hülfe wieder genesen ließ;
-nur ihm macht die Rückkehr in das Leben keine Freude; er, sonst der
-Lebendigste, der Heiterste auf dem Schiffe, sitzt in sich gekehrt
-und still, mit dem Gesichte nach Europa gewendet; spricht kein Wort,
-ist weich wie ein Kind, und hat oft heiße Thränen im Auge. Der Pilot,
-ein verständiger Mann, naht sich ihm mit bescheidener Frage nach der
-Ursache seines Kummers, glaubt, daß er körperlich leide, und bitter,
-seinen Cours auf die zunächst liegende Insel richten zu dürfen, um da
-für seine Gesundheit besser sorgen zu können; Alonso aber reicht ihm
-freundlich dankend die Hand, bittet, die Fahrt nach Vera-Cruz möglichst
-zu beschleunigen, behauptet, daß ihm auf dieser Welt Niemand helfen
-könne, setzt späterhin sein Testament auf, und übergibt es, für den
-Fall seines Todes auf der See, gedachten drei Schiffsoffizieren mit den
-gewöhnlichen Förmlichkeiten.
-
-Ein anhaltender, sehr bedeutender Sturm, der das Schiff mehrere
-hundert Meilen verschlägt, und die angreifendsten Anstrengungen
-nöthig macht, deren sich Alonso, um die Mannschaft zu retten, Tag und
-Nacht unterzieht, bewirken in seiner Krankheit einen gefährlichen
-Rückfall. Seine Kräfte schwinden immer mehr, und nur mit Mühe gelingt
-es ihm, kaum noch lebend nach einer höchst mühvollen Fahrt, im Hafen
-von Vera-Cruz, endlich an das Land zu setzen. Man bringt ihn in das
-benachbarte Xalappa[53], das eine gesündere und angenehmere Lage hat,
-als Vera-Cruz selbst; allein er dringt darauf, nach Mexiko geschafft zu
-werden; die erdrückende Hitze auf den Dünen[54], über die ihn, in einem
-Ruhebette, seine treuen Sclaven tragen, verschlimmert seine Krankheit,
-und kaum in Mexiko angelangt, verscheidet er nach kurzem Leiden.
-
-Sein letztes Wort war Dein Name, meine unglückliche Hulda. An Dich
-sind die Zeilen gerichtet, die er am Bord der Antoinette geschrieben,
-und unter Deiner Adresse versiegelt hinterlassen hat, und die mir, da
-ich mich als Deiner Mutter Schwester auswies, zur Weiterbeförderung
-an Dich, ausgehändigt worden sind. Alonso muß ein sehr edler Mensch
-gewesen seyn. Er hat im Testamente seinen sämmtlichen Sclaven die
-Freiheit geschenkt, und sie mit Mitteln zur Rückkehr in ihre Heimath
-versehen. Ganz Mexiko rühmt ihn, als ein Muster von Sittenreinheit; der
-Ruf seiner Tugend, seiner Kenntnisse und seines Wandels hat ihm die
-Liebe und Achtung der ganzen Stadt gewonnen, und ein recht rührender
-Beweis der zarten Anhänglichkeit seiner Umgebungen war, daß uns alle
-Personen im Hause, als wir nach seinem Grabmal wandelten, schweigend
-Hand und Fuß küßten, als wollten sie uns für die letzte Ehre danken,
-die wir ihrem angebeteten Herrn erwiesen. Das Monument, unter dem seine
-Hülle ruht, ist ein einfacher Würfel von weißlich grauem, sehr schön
-geschliffenen Granit. Es liegt unfern der Stadt, auf dem Hügel von
-Toatihuacan, zwischen den majestätischen Trümmern der, den indischen
-Göttern, dem Monde und der Sonne, geweihten Pyramiden, in der Mitte
-eines heiligen Palmenhains, rings umgeben von einem Kranze frisch
-gepflanzter brennender Liebe. Wir knieten, vom Dunkel der stillen
-Friedens-Palmen umschattet, am Grabe nieder, und beteten für Alonso und
-für Dich. --
-
-Alonso’s mit schwacher Hand geschriebene Zeilen lauten also:
-
-Meine ewig einzige Hulda! Nur, wenn ich hinüber gegangen bin in die
-Gefilde der Seligen, empfängst Du dieses Blatt. Ruht Dein Auge also
-darauf, so bin ich schon drüben in dem Lande des Friedens, in dem keine
-Täuschung mehr gilt, in dem nur die Wahrheit und das Recht dem Throne
-des Allmächtigen zur Seite stehen.
-
-Ich habe eine schwere Krankheit überstanden; meine Leute glauben
-mich genesen, aber ich fühle, daß meiner Stunden nur wenige noch
-sind. Erinnert an meine Sterblichkeit, habe ich meinen letzten Willen
-aufgesetzt, Kraft dessen Du die alleinige Erbinn dessen bist, was die
-Menschen zeitliches Glück nennen. Danke mir dafür nicht, denn es war
-seit dem Augenblicke, als Du mir Deine Hand gabst, ja schon Dein. Das
-Testament selbst, das gleich nach meiner Landung unserm Alcalde Mayor
-wird eingehändigt werden, bedarf, nach unserm Gesetz, die Bestätigung
-des Vicekönigs, für deren Bewirkung die nöthige Sorge getragen werden
-soll.
-
-Ich mag und kann nicht mehr leben. Ohne Dich, meine angebetete Hulda,
-hat die ganze Welt keinen Werth für mich. Zwischen uns hat sich der
-Fluch der sterbenden Mutter, wie ein glühender Markstein gestellt. Der
-Geächtete, der Verfluchte konnte Dir nie seine Hand bieten! Es ist
-mir gewesen, als wäre mein Gehirn aus dem Schädel gebrannt, denn ich
-habe den Gedanken, Dich, Dich meine Hulda, auf diese Weise aufgeben zu
-müssen, nicht fassen können.
-
-Im Wahnwitz des hitzigen Fiebers, an dem ich krank lag, war mir am
-wohlsten. Da hielt ich Dich noch für mein; da spann ich mir die
-Sekunde, die ich mit Dir lebte, zu Tagen aus; jedes Wort, jeder Blick,
-jedes Lächeln von Dir, Du alleiniger Engel meines Lebens, war mir
-gegenwärtig, und in meiner glücklichen Einsamkeit störte mich nichts,
-als das Toben der Wellen, die sich an den Seiten meines Dreimasters
-schäumend brachen. Ich sprach, ich kos’te mit Dir; ich sog aus Deinen
-Augen, von Deinen Lippen, aus Deinen tausendfachen Reizen das Süßeste
-der Liebe.
-
-Nach und nach verflogen meine Fieberträume; ich kehrte in das
-schauerkalte, der Verzweiflung heimgefallene Leben zurück, und bin
-unterdessen tausend Meilen von Dir weggekommen. Sonst, Du in diesen
-meinen Armen, an dieser meiner Brust! -- jetzt -- ein halbes Weltmeer
-zwischen uns! -- Ich sehe und sehe, aber mitten auf dem unermeßlichen
-Ozean erspähe ich nichts, als Himmel und Wasser, Dunst und Nebel; dieß
-armselige Gewand unsers ganzen Erdballs begränzt mir den Blick nach
-Deinen Küsten, und meine Einsamkeit ist fürchterlich, weil sie ewig
-ist. Ich kann mit glühender Sehnsucht hinabblicken in den Abgrund des
-Meeres, denn nur mit meinem Tode hört mein Unglück auf.
-
-Jenseits sollen die in Gott Entschlafenen sich wieder finden! Hast
-Du dieß Blatt in Deinen Händen, so habe ich, wenn jene wohlthuende
-Hoffnung des himmlischen Wiedersehens kein leeres Trostwort unsers
-Glaubens ist, und Deine Mutter unterdessen den letzten Todeskampf auch
-überstanden hat, sie gefunden, und bin von ihr jener Unheil bringenden
-Verwünschung entlastet worden. Ich bin dann rein von aller Sünde, auch
-von der, die aus falscher Ansicht mir aufgebürdet wurde, und Du kannst
-und darfst an mich denken, ohne mit Deinem engelreinen Herzen Dich
-meiner zu schämen!
-
-Weine um mich nicht, Hulda. Ich fürchte den Tod nicht, und wenn Du
-diese Zeilen liesest, habe ich ja den letzten Kampf schon glücklich
-gekämpft. Die Trennung von Dir, meine einzige geliebte Hulda, war mir
-wahrhaftig schwerer, als mir die vom Leben werden kann. Nun Du mir
-fehlst, fehlt mir alles. Athemholen und Essen und Trinken heißt noch
-nicht Leben. Ehe ich Dich kannte, liebte ich neben Gott meinem Herrn,
-meiner Neger sanfte Gottheiten, den Mond und die Sonne. Seit Dich mein
-Auge sah, vergaß ich beide, denn beide, die alles belebende Kraft der
-Sonne, und die stille Milde des freundlichen Mondes, fand ich in Dir
-wieder. Nun ich Dich nicht mehr sehen kann, mag ich auch die Götter
-meiner Neger nicht; nur nach des Grabes Dunkel sehnt sich mein müdes
-Herz.
-
-Lebe wohl, meine Treugeliebte! behalte die Ueberzeugung fest, daß der
-Fluch Deiner Mutter mich unschuldig traf. Du warst meine erste, meine
-einzige Liebe. Schuldlos wie das Kind, das in der frühesten Jugend
-der himmlische Vater zu sich ruft, scheide ich aus diesem Leben. Die
-Gluth der Liebe, die von Deinen zauberischen Reizen angefacht, in
-meinem Herzen mit Riesengewalt empor loderte, sie soll nur im engen
-finstern Grabe, oder wenn ich auf der See noch sterbe, nur in der
-unergründlichen Tiefe des großen Weltmeeres erkalten. -- Dir meine
-Hulda -- das Laster des Neides ist dem Sterbenden fremd -- Dir gebe
-ich Dein Gelöbniß der Treue hiermit feierlich zurück. Findest Du einen
-Mann Deiner Liebe werth, so reiche ihm Deine Hand, und sey mit ihm
-glücklich. Vergiß meiner nie, und bete für das Heil meiner Seele.
-
-Weiter hatte Alonso, vermuthlich wegen Körperschwäche, nicht schreiben
-können; die letzten Worte waren ohnehin schon fast ganz unleserlich.
-Hulda reichte leichenbleich die Blätter dem Vater. Sie war vom Schreck
-so durchbebt, daß sie kein Wort sprechen konnte; ein Schauer jagte nach
-dem andern ihr durch Mark und Blut, sie zitterte an allen Gliedern, und
-das starre Auge netzte keine Thräne.
-
-Ich konnte, sagte sie endlich nach langer Weile, ihre
-Leichtgläubigkeit sich selbst verweisend, mit erschütternder Kälte: ich
-konnte noch hoffen, und die Mutter hatte mir in jenem Wolkenbilde doch
-schon seinen Grabstein gezeigt! Weißlich grau war damals das Gestein,
-und daß jener schreckliche Spiegel meiner Zukunft nicht lüge, schleifen
-sie den Würfel, der auf seinem Grabe ruht, von weißlich grauem Granit!
-
-Mehr sprach sie keine Sylbe; sie ging, wie im Traume, nach dem
-Garten-Saal, und trat auf den Balkon. Da erst, als sie in die Gegend
-hinschaute, in die er gesegelt war, ohne je wieder zurückzukommen, trat
-ihr das Wasser in die Augen, da erst fand das schwer belastete Herz
-Erleichterung durch sanfte Thränen.
-
-Ich will, sagte sie, und reichte dem Vater wehmüthig die Hand: mit der
-Vorsehung nicht hadern; ich will nicht murren! aber womit habe ich
-dieses entsetzliche Loos verdient? Was habe ich gegen den Allgerechten
-verbrochen, daß ich dieser Strafe werth wäre? Für meinen Verlust ist
-hienieden kein Ersatz denkbar; mißbillige daher, mein armer Vater,
-mißbillige es nicht, wenn ich meinen Gott im Himmel bitte, mich bald
-von hier abzurufen. Drüben soll ich ihn ja wieder sehen, dort darf
-ich ihn ja lieben. Einen Vortheil, ja einen habe ich aus meinem
-unermeßlichen Unglück gerettet, den Vortheil des leichten Todes.
-Die letzte Stunde dieses freudenleeren Lebens -- wann schlägt sie
-mir? Andere schaudern ihr entgegen, mir ist sie das Einzige, wornach
-ich mich hier noch sehne. Allgütiger, ende bald mit mir. Sie sah
-noch einmal über das Meer hinüber, sie lispelte leise: Mein Alonso,
-schlummere im Schatten Deiner Friedenspalmen sanft und ruhig. Deine
-brennende Liebe nehme ich mit in meine Gruft. Noch einen Blick -- es
-war der letzte -- warf sie rund um auf Land und Meer, verließ, sanft
-weinend, ihren Lieblingsplatz, den Balkon, und hat ihn nie wieder
-betreten.
-
-Denselben Abend noch -- dieß zarte Gemüth konnte die ungeheure Last
-eines solchen Schmerzes nicht lange ertragen, der Gram zerfraß diese
-noch nicht einmal ganz entfaltete Blüthenknospe mit eiliger Gier --
-denselben Abend noch mußte sich Hulda legen; sie sandte nach Gustchen
-und deren Bräutigam; sie fühlte das allmählige Verrinnen ihrer
-Lebenskraft, und freute sich der Gewißheit dieses Gefühls. Sie sandte
-zu der Familie, die durch heuchlerische Frömmelei Einfluß auf die
-Mutter gehabt, und dadurch wohl manches Unheil gestiftet hatte, und
-ließ ihr sagen, daß sie ohne Groll von hinnen scheide; sie ordnete ihr
-Begräbniß an, und bat um das heilige Abendmahl.
-
-Es war Mitternacht, als der Prediger, der nämliche, der Hulda getauft,
-der sie confirmirt hatte, und der von ihr im Stillen schon bestimmt
-gewesen war, den Bund ihrer Liebe mit Alonso vor dem Traualtar
-einzusegnen, an ihr Lager trat, um ihr das letzte Mahl der Liebe und
-Versöhnung zu reichen, und der Kirche Segen ihr in das dunkle Reich des
-Todes mitzugeben.
-
-Die Umstehenden knieten an ihrem Bette nieder; sie reichte ihnen allen
-die Hand, als wolle sie Abschied von ihnen nehmen, um dann die letzten
-Augenblicke ihres Lebens ungestört sich allein zu gehören, und nahm
-nun mit unbeschreiblicher Rührung, aus der Hand des Dieners Christi,
-eines ehrwürdigen alten Mannes, das Mahl, das der zu seinem Gedächtniß
-einsetzte, der den Menschen die reinste Liebe und den Leidenden
-das höchste Bild der frommen Duldung war, der in der strengsten
-Pflichterfüllung unser Aller Meister ist, und der den Sterbenden
-seine schützenden Engel mit dem Freudenlichte seines Worts und seiner
-Hoffnungen entgegen sendet, daß sie die Gläubigen sicher geleiten durch
-das Dunkel der langen Todesnacht.
-
-Vor dem Hause hob jetzt das Schülerchor, mit gedämpfter Stimme, das
-fromme Lied: +Jesus meine Zuversicht+, an; der Geistliche segnete
-sie zur ewigen Ruhe ein, und noch hatte das Lied nicht geendiget, als
-Hulda, des Lebens müde, ihr Haupt neigte, und lautlos, ohne Schmerz und
-ohne Klage hinüber schlummerte in das Reich der Seligen. -- Noch ein
-leiser Seufzer, und die Engelreine hatte vollendet.
-
-Die Glocken der Stadt schlugen Eins. +Ihr+ dämmerte der Morgen der
-ewigen Verklärung.
-
-Auguste, ihre treueste Freundinn, drückte ihr die Augen zu -- Alonso’s
-letztes Andenken, die brennende Liebe schmückte Hulda’s Brust im Sarge.
-
-Auch ihr Grab deckt ein großer Würfel von geschliffenem Granit; statt
-der nur in Alonso’s Heimath, im Freien gedeihenden Palmen, beschatten
-Trauerweiden ihre Gruft. --
-
-Sie ruhe in Frieden!
-
- * * * * *
-
-Uns allen aber einst solch einen sanften Tod.
-
-
-
-
- Gedruckt in der Gerlachischen Buchdruckerei.
-
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-
-
- Bei der +Arnoldischen+ Buchhandlung in Dresden sind folgende
- schöngeistige Schriften erschienen und um die beigesetzten Preise
- durch alle Buchhandlungen zu bekommen:
-
-
- Abendzeitung, herausgegeben von Th. Hell u. Fr. Kind, auf das Jahr
-
- 1817. 6 Thlr.
- 1818. 6 Thlr.
- 1819. 6 Thlr.
- 1820. 6 Thlr.
- 1822. 6 Thlr.
- 1823. 9 Thlr.
-
- A. Apel, die Aitolier. Tragödie m. K. 1 Thlr.
- -- -- Kunz von Kauffung. Trauerspiel. 20 Gr.
-
- Das Gespenst. Drei Erzählungen von Fr. Laun, Fr. Kind und G.
- Schilling. 1 Thlr. 6 gl.
-
- Der Mantel. Drei Erzählungen v. Fr. Laun, K. Streckfuß und G.
- Schilling. 1 Thlr. 6 gl.
-
- Ich und meine Frau. Drei Erzählungen von Fr. Laun, W. A. Lindau
- und G. Schilling. 1 Thlr. 6 gl.
-
- H. Clauren. Lustspiele. 2 Thle. 1818. 2 Thlr. 6 gl.
- -- -- Scherz und Ernst. 10 Theile. 10 Thlr.
- -- -- des Lebens Höchstes ist die Liebe. 2 Thle. 1822. 2 Thlr.
- -- -- Das Pfänderspiel. 1820. 1 Thlr. 6 gl.
- -- -- Der Vorposten. Schauspiel. 1821. 16 gl.
- -- -- Das Vogelschießen. Lustspiel. 1822. 21 gl.
- -- -- Der Liebe reinstes Opfer. 1821. 18 gl.
- -- -- Rangsucht und Wahnglaube. 1821. 22 gl.
- -- -- Liesli und Elsi, zwei Schweizergeschichten. 1821. geb.
- 1 Thlr. 8 gl.
- -- -- Das Schlachtschwert. Eine Erzählung. 1821. 18 gl.
-
- C. W. Contessa. Erzählungen. 2 Theile. 1819. 2 Thlr.
-
- Th. Hell, Bühne der Ausländer. 3 Bde. 3 Thlr. 6 gl.
- -- -- Lyratöne. 2 Thle. m. K. 1821. 2 Thlr.
-
- E. v. Houwald, Erzählungen. 1819. 1 Thlr. 4 gl.
-
- Fr. Laun, der wilde Jäger. 1820. 1 Thlr. 6 gl.
- -- -- Welcher? Drei Erzählungen verwandten Inhalts. 1821.
- 1 Thlr. 3 gl.
-
- W. A. Lindau, Lebensbilder. 2 Thle. 1816. 1 Thlr. 12 gl.
- -- -- -- Die Braut. Ein Gemälde nach W. Scott. 3 Thle. 1822. 2te
- Aufl. 3 Thlr.
- -- -- -- Eduard, nach Walter Scott. 4 Thle. 1822. 4 Thlr.
- 18 gl.
- -- -- -- Das Herz von Mid-Lothian, nach W. Scott, 1r, 2r Thl. 1822.
- 2 Thlr.
- -- -- -- Erzählungen nach Washington Irwing, a. d. Engl. 1822.
- 21 gl.
- -- -- -- Anastasius, Abenteuer eines Griechen. Nach dem Engl.
- 2 Thle. 1822. 2 Thlr. 16 gl.
- dessen 3r Theil. 1823. 1 Thlr. 8 gl.
-
- R. Roos. Gedichte. 1820. 1 Thlr.
- deren 2r Theil. 1823. 1 Thlr. 3 gl.
- -- -- Erzählungen. 1820. 1 Thlr. 3 gl.
-
- Salomon, Parabeln. 1819. 1 Thlr.
-
- St. Schütze, Heitere Stunden, 1r Theil. 1821. 1 Thlr. 3 gl.
- deren 2r Thl. 1822. 1 Thlr. 3 gl.
-
- K. Streckfuß, Erzählungen. 1812. 1 Thlr.
-
- Taillefas, Schreckensscenen aus dem Norden. 1820. 1 Thlr.
-
- C. F. van der Velde, Erzstufen. 3 Thle. 1819. 2 Thlr. 18 gl.
- -- -- -- -- Prinz Friedrich. 1820. 1 Thlr. 12 gl.
- -- -- -- -- Die Eroberung von Mexiko, 3 Thle. 1821. 3 Thlr.
- -- -- -- -- Der Maltheser. 1822. 1 Thlr. 12 gl.
- -- -- -- -- Die Lichtensteiner. 1822. 1 Thlr.
- -- -- -- -- Die Wiedertäufer. 1822. 1 Thlr. 3 gl.
- -- -- -- -- Die Patrizier. 1823.
- -- -- -- -- Arwed Gyllnstierna. 2 Theile 1823.
-
- Die erste Sammlung der Schriften von Gustav Schilling besteht
- aus 50 Bänden, welche im Ladenpreise 50 Thlr. kosten. Um aber
- den Freunden einer neuen Sammlung den Ankauf der frühern zu
- erleichtern, geben wir solche für 33 Thlr. Sächs. Cour., wofür sie
- durch alle solide Buchhandlungen zu erlangen ist.
-
- Es sind in jener Sammlung enthalten: 1) das Weib wie es ist. 3te
- verb. Aufl. 2. 3. 4.) Die Ignoranten. 3 Thle. 3te verb. Aufl. 5.
- 6. 7. 8.) Der Liebesdienst. 3 Thle. 9. 10.) Die schöne Sibille. 2
- Thle. 3te verb. Aufl. 11.) Bagatellen v. Z. Kukuck. 2te verb. Aufl.
- 12. 13. 14. 15.) Erzählungen. 4 Thle. 16. 17. 18.) Geschichten. 3
- Thle. 19. 20. 21.) Irrlichter. 3 Thle. 22. 23.) Abendgenossen. 2
- Thle. 2te verb. Aufl. 24.) Das Orakel. 25. 26.) Laura im Bade. 2
- Thle. 27.) Der Beichtvater. 2te aus 2 in 1 Bd. gedrängte Aufl. 31.)
- Die Wunderapotheke. 32.) Der Weihnachtabend. 2te verb. Aufl. 33.)
- Die Neuntödter. 34.) Die Geister des Erzgebirges. 35. 36.) Flocken.
- 2 Thle. 37. 38.) Gottholds Abenteuer. 2 Thle. 2te verb. Aufl. 39.)
- Wallmann der Schütze. 40.) Die Nachwehen. 41.) Freudengeister. 42.)
- Die Bedrängten. 43. 44.) Der Roman im Romane. 2 Thle. 2te verb.
- Aufl. 45.) Die Heimsuchung. 46.) Blätter aus dem Buche der Vorzeit.
- 47.) Orangen. 2te aus 2 in 1 Bd. gedrängte Aufl. 48.) Flämmchen.
- 49.) Die Versucherinnen. 2te verb. Aufl. 50.) Das Teufelshäuschen.
-
- Die zweite Sammlung erscheint in Lieferungen zu 5 Bänden, welche im
- Ladenpreise 5 Thlr., gegen Vorausbezahlung aber nur 4 Thlr. kosten.
-
- In der ersten Lieferung sind enthalten: 1.) Der Mann wie er ist.
- 2te verb. Aufl. 2. 3. 4.) Verkümmerung. 3 Thle. 5.) Heimchen. 6.
- 7.) Stoffe. 2 Theile. 8. 9. 10.) Die Familie Bürger. 3 Theile 1820.
-
- In der zweiten: 6. 7.) Stoffe. 2 Thle. 8. 9. 10.) Die Familie
- Bürger. 3 Thle.
-
- In der dritten sind enthalten: 11. 12. 13.) Wallows Töchter. 3 Thle.
- 1821. 3 Thlr. 6 gr. 14. 15.) Zeichnungen. 2 Thle. 1 Thlr.
- 18 gl.
-
- In der vierten: 16. 17.) Wolfgang. 2 Thle. 2 Thlr. 6 gr. 18. 19.
- 20.) Häusliche Bilder. 3 Theile. 1822. 2 Thlr. 18 gr.
-
-
-Arnoldische Buchhandlung.
-
-
-
-
-FUSSNOTEN:
-
-[1] Eine Art großer Heidelbeeren (~vaccinium macro carcon~) in der
-Gegend von Buffalo-Creek zu Hause.
-
-[2] Die nördlichste Niederlassung der Herrnhuter in Grönland 72° 82, N.
-B.
-
-[3] Eigentlich sagt der Seemann nicht Mastkorb, sondern Mars. Da
-indessen nur wenige Leser der Schiffssprache dürften kundig seyn,
-glaubte ich den ersteren, ihnen bekannteren Ausdruck beibehalten zu
-müssen.
-
-[4] Bei großen Kauffahrern von 500 Lasten, (zwanzigtausend Centnern)
-hat der Mastbaum gewöhnlich eine Länge von 110 Fuß.
-
-[5] Dieß heißt, etliche von den Segeln backbrassen und andere
-beiprassen, so daß sie unter einander eine entgegengesetzte Richtung
-haben, und das Schiff beinahe auf einer Stelle liegen bleibt.
-
-[6] Taschen heißen die drei Fuß breiten Gallerien, die an den Seiten
-des Schiffes nach dem Hintertheile zu, angebracht werden.
-
-[7] Dieß ist das Zeichen, durch welches ein segelfertiges Schiff, den
-am Lande befindlichen Passagieren zu verstehen gibt, sich baldigst an
-Bord zu verfügen.
-
-[8] Die Flagge niederlassen, oder die Flagge streichen, ist der
-seemännische ehrfurchtvollste Bückling.
-
-[9] Gissing ist die muthmaßliche Berechnung der Stellen, auf der sich
-das Schiff in See befindet, ohne Sonne und Sterne beobachten zu können.
-
-[10] Ein falscher Cours mit Schneckenlinien.
-
-[11] Ein Stück Bonnetsegel mit Werg benäht und mit Asche bestreut, mit
-dem man an der äußern Seite des Schiffs die schadhafte Stelle unter dem
-Wasser bedeckt.
-
-[12] Haben in Seeschlachten die Seiten des Schiffes, durch
-Kanonenkugeln lecke Stellen bekommen, so werden letztere durch Pfropfen
-von Holz, mit Werg umzogen, verstopft.
-
-[13] Ein gemauerter Raum im Hafen, zum Ausbessern leck gewordener
-Schiffe.
-
-[14] Klar nennt man das Tauwerk, wenn es unverworren, nicht verwickelt
-ist, den Anker aber, wenn er dergestalt in Ordnung liegt, daß man
-alsbald die Parturlinie losmachen, und den Anker fallen lassen kann,
-auf daß er Grund fasse.
-
-[15] Im Spanischen das, was auf andern Schiffen der Bottelier heißt;
-der Aufseher über die Lebensmittel, Magazine.
-
-[16] Schiffslieutenant.
-
-[17] Die platte dreieckige Spitze des Ankerarms.
-
-[18] Seefüßig seyn, heißt, den Seedienst gewohnt seyn, und selbst beim
-Schlingern des Schiffes, am Tauwerk auf- und abklettern zu können.
-
-[19] Die Tiefe und Beschaffenheit des Meergrundes durch das Loth zu
-untersuchen.
-
-[20] Scharfer Grund besteht aus spitzigen Klippen, und ist darum dem
-Kabeltau gefährlich. Die Griechen nannten unser Kabeltau, Kamelos.
-Die Stelle im Evangelisten Matth. „+Es ist leichter, daß ein Kameel
-durch ein Nadelöhr gehe+“, ist daher wohl falsch übersetzt, und sollte
-eigentlich heißen: es ist leichter, daß ein Kabeltau (ein Ankertau)
-durch ein Nadelöhr gehe etc.
-
-[21] Unbeständiger, aus Triebsand bestehender Grund.
-
-[22] Vor dem Winde segeln heißt, den Wind so hinter sich haben, daß er
-gerade in die vollen Segel bläs’t.
-
-[23] Ein bei Seeleuten übliches Sprichwort, welches so viel sagt, als,
-das Schiff fährt sich gut.
-
-[24] Eine Art sehr heftiger Wirbelwind.
-
-[25] Ein ungeheurer Eisberg am Nordpol.
-
-[26] Gegohrner Saft von +Agaven+, den die mexikanischen Indianer wegen
-des leichten Champagner-Rausches, den er bewirkt, ungemein lieben. Die
-Franzosen nennen das Getränke +Pulgue de Maguay+.
-
-[27] Ein Piaster ist ungefähr 1½ Thaler werth.
-
-[28] Man findet daselbst Stücke reines, gediegenes Gold, von denen ein
-einziges 50 Pfund und oft noch mehr, wiegt.
-
-[29] Ein im Seerechte gebräuchliches Wort, das einen Menschen
-bezeichnet, der sich durch allerlei Winkelzüge, einen schlechten Namen
-gemacht hat.
-
-[30] Die Volcantitos in Goldcastilien.
-
-[31] ~Anacardium caracoli~ erreicht gewöhnlich die Höhe von 350-380 Fuß.
-
-[32] Ein solches Vermögen in der Hand eines Privatmannes kann nur denen
-fabelhaft klingen, welche von den, in den Gegenden von Mexiko, Lima und
-Peru heimischen Reichthümern keinen Begriff haben.
-
-Um ungefähr eine Idee von dem zu geben, was man, in jenem Mutterlande
-der Gold- und Silberschätze, Wohlhabenheit nennt, darf ich nur
-anführen, daß in der Nationalgarde zu Lima, keiner aufgenommen wird,
-welcher nicht ein baares Vermögen von 4 Millionen Piaster (6 Millionen
-Thaler) nachweisen kann, und daß dieses respectable Corps, im Jahre
-1804, aus 386 Mann bestand.
-
-[33] Unstreitig eine der schönsten Blumen der amerikanischen Flora.
-
-[34] Im Gouvernement Atacames im obern Peru. Die dortigen Smaragdgruben
-sind vielleicht die reichsten der ganzen Welt.
-
-[35] „Fallt auf’s Fallreep.“ Dieß ist eine der größten
-Ehrenbezeigungen, zu der die Mannschaft nur beordert wird, wenn sehr
-vornehme Personen an Bord eines Schiffs kommen.
-
-[36] Das Tau, welches an beiden Seiten der Treppe befindlich ist, um
-sich beim Hinaufsteigen daran zu halten.
-
-[37] Am Fallreep befinden sich in einer Entfernung von einem Fuß,
-kleine Knöpfe oder Knoten, um sich besser am Tau halten zu können; man
-nennt einen solchen Knopf bei manchen Völkern auch Maus, Stegmaus, bei
-den Spaniern ~Barrilete de estay~.
-
- [38] Steuermann } die nach dem Capitain folgenden
-
- [39] Bootsmann } Offiziere auf einem
-
- [40] Schimann } Kauffahrteischiffe.
-
-[41] Auch Malte-Brün beurkundet in seinem neuesten Gemälde von Amerika
-(Buch 9.) daß die schöne, zu Cortez Zeiten übliche Gewohnheit, einen
-Blumenstrauß, als das köstlichste Geschenk anzusehen, das man einem
-verehrten Gaste überreichen kann, sich in Mexiko und Guatimala, noch
-bis auf den heutigen Tag unter den Indianern erhalten habe.
-
-[42] Bekanntlich verehren die Mexikaner unter diesem Namen Sonne und
-Mond, als ihre einzigen Gottheiten.
-
-[43] Hauptspaziergang.
-
-[44] Ein Schiff nennt man rank, das sich, weil es im obern Raum
-überladen ist, leicht auf die Seite neigt.
-
-[45] Unweit ~Santa-Fe~.
-
-[46] Bananas, und Paradiesfeigenbaum und Pisang, ist ein und dasselbe.
-Ein einziger Zweig hat oft 200 Früchte, und wiegt 80-90 Pfund.
-
-[47] Ich bin mit dem ganzen Schiff zum Abgehen in völliger Bereitschaft.
-
-[48] Die Kammer in einem Schiffe, welche statt des Kellers und
-Speisegewölbes dient.
-
-[49] Die Schiffsküche.
-
-[50] Das auf spanischen Schiffen gewöhnliche Kommando, die Anker zu
-lichten.
-
-[51] Der Befehl, die Segel beizusetzen.
-
-[52] Einige Stunden von diesem Hafen liegt Lima.
-
-[53] Die bekannte Heilwurzel Jalapa hat von dieser Stadt ihren Namen.
-
-[54] Rings um Vera-Cruz sind die Ebenen mit brennendem Flugsande
-bedeckt, der die hier ohnehin heimische Hitze fast unerträglich macht,
-und in Verbindung mit dem stehenden Wasser des ~Baxio de la Tembladera~
-die hier ewigen Wechselfieber und das gefährliche ~Vomito prieto~
-(schwarze Erbrechen) verursacht.
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch, by
-Heinrich Clauren
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DES VATERS SÜNDE, DER MUTTER FLUCH ***
-
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-works. See paragraph 1.E below.
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- The Project Gutenberg eBook of Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch, by Heinrich Clauren.
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-<pre>
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-Project Gutenberg's Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch, by Heinrich Clauren
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
-almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or
-re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
-with this eBook or online at www.gutenberg.org/license
-
-
-Title: Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch
-
-Author: Heinrich Clauren
-
-Release Date: March 13, 2017 [EBook #54353]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DES VATERS SÜNDE, DER MUTTER FLUCH ***
-
-
-
-
-Produced by the Online Distributed Proofreading Team at
-http://www.pgdp.net (This file was produced from images
-generously made available by The Internet Archive)
-
-
-
-
-
-
-</pre>
-
-
-<div class="transnote">
-
-<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1823 erschienenen
-Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben.
-Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden
-stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente
-Schreibweisen wurden beibehalten, insbesondere wenn diese in der
-damaligen Zeit üblich waren oder im Text mehrfach auftreten.
-Fremdsprachige Zitate und Ausdrücke wurden nicht korrigiert.</p>
-
-<p class="p0">Das Original wurde in Frakturschrift gedruckt;
-Antiquaschrift wird in dieser Version <span class="antiqua">kursiv</span>
-dargestellt. <span class="htmlnoshow"> Abhängig von der im jeweiligen
-Lesegerät installierten Schriftart können die im Original
-<em class="gesperrt">gesperrt</em> gedruckten Passagen gesperrt, in
-serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt
-erscheinen.</span></p>
-
-</div>
-
-<p class="s2 center padtop3 break-before">S<span class="mleft0_3">c</span><span class="mleft0_3">h</span><span class="mleft0_3">e</span><span class="mleft0_3">r</span><span class="mleft0_3">z</span>
-<span class="mleft0_3">u</span><span class="mleft0_3">n</span><span class="mleft0_3">d</span>
-<span class="mleft0_3">E</span><span class="mleft0_3">r</span><span class="mleft0_3">n</span><span class="mleft0_3">s</span><span class="mleft0_3">t</span></p>
-
-<p class="s4 center">v<span class="mleft0_3">o</span><span class="mleft0_3">n</span></p>
-
-<p class="s3 center">H.
-<span class="mleft0_3">C</span><span class="mleft0_3">l</span><span class="mleft0_3">a</span><span class="mleft0_3">u</span><span class="mleft0_3">r</span><span class="mleft0_3">e</span><span class="mleft0_3">n</span>.</p>
-
-<hr class="r10" />
-
-<p class="s3 center">Z<span class="mleft0_3">w</span><span class="mleft0_3">e</span><span class="mleft0_3">i</span><span class="mleft0_3">t</span><span class="mleft0_3">e</span>
-<span class="mleft0_3">S</span><span class="mleft0_3">a</span><span class="mleft0_3">m</span><span class="mleft0_3">m</span><span class="mleft0_3">l</span><span class="mleft0_3">u</span><span class="mleft0_3">n</span><span class="mleft0_3">g</span>.</p>
-
-<hr class="r10" />
-
-<p class="s3 center">E<span class="mleft0_2">r</span><span class="mleft0_2">s</span><span class="mleft0_2">t</span><span class="mleft0_2">e</span><span class="mleft0_2">s</span>
-<span class="mleft0_2">B</span><span class="mleft0_2">ä</span><span class="mleft0_2">n</span><span class="mleft0_2">d</span><span class="mleft0_2">c</span><span class="mleft0_2">h</span><span class="mleft0_2">e</span><span class="mleft0_2">n</span>.</p>
-
-<hr class="r10" />
-
-<p class="s4 center mtop2">I<span class="mleft0_3">n</span><span class="mleft0_3">h</span><span class="mleft0_3">a</span><span class="mleft0_3">l</span><span class="mleft0_3">t</span>:</p>
-
-<p class="s3 center">Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch.</p>
-
-<h1><span class="s6">Des</span><br />
-<b>Vaters Sünde, der Mutter Fluch,</b></h1>
-
-<p class="center">v<span class="mleft0_3">o</span><span class="mleft0_3">n</span></p>
-
-<p class="s3 center padbot5">H.
-<span class="mleft0_3">C</span><span class="mleft0_3">l</span><span class="mleft0_3">a</span><span class="mleft0_3">u</span><span class="mleft0_3">r</span><span class="mleft0_3">e</span><span class="mleft0_3">n</span>.</p>
-
-<hr class="r25" />
-
-<p class="s4 center">Dresden,
-<span class="mleft0_3">1</span><span class="mleft0_3">8</span><span class="mleft0_3">2</span><span class="mleft0_3">3</span>,<br />
-in der Arnoldischen Buchhandlung.</p>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[S. 3]</a></span></p>
-
-<p class="p0 break-before"><span class="initial">D</span>er Admiralitätsrath kam von der Session, und lächelte freundlich, als
-Hulda ihm, wie gewöhnlich, Hut und Stock abnehmend, versicherte, daß es
-mit der Mutter recht leidlich gehe; sie hofft, setzte das Mädchen mit
-kindlicher Freude hinzu: heute wieder mit uns essen zu können; suche
-sie da nur möglichst aufzuheitern; sie bedarf dessen in ihrer jetzigen
-Stimmung mehr, als aller Arznei; ich habe alles Ersinnliche gethan, um
-sie ein wenig zu zerstreuen, und sie hat sich diesen Morgen viel besser
-befunden, als die ganze letzte Zeit über.</p>
-
-</div>
-
-<p>Der Vater küßte das holde Kind auf die Stirn, und ging mit bejahendem
-Kopfnicken, auf den Zehen, in das Krankenzimmer der Mutter.</p>
-
-<p>Hulda ließ in diesem den kleinen Tisch nur mit drei Gedecken belegen
-und die Mutter nahm an demselben ihren Platz. Hulda faltete die Hände
-und sprach, nach des frommen Hauses alter Sitte, das Gebet zu dem, der
-seine Welt mit Liebe nähret, laut; in ihrem himmelwärts<span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span> gehobenen
-Blick, in dem Tone ihrer Worte sah und hörte man die freudige Rührung,
-daß die geliebte Mutter sich auf dem Wege der Wiedergenesung, und
-seit vielen Monaten, heute zum ersten Male, in der Mitte des trauten
-Familienkreises befand.</p>
-
-<p>Dem Vater trieb das Mädchen mit seiner einfachen, herzlichen Weise,
-Thränen in die Augen. Er reichte schweigend dem lieblichen Kinde, nach
-dem Gebete, die Hand, und zog die Rechte der Gattinn an seine Lippen.
-Diese aber ließ die stille Feier ihres Genesungfestes unerwiedert,
-tadelte das Essen, und warf der armen Hulda, die sich in sorglicher
-Auswahl des Beßten erschöpft hatte, Mangel an Aufmerksamkeit vor; sie
-würde, die ganze Tischzeit über, diesen Mißton festgehalten haben, wenn
-nicht der Vater, der Bitte des Mädchens eingedenk, die finstern Grillen
-der Leidenden immer abzulenken verstanden und, zu ihrer Aufheiterung,
-das Gespräch auf allerlei Gegenstände geleitet hätte. Die frohe Laune
-und die Gemüthlichkeit ohnehin selbst, ward ihm diese Aufgabe nicht
-schwer, zumal heute, wo ihm, wie Hulda schon bei der zweiten Schüssel
-bemerkt hatte, beständig ein leichtes Lächeln um die Lip<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span>pen schwebte;
-wie sie den Vater kannte, mußte ihm auf jedem Fall etwas komisches
-begegnet seyn, was sein Inneres noch angenehm beschäftigte, und als sie
-ihm, da er wieder einmal vor sich heimlich lächelte, ihre Vermuthung
-mittheilte, meinte er, daß sie nicht unrecht habe.</p>
-
-<p>Er erzählte jetzt, daß schon seit länger denn vierzehn Tagen, ihm,
-allemal, wenn er Mittags aus der Session komme, ein junger Mensch, auf
-einer und derselben Stelle, unweit der Hauptwache, begegne; Beiden sey
-das aufgefallen, sie hätten bisher allemal, jeder für seine Rechnung,
-ein wenig gelacht und heute habe der junge Mensch höflich den Hut
-gezogen, und höchst freundlich gegrüßt, er, der Vater aber, mitten im
-Gegenkomplimente, über das Spaßhafte des täglichen Zusammentreffens,
-sich nicht enthalten können, laut aufzulachen. Ich sehe uns, setzte er
-scherzend hinzu, wenn das lange so fort geht, noch am Ende die dicksten
-Freunde werden.</p>
-
-<p>Diese Worte, so unbedeutend sie jetzt klangen, so gewichtig, so
-eisenschwer wurden sie in der Folge. Manches Wort mag so in den Kreisen
-der Menschen, kaum gehört, verhallen, was ihnen der Schlüssel zu den
-Geheimnissen ihrer<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> ganzen Zukunft seyn könnte. Wohl uns, daß es so ist.</p>
-
-<p>Du bist morgen, fuhr er, zu Hulda gewendet, fort: bei Linsings auf
-dem Balle. Der Alte kennt die ganze Stadt; gewiß weiß der, wer der
-junge Mann ist; frag’ ihn doch; der Mensch kann vier- fünfundzwanzig
-höchstens alt seyn, und das kaum.&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Hulda legte, mit komischer Naivität, den Zeigefinger der Rechten, an
-das Daumen-Spitzchen der linken Hand, als wolle sie die beschriebenen
-Eigenschaften des Fraglichen, an den Fingern abzählen,&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Hat einen recht hübschen, braunen Lockenkopf&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Hulda war beim Zeigefinger der linken Hand&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Sehr freundliche, dunkelblaue Augen,&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Hulda stand am Mittelfinger, aber in beide kleine Hände schlug, wie aus
-ungesehenen Wetterwolken, ein leises Zittern, daß sie damit unter den
-Tisch fuhr, und nicht weiter zählte; denn der Vater, der jetzt von der
-römischen Nase, von dem Grübchen im Kinn, von den perlweißen Zähnen im
-wohlgeformten Munde, von dem kräftigen Aeußeren, der freien stolzen
-Haltung,<span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span> und der blühenden Gesundheit des jungen Menschen sprach, und
-den einfachen Geschmack seiner eleganten Kleidung und den Schnee seiner
-Wäsche lobte, mahlte den nämlichen allerliebsten jungen Mann, der &mdash;
-sie glühte im ganzen Gesichtchen, und wagte nicht, die Augen vom Teller
-aufzuschlagen; die Mutter aber ward kreideweiß, legte den Kopf in den
-hohen Lehnstuhl zurück, und die todtenblassen Lippen lispelten leise:
-nichts weiter, wenn ihr nicht wollt, daß ich sterben soll.</p>
-
-<p>Hulda und der Vater sprangen auf; Letzterer holte das Riechfläschchen
-und Hulda trocknete der Angegriffenen den kalten Schweiß, der ihr in
-glänzenden Tropfen auf der Stirne stand. Man brachte die Kranke wieder
-zu Bette, und beide stimmten in der Meinung überein, daß die Mutter
-sich zu zeitig herausgewagt habe, und daß der eben sich ereignete
-Zufall, Wirkung ihrer noch zu großen Körperschwäche sey.</p>
-
-<p>Den Nachmittag befand sich die Mutter zwar wieder etwas besser; aber,
-wenn sich Hulda ihrem Lager näherte, fand sie die Leidende fast immer
-in Thränen, und fragte sie, was dem Mütterchen fehle, so entgegnete
-dieses mit milder<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> Freundlichkeit, sie solle sich darüber nicht
-beunruhigen, es werde wohl bald vorübergehen; dem gepreßten Herzen thue
-es zuweilen wohl, sich still ausweinen zu können, und so hätte sie auch
-jetzt eine Art von Erleichterung darin gefunden; daher ihr gegenwärtig
-viel wohler sey, als vorhin.</p>
-
-<p>Mein Mütterchen, sagte Hulda, mit weicher Stimme, und beugte sich
-zu ihr herab: dem gepreßten Herzen? &mdash; was fehlt Dir? was hast Du?
