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+This eBook, including all associated images, markup, improvements,
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-The Project Gutenberg eBook, Lustreise ins Morgenland, Erster Theil (von
-2), by Titus Tobler
-
-
-This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
-other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
-whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
-the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
-www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have
-to check the laws of the country where you are located before using this ebook.
-
-
-
-
-Title: Lustreise ins Morgenland, Erster Theil (von 2)
-
-
-Author: Titus Tobler
-
-
-
-Release Date: April 19, 2017 [eBook #54573]
-
-Language: German
-
-Character set encoding: UTF-8
-
-
-***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LUSTREISE INS MORGENLAND, ERSTER
-THEIL (VON 2)***
-
-
-E-text prepared by the Online Distributed Proofreading Team
-(http://www.pgdp.net) from page images generously made available by the
-Google Books Library Project (https://books.google.com)
-
-
-
-Note: Images of the original pages are available through
- the Google Books Library Project. See
- https://books.google.com/books?id=iu4oAAAAYAAJ&hl=en
-
- Project Gutenberg has the other volume of this work.
- Zweiter Theil: see http://www.gutenberg.org/ebooks/54574
-
-
-Anmerkungen zur Transkription
-
- Der vorliegende Text wurde anhand der 1839 erschienenen
- Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben.
- Ungewöhnliche, altertümliche und inkonsistente Schreibweisen
- wurden, auch bei Eigennamen, beibehalten, insbesondere wenn
- es sich um Übertragungen fremdsprachlicher Begriffe handelt
- oder diese im Text mehrfach auftreten. Zeichensetzung und
- offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend
- korrigiert.
-
- Das gesamte Inhaltsverzeichnis beider Bände sowie die Liste
- der Verbesserungen befinden sich in der Originalausgabe
- lediglich am Ende des zweiten Buches. Der Übersichtlichkeit
- halber wurde das Verzeichnis des betreffenden Bandes an dessen
- Anfang gestellt, das Inhaltsverzeichnis des jeweils anderen
- Bandes dagegen an das Ende des Buches. Die Verbesserungen
- erscheinen am Ende des jeweiligen Bandes; diese sind, soweit
- sie vom Autor als relevant eingestuft wurden, bereits in das
- vorliegende Buch eingearbeitet worden.
-
- Die Buchversion wurde in Frakturschrift gedruckt. Die von
- der Normalschrift abweichenden Schriftschnitte wurden in der
- vorliegenden Fassung mit den folgenden Sonderzeichen
- gekennzeichnet:
-
- kursiv: _Unterstriche_
- fett: =Gleichheitszeichen=
- gesperrt: +Pluszeichen+
- Antiqua: ~Tilden~
-
-
-
-
-
- Lustreise ins Morgenland.
-
-
-
-
- Lustreise
-
- ins
-
- Morgenland.
-
- Unternommen und geschildert
-
- von
-
- ~Dr.~ Titus Tobler.
-
- Erster Theil.
-
- Zürich,
-
- bei Orell, Füßli und Compagnie.
- 1839.
-
-
-
-
-Inhalt des ersten Bandes.
-
-
- Seite
-
- Reise nach Triest 1.
-
- Mein Aufenthalt auf dem Eilande Lossin oder Ossero 10.
-
- Fahrt nach Alexandrien 25.
-
-
- =Alexandrien.=
-
- Lage 58.
-
- Gebäude 59.
-
- Krankenhäuser 67.
-
- Auch das Observazionsspital oder die Observazionshütten 70.
-
- Die Katakomben und der Pferdestall 78.
-
- Die Nadeln der +Kleopatra+ und der Flohfänger 80.
-
- Die Pompejussäule und die Schandsäule 82.
-
- Die Nachgrabungen 85.
-
- Leute. Bevölkerung 88.
-
- Der Ritt zur Beschneidung 91.
-
- Primarschule 92.
-
- Die Zeichenschule 93.
-
- Weiberhändel 95.
-
- Geld und Geldnoth 97.
-
- Das Schiff der Wüste 99.
-
- Anleitung für den Reisenden 100.
-
- Die Nilfahrt nach Kairo 104.
-
-
- =Kairo.=
-
- Lage der Stadt, Strich des Himmels und Gesundheitszustand
- der Menschen 134.
-
- Die Stadt nach ihrer Bauart 140.
-
- Das Schloß, der Jussufsbrunnen und die Grabmale von
- Kâyd-Bei 148.
-
- Das Militärkrankenhaus 155.
-
- Die Narrenmenagerie 157.
-
- Die Stadt der Einäugigen und der Blinden 162.
-
- Das öffentliche Bad 163.
-
- Wie die Egypzier im sechszehnten Jahrhundert die Bäder
- gebrauchten 168.
-
- Der Sklavenmarkt 173.
-
- Das Katzenstift 177.
-
- Gärten 181.
-
- Die Esbekieh 183.
-
- Physiologischer und psychologischer Karakter der Einwohner 184.
-
- Tracht 194.
-
- Speisen und Getränke 198.
-
- Kaffeehäuser 204.
-
- Schneller Justizgang 208.
-
- Der egyptische Tanz 210.
-
- Der Brautzug 213.
-
- Der Leichenzug 216.
-
- Der Straßensänger 218.
-
- Der Versteigerer 219.
-
- Der Barbier 220.
-
- Der Lagerstellenmacher 221.
-
- Der Glaser 222.
-
- Der Schuhmacher 223.
-
- Der Töpferwaarenflicker 224.
-
- Die Missionarien 226.
-
- Die Renegaten 228.
-
- Müsterchen von Europäern in Egypten, oder ein Porträt
- über Kairo aus Europa 230.
-
- Undank für treue Liebe 233.
-
- Unter österreichischer Protekzion 235.
-
- Meine Wohnung 236.
-
- Meine Nahrung und Getränke 238.
-
- Umgebung von Kairo:
-
- Todtenstadt el-Seydeh Omm Kâsim 242.
-
- Die Wasserleitung 244.
-
- Altkairo und das armenische Kloster 246.
-
- Das griechische Kloster und der Altar der h. Frau im
- koptischen Kloster 247.
-
- Der Tempel +A’mrus+ 250.
-
- Der Garten +Ibrahim-Paschas+ und der Nilometer auf
- der Insel Ruda 253.
-
- Ausflug nach Heliopolis und Abusabel 258.
-
- Geschichtlicher Rückflug nach Mattarieh 280.
-
- Abenteuerlicher Ritt nach den Pyramiden von Gizeh 281.
-
- Wegweiser in und um Kairo 295.
-
- Rückblick auf Kairo 297.
-
- Reise durch die Wüste nach El-Arysch 297.
-
- Die Quarantäne in El-Arysch 321.
-
-
-
-
-Vorwort.
-
-
-Von manchen Seiten her wurde ich aufgefordert, die Beschreibung meiner
-Lustreise in das Morgenland der Presse zu übergeben. Ich hätte es
-vielleicht nicht thun sollen, -- ich entsprach der Aufforderung. Wohl
-wäre es möglich, daß die Sache allzu leicht genommen würde. Es ist viel
-minder schwierig, zu reisen, als eine Reise, zum Behufe öffentlicher
-Mittheilung, zu beschreiben. Wer einzig zur Erholung herumwandern
-will, ferne vom Vorsatze, etwaige Wahrnehmungen, Beobachtungen und
-Erfahrungen ans Tageslicht zu ziehen, darf sich nur den Paß und dessen
-goldenen Rahmen verschaffen; legt er den Wanderstab hin, so verlangt
-man von ihm im Ernste kaum Rechenschaft darüber, ob er viel oder wenig,
-richtig oder unrichtig aufgefaßt habe. Umgekehrt verhält es sich mit
-dem Reisenden, der eine Beschreibung durch den Druck bekannt macht;
-das Wort ist nicht mehr sein eigen, sondern Gemeingut der Leser, der
-Gewährsmann wird in die Schranken des öffentlichen Gerichtes gerufen.
-
-Ich sehe gut die weithin langenden Folgen meines Versprechens, und
-gleichwohl rücke ich heraus mit meinen Tageblättern. Wenn ich die
-Aufforderung recht verstanden habe, so will man, ohne meine wirklichen
-Mühseligkeiten, im Geiste mir nachreisen; man erwartet keine neue
-Entdeckungen weder aus der Vor-, noch Mitwelt, weder in Beziehung
-auf die Kenntniß des Himmels, noch der Erde, weder ihrer Bewohner,
-noch Hervorbringnisse; man will Bekanntes in einem traulichen Kreise
-zusammenplaudern; man denkt billig genug, daß ein Lustreisender,
-der in einer Spanne Zeit drei Welttheile berührt, der Wissenschaft
-keine Dienste leistet. Ich rücke +darum+ mit meinen Tageblättern
-heraus, +weil die Erwartungen nicht über meine geringen Ansprüche
-hinaufreichen+.
-
-Aber warum wurde denn die Beschreibung nicht zeitungswarm geliefert?
-So höre ich die Frage an mich richten. Mit einer Antwort bin ich
-keinesweges verlegen. Ich mochte nun einmal nicht in den bestaubten
-Reisekleidern unter so anständige Leute treten. Weil es anders
-nicht schicklich gewesen wäre, so begann ich den egyptischen und
-palästinischen Staub herauszubürsten. Freilich da merkte ich bald,
-daß in meinem Heimathlande nicht mehr die stillen Klostermauern mich
-umfangen; ein Hinderniß häufte sich auf das andere. Das Reise-Tagebuch
-lag neben meinem Krankenbuche, und Jedermann weiß, daß die Leidenden
-in der Regel durch etwas ganz Anderes genesen, als durch Schildereien
-aus dem Leben eines Pilgers. Kurz, ich stellte die Reisebogen in den
-Hintergrund, und widmete meine Feder vorzüglich den Tageblättern
-für meine Kranken. Doch nach und nach schaffte ich, so gut es in der
-vielzersplitterten Muße gehen wollte, wenigstens einige Ordnung, daß
-ich nun endlich die Schwelle des Hauses verlasse, um -- der Geneigtheit
-und Nachsicht der Leser mich zu empfehlen.
-
- +Lutzenberg+, im Appenzeller-Lande,
- an Ostern 1839.
-
-
-
-
-=Reise nach Triest=
-
-Am 22. August 1835 trat ich, vom schweizerischen Kanton Appenzell aus,
-meine Reise an. Sie nahm ihre Richtung über den Arlberg, über Insbruck,
-Bozen, Trient, Vicenza, Padua und Venedig nach Triest. Ich werde diese
-Reise durch eine Gegend, welche, so zu sagen, nur einen Sprung weit
-von meinem Heimatlande entfernt ist, nicht näher berühren. Ich erwähne
-bloß, daß ich dießmal mit ungleich mehr Zufriedenheit durch diesen
-Theil Welschlands reisete, als im Jahre 1826, wohin ich von Wien aus
-einen Abstecher gemacht hatte. Ich wählte vorzüglich italienische
-Wirthshäuser, und die Wahrheit heischt von mir das Bekenntniß,
-daß ich nicht den mindesten Grund zu Klagen über Betrügereien in
-denselben fand. Niemals handelte ich mit den Wirthsleuten zum Voraus
-die Mahlzeit ab. Bei deutschen Wirthen dieses Landes befand ich mich
-eher schlimmer. Zank und Streit mit zwei Vetturini waren ganz unsere
-Schuld, oder vielmehr die meines Reisegefährten, eines Kroaten, der
-+weniger+ bezahlen wollte, als wir bereits schon übereingekommen
-waren. Es bot ein rührendes Schauspiel dar, wie ein Vetturino nur das
-+Seinige+ verfechten mußte. Wenn die Deutschen oder wenigstens
-die deutsch Redenden auf diese Weise fortfahren, es dürften sich traun
-die italienischen Vetturini brüsten, um dem deutschen Uebermuthe die
-Flügel zu stutzen. Die Deutschen, welche nach Italien reisen wollen,
-hauen darum leicht über die Schnur, daß sie auf erster Linie mit den
-Schlechtigkeiten der Italiener allzusehr sich vertraut machen, statt
-daß sie es sich angelegen sein lassen, die Gedanken in ihrer Sprache
-auszutauschen. Der Deutsche, gewohnt, beinahe in jedem schlechten
-italienischen Gewande eine schlechte Seele zu suchen, richtet auch
-nach dieser, über das Gebirge geschleppten vorgefaßten Meinung, die
-Behandlung des Italieners. So wie aber dieser wahrnimmt, daß der
-Fremde an ihm keinen grünen Zweig erblickt, mag es ihn freuen, daß der
-Reisende sich ja nicht täusche.
-
-
-+Den 29. August.+
-
-Ich langte in der überaus lebhaften Handelsstadt Triest an. Meine
-Empfehlungen an dasige Häuser thaten erwünschte Wirkung. Ein Landsmann
-gab Anleitung zum Einkaufe der für die Seereise nöthigen Effekten. Ein
-jüdisches Haus kam mir zuvor, um später den Aufenthalt in Alexandrien
-mir angenehm zu machen, und versah mich mit Schreiben, damit mir die
-Reise nach Egypten in finanzieller Beziehung gesichert werden sollte.
-
-Sechs Tage mußte ich warten, bis ein Schiff unter Segel ging. Mein
-Vertrag mit dem Kapitän, Herrn +Simon Budinich+ aus Lossin, wurde
-doppelt ausgefertigt, und in demselben ausdrücklich bemerkt, daß ich
-freie Hand behalten wolle, wenn zur bestimmten Frist die Abfahrt nicht
-erfolgen würde. Der Vertrag beschlug übrigens, um nach Landart zu
-sprechen, nicht bloß Logis, sondern auch Kost.
-
-
-+Donnerstag den 3. September.+
-
-Ich ließ mein Bett, (ein Kissen, eine Stramatze [~Stramazzo~,
-Matratze], eine Wolldecke, [Kotze], zwei Leintücher) und meine übrigen
-Effekten an Bord bringen. Vom Kai holten sie unsere Matrosen ab, ohne
-daß ich mich vor der Hand weiter darum bekümmerte. Abends neun Uhr
-rief ich den Matrosen unsers Schiffes, ~il Giusto~. Gleich ruderten
-sie mir entgegen, und ich nahm Abschied vom Lande. Frohmüthig bestieg
-ich meine neue Behausung. Mein Auge weidete sich zuerst an dem Walde
-von Mastbäumen und an dem sternenreichen Himmel; dann trat ich in die
-Kajüte, wo ich meine Effekten in Ordnung fand. Ein fester Bursche, der
-Buchhalter (~scrivano~), saß eben an einer wohlbesetzten Tafel; ein
-mit rothem Wein gefülltes Glas wurde nicht selten von seinem Munde
-magnetisch angezogen. Derselbe plauderte an Einem fort anmuthig und
-offenherzig; er nannte ohne Umschweif die Regierung von Triest eine
-strenge. Als er inne ward, ich sei ein schweizerischer Republikaner,
-gab er Freude zu erkennen. Im Politischen faßte ich mich kurz. Ich
-suchte darzuthun, daß die Regierungsform nicht immer wesentlich die
-Wohlfahrt eines Volkes untergrabe oder begründe, und fügte hinzu, daß
-die Schweizer im Allgemeinen zufrieden leben. Ich sprach mit einer
-Mäßigung und Zurückhaltung, daß kein Schein da war, als wolle ich den
-Republikanismus außer meinem Vaterlande verkündigen.
-
-Die Kajüte gefiel mir; blau angestrichen und geräumig; in der Mitte ein
-Tisch, ringsum Stühle und ein Kanape von hartem Holz. Zum Ueberflusse
-eingerahmte Bilder: hier das Sinnbild der Dreieinigkeit; dort ein
-pausbäckiger Zweimaster mit österreichischer Flagge; ferner weibliche
-Schönheiten aus allen vier Welttheilen. In einer Ecke ein Käfich mit
-zwei Kanarienvögeln. Für mein Lager war zur Seite der Kajüte ein
-Kasten, den man ~cuccietta~ nennt, und der durch zwei Flügelthürchen
-verschlossen werden kann. Der Kapitän hatte noch ein besonderes
-Schlafgemach, welches durch Thüre und Vorhang von der Kajüte getrennt
-war.
-
-Um zehn Uhr sollte der Kapitän ankommen; allein die Vergnügungen auf
-dem Lande fesselten ihn über die Zeit. Mich überfiel Schläfrigkeit;
-ich begab mich zu Bette, nicht ohne einige Besorgniß, auf einem Lager,
-welches durch seine Weichheit sich nicht zum Besten empfahl, nur
-mit Mühe den Schlaf zu finden. Bald langte der Hauptmann mit meinem
-Reisegefährten an. Es dauerte nur noch kurze Zeit, und ich schlief.
-
-
-+Den 4. September.+
-
-Nach Mitternacht hörte ich lautes Getrampel. Die Matrosen waren
-beschäftigt, das Schiff in segelfertigen Stand zu stellen. Erst in
-der Frühe wurden die Segel dem Winde gegeben. Doch wir mußten zuerst
-laviren; denn einiger Proviant und das unter polizeilicher Aufsicht
-gelegene Schießpulver waren noch nicht eingetroffen.