-vielleicht können wir helfen; Du weißt ja, wir&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Aber die Mutter verneinte schweigend, streichelte die rosige Wange des
-süßen Kindes, und bat, sie allein zu lassen, um ein wenig zu schlafen.</p>
-
-<p>Hulda ging in den Garten hinab, setzte sich auf den Balkon des
-Saales, von dem aus sie die herrlichste Aussicht auf den Hafen,
-und rechts auf den grünen Riesenspiegel des unermeßlichen Meeres
-hatte, und wollte arbeiten; aber der junge Mensch &mdash; das braune
-Lockenhaar, die veilchenblauen Augen, die frischen Lippen, und
-wenn diese sich lächelnd öffneten, der Schmelz der blendendweißen
-Zähne, und das Schelmengrübchen in Wange und Kinn &mdash; waren es die
-leisen Abendlüftchen, die aus den geheimen Tiefen des<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span> Meeres
-herüberflogen und die Blumen auf ihrem Balkon und die leichte Hülle
-ihres Busens säuselnd durchkühlten, oder waren es die ersten Schauer
-der jungfräulichen Liebe, &mdash; es überhauchte sie auf einmal ein so
-wunderbares Frösteln durch Blut und Adern, daß sie die Hand auf das
-drängende Herz legte, und sich, ohne Worte, fragte, was das sey.</p>
-
-<p>Der junge Mensch, es mußte ein Fremder seyn, denn früher hatte sie ihn
-nie bemerkt; am vorigen Sonntage hatte er, in der Kirche, ihr gegenüber
-gesessen, und kein Auge von ihr verwandt; zwei Tage später war sie
-ausgegangen, um einige Kleinigkeiten in einer Modehandlung zu kaufen;
-nicht zwei Minuten, und der hübsche Fremde tritt ein, und fragt nach
-französischen Blumen. Der Wohllaut seiner Stimme, das Fremdländische
-seiner Aussprache, &mdash; lächelnd sprach sie ihm halblaut nach. Hier
-oben auf dem Balkon hörte sie ja Niemand. Sie ärgerte sich noch, daß
-sie nicht, unter irgend einem Vorwande, länger in dem Kaufgewölbe
-geblieben; sie schämte sich, daß, als der Fremde weggegangen, sie
-wieder zurückgekehrt war, um auch so ein Bouquet von brennender Liebe
-zu verlangen, als der Herr<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> eben eins gekauft hatte; sie freute sich,
-daß die Modehändlerinn erwähnte, wie der Herr das Bouquet zwar gewählt,
-dasselbe aber, weil es, nach seiner Meinung, nicht brennend roth genug
-gewesen, nicht gekauft habe; sie lachte heimlich, daß sie nun auch das
-Roth der Blumen zu blaß gefunden, und sie darum auch nicht genommen,
-und sie beruhigte sich, daß &mdash; lag denn darin nicht der offenbare
-Beweis, daß er, lediglich und einzig und allein, um ihretwillen, in
-das Putzgewölbe gekommen war; hätte er das Bouquet gekauft, &mdash; sie
-beugte sich tiefer auf ihre Nätherei nieder, denn es war, als führe
-ihr ein schmerzlicher Dolchstich mitten durch das Herz &mdash; hätte er die
-Blumen gekauft, so müßte er Jemand gehabt haben, dem er sie schenke,
-aber so &mdash; sie sah wieder freundlich auf, &mdash; und lachte leicht hin in
-die grünen Wogen des fast windstillen Meeres &mdash; denn daß er ihr, und
-nur ihr zu Gefallen gegangen war, das lag ja am Tage; brennende Liebe
-hatte er verlangt! Er konnte ja nicht deutlicher reden! dieß Roth &mdash;
-alle Pariser Blumenfabrikanten waren nicht im Stande, es schöner zu
-liefern &mdash; dieß Roth schien ihm noch nicht brennend genug. Gestern,
-als er vor dem Hause<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span> vorbeiging, &mdash; wäre nur nicht Hafen-Kapitains
-Linchen gewesen, &mdash; hätte sie so gern das Fenster ein wenig geöffnet,
-denn der Mutter ist frische Luft im Zimmer zuweilen recht zuträglich;
-aber so mußte sie hinter dem Vorhange blos ein Bischen lauschen,
-denn Linchen, das dumme Ding drüben, stand in dem Erker, wie vom
-bösen Schicksal hinbestellt, das hätte den Augenblick gewußt, was es
-bedeute, und wahrhaftig, das Mädchen wäre auch stockblind gewesen,
-wenn es das nicht gemerkt hätte, denn mit unverwandtem Blicke auf das
-Fenster, geht er, als wollte und müßte er die Scheiben mit den Augen
-durchbohren; der alte Kohlenträger schreit zweimal, Platz da, Platz
-da, noch ein Schritt, da stößt der lange Kohlensack, der weit über
-den Kopf des tief gebückten Trägers hervorragt, den Stillverzückten
-in das Gesicht; dieser prallt rechts, rennt den alten Gipsitaliener,
-der sein ganzes Büsten- und Figuren-Magazin von Kaisern, Königen,
-Gelehrten und Grazien, auf einem langen Brete, auf der Schulter
-trägt, mit sich nieder, reißt im Stolpern den Markt-Tisch der dicken
-böhmischen Glashändlerinn an der Ecke, sammt dem ganzen Kram, über
-den Haufen, und schlüpft,<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span> fast auf allen Vieren weiter turkelnd, in
-die, zum Glück offenstehende Apotheke; beschwichtiget hier, wie später
-das Hausmädchen berichtete, die ungestümen und mehr denn heidnischen
-Entschädigungforderungen des italienischen Gipsmannes und der
-böhmischen Glasfrau, mit ungezähltem Golde, und entzieht sich, durch
-eine wohlthätige Seitenthür die in das Nebengäßchen, dem, um Gips- und
-Glas-Ruinen zusammengeströmten Janhagel von Matrosen und Straßenjungen.</p>
-
-<p>Sie mußte noch kichern, wenn sie an die verwünschte Scene dachte, aber
-über Hafenkapitains einfältige Lina konnte sie sich ärgern. Diese
-hatte sich zum Fenster heraus gelegt, und vor Lachen gerade heraus
-geschrien. Gott! die ging nun doch eigentlich die Geschichte auch nicht
-im Mindesten etwas an; und in dem lauten Lachen, in dem Herauslegen,
-lag so etwas Gemeines, so etwas Schadenfrohes; das Mädchen war ihr
-lange schon zuwider gewesen, aber jetzt konnte sie es gar nicht mehr
-ausstehen. Die Böhmin aber und der Italiener schienen recht gute
-Menschen zu seyn; Beide hatten, nach des Hausmädchens Rapport, in der
-Apotheke gemeint, dergleichen Unfälle könnten dem beßten Menschen
-begegnen,<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span> und es wäre nur ein wahres Glück, daß der hübsche Herr
-keinen Schaden genommen habe, denn um ein solches junges liebes Blut,
-wäre es doch ewig Schade gewesen.</p>
-
-<p>Und nun heute, muß der Vater von dem Menschen bei Tische anfangen; denn
-daß das der nämliche war, litt gar keinen Zweifel. Sie &mdash; sie selbst,
-sollte sich nach ihm erkundigen. Das konnte sie ja nicht; ja wenn das
-abscheuliche Rothwerden nicht wäre. Der alte Handels-Gerichts-Director
-Linsing, wenn der sie dazu ansah, mit seinem blinzelnden Blick, er
-stand ganz lebendig vor ihr, das eine Auge ganz zu, und das andere
-so scharf auf sie gerichtet, &mdash; nein, sie konnte gewiß kein Wort
-herausbringen; er mußte bestimmt denken, sie frage mehr im eigenen, als
-in des Vaters Namen. Und dann, die Linsingschen Mädchen! Hätten die nur
-etwas der Art ergattert, sie hätten sie zu Tode gequält. Wissen mochte
-sie es wohl freilich gern, und der alte Linsing, der Director, konnte
-ihr alles wahrscheinlich ganz genau sagen; des Mannes Haus stand allen
-Fremden offen; wer nur das Weichbild der Stadt betrat, und nicht ganz
-ohne alle Bekanntschaft kam, war in diesem gastfreundlichen Hause<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span>
-eingeführt; sie probirte drei- viermal, wie sie fragen wollte, ohne
-Verdacht zu erregen, aber &mdash; nein es ging nicht; sie stockte jetzt
-schon, wenn ihre Lippen, von der ganzen Welt ungehört, die Anmuth des
-Mannes, in Worten aussprechen sollten, dessen Namen zu wissen, der
-Vater begehre; wie sollte sie sich getrauen, dieses Wagestück der
-jungfräulichen Liebe, im Kreise einer Familie zu vollführen, die, bei
-ihrem Scharfsinn in dergleichen kleinen Neckereien, das Verfängliche
-ihrer schüchternen Rede, gleich aus der ersten Sylbe &mdash; Was ist das?
-&mdash; da unten im Hafen, auf dem amerikanischen Dreimaster? so wahr
-der Herr lebt, da stand der junge Fremde auf dem Verdeck. Er hing
-nachläßig den einen Fuß über die Laufplanken, welche den Raum für die
-Finknetze umzäunen; dann sprach er, den linken Arm um den Besahnsmast
-geschlungen, mit dem Steuermann; ging hierauf mit diesem und sah nach
-dem Bug und nach dem Vorspill, stieg, es verging ihr der Athem, auf
-die Spitze des Kraanbalkens, lief, flink wie ein Eichhörnchen, auf das
-Bugspriet hinaus, setzte auf die Riegel des Galjons herab, kletterte,
-trotz der beßten Katze, vom Vorsteven weiter hinauf, und<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span> hatte dem
-Steuermanne überall etwas zu zeigen und zu weisen; und dieser nickte,
-immer den Hut in der Hand, sehr ehrerbietig, daß es schier aussah, als
-sey das amerikanische Prachtschiff des jungen Mannes Eigenthum.</p>
-
-<p>Gar nicht übel, so ein Schiffchen, sagte lächelnd Hulda halb laut, und
-weidete sich an dem Anblick des jungen stattlichen Schiffsherrn; bisher
-hatte sie ihn immer im schwarzen Frack gesehen, jetzt &mdash; bestimmt hatte
-er gar kein Logis in der Stadt gemiethet, sondern wohnte, wie das in
-den Seehäfen wohl gewöhnlich ist, in der Kajüte seines Dreimasters &mdash;
-jetzt hatte er es sich bequem gemacht, und sich in sein seemännisches
-Negligee geworfen; die Tracht stand ihm, meinte Hulda, die in ihrer
-ungesehenen blumenumdufteten Höhe kein Auge von dem frischen, kräftigen
-Seefahrer verwendete, wunderhübsch. Jacke und Beinkleider von seidenem
-streifigen Zeuche; um den Hals ein schottisches Tuch geschlungen,
-dessen leicht geschürzter Knoten auf die offene Brust herabhing; so
-stand er vom Abendglanze der untergehenden Sonne mild umflossen, und
-horchte den melodischen Gesängen zu, die auf dem Deck seines Schiffes,
-vier brandschwarze Neger in ihrer<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span> Landessprache recht sinnig begonnen,
-und lachte über das von dem Deck des neben ihm liegenden Fahrzeuges,
-emporgellende Gezwitscher der tausend und aber tausend goldgelben
-Kanarienvögel, die in dem blühenden Orangenwalde, mit dem sie heute
-erst von den Kanarischen Inseln angekommen waren, frei herumschwärmten,
-und immer schärfer schrieen, je lauter die Neger sangen.</p>
-
-<p>Im Saale stand &mdash; der Herr Amerikaner zwischen den schwarzen Sängern
-und den gelben Schreiern, er sah gar zu niedlich aus, sie mußte ihn
-einmal recht betrachten, es sah sie ja Niemand hier, &mdash; im Saale stand
-ein kleines Fernrohr des Vaters; sie schlüpfte hinein, holte es, kam
-wieder heraus, baute sich auf ihrem Nähtischchen ein kleines Versteck
-von recht groß buschigen Levkoitöpfen, streckte dann ihr Fernröhrchen
-dazwischen und lugte, im Geheimen nun überselig, herab, und &mdash; sah
-nichts, denn der Gesuchte war von seinem Verdecke verschwunden.</p>
-
-<p>Sie überflog rasch mit einem Blick den ganzen Hafen, ob er sich etwa
-unterdessen in ein Boot geworfen habe, und sich an das Land setzen
-lasse; aber der ganze Hafen war zwar mit solchen kleinen hin und her
-gehenden Dingern, wie<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span> bedeckt, doch der, dem sie nachspähte, fand sich
-in keinem; der Mensch geht am Ende, sagte sie, mit dem Auge wieder
-vor ihrem Fernrohr: mit den Hühnern zu Bette! aber an solch einem
-himmlischen Abend, sich jetzt schon schlafen zu legen, nein das ist ja
-nicht &mdash; sie fuhr in diesem Augenblicke mit dem Rohre an der Seitenwand
-seines Schiffes herab, da &mdash; als schlüge der Blitz ihr das verwünschte
-Ding aus der Hand, so erschrak sie, und fuhr mit einem lauten Ach, in
-die Höhe; denn in der einen Geschützpforte des obern Verdecks, hatte
-der Schelm, hinten im Dunkeln gestanden, ein ellenlanges Telescop vor
-sich, und dieses gerade auf sie gerichtet; mit diesem Goliath von
-Telescop langte er sich alle, Millionen Meilen weite Sterne vom Himmel
-herunter, wie genau mußte er sie hier oben nicht beobachtet haben. Wie
-mochte er lachen, als er sah, wie sie hinter den Levkoibüschen stecke
-und ihn auf dem Verdecke suchte &mdash; was mußte er von ihr &mdash; nein, sie
-konnte um keinen Preis länger oben bleiben; sie fühlte, ihre Wangen
-glühten, wie Feuer, und angezogen war sie heute auch nicht besonders;
-auf eine solche Special-Musterung, wie der da unten, hinter seinen<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span>
-Stauchweegers, über sie hielt, hatte sie sich heute freilich nicht
-eingerichtet; sie packte ihre Nätherei, mit der sie diesen Abend nicht
-weit gekommen war, wieder zusammen; er stand &mdash; sie warf nur einen
-halben Viertelsseitenblick hinab, und erkannte, mit bloßen Augen, das
-große Spährohr, das jetzt, über eine brabanter Elle lang, aus der
-Geschützpforte hervorragte, &mdash; er stand noch immer da, und wenn sie
-gleich nicht in Abrede stellte, daß sie in seinem Benehmen, sich mit
-dem langen Dinge nicht vor seinen Matrosen und allen Leuten, auf das
-Verdeck zu stellen, eine Art von Zartheit finden müsse; so meinte
-sie doch auf der andern Seite, daß er die ganze Sternguckerei hätte
-unterweges lassen können, denn wenn das einer ihrer Bekannten, von
-denen beständig mehrere am Bord bald dieses, bald jenes Schiffes im
-Hafen sich befanden, gewahrte, so wäre in den ersten vier und zwanzig
-Stunden, in der ganzen Stadt herum, daß &mdash; Gott! der Mensch stand immer
-noch da; sie hatte nur herab geschielt, aber das Rohr war auf sie
-gestellt, als hätte es der erste Zieler der Welt gerichtet; sie ward
-so unnennbar süß befangen, daß sie, vor heimlichem Lachen, sich über
-das unausstehliche<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span> dicke Rohr, gar nicht recht ärgern konnte. Lange
-schon hätte sie vom Balkon gehen können, aber es gab noch erschrecklich
-viel dort oben zu schäftern; der Nähtisch war so staubig, der mußte
-abgewischt werden; die Blumen in den Töpfen &mdash; nein der Vater mußte mit
-dem Gärtner wirklich einmal ein recht ernstlich Wort reden; da war auch
-nicht ein Stock ausgeputzt, keiner angebunden, keiner &mdash; sie nahm einen
-Topf nach dem andern vor und hatte tausend Arbeit. Das gigantische
-Rohr, es stand wahrhaftig noch unverrückt. Anfangs war ihr die Sache
-verdrüßlich gewesen, jetzt, meinte sie bei sich selbst, fange sie an,
-ihr Spaß zu machen.</p>
-
-<p>Die kleinen goldgefiederten Insulaner waren unterdessen müde geworden
-und hatten unter den Orangenblüthen, deren aromatischer Duft die
-ganze Atmosphäre durchwürzte, ihre Nesterchen gesucht; auf dem
-schwarzbetheerten Grönlandsfahrer links weiter unten, streckten die
-thranigen Matrosen sich der Länge nach, unter dem Fockmast zur Ruhe;
-die Neger auf der amerikanischen Fregatte sangen der scheidenden
-Sonne, die eben, ihre Brüder und Schwestern zu wecken, hinab sank,
-die wehmüthigsten Melodieen der Sehnsucht<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span> und Liebe nach, und immer
-stiller und lautloser ward es im Hafen; im Westen aber flammte das
-Feuergold der Himmlischen, und bekantete die dunkeln Nachtwolken,
-die tief unten am Horizonte dem Meere entstiegen, mit glühenden
-Säumen. Die indischen weichen Lieder der Schwarzen, klangen in Huldas
-Herzen seltsam wieder; ihr entzückter Blick staunte schweigend in die
-unbeschreibliche Pracht der Abendfeier; die Nachtwinde, die auf der
-gränzenlosen Fläche des Meeresspiegels, ihr eigenes Spiel treiben,
-jagten das leichte, golddurchblitzte Abendgewölk vor sich her, daß sich
-daraus oft wunderbare Gestalten bildeten, deren Deutung die Sinnige,
-ohne die Phantasie sehr anzustrengen, leicht zu finden vermeinte. Die
-Eisberge, die sich dort in das Unermeßliche hinaufthürmten, mit den
-zwei riesenmäßigen Bären und der tiefe Schnee &mdash; nun, daß das auf
-Nordamerika zielte, und zwar auf das alleroberste am Nordpol selbst,
-das lag wohl außer Zweifel. Der ungeheure Wasserfall von mehr denn 4000
-Fuß in der Breite, mit seinen Tafel-Felsen, und seinen Staubwolken,
-und Strudeln und Wirbeln, &mdash; das war der furchtbare Katarakt des
-<em class="gesperrt">Niagara</em>, durch den in jeder<span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span> Minute 700,000 Tonnen Wasser,
-von unermeßlicher Höhe, unter donnerndem Getöse herabstürzen; die
-schwarzen kleinen Thiere, rechts unter dem Cran-berries-<a name="FNAnker_1_1" id="FNAnker_1_1"></a><a href="#Fussnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a> Gebüsche,
-das waren gewiß die pechschwarzen Eichhörnchen, die oft in einem
-Tage zu 50,000 durch den St. Lorenzostrom schwimmen. Die Thürme und
-die herrliche große Kuppel, das war das Jesuiten-Kollegium und das
-Franziskaner-Kloster und das neue Schloß zu Quebeck; sie kannte den
-Prospect aus dem trefflichen Kupferstich, der im Putzzimmer des
-englischen Konsuls hing; der dichte hohe Laubwald im Hintergrunde links
-&mdash; auch dieser mußte ein amerikanischer seyn, denn dort nur prangen
-die Wälder, wie sie gelesen hatte, in solchem bunten Farbenspiel.
-Aber tiefer unten am Himmel stand auf dem Gipfel eines gigantischen
-Granitberges, eine dürre menschliche Gestalt; Beinkleider, Stiefeln
-und Strümpfe von Seehundsfellen; ein Hemde von Seerabenhaut; schwarze
-dünne straffe Haare; ein großer Kopf; dünne Beine, und die Farbe des
-Gesichts oliven<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span>grün. &mdash; Richtig, sagte sie lachend: das ist ein Eskimo
-auf Labrador, also auch ein Amerikaner! Der Glimmerschiefer dort an
-der nackten Felswand; die schönen himmelblauen <em class="gesperrt">Hypersthene</em>,
-der Polarfuchs, der Papagaytaucher, richtig, richtig, das sind alles
-heimische Dinge jenes Welttheils; in der Zeichnung von Upernamik,<a name="FNAnker_2_2" id="FNAnker_2_2"></a><a href="#Fussnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a>
-die wir neulich vom Onkel aus Herrnhut bekamen, ist das alles bis auf
-die geringste Kleinigkeit da. Jetzt bildete sich ein Kr &mdash; ja es ward
-aus düstern Wolken ein langes hohes Kreuz! sie erschrack im Geheimsten
-ihrer Seele über das sonderbare Zeichen des Leidens, und schüttelte
-sinnend den Kopf, und sagte heimlich, weg, weg, denn sie konnte kaum
-mehr hinsehen, in das magische Zauberspiel, so ganz eigen erschien ihr
-das bedeutsame Marterholz, das fest und unbeweglich dastand, als sey es
-für die Ewigkeit gezimmert; es wich nicht und wankte nicht, und unten
-am Stamme gestaltete sich auf dunstigem Nebellager, eine weibliche
-Figur, die, je länger Hulda hinsah, sich immer mehr und mehr der<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span>
-wolkigen Schleier enthüllte, bis denn endlich die Mutter in kolossaler
-Größe, aus dem dunkeln Chaos heraustrat, angethan mit einem milchweißen
-Sterbekleide, über dem Haupte einen goldlichten Heiligenschein; ihre
-Linke ruhte auf einem Monumente von weißlich grauem Gestein; ihre
-Rechte aber hielt sie furchtbar drohend, in die Höhe gehoben.&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Mein Mütterchen, rief Hulda seltsam ergriffen: was zürnt mir deine
-sanfte Liebe? was deutet der graue Grabstein, das weiße Sterbegewand,
-und der goldige Reif? und &mdash; das Kreuz, das entsetzliche Kreuz! will es
-denn noch immer nicht weichen?&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Es ward dem Mädchen angst und wehe in der gepreßten Brust; es konnte
-den Blick nicht mehr hinrichten in die gespenstigen Bilder; sie wendete
-sich, und erfreute sich an der herrlichen Abendbeleuchtung, in der die
-alte gothische Sophienkirche, drüben über dem Hafen, prangte; alle die
-langen Fenster waren lauter flimmernde Goldspiegel; das braunrothe
-Gemäuer schien mit Metall überzogen, und in der dunkelblauen Abendluft
-blitzte der große Knopf am himmelhohen Thurme, wie &mdash; ja, sie hatte
-nach dem Ameri<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span>kaner wirklich nicht wieder sehen wollen, am wenigsten
-jetzt, aber daß ihr Blick, als sie nach der Spitze des Sophienthurms
-hinauf sah, beim Mastkorb<a name="FNAnker_3_3" id="FNAnker_3_3"></a><a href="#Fussnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a> des amerikanischen Dreimasters vorbei
-streifte, und daß in diesem, der junge Wagehals, fröhlich und
-wohlgemuth saß, davor konnte sie nicht. Er hatte das heimtückische
-lange Sehrohr mit oben, und ergötzte sich an der Aussicht rund um. Der
-Mastbaum war bestimmt über 100 Fuß hoch,<a name="FNAnker_4_4" id="FNAnker_4_4"></a><a href="#Fussnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a> und der Mensch beinelte
-da oben mit beiden Füßen, und trieb allerlei Kurzweil, als säße er im
-Sopha; er &mdash; nein sie konnte nicht mehr hinsehen; sie waren sich Beide
-jetzt einander so nahe, und der dreuste Patron gab seinen Wunsch, in
-der luftigen Höhe hier oben, eine kleine scherzhafte Unterhaltung
-anzuknüpfen, so deutlich zu erkennen, daß sie nur durch geschwindes
-Wegwenden vermeiden konnte, nicht von ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> im nächsten Augenblicke
-freundnachbarlich begrüßt zu werden. Doch ein wenig heimlich und
-verstohlen hinüber zu schielen, versagte sie sich nicht; der junge
-muthige Seelöwe &mdash; er war gar zu hübsch.</p>
-
-<p>Das Gebilde der Nachtwolken am Abendhimmel, war unterdessen gänzlich
-verschwunden, nur das Kreuz war noch etwas sichtbar, doch nicht
-mehr so düster und schwarzdunkel, wie vorhin; es schwebte, vom
-letzten Strahlen-Glanze der scheidenden Sonne durchglüht, tiefer im
-Hintergrunde, und zerfloß allmählich in unermeßlicher Ferne, vor
-Huldas Augen, in die Feierpracht des milden Lichts, das in rosiger
-Herrlichkeit, jetzt rein und klar, im gränzenlosen Raume flammte, und
-sich in den ruhigen Wogen des unübersehbaren Meeres wiederspiegelte;
-Milliarden Silbersternchen schillerten auf der ewig sich hebenden
-und senkenden chrysoprasgrünen Fläche, und hüpften in die weißen
-Schaumwellen der sanften Brandung, verschwanden und waren im Nu
-wieder tausendfältig da, und Hulda hob, verloren im Entzücken des
-unbeschreiblich großen Schauspiels, das Auge zu dem, der über den
-Wolken thront, und legte die Hände, gefal<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span>tet, auf das in süßer
-Vollkommenheit klopfende Herz.</p>
-
-<p>Auf der äußersten Höhe der See, am Horizonte, hatte sie schon lange
-einen schwarzen Punkt gewahrt; er war jetzt näher gekommen, hatte
-geschossen, die Flagge in Schau wehen lassen und aufgebraßt,<a name="FNAnker_5_5" id="FNAnker_5_5"></a><a href="#Fussnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a> und die
-Lotsen eilten in ihren Booten hinaus, um den englischen Brigkutter, der
-sich aus jenem schwarzen Pünktlein nach und nach geformt hatte, in den
-Hafen zu bugsiren.</p>
-
-<p>Als der Kutter das Hafenfort passirte, begrüßte ihn dieses mit seinem
-Geschütz; sämmtliche vor Anker liegende Fahrzeuge bewillkommten es mit
-dem gewöhnlichen Hurrah, und der junge Freund im Mastkorbe, schnitt
-ihm, aus läppischem Muthwillen, die tiefsten Komplimente hinab, so daß
-Hulda über den komischen Menschen laut &mdash; ach nein &mdash; das Hähnlein
-im Korbe ward keck &mdash; mitten unter den Bücklingen, die er dem Kutter
-machte, warf der junge Herr Ame<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span>rikaner, &mdash; sie hatte es wohl gesehen,
-&mdash; der Nachbarinn auf dem Balkon, ein halb Dutzend Küsse zu. An den
-Ufern des Missisippi mochte das vielleicht Mode seyn, aber nicht hier
-zu Lande; sie flüchtete in den Saal zurück, eilte, ohne das Unheil,
-welches der englische Kutter ihr brachte, zu ahnen, auf ihr Zimmer;
-drängte das Gesicht, auf dem, &mdash; sie wußte selbst nicht warum, &mdash;
-Freude, Muthwille, Lachen und Ausgelassenheit, aus allen Zügen blitzte,
-vor dem Spiegel in die Schranken des Ernstes zurück, und ging, nachdem
-sich das Roth, das ihr der Aerger über den vorwitzigen Nachbar im
-Mastkorbe, auf die Wangen gegossen, ein wenig verloren hatte, zur
-Mutter.</p>
-
-<p>Diese befand sich über alle Erwartung wohl; sie scherzte, seit mehreren
-Wochen zum ersten Male, wieder mit Hulda; sie streichelte ihr die
-Wange; sie liebkos’te das holde Kind mit den zartesten Namen und
-betrachtete es fast unverwandten Blickes, mit sichtbarem Wohlgefallen.</p>
-
-<p>Hulda konnte sich die auffallende Umwandlung platterdings nicht
-erklären; sie frug die Mutter, ob in ihrer Abwesenheit etwas
-vorgefallen sey, was die glückliche heitere Stimmung<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> bewirkte, allein
-die Mutter erwiederte lachend: soll ich mich meines Kindes nicht
-freuen? Du bist so fromm und gut; Du bist so frisch und gesund, so
-groß, und &mdash; die Mutter darf das ja dem bescheidenen Kinde in das
-Gesicht sagen, und so hübsch geworden, und wer dich vor ein paar Jahren
-sah, und Dir jetzt wieder begegnet, kennt Dich nicht mehr. Wie lange
-wird es werden, und ich flechte Dir den Brautkranz in’s Haar!</p>
-
-<p>Der lieblichen Hulda flog alles Blut in die Wangen; davon hatte die
-Mutter im Leben noch nicht gesprochen. Man hatte sie immer noch wie
-ein Kind behandelt; die Mutter hatte sie, noch vor wenigen Tagen, ihr
-Kälbchen geheißen, und gefragt, wenn sie denn einmal die Kinderschuhe
-ausziehen werde, und jetzt &mdash; vom Brautkranz! &mdash; sollte unterdessen
-etwa der wilde Mensch, der Amerikaner &mdash; aber der war ja seit heute
-Mittag nicht von seinem Verdeck gekommen, der saß ja bestimmt noch in
-seinem Korbe. Nein, das war nicht möglich!</p>
-
-<p>Es sollte mich, fuhr die Mutter freundlich fort: nichts glücklicher
-machen, als wenn ich noch die Seligkeit haben sollte, Dich vor mei<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span>nem
-Hinscheiden, an der Seite eines recht wackern Mannes zu sehen.</p>
-
-<p>Dem Mädchen verging der Athem. Das Gesicht brannte ihm, wie Feuer!
-Der Dreimaster, das Kreuz, die drohende Mutter, das Sterbegewand,
-der englische Kutter, der Grabstein, alles wirrte sich ihr in dem
-Augenblick vor die Seele; sie wollte sich zum Scherz zwingen, und der
-Mutter versichern, daß es mit dem Brautkranz noch lange Zeit habe, aber
-&mdash; kein Wort konnte sie über die Lippen bringen. Hatte der Mensch mit
-dem braunen Lockenkopfe und den veilchenblauen Augen &mdash; denn keinen
-andern konnte die Mutter meinen, weil kein anderer auf der ganzen Welt
-in ihrem jungfräulichen, vor wenigen Minuten noch fest verschlossenen
-Herzen lebte &mdash; hatte der vielleicht durch einen Dritten &mdash; nein aber
-so rasend konnte er, wenn sie ihm auch, nach seinem Benehmen, alle
-Tollheiten zutrauen mußte, doch nicht seyn.</p>
-
-<p>Schenkt mir der liebe Herr Gott, setzte die Mutter ernster werdend
-hinzu: meine Gesundheit wieder, und fristet er mir mein Leben, so<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span>
-gehört es zu dessen einziger Glückseligkeit, daß ich Dich in der Nähe
-behalte. Mütter, die das Liebste ihres Herzens, ihre Kinder, aus dem
-Hause in die weite Welt ziehen sehen, büßen mehr denn die Hälfte ihres
-ganzen Lebensglücks unwiederbringlich ein. Du bist jetzt in den Jahren,
-meine herzensliebe Hulda, daß Du meine Freundin seyn kannst; hier, das
-weißt Du, mein Kind, ist niemand, dem diese Stelle zu Theil ward. Die
-Männer gehören dem Getriebe der Geschäfte, der halben Welt; und meine
-Sophie, meine treue Schwester, haben sie zweitausend Meilen weit von
-mir weggeführt. Die wußte &mdash; sie sprach leiser, ihre Stimme ward weich
-und stille Thränen traten ihr in das lebensmüde Auge &mdash; die wußte
-alles; meinen Kummer und meinen Schmerz; auch meine Freuden wußte sie;
-ihr Gatte führte sie mit sich aus meinen Armen über das Weltmeer, und
-so habe ich seitdem zwanzig lange Jahre allein gestanden, bis Du jetzt
-heranwuchsest, um mir den Rest meiner Tage durch Deine Freundschaft,
-Deine Liebe zu versüßen, und mir die Augen, wenn sie im Tode sich
-brechen, zum ewigen Schlummer zu schließen.<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span> Nicht wahr mein einziges,
-mein süßes Kind, Du gehst nicht von mir?</p>
-
-<p>Nein mein Mütterchen, rief Hulda tief bewegt, und dachte in diesem
-Augenblicke an nichts, als an die heilige Pflicht, die der Vater
-dessen, der die Kindlein zu sich kommen ließ, um sie zu segnen, in die
-fromme Brust jedes guten Menschen gelegt hat. Sie wollte noch etwas
-sagen, aber die Mutter unterbrach sie mitten in der Rede.</p>
-
-<p>Der Vater, hob sie an, und es war, als verhalte sie die Miene des
-Verdrusses mit Mühe: der Vater gab Dir heute den Auftrag, Dich nach
-dem jungen Fremden &mdash; sie hielt inne, und legte die Hand krampfhaft
-zuckend, sich auf die Augen &mdash; nach dem jungen Fremden zu erkundigen.
-Thue das nicht, Hulda, Männer sind in dergleichen Fällen leichter,
-unzarter; Du aber wirst fühlen, daß sich das nicht schickt; der alte
-Director, Du kennst ihn, und besonders die Linsing’schen Mädchen &mdash; sie
-machte ein Gesicht, als seyen ihr letztere unbeschreiblich zuwider &mdash;
-bestimmt dächten diese, Du fragtest aus ganz besonderen Ursachen nach
-dem &mdash; nach dem Menschen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span></p>
-
-<p>Der armen Hulda flog ein geheimes Zittern durch alle Glieder, als
-die Mutter des Klettervirtuosen auf dem Rösterwerk gedachte; um nur
-davon abzukommen, und um &mdash; sie konnte aus dem Gesichte der Mutter
-nicht recht klug werden; es mußte ihr jemand von dem Unbekannten etwas
-gesagt haben, und um also zu erfahren, wer etwa mit der Mutter sprach,
-fragte sie, nach der Versicherung, daß sie, auch ohne die freundliche
-Erinnerung der Mutter, die Frage nach dem Fremden, bei Directors
-nicht gethan haben würde, querfeldein, ob unterdessen, daß sie im
-Garten arbeitete, Jemand bei der Mutter war; diese aber erwiederte
-halb lächelnd: kein Mensch, und versicherte, sie habe fast die ganze
-Zeit geschlafen, sey vor wenigen Augenblicken erst erwacht und &mdash; sie
-betonte das Wort, &mdash; <em class="gesperrt">gleich</em> mit dem Gefühle der angenehmsten
-Erheiterung.</p>
-
-<p>Kurz darauf erzählte die Köchinn, welcher Hulda, zum Abendessen,
-mehreres heraus gab, wie sie sich vorhin über Maklers Suschen ärgerte;
-das kam, fuhr sie, der Schiffssprache wohl kundig, fort: das kam die
-Treppe herauf gebraus’t, wie ein fliegender Sturmwind zwischen den<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span>
-Wendekreisen. Ich bat höflich, die Segel back zu brassen, weil die Frau
-Admiralitätsräthinn schlafe; Orkan-Suschen aber blieb beim steifen
-Winde, verlangte dringend, mit der Frau Räthinn zu sprechen, that
-erschrecklich fröhlich, als habe es, wer weiß, was vor eine glatte
-Fahrt, setzte alle Segel bei und mudderte gerades Weges in die Stube.
-Aber keine fünf Minuten, so wendete der Schnellsegler durch den Wind,
-und fuhr von dannen, woher er kam.</p>
-
-<p>Hulda stutzte!</p>
-
-<p>Was war das! die Mutter, sonst die Wahrheit selbst, hatte auf die
-Frage, ob Jemand bei ihr war, geantwortet, kein Mensch! und doch war
-Suschen &mdash; was konnte das Mädchen bei der Mutter gewollt haben? was
-konnte das so dringende Geschäft gewesen seyn? sollte der Mensch
-mit dem langen Sehrohr &mdash; der Mutter sonderbare Aeußerung über das
-Heirathen, &mdash; aber &mdash; einfältiger Gedanke; so etwas &mdash; wenn auch
-Suschen in <em class="gesperrt">seinem</em> Auftrage gekommen wäre, so etwas macht sich
-doch nicht in solcher Eil, in solcher Hast ab. Zwar &mdash; das Mädchen
-konnte ja blos einen Brief<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span> von ihm bringen &mdash; doch &mdash; nein, die Liebe
-ist unausstehlich! sie macht alles möglich, sie setzt sich über alles
-weg; das Allerunwahrscheinlichste wird dem liebenden Glauben zur
-unumstößlichen Thatsache. Suschen war ein dummes gutherziges Ding; der
-junge Fremde hatte sich, seiner Geschäfte wegen, bei dem Vater, dem
-Schiffsmakler gemeldet; das Gespräch war auf dieß und jenes gekommen,
-am Ende auch auf den Herrn Admiralitätsrath Splügen, und dessen Jungfer
-Tochter; der Herr Fremde hatte &mdash; denn <em class="gesperrt">der</em> konnte sich nicht
-verstellen, das hatte ihm Hulda nun schon abgemerkt, &mdash; geäußert, daß
-er dieser Hulda Splügen gar nicht gram sey, Mamsell Suschen, die sich
-nur zu gern in alles mengte, hatte in ihrer lieben Unbefangenheit sich
-erboten&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Der Vater lachte laut auf, denn, eben von seiner Erholung zu Hause
-gekommen, hatte er auf dem Flur der Tochter schon lange zugesehen, die,
-in Gedanken verloren, wie eine Bildsäule stand, das Wachslicht dicht
-vor das Näschen hielt und, mit beiden Augen starr in das milde Licht
-schauend, die Flammengluth nicht ahnete, zu der die ersten Liebesfunken
-in der<span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span> geheimsten Tiefe ihres Innern, binnen wenigen Stunden,
-emporgelodert waren.</p>
-
-<p>Hulda erschrak über die unvermuthete Nähe des Vaters und sein
-ironisches Lachen so heftig, daß das Licht auslöschte, und das war auch
-recht gut, denn sonst hätte der Vater den Scharlach gewahren müssen,
-der sich über das Zaubergesichtchen der liebholden Träumerinn, mit
-Blitzesschnelle ergossen hatte.</p>
-
-<p>Sie ging zurück, das Licht wieder anzuzünden, und als sie es brachte,
-war der Vater, der vorhin so fröhlich geschienen hatte, verstimmt und
-befangen; er sah den Liebling seines Herzens mit ungewissem Blicke
-an, ging im Zimmer auf und ab, gab seiner Frau die Hand, schüttelte
-schweigend den Kopf, sagte still vor sich hin, nein, &mdash; nein, und ging
-in sein Kabinet.</p>
-
-<p>Was war dem Vater? fragte Hulda besorglich &mdash; die Mutter aber
-entgegnete, nichts, Kind, Du weißt ja, wie die Männer sind.</p>
-
-<p>Hulda schwieg, aber es ward ihr, sie konnte sich selbst nicht sagen,
-warum, bange in der beklommenen Brust, denn ohne Bedeutung war des
-Vaters: nein, nein! und der Mutter un<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span>terdrückte Verdrüßlichkeit nicht;
-und daß sie im Spiele war, lag klar am Tage; der Vater sah sie gar zu
-sonderbar an. Am Ende &mdash; ganz gewiß hatte die Mutter den Brief, den ihr
-Suschen brachte, und in welchem der da unten im Hafen ihrer erwähnte,
-dem Vater mitgetheilt, und dieser zu dem Antrage des Tollkühnen, sein
-einziges Kind ihm mit nach Amerika zu geben, &mdash; das vorbedeutende nein,
-nein gesagt &mdash; aber das konnte es ja auch nicht seyn! denn der Mutter
-schien dieses hingeworfene nein nein, gar nicht recht! &mdash; Je mehr sie
-sich alle Umstände zusammensetzte, desto verwirrter ward sie in ihrer
-Logik; und sie zagte jetzt dem Abendbrode entgegen, wo sie zwischen den
-beiden räthselvollen Aeltern sitzen sollte, ohne zu wissen, woran sie
-sey. Sie glaubte, die Mutter werde wegen des Unfalles von heute Mittag,
-nicht mit zu Tische gehen, aber, als wolle diese Vater und Tochter
-absichtlich mit einander nicht allein lassen, sie behauptete, daß ihr
-recht wohl sey, und kam.</p>
-
-<p>Der Vater &mdash; das war so seine Art, wenn er mit der Mutter eine kleine
-vorübergehende Unannehmlichkeit gehabt hatte, &mdash; entfernte sich<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span> auf
-einige Minuten in sein Kabinet, kam dann mit erzwungener Laune zurück,
-gedachte des Vorfalls mit keiner Sylbe weiter, und bemühte sich, das
-gute Vernehmen, durch erkünstelte Heiterkeit, möglichst bald wieder
-herzustellen; der Vater brachte seinen, in aller Geschwindigkeit
-zusammengestoppelten Humor mit zu Tische; wenn er aber, mitten im
-Gespräch, Hulda ansah, dann schien dieser es immer, als wenn sein Blick
-ihr verstohlen sagen wollte, mein armes Kind, wenn Du doch wüßtest, was
-sie mit dir vorhätten. Doch späterhin, als er die Galle, die in ihm
-mochte rege werden, mit seinem vortrefflichen Loignon verdünnte, schien
-er das Krüppelchen, was ihm das Schicksal, vor dem Traualtare, an sein
-Lebensglück gebunden hatte, auf einige Augenblicke wieder vergessen zu
-haben; er ward freundlicher, und erzählte von den Begebnissen des Tages
-mit seiner gewohnten Lebhaftigkeit und fröhlichen Laune.</p>
-
-<p>Apropos, begann er unter andern, zu Hulda gewendet: Du brauchst Dich
-morgen bei Direktors nach dem jungen Fremden nicht zu erkundigen. Hulda
-schlug die Augen auf den Teller nieder, und ärgerte sich über sich
-selbst, denn<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> schon dieß einzige Wort jagte ihr eine stechende Röthe
-auf die Wangen; die Mutter aber legte Messer und Gabel weg, als vergehe
-ihr Essen und Trinken.</p>
-
-<p>Beides bemerkte der Vater nicht, und berichtete nun, daß der junge
-Mann aus Mexiko sey. Ich weiß jetzt alles, fuhr er fort: er ist am
-Bord seines eigenen Schiffes, mit einer reichen Ladung von Vanille,
-Seide, Balsam und Kakao, aus dem Südseehafen Acapulco in See gegangen,
-und will hier Leinwand, als Rückfracht nehmen. Am Isthmus von Panama
-hat er weitläufige Kolonien; und aus den undurchdringlichen Wäldern
-seiner Heimath, versieht er mit Schiffsbauholz die Häfen von Veracrux
-und ganz Nordamerika. Mit den Tschipewäern, den Missuriern und den
-Biberindianern oben am Eismeere und mit den Huronen und Algonkinen in
-Kanada, hat er einen ausgebreiteten Handel mit Pelzwaaren, und von
-Yukatan an der Hondurasbai zieht er jährlich ungeheure Quantitäten
-Kampecheholz, mit dem ihr violett färbt, und unsere Aerzte die Ruhr
-vertreiben; und an den unerschöpflichen Gold- und Silbergruben seines
-Vaterlandes, deren<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> Ausbeute jährlich 23 Millionen Piaster beträgt,
-hat er einen namhaften Antheil; seht Kinder, das ist ein Kaufmännchen,
-gegen den die Krämer unserer kleinbürgerlichen Seestadt sich alle
-verstecken müssen. Das Schiff, mit dem er gekommen ist, heißt, wie Du
-Frauchen, Antoinette, und&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Der Mutter ward wieder übel und wehe; sie lehnte sich in den Sessel
-zurück, wehrte mit der Hand, als wolle sie sagen: nichts mehr, nichts
-mehr davon, und verlangte zu Bette. Sie rief zweimal Hulda, dem
-Dienstmädchen zu klingeln, aber diese war ja in Acapulco, und sah ihn
-mit seiner Vanille und Seide, mit seinem Kakao und Balsam, dort die
-Anker lichten, und durchwandelte mit ihm seine Pflanzungen auf der
-Erdenge von Panama und hüllte sich in die prächtigsten Pelze, die er
-bei den Huronen und Biberindianern so eben erkauft hatte, und nahm sich
-vor, von nun an nichts als violett zu tragen, weil aus <em class="gesperrt">seinen</em>
-Händen die Farbe kam; selbst ein wenig Ruhr hätte sie nicht übel
-genommen, denn <em class="gesperrt">er</em> war es ja, der ihr das Heilmittel dagegen, aus
-dem fernen Welttheil brachte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span></p>
-
-<p>Aber Hulda, Du sollst ja der Babette klingeln; sagte der Vater
-verwundert, und sah der Stillverzückten in das starr auf einen Punkt
-vor sich hin geheftete Auge.</p>
-
-<p>Gleich, gleich! entgegnete das Mädchen, aus seinen seligen Träumen
-schnell auffahrend, eilte, statt zur Klingelschnur am Sopha, auf den
-Flur hinaus, und zog an der Thürklingel, daß alle Domestiken zusammen
-kamen und, in der Meinung, ein Fremder läute den rasenden Sturm, von
-Ferne schon riefen: nun, nun, nur sachte, wir sind ja nicht taub.</p>
-
-<p>Hulda aber war über das laut schellende Gebimmel der dummen Glocke,
-die, einmal so heftig in Bewegung gesetzt, nicht wieder schweigen
-wollte, längst wieder zu sich gekommen, und flüchtete, um dem Gefrage
-der Aeltern und der Leute, die sie alle für halb verrückt ansehen
-mußten, aus dem Wege zu gehen, in den Garten.</p>
-
-<p>Nein, sagte sie zu sich selbst, das muß anders werden; das taugt
-nicht. Bei Gott, ich finge an, selbst an meinem Verstande zu zweifeln,
-wenn das länger so fortgehen sollte. Er muß heraus aus dem Kopfe
-und aus &mdash; sie<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span> wollte hinzusetzen, und aus dem Herzen, aber in dem
-Augenblick ertönte ein mit ungemeiner Zartheit geblasener Flötenaccord;
-schmeichelnde Nachtlüftchen trugen ihn ihr zum lauschenden Ohr, und
-säuselten ihr zu: das ist von ihm.</p>
-
-<p>Sie stand wie angewurzelt&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Das ist von ihm? fragte sie lächelnd, und horchte mit stockendem Athem
-nach den lieblichen Lauten, die ihr zum Herzen sprachen! aber sie waren
-im Dunkel der sie umgebenden Stille verhallt; sie hörte nichts weiter.</p>
-
-<p>Albernes Ding, sprach sie, sich selbst verweisend, von ihm &mdash; als ob es
-nicht tausend Andere im Hafen und in den benachbarten Gärten, und am
-Gestade des Meeres, auch seyn könnten. Die Flöte blasen mehr ehrliche
-Leute &mdash; Nur noch einmal möchte sie es hören, und sie wollte dann
-bestimmt wissen, wo der Vogel sitze.</p>
-
-<p>Am Ende saß er oben, auf dem Balkon des Gartenhauses, wo sie vorhin
-gesessen; dort oben regte sich wahrhaftig etwas, und die Balkonthüre
-öffnete sich langsam. Aber, um Gotteswillen, wie hier heraufgekommen?