-
-Ein zureichender Grund bewegt mich, meinen Reisegefährten +Cesare+
-nicht bei seinem Familiennamen in den Kreis meiner Leser einzuführen.
-Aus einem großen Dorfe bei Mailand gebürtig, studirte er in Pavia,
-hielt sich als Apothekergehülfe in Venedig, und die letzten vierthalb
-Jahre in Triest auf. Er theilte mir, auf verdankenswerthe Weise,
-eine Reisebeschreibung, ~Viaggio in Siria e nella Terra Santa~ von
-+Giovanni Failoni+ (~Verona, 1833, Pietro Bisesti~), mit. Ein anderer
-Passagier blieb zu nicht geringem Verdrusse des Schiffmäcklers aus,
-wiewohl er sein Jawort zur Abreise gegeben hatte. Er war ein Deutscher,
-dem Vermögen nach unabhängig, und nur Reiselust entzog ihn seinem
-Familienschooße. Wenige Tage vor meiner Abreise erhielt er aus Kairo
-Nachricht vom 31. Juli, daß dort die Cholera herrsche, und eines
-Mehrern bedurfte der bewegliche Mann nicht, um den Reiseplan vorläufig
-auf sich beruhen zu lassen. Mittlerweile lief noch denselben Tag, auf
-welchen unsere Abreise festgestellt war, ein Schiff von Alexandria
-ein, mit der günstigen Zeitung, daß der Gesundheitszustand in Egypten
-befriedigend sei. +Von Hezels+ arabische Grammatik, aus der freigebigen
-Hand des zurückgebliebenen Deutschen, war wohl ein geringer Ersatz für
-eine Gesellschaft, auf die ich vergeblich mich so lebhaft freute.
-
-Der Kapitän, ein starkbärtiger Mann, von gedrungenem Körperbau, noch
-nicht dreiundzwanzig Jahre alt, war nicht ohne Bildung. Er sprach
-etwas Französisch, benahm sich Anfangs zuvorkommend, und beantwortete
-willig die Fragen, welche dem Reisenden auf der Zunge liegen. Die
-ganze Bemannung des Schiffes machte keinen widrigern Eindruck, als die
-Floßknechte, mit denen man auf der Isar und Donau von München nach Wien
-reist.
-
-Der erste Ort, der mir an der Küste auffiel, war das Kap von Istrien
-(~Capo d’Istria~). Ein langes Gebäude bezeichnet das Gefängniß.
-Dann Isola auf einer Landzunge; la Punta del Salvore. Die Nacht war
-herrlich; der Mond verbreitete sanft seinen himmlischen Glanz über das
-schweigende Meer. Triest war noch nicht verschwunden; man erblickte
-immer noch seinen Leuchtthurm.
-
-
-+Den 5. September.+
-
-Endlich sieht man nichts mehr von Triest. Die Luft regt sich ein wenig,
-und wir machen dabei einige Fortschritte. Das Schaukeln des Schiffes
-vermochte mir leichten Schwindel zu verursachen, der sich nach einem
-Trunk mit Rhum vermischten Wassers sogleich verminderte. Ich glaube,
-die sattelfestesten Legitimisten könnten auf dem Meere Schwindelköpfe
-werden. Mittags kehrte mein Taumel zurück, und ich fand für gut, mich
-während des Mittagessens mit der einen Hand am Tische zu halten.
-Uebrigens schmeckte mir die Suppe vortrefflich, und gleichzeitig
-erging sich mein Auge an den Mehlperlen, weßwegen sie Paternoster
-genannt wird; auch mußte ich über die Suppe lachen, daß sie, in allem
-Ernst, mir im Teller die Ebbe und Fluth des Meeres anschaulich machte.
-Unsern Cesare wollte der Schwindel ebenfalls übernehmen, er verließ
-den wohlbedeckten Tisch, und begab sich auf das Verdeck. Der Sirocco
-(Südostwind), der heute ziemlich stark blies, rieth uns, von der Küste
-sich mehr zu entfernen, so daß man den Küstensaum in Osten, als einen
-Spiegelrahmen, wohl wahrnehmen, aber keine Ortschaften unterscheiden
-konnte.
-
-
-+Den 6. September.+
-
-Ein eingetretener Nordostwind brachte uns über Nacht beträchtlich
-weiter. Wir näherten uns ziemlich dem Ufer. Des Morgens erblickte man
-zur Linken, uns gerade gegenüber, den hoch über die Hügel emporragenden
-Berg Caldiera; dann südöstlich das Promontore, wo bei Nacht den
-Seeleuten eine Laterne leuchtet, und wo wir bald vorbeigeschifft waren;
-ferner deckte den Hintergrund, in der gleichen Richtung, der Monte
-d’Ossero, eine breite Bergkuppe, der erhabenste Punkt des Eilandes
-Lossin. Jenes Promontore bildet den südwestlichen Grenzwinkel des
-Festlandes, von Istrien. An dem Promontore vorbei; und es beginnt
-das Mare Ouarenaro, an dessen Ende die Stadt Fiume liegt; auf diesem
-Meere schlugen die Wellen wilder gegen das Schiff. Nach dem Zeugnisse
-der Seemänner macht das Ouarenaromeer, im Winter, wenn der Nordwind
-(~tramontana~) brauset, die Schifffahrt sehr schwierig. Ich genoß kaum
-je in meinem Leben so entzückende Augenblicke, als an diesem Morgen.
-Majestätisch jagte unser Giusto die tobenden Wellen aus einander, die
-selbst auf das Verdeck stoben. Der Anblick der entstehenden und gleich
-wieder verschwindenden kleinen Hügel und Thäler war zu köstlich. Süß
-verschmolzen vaterländische Erinnerungen in den wirklichen Genuß der
-Seereise.
-
-Ich vernahm, daß in der Nähe des Promontore eine alte griechische
-Kolonie ihre Sprache und Sitten beibehalten habe. Ich gedenke dessen
-nicht, weil ich glaube, etwas Neues zu schreiben, sondern weil es
-mich nicht minder ansprach, als die Thatsache, daß, in der Nähe von
-Verona, die Bewohner der Sette comuni, als Abkömmlinge deutscher
-Auswanderer, noch ein deutsches Sprachgerippe reden, obschon sie von
-der italienischen Sprache umringt sind.
-
-Wir geriethen in eine Inselgruppe: zur Linken Unie, Canidole, zur
-Rechten die kleine, jedoch nicht minder merkwürdige Insel Sansego, weil
-sich auf ihr keinerlei Gestein findet, während der Archipel gleichsam
-nur Steinhaufen vorstellt. Aus Sand und wenig Erde bestehend, wird
-diese Insel von ungefähr fünfhundert Einwohnern zum Weinbau benutzt,
-die sich in der Zwischenzeit mit dem Fischfang abgeben.
-
-
-+Den 7. September.+
-
-Nach dem Erwachen stellte sich zur Rechten die Insel Pietro di Nembo,
-und östlich im Hintergrunde eine bergichte Küste dar, welche zu
-Kroazien gehört. Noch Vormittag erreichten wir den sogenannten Hafen
-von Lossin grande.
-
-
-
-
-Mein Aufenthalt auf dem Eilande Lossin oder Ossero.
-
-
-Lossin interessirte mich ungemein, weil mein Auge so viel Fremdartigem
-begegnete. Das ganze Eiland besteht aus Kalkstein, der an den meisten
-Orten nackt hervorguckt. Er lagert sich schief von Westen nach Osten,
-und öffnet kleine Buchten oder, mit andern Worten, natürliche Häfen
-in Menge. Derjenige in Lossin grande gewährt ziemliche Sicherheit
-vor dem Ungestüm des Windes, faßt aber bloß drei größere Schiffe
-(~bastimenti~). Um so geräumiger dagegen ist der Hafen von Lossin
-piccolo, der wenig zu wünschen übrig läßt. Zwischen den so zahlreichen
-Steinblöcken, welche der Insel ein ziemlich ödes Ansehen verleihen,
-erscheint hie und da eine röthliche Erde, welche, obwohl sie nie
-gedüngt wird, leicht hervorbringt. Die Vegetazion überraschte mich
-besonders. Fast überall stark- und wohlriechende Pflanzen, welche
-den freigebigen Süden begleiten. Wenn ich ausging, so war es meine
-Wonne, einen wohlriechenden Strauß zu pflücken. Die Einwohner selbst
-scheinen durch die Gewohnheit für die Genüsse, welche die Flora
-darbietet, unempfänglich geworden zu sein. Nirgends sah ich auch nur
-einen Blumentopf; nirgends ein Mädchen mit einer Blume oder einem
-Strauße geschmückt. Unter den angebauten Gewächsen stehen der Oelbaum,
-der Feigenbaum und die Rebe oben an. Beinahe so oft ich den Oelbaum
-betrachtete, trug die Phantasie mich in das gelobte Land, wovon das
-Buch aller Bücher so viel Denkwürdiges erzählt. Vor allen andern
-ein zahlreich gepflanzter Baum, bemüht er sich an den Abdachungen
-Lossins, von den Steinen den Charakter der Traurigkeit auszulöschen.
-Das Lossiner-Baumöl ist sehr gut, und soll selbst demjenigen von Lucca
-nicht nachstehen. Hundert Pfund (zu 16 Unzen) Oliven geben beiläufig
-vierzig Pfund Oel. So rechnen die Leute. Außer, daß die Feige frisch
-gegessen wird, vermengt man sie auch mit Gewürz und bereitet eine Art
-Teig, der in etwa vier Zoll hohe Kegel geformt und dann an der Sonne
-getrocknet wird. Man nennt diese Mischung Feigenbrot (~pane di fichi~),
-und wird im Winter als Leckerbissen genossen. Auf die Rebe wird
-möglichst wenig Sorgfalt verwendet; man enthebt sich der Mühe, sie zu
-pfählen; nur an wenigen Orten wird sie etwa an einer Mauer aufgezogen;
-sie kriecht daher auf dem Boden fort, wie der Himbeerstrauch. Bei
-meiner Anwesenheit war die Weinlese zum Theile schon vorüber. Die
-gesammelten Trauben bringt man in einen Schlauch, von der Gestalt
-eines mißgeborenen, ausgestopften Kalbes. Es ist recht drollig zu
-sehen, wie die Weiber solche Mißgestalten auf ihren Köpfen tragen. Der
-Sack ist in der That nichts Anderes, als das Fell eines Ziegenbockes,
-welches ganz nahe geschoren, gleich hinter den Vorderbeinen ringsum
-abgeschnitten und dann umstülpt wird. Die den Hinterbeinen und dem
-Schweife entsprechenden Oeffnungen zugebunden, wird das abgezogene Fell
-bloß mit dem Athem aufgeblasen und an der Luft getrocknet. Hierin liegt
-alle Kunst der Sackbereitung. Der Wein ist stark, aber herbe, schwer,
-etwas bitterlich. Es gibt auch sehr guten, süßen und geistigen Wein,
-dessen Bereitung aber auf besonders delikate Weise geschieht, und der
-nur auf die Tafel fashionabler Lebeleute gesetzt wird. Als Seltenheit
-wächst auch der Dattel-, Granat-, Zitronen- und Pomeranzenbaum.
-
-Lossin grande wie piccolo bieten kein übles Aussehen. Die Häuser sind
-von Stein gebaut; das Wenigste daran von Holz. Die Dächer bestehen aus
-Hohlziegeln. An einigen Häusern Rinnen, durch welche das Wasser ins
-Innere der Wohnungen zum Hausgebrauche geleitet wird. Von andern aber
-rieselt das Wasser in der Rinne, wenn es nicht in Kübeln aufgefangen
-wird, auf die Straße herunter, wo es fortfließt, um bei starkem Regen
-ein ordentliches Bächlein zu bilden. Auf Brunnenquellen würde man
-sich umsonst trösten. Ihre Stelle vertreten Ziehbrunnen. Nicht von
-allen Häusern erheben sich Kamine. Im Freien, an den Eckmauern der
-Wohngebäude sah ich an vielen Orten eine Art Herd. Die Mauern schienen
-mir sehr fest, wozu sich der harte Kalkstein vortrefflich eignet, und
-der Mörtel zeichnet sich durch Güte aus. Ueberhaupt mögen hier die
-Mauern viel länger halten, als in nördlichen Gegenden, wo die Kälte
-unermeßlichen Schaden anrichtet, wie besonders das Jahr 1830 bezeugen
-kann. Um Gassen anzulegen, wurde an vielen Orten nur der Kalkfelsen
-ein wenig ausgeebnet. Sie werden länger dauern, als anderwärts die
-auf’s kunstreichste und kostbarste gepflasterten Straßen. Allein sie
-laden eben nicht am freundlichsten ein. Die spitzigen Geschiebsteine
-schneiden beinahe in das Leder der Schuhe, und leicht gleitet man auf
-den Flächen des Felsen -- nicht in den Himmel, wohl aber auf den Boden.
-Besonders mühsam wird das Gehen außer den Dörfern. Wer einmal in der
-Schweiz einen recht steinigen, doch bessern Bergweg wandelte, kann sich
-das Gehen auf den hiesigen Landwegen gar leicht vorstellen. Ueber große
-Unreinlichkeit auf Plätzen, Wegen u. s. f. könnte man gerade nicht
-klagen. Keine Misthaufen. Das Vieh ist aber nicht zahlreich; wenig Kühe
-werden gehalten; am meisten noch Schafe und Ziegen. Letztere haben
-lange, seidenartige Haare und liefern einen schmackhaften Käse. Nur ein
-einziges Pferd nahm ich wahr; es ritt darauf eine kranke Frau, sich
-Bewegung zu verschaffen. Ein Fuhrwerk rollte schon gar nicht vorüber.
-Es zieht sich zwar eine schmale Straße von dem großen Lossin nach dem
-kleinen, die allerdings fahrbar wäre, wenn man auf eine Lustfahrt
-Verzicht leisten wollte. Es darf übrigens nicht unerwähnt bleiben, daß
-auch hier die französischen Umwälzungsmänner eine Spur ihres Wirkens
-zurückließen, indem +sie+ diese Straße bauten. Andere, als solche
-Thiere, welche der Hauswirthschaft, so zu sagen, angehören, sind selten.
-
-Um die Bewohner zu beobachten, war mir +Mariens+ Geburtstag
-willkommen. Soll ich im Namen Lossin grande beklagen, daß die dortigen
-Frommen die obere Kirche nicht ausfüllten? Wie ich in das Gotteshaus
-trat, spielte eine Musik, die hätte zum Tanze ermuntern können. Erst
-als die Orgel ertönte, hob eine ernstere Melodie an. Die Frauen knieten
-bald auf den Boden, bald ließen sie sich auf die Fersen nieder, andere
-saßen auf dem Boden, indem sie die Füße auf einer Seite an sich zogen,
-noch andere kauerten bloß auf einer Ferse, und streckten den andern Fuß
-vorwärts, daß das Bein der Länge nach auf dem Boden ruhete. Uebrigens
-wußten sich alle gar züchtig niederzusetzen. Man durfte wenigstens
-drei Viertheile Frauen auf nur einen Viertheil Männer annehmen: ein
-Mißverhältniß der Leute beiderlei Geschlechtes, das später klar wird.
-Ein ziemlicher Theil Frauenzimmer war gar schön aufgeputzt, und ihre
-Andacht spendete dann und wann einen Blick auf die Seite in die Welt,
-und vermochte ein weltliches Schmunzeln nicht zu überwinden. Die Zahl
-der Priester fiel mir auf. Das große Lossin zählt zu seinen 2400
-Einwohnern vierzehn Priester, darunter vier, welchen die eigentliche
-Seelsorge obliegt. Einige Male traf ich einen alten, gutmüthigen
-Priester auf der Straße: seine Kleidung lieferte einen ansehnlichen
-Beitrag zu Löchern und Lappen, das heißt, zur Bescheidenheit und Demuth.
-
-Die Leute kleiden sich wohl. Selbst in der Hitze des Tages umgibt
-die Jacke den Oberleib. Von der Kleidung der Männer springt nichts
-Besonderes in die Augen. Dem weiblichen Geschlechte gebührt das Lob
-oder der Tadel eines eigenthümlichen Kopfputzes. Ein Flor von Musseline
-bildet auf jeder Seite einen Ring, ohne den Kopf zuzudecken. Wer möchte
-diesen Rückprall einer Kinderei schön nennen?
-
-Die Lossiner thun sich durch Körpergröße hervor. Man muß zwei
-Menschenschläge unterscheiden, einen italienischen und slavischen.
-Die Venezianer eroberten zu seiner Zeit die Insel. Vom italienischen
-Schlage sind sowohl reine, als mit dem slavischen vermischte Sprößlinge
-vorhanden. Auf den Leuten vom italienischen Schlage ruht der Zug der
-Schönheit, von etwas Edlem, von Stolz, welcher Zug sich in der Regel
-charakteristisch beim Herrscher ausspricht. Das pechschwarze Haar
-und die Gluth der schwarzen Augen könnten uns in die Mauern Padua’s
-versetzen. Die Bewohner vom slavischen Schlage, weitaus die Mehrzahl,
-zeichnet ein breites Gesicht, hervorstehende Backenknochen (selten
-volle Backen), eine etwas ausgebogene Nase, üppiges, bräunliches oder
-blondes Haar aus. Wie es zwei Schläge gibt, so zwei Sprachen. Der
-Sieger brachte das Italienische, welches jetzt noch in den Kreisen der
-Wohlhabendern geredet wird; bei den Uebrigen das Kroatische, welches
-vorherrscht, oder die eigentliche Landessprache ist.