-&mdash; doch &mdash; der Kletterkatze, die vorhin von dem Schiffe<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> zur Schlupe an
-dem Baumtau hinab gerutscht, und von da, auf demselben halsbrechenden
-Wege, wieder hinauf gekommen war, mit einer Sicherheit, als sey das
-schwankende Tau eine breite Prachttreppe mit eisernen Geländern &mdash; was
-war <em class="gesperrt">der</em> nicht möglich? Es bewegte sich oben wieder.&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Etwas war da&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Hinaufgehen und nachsehen?&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Um keinen Preis! War er es, was mußte er von ihr denken! &mdash; War es ein
-Dritter, so setzte sie sich der Gefahr aus, einen Todesschreck davon zu
-tragen. &mdash; Die Leute aus dem Hause rufen? &mdash; wenn er es nun war, &mdash; die
-Geschichte wäre ja morgen in der ganzen Stadt bekannt geworden! &mdash; War
-es gar nichts, hatte sie sich getäuscht, so mußten die Leute, die sie
-vorhin erst hatten Sturm läuten sehen, und fest von ihr aufgefordert
-wurden, etwas zu suchen, was gar nicht da war, in allem Ernste glauben,
-sie sey zum Tollhause reif, und ein Dritter &mdash; konnte in dem leeren
-Gartenhause nicht viel nehmen.</p>
-
-<p>Sie stand, unverwandten Blickes auf den Balkon gerichtet. Das
-Auge, jetzt mehr an<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span> die Dunkelheit gewöhnt, erkannte endlich in
-dem Verdächtigen, den unschuldigen Orangeriebaum; und die daneben
-befindlichen großen Levkoibüsche bewegten sich, wenn sie wirklich
-vielleicht ein wenig auf und ab geschwankt hatten, vom Windzuge
-berührt, der aus der halb offen gelassenen Balkonthür kommen mochte.</p>
-
-<p>Es zog sie unwiderstehlich auf den Balkon; sie mußte ja die Thür
-zumachen.</p>
-
-<p>Im Hinaufgehen &mdash; es war, als hörte sie die Flöte wieder. Sie eilte auf
-den Balkon!</p>
-
-<p>Millionen Sterne flimmerten am schwarzen Himmelszelte; am fernen
-Gestade rauschte das Meer in sanfter Brandung; im Hafen aber schlief
-alles; nur die kupferne Lampe im Nachthause, wo der Steuercompaß steht,
-brannte auf jedem Schiffe, und hier und da war noch ein Lichtchen in
-den Kajüten sichtbar. Auch den Bord der Antoinette schien der Gott des
-Schlafes geentert zu haben, denn es rührte sich da unten kein Mäuschen.
-Aber &mdash; jetzt ertönte die himmlische Flöte noch einmal. Es klang, wie
-das Locken der Liebe, in dem der Sprosser zu seinem Nachtigallweibchen
-spricht; so sehnsüchtig und so schmelzend; erst bittender<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> Scherz,
-in kurzen, rund abgebrochenen Sätzen, dann lange, lange Töne gezogen
-durch die Gluth der zärtlichsten Leidenschaft, und immer stärker und
-stärker werdend, und hoch hinausgehend über das Reich alles Irdischen,
-und endlich, zum Zeichen des Glaubens an freundliche Erhörung der
-schüchternen Bitte, ein sich bald in kräftige Volltöne, bald in ein
-süßes, hinsterbendes Pianissimo auflösender Doppeltriller.</p>
-
-<p>Allerliebst, allerliebst, sagte Hulda leise, und holte jetzt erst
-wieder Athem, denn sie hatte ihn in der überseligen Brust verhalten,
-so lange die süßen Laute zu ihr sprachen, um von der Sphärenmusik
-nichts zu verlieren. Sie kamen ja doch vom Deck der Antoinette herauf;
-sie sah, so viel die Sternenhelle es gestattete, ganz deutlich da
-unten, auf der Tasche<a name="FNAnker_6_6" id="FNAnker_6_6"></a><a href="#Fussnote_6_6" class="fnanchor">[6]</a> des Schiffes, nach ihrer Seite zu, etwas
-sich bewegen, und aus dem wehmüthigen spanischen Liedchen, das die
-Flöte spielte, zog Hulda die Ueberzeugung, daß sie sich nicht irrte.
-Der Mexikaner mußte ja ein spanisches Lied blasen! Ihr kam<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span> es recht
-eigentlich spanisch vor. Konsuls Alwine besaß bei einem vollständigen
-Musikalien-Vorrath aller National-Melodien, dasselbe Lied, und hatte es
-früher schon zwanzigmal wohl gesungen, aber so klang es nie.</p>
-
-<p>Man konnte aber auch nichts weicheres, nichts rührenderes hören, als
-diese Melodie aus dieser Brust. Es war, als wollte der junge hübsche
-Mensch da unten, seine ganze Seele aushauchen, so deutlich sprach das
-Instrument den süßen Schmerz seines liebekranken Herzens aus. Vorhin so
-läppisch, und jetzt so sanft, so leidend, so schmachtend.</p>
-
-<p>Was für ein kurioser Mensch muß das seyn, dachte Hulda bei sich selbst,
-heimlich lachend, und fragte nach einer Weile, durch seine süße Klage
-weich geworden, halb leise herab: warum so traurig mein Freund? und die
-milden Sterne am dunkeln Himmelszelte, spiegelten sich in den Perlen,
-die ihr an den seidenen Wimpern hingen. Das Wasser war ihr in die Augen
-gekommen, sie wußte selbst nicht wie. Sie hätte zerfließen mögen in nie
-gekannte Lust und Freude. Seine zarte Klage that ihr unaussprechlich
-wohl; sie verstand jeden<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span> Hauch seiner Lippen; sie verriethen ihr,
-durch das heimliche Dunkel der Nacht, die frischblutende Wunde, die ihr
-Liebreiz dem Schwärmer schlug, das süße Wehe, in dem der glückliche
-Dulder schier zu vergehen glaubte, und die Südgluth seiner Leidenschaft.</p>
-
-<p>Aber vom Meere herüber zog jetzt der Wind schärfer, durchreifte
-die warme Sommernacht mit eisigen Schauern und mahnte Hulda an das
-Nachhausegehen. Sie warf &mdash; es sah es ja niemand, als der liebe Herr
-Gott, der die ungeheure Gewalt der Liebe in die Brust des Menschen
-gesenkt hat, und dieser deutete es gewiß nicht übel, &mdash; sie warf,
-zum Danke für das hübsche Abendständchen, einen recht herzlichen Kuß
-herab, und sagte kaum hörbar, gute Nacht, mein lieber, lieber Freund,
-gute Nacht, und eilte in das Haus zurück; noch im Gehen warf sie
-einen scheuen Blick in die Himmelsgegend, wo sie, heute Abend, die
-sonderbaren Figuren und Gestalten sah; aber der Grabstein und das
-Kreuz, und das Drohbild der zürnenden Mutter, hatten die schwarzen
-Nachtwolken längst mit undurchdringlichem Schleier verhüllt.</p>
-
-<p>Reiße, mitleidiges Schicksal, den Vorhang<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span> vor den Schrecknissen der
-Zukunft nicht zu früh von einander; laß den armen Menschen ihren Wahn,
-daß sie geboren sind, um immer glücklich zu seyn.</p>
-
-<p>Hulda hatte sich gefreut, von ihm zu träumen, aber damit war es dießmal
-nichts; sie träumte wohl, doch nicht von ihm. Tante Sophie sandte ihr
-von Lima aus, schwarzen Krepp zu einem Ballkleide, und einen Schmuck
-von böhmischen Glasperlen, und schrieb ihr einen solchen launigen,
-verwirrten Brief dazu, daß sie, als sie am Morgen erwachte, noch
-darüber lachen mußte. Sie erzählte der Mutter davon, diese lachte mit,
-und sagte mit sonderbarer Betonung, schwarzer Krepp von daher, hat
-eine recht eigene Bedeutung; Hulda wollte fragen, welche, aber die
-Mutter fuhr, des Ballkleides Erwähnung eingedenk, gleich fort, von
-Huldas heutigem Anzuge zu sprechen, und meinte, daß, wie sie hörte, bei
-Directors sehr große Gesellschaft seyn werde, und äußerte daher den
-Wunsch, daß Hulda heute vorzüglich elegant erscheinen möge.</p>
-
-<p>Diese schien dazu keine rechte Lust zu haben, denn Er war ja doch nicht
-dort, und Anderen<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span> gefallen zu wollen, kam ihr nicht im entferntesten
-in den Sinn; indessen um der Mutter den Willen zu thun, schmückte sie
-sich mit dem Beßten ihrer geschmackvollen Garderobe.</p>
-
-<p>Sie war verstimmt und konnte den ganzen Tag platterdings ihren Frohsinn
-nicht wieder finden. Zweimal war sie auf dem Balkon gewesen; verkaufte
-er an seiner mitgebrachten Ladung, oder lief er nach der Leinwand zur
-Rückfracht herum, oder hatte er eine Andere gefunden, die ihm &mdash; als
-schnitt ihr Jemand mit scharfschneidigem Stahle das Herz mitten von
-einander, so zuckte sie bei dem Gedanken zusammen &mdash; sie krampfte die
-Hand in einander, und sah mit recht bösem Blick hinab auf das Deck
-der Antoinette; aber er war nicht da; zum vierten Male, kurz zuvor,
-ehe sie zu Directors fuhr, bestieg sie noch einmal den Balkon; sie
-mußte sich da noch einen recht schönen Orangenzweig holen, und all
-die hundert Orangerie-Bäume im Garten unten, blühten nicht so schön,
-als der auf dem Balkon. Wie ein Engel vom Himmel gekommen, sah das
-bildschöne Mädchen in ihrem blendendweißen Prachtgewande, auf dem, in
-luftiger Höhe kühn schwe<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span>benden Balkon aus. Von den Verdecken aller
-Schiffe im Hafen, sahen sie nach der himmlischen Gestalt herauf, und
-in den Sprachen aller Völker der Erde, ertönte einstimmig das Urtheil,
-daß das ein wunderhübsches Kind sey; aber Er &mdash; Er war immer noch
-nicht da. Abscheulicher Mexikaner, rief sie im drohenden Scherz leise
-hinab: wo steckst Du? In dem Augenblick kommandirte eine Stimme auf der
-Antoinette, spanisch: <span class="antiqua">Saldat a la banda</span>, (fallt auf’s Fallreep)
-und die Matrosen ließen die Fallreepstreppe an der Steuerbordseite
-hinab, und der alte Doctor Brehme stieg am Bord.</p>
-
-<p>Er ist krank, sagte sie mit gebrochener Stimme: und er hat keine, die
-ihn pflegt, und ich bin böse auf ihn gewesen, daß er nicht da war, und
-er ist doch so unschuldig. Ich, ich bin die Ursache seiner Krankheit,
-denn bestimmt hat er sich gestern Abend, da draußen auf der Galerie, in
-dem kalten Meeres-Thau erkältet, und nun kann ich ihm meine Sorgfalt,
-meine herzliche Theilnahme mit nichts, mit gar nichts beweisen. Gott,
-wenn es nur nicht gefährlich ist &mdash; der Tante schwarzes Kreppkleid aus
-Lima! &mdash; da habe ich ja die schreckliche Lösung des Trau<span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span>mes, über den
-ich und die Mutter heute früh noch lachten.</p>
-
-<p>Aber hier sind Sie? unterbrach ihr Selbstgespräch die athemlose
-Köchinn: die vierrädrige Barkasse liegt vor der Thür schon länger denn
-eine halbe Stunde. Der Steuermann vorn auf dem Bratspill klatscht, zum
-Zeichen, daß er da sey, mit seinem Steuerruderchen, daß alle Leute
-auf der Straße stehen bleiben; er hat schon, Gott weiß wie lange, die
-Pitsjahrs-Flagge am Vortop aufgehießt,<a name="FNAnker_7_7" id="FNAnker_7_7"></a><a href="#Fussnote_7_7" class="fnanchor">[7]</a> und ich kann Sie nirgends
-finden. Wollen Sie nicht Extraliegegeld zahlen, so kommen Sie ja gleich.</p>
-
-<p>Sie mußte fort, in die widrige Gesellschaft, in der sie keine Freude
-finden konnte.</p>
-
-<p>Das ist kein Ballgesicht, sagte die Mutter, als sie kam, um sich bei
-dieser zu verabschieden: was fehlt dir Kind? Du hast ja nasse Augen,
-Mädchen?</p>
-
-<p>Nichts, mein Mütterchen, man hat so seine Tage, entgegnete Hulda
-lächelnd: ich bliebe heute<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span> viel lieber zu Hause; die Mutter aber
-meinte, wenn sie nicht krank sey, so müsse sie sich dergleichen
-Mißlaunen nicht so hingeben; sie werde sich bestimmt recht wohl
-dort befinden, und da viel Fremde eingeladen wären, gewiß manche
-interessante Bekanntschaften machen. Dein Englisch, setzte sie
-mütterlich wohlwollend hinzu: mußt Du noch viel mehr üben; wenn Du mit
-jungen Britten sprichst, bist Du immer etwas befangen; hast Du daher
-Gelegenheit, heute englisch zu sprechen, so versäume sie nicht; das ist
-so gut, als hättest Du beim Lehrmeister zwei Stunden.</p>
-
-<p>Desto geläufiger geht es jetzt mit dem Spanischen, entgegnete Hulda
-selbstzufrieden, und dachte im Stillen, daß sie mit dem jungen
-Mexikaner sich gewiß recht gut verständigen wollte, wenn sie ihn nur
-einmal spräche; die Mutter aber erwiederte scharf, daß <em class="gesperrt">die</em>
-Sprache ihr eigentlich ganz überflüssig, und der Unterricht darin,
-gleich vom Anbeginn an, ihrem Willen ganz entgegen gewesen sey;
-sie empfahl ihr, beim Tanze sich recht in Acht zu nehmen, wünschte
-ihr recht viel Vergnügen, und freute sich, morgen früh von ihr
-umständlichen Bericht über das Fest zu vernehmen.</p>
-
-<p>Der Wirrkopf mit den blauen Augen krank<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span> in der Kajüte, und sie auf dem
-Balle! Ein recht widriger Kontrast! Sie nahm sich vor, keinen Schritt
-zu tanzen, und recht zeitig nach Hause zu fahren; vielleicht war es
-doch noch möglich, heute Abend, auf seinem Verdeck, von ihm etwas zu
-erspähen, und wenn es auch nur das Licht in seiner Kajüte sey. In dem
-Augenblick, als sie in das Vorzimmer des Gesellschaftsaales trat, holte
-sie der Doktor Brehme ein, der ebenfalls als Gast hier erschien. Sie
-waren, fragte sie, vom Zufall überrascht: eben am Bord der Antoinette
-im Hafen; haben Sie dort einen Kranken? Sie erschrak, als sie die Frage
-glücklich heraus hatte, aber so gestellt, konnte der Doctor ja ihren
-Grund unmöglich bemerken; doch die Antwort blieb ihr der Gefragte
-schuldig; denn die Flügel der Saalthüre öffneten sich, und sie mußte
-eintreten.</p>
-
-<p>Sie verneigte sich mit holder Anmuth gegen den großen glänzenden
-Halbkreis der geschmückten Versammlung, und ein halbleiser Beifallslaut
-in der ganzen Gesellschaft, sprach das stille Entzücken aus, mit dem
-die Erscheinung der Liebreizenden alle Anwesenden überrascht hatte.
-Schönheit, Unschuld und Jugend, diesen drei Grazien<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span> wird überall
-die zarteste Huldigung zu Theil. Aber zauberischer als heute, hatten
-auch des Mädchens älteste Bekanntinnen es nie gesehen. Hulda schaute
-mit schüchterner Befangenheit im Zirkel umher, um die Frau vom Hause
-herauszufinden, da traf ihr Blick auf den jungen Mexikaner. Der Wirth
-des Hause wisperte ihm in das Ohr: das ist unser Admiralschiff, das
-schönste Mädchen der Stadt, und der junge Fremde erwiederte freundlich
-lächelnd: ich streiche die Flagge.<a name="FNAnker_8_8" id="FNAnker_8_8"></a><a href="#Fussnote_8_8" class="fnanchor">[8]</a> Der Director näherte sich dem
-holden Mädchen, um es zu bewillkommen, führte es seiner Gattinn zu,
-fragte nach dem Befinden der Mutter, und betheuerte mit schönen Worten,
-daß Hulda immer liebenswürdig sey, aber heute müßte Adonis selbst ihre
-Toilette gemacht haben, denn reizvoller sey sie nie gewesen. Europa,
-setzte er scherzend hinzu: Europa nicht allein, liegt Ihnen zu Füßen;
-die fernsten Welttheile bringen Ihnen sogar ihre Huldigungen dar.</p>
-
-<p>Der glatte Freund aller schönen Mädchen und<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> Frauen, ein deckenhoher
-Spiegel, vor dem sie eben stand, und auf den sie verstohlen einen
-halben Seitenblick warf, flüsterte ihrer kleinen Eitelkeit zu, daß sie
-heute recht hübsch sey, und des Mexikaners seemännisches Kompliment
-vom Streichen der Flagge, hatte ihrem Ohre wohlgefällig geschmeichelt.
-Der junge Mann schien das Deutsche recht gut zu sprechen. Schade!
-&mdash; sie hätte sich lieber spanisch mit ihm unterhalten; die andern
-hätten dann ihr Gespräch nicht verstanden, und ihm, meinte sie, wäre
-es gewiß angenehm auffallend gewesen, hier ein Mädchen zu finden, das
-seine Muttersprache verstehe. Sie war, wie wohl jedes anspruchlose
-Mädchen, mit einer Art von Beklommenheit, in den großen eleganten
-Kreis getreten, aber jetzt, &mdash; war es der Beifall, den sie in jedem
-Auge gelesen, oder das, was der Herr vom Hause, der Director, von den
-Huldigungen der fernen Welttheile gesagt, oder was da drüben der junge
-hübsche Mensch mit den dunkelblauen Augen, vom Flaggen hatte fallen
-lassen, kurz sie fühlte, daß sie hier das Admiralschiff führe. Aber so
-kühn sie auch jetzt in See stach, so konnte sie doch ihr Auge nicht
-zu ihm selbst wenden; das Herz klopfte ihr unter<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span> dem Blumenstrauß am
-Busen, daß alle Blätterchen zitterten.</p>
-
-<p>Maklers Suschen war auch da. Hulda ging auf sie zu, um über ihren
-gestrigen Sturmbesuch, von ihr näheren Aufschluß zu erhalten, diese
-aber stellte der Neugierigen den neben ihr stehenden Herrn vor, und
-fragte heimlich lachend, ob sie ihn nicht mehr kenne?</p>
-
-<p>Ein linkischer, dürrer langer Stock, mit hängenden Knieen; mit, bis
-über die klapperbeinigen Waden, herabhängenden endlosen Rockschößen
-und, dem ganzen, allem Geschmack und allem Anstande Hohn sprechenden
-Aeußern nach, ein forcirter Engländer; das Auge grau und matt; das
-durch die enge Halsbinde roth geschnürte Gesicht mit Blüthchen und
-Schwären bedeckt, und in jedem Zuge Spuren eines Londoner Wüstlings,
-der nur in den <span class="antiqua">Passages of Leicester, Fitzroy Square, Straffort
-Street</span>, und ähnlichen Orten, seinen Freuden nachgejagt, und nichts,
-als Langeweile und Lebensüberdruß aus jener Nebelinsel mitgebracht
-hatte. Er redete Hulda englisch an, und versicherte, daß er das
-Deutsche während der sechs Jahre seiner Abwesenheit fast ganz vergessen
-habe, und Hulda erkannte in ihm,<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span> Suschens Bruder, Kasperchen, einen
-sonst gewaltig dummen Jungen, den die ganze Stadt ehedem hänselte,
-und der, als Deutschlands männliche Jugend das Schwerdt ergriff, um
-Napoleons Tyrannenketten zu zerhauen, sich aus angeborner Abneigung
-gegen das Kriegsleben, nach London verkrümelte, um dort die Sache
-in Ruhe abzuwarten. Mit dem Vermögen und dem Kredit seines Vaters,
-eines sehr wohlhabenden Mannes, führte ihm der Zufall einen jungen
-mittellosen, aber höchst speculativen Engländer zu, der sich mit ihm
-verband, und ihm, in der goldnen Zeit der brittischen Alleinherrschaft
-auf allen Meeren, sehr große Reichthümer erwarb, und jetzt war
-Kasperchen, nachdem die dummen Teufel, seine wackern Jugendbekannten,
-Arm und Beine, Blut und Leben verloren hatten, mit fast einer Million
-Thalern, auf dem gestrigen Kutter, nach Hause gekommen, weil in der
-einfältigen Friedenszeit, drüben auf der Krämer-Insel, nichts Rechtes
-mehr zu verdienen war. Das Alles erzählte Kasperchen der überraschten
-Hulda englisch, und lag dabei mit dem lüsternen Blick seiner verlebten
-Augen, so starr auf des wunderlieblichen Kindes frischen Liebesreizen,
-daß diesem<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span> vor den Faunenblicken des achtundzwanzigjährigen Greises,
-angst und bange ward, und sie mit heimlichem Grauen sich von ihm
-wandte, denn es war ihr in seiner Nähe, als stände sie in einem
-Dunstkreise von allerlei schmorenden Giften.</p>
-
-<p>Die junge Welt rüstete sich zum Tanze, und Suschen fragte den Bruder,
-ob er nicht Hulda auffordern wolle; dieser meinte aber, in London tanze
-ein junger Mann von feinem Geschmack gar nicht; man stelle sich, den
-Hut in der Hand, unter die Zuschauer und spiele ein Bischen Moquirens,
-das wäre ein göttliches Vergnügen, und ergötze im geistreichen Cirkel
-viel mehr, als die albernen Hopsasas, bei denen die Tänzer mehr Schweiß
-vergössen, als das ganze Fest des einfältigen Wirthes gewöhnlich werth
-sey.</p>
-
-<p>Suschen lachte beifällig, und fragte Hulda, ob der Bruder sich
-in den paar Jahren nicht sehr zu seinem Vortheil geändert habe.
-Außerordentlich, erwiederte diese, von kaltem Schauder überreift, und
-dankte ihrem Schöpfer, als der Director kam, und sie durch das Gesuch,
-mit ihm den Ball zu eröffnen, der Fortsetzung dieser Unterhaltung
-überhob.</p>
-
-<p>Die Flügelthüren des hocherleuchteten Ball<span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span>saales flogen auf.
-Eine herrliche Polonaise mit Trompeten und Pauken, begrüßte die
-Eintretenden, an deren Spitze die engelschöne Hulda, an der Hand
-des gastlichen Wirthes voranschwebte. Sie tanzte mit hinreißender
-Anmuth, aber ihr war es, als hätte sie Blei in allen Gelenken, denn
-der Mexikaner &mdash; warum hatte sie aber auch hingesehen! doch, nur
-vorbeigestreift war ihr Blick, ach nur so halb vorbei geflogen &mdash; er
-tanzte mit Gustchen, der Tochter vom Hause, und war, einen Augenblick
-nur von ihr in einer Tour abgekommen, so verwirrt geworden, daß er alle
-Gissing<a name="FNAnker_9_9" id="FNAnker_9_9"></a><a href="#Fussnote_9_9" class="fnanchor">[9]</a> verlor, einen wahren Wan-Cours in lauter loxodromischen
-Linien<a name="FNAnker_10_10" id="FNAnker_10_10"></a><a href="#Fussnote_10_10" class="fnanchor">[10]</a> steuerte, und, wie ohne Compaß, verweht und verschlagen, im
-Saale herumirrte, bis sein Convoi, Directors Gustchen, ihn wieder in
-die Colonne bugsirte.</p>
-
-<p>Der kühne Mensch, der die halbe Welt umsegelt, der mehr denn zwanzigmal
-den dringend<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span>sten Gefahren des Lebens die Brust muthig gewiesen, und
-wenn alles um ihn herum zu verzagen angefangen, den Kopf allein oben
-behalten hatte &mdash; jetzt &mdash; ein einziger Blick von diesem zauberholden
-Mädchen &mdash; und er war in den Grund gebohrt. Ohne es selbst zu wissen,
-legte er seine Rechte, so oft er sie in der Polonaise frei bekam, auf
-das Herz, als ras’ten in diesem alle zwei und dreißig Compaß-Striche
-vom Boreas bis zum Mesocircius gegen einander.</p>
-
-<p>Ihr Schiff hat einen Leck gesprungen, sagte Gustchen lachend, darf ich
-mit einem gespickten Bonnet<a name="FNAnker_11_11" id="FNAnker_11_11"></a><a href="#Fussnote_11_11" class="fnanchor">[11]</a> aufwarten, oder am Ende ist wohl gar
-ein Pfröpfchen nöthig?<a name="FNAnker_12_12" id="FNAnker_12_12"></a><a href="#Fussnote_12_12" class="fnanchor">[12]</a></p>
-
-<p>Seyn Sie ein mitleidiger Lotsen, erwiederte der junge Mexikaner
-bittend: und bringen Sie mich in die Docke<a name="FNAnker_13_13" id="FNAnker_13_13"></a><a href="#Fussnote_13_13" class="fnanchor">[13]</a>; Sie kennen das
-Fahr<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span>wasser hier, und die Untiefen und Bänke; meine Anker und Taue sind
-klar<a name="FNAnker_14_14" id="FNAnker_14_14"></a><a href="#Fussnote_14_14" class="fnanchor">[14]</a> und meine Pässe in beßter Ordnung.</p>
-
-<p>Ich verstehe, mein Freund, entgegnete Gustchen schalkhaft: behalten Sie
-aber nur die freundlich leuchtende Blüse da vorn an der Spitze unserer
-Polonaisenzunge, hübsch im Auge, und Sie werden alle Bänke und Klippen
-glücklich umfahren.</p>
-
-<p>Während dieses sinnigen Zwiesprachs, in dem Gustchen, Hulda’s innern
-Werth, des breiteren auseinandersetzte, fragte diese der Vater, was
-sie denn zu dem englisirten Casperchen gesagt habe, und zog über den
-unausstehlichen Gast waidlich her; nein, fuhr er fort und tanzte neben
-der Horchenden plaudernd weiter: nein, da lobe ich mir den jungen
-Mexikaner; das ist ein flottes Kerlchen; wie eine Tanne gewachsen,
-Licht im Kopfe, Gesundheit auf den Wangen, Kraft im Arme, und Courage
-in der Brust. Im vier<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span>zehnten Jahre schon hat er als Cadett bei der
-Marine gedient, und zwei Seegefechte mitgemacht; Huldchen, das will
-was sagen; so eine Geschichte ist wahrhaftig nicht spaßhaft; ringsum
-Tod, und nirgends Rettung &mdash; erlauben Sie! mein Sopha ist mir lieber;
-so viel Haare der Mensch auch auf den Zähnen hat, aber davon spricht
-er doch mit allem Respekt. Vom Despensero<a name="FNAnker_15_15" id="FNAnker_15_15"></a><a href="#Fussnote_15_15" class="fnanchor">[15]</a> hat er sich nach und
-nach bis zum Teniente<a name="FNAnker_16_16" id="FNAnker_16_16"></a><a href="#Fussnote_16_16" class="fnanchor">[16]</a> hinauf geschwungen, und nach dem Frieden als
-Capitain seinen Abschied genommen; seitdem hat er den Geschäften seines
-früher schon verstorbenen Vaters sich selbst unterzogen und, Huldchen,
-die gehen in das Ganze; solcher Schiffe, als er hier im Hafen liegen
-hat, besitzt er netto ein Dutzend, und was kosten die, und was bringen
-die ein! Huldchen, der Mensch scheint zum Anker gehen zu wollen, wird
-&mdash; er tippte ihr schelmisch-lächelnd auf das Herz &mdash; wird hier der
-Flügel<a name="FNAnker_17_17" id="FNAnker_17_17"></a><a href="#Fussnote_17_17" class="fnanchor">[17]</a> wohl Grund fassen?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span></p>
-
-<p>Herr Direktor, entgegnete Hulda, im dunkelsten Purpur erglühend, und
-haschte mit Hast nach einem andern Gegenstande des Gesprächs: wir
-tanzen jetzt vor, und sollen nicht plaudern.</p>
-
-<p>Lassen Sie, Huldchen, entgegnete der Tänzer mit gutmüthigem Spötteln:
-die andern kommen schon nach, ich weiß, was ich weiß; umsonst klettert
-so ein seefüßiges<a name="FNAnker_18_18" id="FNAnker_18_18"></a><a href="#Fussnote_18_18" class="fnanchor">[18]</a> Eichhörnchen nicht auf den Mars, umsonst bläs’t
-der blöde Schäfer nicht stundenlang die zartesten Lieder seiner Leiden,
-auf der schmachtenden Flöte; umsonst legt er sich am hellen lichten
-Tage nicht auf die Astronomie! Huldchen erlauben Sie mir aber nun auch
-bei Ihnen ein kleines Lothchen zu werfen.<a name="FNAnker_19_19" id="FNAnker_19_19"></a><a href="#Fussnote_19_19" class="fnanchor">[19]</a></p>
-
-<p>Unsere Polonaise nimmt kein Ende, sagte Hulda, &mdash; halb todt vor
-Schrecken, daß der Direktor, Gott weiß woher, des Mexikaners gestrige
-Faseleien kannte, als hätte er sie selbst mit angesehen, &mdash; wir werden
-aufhören müssen.</p>
-
-<p>Gleich, erwiederte der Direktor: sobald Sie<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span> mir gesagt haben, wie es
-mit Ihrem Ankergrunde aussieht; und sollten wir bis morgen früh hier
-herum polonisiren, eher lasse ich Sie nicht los.</p>
-
-<p>Fürchten Sie, auf scharfen<a name="FNAnker_20_20" id="FNAnker_20_20"></a><a href="#Fussnote_20_20" class="fnanchor">[20]</a> oder auf Wellgrund<a name="FNAnker_21_21" id="FNAnker_21_21"></a><a href="#Fussnote_21_21" class="fnanchor">[21]</a> zu stoßen? fragte
-Hulda lächelnd, und verbeugte sich, um den Tanz zu beendigen und dem
-weitern Examen zu entgehen; da folgten denn die übrigen Tanzenden dem
-Signale des Schlusses, und Gustchen kam als treuer Lotse, und führte
-den blanken See-Capitain durch das Gewirre der aufgelös’ten Tanzpaare,
-und stellte ihn der Lieblichen vor, mit der Bemerkung, daß er gekommen,
-um sie um den nächsten Walzer zu bitten.</p>
-
-<p>Der Capitain hatte unterdessen wieder Besinnung und Ruhe gewonnen;
-er näherte sich der Königinn des Balles zwar Anfangs mit einiger<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span>
-Schüchternheit, die ihm jedoch recht gut ließ, aber nach und nach ward
-er unbefangener; er nannte Hulda seine schöne Nachbarinn, und machte
-ihr im Scherz Vorwürfe über die Härte, mit der sie ihre armen Blumen
-auf dem Balkon habe bisher verschmachten lassen. Gestern, meinte er,
-hätten sie von ihrer stiefmütterlichen Milde die ersten Tröpfchen
-Wasser endlich einmal bekommen, und so viel er von Weitem erkenne,
-wären doch Blumen darunter, die täglich wollten begossen seyn. Die
-schöne Zeit ihrer Blüthe, setzte er mit einem halb unterdrückten
-Seufzer hinzu: dauert ja ohnehin nur einige Wochen noch; dann sind sie
-vergangen, und dann ruft sie die herzlichste Pflege nicht wieder in das
-Leben zurück.</p>
-
-<p>Hulda &mdash; kein Mensch in der Welt hatte sie die Spitzbuben Sprache der
-Liebe gelehrt, aber, so sind die allerdurchtriebensten Spitzbuben
-unter der Sonne, die Mädchen, wenn es die Linguistik des Herzens gilt;
-Schlauköpfchen Hulda verstand jedes Wort.</p>
-
-<p>Nach ihrer Grammaire übersetzte sie sich die sinnige Rede des
-jungen Capitains, den sie jetzt in der Nähe noch viel tausendmal
-liebenswürdiger fand, und dessen schönes, reines Deutsch ih<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span>rem Ohr
-unbeschreiblich wohlklingend lautete, also: Seit ich im Hafen liege,
-bist Du ein einziges Mal nur auf Deinem Balkon sichtbar gewesen. Ich
-sehne mich nach Dir, wie deine Blumen nach frischem Wasser; in Kurzem
-lichte ich die Anker. Sey barmherzig, und schenke mir bis dahin die
-Freude, Dich zu sehen, täglich.</p>
-
-<p>Es entspann sich von da ab, das Gespräch immer lebendiger, beide
-waren bald wie vertraute Bekannte; in dem ganzen Wesen des jungen
-Seemannes lag so etwas herzliches, offenes, biederes, und Hulda, das
-reizende Himmelskind, ward so ungebunden, und entfaltete ihren tiefen
-Werth mit solcher Anmuth, und gab sich ihm so natürlich hin, daß der
-Handelsgerichts-Direktor, der Beide von Ferne bemerkte, zu Gustchen und
-deren Bräutigam sagte: Kinder, die da drüben segeln vor dem Winde<a name="FNAnker_22_22" id="FNAnker_22_22"></a><a href="#Fussnote_22_22" class="fnanchor">[22]</a>,
-das Schiffchen lüstert auf’s Steuer, wie ein Häring<a name="FNAnker_23_23" id="FNAnker_23_23"></a><a href="#Fussnote_23_23" class="fnanchor">[23]</a>.</p>
-
-<p>Je mehr der Ueberglückliche das Mädchen an<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span>sah, desto bestimmter
-überzeugte er sich, dieses Gesicht schon irgendwo im Leben gesehen
-zu haben, nur war es, wie ihm dünkte, blässer, und vielleicht etwas
-weniger schön gewesen. Er sann und sann, aber das war ja nicht möglich.
-Es war dieß der erste europäische Hafen, den er besuchte, und Hulda war
-keine zehn Meilen über die Küste des Meeres hinaus gekommen.</p>
-
-<p>Endlich &mdash; ja, jetzt hatte er es. Ein musterhaft gearbeitetes
-Miniatur-Bild mit goldenem Reif &mdash; bei seinem verstorbenen Vater hatte
-er es einmal &mdash; doch eben begann der muntere Walzer.</p>
-
-<p>Brust an Brust, Auge im Auge, die Arme süß verschlungen, drehte das
-bildschöne Paar, im getäfelten spiegelglatten Saale lustig auf und
-ab, daß die rasche Musik kaum Athem hatte, den beiden sausenden
-Wirbelwinden zu folgen. Wie eine Luft-Säule um ihre Achse mit
-Schnelligkeit sich dreht, und dabei immer weiter und weiter von dannen
-braus’t, wie der gewaltsame Küsel<a name="FNAnker_24_24" id="FNAnker_24_24"></a><a href="#Fussnote_24_24" class="fnanchor">[24]</a> auf des Meeres Spiegelfläche,
-so luftig und leicht flogen sie, eng in einander verschränkt, dahin,<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span>
-und entzückten, durch ihre zauberische Anmuth, den ganzen Saal. Selbst
-Caspar, der bei einem Ausfluge nach Paris, Anatole und die Bigottini,
-den gewandten Hoguet und die vierte Grazie, die liebliche Lemiere,
-und in London die Milanie und Lupino gesehen hatte, und alles, was
-nicht von daher war, gern herabwürdigte, gerieth über die Federkraft
-dieses Zephyrpaares in eine solche Exstase, daß er, von der haardünnen
-Scheitel bis zu den schlotternden Knieen, ein hüpfendes Zucken im
-ganzen Leibe verspürte, und jetzt gern mitgetanzt hätte, wenn die
-kranken Röhren seiner schwachen Gebeine solches zu leisten nur irgend
-im Stande gewesen wären.</p>
-
-<p>Er trat, als der Walzer endete, näher zu Hulda, und wollte ihr etwas
-Schönes sagen, aber es war ihr, als überflöge sie ein eisiger Reif,
-so kalt wurden ihr Stirn und Wange, Hals und Busen, in der Nähe des
-englischen Narren. Den Capitain ignorirte er, das war, meinte er,
-brittische Sitte; wollte der Mensch Bekanntschaft mit ihm machen, so
-konnte er ihn anreden; aber dazu schien der Mexikaner nicht viel Lust
-zu haben. Hulda hatte Casperchen stehen lassen, ein Gleiches that der
-Capitain; diese suchte dafür<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span> Hulda auf, und setzte sich auf den neben
-ihr befindlichen Sessel.</p>
-
-<p>Die deutschen Engländer sind mir in den Tod zuwider, sagte Hulda: der
-Mensch ist bei uns geboren und erzogen, ein Paar Jahre nur in London
-gewesen, und thut nun, als ob er von seiner lieben Muttersprache kein
-Wort mehr kennte.</p>
-
-<p>Unsere Eskimo’s, hob der Capitain lachend an, sehen nicht viel
-besser aus; ziehen sie dem Patron einen grönländischen Frack von
-Seehundsfellen an, so haben Sie in dem olivenfarbenen Gesichte mit dem
-starren, dünnen kohlenschwarzen Haar, einen Grand von Labrador, wie er
-leibt und lebt.</p>
-
-<p>Hulda erschrack über das hingeworfene Gleichniß des Scherzenden; denn
-sie gedachte des Eskimo’s am gestrigen Abendhimmel, dem Casperchen, bei
-näherer Betrachtung, wie ein Ei dem andern glich. Der Capitain aber,
-der jetzt Hulda in tiefem Sinnen bemerkt hatte, sprang auf, und rief:
-sie ist es wahrhaftig selbst; &mdash; nur bleibt mir ewig unbegreiflich, wie
-das Bild&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Kolonne, Kolonne, ertönte es im Saale; man trat zur Ecossaise an, und
-Hulda ward ihm von einem Dritten entführt.</p>
-
-<p>Er sah ihr nach, und in seinem schmachten<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span>den Blicke lag das Uebermaß
-seines Entzückens, das Mädchen gefunden zu haben, das von der frühesten
-Jugend ab, in jenem ferneren Welttheile, sein Herz so wunderbar
-beschäftigt, und den ersten Träumen seiner Schwärmerei, wie ein
-zauberisches Ideal vorgeschwebt hatte.</p>
-
-<p>Gustchen, Bräutchen, Schutzgeist, rief er, als diese zufällig eben
-bei ihm vorüberging, seiner nicht mehr mächtig: seyn Sie meine
-Vermittlerinn.</p>
-
-<p>Gustchen stutzte freundlich, und sah ihm staunend in das Gesicht.</p>
-
-<p>Sie sind Braut, fuhr er fort: Sie verstehen mich daher, Sie müssen,
-Sie werden mich verstehen. Sagen Sie dem Götterkinde mit den großen
-brennenden Augen da drüben, daß es mich zum Glücklichsten aller
-Glücklichen machen kann. Der Orizava bei uns, hat zwanzig Jahre lang
-Feuer gespieen, aber er ist gegen die Glut, die mir hier in der Brust
-lodert, ein wahrer Bärenberg<a name="FNAnker_25_25" id="FNAnker_25_25"></a><a href="#Fussnote_25_25" class="fnanchor">[25]</a> auf der Iwan-Maien-Insel.</p>
-
-<p>Gustchen wehete sich, das Lachen verhaltend, Kühlung mit dem
-Taschentuche zu.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span></p>
-
-<p>Sprechen Sie mit dem Engelskinde, sagte der Capitain ängstlich bittend
-und nahm Gustchens Hand zwischen die seinen: ohne Hulda kann ich nicht
-zurück; ich bin ihr fremd, und in den Paar Tagen meines Hierseyns kann
-sie mich nicht kennen lernen, nicht liebgewinnen; aber &mdash; ach Gott,
-wenn ich mich ihr nur so recht &mdash; ich weiß selber nicht, wie ich sagen
-soll; so ist mir in meinem Leben nicht gewesen; ich möchte, daß sie
-durch mich durchsehen könnte, sie würde keinen Schattenfleck in mir
-finden; ich bin rein und klar, und was ihr Herz nur wünschte, will ich
-ihr gewähren. Auf den Händen will ich sie tragen, sie soll ein Leben
-haben, wie im Himmel. Gustchen, liebes englisches Gustchen, sprechen
-Sie mit ihr, aber heute noch; morgen ist dann unsere Verbindung, und&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Warum nicht lieber heute gleich? fiel ihm Gustchen, dem die
-entsetzliche Eile höchst komisch vorkam, in das Wort.</p>
-
-<p>Mir auch recht, fuhr er ernsthaft und dringend fort: auch heute noch.