-
-Die Leute beschränken sich in ihren Beschäftigungen nicht bloß auf
-Viehzucht, Ackerbau, die Weiber auf Spinnen, Sticken u. dgl., sondern
-die Lossiner beziehen ihre Nahrung auch vom Fischfang, und, die
-Hauptsache, ein bedeutender Theil verlegt sich auf die Schifffahrt.
-Die Lossiner bilden mit den Bocchesen den Kern der österreichischen
-Seemacht. Lossin piccolo nennt mit Stolz allein über achtzig größere
-Kauffahrteischiffe (~bastimenti~). Da stößt man auf eine Menge
-Kapitäne, welche die Meere durchsegelten, und von Konstantinopel,
-Alexandrien, Algier, London u. s. f. erzählen, nur nicht von Stürmen,
-als etwas Abgedroschenem. Bewog Liebe zu ihren Ehemännern selbst
-Frauen, sich auf unsichern Fluthen zu entfernen, um zugleich angenehme
-Berührungen mit den berühmten Städten der Welt herüber zu nehmen.
-
-Der Vater des Kapitäns, Podestà (Gemeindspräsident) +Budinich+, empfing
-uns mit vieler Gewogenheit. Am zweiten Tage nach der Ankunft in Lossin
-wurden +Cesare+ und ich von ihm zu einem Mittagsmahle eingeladen. Gern
-entsprachen wir der Einladung. Zwei Familien vereinigten sich, um sich
-und uns Gesellschaft zu leisten; die Menge Kinder dabei lachte, lärmte,
-befahl u. dgl., so daß Einem die Zeit nicht lange werden konnte. Das
-Gespräch verbreitete sich größtentheils über Seereisen. Ich wurde als
-Mann mit deutscher Zunge auf recht schonende Weise behandelt. Einmal
-sagte der Signor’ Patrong’ zu +Cesare+, als dieser nicht trinken
-wollte: ~Italiani~, ~Sociani~. Er sagte es in so gutem, so wenig
-exkommunizirendem Tone, daß ich es ihm nicht im mindesten übel nehmen
-durfte. Die Tafel war üppig bestellt, und deßwegen schon ein Dorn in
-meinem Auge, um mich an einem andern Tage nochmals zu ihr hinzusetzen.
-Der freundliche Ton der Familien gefiel mir unaussprechlich. Ich möchte
-behaupten: Familienliebe ist eines der erhabensten religiösen Gefühle.
-Unser Hauptmann saß neben dem Vater, bescheiden und wenig redend,
-der innigsten Liebe Blicke brüderlich erwiedernd, welche auf ihn die
-daneben sitzende Schwester heftete; für ihn plauderte der erfahrnere
-Vater; der Sohn gebot auf dem Schiffe, wo er an seinem Platze war.
-
-Der Umstand, daß wir wider Erwarten lange nicht in die See stechen
-konnten, trug dazu bei, daß ich die Insel noch genauer kennen lernte.
-Die Lebensmittel sind zum Theile sehr wohlfeil. Ein Seidel Wein, d. h.
-ein Viertel eines Triestiner-Pokale, kostet nicht einmal 5 Pfennige R.
-V. So wenig haushälterisch geht man mit den Trauben um, daß solche hie
-und da auf den Wegen herumliegen. Dagegen ist die Milch überaus theuer.
-Ein Pokale Schaf- oder Ziegenmilch kostet 12 Kr. R. V., also über die
-Hälfte mehr, denn so viel Wein.
-
-Als ich eines Nachmittags nach dem kleinen Lossin ging, zog eine
-Weberin meinen Blick auf sich. Ich trat sogleich in das Zimmer. Eine
-alte Frau, mit einer Brille auf der Nase, jagte mühsam das Schiff durch
-die Kette. Der Webstuhl war sehr einfach, klein und so eingerichtet,
-daß er mit leichter Mühe an einen andern Ort gebracht werden kann. Das
-Weib wob grobes Tuch. Indem es mit beiden Füßen zugleich, jetzt auf
-die einen zwei, dann auf die andern zwei Schemmel, überhüpfte, setzte
-es diese in Bewegung. Gleich hernach nahmen meine Aufmerksamkeit dem
-Webstuhle gegenüber sich befindende zwei Steine in Anspruch. Es waren
-Mühlsteine, die von Menschenhand herumgedreht werden, um das Speisemehl
-zu bereiten. Solche Mühlsteine trifft man in den meisten Bauernhäusern.
-Dürftigkeit ruft der Einfachheit. Auch dieses Mahl-, Web-, Wohnzimmer
-u. s. f. war etwas sparsam durch das Fenster beleuchtet, und das meiste
-Licht trat durch die Thüre. Das Nämliche gilt auch von vielen andern
-Häusern. So sah ich ein Mädchen nicht ohne Kunst auf einem Rahmen
-nähen; um aber die, die Augen etwas mehr anstrengende Arbeit verrichten
-zu können, mußte es sich an die Thüröffnung setzen.
-
-Lossin grande kann sich eines Kalvarienberges rühmen, dessen Aussicht
-das Meer ringsumher beherrscht. Im Hintergrunde des Ostens steigt das
-Küstenland Kroaziens himmelan. Doch welch öder Anblick! Fast nichts als
-Stein oder Felsen bieten sich dem Auge dar. Wenn der Himmel recht hell
-sei, soll man im Westen selbst Ankona sehen. Da die Bewohner von Lossin
-keine tiefe Erde aufzuweisen vermögen, so leuchtet bald ein, daß sie
-keine Gottesäcker, dafür aber Todtengrüfte besitzen. In Lossin grande
-öffnet sich gleich neben der untern Kirche eine Gruft. Durch eine
-der fünf Oeffnungen wird die Leiche an Stricken in dieselbe versenkt.
-Ein Sarg würde zu viel Raum einnehmen, und so werden die sterblichen
-Ueberreste bloß in ein Tuch gewickelt, um sie beizusetzen. Es kann sich
-bisweilen ereignen, daß eine Leiche auf eine andere geschichtet wird;
-doch sucht man dieß bestmöglich zu vermeiden. Die Oeffnung wird nach
-jeder Beisetzung durch eine Steinplatte geschlossen und zugemauert,
-damit die kadaverösen Aushauchungen der Gesundheit keinen Schaden
-zufügen. Der Boden der Gruft ist siebartig durchlöchert, und deckt eine
-andere Höhle, welche mit dem Meere in Verbindung steht. Durch dieses
-Sieb finden nun diejenigen Theile des menschlichen Körpers, welche der
-Verwesung zufallen, einen Ausweg, und das bloße Gerippe bleibt am Ende
-zurück. Wehe einem Scheintodten, welcher in einer solchen Gruft wieder
-lebendig würde. Grauenvolleres könnte man sich kaum vorstellen, als
-das Leben unter faulen, stinkenden Leichen, wo die Aussicht, dasselbe
-zu retten, so gut, als ganz abgeschnitten wäre. Ich bedaure es, daß
-ich die Gruft selbst nicht sah. Wohl nahm ich in der Kirche einen
-ausgesetzten, nur mit einem dünnen Tuche verhüllten Leichnam wahr.
-Im Hause des Herrn +Marco Sopranich+ zeigte man mir einen Sarg,
-worin Wachskerzen aufbewahrt werden, auf den Fall, daß im Hause Jemand
-sterbe.
-
-Die Festtage scheinen die Lossiner nicht so strenge zu feiern, als
-die Katholiken der deutschen Lande. In Lossin piccolo war an +Mariä+
-Geburt die Fleischbude offen, und Einer blies so eben das Fell eines
-Ziegenbockes auf. Lumpige und unreinliche Leute trugen sich auch an
-diesem Tage nicht anders, als an Werktagen. Einen großen Theil des
-Volkes soll die Armuth in hohem Grade drücken. Es ist voreilig, wenn
-man von vielen Reichen gleich auf den Wohlstand der Bewohner eines
-Landes im Allgemeinen schließt. Wenn allerdings unter den Lossinern
-manche sich ansehnlicher Schätze erfreuen, so muß man indeß bedenken,
-daß das Eiland der See +eine Menge Matrosen+ liefert, welche zu Hause
-ein Weib mit Kindern unterhalten müssen, und +wie+ unterhalten?
-Kärglich.
-
-Es war am 10. Abends, als ich dem Podestà, dem Vater des Kapitäns,
-meine Aufwartung machte, weil die Abfahrt des Schiffes auf den 11.
-bestimmt war. Ich wurde dießmal über das Befinden der Frau Podestà
-befragt, und Tages darauf sollte ich mehrern Frauen von Lossin meinen
-ärztlichen Rath ertheilen. Ich entsprach dem Ansuchen um so lieber,
-einerseits, als die Wiederaufnahme meiner Geschäfte, wenn auch nur
-auf kurze Zeit, am ehesten geeignet war, den entstehenden Ueberdruß
-zu verscheuchen, und um so lieber andererseits, als ich wußte, daß
-der Arzt mit Dingen in Berührung kommt, die andern Reisenden leichter
-entgehen. Darf ich mir ein Urtheil zutrauen, so läßt man sich auch
-in Lossin viel verschreiben, um wenig zu nehmen; man will die Aerzte
-aushorchen, um aus ihren Ansichten diejenigen zu wählen, die gleichsam
-am meisten schmeicheln, um nicht zu sagen -- die Bequemlichkeit am
-wenigsten stören. Die alten Frauen zeigten ungemein viel Lebhaftigkeit
-in der Rede, wie im Benehmen; ich hörte nicht den leisesten Ton der
-Klage. Die Sprache legte dem Krankenexamen einige Hindernisse in den
-Weg. Da ich mich im Italienischen nur mit vieler Mühe ausgedrückt
-haben würde, so begleitete mich der Kapitän, und übersetzte meine in
-französischer Sprache gestellten Fragen ins Italienische, und bei einer
-Magd mußte dieses dann erst noch ins Kroatische übertragen werden, weil
-der Hauptmann von seiner Landessprache zu wenig verstand.
-
-Ein alter Schiffseigenthümer, der an einem Lippenkrebse litt, kam
-zu mir an Bord, um ärztliche Hülfe zu suchen. Ich hielt deßwegen
-mit dem achtungswerthen ~Dr.~ +Boselli+, welcher in Lossin piccolo
-niedergelassen ist, eine Konsultation. Es wurde diese am Borde
-gepflogen, weil ich wegen der Ruhr nicht ausging, die mich seit zwei
-Tagen plagte.
-
-
-+Den 14. Herbstmonat.+
-
-Dem Eigenthümer des Schiffes, einem reichen Manne, machte es Vergnügen,
-den Giusto in dem Hafen zu sehen, und so konnten wir einmal wegen
-dieses fatalen Vergnügens nicht weg. Doch heute war es ihm selbst daran
-gelegen, daß die Abreise nicht länger verzögert werde. Indessen hatten
-unglücklicher Weise der Herr +Marco+ und der Himmel ungleiche
-Launen. Man wollte die Brigg aus dem engen Hafen herausbugsiren; allein
-der Wind blies so widerlich, daß man den Versuch aufgeben mußte.
-
-Mittlerweile umgab uns Gesellschaft. Der Vater des Kapitäns nebst
-seiner Gattin und einer hübschen Anzahl Kinder waren am Borde --
-im Abschiedsgeleite und auf dem Wege zum Landgute. Mich freute es,
-dießmal die Familie in alltäglichem Putze zu sehen. Der Podestà, ein
-ziemlich betagter Mann, mit kahlem Kopfe, von fettem Leibe, trug
-eine hinten breit abgeschnittene Jacke, an der hie und da die Naht
-von einander gähnte; die schwarze Weste war mit hellbraunem Tabake
-übersäet; die Schuhe roth, ordentlich schuppig, ein langes Register von
-Lobsprüchen auf den Schuhflicker. Der gute Mann war stets aufgeräumt;
-die alltäglichste Frage pflegte er zu deklamiren; er plünderte gerne
-Stellen aus französischen Schriften, besonders aus +Rousseau+, welcher
-so unbarmherzig die Geißel über die Aerzte schwang. Der französischen
-Sprache keineswegs fremde, überwarf er sich leicht in der Aussprache;
-z. B. +but+ statt bü (~but~). Sogar mit lateinischen Brocken sättigte
-er zuweilen das Gespräche. Auf dem geschichtlichen Felde spielte er
-am liebsten und beßten. Auf echt italienisch erzählte er, daß Lossin,
-die Absorus der Alten, +früher+ bevölkert worden sei, als Rom. Die
-Italiener führen den Adel auf ihre Urväter zurück, wie die wirklichen
-Adelichen auf den Wipfel ihres hohen Stammbaumes hinauf. So lange die
-heutigen Italiener nicht mehr leisten, erscheint ihr Adel possirlich
-genug. Madame, eine Frau von Geist und sehr eingezogenem, stillem
-Karakter, übernahm die Rolle als Kranke. Während des Mittagmahles
-setzten ihr die Bewegungen des Schiffes so zu, daß ich nicht eilig
-genug mein Felleisen öffnen, und ein Fläschchen herausziehen konnte.
-Die verheirathete Tochter, eine fette, große Gestalt, mit der
-Adlernase, mit Haaren, deren Farbe am wenigsten gefällt, von Ansehen
-überaus gutmüthig, in der Rede äußerst nachläßig, schien das größte
-Wohlgefallen am Lachen zu finden, auf daß sie ihre blendend weißen
-Zähne weisen könne. Es fiel mir auf, daß die Kinder ihren Vater Signore
-und ihre Mutter ~Signora~ titulirten. Uebrigens will der Titel mit
-größerem Recht einen Platz, wenn man Jemandem +Herr+ sagt, der mehr
-oder weniger über Einen herrscht, als einem Andern, dessen Herrschaft
-man sich gelindestens verbitten würde.
-
-Hatte der Herr Podestà sich satt gegessen, wozu, als zu einem
-Lieblingsthema, er sich recht Zeit nahm, so suchten wir Unterhaltung im
-Spiele. Ich konnte ihm die entzückenden Lorbeeren des Gewinnes leicht
-gönnen, weil ich das Damenspiel auf italienische Weise erst lernen
-mußte. Mit den Damen wechselten noch das Karten- und Dominospiel.
-
-Ich vernahm, daß die ganze Familie, mit Ausnahme der verheiratheten
-Tochter, die Nacht am Borde zubringen werde. Das wird wunderlich
-hergehen, dachte ich bei mir selbst. Doch schickte sich die Sache
-ziemlich gut. Matratzen wurden auf den Boden ausgebreitet, und nach
-langem Aufbleiben legte sich Alles bunt darauf, der Dorfschulze,
-versteht sich, am breitesten, +Cesare+ und ich steckten uns ohne
-Komplimente in unsere Bettkasten (~cuccietta~).
-
-
-+Den 16. Herbstmonat.+
-
-Gestern wurden vergebens Versuche gemacht, um die offene See zu
-erreichen. Die Familie blieb am Borde, essend, trinkend, gähnend,
-schlafend, strickend, spielend, plaudernd, ganz wie den Tag vorher.
-
-In aller Frühe hörte man Lärm auf dem Verdecke. Man bereitete sich
-vor, das Schiff flott zu machen. Am Eingange des Hafens scheiterten
-wieder alle Versuche, den Giusto weiter zu bugsiren. Unter einem
-azurblauen Himmel, der von keiner Wolke getrübt war, durften wir wieder
-liegen bleiben. -- Alles ~in majorem gloriam~ einer Laune.
-
-Es war Mittag, der Tisch gedeckt, das Mahl bereitet. Der Scrivano
-kam zu melden, daß ein wenig Windstille eingetreten sei, welche die
-Ausfahrt erlauben dürfte. Sogleich Lärmen und Laufen. Endlich gelang
-die Zangengeburt. Neun Tage mußten wir uns in dem Hafen von Lossin
-grande aufhalten. Bei der Ausfahrt pikirte mich eine alte Figur
-von neunzig Jahren. Es war ein etwas lumpig gekleideter, ehrwürdig
-aussehender Chorherr, der in einem Kahne herumfischte. So muß die
-Uebermenge Priester hier ihr Brot verdienen.
-
-Bald erhielt unser Podestà einen Besuch am Borde von seinem
-Stellvertreter. Ich möchte wohl um keinen Preis dessen Kupfernase
-gekauft haben, aus lauter Besorgniß für einen Trinker, Notabene für
-keinen Wassertrinker, gehalten zu werden.
-
-Abends verließ uns die Familie +Budinich+, welche sich auf ihr
-Landgut begab. Der Podestà drückte mir zwei Küsse auf den Mund, und
-der Anstand forderte von mir ein Gleiches. Nichts widersinniger, als
-daß die Männer sich küssen, und dabei die Bärte aneinander reiben.
-Mein Urtheil über diese Familie fällt mit Entschiedenheit günstig.