-Meine Ladung ist gelöscht, mein Schiff hat die Rückfracht eingenommen,
-ich kann morgen fort &mdash; mit ihr, mit ihr in See.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span></p>
-
-<p>Aber, mein Himmel, fragte Gustchen, und schüttelte über den
-unaufhaltsamen Ehelustigen den Kopf: warum denn das alles so rasch?</p>
-
-<p>Ich kann, ich darf nicht warten, entgegnete der Capitain: ich gehe
-von hier nach Vera Cruz, verweile ich hier zu lange, so komme ich im
-März hin &mdash; und Kind, dann wirthschaften dort unter dem brennenden
-Himmel der Tropen-Länder, die Nordwestwinde so fürchterlich, daß das
-auftobende Meer oft hoch über Stadtmauer schlägt &mdash; dann ginge meine
-Antoinette mit Mann und Maus zu Grunde &mdash; und ach Gott, meine Hulda,
-mein liebes, niedliches Herzensmäuschen &mdash; ich gäbe mich ja selbst
-jenseits nicht zufrieden, wenn diese durch mein Zaudern hier, dort im
-Angesichte des <em class="gesperrt">Cofers von Perote</em> und der Gebirge von <em class="gesperrt">Villa
-Ricca</em> ihr Blüthenleben in der Tiefe des Meeres endete. Gustchen,
-seyn Sie christlich. Sprechen Sie für mich. Im Tempel des Mondes,
-der auf dem Hügel von <em class="gesperrt">Toatihuacan</em> noch aus den Zeiten der
-<em class="gesperrt">Olmeken</em> dicht vor Mexico prangt, lasse ich, zum ewigen Danke,
-Ihren Namen in Gold graben.</p>
-
-<p>Liebster Capitain, erwiederte Gustchen und<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span> legte sorglich die Hand auf
-seine Stirn: haben Sie Pulk<a name="FNAnker_26_26" id="FNAnker_26_26"></a><a href="#Fussnote_26_26" class="fnanchor">[26]</a> am Bord ihrer Fregatte?</p>
-
-<p>Berauscht bin ich, Gustchen, versetzte Alonso: aber nur von der Liebe,
-und dieser selige Rausch soll nicht eher verfliegen, als bis die
-Granitwände des Hafens <em class="gesperrt">Acapulco</em> zu Staub zermürmelt sind.</p>
-
-<p>Aber lieber Freund, erwiederte Gustchen, mit herzlicher Theilnahme:
-Ihre Liebe, verzeihen Sie meiner Offenheit, aber sie kommt mir vor, wie
-die <em class="gesperrt">Nortes de Hueso colorado</em>, in ihrem Meerbusen, von denen Sie
-uns heute Mittag erzählten.</p>
-
-<p>Ein Windstoß &mdash; ein rasender Windstoß nur sollte meine Liebe seyn?
-fragte Alonso laut lachend. Mein Kind, lesen Sie <em class="gesperrt">Halley</em>, und
-<em class="gesperrt">d’Alembert</em>, <em class="gesperrt">Bernoulli</em> und <em class="gesperrt">de Luc</em>; die werden Ihnen
-von den <em class="gesperrt">beständigen</em> Ostwinden zwischen den Wendekreisen ein
-Mehreres erzählen; zu <em class="gesperrt">der</em> Sorte, Engel, gehört meine Liebe.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span></p>
-
-<p>Also immer doch Wind, und Wind und Wind, fiel ihm Gustchen bedenklich
-in das Wort.</p>
-
-<p>Der Wind ist mein Element, Gustchen, sagte Alonso entschuldigend: er
-führte mich hierher und mit seiner Hülfe werde ich meine himmlische
-Hulda, die glänzendste aller Prisen, glücklich aufbringen.</p>
-
-<p>Haben Sie denn schon den Marquebrief dazu, mein Herr Capitain, fragte
-scherzend Gustchen: ohne diesen, nehmen Sie sich in Acht, unsere
-See-Gesetze sind streng, ohne diesen sehen wir Sie als Räuber an.</p>
-
-<p>Sie sollen mir den Marquebrief ausfertigen, Gustchen, Sie, entgegnete
-Alonso, und schien die Idee zu haben, daß sie die Sache gleich in’s
-Werk setzen sollte; aber Gustchen fragte, was er wohl glaube, daß
-Hulda von ihm denken werde, wenn er nach der ersten Unterhaltung von
-wenigen Minuten ihr, ohne sie im mindesten näher zu kennen, seine Hand
-antrage, und von ihr verlangen wolle, sich hierüber gleich stehenden
-Fußes zu erklären. Vater und Mutter auf immer und ewig zu verlassen,
-setzte Gustchen hinzu: und einem Manne, mit dem man keine tausend Worte
-gewechselt, den man kaum sechszig Mi<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span>nuten gesehen hat, zwei tausend
-Meilen weit zu folgen, und ihm die ganze Lebenszeit zu gehören, Freund
-Capitain, ist diese Idee kein Windstoß? und dann, Sie selbst, Sie
-wissen ja vom Mädchen nichts, als daß es hübsch ist. Von seinem frommen
-Wandel, von der Reinheit seiner Sitte, von seiner Häuslichkeit, von
-seinen Kenntnissen und Fähigkeiten, von seinem fröhlichen, heiteren
-Sinn, von seiner himmlischen Herzensgüte, wissen Sie noch kein Wort!
-Lernen Sie dieses seltene Wesen, mit seinem rein kindlichen Gemüth,
-mit seinem Zartgefühl, im ganzen Umfange seines Werthes erst kennen,
-recht genau kennen, ergründen Sie in der Tiefe dieser schönen Seele,
-die in ihrer Lage wahrhaft heilige Gabe, zwischen Vater und Mutter,
-die ewig kalt neben einander durch das Leben gehen, die versöhnende
-Vermittlerinn zu seyn; betrachten Sie die namenlose Liebe, mit der
-jedes der unter sich heimlich verfeindeten Eltern, an diesem ihnen, im
-eigentlichen Sinne des Worts, von Gott gesandten Kinde hängt, und wie
-es jedem derselben, das, durch ihre sonderbare gegenseitige Stellung
-freudenleere Leben, durch die zarteste Pflichterfüllung, durch die
-anständigste Beseitigung aller Veranlassungen<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span> zu Mißhelligkeiten, und
-durch Scherz und Frohsinn zu versüßen weiß, und Sie werden es lieben
-müssen.</p>
-
-<p>Aber da soll doch mein großes Raa-Segel, mit allen Bolten, Schoten,
-Halsen und Nockbindseln, wie mitten von einander reißen! Gott verzeih
-mir die schwere Sünde, aber ich liebe das Mädchen ja schon bis zum
-Rasendwerden. Gustchen, wenn Sie das noch nicht weg haben, so ist ihr
-Peil-Compaß keinen Schuß Pulver werth. Sie reden vom Kennenlernen;
-als ob ich das Himmelskind nicht schon durch und durch kennte; alle
-Menschen, die ich hier spreche, sagen, was Sie sagen; überall höre ich
-nichts als Gutes &mdash; und ach, schon in Mexico &mdash; ich war, glaube ich,
-noch nicht einmal wohlbestallter Seecadet &mdash; betete ich dieses Ideal
-schon an, mit einer Gluth, mit einer&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>In Mexiko? fragte Gustchen gespannter und war nahe daran, ihn für
-wenigstens halb wahnsinnig zu erklären.</p>
-
-<p>Sagen Sie, hob er über etwas tief brütend an: hat sich Hulda je mahlen
-&mdash; doch das ist ja wieder nicht möglich; ich sah das Bild vor länger
-denn zehn Jahren, und da war Hulda ja noch ein Kind.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span></p>
-
-<p>Wahrhaftig, ich glaube, Sie reden irre, hob Gustchen scherzend an: was
-denn vor ein Bild?</p>
-
-<p>Hat Hulda, versetzte Alonso, im Sinnen und Nachdenken ganz verloren:
-irgend eine ältere Person ihrer Familie, etwa die Mutter oder eine
-Verwandte, der sie ähnlich, aber sehr ähnlich sieht?</p>
-
-<p>Der Mutter, entgegnete Gustchen, den Sinn der sonderbaren Frage nicht
-verstehend: gleicht sie zum Sprechen, nur daß diese natürlich 20&ndash;22
-Jahre älter ist und durch beständiges Kränkeln&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Zum Sprechen? fiel er ihr hastig in das Wort; ist die Mutter hier?</p>
-
-<p>Die finden Sie in keiner Gesellschaft; seit dem ersten Augenblicke
-ihres Hierseyns ist, wie die Eltern mir oft erzählt haben, die Kirche
-der einzige Ort gewesen, den sie besucht; sie scheint mit der Welt
-zerfallen zu seyn, und meidet alle Menschen. Außer alten Maklers, die
-zu den Stillen im Lande gehören, geht sie mit keiner Seele um.</p>
-
-<p>Seit dem ersten Augenblicke ihres Hierseyns sagen Sie, fuhr Alonso in
-großer Spannung fort: ist die Mutter nicht von hier?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span></p>
-
-<p>Nein, erwiederte Gustchen, und konnte nicht begreifen, was der
-Großinquisitor mit allen diesen umständlichen Fragen wollte: sie ist,
-wenn ich nicht irre, aus Frankfurt am Main.</p>
-
-<p>Alonso fuhr bei dem Worte, wie vom Blitz getroffen auf. Merkwürdig,
-rief er und legte sich die Hand vor die Augen, als starre er vor dem
-verworrenen Gewebe der menschlichen Schicksale, zu dem er den Faden
-fand, erschrocken zurück: aus Frankfurt am Main? Gustchen, wäre ich
-Intendant von Mexico, für diese Nachricht beliehe ich Sie auf ewige
-Zeiten mit den Silbergängen von <em class="gesperrt">Guanaxuato</em>, <em class="gesperrt">Zacatacas</em> und
-<em class="gesperrt">Tasco</em>.</p>
-
-<p>Gustchen hielt lachend die Hand hin, um den Muthschein auf diese
-unermeßlichen Gruben in Empfang zu nehmen, aber Alonso eilte fort, ging
-in eines der entlegensten Zimmer, das eine Alabaster-Lampe mit ihrem
-traulichen Halbdunkel beleuchtete, warf sich dann auf das Sopha, und
-verlor sich in die Erinnerung seiner Jugend, und in die Pläne seiner
-Zukunft. Die Stille des Kabinets that ihm unendlich wohl, und das
-Rauschen der fernen Tanzmusik wiegte ihn in die süßesten Träume.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span></p>
-
-<p>Nach länger denn einer Stunde fand ihn Gustchen, das mit dem Bräutigam
-jetzt kam, um ihn aufzusuchen.</p>
-
-<p>Ist das, hob die Muthwillige an: auf Ihren mexikanischen Bällen Mode,
-daß die jungen Herren, statt fröhlich zu tanzen und guter Dinge zu
-seyn, &mdash; sie wollte weiter reden, aber da fiel ihr Blick in seine
-nassen Augen, die durch zerdrückte Thränen die sanfte Bitte thaten,
-seiner nicht zu spotten.</p>
-
-<p>Was ist Ihnen, Freund? fragte Woldemar, der Bräutigam, mit milder Rede:
-Auguste hat mir mitgetheilt, was Sie ihr vertraut; seyn Sie offen gegen
-uns, wir meinen es ehrlich und gut; was ist Ihnen?</p>
-
-<p>Nichts, nichts, entgegnete Alonso wehmüthig lächelnd: ich dachte nur an
-meinen Vater! wenn der noch lebte, und ich führte ihm Hulda als Tochter
-zu &mdash; ich kenne kein seligeres Glück. Laßt, ich bitte Euch Kinder,
-laßt Euch durch das sonderbare Gefühl, was mich überrascht hat, in
-Eurer Freude nicht stören. Auf der ganzen Erde, in Eurer alten und in
-meiner neuen Welt, habe ich Niemand, der die entsetzliche Leere füllt,
-die mir das Herz so weit<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span> und so öde macht; ich habe mich in Arbeit
-und Geschäfte gestürzt, und meinte, darüber das himmlische Sehnen
-zu vergessen, was mit süßem Schmerze die Brust mir zerquält. Aber
-an all dem Gelde, womit Fleiß und Ordnung sich bei uns so reichlich
-belohnt sehen, konnte ich keine Freude haben; es fehlte mir immer
-und immer, was ich zu nennen nicht vermochte, da sah ich Euch Beide,
-vom trauten Familienkreise umschlossen, täglich im Arme bräutlicher
-Liebe, hörte von Euren Lippen Euer Glück preisen, las in Euern Augen
-Euer neidenswerthes Loos, und wußte nun, was mir gefehlt hatte. Hulda
-&mdash; Ihr kennt ja die Scham der Liebe; sie kann und mag die Geschichte
-ihres Geheimnisses nicht verrathen; ich weiß auch selbst nicht mehr,
-wie das Alles kam; aber wie ich sie das Erstemal sah &mdash; mein Vater,
-ich war noch Kind, als er starb, aber jene Stunde, die letzte seines
-Lebens, werde ich nie vergessen &mdash; der ließ sich von Manuel, seinem
-treuen Sclaven, aus dem Wand-Schränkchen, wozu er Schlüssel unterm
-Kopfkissen hervorholte, ein Miniaturgemälde bringen &mdash; ich sehe es noch
-vor mir; ein schön gestalteter Frauenkopf; vor<span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span> allem fiel mir die
-Lockenpracht des dunkelen Haares auf; accurat so hatte mein Vater einen
-Onyx, auf dem sich eine herrliche Camee der Julia, der Tochter des
-Kaisers August befand; mit kindischer Neugierde fragte ich ihn, ob das
-die Kaisertochter Julia sey; aber, als ich das schwarze brennende Auge
-sah, und die Purpurlippen und das Lächeln in den Mundwinkeln, da meinte
-ich, es sey wohl meine selige Mutter, denn so hatte Manuel mir sie oft
-beschrieben, der sie gesehen, als sie mit dem Vater eben aus Europa
-gekommen war.</p>
-
-<p>Sie sollte es seyn, entgegnete mein Vater, und betrachtete das Bild
-lange mit thränenschwerem Auge, und drückte es an seine, in leisen
-Todesschauern zuckenden Lippen. Seitdem habe ich das Bild nie wieder
-gesehen, ich weiß auch nicht, wohin es nach dem Tode des Vaters kam,
-aber die sanften Züge dieses himmlischen Gesichts, waren mir geblieben;
-allmählich war die Idee an die wunderschöne Kaisertochter und an die
-Mutter, aus meiner Seele geschwunden, und an beider Stelle ein Wesen
-mir vor die Phantasie getreten, das meine Heilige ward. Ich sah es in
-meinen Träumen,<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span> ich liebte es als meinen Schutzgeist, bis ich nach und
-nach älter ward, und dieß Nebelbild meiner jugendlichen Schwärmereien
-allmählich aus dem Gedächtnisse verlor. Aber als ich hier Hulda das
-erste Mal sah, das schwarzbraune Haar in Flechten und Locken wie die
-Camee der römischen Kaisertochter; die seelenvollen großen Augen unter
-den schön geschweiften Bogen; die würzigen Lippen; den Carmin auf der
-pfirsichsammetnen Wange, den zartgeformten Hals; die volle, in frommer
-Keuschheit ruhig wogende Schwanenbrust, und über das alles den Geist
-der höchsten Anmuth, den Himmelsglanz der reinsten Unschuld, den
-unnennbaren Zauber der süßesten Liebe, da hatte ich meinen Schutzgeist,
-die Heilige meiner Jugend wiedergefunden. Sie oder keine! hat mein Herz
-laut gesprochen. Jetzt wißt Ihr, meine Freunde, wie es mit mir steht!
-helft mir, mein Glück mit erringen. Ohne Hulda kann ich nicht leben.</p>
-
-<p>Der Bräutigam schloß Alonso herzlich an seine Brust, und stimmte in
-Gustchens Versicherung ein, daß, so viel sie wüßten, Hulda’s Herz
-noch frei sey, und &mdash; doch sie trat mit Emma, Gustchens Schwester,
-eben selbst in<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span> das Kabinet. Beide Mädchen hatten das Brautpaar in
-allen Zimmern gesucht, und Hulda war nicht wenig überrascht, dasselbe
-in tiefem und wie es schien, in recht ernstem Gespräch mit Alonso
-verloren, hier zu finden.</p>
-
-<p>Wir sprechen von Ihnen, hob Alonso an und erfaßte ihre Hand, und machte
-ein so feierliches Gesicht dazu, daß Gustchen angst und bange wurde,
-denn sie meinte, er würde gleich auf dem Fleck um Hulda förmlich
-anhalten. Bei Unterhaltungen dieser Art war, nach ihrer Ansicht, jeder
-Zeuge lästig; sie entfernte sich also mit ihrem Bräutigam und Emma
-heimlich, und Alonso wußte dieß ihr Dank, denn er mußte seinem Herzen
-Luft machen, und Hulda sagen, wie unendlich er sie liebe.</p>
-
-<p>Hulda hörte ihm mit stillem Wohlgefallen zu; er sprach mit sanfter,
-ernster Rede, wie es dem Manne ziemt, wenn er das heilige Geheimniß
-seines Herzens dem Mädchen gesteht, das er sich zur Lebensgefährtinn
-erkohr. Sie wußte selbst nicht, wie ihr geschah; sie hörte das
-Geständniß seiner Liebe mit einer Fassung, als wäre sie darauf
-vorbereitet. &mdash; Sie war es ja auch wirklich; sein Benehmen, seine
-Blicke<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span> hatten ihr ja längst gesagt, was jetzt seine Lippen mit so
-reizender Schüchternheit wiederholten. Er setzte ihr mit der Offenheit,
-die er ihr als rechtlicher Mann schuldig war, die Lage seiner Umstände
-aus einander, und aus seinen schlichten Aeußerungen über diesen Punkt,
-der ihr, einzig und allein um der Eltern willen, der Berücksichtigung
-nicht unwerth zu seyn schien, konnte sie wohl abnehmen, daß Alonso, in
-seinem Vaterlande, in welchem Personen von zehn und zwölf Millionen
-Piastern<a name="FNAnker_27_27" id="FNAnker_27_27"></a><a href="#Fussnote_27_27" class="fnanchor">[27]</a> nichts Seltenes sind, nicht der Aermste war, und einen
-ganz vorzüglichen Werth legte sie auf den Schluß seines Antrages, in
-welchem er sich erbot, seinen Wohnsitz, wenn es ihr in Mexico nicht
-gefallen sollte, künftig nach Europa, an jeden ihr beliebigen Ort
-verlegen zu wollen. An ihrer Seite, meine Hulda, setzte er herzlich
-und mit unbeschreiblicher Zartheit hinzu: werde ich in den milden
-Bambuswäldern von Loxa, wie in den wüsten Steppen des goldreichen
-Choco, in den ewig sanften Frühlingsländern von Xaleppa und Tasco, wie
-zwischen den grauenhaften tod<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span>tenstillen Eiswänden auf Smeerenborg an
-der Spitze des Nordpols, glücklich und zufrieden leben; Sie schaffen
-mir in der neuen, wie in der alten Welt, mein Paradies, und eben
-so wenig, als der Vulkan von Masaya, dessen goldige Flammensäule,
-beständig und immer, zwanzig Meilen weit in das Land leuchtet, seines
-Feuerstrahls je beraubt werden wird, eben so wenig wird die Gluth
-meiner Liebe je verl&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Herr Kapitain, unterbrach ihn Hulda mädchenhaft züchtig, und schlug den
-Zauberblick ihrer zärtlichen Augen, in welchen das Entzücken der Liebe
-lächelte, vor dem lodernden Liebesvulkan zur Erde nieder: Sie sehen
-mich heute zum ersten Mal; diese Raschheit &mdash; ich weiß nicht&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Entschuldigen Sie diese, hob Alonso bittend an, und legte ihre Hand auf
-sein stürmisch bewegtes Herz: mit der heißen Zone meines Geburtlandes;
-dort, wo die Ananas und der Pisang, das Zuckerrohr und die Fächerpalme,
-die Sie hier nur mit Glasfenstern und Oefen treiben, wild wachsen, wo
-alle, auch hier heimische Früchte, saftreicher und frischer gedeihen,
-wo manches, wie z. B. die Mimosen, die Sie<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span> hier im Blumentopfe als
-ärmliches Pflänzchen ziehen, mannhohes Buschwerk ist, wo die Tannen,
-wie z. B. auf dem Olymp in Neugeorgien, eine Höhe von dreihundert
-Fuß erreichen, dort sind auch die Menschen anders; ihre Leidenschaft
-ist glühender, ihr Handeln rascher, ihr Wirken kräftiger. Langes
-Zaudern, wie es das Ceremonielle der europäischen Sitte verlangen
-mag, verstattet mir meine Lage nicht. Schlagen Sie ein, meine einzige
-Hulda; mein Herz ist gediegen und schlackenfrei, wie das Gold im
-Berge <em class="gesperrt">Ilimani</em>,<a name="FNAnker_28_28" id="FNAnker_28_28"></a><a href="#Fussnote_28_28" class="fnanchor">[28]</a> krystallrein meine Seele, gesund und frisch
-mein Blut; Gott sey mein Zeuge, daß ich Keine liebe, als nur Sie; die
-allererste Liebe, Hulda, Himmelskind, sind Sie, und neben Ihnen kann
-ich Keine denken.</p>
-
-<p>Er umschlang das wunderschöne Mädchen, das in süßer Verwirrung sich
-vergaß und, ohne es zu wissen, das schmachtende Auge zu ihm aufhob,
-und ihm, mit beredtem Blicke, seine Gegenliebe schweigend gestand; da
-zog der Ueberglückliche die Heißgeliebte enger an die, in Freude<span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span> und
-Seligkeit überströmende Brust, und die stummen Lippen näherten sich
-einander zum feierlichen Verlobung-K&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Aber Kinder, rief der Bräutigam, und klatschte lachend in die Hände,
-daß Beide auseinander prallten: der ganze Ball fragt nach dem Herrn
-Mexicaner und nach Ihnen, meine Hulda, und unterdessen steht Ihr hier,
-am fernsten Ende des Hauses, und raspelt mit einander Süßholz! Ja, wenn
-man heut zu Tage das junge Volk nur eine Minute aus den Augen läßt!
-Geben Sie mir den Arm, Hulda, und Sie, Capitain, folgen in einer Weile
-nach.</p>
-
-<p>Hulda ging willenlos, und ihrer selbst sich unbewußt, neben dem
-Bräutigam her, denn sie war in diesem Augenblick mehr in Neuspanien,
-als auf dem Balle; Alonso aber stand eine lange Weile noch, in
-lautloser Verzückung in dem Cabinet, faltete die Hände hoch in die Luft
-hinaus, und rief endlich, als hätte es ihm bis dahin an Athem gefehlt:
-Hulda! Dein! mit treuer Liebe bis zum Tode, Dein.</p>
-
-<p>Hulda hatte unterdessen zur Francaise antreten müssen; aber mit dem
-Tanzen ging es<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span> heute platterdings nicht; sie machte nichts als lauter
-Unordnung im ganzen Quarree, denn er stand ja da in dem Fensterbogen
-des Saales, mit verschränkten Armen, und starrte bald nach ihr herüber,
-bald sah er durch die schwitzenden Scheiben hinauf zu den Sternen.
-Droben waren Vater und Mutter. Beide hatte er kaum recht gekannt, aber
-es war ihm, als müsse er heute mit ihnen sprechen, ihnen sein Glück
-erzählen, und Sie um ihren Segen bitten.</p>
-
-<p>Ein bildschöner Abend, sagte Hafencapitains Lina, die schon lange
-die Gelegenheit abgepaßt hatte, mit dem crösusreichen Capitain,
-das Gespräch anzuknüpfen, näherte sich ihm mit einer leichten
-Verbeugung, warf das Auge in den flimmernden Sternenhimmel, streifte
-auf dem Rückwege auf die arme Erdenwelt, mit ihren Blicken an dem
-reizenden Fremdling vorüber, und drückte die dürre Brust aus dem
-kaffeegelben brabanter Kantenbesatz ihres heidnisch zusammengeschnürten
-Ballleibchens möglichst heraus.</p>
-
-<p>Bildschön, bildschön! entgegnete er, noch in tiefen Gedanken, und
-beantwortete ihre entgegenkommende Verbeugung mit einem kurzen
-Bückling.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span></p>
-
-<p>Bei Ihnen zu Hause, fuhr sie fort, und fand den jungen Piaster-Adonis,
-den sie bisher immer nur von ferne gesehen hatte, im Geheimen ganz
-unaussprechlich liebenswürdig: ist es dort jetzt Tag oder Nacht?</p>
-
-<p>Stockfinster, stockfinster, antwortete Alonso, ohne zu wissen, was er
-sprach, denn er hatte in die Sterne am Himmel, und in die der Augen
-seines Engels drüben in der Francaise gesehen, und sie hatten ihm
-freundlich geleuchtet.</p>
-
-<p>Des Hafencapitains eitles Töchterchen vermeinte, in seiner
-Kurzsylbigkeit ein stummes Zeichen seiner Huldigung zu finden; ihr
-Liebesreiz hatte den blöden Schäfer befangen gemacht, er hatte vor
-Entzücken die Sprache verloren; ich habe mir, hob sie, um das Gespräch
-weiter zu führen, und nach und nach die unsichtbaren Fesseln zu lösen,
-in die ihn ihr zartes Entgegenkommen geschlagen hatte, traulich an: ich
-habe mir dort alle Menschen schwarz gedacht; indessen&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Pechschwarz, pechschwarz! fiel er ihr in das Wort, und ging aus dem
-Fenster, als triebe ihn die Unleidliche von dannen; sie aber sah ihm
-zärtlich lächelnd nach; zehnmal wiederholte<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> sie sich sein bildschön,
-stockfinster, und pechschwarz; mehr, als die drei Worte hatte sie von
-ihm nicht gehört; aber sie hallten in ihrem girrenden Taubenherzen
-wieder, als hätte sie ein Seraph zu ihr gesprochen.</p>
-
-<p>Allen ihren Bekanntinnen erzählte sie, was der Mexikaner für ein ganz
-allerliebster Mensch sey; ihr guter Geist müsse ihr gerathen haben, die
-Francaise nicht mit zu tanzen; sie habe unterdessen eine Unterhaltung
-mit dem Manne gehabt, die ihr tausendmal lieber gewesen sey, als
-zehn Cottillons und alle Francaisen der Welt. Hulda, deren Tanz eben
-beendigt war, stand in der Nähe und hörte jedes Wort.</p>
-
-<p>Ein Glück war, setzte Lina mit recht feiner Koketterie hinzu: daß uns
-Niemand behorchte, denn der Mensch hat die Gabe, einem so niedliche
-Schmeicheleien zu sagen, daß man wahrhaftig recht bescheiden seyn muß,
-um nicht ein Bischen sehr eitel zu werden.</p>
-
-<p>Was sprach er denn von pechschwarz? fragte des reichen Rheders
-goldgelockte Tochter Alma, die in ihrem Quarree, dem Fenster zunächst
-gestanden hatte.</p>
-
-<p>Was mußt Du für Oehrchen haben, erwie<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span>derte Lina mit sichtbarer Freude,
-von ihm länger reden zu können. Wir sprachen von den Mexikanerinnen; er
-lobte ihr schwarzes, seidenes Haar, aber solch pechrabenschwarzes, wie
-das meine, betheuerte er, in ganz Südamerika nicht gefunden zu haben;
-er bestand darauf, daß ich ihm eine Locke mitgeben sollte, &mdash; da kann
-der gute Freund aber lange warten.</p>
-
-<p>Nun, und was war denn das mit dem stockfinster, fragte Alma weiter
-und die umstehenden Mädchen stießen sich heimlich mit den Elnbogen
-und ergötzten sich an des einfältigen Dinges ihnen längst bekanntem
-unerträglichem Dünkel; Hulda aber fühlte, wie die bitterste Galle sich
-auf die Frühlingssaat ihrer Liebe ergoß, und die frischen Keime alle,
-wie Mehlthau, vergiftete.</p>
-
-<p>Nein, auch das hast Du gehört, sagte staunend Lina, und lachte: ei,
-das war nichts, als dummes verrücktes Zeug; ich lobte nämlich die
-Beleuchtung des Saals, und sagte, bei ihm, unterm Aequator könnte es in
-der Mittagsstunde nicht heller seyn; da meinte er aber, und legte die
-Hand sich auf das Herz, ihm sey alles stockfinster gewesen, bis ich in
-den<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span> Saal getreten; da habe ich ihm aber gut darauf gedient. Ich sage
-Euch, er kann einem Dinge weiß machen, man traut seinen eigenen Ohren
-nicht mehr. Aber liebste Alma, weiter hast Du doch nichts gehört?</p>
-
-<p>Von bildschön war noch die Rede, versetzte diese, und wollte weiter
-reden, aber Linchen hielt ihr den kleinen Schelmenmund zu, und rief:
-nein das ist abscheulich von Dir; aber warte nur, ich will mich bei
-Dir auch einmal auf’s Horchen legen, und dann alles ausplaudern, ohne
-Schonung. Ich konnte ja nichts dafür, wenn Du Achtung gegeben hast,
-so wirst Du gesehen haben, wie er mir auf allen Schritten und Tritten
-nachging, und mich wie ein Schatten verfolgte, bis ich da, wo Du
-tanztest, an das Fenster kam; da konnte ich vor vier, fünf Herren, die
-dort standen, nicht weiter, und fing an zu sprechen, und&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Platz da, Platz da! erscholl es im Saale, und ein auf des Sturmwindes
-brausenden Flügeln heranwalzendes Paar schob Linchen, des Teufels
-Lügenkind, meuchlings auf die Seite, und sprengte das kleine, um sie
-versammelte Auditorium aus einander; Hulda wendete sich,<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span> sagte,
-im ganzen Gesicht kreideweiß und den zerreissendsten Krampf in der
-gequälten Brust, halb laut vor sich hin: das ist abscheulich! und stand
-vor Alonso, der sie zum Walzer aufforderte.</p>
-
-<p>Was ist abscheulich, fragte Alonso freundlich, und wollte sich mit ihr
-in die Reihe der Tanzpaare stellen; sie aber wand sich aus seinem Arme,
-gab eine sie schnell anwandelnde Unpäßlichkeit vor, und eilte in das
-nächste Seitenzimmer.</p>
-
-<p>Alonso folgte ihr, doch sie bat ihn, sie allein zu lassen, so dringend,
-daß er, in der Voraussetzung, weiblicher Hülfe zu bedürfen, zu Gustchen
-eilte, und diese ersuchte, ihr Beistand zu leisten.</p>
-
-<p>Gustchen fand sie in Thränen; auf alle Fragen, was ihr fehle, erhielt
-die Bereitwillige keine Antwort, und als Gustchen erzählte, mit welcher
-Todesangst Alonso sie aufsuchte und wie ängstlich Händeringend er bat,
-ihr auf das Schleunigste beizuspringen, erwiederte sie schneidend kurz:
-nichts von ihm, ich bitte Dich, um Gotteswillen, nie wieder ein Wort
-von ihm; laß mir meinen Wagen holen, ich kann nicht bleiben.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span></p>
-
-<p>Aber sage Mädchen, begann Gustchen theilnehmend: was hast Du, was ist
-Dir?</p>
-
-<p>Morgen, erwiederte bittend Hulda, und zitterte am ganzen Körper: morgen
-will ich Dir alles erzählen; jetzt nur den Wagen.</p>
-
-<p>Gustchen schüttelte bedenklich den Kopf; das Mädchen war vorhin, wie
-sie kam, leichenbleich gewesen, jetzt brannte ihm dunkele Röthe auf
-Stirn, Wange und Brust; es weinte schluchzend, und das Blut jagte ihm
-mit solch’ tobendem Rasen durch alle Pulse, daß der Busen fieberhaft
-schnell auf- und abwogte.</p>
-
-<p>Gustchen ging, und Hulda sank auf das Sopha, und gab sich ihrem
-Schmerze mit kindischer Schwäche hin.</p>
-
-<p>Du bist nicht wohl, höre ich, fragte sie Alma, und legte ihr sorglich
-die Hand auf die brennende Stirn; Hulda aber that sich Gewalt an, sich
-vor ihr zu verbergen, und versicherte, ihr kleiner Unfall habe nicht
-viel auf sich, und werde hoffentlich bald vorübergehen; was sagst
-Du, hob Alma, um die Leidende ein wenig zu zerstreuen, lachend an:
-was sagst Du zu der göttlichen Geschichte mit dem alten Dinge, der
-Caroline? sieh, ich stand drei Schritte von<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> ihr, und habe jede Sylbe
-gehört; an dem ganzen Auftritte ist doch kein wahres Wort; das Mädchen
-kann lügen, wie gedruckt.</p>
-
-<p>Hulda horchte hoch auf, und Gustchen kam zurück, und berichtete, daß
-der Wagen bestellt sey.</p>
-
-<p>Sie &mdash; fuhr Alma unbefangen fort, und ahnte nicht, welchen heilenden
-Balsam sie auf die blutenden Wunden in Hulda’s zerrissenem Herzen
-legte: <em class="gesperrt">sie</em> kam auf ihn zu! <em class="gesperrt">sie</em> drängte sich an ihn heran;
-<em class="gesperrt">sie</em> knüpfte die Unterhaltung an! und er, Gott weiß, was ihm im
-Kopfe stecken mochte, er hörte gar nicht auf sie, er antwortete, ohne
-sie anzusehen, kurz und einsylbig, und ließ sie, da sie ihm anfing
-unerträglich zu werden, im Fensterbogen stehen.</p>
-
-<p>Und die Locke? fragte Hulda, wie aus bösem Traume erwachend, und die
-Wolkenschleier, die ihren Blick trübten, verschwanden und das Auge
-glänzte wieder, wie die Sonne nach schwerem überstandenem Gewitter.</p>
-
-<p>Der Mensch hat nicht daran gedacht, entgegnete Alma: ich sage Dir
-ja, die Caroline hat uns da, in aller Geschwindigkeit, eine Komödie
-vorgelogen, an der auch nicht ein einziges&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span></p>
-
-<p>Wieder besser? fragte Alonso zärtlich besorgt und steckte den braunen
-Lockenkopf zur Thür herein, und in Hulda’s freundlichem Lächeln lag die
-Versicherung ihrer völligen Genesung; sie hatte ihm ungeheuer Unrecht
-gethan, und mußte das schon ein Bischen wieder gut machen; sie bot
-ihm die zarte weiche Hand, und &mdash; der Mensch ist seiner nicht immer
-mächtig &mdash; und drückte seine Rechte zum Dank für seine Theilnahme recht
-herzlich; dieser sanfte Druck, so unmerklich er auch seyn mochte,
-schlug in das südamerikanische glühende Blut so allmächtig ein,
-daß Alonso, überglücklich, Hulda’s Händchen mit leidenschaftlicher
-Heftigkeit an seine Lippen zog, und komisch naiv versicherte, daß er
-ihrer Unpäßlichkeit noch recht viele kleine Rückfälle wünsche; denn
-Krankheiten dieser Symptome machten sie unendlich liebenswürdig. Der
-schuldlose Mensch! hätte er nur ihre Krankheit gekannt!</p>
-
-<p>Der Bediente, der jetzt meldete, daß der Wagen vorgefahren sey,
-setzte Hulda in unbeschreibliche Verlegenheit. Gustchen, das Alma’s
-Erzählung mit angehört, und sich aus dieser Hulda’s plötzliches
-Erkranken sattsam erklärt<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span> hatte, that, aus neckender Schadenfreude,
-der Gepreßten nicht den Gefallen, ihr zum Bleiben zuzureden. Alma aber,
-das schlaue Kind, das sich, die beiden Menschen einander gegenüber,
-Hulda’s schnelles Uebelbefinden, die Heilkraft ihrer Erzählung, und
-Hulda’s Freundlichkeit gegen Alonso, in der eine förmliche Abbitte
-für begangenes schweres Unrecht lag, mit mathematischer Gewißheit aus
-einandersetzte, sagte zum Bedienten mit einem launigen Seitenblick auf
-Hulda: wir sind jetzt wieder besser, der Wagen kann abbestellt werden.