-Tugendhaftigkeit, Religiosität, die von Bigottismus weit abliegt,
-hinderten jedoch keinesweges, daß mehr Ordnungsliebe noch eine äußere
-Zierde wäre. Unsere Matrosen ruderten, vom Kapitän begleitet, die Gäste
-ans Land, und nach anderthalb Stunden setzten wir unsere Seereise fort.
-Diesen Tag ergötzten mich zwei Delphine, die drollig davon schwammen.
-
-
-+Den 17.+
-
-Links endete der Gebirgszug von Kroazien. Dort in der Nähe liegt Sarah.
-Südwestlich erblickten wir den Berg von Ankona, dem wir, vom Sirocco
-genöthiget, uns immer mehr näherten. Der Wind nahm Abends so zu, daß es
-stürmte.
-
-
-+Den 18.+
-
-Diese Nacht brauste der Meeressturm, welcher uns zur Rückkehr zwang.
-Die Wuth des Meeres vergönnte mir keinen Schlaf, und ich mußte mich
-selbst in der Cuccietta halten, um nicht von einer Seite auf die andere
-geworfen zu werden. In der Kajüte purzelte bald dieses, bald anderes
-Geräthe. Des Morgens wollte ich auch Zeuge des Schauspieles sein. Ich
-möchte es nicht beschreiben, weil es zu gewöhnlich ist, und beinahe
-in alle Schilderungen von Seereisen, manchmal selbst da, wohin es im
-Ernste nicht gehört, als Würze eingestreut wird. Auf dem Verdecke
-fragte mich der Hauptmann: Wie gefällt es Ihnen? Das ist sehr schön,
-antwortete ich, hingerissen vom Anblicke. Doch die angenehmen Momente
-dauerten nicht lange. Auf die Einladung des Hauptmanns ließ ich mich am
-Steuerborde nieder, im tröstlichen Glauben, daß ich von diesem, wie von
-einer Brustwehr, geschützt würde. Kaum war ich recht festgesessen, als
-eine Welle über Bord schlug, mich zudeckte und durch und durchnäßte.
-Ich legte mich zu Bette um darin das Ende der Szene zu erwarten.
-
-Kurz nach Mittag warfen wir im Hafen San Pietro di Nembo Anker, wo
-wir schon gestern Abends vorbeigesegelt waren. Unangenehme Gefühle
-bemächtigten sich meiner, weil das Schicksal mir nicht besser zum
-Vorwärtskommen dienen wollte.
-
-
-+Den 19.+
-
-Wir begaben uns zur Kirche von San Pietro di Nembo. Ohne Thurm,
-ungemein ärmlich und klein ist sie. Unter einem Dache vereinigen sich
-brüderlich das Wirths- und Pfarrhaus. Dieses nämlich stellt eine Kammer
-im obern Stocke vor. +Cesare+ und ich besuchten den Pfarrer. Ein fetter
-Herr mit einer Perrücke, wußte er über sein Elend viel zu klagen. Er
-beseufzete sein Schicksal das ihn der Carità unterwerfe. Es sei nicht
-zu unserer Ehre gesagt, daß die Börse dabei nicht das mindeste Mitleid
-empfand. Lateinisch verstand der Mann Gottes nicht; höchstens mag ihm
-das Latein bei der Messe verständlich sein. Auf meine Frage: ~Quomodo
-nominatur haec insula?~ erwiederte er: ~Ego sum parocho hic.~ Dieser
-Mann kann sich, wie der Anschein lehrt, in einer Gemeinde, die nur
-etwas mehr denn zweihundert Seelen zählt, fett essen.
-
-Ich rede mit meinen Lesern wohl ab. Es ist ebensosehr meinen Ansichten,
-als meinen Neigungen entgegen, konfessionistische Plänkeleien zu
-eröffnen. Ich ehre die katholische Religion, aber nicht alle ihre
-Bekenner, nicht alle ihre Priester. Ich habe es mit +Personen+ zu
-thun, aber nicht mit der +Dogmatik+. So sehr ich dem Zartgefühl gegen
-Andersdenkende und Andersgläubige Rechnung trage, so wenig nehme
-ich Anstand, ein freies Wort über Personen, ohne Unterschied ihres
-Glaubensbekenntnisses, zu führen.
-
-Nachmittags besuchte ich die Wohnungen auf der südlich gelegenen Insel
-San Pietro di Nembo. Dieses Eiland ist im Allgemeinen sehr gedeihlich,
-und dem größten Theile nach ein Weingarten köstlich schmeckender
-Trauben. Die Feigen wachsen üppig neben den Oliven. Würde der Bischof
-in Veglia, +Giovanni Antonio+, welchem das Eiland angehört, diesem mehr
-Aufmerksamkeit zulenken, es müßte beinahe zu einem Paradiese erblühen.
-
-Die Wohnungen theilen mit dem Lande nicht das gleiche Lob. Wie die
-ungarischen, in die Länge gebaut, haben sie nur ein Erdgeschoß; den
-Kamin trifft man zur Seltenheit, und seine Stelle vertritt die Thüre
-oder eine Queröffnung im Dache. Nicht minder selten sind die Fenster;
-ich sah nicht ein einziges. Des Sommers tritt genug Licht durch die
-Thüre, und wenn, was selten, im Winter die Kälte es nicht erlaubt,
-die Thüre offen zu halten, so macht man auf dem Herde ein Feuer an,
-und umlagert dieses, sich zu wärmen. Ich erinnere mich, des Sommers
-auf Schweizerbergen mich aufgehalten zu haben, da es schneite, und da
-es nicht weniger kalt war, als es in San Pietro di Nembo mitten im
-Winter sein dürfte. Ich litt auf dem Berge von der Kälte sehr wenig.
-Ich setzte mich ans Feuer, oder legte mich ins Bett, wie auch die
-Hirten zu thun pflegen. Die Häuser von San Pietro di Nembo sind von
-Stein gebaut und mit Hohlziegeln gedeckt. Anstalten für Bedürfnisse,
-die ich nicht weiter bezeichne, nahm ich nicht wahr. Das Feld sei
-ja thätig genug, mögen die Leute denken, indem sie die Reinlichkeit
-zu niedrig anschlagen. Man suche in San Pietro keine eigentliche
-Backhäuser. Als ich einem Haufen Steine begegnete, schaute ich hinein,
-und siehe, es war ein Backofen mit kleinen Broten angefüllt; er mußte
-wohl zu dem etwas weiter unten stehenden Häuschen gehören. Besonders
-zog meine Aufmerksamkeit ein Haus auf sich, dessen Mauern bloß aus
-übereinandergelegten Steinen bestanden, ohne daß sie mit Mörtel
-verbunden gewesen waren. Ich ging mit ~buona sera~ hinein, und
-fand zwar, daß das Innere der Mauern übermörtelt war. Wer aber hätte
-hier einen Keller, eine Kammer, eine Küche, eine Stube, eine Mühle
-gesucht? -- Um das Maß der Wirthschaft zu füllen, gleich außen an
-der Mauer fand sich ein Backofen. Die Gesetze sind gegen die Winzer
-nachsichtig. Jedes Häuschen verkauft sein eigen Gewächs, und so besteht
-das Dörfchen aus lauter Schenkhäusern.
-
-Die Bewohner, nicht ausgezeichnet groß, nicht schön, sind meist von
-heller Farbe. Uebrigens sehen sie lebhaft und fröhlich aus. Zwei
-Weibspersonen fanden gar großes Vergnügen, mit den Füßen im Meere,
-den Saum ihrer Röcke, die sie trugen, zu waschen, und ihr schallendes
-Gelächter bei diesem Geschäfte konnte sogar mich ergötzen. Was die
-Leute indeß auszeichnet, ist die Unreinlichkeit und Lumpigkeit. Es ging
-ein Weib vor mir her, an dem ich nichts unbegreiflicher fand, als daß
-es einen Rock trug; denn dieser war so in aller Aufrichtigkeit voller
-Löcher, daß -- --. Ich sah größere Kinder, die halb entblößt umher
-gingen. Wegen des Schmutzes konnte man an vielen Kleidern, und unter
-den Kindern an vielen Gesichtern die Farbe nicht gehörig erkennen. Nur
-das Auge sah man rein, schön, unschuldig; wäre es aber möglich gewesen,
-auch dieses zu verunreinigen, man würde es sonder Zweifel gethan haben.