-Gott gebe, setzte die Scharfsichtige, als der Bediente abgetreten war,
-hinzu, und sah dabei recht drohend aus: Gott gebe, daß wir auf immer
-kurirt sind.</p>
-
-<p>Gustchen lachte laut auf, und klatschte vor Freude über Alma’s tiefen
-Blick in die Hände; Hulda aber sagte, halb böse: das ist nicht hübsch
-von Euch; sie legte das erglühende Gesichtchen auf Alma’s Achsel, denn
-sie schämte sich vor den beiden Mädchen, denen die Geschichte der
-viertelstündigen Krankheit und Genesung das Geheimniß ihrer unendlichen
-Liebe, so wie die Gewalt der Eifersucht über ihr armes Herz, verrathen
-hatte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span></p>
-
-<p>Mein liebreizendes Mädchen, flisterte ihr Alma, die Purpurwange
-streichelnd, heimlich in das Ohr: zieh hin in Frieden, und hüte Dich
-vor solchem Krankwerden. Dein Mexikaner ist entsetzlich hübsch, dem
-kann kein Mädchen gram seyn; wehrst Du der Eifersucht nicht, so stirbst
-Du in den ersten acht Tagen nach der Hochzeit.</p>
-
-<p>Haben Sie Anfälle der Art schon öfter gehabt? fragte Alonso mit
-gutmüthiger Besorglichkeit. Alle drei Mädchen mußten ihm in das Gesicht
-lachen, und Alma versicherte, daß dieß der guten Hulda zum ersten
-Male in ihrem Leben widerfahren sey; dießmal habe sie die arme Kranke
-geheilt, hinsichtlich der Zukunft aber hänge es vorzüglich von ihm ab,
-ob sich der Anlaß zu öfteren Rückfällen zeigen werde.</p>
-
-<p>Aber Alma, rief Hulda verlegen und unwillig, und eilte, um den
-Neckereien der beiden heillosen Mädchen zu entkommen, in den Saal;
-Alonso, dem dieß alles Hieroglyphen waren, fragte Gustchen scherzend,
-ob er verrathen oder verkauft sey, und diese entgegnete ihm mit
-schäkerndem Muthwillen: verrathen <em class="gesperrt">und</em> verkauft.</p>
-
-<p>Ein kurzer Trompetenschmetter rief zur langen Tafel. Alonso, dem dieses
-europäische Spei<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span>sesignal fremd war, fragte Alma nach der Bedeutung
-desselben, und während ihm diese erklärte, daß der Trompetenschall für
-jeden Herrn das Zeichen sey, der Dame, neben der er bei Tafel sitzen
-sollte, den Arm zu bieten, und sie in den Speisesaal zu führen, war
-Casperchen gekommen, und hatte der erschrockenen Hulda eröffnet, daß
-ihm das Glück zu Theil worden sey, für diesen Abend ihr Tischnachbar
-zu seyn; Alma, die im Gespräch mit Alonso, davon so wenig, als dieser
-selbst bemerkt hatte, ward von einem jungen Herrn abgeholt; Gustchen
-flog bereits mit ihrem Bräutigam der Tafel zu, und Alonso, der jetzt
-allein im Ballsaale stand, und sich in der süßen Hoffnung, neben Hulda
-zu sitzen, nach dieser umsah, bekam vor Unmuth fast eine Ohnmacht, als
-Hafen-Capitains unausstehliches Linchen auf ihn zueilte, sich Glück
-wünschte, vom umsichtigen Wirth des Hauses, einem so interessanten
-Manne, zur Tischnachbarinn bestimmt zu seyn, ihn um seinen Arm bat, und
-die Versicherung hinzufügte, daß sie sich über alle Maßen freue, recht
-viel von seinem Vaterlande zu hören, daß Neuspanien ihr Lieblingsland,
-und es, von ihrer frühesten Ju<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span>gend an, ihr höchster Wunsch sey, in
-jenen herrlichen Gefilden, wo Gold und Silber, wie hier zu Lande die
-Feldsteine, umher lägen, das Hüttchen ihres häuslichen Friedens für
-immer zu bauen.</p>
-
-<p>Der häßliche Mischmasch mit den Tischplätzen war von Suschen und
-Linchen gekartet worden. Caspar hatte, nach Gustchens Anordnung neben
-letzterer, und Alonso, wie sich von selbst verstand, neben Hulda sitzen
-sollen. Casperchen aber erklärte seiner Schwester, daß, wenn er nicht
-neben Hulda zu sitzen komme, er gleich nach Hause fahre, und Linchen
-steckte Suschen, der junge Mexikaner habe sich recht bitterlich bei ihr
-beklagt, beim Tische ihre Nachbarschaft einzubüßen, und so hatte denn
-Maklers Suschen den Wechsel der Plätze eigenmächtig veranstaltet, und
-freute sich, dem Bruder der Freundinn und dem armen Capitain geholfen
-zu haben; auch Hulda, meinte sie, werde ihr heimlich Dank wissen,
-denn was konnte ihr an dem Amerikaner liegen, der in wenigen Tagen,
-vielleicht auf ewig, wieder in See stach, statt daß Casperchen sich
-mit seinem in London ihm zugeströmten Gelde hier niederließ, und nach
-dem, zwischen den beiden Müt<span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span>tern längst verabredeten, der armen Hulda
-aber noch nicht bekannten Plane, dieser ehestens seine Hand zu bieten
-bestimmt war.</p>
-
-<p>Hulda aß, vor Unmuth über den unwillkommenen Nachbar, an dessen Stelle
-sie sich einen ganz andern gedacht hatte, keinen Bissen, und sprach
-kein Wort. Casperchen erzählte ihr von London, von seinen Geschäften
-und von seinem Gelde, lobte ihre schöne, weiße Haut und ihr Fleisch,
-und versicherte recht spaßhafter Weise, daß eine Brittinn, mit der
-er eine kleine vorübergehende Liebschaft gehabt habe, ihr ähnlich
-sehe, wie eine Schwester der andern, ließ nicht undeutlich fallen,
-daß er, des Herumschwärmens müde, nunmehr in den Stand der heiligen
-Ehe zu treten, nicht übel Willens sey, daß er, wie er sich recht zart
-ausdrückte, glaube, seine Hörner abgelaufen zu haben, und nun eine Frau
-suche, die sich in der Welt zu zeigen wisse, ihn seinen Gang gehen
-lasse, und dabei so hübsch sey, daß sich alle Leute wundern müßten, wie
-er zu der schönen Frau kam.</p>
-
-<p>Hulda hörte von dem unerträglichen Gespräche keine Sylbe; sie sah
-links weg; schräg über, weit unten am Ende der fast unabsehbaren
-langen<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> Tafel, saß Alonso; er aß und trank, als sollte er von morgen
-an, zeitlebens auf der Hungerinsel Kodiak hausen; man sah es ihm an,
-er aß und trank nur aus Verdruß. Der zudringlichen Karoline, die
-ihn mit tausend Fragen peinigte, antwortete er nur mit Kopfnicken
-oder Schütteln, denn sprechen konnte er nicht, weil er beständig
-entweder volle Backen, oder das Glas am Munde hatte. So ärgerlich
-Hulda auch war, sie mußte doch über ihn lachen; je zärtlicher ihm
-Karoline zusetzte, desto größere Bissen steckte er sich in den Mund;
-je deutlicher die Ausbrüche ihres Liebesdranges wurden, in desto
-längeren Zügen schlürfte er seinen Wein, so daß, als sie alle Register
-vergeblich gezogen hatte, und er auf alles nichts, oder höchstens ein
-kurzes hm, erwiederte, sie eher neben einem Kannibalen, als neben einem
-Neuspanier zu sitzen wähnte.</p>
-
-<p>Jetzt kam &mdash; der Spaßvogel, der Herr Oberkonstabler hatte die witzige
-Gesundheit:</p>
-
-<div class="poetry-container s5">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse">Es lebe, wer gern trinkt und liebt,</div>
- <div class="verse">Und seiner Nachbarinn ein Küßchen giebt</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-<p class="p0">ausgebracht, &mdash; die Reihe an Alonso. Linchen machte die Schalkhafte;
-sie breitete die Serviette,<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span> wie einen Vorhang, zwischen sich und ihm,
-und versteckte sich schäkernd dahinter, den Sturm des liebeglühenden
-Amerikaners mit Verlangen erwartend. Alonso aber that, als habe er von
-der ganzen Gesundheit keine Sylbe gehört, und als Linchen des längern
-Harrens müde, den zärtlichen Schelmenblick über den obern Rand ihres
-Keuschheitserviettchens warf, saß er ganz ruhig und bearbeitete die
-gutgespickte Brust eines feisten Fasans, mit unendlichem Appetite; die
-Umsitzenden lachten laut, und Linchen schmollte mit dem mexikanischen
-Klotze, wie sie ihn nun nannte, von Grund des Herzens.</p>
-
-<p>Gustchen, das am ganz entgegengesetzten Ende der Tafel saß, und in
-der Meinung stand, Alonso und Hulda im traulichsten Gespräch zusammen
-zu finden, erstaunte, als sie jetzt an des Bräutigams Arm die Runde
-machte, um mit den Gästen ihres Vaters ein freundliches Tischwort zu
-wechseln, nicht wenig, Freund Alonso hier neben Hafencapitains Linchen,
-und drüben schräg über, Hulda neben Casperchen zu finden. Sie fragte
-Alonso heimlich, was ihn bewog, seinen Platz, den sie ihm neben Hulda
-bestimmte, zu wechseln; dieser aber, da er hörte, daß ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> sein Recht,
-durch die Eigenmächtigkeit eines Dritten, gekürzt wurde, sprang auf,
-eilte, mit zornfunkelnder Röthe im ganzen Gesichte, zu Casperchen,
-tippte ihm so kräftig auf die Achseln, daß dieser noch acht Tage daran
-zu fühlen hatte, und ersuchte ihn, augenblicklich aufzustehen, und
-ihm Platz zu machen. Hulda zitterte vor Schreck am ganzen Körper,
-Casperchen aber sah sich um, affektirte den Unbefangenen, und that, als
-verstände er die sonderbare Zumuthung nicht.</p>
-
-<p>Herr, sagte Alonso, seiner Wuth fast nicht mehr Meister: ich breche
-Ihnen hier auf dem Fleck Ihre kranken morschen Knochen in einander,
-wenn Sie mir nicht den Augenblick meinen Platz räumen. Zaudern Sie nur
-eine Sekunde, so trete ich Ihnen das Lebenslicht mit den Beinen aus.
-Er blickte ihm dabei so grimmig in die Augen, und griff ihm in das
-mürbe Schulterblatt, auf dem zufällig seine Hand lag, so gräßlich, daß
-Casperchen wohl abnahm, wie mit dieser Riesenkraft nicht zu spaßen sey.</p>
-
-<p>Um kein Aufsehen zu machen! entgegnete Casperchen, und die Lippen
-flogen ihm, daß er kaum reden, und die Kniee schlotterten ihm, daß
-er kaum gehen konnte; und so schlich er, hinter<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span> der Tafel, die ihn
-fast laut bespöttelte, zur böslicher Weise verlassenen Lina, die das
-erbärmliche Surrogat ihres verlornen Mexikaners kaum eines Blickes
-würdigte.</p>
-
-<p>Was haben Sie gemacht? fragte Hulda den siegreichen Alonso, mit
-verhaltenem Unwillen. Die ganze Gesellschaft sieht mit zweideutigem
-Blick auf mich; ich sitze wie am Pranger, und morgen bin ich das
-Gespräch aller Zirkel in der ganzen Stadt.</p>
-
-<p>Was ich gemacht habe? erwiederte Alonso, bis zum Muthwillen fröhlich
-&mdash; mir mein Recht bewahrt, und das ist jedes Ehrenmannes Pflicht. So
-lange ich glaubte, daß der Wirth des Hauses mich da hinüber neben die
-Schmachtlampe bestimmt hatte, so lange mußte ich, als Gast, seine
-getroffene Einrichtung ehren; sobald aber Gustchen mir sagte, daß mir
-Unrecht geschah, sobald mußte der Patron, der mir schon vom ersten
-Eintritt in die Gesellschaft, wie Brechpulver war, wieder herausgeben,
-was er mir raubte; und hätte es mir, oder ihm, auf der Stelle das
-Leben kosten sollen, ich wäre nicht gewichen. Der Seelenverkäufer hat
-mir eine Stunde gestohlen, die mir mit dem ganzen Lumpenleben dieses
-Lur<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span>rendrehers<a name="FNAnker_29_29" id="FNAnker_29_29"></a><a href="#Fussnote_29_29" class="fnanchor">[29]</a> nicht ersetzt werden kann &mdash; und was die Stadt
-anbelangt, die lassen Sie sprechen, was sie will; sie soll hoffentlich
-noch mehr von uns zu erzählen bekommen; glauben Sie, die meisten
-Menschen, selbst in den Zirkeln der höheren Stände, die wir für die
-geistreichern halten sollen, wüßten oft gar nichts zu reden, wenn sie
-nicht über die Leute sprechen dürften. Die Stadt wird uns ordentlich
-verbindlich seyn, wenn wir ihr einmal etwas zu reden geben. &mdash; Hulda,
-setzte er ernster werdend hinzu: meine einzige, liebe Hulda, reichen
-Sie mir Ihre Hand, ich bringe Ihre Gesundheit aus, und die ganze Stadt
-weiß alsdann, woran sie ist.&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Hulda verging fast vor Todesangst, denn er griff schon zum Glase, und
-wollte sich vom Stuhle erheben.</p>
-
-<p>Stürmisches Ungethüm, sagte sie, und wollte böse seyn, und konnte
-doch nicht auf ihn grollen; aber mit Wort und Blick bat sie auf
-das dringendste, sie nicht in diese entsetzliche Verlegenheit zu
-setzen. Sie haben vorhin Ihrer Eltern erwähnt,<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> fügte sie, mit
-niedergeschlagenen Augen hinzu, denn sie fühlte, daß das, was sie sagen
-wollte, mehr, als ein halbes Jawort war, aber der Dränger &mdash; preßte er
-es ihr nicht durch den kecken Vorsatz ab, ihre und seine Gesundheit,
-als Braut und Bräutigam, ausbringen zu wollen? Mußte sie, um ihn davon
-abzuhalten, nicht zum letzten Mittel greifen? Sie haben vorhin Ihrer
-Eltern erwähnt; was würden die meinigen von Ihnen halten müssen, wenn
-Sie hier, ohne ihnen ein Wort gegönnt zu haben&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Darf ich kommen? wann? morgen früh? wie viel Uhr? fiel er ihr in die
-Rede, und küßte, vor Freude halb unsinnig, ihr die Hand bald wund.</p>
-
-<p>Aber Alonso, sagte flehentlich die vom ganzen Umkreise mit Lorgnetten
-und Brillen Beliebäugelte: die ganze Gesellschaft sieht ja auf uns; wir
-sind ja nicht allein!</p>
-
-<p>Wollte doch Gott, erwiederte er lachend: wir säßen auf den berüchtigten
-Inseln zwischen dem Nordcap Tschalaginskoi und Siberien; die sind von
-Rhinoceros- und Elephantenknochen zusammen gefroren; auf denen wohnt
-kein Mensch; dort sähe uns Niemand!</p>
-
-<p>Hulda wollte sich dieses paradisische Eldorado<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span> verbitten, aber eben
-kam Gustchen, und meldete ihr den Wunsch des Vaters, baldigst zu Hause
-zu kommen, weil die Mutter wieder recht krank sey. Sie stand daher
-eilig auf, bat, vorfahren zu lassen, und hörte, von der unerwarteten
-Nachricht erschüttert, nur mit halbem Ohr, Alonso’s Bedauern, daß sie
-die Gesellschaft so zeitig verlasse, so wie seine wiederholte Frage,
-ob und wann er morgen früh kommen dürfe, und seine kaum gewagte Bitte,
-heute Abend noch, oder wenn dieß nicht möglich seyn sollte, wenigstens
-morgen ihrer Blumen auf dem Balkon zu gedenken. Er begleitete sie
-bis zum Wagen, und schien wohl auf einen Gutenachtkuß im Stillen
-gerechnet zu haben, aber, vor dem Kutscher und den zwei Bedienten mit
-Windlichtern und Fackeln, hatte der Schüchterne doch nicht den Muth,
-sich vielleicht einer abschlägigen Weisung auszusetzen.</p>
-
-<p>Was sollte er jetzt noch in der Gesellschaft! er flüchtete in seine
-stille Kajüte, und blickte, von Zeit zu Zeit, mit der stillen
-Sehnsucht glühender Liebe, nach dem Balkon hinauf, aber es ward tiefe
-Mitternacht, und Hulda blieb aus.</p>
-
-<p>Die Kindespflicht fesselte sie an das Bette der<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span> leidenden Mutter, die
-wieder recht krank gewesen war, jetzt aber ein wenig mehr Ruhe bekam,
-und nach einer Weile einschlummerte.</p>
-
-<p>Der Vater winkte dem Mädchen in das Nebenzimmer.</p>
-
-<p>Wie ist es gekommen, fragte Hulda ängstlich, daß Mutterchen so
-plötzlich wieder erkrankt ist? sie befand sich heute Mittag so wohl!
-hätte ich den Rückfall nur ahnen können, ich hätte ja keinen Fuß aus
-dem Hause gesetzt; ich mache mir jetzt ordentlich ein Gewissen daraus!</p>
-
-<p>Wie ist es gekommen, erwiederte der Vater verdrüßlich: Du warst kaum
-fort, so ließen sich Maklers melden; ich kann die scheinheiligen
-Menschen, die ewig und immer die Gottesfurcht im Munde und die
-unmenschlichste Kälte im Herzen haben, nicht leiden, und bat, daß sie
-ihnen absagen lasse; aber sie meinte, daß ihr recht wohl sey, daß sie
-sich nach Unterhaltung sehne, daß sie die Veranlassung des Besuches
-schon wisse, und sie daher nur kommen möchten. Ich ging, weil ich das
-frömmelnde Wesen der beiden Menschen nun einmal platterdings nicht
-ausstehen kann, auf die Ressource, und kam vor einer Stunde erst
-wieder. Da rief mich denn die Mut<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span>ter an das Bette, und machte mich,
-nach einer langen, weit ausgeholten Einleitung über die Nothwendigkeit,
-auf Dein zeitliches Glück nun mit Ernst bedacht zu seyn, mit dem ihr,
-diesen Nachmittag, eröffneten Antrage der Eltern bekannt, Dich ihrem
-Caspar zur Frau zu geben?</p>
-
-<p>Mich? &mdash; dem Caspar? fragte Hulda erbleicht.</p>
-
-<p>Mach’, was Du willst, fuhr der Vater fort: aber ich kann mir nicht
-denken, daß ein reines keusches Mädchen, wie Du, meine Hulda, mit dem
-ausgemergelten Menschen glücklich seyn kann. Ich habe ihn heute früh
-gesehen. Wie die leibhaftige Sünde sieht er aus, und dabei so brutal,
-so plump, so ungeschlacht! das soll englisch seyn! der Narr! Die
-Britten sind Ehrenleute, die auf feine Manier und Anstand, auf Sitte
-und Anspruchlosigkeit eben so streng halten, als wir. &mdash; Mein einziges
-Kind diesem entnervten Wüstlinge in die Arme zu legen! &mdash; nein, es wäre
-mir nicht möglich. &mdash; Ich entgegnete dieß der Mutter, aber sie bestand
-mit ungewohnter Festigkeit darauf; sie lobte die Eltern, als fromme
-christliche Leute, den Sohn als gewandten, mit Glücksgütern reich
-begabten Kaufmann; und das<span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span> Suschen, das einfältige Ding, das allen
-Menschen nach dem Munde redet, um sich bei allen einzuschmeicheln, als
-ein gefügiges liebenswürdiges Wesen, versicherte wiederholentlich, daß
-sie für Dich und uns kein größeres Glück kenne, als Dich in diesem
-Hause aufgehoben zu wissen, in welchem Religion und Tugend heimisch
-wären, und wo in einem Tage mehr und frömmer und andächtiger gebetet
-werde, als in der ganzen Stadt in einem Jahre, und bestürmte mich um
-meine Einwilligung in die Verbindung.</p>
-
-<p>Ich war bis dahin recht ruhig geblieben, und hatte mich möglichst
-zu fassen gesucht; als ich aber aus ihren Reden merkte, daß von
-Caspars Eltern, die, wie Du weißt, auf die Mutter von je an, einen
-unbegreiflichen Einfluß gehabt haben, diese Parthie schon seit
-längerer Zeit abgekartet war, und ich gewahrte, daß sie, ohne meinen
-Einwendungen vorhaltende Gründe entgegen zu setzen, auf ihrem Willen
-fest beharrte, mochte ich &mdash; es galt ja Dein ganzes Lebensglück, mein
-einzig liebes Kind &mdash; mochte ich wohl etwas zu heftig geworden seyn.
-Unser Zweisprach ward immer lebhafter, ich vergaß, daß die arme Mutter
-krank war, ich platzte mit dem, seit Jahren<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span> schon verhaltenem Grolle
-gegen das Schleichervolk, die Maklers, aus der Brust heraus, und das
-erschütterte dann die Mutter so, daß sie in die heftigsten Krämpfe
-verfiel, und ihr Zustand so bedenklich ward, daß ich Dich holen lassen
-mußte. Habe ich gefehlt, so mag mir Gott verzeihen, aber sprach ich
-nicht für Dich, wer sollte Deiner sich annehmen, und wo ist der Vater,
-der bei ruhigem Blute bleiben kann, wenn er sieht, daß sein Kind, sein
-einziges Kind, aus bloßem Vorurtheil, aus blinder Geistesbefangenheit,
-um das Heil seines ganzen Lebens hienieden gebracht werden soll. Jetzt
-geh, meine Tochter, und leg’ Dich nieder, und bete zu Gott, daß er der
-Mutter erkaltetes Herz erwärme, damit sie von Dir nicht fordere, was
-Deinen Vater in die Grube bringen würde; denn den Menschen an Deiner
-Seite als meinen Schwiegersohn, zu sehen, würde ich kein halbes Jahr
-überleben.</p>
-
-<p>Seyn Sie auf die Mutter nicht böse, mein Vater, hob Hulda an, und
-weinte kindlich fromme Thränen: sie meint es gut mit mir, und glaubt,
-mein Glück durch diese Verbindung zu begründen; wenn ich ihr aber
-sagen werde, daß ich den Menschen <em class="gesperrt">nie</em> lieben <em class="gesperrt">kann</em>, wird
-sie<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> sicher von dem Plane abstehen. Sie ist ja gut und verständig; ich
-will schon mit ihr reden, daß meine Worte Eingang finden sollen in ihr
-mütterliches Herz.</p>
-
-<p>Thue das, mein Kind, sagte der Vater: und leg Dich nun zur Ruhe, und
-bereite Dich zu morgen vor, daß Du gefaßt bist, und ihre Wünsche
-zurückweisen kannst, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit.</p>
-
-<p>Hulda legte sich wohl nieder, aber schlafen konnte sie nicht; die Augen
-fielen ihr vor Müdigkeit zwar hundertmal zu, aber sie schlug sie auch
-hundertmal wieder auf, denn bald umklammerte sie Caspar mit seinen
-langen dürren Armen, bald sah sie sich von einem Schlangenindianer
-an den Gewässern der Columbia verfolgt; bald lustwandelte sie mit
-Alonso am Meerbusen von Florida, umduftet von den hier wild wachsenden
-Orangen, im Schatten der breitblättrigen Banane und des zierlichen
-Bambusbusches; bald sprang das sanftmüthige flüchtige Thier, die
-Antelope, an den himmelhohen Basaltwänden des obern Missuri vor ihnen
-vorüber; &mdash; bald hörte sie seine sanfte Rede, und sah in das dunkele
-Veilchenblau seiner großen Augen und fühlte das Schwellen sei<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span>ner
-frischen Lippen auf ihrem rosigen Munde. Bald schwebte sie, umschlungen
-von seinem kräftigen Arm, und unter vollstimmiger Begleitung eines
-köstlichen Walzers, zum Ballsaal hinaus, über die blauen Berge am
-Kanhawa, über die goldgedeckten Tempel der Omegas im Innern von Guyana
-hin, bis zu den blumenreichen Küsten des stillen Meeres; &mdash; bald kamen
-wieder die Bilder am gestrigen Abendhimmel ihr vor die träumende
-Seele, und das lange hohe Kreuz und die drohende Mutter und die dürre
-Gestalt des Eskimos auf Labrador. &mdash; Da habe ich ja, sagte sie von der
-Stille der Mitternacht umdunkelt, leise zu sich selbst: da habe ich ja
-die Deutung jener Himmelsbilder! das Kreuz &mdash; ach es ist so schwarz
-und so schwer, und das Gesicht der Mutter so kalt und finster &mdash; und
-der entsetzliche Eskimo mit der grausenden Larve &mdash; weg, weg mit den
-schrecklichen Bildern &mdash; an ihn will ich denken, der so freundlich
-mit mir sprach, dessen Rede mir so wohl klang, dessen Seele so klar
-vor mir liegt, wie die Krystallquellen am Fuße der Luftvulkane<a name="FNAnker_30_30" id="FNAnker_30_30"></a><a href="#Fussnote_30_30" class="fnanchor">[30]</a>
-bei Turbako; in dessen Armen<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span> mir war, als stände ich kühl beschattet
-vom silberglänzenden Laubwerk des Riesenbaums.<a name="FNAnker_31_31" id="FNAnker_31_31"></a><a href="#Fussnote_31_31" class="fnanchor">[31]</a> &mdash; Aber, kann ich
-denn auch im Traume nicht aus dem verwünschten Amerika heraus, sagte
-sie jetzt völlig erwacht, und konnte nun nicht mehr schlafen, und
-wiederholte sich, vom Frühroth des ersten Morgengoldes im Bettchen
-freundlich begrüßt, alles, was er gesprochen, und hatte vor der
-heutigen Unterhaltung mit der Mutter keine Angst mehr, denn er wollte
-ja selbst kommen, und mit ihm hielt Casperchen keinen Vergleich aus;
-sah die Mutter auf zeitliches Gut, so wog der zwanzigste Theil von
-Alonsos Vermögen, den ganzen Caspar auf, und da Alonso erklärt hatte,
-daß die Wahl des künftigen Wohnorts lediglich von ihr abhängen solle;
-so verstand es sich, daß sie ihrem gestrigen Versprechen eingedenk, die
-Mutter nicht verlassen, sondern wenigstens so lange als diese lebe,
-hier bleiben werde, und somit war jede Schwierigkeit beseitiget.</p>
-
-<p>Armes, getäuschtes Mädchen!</p>
-
-<p>Beim Frühstück schon, trat die Mutter mit<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span> den Absichten hervor,
-die ihr Caspars Eltern gestern eröffnet hatten; sie erinnerte Hulda
-an deren gegebenes Versprechen, sich nicht außerhalb des Orts zu
-verheirathen; hielt der Familie, in deren Kreise sie künftig leben
-werde, die gebührende Lobrede, und ließ sich über Caspars wohlgeordnete
-Vermögensumstände und seine, im Auslande erworbene Bildung des weiteren
-aus; vergaß auch nicht die Schwierigkeit, bei der gegenwärtigen
-Heirathscheu der meisten jungen Leute im Orte, eine ähnliche
-vortheilhafte Parthie sobald wieder zu finden, in das gehörige Licht
-zu setzen, und schloß mit der Bemerkung, daß sie auf dieß alles, von
-der gehorsamen und liebenden Tochter, eine, den elterlichen Wünschen
-entsprechende Erklärung erwarte.</p>
-
-<p>Hulda bog freundlich lächelnd aus; kam Alonso, der blühend schöne,
-frische Mann, dem der liebe Herr Gott die Reinheit des unverdorbensten
-Herzens, die Unschuld der zartesten Sitte, und die Gediegenheit der
-ehrenfesten Grundsätze auf jeden Zug seines einnehmenden Gesichts
-geprägt hatte, und hörte die Mutter von den zehn Millionen Piaster, die
-ihm der alte Handelsgerichtsdirector nachrechnen wollte, und erfuhr
-sie, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span> ihr Hulda nicht aus dem Hause geführt werden, sondern bis
-an des Lebens Ende bei ihr bleiben sollte, so war von dem Casperchen
-keine Rede mehr; das stand mit mathematischer Gewißheit ihr im Köpfchen
-geschrieben; und kommen wollte er ja; er hatte es versprochen, und
-dieser wunderhübsche Mund hatte gewiß noch keine Lüge gesagt. Sie
-küßte der Mutter die Hand, nahm die ganze Sache als einen leichten
-Scherz, indem es bei ihrer Jugend keine Eile habe, meinte, daß es
-ihr ordentlich lächerlich sey, jetzt an das Heirathen zu denken, und
-betheuerte, daß vor allem erst die geliebte Mutter gesund werden müsse,
-und sich dann hierüber ja wohl werde ein Mehreres sprechen lassen.</p>
-
-<p>Damit kam die Schlaue aber nicht los. Die Mutter ward empfindlich und
-begriff nicht, wie der besonnenen Hulda, die kein Kind mehr sey, ein
-so wichtiger Schritt, als die Verbindung eines Mädchens mit einem
-jungen Manne, auf die ganze Lebenszeit wäre, lächerlich seyn könne,
-und bat sie, dem sehr wichtigen Gegenstande einen Augenblick ernster
-Betrachtung zu schenken. Meine Tage, setzte sie hinzu: sind gezählt,
-ich habe auf dieser Welt keinen Wunsch mehr, als Dich glück<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span>lich zu
-wissen; ich habe zu Gott gebetet, daß er mir in dieser letzten Sorge
-hienieden, seinen Beistand nicht versage; er hat mir in den Eltern
-des, Dir vom Schicksal Bestimmten, christlich gesinnte Rathgeber
-geschenkt, und daß der Himmel unsern Beschluß segnet, beweis’t, daß der
-junge Mann, der Deine Hand begehrt, noch ehe ich die Augen schließe,
-glücklich und mit dem reichen Erwerbe seines redlichen Fleißes hier
-eintrifft, und ich die Freude noch erlebe, Dir den Brautkranz in das
-Haar zu flechten, und Deinen Ehrentag mit zu feiern. Ich bin daher fest
-überzeugt, daß das Werk, was wir mit frommem Gebet begannen, ein Gott
-wohlgefälliges sey, und Dein Glück und Deine Zufriedenheit begründen
-werde. Ich sehe also keinen Grund ab, warum Du mit Deiner Erklärung
-bis zu dem sehr ungewissen, und wahrscheinlich nie eintretenden
-Zeitpunkt meiner Genesung, Anstand nehmen willst, besonders da eine
-Menge Eltern hier, welche unbescholtene und mannbare Töchter haben,
-den von Dir herbeigeführten Aufschub mit Freuden benutzen, und den
-Entschluß des jungen Mannes, Dir seine Hand zu bieten, durch allerhand
-Zwischenträgereien schwankend, und ihn, am Ende, Dir<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> selbst abwendig
-zu machen suchen würden. Alle diese Umstände bestimmen mich, Deine
-Erklärung und, da Du gegen das Haus so wenig als gegen ihn selbst
-etwas einwenden kannst, Dein Jawort in dieser Sache <em class="gesperrt">jetzt</em> zu
-gewärtigen.</p>
-
-<p>Die arme Hulda verlor fast die Fassung. In diesem Augenblicke der
-Mutter zu sagen, daß ihr Herz nicht mehr frei sey, war nicht möglich.
-Die Mutter kannte ja den nicht, dem es gehörte. &mdash; Sie hatte, als der
-Vater zum ersten Male von ihm sprach, und ihn vom Kopfe bis zum Fuß
-beschrieb, gesagt: nichts weiter, wenn ihr nicht wollt, daß ich sterben
-soll; als der Vater vorgestern Abend bei Tische von ihm wieder anfing,
-legte sie Messer und Gabel weg; wie dieser äusserte, daß des
-jungen Mannes Schiff ihren Namen führe, klagte sie über heftigeres
-Uebelseyn; gestern früh erregte der schwarze Krepp, den Tante Sophie,
-von Lima aus, im Traume sandte, ihr spöttelndes Gelächter. Sie eiferte
-gegen die spanische Sprache; &mdash; alles das zusammen genommen, webte in
-dem feinfühlenden Mädchen eine Ahnung, deren Daseyn es sich kaum selbst
-recht bewußt war; aber es mußte etwas seyn, was mit ihm, wenn auch,
-wie natürlich, in ganz ent<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span>fernter Beziehung stand, und was der Mutter
-an ihm unlieb war; doch sie hatte ihn selbst ja noch nicht gesehen,
-ihm konnte, nach Almas Geständniß, kein Mädchen gram seyn; bei seinem
-Anblick war bestimmt auch die Mutter gewonnen; er kam gewiß heute,
-spätestens morgen, allerspätestens übermorgen. Drei Tage also bat sich
-Hulda Bedenkzeit aus, küßte der Mutter beide Hände, und ärgerte sich,
-daß sie nicht einmal so viel Gewalt über sich hatte, wenigstens ein
-ernsthaftes Gesicht zu machen. Aber der ewig wolkenlose Südhimmel des
-paradisischen Climas, in dem ihr Alonso geboren wurde, lag in ihrer
-Seele, in ihrem Auge; die heimliche Freude, die Mutter mit einem
-zehntausendmal bessern Schwiegersohne zu überraschen, blitzte ihr aus
-allen Mienen, und sich zu verstellen, hatte ja das reine Wesen nie
-gelernt.</p>
-
-<p>Die drei Tage sind Dir vergönnt, sagte die Mutter nach einigem Besinnen
-höchst mißgelaunt; aber ich begreife Dich nicht; Du behandelst den
-Schritt, zu dem jedes wohlgesittete Mädchen mit feierlichem Ernst sich
-vorbereitet, so leichtsinnig, als wäre es eine Ballangelegenheit; wenn
-Du vorliesest, so steht Dir bei irgend einer sentimen<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span>talen Stelle
-gleich das Wasser in den Augen, und jetzt ist Dir das Lachen näher, als
-das Weinen, und wo hier zwanzig Mädchen aus den ersten Familien mit
-beiden Händen zugreifen würden, thust Du, als ob Dir die angetragene,
-weiß Gott, doch höchst ehrenwerthe Parthie noch nicht gut genug wäre.
-Auf was willst Du denn warten? Auf was bildest Du Dir denn ein,
-Ansprüche machen zu können. Unsere Umstände sind, wie Du weißt, im
-Gegensatz vieler hier weit reicheren Häuser, nicht glänzend; und Dein
-Bischen Larve &mdash; mein Kind, es hat schönere Mädchen gegeben, und sie
-sind alle verblüht. Also sehe ich nicht ab, auf was Du glaubst groß
-pochen zu können, oder &mdash; fragte sie nach einer kurzen Pause, die Worte
-scharf und hart betonend, und durchbohrte das Mädchen mit stechendem
-Blick: steckt Dir etwas anders im Kopfe?</p>
-
-<p>Nichts, als der gestrige Ball, entgegnete erschrocken das wahrhafte
-Kind, das noch nie gelogen, und bückte sich auf die Hand der Mutter
-tief nieder, denn das erste Morgenroth der heimlichen Liebe überhauchte
-die Lilienwangen der Liebreizenden, mit dem dunkelsten Purpur.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span></p>
-
-<p>Warum nicht auch Deine Puppen, erwiederte die Mutter mit saurer
-Bitterkeit: wahrhaftig, man sollte denken, Du hättest noch gestern
-damit gespielt, so kindisch benimmst Du Dich heute. Geh und sammle
-Dich; und wenn Du Deinen Ball, und Deine Narrenpossen verschlafen hast,
-so komme wieder, daß wir, wie es einem Mädchen Deines Alters ziemt, ein
-verständiges Wort weiter über die Sache reden können.</p>
-
-<p>Sie wendete sich in ihrem Bette verdrüßlich nach der Wand zu, und
-Hulda, der es nun anfing recht ernsthaft zu Muthe zu werden, flüchtete
-zum Vater, der von einem Geschäftsgange eben jetzt zu Hause kam.</p>
-
-<p>Nun Mädchen, rief dieser ihr entgegen: Du siehst ja recht bedeutsam
-aus! hat die Mutter mit Dir schon gesprochen?</p>
-
-<p>Ich habe drei Tage Bedenkzeit, entgegnete triumphirend die Tochter, und
-sah den Vater, der sie so unaussprechlich liebte, der so herzensgut
-war, und von dem jungen Seemanne gestern und vorgestern nichts als
-Liebes und Gutes gesprochen hatte, mit einem Blicke an, als fragte
-sie sich, ob sie es wagen dürfe, ihm ehrlich und offen zu beichten.
-Väterchen, hob sie an, und lehnte<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> die Wange an seine Brust, damit er
-ihr zu dem, was sie ihm zu sagen habe, nicht in das Gesicht sehen möge:
-liebes Väterchen, mit dem Caspar ist es nichts.</p>
-
-<p>Gut, mein Kind, erwiederte der Alte lächelnd: darüber sind wir, Gott
-sey Dank, einverstanden, und die Mutter wird am Ende auch die Idee
-aufgeben.</p>
-
-<p>Aber, fuhr sie leiser fort, und senkte die Augenlieder, als schäme sie
-sich vor sich selber: aber mit einem andern &mdash; vielleicht &mdash; da ist es
-nicht ganz richtig. Sie lag mit dem Ohr dicht an des Vaters Herzen; sie
-hörte es schlagen &mdash; das Herz, das es so redlich mit ihr meinte, es
-schlug ruhig fort &mdash; der Vater sprach kein Wort, er schien noch Näheres
-von ihr zu gewärtigen.</p>
-
-<p>Dir, mein liebes Väterchen, fuhr sie mit verhaltener Stimme fort, und
-schlang beide Arme dichter um ihn: muß ich mich vertrauen; noch ist das
-heilige Geheimniß über meine Lippen nicht gekommen, noch weiß es, außer
-Dir&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Die ganze Stadt, fiel ihr der Vater lachend in das Wort, und küßte
-segnend dem einzigen, dem lieblichen Kinde Stirne und Mund, und die
-hellen Thränen der süßesten Freude des Menschen,<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span> der Elternfreude über
-das Glück des geliebten Kindes, zitterten ihm im Auge.</p>
-
-<p>Die ganze Stadt? wiederholte Hulda staunend, und sah dem Vater in das
-freundlich naße Auge, und las in diesem ihr Glück und ihre Hoffnungen.</p>
-
-<p>Wo ich bei unsern Bekannten heute früh hinkam, versetzte der Vater:
-machte man mir große Gratulationen; die Menschen waren gestern auf
-dem Balle gewesen, und hatten von da das Gerücht Deiner Brautschaft
-mitgebracht; ich werde neugierig, der Sache näher auf die Spur zu
-kommen, steige zu Directors, und höre denn da zu meiner nicht geringen
-Verwunderung, daß mein Herr Mexikaner &mdash; o, nun weiß ich wohl, warum
-mich der Patron immer bei der Hauptwache abgepaßt hat. Höre, Huldchen,
-etwas Schlechtes hast Du Dir nicht ausgesucht, den alten Linsing hat er
-zu seinem Brautwerber erkohren, und sich an den Rechten gewendet; der
-Mann ist in ihn selber verliebt, wie ein Mädchen. Wenn er nur halb so
-brav und gut ist, als der Director ihn schildert, so mag er um Deine
-Hand werben, Hulda, und er soll mir willkommen seyn.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span></p>
-
-<p>Mein Vater, mein einziger lieber englischer Vater! rief Hulda im
-Uebermaße ihres Entzückens, und sank ihm, trunken vor Freude und Wonne,
-in die Arme.</p>
-
-<p>Sein Vermögen, fuhr der Alte fort, und hob die Brust höher, denn
-es that ihm wohl, seine Tochter im Besitz solcher unermeßlichen
-Reichthümer zu sehen, &mdash; der alte wackere Linsing hat ihm gesagt, daß,
-wenn er sich mit der Sache befassen solle, der junge Mann ihm über
-seine Lage reinen Wein einschenken, und seine Angaben ihm möglichst
-belegen müsse; die Nachweisung seines Vermögens wird nur glaubhaft,
-wenn man sie nach dem Maßstabe berechnet, der nur dort, in jener
-Heimath des Reichthums und Ueberflusses denkbar ist. Nach unserm Gelde
-angeschlagen, reicht Dir der Ehrenmann mit seiner Hand, ein Besitzthum
-von ungefähr funfzehn Millionen<a name="FNAnker_32_32" id="FNAnker_32_32"></a><a href="#Fussnote_32_32" class="fnanchor">[32]</a> Thalern &mdash; ich kann Dir zehn
-deut<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span>sche Fürsten nennen, die mit diesem mexikanischen Krösus gern
-tauschen würden, und von <em class="gesperrt">der</em> Seite also betrachtet, ist das
-Glück meines Kindes gesichert; er hat zwar geäußert, sich, wenn Du
-es durchaus wünschest, hier ansiedeln zu wollen: allein, wenn es ihm
-irgend schwer wird, sein Vaterland Preis zu geben &mdash; ich ziehe mit
-der Mutter den Augenblick hin; dort, wo der Oelbaum gedeiht, und der
-Paradiesfeigenbaum, wo der Weitzen dreißigfältig trägt, die Ananas, wie
-bei uns die Heidelbeeren, in den Wäldern überall wild wachsen, und die
-Sonnenblume sechsmal größer ist, als hier zu Lande; dort, wo ein ewiger
-Frühling blüht, und den dunkelblauen Himmel keine Wolke trübt; wo nur
-leichte Morgennebel und des Thaues Perlentropfen die blumenbedeckten
-Fluren netzen, und des Meeres Winde die Lüfte kühlen; dort muß ja auch
-der Mensch kräftiger aufleben und der Kranke genesen &mdash; Der einzige
-Zweifel&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span></p>
-
-<p>Hulda zog die schönen Augenbrauen zusammen, und harrte mit ängstlichem
-Blick auf die Zweifel des Vaters, der recht bedenklich den Kopf wiegte,
-und mit der Sprache nicht heraus zu wollen schien.</p>
-
-<p>Der einzige Zweifel ist jetzt daher nur der, ob auch Du, meine Hulda,
-in seine und meine Wünsche Dich fügen, ob Du Dich entschließen wirst,
-ihm Deine Hand, und Dein Herz&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Mein Väterchen &mdash; unterbrach ihn Hulda verschämt lächelnd: was können
-Sie einem angst machen! Dieser einzige Zweifel wird sich wohl heben
-lassen. Sprechen Sie ihn nur erst selbst, und sein treues biederes
-Herz, sein fröhlicher Sinn, sein offenes trauliches Wesen, seine
-anspruchlose Natürlichkeit werden Ihnen gewiß gefallen; auch ist er
-&mdash; setzte sie, mit gesenktem Köpfchen schmunzelnd hinzu: nicht ganz
-häßlich.</p>
-
-<p>Nun aber sag’ mir Kind, fragte der Vater, das Lächeln mit Mühe
-verhaltend: wie hat sich das alles so schnell gemacht? Du bist ja kaum
-drei, vier Stunden auf dem Balle gewesen?</p>
-
-<p>Mit der Liebe? entgegnete Hulda, und machte<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> ein recht naives
-Professorgesicht dazu: mit der Liebe, ich meine die so recht
-eigentliche liebe Liebe, ist es, glaube ich, wie mit der Ewigkeit;
-sie hat keinen Anfang und kein Ende. Ich weiß selbst nicht, wie das
-alles kam. Auf dem Balle aber sahen wir uns auch nicht zum ersten
-Male; wir kennen uns schon viel länger, und nun erzählte sie, wie er
-ihr in der Kirche gegenüber saß, und von dem Zusammentreffen in der
-Modehandlung, und von der Unglücksgeschichte mit der Glashändlerinn und
-dem Gipsitaliener, und von den Kinderstreichen auf dem Verdecke seines
-Dreimasters, und oben im Mars, und von dem verwünschten Sehrohre, und
-der schmachtenden Flöte, und von &mdash; Babette platzte zum Zimmer herein,
-und meldete den Capitain Don Mantequilla.</p>
-
-<p>Hulda rief fröhlich: das ist er! schlüpfte &mdash; denn wie sie war, im
-nachlässigsten Morgenputz, konnte sie sich nicht vor ihm sehen lassen,
-&mdash; schlüpfte durch eine Seitenthür und eilte auf ihr Zimmer, um sich
-anzukleiden.</p>
-
-<p>Er war gekommen, er hatte Wort gehalten. Er sprach die Eltern um ihre
-Hand an.</p>
-
-<p>Wer mahlt des Mädchens Entzücken, wer<span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span> das süße Beben ihres in Liebe
-und Freude erglühenden Busens!</p>
-
-<p>Blumen, Band, Perlen, Häubchen, nichts paßte ihr heute in das Haar;
-die Locken liefen nicht, wie sie sollten; beide Händchen flogen ihr
-zitternd; sie konnte nicht zu Stande kommen. Das Morgenkleid war zu
-einfach, <em class="gesperrt">das</em> zu geschmückt, alle Kasten standen offen, alle
-Kommodenfächer, alle Schränke, alle Cartons! Sie holte aus allen das
-Beßte, und nichts war gut genug; der Spiegel &mdash; sie kam sich bleich,
-reizlos, nicht ein Bischen hübsch vor; nein der Spiegel war Schuld
-daran, der hing im allerschlechtesten Lichte &mdash; aber der in der
-Toilette, den sie nach allen Weltgegenden richtete, gab ihr Bild um
-kein Haar besser zurück; am Ende war sie in ein blaßblaues Kleid und in
-rothe Schuhe gefahren, und hatte auf den gelben Morgenhut ein grünes
-Bouquet gesteckt &mdash; blau, roth, gelb und grün &mdash; i Gott bewahre, rief
-sie lachend: lieber gar alle Farben mit einander, daß er denkt, es
-komme ein lebendiges Prisma, &mdash; in zwei Minuten hatte sie alles wieder
-von sich geworfen, und machte ihre Toilette von Neuem &mdash; lassen wir die
-Selige in<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span> dem bunten Chaos ihrer Garderobenherrlichkeiten fröhlich
-gewähren &mdash; es war ja ohnehin fast das letzte Scheide-Lächeln ihrer
-untergehenden Freudensonne; denn ach! nur zu bald trübten sich am
-Horizonte ihres Lebens die Wolken, aus denen der Sturm sich gestaltete,
-der alle ihre Blumen entblättern, alle ihre Bänder zerreißen, alle ihre
-Hoffnungen zertrümmern, ihr ganzes Lebens-Glück auf immer und ewig
-vernichten sollte!&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Wahr und ehrlich, kurz und offen hatte Alonso mit dem Vater gesprochen.
-Es bedurfte keines weitläufigen Eingangs; Director Linsing hatte beiden
-schon die nöthigen Präliminarien eröffnet. Alonso machte seinen Antrag
-mit so zarter Bescheidenheit; legte in denselben so viel Feierliches;
-sprach von der Unmöglichkeit, ohne Hulda leben zu können, mit so vieler
-Rührung; entschuldigte seine, durch den Drang der für den Seemann
-vollgiltigen Umstände herbeigeführte Eile, die ihn nöthige, vielleicht
-schon in wenigen Tagen die Anker zu lichten, so wahr und einfach, und
-gelobte, den Pflichten des Gatten und des Sohnes bis zu seinem Tode
-treu zu seyn, mit solch’ frommer Rede, daß der alte<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span> Herr sich der
-Thränen nicht länger enthalten konnte, den jungen Mann an sein Herz
-drückte, und ihm, aus voller Brust und im heiligsten Vertrauen auf
-dessen Rechtlichkeit, sein einziges Kind, das Liebste dieser Welt, in
-die neue mitzugeben unbedenklich versprach.</p>
-
-<p>Auf Alonso’s Wunsch, der Mutter jetzt vorgestellt zu werden, erwiederte
-indessen der Vater, daß er sie, ihrer Kränklichkeit halber, erst dazu
-ein wenig vorbereiten müsse; er bäte daher, ihn morgen wieder mit
-seinem Besuche zu beehren, wo er ihn bei ihr einführen wolle; zugleich
-ersuchte er ihn, nicht gleich das erste Mal, des eigentlichen Zwecks
-seines Besuches zu erwähnen, sondern unter dem Vorwand zu kommen, daß
-er hörte, sie habe eine Schwester in Lima, und er wolle sich daher
-erkundigen, ob sie dahin ihm etwa Aufträge mitgeben wolle.</p>
-
-<p>Auch Hulda darf ich nicht sehen? fragte Alonso mit kindlicher
-Befangenheit, und versicherte, daß ihm die Zeit von gestern Abend bis
-jetzt eine halbe Ewigkeit gedauert habe; da ließ denn der Vater das
-Mädchen holen, und es kam im einfachsten Hauskleide, bloß, dem neuen
-Vaterlande zu Ehren, eine prächtige, blühende<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span> Datura<a name="FNAnker_33_33" id="FNAnker_33_33"></a><a href="#Fussnote_33_33" class="fnanchor">[33]</a> am Busen, und
-drei von Tante Sophie zum Geschenk erhaltene Schnüre californischer
-Perlen um den Hals. Aber schön war Hulda zum Entzücken; die Liebe hatte
-ihre Wangen geröthet, die Freude lachte ihr im ganzen Gesichtchen, und
-das bräutliche Schmachten der keuschesten Jungfräulichkeit schwamm in
-dem Feuerblick ihres großen himmlischen Auges. Mit frommer Weihe legte
-der Alte das unberührte Kleinod seines Vaterherzens an die Brust des
-schönen jungen Mannes aus der neuen Welt, den der Zufall zweitausend
-Meilen weit hergeführt hatte, um zu den Füßen eines der reizendsten
-Mädchen unsers alten ehrlichen Welttheils, das zarte Geständniß
-abzulegen, daß das eigentliche wahre Glück des Menschen nur in den
-Armen einer liebenden Gattinn heimisch sey, die unsere Freuden und
-Leiden redlich theile, und durch ihre Reize, wie durch ihre Tugenden,
-unsere Tage verschönere.</p>
-
-<p>Braut Hulda hob den Entzückten an ihre treue Brust, und wie die
-bekannte wunderschöne<span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span> Gruppe von Amor und Psyche, so lieblich in
-einander verschlungen, stand das Paar, Auge in Auge, Mund an Mund,
-und feierte die seligste Minute glücklich Liebender, die Minute des
-Verlobung-Kusses.</p>
-
-<p>Alonso zog sich einen prächtigen Smaragdring vom Finger, überreichte
-ihn der überraschten Hulda, und sagte: aus <em class="gesperrt">Deinen</em> Brüchen an der
-Küste von Manta<a name="FNAnker_34_34" id="FNAnker_34_34"></a><a href="#Fussnote_34_34" class="fnanchor">[34]</a> nimm dieß als Morgengabe von mir gütig an, doch
-mein ganzes Hab’ ist ja Dein. Den leisesten Deiner Wünsche &mdash; vertrau’
-ihn mir, meine einzige, meine himmlische Hulda, und ich werde kein
-größeres Glück kennen, als ihn Dir zu erfüllen. Ich könnte zehnmal
-reicher seyn, als ich es bin; allein ich achtete des eiteln Geldes
-nicht, weil ich tausendmal mehr hatte, als ich brauchte; jetzt Dir die
-Welt zum Paradies zu schaffen, ist mein Streben; nun will ich erst mit
-Freuden mich in die Geschäfte werfen; ich habe einen Zweck, das Lächeln
-Deiner Huld! Des Meeres Wogen, der Winde Hauch, des Nor<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span>dens Eis und
-Schnee, der Sonne Gluth in unserm Süden, kurz, alle Elemente will ich
-mir zinsbar machen, und meines Vaterlandes Kern ist rein gediegenes
-Gold; heraus aus meiner Erde tiefen Schachten sollen, meine Hulda,
-Dir, mein Fleiß und meine Kunst das mächtige Metall im Ueberflusse
-fördern! Vor Dir will ich die Früchte meines Fleißes, die Schätze,
-die des Handels Treiben mir zusammen häufet, niederlegen, und Deiner
-Lippen süßer Kuß, ein Blick aus Deinem Augenpaar, und das Geständniß
-Deines Rosenmundes, daß Dich es nicht gereut, Dein Herz und Deine Hand
-mir fremdem Mann vertraut zu haben, &mdash; dieß, Hulda, dieß soll mehr mir
-seyn, als all das kalte Gold, das im ersten beßten Brennspiegel sich zu
-<em class="gesperrt">nichts</em> verflüchtiget, das immer irdisch bleibt, und droben gar
-nichts gilt.</p>
-
-<p>Ehe sich Alonso verabschiedete, lud er den Vater und Hulda ein, sich es
-bei ihm heute Abend, am Bord seiner Antoinette gefallen zu lassen.</p>
-
-<p>Der Vater sah die Tochter, die Tochter den Vater an. Beiden war es um
-die Mutter zu thun; sah man das Mädchen mit dem Vater<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> am Bord des
-mexikanischen Dreimasters, so war Huldas Verbindung mit Alonso, von dem
-zur Zeit die Mutter noch kein Wort wußte, in den Augen der ganzen Stadt
-keinem Zweifel mehr unterworfen, und daß dieß gegen die Mutter nicht
-gerechtfertigt werden konnte, fühlten beide, indessen Hulda richtete
-den bittenden Blick, daß er zusagen möge, zu freundlich auf den Vater,
-und diesem that die kleine Eitelkeit, den Leuten möglichst bald kund
-zu thun, daß der mexikanische Capitain Mantequilla mit dem Dutzend
-dreimastigen Schiffen auf der See, und den Silbergruben in Loretto, den
-Goldbergwerken in Oaxaca, den Zuckerplantagen unfern Vera-Crux und den
-15 Millionen Thalern, und den andern unzähligen Herrlichkeiten, der
-Herr Schwiegersohn des Herrn Admiralitätraths Splügen sey, zu wohl,
-auch hatte der lebensfrohe Alte einen vergnügten Abend zu lieb, als daß
-er abschlagen konnte.</p>
-
-<p>Alonso eilte fröhlich von dannen, und der Vater und Hulda überboten
-sich einander in dem Lobe des Liebenswürdigen; &mdash; doch die Mutter, die
-Mutter fiel beiden nur zu bald ein, aber sie wichen von einander in den
-An<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span>sichten ab, wie ihr die Sache, die den Plänen mit Casperchen so ganz
-entgegen war, am beßten beizubringen sey.</p>
-
-<p>Hulda, welche in ihrem süßen Liebeswahn die Ueberzeugung hatte, daß
-Alonso’s persönliche Anmuth die Mutter am meisten bestimmen würde,
-den werthlosen Caspar fallen zu lassen, war der Meinung, daß es
-das Gerathenste gewesen wäre, den Capitain gleich jetzt der Mutter
-vorzustellen, sie jedoch später erst, wenn sie den liebenswerthen
-Mann hätte selbst näher kennen gelernt, von seinen Heirathanträgen
-zu unterrichten; der Vater hingegen, der, wie alle fröhliche Leute,
-jede Unannehmlichkeit gern so weit als möglich hinaus schob, der im
-Voraus sah, daß die Erscheinung des jungen Mannes, welcher der Mutter
-längst entworfenen Pläne mit einem Male vernichten sollte, sehr harte
-Auftritte herbeiführen würde, und, nach seiner Ansicht sehr richtig
-berechnete, daß, wenn er mit Hulda diesen Nachmittag den Capitain am
-Bord besuchte, und sich dadurch das Gerücht von dessen Verbindung
-mit seiner Tochter gehörig in der Stadt verbreitet habe, die Mutter
-dann, um der Ehre ihres Kindes willen, diesen<span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span> einmal geschehenen
-öffentlichen Schritt nicht zurück nehmen könnte, behauptete, daß es
-viel besser sey, wenn er ihr heute den Mexikaner vorläufig auf morgen
-anmelde, daß man, bei der Reizbarkeit ihres Charakters überhaupt alles
-sogenannte, mit der Thüre in das Haus fallen, vermeiden müsse, und daß
-daher alles viel besser gehen werde, wenn es nicht zu übertrieben rasch
-gehe, weil, wie auch Hulda selbst wisse, der Mutter, im Allgemeinen,
-jeder Schein von Uebereilung, besonders in einer so delikaten
-Angelegenheit, verhaßt sey.</p>
-
-<p>Hulda äußerte, auch wieder sehr richtig, die Besorgniß, daß Caspars
-Eltern, die von ihrem bekannt gewordenen Verhältniß zu Alonso eben
-so genau unterrichtet wären, als alle andere Leute auf dem gestrigen
-Balle, es gewiß an nichts fehlen lassen würden, um die Mutter davon
-in Kenntniß zu setzen; dadurch aber würde Alonso’s Spiel unendlich
-erschwert werden, denn, daß ihn diese schleichende Kopfhänger-Familie
-dabei in das allernachtheiligste Licht setzen werde, sey im Voraus
-anzunehmen; doch der Vater beschwichtigte ihre Furcht durch die
-Versicherung, dem vorzubauen. Er gab zu dem Ende allen<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> Domestiken im
-Hause, unter dem Vorwande, daß seine Frau, ihrer Gesundheit wegen,
-aller lästigen Besuche heute überhoben seyn wolle, den Befehl,
-Niemand, ohne Unterschied, zu ihr zu lassen, und um ihr, wenn sie es
-etwa klingeln hörte, keinen Anlaß zu geben, zu fragen, wer da war, so
-umwickelte er den Klöppel der Hausglocke eigenhändig mit Papier und
-Leinwand.</p>
-
-<p>So glaubte er, in jeder Hinsicht seine Sache ganz vortrefflich gemacht
-zu haben, und lächelte bei sich selbst über die Heimlichkeit, zu der er
-sich, wie er es entschuldigte, durch den Drang der Umstände bequemen
-müsse.</p>
-
-<p>Dem Zartfühlenden regte sich wohl etwas in der Brust, was ihm sagte,
-daß nicht recht sey, was er thue, daß alle Heimlichkeiten zwischen
-Eheleuten nichts taugen, und daß aber &mdash; beruhigte er sein Gewissen:
-hat es nicht Antoinette an Dich gebracht? warum besteht sie auf Hulda’s
-Verbindung mit dem unerträglichen Caspar, als läge alles Heil der
-Erden in diesem widrigen Menschen? Warum hört sie auf das Zuflistern
-gehaltloser Frömmelei mehr, als auf das Wort der Vernunft und des
-Herzens? Warum gibt sie gleich Krämpfe und<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span> Schwindel und Anwandelung
-von Ohnmachten vor, wenn irgend ein Gegenstand im Gespräch berührt
-wird, von dem sie nicht sprechen will? Mit den Waffen, mit denen
-sie, aus blinder Vorliebe für eine einmal eingewurzelte Marotte, auf
-das Glück ihres eigenen Kindes los geht, als wollte und müßte sie es
-vernichten, wollen wir ihre Batterie demontiren. Maklers müssen außer
-Einfluß gesetzt, das heißt, entfernt gehalten werden; heute sind wir
-auf dem Dreimaster unten im Hafen noch recht lustig, und morgen stelle
-ich meine Heeresmasse in Schlachtordnung; die Mutter wird totaliter
-aus dem Felde geschlagen, und über’s Jahr, wenn wir das Kind in seinem
-Mexiko besuchen, und dieses uns einen bausbäckigen Enkel entgegen
-bringt, und unser europäisches genügsames Auge fast erblindet, vor dem
-Glanz des Ueberflusses und des Glücks, in dem Hulda dort schwelgt,
-und ihr Mund freudig bekennet, daß sie, an Alonso’s Seite, die
-neidenswertheste Frau in allen fünf Welttheilen sey, da, da &mdash; soll
-die Mutter mir danken, daß ich ihrem kleinen Eigensinne nicht fröhnte,
-sondern dem herz- und marklosen Casperchen die Thür wies, und&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span></p>
-
-<p>Die gedämpfte Klingel klapperte draußen; der Admiralitätrath hielt
-lauschend mitten in seinem Monologe inne.</p>
-
-<p>Es war richtig Casperchen. Die Frau Räthinn schlafe, hieß es, und
-der Ehelustige zog ab. Später kam Suschen; dann der Herr Makler; den
-Beschluß machte dessen liebwertheste Hälfte.</p>
-
-<p>Dasselbe Manöuvre begann auch nach dem Essen; alle viere kamen einzeln
-und alle viere wurden abgewiesen.</p>
-
-<p>Schlafen, schlafen, und immer schlafen, hatte die Maklerinn, vor
-innerer Bosheit kochend, mit freundlichem Lächeln zu Babette gesagt:
-sie haben der Frau am Ende ein Ruhepülverchen gegeben, aber, und wenn
-sie Mithridat genossen, ich muß sie aufwecken, aufrütteln muß ich sie,
-da es noch Zeit ist; ich komme wieder, mein Lämmchen, und zum dritten
-Male laß ich mich nicht abweisen.</p>
-
-<p>Meine Frau will allein seyn, entgegnete der Admiralitätrath der
-berichtenden Babette: verstehst Du, sie <em class="gesperrt">will</em> heute Niemand
-sprechen; darnach wird sich gerichtet.</p>
-
-<p>Mit diesen Worten ging er, Hulda am Arme, in den Hafen. Der Mutter
-hatte er<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> gesagt, sie wollten nur einen kleinen Spaziergang machen,
-weil der Nachmittag gar zu schön sey.</p>
-
-<p>Schon lange lag Alonso’s große Barkasse nebst der Travalje und
-der Kapitains-Schaluppe am Lande; alle drei Fahrzeuge hatten sich
-unterdessen allmählig mit den eingeladenen Gästen aus der Stadt
-gefüllt, und sobald jetzt Hulda und der Admiralitätrath an den Bord
-der Barkasse gekommen waren, und sich die drei Fahrzeuge, nach der
-Antoinette zu, in Bewegung setzten, gab der mexikanische stolze
-Dreimaster eine Kanonensalve, daß alle Fenster in der Stadt klirrten;
-&mdash; und sämmtliche, im Hafen liegende Schiffe begrüßten die Ankommenden
-mit dem Donner ihres Geschützes, denn auf alle Fahrzeuge klein und groß
-im ganzen Hafen, hatte der überglückliche Alonso, Speise und Trank in
-Ueberfluß vertheilt, so daß die Matrosen, ohne Ausnahme, des süßen
-Weines voll waren und die neue Capitainfrau immer drauf los leben
-ließen, noch ehe sie dieselbe gesehen hatten; alle Capitaine aber, so
-viel ihrer im Hafen vor Anker lagen, hatte Alonso auf seinem Schiffe,
-heute Mittag schon, stattlich<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> bewirthet, und hielt sie noch um sich
-versammelt, so daß die Herren lustig und guter Dinge waren, und der
-heranschwimmenden jungen, himmelschönen Frau Kolleginn zur See, die
-gebührende Ehre, von den, unter ihren Befehlen stehenden Schiffen aus,
-geziemend erweisen zu lassen, sich nicht versagen mochten. Und Alonso’s
-scharf gebautes Prachtschiff, und die Fahrzeuge aller Nationen im
-Hafen, strichen vor der liebreizenden Königinn des Tages, Flaggen und
-Segel, und von den buntbewimpelten Masten und im hohen Tauwerk aller
-Schiffe, erscholl aus dem Munde des Schiffvolks aller Welttheile, ein
-tausendstimmiges Hurrah, Hurrah, Hurrah! und in dieß alles schmetterte
-und wirbelte das, aus der Stadt geholte große Musikchor auf der
-Antoinette, mit Trompeten und Pauken, daß kein Mensch sein eigenes Wort
-zu hören im Stande war. Alonso selbst, in der herrlichen Uniform der
-spanischen Marine, stand, kräftig und schön, wie ein junger Gott, auf
-der Steuerbordseite der Antoinette, und kommandirte <span class="antiqua">Listo, Saltad
-a la banda!</span><a name="FNAnker_35_35" id="FNAnker_35_35"></a><a href="#Fussnote_35_35" class="fnanchor">[35]</a><span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span> und ein Theil seiner Neger, die alle sich in das
-beßte Zeug geworfen hatten, und recht stattlich aussahen, stellten sich
-eilends an beiden Seiten der Fallreepstreppe, von oben nach unten,
-in Parade; und das Fallreep<a name="FNAnker_36_36" id="FNAnker_36_36"></a><a href="#Fussnote_36_36" class="fnanchor">[36]</a> selbst war oben am Schiffe, an einem
-metallenen Köcher mit Kupidos goldenen Pfeilen befestiget, und mit
-purpurrothem Tuche überzogen, und von Knopf zu Knopf<a name="FNAnker_37_37" id="FNAnker_37_37"></a><a href="#Fussnote_37_37" class="fnanchor">[37]</a> hingen leichte
-Gewinde von brennender Liebe, deren Deutung Hulda, bei der Erinnerung
-ihrer ersten Bekanntschaft mit Alonso im Putzladen, nicht schwer ward.</p>
-
-<p>Die allgemeine Huldigung, mit der die Bescheidene, vor den Augen der,
-am Ufer, in dichten Massen zusammengedrängten Neugierigen, vom ganzen
-Hafen bewillkommt wurde,<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span> hatte Hulda sonderbar bewegt; es traten ihr,
-als sie den Fuß auf die unterste Stufe der Fallreepstreppe setzte, und
-mit diesem gleichsam den ersten Schritt in ihr nunmehriges Vaterland,
-in die neue Welt that, Thränen in’s fröhlich lachende Auge. Alonso
-umschlang öffentlich, vor Hafen und Stadt, im Angesichte seines Meeres
-und ihrer Erde, die liebreizende Braut, und seine Neger, über funfzig
-an der Zahl, riefen dreimal Hurrah, und warfen sich ihrer milden
-Gebieterinn zu Füßen. Der Pilot,<a name="FNAnker_38_38" id="FNAnker_38_38"></a><a href="#Fussnote_38_38" class="fnanchor">[38]</a> der Primero Contramaestro<a name="FNAnker_39_39" id="FNAnker_39_39"></a><a href="#Fussnote_39_39" class="fnanchor">[39]</a>
-und der Guardian<a name="FNAnker_40_40" id="FNAnker_40_40"></a><a href="#Fussnote_40_40" class="fnanchor">[40]</a> aber, näherten sich der neuen Herrinn, und
-überreichten ihr, nach ächt altmexikanischer Sitte,<a name="FNAnker_41_41" id="FNAnker_41_41"></a><a href="#Fussnote_41_41" class="fnanchor">[41]</a> einen Strauß
-von frischen Blumen; der Pilot, ein kräftig schöner, schwarzer<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span>
-Mann, redete die Gefeierte spanisch an, prieß Don Alonso, als ihren
-gütigen Herrn, und wünschte sich und all den tausend Sclaven in der
-fernen Heimath Glück, daß der Kapitain ihnen eine Mutter zuführe,
-deren Tugenden Don Alonso’s Auswahl verbürge. Du bist, setzte er im
-Ueberwallen seines Gefühls, und im Glauben seiner Väter, hinzu: Du
-bist herrlich, wie die Sonne, und freundlich, wie der Mond, und wer
-den milden Sternen Deiner Augen folgt, wird den Pfad zum Himmel nicht
-verfehlen. Sey, Du blendend weißer Engel, uns und unsern Kindern unsere
-Sonne, unser Mond; Tonatiuh<a name="FNAnker_42_42" id="FNAnker_42_42"></a><a href="#Fussnote_42_42" class="fnanchor">[42]</a> hat Dich geschmückt mit ihrem Roth,
-und Meztli Dich mit seinem Glanze; Du bist so schön, als wärest Du das
-Kind von beiden; wir werden göttlich Dich verehren, denn nur in Deiner
-zarten Hand liegt unser Glück. Sey immer gütig uns. Die Sonne zürnt
-ja nie, und nie der Mond, und schwebst Du einstens spät hinüber, wo
-keine Stürme heulen, und keine Donner brausen,<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span> so soll der Weg nach
-Deinem Hügel unserer Enkel Alameda<a name="FNAnker_43_43" id="FNAnker_43_43"></a><a href="#Fussnote_43_43" class="fnanchor">[43]</a> seyn; sie werden räuchern Dir
-das stille Blumen-Grab mit Cobans beßtem Weihrauch und mit Ambra von
-Masaya, und Dir die Gruft umpflanzen mit Pomeranzen und Limonen, und
-mit Cypressen und mit des ewigen Friedens schattenreichen Palmen. Da
-sollst Du schlummern kühl, denn, unserer Enkel Thränen um die verlorne
-Mutter, werden netzen jene Bäume, daß sie gedeihen, und noch in
-fernster Zeit, wie feste Denksäulen des Dankes, hoch hinaus ragen in
-unsers Himmels schöne Luft.</p>
-
-<p>Hulda reichte dem Sprecher, dem die hellen Zähren über die schwarzen
-Backen rollten, die weiße Hand, und beantwortete seine herzliche Rede,
-in recht geläufigem Spanisch.</p>
-
-<p>Der alte Admiralitätrath dachte, es wäre Pfingsten, so hatte sich der
-Geist des Herrn über sein gelehriges Töchterlein ergossen. Es war aber
-der heilige Geist der Liebe, der das holde Mädchen, das im Spanischen
-früher wohl hinlänglichen Unterricht, aber wenige Uebung gehabt hatte,
-jetzt ohne Anstoß und Furcht in<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span> fremder Zunge reden ließ, daß die
-ganze Mannschaft der Antoinette darob laut entzückt war.</p>
-
-<p>Der blendend weiße Engel, das himmlische Kind der Sonne und des
-Mondes, versprach ihnen, ihr und der Ihrigen Schutzgeist zu seyn;
-ihre Frauen und ihre Kinder begrüßte sie in der Ferne, als ihre
-Pfleglinge; ihr Wohlstand solle das Ziel ihrer Wünsche werden, und im
-Zauberergusse ihres glühenden Gefühls, gelobte sie ihnen und allen
-ihren Familien, mit dem Beistande ihres Gottes, und von Don Alonso’s
-menschenfreundlicher Güte unterstützt, ihr zeitliches Glück nach
-Kräften begründen zu wollen.</p>
-
-<p>Sämmtliche Neger drängten sich, von den Reizen des schneezarten
-Seraphs, und dessen einfacher Rede tief ergriffen, um sie herum, und
-küßten ihr den Saum ihres Gewandes, und schworen ihr unaufgefordert
-Liebe, Treue und Gehorsam. Alonso aber, hingerissen von dem Entzücken
-seiner ehrlichen Neger, und bezaubert von der, in ihrer Art einzigen
-Gruppe der schwarzen Figuren, um seine schlanke Lilie, schenkte
-mit feierlichen Worten, zum ewigen Andenken des heutigen Festes,
-den Sclaven ihre Freiheit, und Hulda mischte in den Jubel<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span> der
-Freigelassenen, ihren herzlichen Dank, und betheuerte dem edlen
-Menschen, daß er ihr kein erfreulicheres Brautgeschenk hätte ersinnen
-können.</p>
-
-<p>Jetzt ging es zur Tafel, und was beide Welten, und das Meer und
-die Erde dem leckern Gaum zu bieten nur vermochten, das war mit
-verschwenderischer Pracht hier aufgetischt. So gegessen und getrunken
-war in der ehrsamen Hafenstadt, seit der Legung ihres ersten
-Grundsteins, nicht geworden, und alle Gäste versicherten einstimmig,
-daß Capitain Mantequilla der vortrefflichste Mensch unter der Sonne
-sey. Die Seeluft macht durstig; wenigstens leerte man alle Flaschen
-des köstlichen Weins, so daß viele Gäste, die rank<a name="FNAnker_44_44" id="FNAnker_44_44"></a><a href="#Fussnote_44_44" class="fnanchor">[44]</a> worden waren
-und übervolle Ladung hatten, das Wasser des ganzen Binnenhafens, für
-lauter Champagner ansahen, andere den großen Mastbaum, als ihren
-dicksten Freund, inbrünstiglich umarmten, und andere wieder, in der
-Weinrührung, so windelweich wurden, daß sie in das Besahnsegel,
-heimlicher Weise Thränen der zärtlichsten Freundschaft weinten. Alonso<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span>
-hatte den Nachtisch mit lauter amerikanischen Früchten besetzen lassen;
-Aepfel von Gili, von der Größe eines Menschenkopfs; sechszehnlöthige
-Pfirsichen von Valparayso und Mendoza; zwölfpfündige Weintrauben von
-Talca, Vanille von Paraguay, Pisangäpfel, Pomeranzen und Limonen, und
-zwanzig andere saftreiche und kühlende Obstarten; jetzt aber zu guter
-Letzt, credenzte er den feurigsten Liqueurwein seines Vaterlandes, den
-kostbaren Rebensaft von Passo del Norte.<a name="FNAnker_45_45" id="FNAnker_45_45"></a><a href="#Fussnote_45_45" class="fnanchor">[45]</a> <em class="gesperrt">Der</em> brachte mit
-seinem dunkelflüssigen Golde alle gute Geister in Aufruhr, und Alles
-erklärte, mit tausend Freuden dahin zu gehen, wo dieses Götterblut
-flösse. Alonso stand, vom rauschenden Gewühl der Gäste entfernt, mit
-Hulda vorn am Bratspill, hielt die Glückliche im Arme, und fragte
-scherzend: ob er die Anker lichten, und mit der ganzen Gesellschaft,
-wie sie hier wäre, in die neue Welt segeln solle?</p>
-
-<p>Ich bin wohl bereit, entgegnete Hulda mit bräutlicher Liebe, und
-schmiegte sich dichter an den Mann, der sie zweitausend Meilen weit,
-über das Meer führen wollte, und an dem sie sich fest<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> halten sollte in
-allen Stürmen des Lebens: die alle hier aber mag ich nicht mitnehmen.
-Mit Dir allein, Alonso, will ich seyn; an Deiner Seite bedarf ich
-keines Menschen. Dir will ich folgen, wohin Du willst. Auf Deinem
-Eigenthume, hier auf Deinem Schiffe, auf dem Dein kühner Arm mich durch
-des Meeres wilde Wogen, und durch der Winde grausende Gewalt hinüber
-führen will, in Deines Vaterlandes weite Ferne, hier laß mich Liebe
-Dir, und Treue schwören. Dein menschlich fühlend Herz, gab Deinen
-armen Negern das höchste Gut, die Freiheit. Mir kann es Höheres nicht
-geben, als sich selbst. Schwöre mir Alonso Deine Liebe, und auf Dein
-Herz will ich meine Rechte legen, und Gott der Herr soll meinen Eid der
-Treue hören. Ihr glaubig frommer Blick flog auf zu dem, den sie zum
-Zeugen ihres Schwures gefordert hatte, da schwebte am Wolkenhimmel &mdash;
-auf derselben Stelle &mdash; sie schrak zurück, und barg das geisterbleiche
-Antlitz an Don Alonso’s Brust.</p>
-
-<p>Was ist Dir, Hulda? fragte dieser erstaunt; sie aber schauerte kalt in
-einander, und wieß, ohne aufzusehen, nach dem Abendroth, und fragte:
-siehst Du nichts?</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span></p>
-
-<p>Dort, erwiederte Alonso lächelnd: die Gottheit meiner Schwarzen,
-schließt dort ihr müdes Auge, und zieht sich vor ihr Lager den
-Wolkenvorhang lauschig zu; mit Gold hat sie die Zipfel all gesäumt; sie
-macht das stets recht zierlich; und rechts am Bette steht ein Baum, ein
-blühend schöner Bananas.</p>
-
-<p>Ein Baum? fuhr Hulda ängstlich auf! Ein Kreuz, Alonso, ist’s. Ein
-hohes, langes Kreuz &mdash; und dicht daneben liegt &mdash; mein Heiland und mein
-Gott &mdash; am Stamme des Kreuzes betet meine Mutter&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Aber liebholdes Wesen, entgegnete beruhigend Alonso: was regt Dich so
-allmächtig auf! Ein Kreuz? &mdash; nun ja, wenn Du ein Bischen davon, und
-ein Bischen dazu thust, und überall mit Deiner Phantasie nachhelfen
-willst, verwandelt sich am Ende mein Paradiesfeigenbaum<a name="FNAnker_46_46" id="FNAnker_46_46"></a><a href="#Fussnote_46_46" class="fnanchor">[46]</a> in Dein
-Kreuz, und &mdash; die Wolke da unten &mdash; hm &mdash; ja &mdash; eine weibliche Figur
-ist es &mdash; aber, was bringst Du Deine gute Mutter in dieses Nebelspiel,
-und wie, ich bitte Dich, wie kann ein<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span> bischen Wasserdunst solch
-Gaukelwerk erhitzter Phantasie Dir gleich zusammen treiben? der Passo
-del Norte hat Dich nicht etwa, setzte er in süßer Liebeständelei hinzu,
-und tippte auf Hulda’s Stirn: mein trautes Kind, berückt?</p>
-
-<p>O scherze nicht, Alonso, entgegnete Hulda erschüttert, und bat, sie und
-den Vater bald zu entlassen, weil sie zur Mutter müsse.</p>
-
-<p>Du kömmst mir nicht vom Bord, erwiederte Alonso, und umfaßte Hulda mit
-inniger Liebe: ich bin fest segelklar<a name="FNAnker_47_47" id="FNAnker_47_47"></a><a href="#Fussnote_47_47" class="fnanchor">[47]</a> und warte nur auf guten Wind.
-Beim ersten Lüftchen setze ich meine Segel bei, und steche frisch und
-wohlgemuth, mit meinem Bräutchen, in die hohe See.</p>
-
-<p>Alonso, doch nicht ohne meiner Mutter Segen? fragte Hulda ernst: und
-doch nicht ohne des Dieners Christi fromme Weihe?</p>
-
-<p>Das wird mir alles viel zu lang, entgegnete Alonso mit heißer Ungeduld.
-Die Mutter &mdash; ja; die werd’ ich morgen sprechen; sie soll uns segnen,
-Hulda. Was aber das Copuliren hier betrifft &mdash; ich bitte Dich, eh’ sich
-das alles ordnet, der Trauschein meiner Eltern, das Zeugniß<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span> meiner
-Taufe &mdash; das alles muß herbei, ehe wir das Aufgebot verlangen können.
-&mdash; So lange kann und darf ich hier nicht warten. Viel besser ist’s,
-Du gehst als Braut zu mir an Bord. Auch mitten auf der See ist unser
-Gott bei uns. Wirf Deine Anker in mein Herz, sie greifen da in festen
-Grund. Als Braut, vertraue mir, als unberührte Braut führt Dich Alonso
-heim. Es liegt für mich ein namenloser Zauber in dem Gedanken! Gewähre
-mir, zum Zeichen Deines Glaubens an meine Ehrfurcht vor Deiner Tugend,
-diesen Wunsch. Sechs Monden sind es nur, dann steigt die Jungfrau an
-das Land der neuen Welt, und sinkt in Mexiko, vor Gottes Hochaltar in
-unsrer goldgeschmückten Kathedrale, als junge Frau an meine Brust, zu
-lohnen mir die uns selbst aufgelegte süße Pein der schmerzlichsten
-Entsagung, durch ihrer Liebe Vollgenuß.</p>
-
-<p>Gib den Gedanken auf, versetzte bittend Hulda: ich traue Dir und mir,
-denn keuscher Liebe ist die schwerste Prüfung leicht; die Eltern
-aber würden darein sich nimmer fügen; doch morgen früh darüber mehr!
-Vielleicht läßt sich das alles leichter machen, als Du denkst, das
-liebe Gold ist ja der beßte Hebel aller Hindernisse, und auch<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span> die gute
-Kirche läßt das Dispensiren sich bezahlen. Jetzt lebe wohl, Alonso,
-gute Nacht, und süße Träume!</p>
-
-<p>Ein langer, langer Abschiedkuß, und Hulda fuhr mit ihrem Vater an das
-Land zurück. Trompeten schmetterten ihr nach, und wilde Paukenwirbel;
-und Hurrah schrie das Schiffsvolk aller Decke, und des Kanonendonners
-furchtbares Krachen verkündete dem Hafen und der Stadt, daß jetzt des
-Mexikaners schöne Braut nach Hause fahre. Alonso wehte ihr mit weißem
-Tuche, so lang sein Blick sie noch erreichen konnte, den Wunsch der
-guten Nacht noch nach, und alle seine Gäste, die Becher in der Hand,
-schrien Vivat, Vivat hoch, und blieben bis zur späten Mitternacht, und
-tollten auf des Bräutigams Schiffe, als wäre morgen Hochzeit, und heute
-Polterabend.</p>
-
-<p>Alonso nahm, sobald Hulda ihn verlassen hatte, an dem Tanz und dem
-rasenden Lärmen der fast überlustigen Gäste keinen unmittelbaren
-Antheil; er blieb zwar der Rolle des gastlichen Wirths, mit der
-artigsten Aufmerksamkeit, treu; aber, wo er konnte entfernte er sich,
-und wenn er allein war, und ungesehen, so stellte er sich<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> hin, und
-schaute durch die Dunkelheit der Nacht hinauf nach dem bewußten Balkon.</p>
-
-<p>Endlich erschien etwas Weißes da oben, und kaum gewahrten dieß einige,
-die ihn belauscht hatten, als der Spektakel von neuem begann, und die
-ganze Gesellschaft der weißen Erscheinung mit Trompeten und Pauken, und
-dem Hurrah der Neger, ein Vivat ausbrachte, daß es drüben an den Mauern
-der schlummernden Stadt widerhallte.</p>
-
-<p>In dem Augenblicke zündeten die Mexikaner, und hundert Matrosen anderer
-Schiffe, die sie sich zur Hülfe geholt hatten, mehrere tausend Laternen
-an, die an den Seiten des Schiffes, am Tauwerk, und an den Mastbäumen,
-bis zum Mars hinauf, in zierlicher Ordnung hingen, und einen
-unbeschreiblich schönen Anblick gewährten. Oben auf dem Topp des großen
-und des Fockmastes, waren Sonne und Mond in herrlichen Transparents
-zu sehen, und die unzähligen Lichter auf dem kaum merkbar hin und her
-schwankenden Schiffe, die sich in dem schillernden Wasser rings um,
-hundertmal wiederspiegelten, stellten den ganzen hochbeleuchteten
-Dreimaster in einen zauberisch schönen Feuerkreis.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span></p>
-
-<p>Alonso freute sich, daß diese feenartige Ueberraschung, die er Hulda
-zu Ehren veranstaltet hatte, nicht von ihr unbemerkt geblieben war;
-sie hatte ihm, von der Höhe ihres Balkons herab, einen herzlichen
-Kuß zugeworfen, und er schwamm nun in einem Meere von Fröhlichkeit.
-Er gab noch heraus, was Butlerei<a name="FNAnker_48_48" id="FNAnker_48_48"></a><a href="#Fussnote_48_48" class="fnanchor">[48]</a> und Kambüse<a name="FNAnker_49_49" id="FNAnker_49_49"></a><a href="#Fussnote_49_49" class="fnanchor">[49]</a> vermochten, und
-man schwärmte bis zum hellen Morgen, wo die armen, diese Nacht oft
-gestörten gelbgefiederten Schreihälse auf dem benachbarten canarischen
-Schiffe, den Tag verkündeten, und man die gastliche Antoinette verließ.</p>
-
-<p>Doch einen Augenblick noch auf Hulda zurück. Als sie mit dem Vater zu
-Hause kam, empfing sie die Mutter mit verweinten Augen.</p>
-
-<p>Ihr habt Euch auf Eurem Spaziergange ja recht lange verweilt, sagte sie
-kalt, und durchbohrte Hulda mit einem pfeilscharfen Blicke.</p>
-
-<p>Wir sind in Gesellschaft gewesen, entgegnete Hulda offen, und morgen
-früh wird&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Erspare Deine Bekenntnisse, fiel sie dem<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span> Mädchen, das ihr jetzt das
-Geständniß seiner glücklichen Liebe ablegen wollte, bitter in das Wort.
-&mdash; Deine zärtliche &mdash; fuhr sie zum Manne fort: Deine zärtliche Vorsorge
-für meine Ruhe hat Dir wenig geholfen; ich weiß alles, leider durch
-Fremde. Mein Kind hat sein Vertrauen zu mir verloren; wo Vertrauen
-fehlt, ist auch keine Liebe, Hulda, ich bitte Dich um Gotteswillen,
-womit habe ich dieß verdient? Ich habe seit Empfang dieser Zeilen
-&mdash; sie wies auf ein Billet der Maklerin &mdash; Stunden gelebt, die mir
-den Abschied aus diesem Leben leider recht erleichtern. Ich träumte,
-wenigstens von meinem einzigen Kinde geliebt zu seyn! &mdash; und dieses
-hintergeht mich, hintergeht mich da, wo andere gute Töchter sich der
-Mutter, ihrer ersten, ihrer treuesten Freundin, vor allen andern
-vertrauen. &mdash; Die ganze Stadt weiß, was mir, von Dir, von meinem Kinde
-verborgen wird. Gott im Himmel! habe ich denn auf der ganzen Welt
-keinen Freund mehr, als den Tod?&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Antoinette! hob der Vater ruhig an: seit Du mir Deine Hand gabst, habe
-ich nie hinter Deinem Rücken gehandelt; traue mir so viel Selbstgefühl
-zu, daß ich jetzt nicht anfangen werde,<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span> mich einem Fehler Preis zu
-geben, der &mdash; er sagte das mit weicher Stimme &mdash; auch den letzten
-Pfeiler unsers häuslichen Glücks untergraben würde. Was ich gethan
-habe, kann jeder wissen. Der Mann, der sich um Hulda’s Hand bewirbt,
-wollte heute früh schon Dich begrüßen; ich hielt ihn davon ab, und
-bat um Aufschub bis morgen, weil ich auf den Besuch Dich vorbereiten
-wollte; von seiner jugendlichen Raschheit mußte ich fürchten, daß
-er gleich heute mit seinem Anliegen hervortreten möchte; von Deiner
-Liebe zum einmal gefaßten Plane aber, daß Du, krank und mißgelaunt,
-nicht möchtest Dich ihm so erklären, wie wir mit ihm es wünschen. Ein
-<em class="gesperrt">solcher</em> Schwiegersohn, ist er einmal gekränkt, kömmt nicht
-leicht wieder, und darum rieth mir die Vernunft, mit Vorsicht hier
-an’s Werk zu gehen. Er lud uns beide zu sich ein; ich sagte zu, um
-unterdessen, bis ich mit Dir darüber sprechen konnte, den Mann, dem
-wir das Kind auf Lebenszeit hingeben sollen, noch näher zu ergründen.
-Daß seine Absicht ruchtbar ward, daß Maklers sie Dir hinterbringen,
-und ihres Sohnes Nebenbuhler in schwarzen Schatten stellen würden,
-konnte ich mir denken, und darum suchte ich die Men<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span>schen, wenigstens
-bis morgen, von Dir zu entfernen, damit Du ihn dann ohne Vorurtheil
-sähest, und zwischen ihm und Maklers Caspar freie Wahl hättest. Wenn
-ich hierinn gefehlt habe, so verzeihe mir Gott; ich that es nur, um
-Hulda’s Beßten willen. Du liebst das Kind, wie ich, und darum wirst
-auch Du mir gern vergeben, wenn mein Verfahren Dich beleidigt hat.
-Wehe wollte ich damit, beim Himmel, Dir nicht thun. Den Zweck, Alonso
-näher zu erforschen, habe ich nun zwar ganz verfehlt, denn in dem Saus
-und Braus von hundert frohen Gästen, ließ sich des Menschen Herz nicht
-sonderlich sondiren; indeß, was ich sah und was ich hörte, bezeichnet
-wohl den Mann, der unserm Kinde, außer Glanz und Reichthum, ein reines
-Herz darbringt, und, gute Antoinette, das ist in der Liebe und in der
-Ehe, ja doch immer der beßte Hausrath!</p>
-
-<p>Die mexikanischen Weine müssen Euch über die europäischen Hindernisse
-hinweggehoben haben, oder ich begreife Dich und Hulda nicht, entgegnete
-die Mutter mit erzwungener Ruhe: lies doch den Brief meiner ehrlichen
-Maklerin. Der Mensch kann der gefährlichste Abenteurer<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> seyn; das
-kümmert euch nicht. Er lügt Euch seine Piaster millionen weise her,
-und ihr seyd, mit der ganzen Stadt, gutmüthig genug, seine Prahlereien
-ihm auf’s Wort zu glauben. Er will von deutscher Abkunft seyn, und
-nennt sich Mantequilla! er hat gar, hie und da, den kecken tollen
-Wunsch geäußert, das Kind als Braut nach Mexiko zu nehmen, weil ihm der
-Trauschein seiner Aeltern und sein Tauf-Zeugniß nicht herzuschaffen
-seyen. Wer weiß, was für verlaufenes Gesindel seine Eltern sind! daß
-sie niemals getraut, und daß er nicht getauft &mdash; beweis’t sein leerer
-Vorwand! Und einem solchen soll mein Kind, mein einziges Kind, geopfert
-werden? Nein &mdash; nimmermehr. Wär’ frommer Sinn in seiner Heidenbrust,
-und hätte alles, was er sagt, recht seinen Grund, so gäbe er der Sache
-Raum, und käm nach Jahresfrist zurück, und brächte die Documente alle
-mit, die wir verlangen müssen, wenn uns der Vorwurf unsrer Mitwelt
-nicht treffen soll, daß wir ganz ohne Kopf handelten.</p>
-
-<p>Das alles, liebe Frau, begann der Vater sanft: läßt morgen sich
-besprechen; das Mädchen ist noch jung, und kann das Jahr noch warten.<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span>
-Zwei tausend Meilen hin, zwei tausend Meilen her, sind wohl kein
-kleiner Weg; indessen muß Alonso sich, bestehest Du darauf, mit
-kindlichem Gehorsam darein fügen; die Liebe mag ihm Zeit und Weg
-verkürzen. Auch hat er sich, wenn Du es wünschest, schon erklärt, sein
-Vaterland ganz aufzugeben, und hier bei uns sein Lebenlang zu bleiben;
-ich mochte ihm sein Wort deßhalb nicht fodern, denn aus dem ungeheuern
-Geschäft, was dort sich um ihn treibt, sich hieher in unsern Hökerkram
-zu setzen, kann seine Jugendkraft, die immer höher strebt, nicht
-reizen. Der zärtlichen Mutter aber, die das Kind ungern von sich ziehen
-sieht, ist wohl ein Vorschlag dieser Art nicht zu verargen. Sprich
-morgen selbst mit ihm. Vielleicht erfüllt er Deine Wünsche.</p>
-
-<p>Die Mutter hatte still und ruhig zugehört; ihr Gesicht schien sich bei
-dem, was der Vater zuletzt anführte, ein wenig aufzuheitern.</p>
-
-<p>Hulda kniete neben dem Bette nieder, und küßte ihre Hand, und fragte
-leise, ob Mütterchen noch böse sey.</p>
-
-<p>Sie schwieg und lächelte, und eine stille Thräne zitterte ihr im halb
-erloschenen Auge.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span></p>
-
-<p>Der Vater benutzte die in ihrem Innern vorgehende mildere Stimmung, und
-erzählte, daß der alte Linsing, der recht geläufig spanisch spreche,
-sich mit dem Steuermann und dem Guardian, so wie mit einigen Matrosen
-auf der Antoinette unterhalten, und sie, hinsichtlich der Vermögenslage
-ihres Capitains, recht umständlich über dieß und jenes ausgefragt, daß
-aber, nach dem was sie darüber hätten fallen lassen, Alonso eher zu
-wenig, als zu viel davon gesagt habe. Er kann, setzte er hinzu, weil er
-bemerkt hatte, daß die Idee von Alonso’s hiesiger Niederlassung, der
-Mutter vorzüglich zusagte: mit seinen funfzehn Millionen hier leben,
-wie ein Fürst.</p>
-
-<p>Und meine Hulda liebt den fremden Mann? fragte die Mutter mit mildem
-Worte.</p>
-
-<p>Wie keinen andern, lispelte Hulda leise, und bog sich auf der Mutter
-Hand herab.</p>
-
-<p>Ich werde, versetzte die Mutter mit einem Tone, als wolle sie Hulda und
-den Vater überzeugen, daß beide sich in ihr geirrt hatten: ich werde
-meines Kindes Glück nicht stören. Ich habe zwar geglaubt, daß der, den
-ich im Stillen erwählte, auch Hulda werde wohlgefallen, doch, wenn das
-nicht soll seyn, kann ich mich gern fü<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span>gen. Ist das, was von Alonso’s
-fabelhaftem Reichthum Ihr erzählt, zur Hälfte nur gegründet, und ist
-er meines Kindes Liebe werth, und kann er meinen Wunsch erfüllen, und
-seinen Wohnplatz bald, auf immer her verlegen! so kenne ich meine
-Mutterpflicht, und werde ihr nichts schuldig bleiben. Mit Freuden
-opfere ich dann jene kleine Grille, und segne Euren Bund.</p>
-
-<p>Hulda traute ihrem Ohre kaum; sie umschlang die zärtliche Mutter, und
-bedeckte ihre bleiche Wange mit den Küssen der kindlichsten Liebe. Noch
-danke nicht, mein Kind, sagte die Mutter freundlich: erst wünsche ich
-den Mann zu sehen, dem es gelang, dieß reine Herz so schnell für sich
-zu gewinnen; doch &mdash; jetzt nichts, nichts mehr davon. Ihr wißt, ich
-liebe nicht viel Worte.</p>
-
-<p>Da eilte Hulda von dannen und flog in den Garten, um dem vor Freude
-und Entzücken fast zerspringenden Herzen Luft zu machen. So rasch, so
-leicht der Mutter Sinn zu wenden, hatte sie sich nicht gedacht. Die
-Schickung wollte alles so; der Finger dessen, der das Herz des Menschen
-lenkt, ließ sich hier nicht verkennen. Den ganzen Tag war sie noch
-nicht auf dem Balkon gewesen, und hatte es Alonso doch versprochen! Ein
-we<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span>nig mußte sie hinauf, und kaum, als sie sich sehen ließ, stand, wie
-durch einen Zauberschlag, das ganze Schiff, vom Wasserspiegel bis zum
-Topp, so herrlich groß beleuchtet &mdash; ganz oben &mdash; höher noch als sie,
-die Sonne und der Mond &mdash; der Mexikaner sanfte Götter! verschwunden
-war am schwarzen Himmel das Kreuz und alle dräuende Gestalten. Nur
-Jauchzen hörte sie vom Schiff herauf und laute Freude, und mit der
-Liebe glücklichstem Entzücken warf sie dem schönen Mann, der beide Arme
-ihr entgegen breitete, die süßesten der Küsse zu.</p>
-
-<p>Er kam den folgenden Morgen bei früher Tageszeit, hörte von Hulda und
-dem Vater, wie die Sachen sich unterdessen gestaltet hatten, und welche
-Wünsche ihm würden eröffnet werden, und trat, in beider Mitte, in das
-Zimmer der Mutter.</p>
-
-<p>Ein Fieberblitz zuckte dieser durch alle Glieder, als sie seiner
-ansichtig ward; sie schrie laut auf und verhüllte das Gesicht mit ihrem
-Tuche, als hätte sie ein Gespenst gesehen.</p>
-
-<p>Der Capitain Don Mantequila, hob der Vater, wegen dieses sonderbaren
-Auftritts, sehr verlegen an, und wollte ihr Alonso vorstellen. Sie aber
-rief: um Gotteswillen weg, weg<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span> &mdash; das ist sein Gesicht &mdash; das ist er
-selbst. Warum &mdash; ich frage Dich furchtbare Allmacht, warum mir hier, am
-Rande des Grabes, noch diese ungeheure Qual!&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Antoinette, sagte der Vater höchlich bestürzt: was ist Dir? Mütterchen,
-rief Hulda, und stürzte vor ihr Bette auf die Knie nieder: um
-Gotteswillen sprich &mdash; was hast Du für ein böses Traumgesicht?</p>
-
-<p>Laßt mich sterben! tödtet mich! macht meinem entsetzlichen Leben ein
-Ende! entgegnete die Mutter aus schwer gepreßter Brust, und rang die
-Hände mit abgewendetem Gesicht &mdash; <em class="gesperrt">das</em>, <em class="gesperrt">das</em> soll Hulda’s
-Gatte seyn? Ein Teufel ist es, den die Hölle ausgespien! Ich habe ihm
-geflucht! Sie richtete sich in die Höhe, die Augen rollten funkelnd
-ihr im Kopfe, die bleichen Wangen brannten dunkelroth, und krampfhaft
-bebten ihr die blassen Lippen &mdash; Es ist die letzte Stunde meines
-Lebens! des Todes Schauer rieseln kalt mir durch die Seele &mdash; die Rache
-Gottes führt Dich Sünder zum Gericht. Ich fluche dreimal Dir &mdash; Fluch,
-Fluch, Fluch, Dir schauderhaftem Ungeheuer!&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Um Jesus Christi willen, Mutter! schrie Hulda<span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span> außer sich, und faßte
-die drohende Rechte der Schrecklichen, die vor ihr grausend lag, wie
-jenes Wolkenbild am Himmel.</p>
-
-<p>Der Mutter aber war der Athem ausgegangen &mdash; der Tod schlug grinsend
-seine kalten Arme um die sichere Beute &mdash; die Pulse stockten, und wie
-das letzte Gift des unversöhnlichsten Ingrimms, so trat ihr der weiße
-Schaum auf die zuckenden Lippen.&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Alonso schwankte vom Vater begleitet lautlos zur Thüre hinaus.</p>
-
-<p>Der Mutter brechendes Auge suchte ihn, und da es ihn nicht mehr fand,
-ward sie ruhiger. &mdash; Sie athmete schwer. &mdash; Sie seufzte tief &mdash; eine
-Riesenlast lag ihr auf dem Herzen. Sie hatte aber nicht die Kraft mehr,
-sich sie abzuwälzen. Nur abgebrochene Worte, die kaum mehr verständlich
-waren, konnte sie hervorbringen.</p>
-
-<p>Sie faßte Hulda’s Hand, und drückte sie heftig in die ihrigen. Mit
-höchster Anstrengung sammelte sie den Rest ihrer Kräfte, und sprach in
-kurzen Sätzen, halb laut &mdash; Die letzte Bitte Deiner Mutter! schwöre
-mir, ihm nimmer zu gehören&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Du bist krank, meine Mutter, sagte Hulda weinend: Deine Phantasie&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span></p>
-
-<p>Nein, erwiederte die Sterbende: ist er es nicht, so ist’s sein Sohn;
-ich habe ihm geflucht bis in das dritte Glied &mdash; Sophie wird Dir alles
-sagen.</p>
-
-<p>Der Heiland hat verziehen, entgegnete Hulda: er betete für seine
-Feinde; und Du, mein Mütterchen, willst scheiden aus der Welt mit
-solchem Groll, und wie &mdash; wie kann Alonso den verdienen, da Du ihn nie
-sahest?</p>
-
-<p>Gott strafte auch der Väter Sünde bis in’s vierte Glied. Alonso soll
-des Vaters Sünde büßen.</p>
-
-<p>Kennst Du den Vater denn?</p>
-
-<p>Ein schwerer Seufzer war die Antwort; das Auge fand die letzten
-Thränen; &mdash; die Arme schluchzte laut, das hart gequälte Herz ward
-endlich weich und milde.</p>
-
-<p>Nimm Mutter, Deinen Fluch zurück, bat Hulda christlich fromm, in Angst
-und Schmerz ganz aufgelös’t. Der Tod versöhnt ja alles! Laß beten mich
-für Deiner Seele Ruhe. O &mdash; Mutter richte nicht! Ich weiß nicht, was
-man gegen Dich verbrochen hat. Alonso aber ist nicht schuldig! Und Gott
-allein ist unser Richter. Mach’ Dir die Sterbestunde leicht. Vergib,
-so<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span> wird auch Gott Dir gern vergeben, und Engel werden Deine fromme
-Seele zu seinen Himmeln sanft geleiten.</p>
-
-<p>Da fiel ein Schuß, ein zweiter, und ein dritter, und von dem Hafenfort
-erdonnerte des Abschiedgrusses Antwort.</p>
-
-<p>Alonso geht in See, schrie händeringend Hulda, und sank ohnmächtig in
-einander.&nbsp;&mdash;</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Die Unglückliche hatte sich nicht getäuscht.</p>
-
-<p>Alonso, bis in den Grund der Seele erschüttert, des Mutterfluches
-grause Worte in dem Herzen, kam todtenbleich an seines Schiffes Bord.</p>
-
-<p>Er fand den alten Linsing, warf weinend sich ihm in die Arme und rief,
-vom scharfen Schmerz zerrissen: Ich muß von dannen, ich muß fort.
-Allmählig nur gelang dem antheilvollen Freunde, das schreckliche
-Begebniß ihm abzufragen.</p>
-
-<p>Alonso, hob er tröstend an: nur hier nicht gleich so rasch gehandelt.
-Die Frau hat phantasirt; ein Mißverständniß seltner Art muß hier zum
-Grunde liegen. Mein Freund, mein lieber Sohn, sey ruhig. Es wird, es
-muß sich alles noch enträthseln.</p>
-
-<p>Kann Hulda den je lieben, den ihrer Mut<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span>ter Fluch getroffen hat? fragte
-Alonso und starrte dunkeln Blickes vor sich hin. Ich ahne Gräßliches!
-Ein Mißverständniß ist es nicht. Die Frau gehörte dieser Welt schon
-nicht mehr an, und drüben sieht man heller, als wir blöde Menschen.
-Sie hat sich nicht geirrt. Mein Vater &mdash; und ihr Bild! Im Sterben noch
-war sie sich ähnlich. &mdash; Antoinette nannte sie der Mann &mdash; des Vaters
-Lieblingsname &mdash; zu ehren ihn, hab’ ich mein Schiff also genannt.
-&mdash; Aus Frankfurt sagt Auguste &mdash; aus jedem Umstand press’ ich einen
-Tropfen zu dem Gifte, das mir in ihrem Fluche liegt. Und Hulda &mdash; mein
-ganzes Glück, mein Leben &mdash; dem Fluchbedeckten darf sie ja die reine
-Hand in Ewigkeit nicht reichen. &mdash; O &mdash; hätt’ ich doch aus meinem
-Scherze Ernst gemacht; ich wollte gestern mit ihr fort, &mdash; da hielt
-sie mich, um ihrer Mutter Segen willen. Statt dessen schleuderte die
-Sterbende, aus ihres Grabes Schauertiefe, mir ihren Fluch in’s todte
-Leben nach! &mdash; So wahr mein Gott im hohen reinen Himmel &mdash; ich büße
-eine fremde Schuld. &mdash; Was helfen nun mir alle Millionen! Das Höchste
-meines Lebens, das Herz des Engels ist mir freventlich geraubt, und ich
-bin bettelarm!<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span> So lang ich athme, wird das meine ihr allein gehören.
-&mdash; Nein, außer ihr kann Keine ich je lieben! &mdash; Mein alter Herr und
-Freund, bringt meine Schwüre ihr. Der Sonne Strahl soll langsam quälend
-mich vertrocknen, des Mondes mildes Licht mir nimmer wieder scheinen,
-und meines großen Gottes Rache fort und fort mich überall verfolgen,
-wenn meinen Schwur der Treue ich je breche. Bringt, Freund, ihr diesen
-Kuß! Ich kann sie nimmer wieder sehen.</p>
-
-<p>Alonso, liebster Freund, ermahnte bittend der Director: ach haltet
-diesesmal nur Euern raschen Sinn im Zügel. Die Mutter ist ja krank, sie
-kann sich bessern; das böse Wort, dem Irrthum bloß enteilt, kann sie
-ja widerrufen. &mdash; Sie kann vielleicht auch sterben, und dann ist Hulda
-frei!&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>So denkt Ihr hier in Eurer alten Welt? fragte Alonso bitter. Ein
-Irrthum war es nicht! Der Geist des höhern Lichts sprach aus des
-Todtenrichters Munde. Und lebt sie Jahre noch, sie wird, sie kann nicht
-widerrufen. Und thät sie es &mdash; meint Ihr, daß sie damit den in Gift
-getauchten Dolch mir aus dem Herzen ziehen könnte, den sie tief hinein
-gestoßen hat? Was<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> ich hörte, ich kann es nicht ungehört machen. Ich
-könnte nimmermehr mit Liebe mich ihr nahen; ich könnte nie Vertrauen zu
-ihr fassen. Sie könnte Mutter nimmermehr mir seyn. &mdash; Und frei, sagt
-Ihr, sey Hulda wenn sie stürbe? Wohl werden Wunder nicht geschehn, wenn
-Hulda mir die Hand nach ihrer Mutter Tode gäbe. Kann Hulda aber das?
-Kann Hulda an der Seite des Verfluchten sich eine Stunde nur des Lebens
-freuen? &mdash; Beim kleinsten Mißgeschick &mdash; muß sie nicht immer gleich des
-Mutterfluches harte Folgen fürchten? &mdash; Das Drohbild, was sie gestern
-in den Wolken sah! &mdash; Mein Gott und Herr, soll das ein Vorgefühl des
-Jammers, den der Zorn der Mutter uns bereitet hat, gewesen seyn? &mdash;
-Ich kann nicht bleiben; &mdash; ich muß fort. Sie noch einmal zu sehen, ist
-mehr als ich ertragen kann. &mdash; Mein Arm darf sie nicht mehr umfangen!
-Sie muß mich fliehen, ich bin geächtet. &mdash; In wenig Stunden bin ich der
-ganzen Stadt Gespött! man zeigt mit Fingern auf den kühnen Fremden, der
-sich erdreistete, der Blumen lieblichste Europa’s Gärten zu entführen,
-und den ein Weib mit Fluch und Bann belegte! &mdash; Nein! fort von hier!
-hinaus in’s wilde Meer!<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span> vielleicht wirft bald eine Welle mich in des
-Abgrunds dunkle Tiefe! &mdash; Gott sey mir Armen gnädig.</p>
-
-<p>Mit wildem Ungestüm sprang er zum Fockmast vor, und schrie den Negern
-zu: <span class="antiqua">Listo! levad el ancla</span>,<a name="FNAnker_50_50" id="FNAnker_50_50"></a><a href="#Fussnote_50_50" class="fnanchor">[50]</a> und andern: <span class="antiqua">Listo! dad
-vela</span><a name="FNAnker_51_51" id="FNAnker_51_51"></a><a href="#Fussnote_51_51" class="fnanchor">[51]</a>; und pfeilschnell flogen sie auf ihre Posten. Die schweren
-Anker wanden sich aus ihrem Grunde, und in die aufgehießten Segel blies
-der leichte Landwind seewärts.</p>
-
-<p>Alonso ließ ein kleines Boot aussetzen, um den alten Linsing an das
-Land zu bringen. Noch einmal schloß er ihn in seine Arme. Ein heißer
-Thränenstrom entstürzte seinen Augen. Mein letztes Wort ist Hulda! rief
-er im Schmerz der Trennung fast vergehend. Beschwöret sie, mit Liebe
-meiner immer eingedenk zu bleiben. &mdash; Doch ihre Hand sey frei. Kann
-sie mit einem Andern glücklich seyn, so segne ich den Bund, mag es mir
-auch das Leben kosten. Kein Bild, kein Blatt, nicht eine Locke, ich
-habe nichts<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span> von ihr, das süße Wehe nur in der gequälten Brust. Noch
-höre ich den Wohllaut ihrer Stimme, noch sehe ich die reizende Gestalt;
-mein guter Gott, laß mir dies beides nur, so lange ich das Leben hier
-noch friste. &mdash; Noch einmal laßt mich athmen tief &mdash; es ist die Luft
-in der sie lebt, laßt ihres Athems Würze mich einsaugen. &mdash; Ich sehe
-sie ja <em class="gesperrt">nie</em> &mdash; verstehst Du alter Freund, verstehst Du dieses
-Schreckenswort? &mdash; Ich sehe nie sie wieder; &mdash; die Lootsen kommen an
-den Bord, aus Euerm Hafen mich zu bringen. Gehabt Euch wohl. Ich steure
-meinen Cours in’s Grab. Mein Herzensfreund, wenn Du mich liebst, so
-bitte mit mir Gott, daß er das liebeleere Leben mir bald ende. Dort
-oben gilt kein Fluch. Dort seh ich Hulda wieder! &mdash; Dank Dir, mein
-alter Freund, daß Du die bittere Scheidestunde mir versüßest. Bring
-Frau und Kindern meinen Gruß. Dieß, Linsing, meiner Hulda!</p>
-
-<p>Er gab ihm aus einem neben ihm stehenden Blumentopfe, einen Zweig
-brennender Liebe, drückte ihm einen Kuß auf die Lippen, zog ihn noch
-einmal an sein Herz, und die Kanonen seines Schiffes sagten dem Hafen
-Lebewohl.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span></p>
-
-<p>Linsing ließ sich an das Land setzen, und Alonso stand wie ein
-Wahnsinniger, mit starrem Blicke nach dem Balkon gerichtet.</p>
-
-<p>Weiter und weiter trieb der Wind die Antoinette hinaus, dem
-unermeßlichen Weltmeere zu &mdash; Hulda erschien nicht &mdash; Alonso’s Kräfte
-schwanden. Die starke Eiche brach, wie mürbes Rohr, zusammen. Er stieß
-der bittersten Verzweiflung lauten Schrei aus der zerrissenen Brust,
-und stürzte halb todt auf das Verdeck; da eilten seine treuen Neger
-schnell herbei, und trugen ihren Herrn erstarrt in die Kajütte.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Wer mahlt der armen Hulda namenlosen Schmerz, als sie erwachte. Die
-Mutter lag entseelt vor ihr im Bette. Das Herz, es schlug nicht mehr,
-kein Athemzug &mdash; das starre Auge hatte nicht mehr Leben, vom bittern
-Todeskampf war das Gesicht entstellt &mdash; der Fluch &mdash; es war, als hätte
-sie ihn nicht zurück genommen, als wäre sie mit ihm zur Unterwelt
-gefahren.</p>
-
-<p>Des Kindes Angstgeschrei rief den Vater und die Bedienung herbei.
-Auch der Arzt kam. Alle Mittel, des Todes Macht zu bannen, blieben
-erfolglos.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span></p>
-
-<p>Hulda konnte nicht bleiben; das furchtbar zürnende Gesicht der &mdash; mein
-Jesus, rief sie laut: ich will ja, Mutter, Deinen Willen thun, nur
-zürne mir im Tode nicht! Ich war Dein liebes Kind ja immer, und Gott
-wird Kraft mir geben, daß ich &mdash; O Mutter, Mutter, höre noch aus Deiner
-fernen Welt auf Deines Kindes banges Flehen &mdash; geh’ nicht mit diesem
-Groll in Deine stille Gruft.</p>
-
-<p>Der Vater bat weinend die Umstehenden, Hulda auf ihr Zimmer zu bringen.
-Bete mein Kind, sagte er, ihr ängstliches Zagen beschwichtigend: auf
-Deinen Knieen um die Ruhe der Verklärten. Alles meines Bestrebens
-ungeachtet, hat ihr das Leben der Freuden wenig nur geboten. Sie nannte
-oft den Tod nur ihren einzigen Freund. Sein sanfter Schlaf möge ihr die
-Erquickung schenken, die sie hier nirgends finden konnte, und jenseits,
-wo uns kein Kummer trüben soll und wo wir klarer schauen werden, wird
-sich vielleicht auch mir des Trübsinns Grund eröffnen, der überall die
-Rosen ihres Lebens bleichte.</p>
-
-<p>Hulda, in Thränen der kindlichsten Wehmuth zerfließend, lag in ihrem
-Zimmer, vor ihrem<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> Gott gebeugt, als der alte Linsing eintrat, die
-brennende Liebe ihr reichte, Alonso’s Scheidekuß ihr auf die Lippen
-drückte, und ihre vorhin geäußerte, über das plötzliche Verscheiden der
-Mutter aber wieder entschwundene Ahnung von Alonsos Abreise, durch die
-einfachen, im Munde des tief gerührten Mannes kaum vernehmbaren Worte:
-Er ist fort! bestätigte.</p>
-
-<p>Sie sah den Todesboten mit thränenschweren Augen an, that aus der
-blutenden Brust einen lauten Schmerzensschrei und sank, dem Jammer des
-Lebens auf ewig verfallen, ohne Besinnung zu Boden.</p>
-
-<p>Nach einer Stunde erst kam sie so weit wieder zu sich, daß sie ihrer
-Sinne mächtig ward. Unter dem Vorwande, frische Luft zu schöpfen, ging
-sie in den Garten, trat später in den Saal und bestieg den Balkon.</p>
-
-<p>Auf der Stelle im Hafen, wo die prächtige Antoinette vor Anker lag,
-befand sich jetzt ein unansehnlicher Grönlandsfahrer; draußen auf dem
-Meere, ganz oben, auf der fernsten Höhe des Wasserspiegels, gewahrte
-sie einen schwarzen Punkt. Das war Alonso’s Schiff; mit gebrochenem
-Herzen rief sie dem Entschwindenden, der<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> unauslöschlichen Liebe
-verzweiflungvolles Lebewohl, leise nach, und sah, still vor sich
-weinend, starren Auges, nach dem immer mehr und mehr enteilenden Punkte
-hin, bis er verschwand.</p>
-
-<p>Zehnmal wischte sie sich die aus der gepreßten Brust unaufhaltsam
-hervorquellenden Thränen von den Wimpern, um noch einmal, nur noch ein
-einziges Mal das fliehende Schiff zu erspähen. Aber ihr Auge erreichte
-es nicht mehr!&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Die Mutter todt, Alonso fort! &mdash; Vielleicht auf immer und ewig fort!&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Die Unglückliche drückte das letzte Zeichen seiner Treue, die
-brennende Liebe, an die Lippen, und überließ sich, still weinend, der
-schmerzlichsten Trauer.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Die Leiche der Mutter zu sehen, hatte sie absichtlich gemieden; das
-zürnende Drohgesicht &mdash; es wich nicht von ihrem innern Auge; sie sah es
-wachend und träumend.</p>
-
-<p>Am Begräbnißtage &mdash; sie hatte den entsetzlichen Augenblick lange
-gefürchtet, wo sie der Hülle der Vorangegangenen zum letzten Mal sich
-nähern sollte, um ihr der Kindesliebe frommen Dank zu bringen, und ihr
-zur Nacht des langen<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span> Schlafs, die Ruhe der Seligen zu wünschen &mdash; am
-Begräbnißtage trat sie an den Sarg.</p>
-
-<p>Der Mutter Züge hatten sich verändert; nichts trübte mehr die
-qualerfüllte Brust, in der das frömmste Herz geschlagen. Der Kummer
-dieses Lebens drückte nicht mehr auf die Engelreine. Versöhnt mit dem
-Geschick, und harrend ihres Lohns, der droben guter Menschen wartet,
-lag sie, wie eine Gottverklärte da. Ein mildes Lächeln schwebte in
-jedem ihrer Züge; es war, als spräch’ ihr blasser Mund, mein Glück war
-nicht von dieser Welt. Jetzt ist mir wohl. Der Gott, der jede still
-geweinte Thräne zählt, wiegt jede mir durch tausend Freuden auf.</p>
-
-<p>Mein Mütterchen, sagte Hulda mit der Wehmuth leisestem Tone, und kniete
-am Sarge nieder: Du zürnest nicht mehr mit mir? Du behältst mir drüben
-Deine Liebe? Dein Kind darf furchtlos an das Wiedersehen denken? &mdash;
-Der in den letzten Augenblicken Deines Lebens den Frieden Deiner Seele
-störte, er hat zum Opfer sich und mich gebracht. Das Kind soll folgsam
-seiner Mutter seyn. So hat sein edles Herz gewollt. Laß nun auch ab
-von Deinem Hasse gegen ihn, und kann aus jenen Lichtgefilden, in<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span>
-denen Deine Seele schwebt, auf Dein verwais’tes Kind Dein mütterlicher
-Segen wirken, so gib mir Kräfte, daß ich ertrage, was Dein Gebot mir
-auferlegt; und ist es in dem Plane des Geschicks, daß des irdischen
-Lebens Glück unwiderruflich mir verloren sey, so rufe Du mich bald,
-daß ich Dir folge, denn diese arme Welt gewährt mir keine Freude mehr.
-Schlaf sanft, mein Mütterchen! die Klage meiner Leiden soll in Deiner
-Ruhe Dich nicht stören. Kein Vorwurf soll in Deine stille Kammer Dich
-begleiten. Mein Heiland starb am martervollen Kreuze; er duldete und
-schwieg; auch ich will schweigend dulden. Vergebung flehete er, weil
-sie nicht wußten, was sie thaten. Vielleicht hast Du, mein Mütterchen,
-auch nicht gewußt, warum Du mir gethan, was meines Lebens Blüthe
-vernichtet hat, auf ewig. Mein Jesus lehrte mich, in diesem Fall,
-Vergebung Dir erbitten; und so soll Gott sich Deiner mild erbarmen, und
-wenn Du fehltest, mit seiner Liebe nur Dich richten. In Deinem Willen
-lag gewiß mein Wohl, und darum sey entladen aller Schuld, und kehre ein
-in Deiner Freuden Reich.</p>
-
-<p>Sie neigte ihr Haupt auf die gefalteten Hände,<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span> und wimmerte, leise
-schluchzend. Da traten die mit schwarzem Krepp umflorten Träger
-ein, und verschlossen den Sarg. Einen Blick noch warf sie auf die
-Entschlafene, einen Blick der Liebe, der Verzeihung und des Friedens;
-und der Gott, der den schuldlosen Kindern das Himmelreich verheißet,
-und in seinem unerforschlichen Willen von seinen Auserwählten oft der
-Prüfung schwere Opfer fodert, schenkte ihrem Herzen wohlthätige Thränen
-und sanften Trost.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Mit einem spanischen Schiffe, das einige Wochen später nach dem Hafen
-von Calao<a name="FNAnker_52_52" id="FNAnker_52_52"></a><a href="#Fussnote_52_52" class="fnanchor">[52]</a> abging, hatte Hulda den Tod der Mutter deren Schwester,
-der Tante Sophie in Lima berichtet, sie von ihren Verhältnissen zu
-Alonso in Kenntniß gesetzt, und sie zugleich um die Aufschlüsse über
-der Mutter unerklärliche Abneigung gegen letztern gebeten.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Der Kummer über den Verlornen; der Schmerz, daß die erste Freundinn
-ihres Herzens, ihre Mutter, ein Bündniß nicht gebilliget hatte, in dem<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span>
-Hulda ihr ganzes Lebensglück zu finden meinte; die zweitausend Meilen
-weite Trennung von dem Treugeliebten; der sich täglich mehr begründete
-Zweifel eines möglichen Wiedersehens; das heimliche Spötteln mancher
-werthlosen Menschen; die heimtückische Rachsucht der Makler-Familie,
-die sich freute, das unglückliche Mädchen auf alle ersinnliche Art zu
-kränken; das lange vergebliche Harren auf eine endliche Nachricht von
-ihm und der Tante &mdash; Alles dieß nagte zerstörend an Hulda’s frischer
-Jugendkraft. Sie verlor allen Reiz am Leben, zog sich aus allen
-gesellschaftlichen Kreisen, mied alle Zerstreuungen, und lebte nur
-ihrem stillen Kummer und der Erinnerung der seligen Stunden, die ihr in
-Alonso’s Nähe vom Geschick, nur viel zu spärlich, zugemessen gewesen
-waren.</p>
-
-<p>Einem reinen, zartfühlenden Mädchen ist kein Gift gefährlicher, als das
-des Grams der Liebe. Wie schmerzlich hatte dieses hier gewüthet! Die
-schöne Knospe, sie war geknickt. Verwelkt waren Blätter und Zweige;
-verdorrt der Saft des Lebens!</p>
-
-<p>Ich kannte Hulda’s Lage, und meine herzliche Theilnahme erwarb mir ihr
-freundliches Wohlwollen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span></p>
-
-<p>Sie sprach, wenn sie mit Gustchen, ihrer vertrautesten Freundinn allein
-war, gern von Alonso, &mdash; aus der geheimsten Tiefe ihrer Seele schien
-dann immer noch ein schwacher Strahl der Hoffnung aufzublitzen, daß
-eine Verbindung mit dem Geliebten ihres Herzens doch möglich sey.</p>
-
-<p>Ihre blasse Wange röthete sich dann ein wenig, und das thränenmüde Auge
-blickte mit wehmüthigem Lächeln in die Zukunft. Sie glich der Sonne
-am frühen Herbstabend, die, hinter trüben Wolken hinabsinkend, noch
-einmal der Erde den freundlichen Scheideblick zuwirft. In ihrem großen,
-geistvollen Auge lag ein Himmel voll Seligkeit, und wenn sie vom Herzen
-zum Herzen sprach, glaubte man eine Heilige der christlichen Vorwelt zu
-hören, so demüthig war ihr Sinn, so gottergeben ihr engelreines Gemüth,
-so vorbereitet ihre Seele auf das Jenseit, dem sie, durch Vollendung
-ihres edlen Selbst, entgegen reifte. Nur wenn die Rede auf ihn kam, an
-dem ihr Herz mit unaussprechlicher Liebe hing, trat die Anhänglichkeit
-an das Irdische mit all ihrem Zauber wieder vor; sie erschrak dann
-über die kalte Hand des Todes, die ihr den Blüthenreiz der Jugend so
-grausam abgestreift, das frische Pur<span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span>purroth auf ihrer Lilienwange in
-kranke Leichenblässe gewandelt, und des Fleisches kräftige Frische
-so unerbittlich gewelkt hatte. Ihr Lieblingsaufenthalt war auf dem
-Balkon; wer die süßeste Sehnsucht der Liebe mahlen wollte, mußte dieß
-Mädchen sehen, wenn es oft Stunden lang, unverwendeten Blickes, in das
-unermeßliche Weltmeer schauete; und dann, heimlich vor sich hin, die
-Augen voll Wasser, den Kopf schüttelte, und leise sagte: er kömmt immer
-noch nicht.</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Endlich, nach vierzehn langen Monaten, trafen Briefe von der Tante
-Sophie ein.</p>
-
-<p>Der Mutter Wille, schrieb diese unter andern: ist, wie Du mir sagst,
-daß ich Dir das dunkele Räthsel löse, das der Unglücklichen Leben bis
-zur letzten Stunde trübte, und Dir, meine theure Hulda, alle Deine
-Hoffnungen, all’ Dein Glück, unwiederbringlich vernichtet hat.</p>
-
-<p>Ich erfülle diesen Willen mit schwerem Herzen, weil ich des
-Unerforschlichen Wege, auf denen sich Folgen an Ursachen in ewiger
-Kette fortreihen, hier so sichtbar gezeichnet finde, daß ich alle
-Menschen laut und dringend beschwören möchte, jeden ihrer Schritte,
-jede ihrer Handlungen, und<span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span> alles, was der Natur der Dinge nach, daraus
-entstehen muß, prüfend zu berathen, um seine Seele nicht mit Vorwürfen
-zu belasten, die keine Macht der Welt von uns zu nehmen vermag.</p>
-
-<p>Antoinette ward, in der Blüthe ihrer Jahre, von einem jungen Manne
-geliebt, der ihren Reizen und ihren Tugenden mit unbeschreiblicher
-Leidenschaftlichkeit huldigte. Selbst ohne Vermögen, bot er, in
-leichter Hoffnung auf künftiges Glück, und ohne zu überrechnen, was zur
-Führung eines auch nur mittelmäßigen Hausstandes unentbehrlich nöthig
-ist, dem Mädchen seines Herzens die Hand; unsere Eltern aber, wie die
-seinigen, konnten diesen raschen Schritt nicht billigen, und empfahlen
-dem Heirathlustigen, die Verbesserung seiner Lage abzuwarten, die ihm,
-bei seinen Kenntnissen, mit der Zeit nicht entstehen könne.</p>
-
-<p>Man hielt die Trennung beider Liebenden für das zweckmäßigste Mittel,
-ihn von allen Zerstreuungen abzuhalten, um sich desto bestimmter seinem
-Berufe widmen, und die Begründung seiner künftigen Selbständigkeit
-desto ungestörter bewirken zu können.</p>
-
-<p>Er verließ, unter den heiligsten Schwüren ewiger Treue, unser
-Frankfurt, und ging nach<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span> Hamburg, um auf dem Comptoir eines der ersten
-dasigen Häuser zu arbeiten. Mangel an festen Grundsätzen, rasches
-Temperament, und Gelegenheit &mdash; wie viele junge Männer unsrer Zeit
-mögen diesen verführerischen Dämonen ihres Lebensglücks sich nicht
-schon in die Arme geworfen haben, ohne die Folgen ihrer Unbesonnenheit
-zu berechnen &mdash; Ein junges, unerfahrnes Mädchen von gutem Herkommen,
-wohnt mit ihm in einem und dem nämlichen Hause; sie sehen sich
-täglich; ihr beiderseitiger Umgang wird vertrauter, und der Mann, der
-vor wenigen Monaten noch, zu Antoinettens Füßen die Reinheit seiner
-Liebe mit tausend Eiden bekräftigte, mußte, um die Gefallene nicht
-dem Spotte der Welt Preis zu geben, mit ihr flüchten. In Mexiko gebar
-sie Alonso, und starb vor Gram über ihren Leichtsinn, der sie aus dem
-Kreise ihrer achtbaren Familie in einen fremden Erdstrich bannte, worin
-sie sich arm und verlassen fühlte und, nachdem der erste Rausch der
-Leidenschaft verflogen war, sich von dem nicht mehr geliebt sah, dem
-sie alles geopfert hatte. Alonso’s Vater machte seine Talente bald
-geltend; wer hier Thätigkeit mit Umsicht verbindet, <em class="gesperrt">muß</em> sein
-Ziel erreichen; das<span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span> Glück war dem Manne, der sich nun mit rastlosem
-Eifer in die Geschäfte warf, vorzüglich günstig, und so hinterließ er
-seinem eingebornen Sohne ein Vermögen, welches, selbst nach hiesigem
-Maßstabe, zu den bedeutendern gehört. Seinen deutschen Namen, Schmalz,
-hatte er, wahrscheinlich um unentdeckt zu bleiben, oder weil die sechs
-Consonanten in Einer Sylbe, dem spanischen und indischen Munde seiner
-Geschäftsverbündeten und Untergebenen unaussprechbar waren, in das
-Spanische übersetzt, und sich daher Mantequilla genannt; oft schon
-hatte ich von dem reichen Mantequilla in Mexiko gehört, ohne zu ahnen,
-daß dieß der Unbesonnene sey, der meiner Antoinette das Herz gebrochen
-hat.</p>
-
-<p>Auf diese hatte seine Treulosigkeit einen furchtbaren Eindruck
-gemacht. Sie war von dem Augenblicke an, da sie die Nachricht seiner
-Flucht hörte, wie umgewandelt; sonst die fröhliche Unbefangenheit,
-die Gutmüthigkeit, die Liebe selbst, ward sie kalt und verschlossen;
-sie haßte das Leben und seine Freuden; in ihrem Innern gährte eine
-Säure, eine Bitterkeit, die sie gegen alle Menschen immer mehr und mehr
-verfeindeten; ihre Vernunft nur und ihr Pflichtgefühl, zügelten<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span> ihren
-heimlichen Ingrimm gegen die ganze Welt; sie glaubte an keine Eide
-mehr; sie hielt das ganze Menschengeschlecht für entwürdiget.</p>
-
-<p>Dein Vater, von dem Reize ihrer blendenden Schönheit hingerissen,
-warb um ihre Hand; er ward von allen seinen Freunden gewarnt; allein
-der joviale Mann hielt ihre Kälte für Tiefe des Gemüths; ihre
-Zurückgezogenheit für Folge ihrer bisher eingeschränkten Lebensweise;
-ihre Bitterkeit, für Witz. Sie gab ihm ihre Hand ohne Liebe; sie gab
-sie ihm, weil es unsere Aeltern wünschten, weil sie jede ihrer Wünsche
-als unwiderrufliches Gesetz ansah, und weil sie jede ihrer Pflichten
-mit einer Strenge gegen sich selbst erfüllte, die an Märtyrerwahn
-gränzte. Es that ihr wohl, sich dem älterlichen Willen zum Opfer
-zu bringen; ihr Leben hatte, nach ihrer trüben Ansicht, doch nun
-wenigstens <em class="gesperrt">einen</em> Zweck gehabt.</p>
-
-<p>Es gibt, für den Mann von Gefühl, kein entsetzlicheres Loos unter dem
-Monde, als mit einer Gattinn verbunden zu seyn, die ihm, aus mehreren
-bewegenden Nebenumständen, nur nicht aus dem Drange ihres Herzens,
-ihre Hand gegeben. Antoinette erkannte alle Bemühungen<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span> Deines Vaters,
-ihr das Leben angenehm zu machen, sich in ihre unermüdlichen Launen
-zu fügen, und ihr Beweise seines herzlichsten Wohlwollens, seiner
-innigsten Liebe zu geben, an; aber sie konnte ihm dafür nichts, als
-bloßen Dank wiedergeben; sie haßte sich darüber selbst; sie klagte, in
-jedem ihrer Briefe, sich deßhalb selber an; die engelgleiche Schonung,
-mit der Dein Vater ihr zurückstoßendes Benehmen trug, und gegen andere
-sogar entschuldigte, drückte sie noch tiefer nieder; sie setzte sich
-in ihren schwermüthigen Selbstbetrachtungen zusammen, daß sie ihm und
-andern eine Last sey, und zerfiel so mit dem innern Glauben an sich
-und ihren Werth immer mehr. Eine sonderbare Frömmelei, der sie sich,
-nach ihren Briefen, besonders in der spätern Zeit, hingegeben zu haben,
-und in der sie, wie aus mehreren ihrer Aeußerungen hervorging, von
-einem dortigen mit ihr befreundetem Hause, bestärkt zu werden schien,
-dämpfte ihre zuweilen rege werdenden Bemühungen, sich aus sich selbst
-heraus zu reißen, noch mehr. Sie hielt jede Widerwärtigkeit für eine
-ausdrückliche Schickung Gottes, welcher die züchtige, die er lieb
-habe, und fügte sich zur<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span> Duldsamkeit der strengsten Büßerinnen unsrer
-christlichen Vorzeit. Ewig und ewig wühlte aber das Andenken an die
-Wehthat des Meineidigen, in ihrem tausendfach zerrissenen Herzen. Ach
-könnten die Männer das Unermeßliche der Liebe ahnen, das im keuschen
-Busen der Jungfrau so allmächtig wogt, sie würden die ungeheure Qual
-verstehen, die eine solche Liebe leidet, wenn sie betrogen wird!
-Verdamme nicht Deine unglückliche Mutter, wenn sie, &mdash; diese brennende
-Qual mehr denn zwanzig Jahre im gewaltsam verschlossenen Herzen, in
-der Stunde des ersehnten Todes, Alonso erkennend, &mdash; den wortbrüchigen
-Vater verfluchte! Es liegt in diesem Fluche etwas so schauderhaft
-Gräßliches, daß mir die Sinne vergingen, als ich ihn las. Hörten ihn
-doch alle, die sich eines gleichen Verbrechens schuldig wissen!</p>
-
-<p>Deine Briefe, meine Hulda, bestimmten mich zu einer Reise nach Mexiko.
-Nach meiner festen Ueberzeugung galten die grausenden Verwünschungen
-der Sterbenden nicht dem schuldlosen Sohne, sondern der Sünde des
-Vaters. Alonso’s Aehnlichkeit mit diesem hatte der Unglücklichen, die
-auf der furchtbaren Schauer<span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span>brücke zwischen dieß und jenseits stand, wo
-alle Sehnen, alle Nerven, alle Fibern im Kampfe mit dem wüthenden Tode,
-bis zum Zerspringen gereizt, wo ihre Sinne krampfhaft zerrüttet, wo die
-unsichtbaren Bande zwischen Seele und Körper, von der erbarmunglosen
-Parze schon halb zerschnitten waren, jene Aehnlichkeit, sage ich, hatte
-in diesem entsetzlichen Augenblicke, ihrer verworrenen Phantasie das
-Bild des Treulosen wie mit einem Zauberschlage vorgeführt; dem Jahre
-lang, unter der Gewalt der Vernunft erlegenen Herzen entstürzte fest
-das bitterste aller Gifte, das Gift gekränkter Liebe. Das Recht, was
-sie sich anmaßte, den Vater im Sohne noch zu hassen, ist ein Beweis
-ihres Wahnsinns mehr. Ihr frommer Geist war schon von ihr gewichen;
-diese Aeußerung war nur die letzte Zuckung ihres verblutenden Herzens.
-Nur einen lichten Augenblick hätte sie noch haben dürfen, nur der
-ernsten Zusprache eines verständigen Freundes hätte es bedurft, und
-jene unseligen Worte wären über ihre Lippen nicht gekommen, oder von
-ihr, mit ihrem milden christlichen Sinne, widerrufen worden.</p>
-
-<p>Im Plane der Vorsehung hat es anders<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> gelegen! Jene Sünde des Vaters
-hat den schuldlosen Sohn zum Opfer gefordert.</p>
-
-<p>Bereite Dich vor, meine Hulda, das Schmerzlichste zu hören.</p>
-
-<p>Ein Schwarzer empfing mich und meinen Gatten in Alonso’s fürstlichem
-Palaste.</p>
-
-<p>Auf unsere Frage nach seinem Herrn, brach der Mann in sanfte Thränen
-aus. Nur zu seiner Ruhestätte kann ich Euch geleiten, entgegnete er,
-mein edler Herr ist todt!</p>
-
-<p>Hulda, halte fest an Gott und seinen Glauben! Alonso ist in der Blüthe
-seines Lebens, in des Todes kalte Arme gesunken.</p>
-
-<p>Wenige Tage nach seiner Abfahrt aus Euerm Hafen, hatte ihn, wie der
-Neger erzählte, ein hitziges Fieber befallen. Der Steuermann, der
-Bootsmann, der Guardian, alle bitten ihn, zurückzukehren; er aber
-besteht auf der Fortsetzung der Fahrt; nach zwei langen Monaten fängt
-die Kraft des Rüstigen endlich an, sich allmählig wieder zu regen;
-alles preis’t Gott, der ihn, ohne ärztliche Hülfe wieder genesen ließ;
-nur ihm macht die Rückkehr in das Leben keine Freude; er, sonst der
-Lebendigste, der Heiterste auf dem Schiffe, sitzt in sich gekehrt<span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span>
-und still, mit dem Gesichte nach Europa gewendet; spricht kein Wort,
-ist weich wie ein Kind, und hat oft heiße Thränen im Auge. Der Pilot,
-ein verständiger Mann, naht sich ihm mit bescheidener Frage nach der
-Ursache seines Kummers, glaubt, daß er körperlich leide, und bitter,
-seinen Cours auf die zunächst liegende Insel richten zu dürfen, um da
-für seine Gesundheit besser sorgen zu können; Alonso aber reicht ihm
-freundlich dankend die Hand, bittet, die Fahrt nach Vera-Cruz möglichst
-zu beschleunigen, behauptet, daß ihm auf dieser Welt Niemand helfen
-könne, setzt späterhin sein Testament auf, und übergibt es, für den
-Fall seines Todes auf der See, gedachten drei Schiffsoffizieren mit den
-gewöhnlichen Förmlichkeiten.</p>
-
-<p>Ein anhaltender, sehr bedeutender Sturm, der das Schiff mehrere
-hundert Meilen verschlägt, und die angreifendsten Anstrengungen
-nöthig macht, deren sich Alonso, um die Mannschaft zu retten, Tag und
-Nacht unterzieht, bewirken in seiner Krankheit einen gefährlichen
-Rückfall. Seine Kräfte schwinden immer mehr, und nur mit Mühe gelingt
-es ihm, kaum noch lebend nach einer höchst mühvollen Fahrt, im Hafen<span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span>
-von Vera-Cruz, endlich an das Land zu setzen. Man bringt ihn in das
-benachbarte Xalappa<a name="FNAnker_53_53" id="FNAnker_53_53"></a><a href="#Fussnote_53_53" class="fnanchor">[53]</a>, das eine gesündere und angenehmere Lage hat,
-als Vera-Cruz selbst; allein er dringt darauf, nach Mexiko geschafft zu
-werden; die erdrückende Hitze auf den Dünen<a name="FNAnker_54_54" id="FNAnker_54_54"></a><a href="#Fussnote_54_54" class="fnanchor">[54]</a>, über die ihn, in einem
-Ruhebette, seine treuen Sclaven tragen, verschlimmert seine Krankheit,
-und kaum in Mexiko angelangt, verscheidet er nach kurzem Leiden.</p>
-
-<p>Sein letztes Wort war Dein Name, meine unglückliche Hulda. An Dich
-sind die Zeilen gerichtet, die er am Bord der Antoinette geschrieben,
-und unter Deiner Adresse versiegelt hinterlassen hat, und die mir, da
-ich mich als Deiner Mutter Schwester auswies, zur Weiterbeförderung
-an Dich, ausgehändigt worden sind. Alonso muß ein sehr edler Mensch
-gewesen seyn.<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span> Er hat im Testamente seinen sämmtlichen Sclaven die
-Freiheit geschenkt, und sie mit Mitteln zur Rückkehr in ihre Heimath
-versehen. Ganz Mexiko rühmt ihn, als ein Muster von Sittenreinheit; der
-Ruf seiner Tugend, seiner Kenntnisse und seines Wandels hat ihm die
-Liebe und Achtung der ganzen Stadt gewonnen, und ein recht rührender
-Beweis der zarten Anhänglichkeit seiner Umgebungen war, daß uns alle
-Personen im Hause, als wir nach seinem Grabmal wandelten, schweigend
-Hand und Fuß küßten, als wollten sie uns für die letzte Ehre danken,
-die wir ihrem angebeteten Herrn erwiesen. Das Monument, unter dem seine
-Hülle ruht, ist ein einfacher Würfel von weißlich grauem, sehr schön
-geschliffenen Granit. Es liegt unfern der Stadt, auf dem Hügel von
-Toatihuacan, zwischen den majestätischen Trümmern der, den indischen
-Göttern, dem Monde und der Sonne, geweihten Pyramiden, in der Mitte
-eines heiligen Palmenhains, rings umgeben von einem Kranze frisch
-gepflanzter brennender Liebe. Wir knieten, vom Dunkel der stillen
-Friedens-Palmen umschattet, am Grabe nieder, und beteten für Alonso und
-für Dich.&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span></p>
-
-<p>Alonso’s mit schwacher Hand geschriebene Zeilen lauten also:</p>
-
-<p>Meine ewig einzige Hulda! Nur, wenn ich hinüber gegangen bin in die
-Gefilde der Seligen, empfängst Du dieses Blatt. Ruht Dein Auge also
-darauf, so bin ich schon drüben in dem Lande des Friedens, in dem keine
-Täuschung mehr gilt, in dem nur die Wahrheit und das Recht dem Throne
-des Allmächtigen zur Seite stehen.</p>
-
-<p>Ich habe eine schwere Krankheit überstanden; meine Leute glauben
-mich genesen, aber ich fühle, daß meiner Stunden nur wenige noch
-sind. Erinnert an meine Sterblichkeit, habe ich meinen letzten Willen
-aufgesetzt, Kraft dessen Du die alleinige Erbinn dessen bist, was die
-Menschen zeitliches Glück nennen. Danke mir dafür nicht, denn es war
-seit dem Augenblicke, als Du mir Deine Hand gabst, ja schon Dein. Das
-Testament selbst, das gleich nach meiner Landung unserm Alcalde Mayor
-wird eingehändigt werden, bedarf, nach unserm Gesetz, die Bestätigung
-des Vicekönigs, für deren Bewirkung die nöthige Sorge getragen werden
-soll.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span></p>
-
-<p>Ich mag und kann nicht mehr leben. Ohne Dich, meine angebetete Hulda,
-hat die ganze Welt keinen Werth für mich. Zwischen uns hat sich der
-Fluch der sterbenden Mutter, wie ein glühender Markstein gestellt. Der
-Geächtete, der Verfluchte konnte Dir nie seine Hand bieten! Es ist
-mir gewesen, als wäre mein Gehirn aus dem Schädel gebrannt, denn ich
-habe den Gedanken, Dich, Dich meine Hulda, auf diese Weise aufgeben zu
-müssen, nicht fassen können.</p>
-
-<p>Im Wahnwitz des hitzigen Fiebers, an dem ich krank lag, war mir am
-wohlsten. Da hielt ich Dich noch für mein; da spann ich mir die
-Sekunde, die ich mit Dir lebte, zu Tagen aus; jedes Wort, jeder Blick,
-jedes Lächeln von Dir, Du alleiniger Engel meines Lebens, war mir
-gegenwärtig, und in meiner glücklichen Einsamkeit störte mich nichts,
-als das Toben der Wellen, die sich an den Seiten meines Dreimasters
-schäumend brachen. Ich sprach, ich kos’te mit Dir; ich sog aus Deinen
-Augen, von Deinen Lippen, aus Deinen tausendfachen Reizen das Süßeste
-der Liebe.</p>
-
-<p>Nach und nach verflogen meine Fieber<span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span>träume; ich kehrte in das
-schauerkalte, der Verzweiflung heimgefallene Leben zurück, und bin
-unterdessen tausend Meilen von Dir weggekommen. Sonst, Du in diesen
-meinen Armen, an dieser meiner Brust! &mdash; jetzt &mdash; ein halbes Weltmeer
-zwischen uns! &mdash; Ich sehe und sehe, aber mitten auf dem unermeßlichen
-Ozean erspähe ich nichts, als Himmel und Wasser, Dunst und Nebel; dieß
-armselige Gewand unsers ganzen Erdballs begränzt mir den Blick nach
-Deinen Küsten, und meine Einsamkeit ist fürchterlich, weil sie ewig
-ist. Ich kann mit glühender Sehnsucht hinabblicken in den Abgrund des
-Meeres, denn nur mit meinem Tode hört mein Unglück auf.</p>
-
-<p>Jenseits sollen die in Gott Entschlafenen sich wieder finden! Hast
-Du dieß Blatt in Deinen Händen, so habe ich, wenn jene wohlthuende
-Hoffnung des himmlischen Wiedersehens kein leeres Trostwort unsers
-Glaubens ist, und Deine Mutter unterdessen den letzten Todeskampf auch
-überstanden hat, sie gefunden, und bin von ihr jener Unheil bringenden
-Verwünschung entlastet worden. Ich bin dann rein von aller Sünde, auch
-von der, die aus falscher Ansicht<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span> mir aufgebürdet wurde, und Du kannst
-und darfst an mich denken, ohne mit Deinem engelreinen Herzen Dich
-meiner zu schämen!</p>
-
-<p>Weine um mich nicht, Hulda. Ich fürchte den Tod nicht, und wenn Du
-diese Zeilen liesest, habe ich ja den letzten Kampf schon glücklich
-gekämpft. Die Trennung von Dir, meine einzige geliebte Hulda, war mir
-wahrhaftig schwerer, als mir die vom Leben werden kann. Nun Du mir
-fehlst, fehlt mir alles. Athemholen und Essen und Trinken heißt noch
-nicht Leben. Ehe ich Dich kannte, liebte ich neben Gott meinem Herrn,
-meiner Neger sanfte Gottheiten, den Mond und die Sonne. Seit Dich mein
-Auge sah, vergaß ich beide, denn beide, die alles belebende Kraft der
-Sonne, und die stille Milde des freundlichen Mondes, fand ich in Dir
-wieder. Nun ich Dich nicht mehr sehen kann, mag ich auch die Götter
-meiner Neger nicht; nur nach des Grabes Dunkel sehnt sich mein müdes
-Herz.</p>
-
-<p>Lebe wohl, meine Treugeliebte! behalte die Ueberzeugung fest, daß der
-Fluch Deiner Mutter mich unschuldig traf. Du warst meine erste, meine
-einzige Liebe. Schuldlos wie das Kind,<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> das in der frühesten Jugend
-der himmlische Vater zu sich ruft, scheide ich aus diesem Leben. Die
-Gluth der Liebe, die von Deinen zauberischen Reizen angefacht, in
-meinem Herzen mit Riesengewalt empor loderte, sie soll nur im engen
-finstern Grabe, oder wenn ich auf der See noch sterbe, nur in der
-unergründlichen Tiefe des großen Weltmeeres erkalten. &mdash; Dir meine
-Hulda &mdash; das Laster des Neides ist dem Sterbenden fremd &mdash; Dir gebe
-ich Dein Gelöbniß der Treue hiermit feierlich zurück. Findest Du einen
-Mann Deiner Liebe werth, so reiche ihm Deine Hand, und sey mit ihm
-glücklich. Vergiß meiner nie, und bete für das Heil meiner Seele.</p>
-
-<p>Weiter hatte Alonso, vermuthlich wegen Körperschwäche, nicht schreiben
-können; die letzten Worte waren ohnehin schon fast ganz unleserlich.
-Hulda reichte leichenbleich die Blätter dem Vater. Sie war vom Schreck
-so durchbebt, daß sie kein Wort sprechen konnte; ein Schauer jagte nach
-dem andern ihr durch Mark und Blut, sie zitterte an allen Gliedern, und
-das starre Auge netzte keine Thräne.</p>
-
-<p>Ich konnte, sagte sie endlich nach langer<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span> Weile, ihre
-Leichtgläubigkeit sich selbst verweisend, mit erschütternder Kälte: ich
-konnte noch hoffen, und die Mutter hatte mir in jenem Wolkenbilde doch
-schon seinen Grabstein gezeigt! Weißlich grau war damals das Gestein,
-und daß jener schreckliche Spiegel meiner Zukunft nicht lüge, schleifen
-sie den Würfel, der auf seinem Grabe ruht, von weißlich grauem Granit!</p>
-
-<p>Mehr sprach sie keine Sylbe; sie ging, wie im Traume, nach dem
-Garten-Saal, und trat auf den Balkon. Da erst, als sie in die Gegend
-hinschaute, in die er gesegelt war, ohne je wieder zurückzukommen, trat
-ihr das Wasser in die Augen, da erst fand das schwer belastete Herz
-Erleichterung durch sanfte Thränen.</p>
-
-<p>Ich will, sagte sie, und reichte dem Vater wehmüthig die Hand: mit der
-Vorsehung nicht hadern; ich will nicht murren! aber womit habe ich
-dieses entsetzliche Loos verdient? Was habe ich gegen den Allgerechten
-verbrochen, daß ich dieser Strafe werth wäre? Für meinen Verlust ist
-hienieden kein Ersatz denkbar; mißbillige daher, mein armer Vater,
-mißbillige es nicht, wenn ich meinen Gott im Himmel bitte, mich bald
-von hier abzurufen. Drüben<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span> soll ich ihn ja wieder sehen, dort darf
-ich ihn ja lieben. Einen Vortheil, ja einen habe ich aus meinem
-unermeßlichen Unglück gerettet, den Vortheil des leichten Todes.
-Die letzte Stunde dieses freudenleeren Lebens &mdash; wann schlägt sie
-mir? Andere schaudern ihr entgegen, mir ist sie das Einzige, wornach
-ich mich hier noch sehne. Allgütiger, ende bald mit mir. Sie sah
-noch einmal über das Meer hinüber, sie lispelte leise: Mein Alonso,
-schlummere im Schatten Deiner Friedenspalmen sanft und ruhig. Deine
-brennende Liebe nehme ich mit in meine Gruft. Noch einen Blick &mdash; es
-war der letzte &mdash; warf sie rund um auf Land und Meer, verließ, sanft
-weinend, ihren Lieblingsplatz, den Balkon, und hat ihn nie wieder
-betreten.</p>
-
-<p>Denselben Abend noch &mdash; dieß zarte Gemüth konnte die ungeheure Last
-eines solchen Schmerzes nicht lange ertragen, der Gram zerfraß diese
-noch nicht einmal ganz entfaltete Blüthenknospe mit eiliger Gier &mdash;
-denselben Abend noch mußte sich Hulda legen; sie sandte nach Gustchen
-und deren Bräutigam; sie fühlte das allmählige Verrinnen ihrer
-Lebenskraft, und<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span> freute sich der Gewißheit dieses Gefühls. Sie sandte
-zu der Familie, die durch heuchlerische Frömmelei Einfluß auf die
-Mutter gehabt, und dadurch wohl manches Unheil gestiftet hatte, und
-ließ ihr sagen, daß sie ohne Groll von hinnen scheide; sie ordnete ihr
-Begräbniß an, und bat um das heilige Abendmahl.</p>
-
-<p>Es war Mitternacht, als der Prediger, der nämliche, der Hulda getauft,
-der sie confirmirt hatte, und der von ihr im Stillen schon bestimmt
-gewesen war, den Bund ihrer Liebe mit Alonso vor dem Traualtar
-einzusegnen, an ihr Lager trat, um ihr das letzte Mahl der Liebe und
-Versöhnung zu reichen, und der Kirche Segen ihr in das dunkle Reich des
-Todes mitzugeben.</p>
-
-<p>Die Umstehenden knieten an ihrem Bette nieder; sie reichte ihnen allen
-die Hand, als wolle sie Abschied von ihnen nehmen, um dann die letzten
-Augenblicke ihres Lebens ungestört sich allein zu gehören, und nahm
-nun mit unbeschreiblicher Rührung, aus der Hand des Dieners Christi,
-eines ehrwürdigen alten Mannes, das Mahl, das der zu seinem Gedächtniß
-einsetzte, der den Menschen die<span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span> reinste Liebe und den Leidenden
-das höchste Bild der frommen Duldung war, der in der strengsten
-Pflichterfüllung unser Aller Meister ist, und der den Sterbenden
-seine schützenden Engel mit dem Freudenlichte seines Worts und seiner
-Hoffnungen entgegen sendet, daß sie die Gläubigen sicher geleiten durch
-das Dunkel der langen Todesnacht.</p>
-
-<p>Vor dem Hause hob jetzt das Schülerchor, mit gedämpfter Stimme, das
-fromme Lied: <em class="gesperrt">Jesus meine Zuversicht</em>, an; der Geistliche segnete
-sie zur ewigen Ruhe ein, und noch hatte das Lied nicht geendiget, als
-Hulda, des Lebens müde, ihr Haupt neigte, und lautlos, ohne Schmerz und
-ohne Klage hinüber schlummerte in das Reich der Seligen. &mdash; Noch ein
-leiser Seufzer, und die Engelreine hatte vollendet.</p>
-
-<p>Die Glocken der Stadt schlugen Eins. <em class="gesperrt">Ihr</em> dämmerte der Morgen der
-ewigen Verklärung.</p>
-
-<p>Auguste, ihre treueste Freundinn, drückte ihr die Augen zu &mdash; Alonso’s
-letztes Andenken, die brennende Liebe schmückte Hulda’s Brust im Sarge.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span></p>
-
-<p>Auch ihr Grab deckt ein großer Würfel von geschliffenem Granit; statt
-der nur in Alonso’s Heimath, im Freien gedeihenden Palmen, beschatten
-Trauerweiden ihre Gruft.&nbsp;&mdash;</p>
-
-<p>Sie ruhe in Frieden!</p>
-
-<hr class="tb" />
-
-<p>Uns allen aber einst solch einen sanften Tod.</p>
-
-<hr class="r65" />
-
-<p class="center break-before">Gedruckt in der Gerlachischen Buchdruckerei.</p>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="reklame">
-
-<div class="chapter padtop3">
-
-<p class="p0"><span class="initial">B</span>ei der <em class="gesperrt">Arnoldischen</em> Buchhandlung in Dresden sind folgende
-schöngeistige Schriften erschienen und um die beigesetzten Preise
-durch alle Buchhandlungen zu bekommen:</p>
-
-</div>
-
-<p class="p0">Abendzeitung, herausgegeben von Th. Hell u. Fr. Kind,
-auf das Jahr 1817. 6 Thlr.&ensp;1818. 6 Thlr.&ensp;1819. 6 Thlr.&ensp;1820.
-6 Thlr.&ensp;1822. 6 Thlr.&ensp;1823. 9 Thlr.</p>
-
-<p class="p0">A. Apel, die Aitolier. Tragödie m. K. 1 Thlr.<br />
-&mdash;&ensp;&mdash; &ensp; Kunz von Kauffung. Trauerspiel. 20 Gr.</p>
-
-<p class="p0">Das Gespenst. Drei Erzählungen von Fr. Laun, Fr. Kind und
-G. Schilling. 1 Thlr. 6 gl.</p>
-
-<p class="p0">Der Mantel. Drei Erzählungen v. Fr. Laun, K. Streckfuß und G.
-Schilling. 1 Thlr. 6 gl.</p>
-
-<p class="p0">Ich und meine Frau. Drei Erzählungen von Fr. Laun, W. A. Lindau
-und G. Schilling. 1 Thlr. 6 gl.</p>
-
-<p class="p0">H. Clauren. Lustspiele. 2 Thle. 1818. 2 Thlr. 6 gl.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; Scherz und Ernst. 10 Theile. 10 Thlr.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; des Lebens Höchstes ist die Liebe. 2 Thle. 1822. 2 Thlr.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; Das Pfänderspiel. 1820. 1 Thlr. 6 gl.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; Der Vorposten. Schauspiel. 1821. 16 gl.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; Das Vogelschießen. Lustspiel. 1822. 21 gl.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; Der Liebe reinstes Opfer. 1821. 18 gl.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; Rangsucht und Wahnglaube. 1821. 22 gl.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; Liesli und Elsi, zwei Schweizergeschichten. 1821. geb.1 Thlr. 8 gl.<br />
-&mdash; &emsp; &mdash; &emsp; Das Schlachtschwert. Eine Erzählung. 1821. 18 gl.</p>
-
-<p class="p0">C. W. Contessa. Erzählungen. 2 Theile. 1819. 2 Thlr.</p>
-
-<p class="p0">Th. Hell, Bühne der Ausländer. 3 Bde. 3 Thlr. 6 gl.<br />
-&mdash;&emsp;&mdash; &ensp;Lyratöne. 2 Thle. m. K. 1821. 2 Thlr.</p>
-
-<p class="p0">E. v. Houwald, Erzählungen. 1819. 1 Thlr. 4 gl.</p>
-
-<p class="p0">Fr. Laun, der wilde Jäger. 1820. 1 Thlr. 6 gl.<br />
-&mdash;&ensp; &mdash; &ensp; Welcher? Drei Erzählungen verwandten Inhalts. 1821.
-1 Thlr. 3 gl.</p>
-
-<p class="p0">W. A. Lindau, Lebensbilder. 2 Thle. 1816. 1 Thlr. 12 gl.<br />
-&mdash; &ensp;&mdash; &ensp;&mdash; &emsp; Die Braut. Ein Gemälde nach W.
-Scott. 3 Thle. 1822. 2te Aufl. 3 Thlr.<br />
-&mdash; &ensp;&mdash; &ensp;&mdash; &emsp; Eduard, nach Walter Scott. 4
-Thle. 1822. 4 Thlr. 18 gl.<br />
-&mdash; &ensp;&mdash; &ensp;&mdash; &emsp; Das Herz von Mid-Lothian, nach W.
-Scott, 1r, 2r Thl. 1822. 2 Thlr.<br />
-&mdash; &ensp;&mdash; &ensp;&mdash; &emsp; Erzählungen nach Washington
-Irwing, a. d. Engl. 1822. 21 gl.<br />
-&mdash; &ensp;&mdash; &ensp;&mdash; &emsp; Anastasius, Abenteuer eines
-Griechen. Nach dem Engl. 2 Thle. 1822. 2 Thlr. 16 gl.<br />
-&emsp; &ensp;&emsp; &ensp;&emsp; &emsp; dessen 3r Theil. 1823.1 Thlr. 8 gl.</p>
-
-<p class="p0">R. Roos. Gedichte. 1820. 1 Thlr.<br />
-&emsp;&ensp; &emsp; &ensp; &emsp; &ensp; &emsp; &ensp; deren 2r Theil. 1823. 1 Thlr. 3 gl.<br />
-&mdash;&ensp; &mdash; &ensp; Erzählungen. 1820. 1 Thlr. 3 gl.</p>
-
-<p class="p0">Salomon, Parabeln. 1819. 1 Thlr.</p>
-
-<p class="p0">St. Schütze, Heitere Stunden, 1r Theil. 1821. 1 Thlr. 3 gl.<br />
-&emsp; &ensp;&emsp; &ensp; &emsp; deren 2r Thl. 1822. 1 Thlr. 3 gl.</p>
-
-<p class="p0">K. Streckfuß, Erzählungen. 1812. 1 Thlr.</p>
-
-<p class="p0">Taillefas, Schreckensscenen aus dem Norden. 1820. 1 Thlr.</p>
-
-<p class="p0">C. F. van der Velde, Erzstufen. 3 Thle. 1819. 2 Thlr. 18 gl.<br />
-&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp; Prinz Friedrich. 1820. 1 Thlr. 12 gl.<br />
-&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp; Die Eroberung von Mexiko, 3 Thle. 1821. 3 Thlr.<br />
-&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp; Der Maltheser. 1822. 1 Thlr. 12 gl.<br />
-&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp; Die Lichtensteiner. 1822. 1 Thlr.<br />
-&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp; Die Wiedertäufer. 1822. 1 Thlr. 3 gl.<br />
-&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp; Die Patrizier. 1823.<br />
-&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp;&mdash;&emsp; Arwed Gyllnstierna. 2 Theile 1823.</p>
-
-<p class="p0">Die erste Sammlung der Schriften von Gustav Schilling besteht
-aus 50 Bänden, welche im Ladenpreise 50 Thlr. kosten. Um aber
-den Freunden einer neuen Sammlung den Ankauf der frühern zu
-erleichtern, geben wir solche für 33 Thlr. Sächs. Cour., wofür sie
-durch alle solide Buchhandlungen zu erlangen ist.</p>
-
-<p class="p0">Es sind in jener Sammlung enthalten: 1) das Weib wie es ist. 3te
-verb. Aufl. 2. 3. 4.) Die Ignoranten. 3 Thle. 3te verb. Aufl. 5.
-6. 7. 8.) Der Liebesdienst. 3 Thle. 9. 10.) Die schöne Sibille. 2
-Thle. 3te verb. Aufl. 11.) Bagatellen v. Z. Kukuck. 2te verb. Aufl.
-12. 13. 14. 15.) Erzählungen. 4 Thle. 16. 17. 18.) Geschichten. 3
-Thle. 19. 20. 21.) Irrlichter. 3 Thle. 22. 23.) Abendgenossen. 2
-Thle. 2te verb. Aufl. 24.) Das Orakel. 25. 26.) Laura im Bade. 2
-Thle. 27.) Der Beichtvater. 2te aus 2 in 1 Bd. gedrängte Aufl. 31.)
-Die Wunderapotheke. 32.) Der Weihnachtabend. 2te verb. Aufl. 33.)
-Die Neuntödter. 34.) Die Geister des Erzgebirges. 35. 36.) Flocken.
-2 Thle. 37. 38.) Gottholds Abenteuer. 2 Thle. 2te verb. Aufl. 39.)
-Wallmann der Schütze. 40.) Die Nachwehen. 41.) Freudengeister. 42.)
-Die Bedrängten. 43. 44.) Der Roman im Romane. 2 Thle. 2te verb.
-Aufl. 45.) Die Heimsuchung. 46.) Blätter aus dem Buche der Vorzeit.
-47.) Orangen. 2te aus 2 in 1 Bd. gedrängte Aufl. 48.) Flämmchen.
-49.) Die Versucherinnen. 2te verb. Aufl. 50.) Das Teufelshäuschen.</p>
-
-<p class="p0">Die zweite Sammlung erscheint in Lieferungen zu 5 Bänden, welche im
-Ladenpreise 5 Thlr., gegen Vorausbezahlung aber nur 4 Thlr. kosten.</p>
-
-<p class="p0">In der ersten Lieferung sind enthalten: 1.) Der Mann wie er ist.
-2te verb. Aufl. 2. 3. 4.) Verkümmerung. 3 Thle. 5.) Heimchen. 6.
-7.) Stoffe. 2 Theile. 8. 9. 10.) Die Familie Bürger. 3 Theile 1820.</p>
-
-<p class="p0">In der zweiten: 6. 7.) Stoffe. 2 Thle. 8. 9. 10.) Die Familie
-Bürger. 3 Thle.</p>
-
-<p class="p0">In der dritten sind enthalten: 11. 12. 13.) Wallows Töchter. 3 Thle.
-1821. 3 Thlr. 6 gr. 14. 15.) Zeichnungen. 2 Thle. 1 Thlr. 18 gl.</p>
-
-<p class="p0">In der vierten: 16. 17.) Wolfgang. 2 Thle. 2 Thlr. 6 gr. 18. 19.
-20.) Häusliche Bilder. 3 Theile. 1822. 2 Thlr. 18 gr.</p>
-
-<p class="s4 mtop2 right">Arnoldische Buchhandlung.</p>
-
-</div>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="chapter">
-
-<div class="footnotes">
-
-<p class="s2 center">FUSSNOTEN:</p>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_1_1" id="Fussnote_1_1"></a><a href="#FNAnker_1_1"><span class="label">[1]</span></a> Eine Art großer Heidelbeeren (<span class="antiqua">vaccinium macro
-carcon</span>) in der Gegend von Buffalo-Creek zu Hause.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_2_2" id="Fussnote_2_2"></a><a href="#FNAnker_2_2"><span class="label">[2]</span></a> Die nördlichste Niederlassung der Herrnhuter in Grönland
-72° 82, N. B.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_3_3" id="Fussnote_3_3"></a><a href="#FNAnker_3_3"><span class="label">[3]</span></a> Eigentlich sagt der Seemann nicht Mastkorb, sondern Mars.
-Da indessen nur wenige Leser der Schiffssprache dürften kundig seyn,
-glaubte ich den ersteren, ihnen bekannteren Ausdruck beibehalten zu
-müssen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_4_4" id="Fussnote_4_4"></a><a href="#FNAnker_4_4"><span class="label">[4]</span></a> Bei großen Kauffahrern von 500 Lasten, (zwanzigtausend
-Centnern) hat der Mastbaum gewöhnlich eine Länge von 110 Fuß.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_5_5" id="Fussnote_5_5"></a><a href="#FNAnker_5_5"><span class="label">[5]</span></a> Dieß heißt, etliche von den Segeln backbrassen und andere
-beiprassen, so daß sie unter einander eine entgegengesetzte Richtung
-haben, und das Schiff beinahe auf einer Stelle liegen bleibt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_6_6" id="Fussnote_6_6"></a><a href="#FNAnker_6_6"><span class="label">[6]</span></a> Taschen heißen die drei Fuß breiten Gallerien, die an den
-Seiten des Schiffes nach dem Hintertheile zu, angebracht werden.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_7_7" id="Fussnote_7_7"></a><a href="#FNAnker_7_7"><span class="label">[7]</span></a> Dieß ist das Zeichen, durch welches ein segelfertiges
-Schiff, den am Lande befindlichen Passagieren zu verstehen gibt, sich
-baldigst an Bord zu verfügen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_8_8" id="Fussnote_8_8"></a><a href="#FNAnker_8_8"><span class="label">[8]</span></a> Die Flagge niederlassen, oder die Flagge streichen, ist
-der seemännische ehrfurchtvollste Bückling.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_9_9" id="Fussnote_9_9"></a><a href="#FNAnker_9_9"><span class="label">[9]</span></a> Gissing ist die muthmaßliche Berechnung der Stellen, auf
-der sich das Schiff in See befindet, ohne Sonne und Sterne beobachten
-zu können.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_10_10" id="Fussnote_10_10"></a><a href="#FNAnker_10_10"><span class="label">[10]</span></a> Ein falscher Cours mit Schneckenlinien.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_11_11" id="Fussnote_11_11"></a><a href="#FNAnker_11_11"><span class="label">[11]</span></a> Ein Stück Bonnetsegel mit Werg benäht und mit Asche
-bestreut, mit dem man an der äußern Seite des Schiffs die schadhafte
-Stelle unter dem Wasser bedeckt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_12_12" id="Fussnote_12_12"></a><a href="#FNAnker_12_12"><span class="label">[12]</span></a> Haben in Seeschlachten die Seiten des Schiffes, durch
-Kanonenkugeln lecke Stellen bekommen, so werden letztere durch Pfropfen
-von Holz, mit Werg umzogen, verstopft.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_13_13" id="Fussnote_13_13"></a><a href="#FNAnker_13_13"><span class="label">[13]</span></a> Ein gemauerter Raum im Hafen, zum Ausbessern leck
-gewordener Schiffe.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_14_14" id="Fussnote_14_14"></a><a href="#FNAnker_14_14"><span class="label">[14]</span></a> Klar nennt man das Tauwerk, wenn es unverworren, nicht
-verwickelt ist, den Anker aber, wenn er dergestalt in Ordnung liegt,
-daß man alsbald die Parturlinie losmachen, und den Anker fallen lassen
-kann, auf daß er Grund fasse.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_15_15" id="Fussnote_15_15"></a><a href="#FNAnker_15_15"><span class="label">[15]</span></a> Im Spanischen das, was auf andern Schiffen der Bottelier
-heißt; der Aufseher über die Lebensmittel, Magazine.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_16_16" id="Fussnote_16_16"></a><a href="#FNAnker_16_16"><span class="label">[16]</span></a> Schiffslieutenant.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_17_17" id="Fussnote_17_17"></a><a href="#FNAnker_17_17"><span class="label">[17]</span></a> Die platte dreieckige Spitze des Ankerarms.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_18_18" id="Fussnote_18_18"></a><a href="#FNAnker_18_18"><span class="label">[18]</span></a> Seefüßig seyn, heißt, den Seedienst gewohnt seyn, und
-selbst beim Schlingern des Schiffes, am Tauwerk auf- und abklettern zu
-können.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_19_19" id="Fussnote_19_19"></a><a href="#FNAnker_19_19"><span class="label">[19]</span></a> Die Tiefe und Beschaffenheit des Meergrundes durch das
-Loth zu untersuchen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_20_20" id="Fussnote_20_20"></a><a href="#FNAnker_20_20"><span class="label">[20]</span></a> Scharfer Grund besteht aus spitzigen Klippen, und ist
-darum dem Kabeltau gefährlich. Die Griechen nannten unser Kabeltau,
-Kamelos. Die Stelle im Evangelisten Matth. „<em class="gesperrt">Es ist leichter, daß ein
-Kameel durch ein Nadelöhr gehe</em>“, ist daher wohl falsch übersetzt,
-und sollte eigentlich heißen: es ist leichter, daß ein Kabeltau (ein
-Ankertau) durch ein Nadelöhr gehe etc.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_21_21" id="Fussnote_21_21"></a><a href="#FNAnker_21_21"><span class="label">[21]</span></a> Unbeständiger, aus Triebsand bestehender Grund.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_22_22" id="Fussnote_22_22"></a><a href="#FNAnker_22_22"><span class="label">[22]</span></a> Vor dem Winde segeln heißt, den Wind so hinter sich
-haben, daß er gerade in die vollen Segel bläs’t.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_23_23" id="Fussnote_23_23"></a><a href="#FNAnker_23_23"><span class="label">[23]</span></a> Ein bei Seeleuten übliches Sprichwort, welches so viel
-sagt, als, das Schiff fährt sich gut.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_24_24" id="Fussnote_24_24"></a><a href="#FNAnker_24_24"><span class="label">[24]</span></a> Eine Art sehr heftiger Wirbelwind.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_25_25" id="Fussnote_25_25"></a><a href="#FNAnker_25_25"><span class="label">[25]</span></a> Ein ungeheurer Eisberg am Nordpol.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_26_26" id="Fussnote_26_26"></a><a href="#FNAnker_26_26"><span class="label">[26]</span></a> Gegohrner Saft von <em class="gesperrt">Agaven</em>, den die mexikanischen
-Indianer wegen des leichten Champagner-Rausches, den er bewirkt,
-ungemein lieben. Die Franzosen nennen das Getränke <em class="gesperrt">Pulgue de
-Maguay</em>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_27_27" id="Fussnote_27_27"></a><a href="#FNAnker_27_27"><span class="label">[27]</span></a> Ein Piaster ist ungefähr 1½ Thaler werth.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_28_28" id="Fussnote_28_28"></a><a href="#FNAnker_28_28"><span class="label">[28]</span></a> Man findet daselbst Stücke reines, gediegenes Gold, von
-denen ein einziges 50 Pfund und oft noch mehr, wiegt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_29_29" id="Fussnote_29_29"></a><a href="#FNAnker_29_29"><span class="label">[29]</span></a> Ein im Seerechte gebräuchliches Wort, das einen Menschen
-bezeichnet, der sich durch allerlei Winkelzüge, einen schlechten Namen
-gemacht hat.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_30_30" id="Fussnote_30_30"></a><a href="#FNAnker_30_30"><span class="label">[30]</span></a> Die Volcantitos in Goldcastilien.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_31_31" id="Fussnote_31_31"></a><a href="#FNAnker_31_31"><span class="label">[31]</span></a> <span class="antiqua">Anacardium caracoli</span> erreicht gewöhnlich die Höhe
-von 350&ndash;380 Fuß.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_32_32" id="Fussnote_32_32"></a><a href="#FNAnker_32_32"><span class="label">[32]</span></a> Ein solches Vermögen in der Hand eines Privatmannes
-kann nur denen fabelhaft klingen, welche von den, in den Gegenden von
-Mexiko, Lima und Peru heimischen Reichthümern keinen Begriff haben.
-</p>
-<p>
-Um ungefähr eine Idee von dem zu geben, was man, in jenem Mutterlande
-der Gold- und Silberschätze, Wohlhabenheit nennt, darf ich nur
-anführen, daß in der Nationalgarde zu Lima, keiner aufgenommen wird,
-welcher nicht ein baares Vermögen von 4 Millionen Piaster (6 Millionen
-Thaler) nachweisen kann, und daß dieses respectable Corps, im Jahre
-1804, aus 386 Mann bestand.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_33_33" id="Fussnote_33_33"></a><a href="#FNAnker_33_33"><span class="label">[33]</span></a> Unstreitig eine der schönsten Blumen der amerikanischen
-Flora.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_34_34" id="Fussnote_34_34"></a><a href="#FNAnker_34_34"><span class="label">[34]</span></a> Im Gouvernement Atacames im obern Peru. Die dortigen
-Smaragdgruben sind vielleicht die reichsten der ganzen Welt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_35_35" id="Fussnote_35_35"></a><a href="#FNAnker_35_35"><span class="label">[35]</span></a> „Fallt auf’s Fallreep.“ Dieß ist eine der größten
-Ehrenbezeigungen, zu der die Mannschaft nur beordert wird, wenn sehr
-vornehme Personen an Bord eines Schiffs kommen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_36_36" id="Fussnote_36_36"></a><a href="#FNAnker_36_36"><span class="label">[36]</span></a> Das Tau, welches an beiden Seiten der Treppe befindlich
-ist, um sich beim Hinaufsteigen daran zu halten.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_37_37" id="Fussnote_37_37"></a><a href="#FNAnker_37_37"><span class="label">[37]</span></a> Am Fallreep befinden sich in einer Entfernung von einem
-Fuß, kleine Knöpfe oder Knoten, um sich besser am Tau halten zu können;
-man nennt einen solchen Knopf bei manchen Völkern auch Maus, Stegmaus,
-bei den Spaniern <span class="antiqua">Barrilete de estay</span>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-<p><a name="Fussnote_38_38" id="Fussnote_38_38"></a><a href="#FNAnker_38_38"><span class="label">[38]</span></a>
-Steuermann<a name="FNAnker_40_41" id="FNAnker_40_41"></a><a href="#Fussnote_40_41" class="fnanchor">*</a></p>
-</div>
-
-<div class="footnote">
-<p><a name="Fussnote_39_39" id="Fussnote_39_39"></a><a href="#FNAnker_39_39"><span class="label">[39]</span></a>
-Bootsmann<a name="FNAnker_40_42" id="FNAnker_40_42"></a><a href="#Fussnote_40_41" class="fnanchor">*</a></p>
-</div>
-
-<div class="footnote">
-<p><a name="Fussnote_40_40" id="Fussnote_40_40"></a><a href="#FNAnker_40_40"><span class="label">[40]</span></a>
-Schimann<a name="FNAnker_40_43" id="FNAnker_40_43"></a><a href="#Fussnote_40_41" class="fnanchor">*</a></p>
-</div>
-
-<div class="footnote">
-<p><a name="Fussnote_40_41" id="Fussnote_40_41"></a><a href="#FNAnker_40_41"><span class="label">*</span></a>die
-nach dem Capitain folgenden Offiziere auf einem Kauffahrteischiffe.</p>
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_41_41" id="Fussnote_41_41"></a><a href="#FNAnker_41_41"><span class="label">[41]</span></a> Auch Malte-Brün beurkundet in seinem neuesten Gemälde von
-Amerika (Buch 9.) daß die schöne, zu Cortez Zeiten übliche Gewohnheit,
-einen Blumenstrauß, als das köstlichste Geschenk anzusehen, das man
-einem verehrten Gaste überreichen kann, sich in Mexiko und Guatimala,
-noch bis auf den heutigen Tag unter den Indianern erhalten habe.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_42_42" id="Fussnote_42_42"></a><a href="#FNAnker_42_42"><span class="label">[42]</span></a> Bekanntlich verehren die Mexikaner unter diesem Namen
-Sonne und Mond, als ihre einzigen Gottheiten.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_43_43" id="Fussnote_43_43"></a><a href="#FNAnker_43_43"><span class="label">[43]</span></a> Hauptspaziergang.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_44_44" id="Fussnote_44_44"></a><a href="#FNAnker_44_44"><span class="label">[44]</span></a> Ein Schiff nennt man rank, das sich, weil es im obern
-Raum überladen ist, leicht auf die Seite neigt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_45_45" id="Fussnote_45_45"></a><a href="#FNAnker_45_45"><span class="label">[45]</span></a> Unweit <span class="antiqua">Santa-Fe</span>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_46_46" id="Fussnote_46_46"></a><a href="#FNAnker_46_46"><span class="label">[46]</span></a> Bananas, und Paradiesfeigenbaum und Pisang, ist ein und
-dasselbe. Ein einziger Zweig hat oft 200 Früchte, und wiegt 80&ndash;90
-Pfund.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_47_47" id="Fussnote_47_47"></a><a href="#FNAnker_47_47"><span class="label">[47]</span></a> Ich bin mit dem ganzen Schiff zum Abgehen in völliger
-Bereitschaft.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_48_48" id="Fussnote_48_48"></a><a href="#FNAnker_48_48"><span class="label">[48]</span></a> Die Kammer in einem Schiffe, welche statt des Kellers und
-Speisegewölbes dient.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_49_49" id="Fussnote_49_49"></a><a href="#FNAnker_49_49"><span class="label">[49]</span></a> Die Schiffsküche.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_50_50" id="Fussnote_50_50"></a><a href="#FNAnker_50_50"><span class="label">[50]</span></a> Das auf spanischen Schiffen gewöhnliche Kommando, die
-Anker zu lichten.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_51_51" id="Fussnote_51_51"></a><a href="#FNAnker_51_51"><span class="label">[51]</span></a> Der Befehl, die Segel beizusetzen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_52_52" id="Fussnote_52_52"></a><a href="#FNAnker_52_52"><span class="label">[52]</span></a> Einige Stunden von diesem Hafen liegt Lima.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_53_53" id="Fussnote_53_53"></a><a href="#FNAnker_53_53"><span class="label">[53]</span></a> Die bekannte Heilwurzel Jalapa hat von dieser Stadt ihren
-Namen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_54_54" id="Fussnote_54_54"></a><a href="#FNAnker_54_54"><span class="label">[54]</span></a> Rings um Vera-Cruz sind die Ebenen mit brennendem
-Flugsande bedeckt, der die hier ohnehin heimische Hitze fast
-unerträglich macht, und in Verbindung mit dem stehenden Wasser des
-<span class="antiqua">Baxio de la Tembladera</span> die hier ewigen Wechselfieber und das
-gefährliche <span class="antiqua">Vomito prieto</span> (schwarze Erbrechen) verursacht.</p></div>
-
-</div>
-
-</div>
-
-
-
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-
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-
-<pre>
-
-
-
-
-
-End of the Project Gutenberg EBook of Des Vaters Sünde, der Mutter Fluch, by
-Heinrich Clauren
-
-*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DES VATERS SÜNDE, DER MUTTER FLUCH ***
-
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-including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists
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-To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
-and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
-and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.
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-Foundation
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-business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact
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