-
-Von diesen unzierlichen Leuten kommt ein guter Wein in den Handel. Es
-war eben die Weinlese vorüber, als ich das Eiland besuchte, und mich
-belustigte die einfache Bereitung des Nektars. Ein Böttcher hämmert in
-dem dunkeln Häuschen die Fässer zurecht, und ein Mann steht im Fasse,
-um Trauben herauszuschöpfen. Man wird da nichts weiter sehen; man gehe
-nur gleich auf die Seite des Häuschens. Da zertritt und zerdrückt ein
-Mann, im Freien tanzend, die Trauben. Sie stehen über einem Brete, in
-einem hölzernen walzenförmigen Käfiche. Wenn der Treter darin keinen
-Saft mehr auszupressen vermag, so wird derselbe weggehoben; der Treber
-mit einem dicken Seile schneckenartig umwunden, und dann, einen Deckel
-darüber, gekeltert. Wo man hinblickte, überall Weinfässer. Hier,
-wo die Einfachheit ihren Sitz aufschlug, hat doch der Bauer seine
-Fässer voll Wein, und würzt damit täglich seine Gerichte; hier, wo
-Unzierlichkeiten allen Anstand auslachen, findet man wohl noch einen
-Mörser oder eine Bank von Marmor. Doch allenthalben wenigstens einiger
-Kontrast!
-
-Ich wollte die Schafmilch kosten; allein die Schafe werden bloß im
-Frühjahre gemolken.
-
-Es gibt Leute, welche die Schulen mit schelen Augen ansehen. Sie werden
-sich freuen, daß die San-Pietrianer einer Schule entbehren. Der Bischof
-gehört nicht zu manchen edeln Bischöfen der katholischen Kirche,
-die es sich zur Gewissenssache machen, für die Geistesbildung und
-Herzensveredlung alle Sorge zu tragen.
-
-
-+Sonntags, den 20. Herbstmonat.+
-
-Der Nordwind stellte endlich sich ein. Wir lichteten die Anker. Allein
-um den Kapitän abzuholen, mußten wir rückwärts steuern, in kräftigem
-Kampfe gegen denjenigen, der uns für die Fahrt nach Alexandrien nicht
-mehr Gunst hätte erweisen können. Der Kapitän ließ uns zudem beinahe
-ans Ufer segeln, und damit Alles ja recht langsam und zeremoniös
-hergehe, sich von seiner ganzen Familie bis an Bord begleiten. Durch
-die Schuld des Hauptmanns verloren wir fünf der günstigsten Stunden.
-Dießmal wich von mir die Geduld, und auf meiner ganzen bisherigen
-Reise hatte ich keine trübern Augenblicke. Ich lasse mir die Geduld
-gerne gefallen, wenn ein ungünstiger Wind, dem kein Mensch den Lauf
-befiehlt, die Fahrt hemmt; wo aber diese rein vom menschlichen Willen
-abhängt, erscheint die Sache in einem andern Lichte. Es wäre Pflicht
-des Kapitäns gewesen, an Bord zu bleiben, und er hätte beherzigen
-sollen, daß, nachdem bereits fünfzehn Tage auf der kleinen Reise von
-Triest nach Lossin verstrichen waren, jeder günstige Augenblick für
-den Reisenden ein goldener sein mußte. Ich kann diejenigen, welche von
-Triest aus das adriatische Meer in seiner Länge befahren, nicht genug
-warnen, daß sie sich einem Kapitän von Lossin grande anvertrauen, darum
-schon, weil es sehr schwer hält, bisweilen gar unmöglich ist, aus dem
-Hafen zu dringen, selbst beim günstigsten Winde.
-
-Links sah ich die Isola grossa, welche Dalmatien angehört.
-
-
-+Den 21.+
-
-Bei der Isola grossa vorbei; die Eiländer San Andrea und Lissa.
-
-
-+Den 22.+
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-Windstille und schönes Wetter.
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-+Den 23.+
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-Vor dem Winde. Meist sah ich nichts, als Himmel und Wasser. Es ist
-fürwahr ein eigener Anblick. Das Meer bildet eine Scheibe, dessen
-Mittelpunkt das Schiff ist. Der Himmel wölbt sich wie ein Deckel über
-die Wasserscheibe. Das ist nun freilich Alles, was man sieht.
-
-Der Abend war ungemein lieblich und angenehm. Keine herbstliche Kühle,
-kein Nebel. Nach dem Untergange der Sonne schien der Horizont auf der
-Abendseite lange wie glühend. Als ich mich zu Bette legte, fühlte ich
-ungefähr die nämliche Wärme, wie bei uns mitten im Sommer.
-
-
-+Den 24.+
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-Albaniens Gebirge unterbrachen das Einerlei von Himmel und Wasser.
-Eine frohe Stimmung entströmte dem Gedanken, daß ich schon einen Theil
-der Türkei erblicke. Bisher sah ich keine andere, als christliche
-Länder. Auf einmal drängten sich in meiner Phantasie die eigenen
-Religionsgebräuche, die Moscheen, der Halbmond, der Turban vor.
-Begreiflich wurde meine Sehnsucht nur um so reger, einmal das Land der
-Mohammetaner zu betreten. -- Bis Abend waren wir so weit vorgerückt,
-daß auch die Küste von Italien, gegen Otranto hin, als ein schmaler,
-unansehnlicher Streifen dem Auge sich darstellte, indeß das türkische
-Gebirge, der ~Monte della Pegola~ (Pechberg, weil dort Schiffspech
-ausgebeutet wird), nunmehr sich in die Ferne verbarg.
-
-Ich bestätige die Erfahrung manches Reisenden, daß man mit den
-natürlichsten Fragen die Seemänner leicht in Unmuth bringt. Als ich dem
-Kapitän einen konditionellen Satz über den Wind mittheilte, brummte er
-beinahe kopfschüttelnd: +Wenn+ sagt alle Welt. Er schimpfte früher auf
-die Trockenheit der Engländer, und ich ergriff diesen Anlaß, ihm zu
-erwiedern: Es wäre mehr, als englische Trockenheit, wenn man sich der
-+Wenn+ fürder enthalten wollte. Ich überzeugte mich, daß ich anderwärts
-einlenken müsse. Meine Neugierde fand Mittel. Theils waren die Matrosen
-mittheilender, wenn ich den Namen eines Landes, das ich eben erblickte,
-erfragen wollte, theils sah’ ich dem Tagebuchhalter (~scrivano~) nach,
-wenn er täglich den Standpunkt in Bezug auf geographische Länge und
-Breite; wenn er die Richtung, welche der Wind und das Schiff nahm, wenn
-er den stündlich zurückgelegten, in Seemeilen ausgedrückten Weg in das
-Buch eintrug. Was wollte ich mehr? Denn durch die Güte des Kapitäns
-stand mir doch die hydrographische Karte und der Teleskop zu Gebote,
-daß im Grunde nichts mehr zu wünschen übrig blieb. Nur das Gespräch
-ging ab, und wollte ich es erzwingen, mußte ich meine Seele in zwei
-Theile spalten, damit wenigstens meine Seelenhälften mit einander
-plaudern können. Die Zukunft entzifferte der Kapitän in der That nicht
-viel besser, als ich und unsere Wetterpropheten, welche auf ein Jahr in
-den Himmel hineingucken, um die Kalender zu schreiben.
-
-Schon früher verlangte mich, die Apotheke des Kapitäns zu sehen. Nun
-keine erwünschtere Gelegenheit, als heute. Der Kapitän benutzte die
-Anwesenheit des Pharmazisten, um mit ihm die Arzneien durchzugehen, ob
-sie noch brauchbar und ob sie richtig angeschrieben seien oder nicht.
-Ich hätte meine Ohren zustopfen mögen, so sehr wurde gequacksalbert und
-in den Markt geschrieen. Auch in der Arzneikiste des Kapitäns spielt
-le Roi, und ich vergesse nie den Fanatismus, mit dem ein Deutscher in
-Triest für diesen Arzt sprach, ihn den einzigen wahren Heilkünstler
-nannte, und ihn als Heiland der Medizin nicht genug preisen konnte.
-Ich glaubte, die Geschichte könnte uns vor Thorheiten solcher Art
-schützen; aber nein, immer kehren sie zurück, und selbst in unserm
-zu oft aufgeklärt genannten Jahrhunderte, nistet der tollste Unsinn,
-nicht etwa bloß in den untern, sondern auch in den höhern Kreisen der
-menschlichen Gesellschaft.
-
-Vor Mitternacht noch verließen wir das adriatische Meer. Es endet auf
-der türkischen Seite in Valona, und in Otranto auf der italienischen
-Küste.
-
-
-+Den 25.+
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-Immer guter Wind. Wir waren so fern, daß ich von der Insel Korfu
-(~Corcyra~) das Gebirge undeutlich erblicken konnte. Ich sah heute
-zum ersten Male das mittelländische, oder, wenn man näher will, das
-jonische Meer; aber Wasser ist Wasser. Abends die Luft so warm, als
-an unsern Sommerabenden. Ich durfte, bei offener Kajüte, mich nur mit
-einem Leintuche bedecken.
-
-
-+Den 26.+
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-Ich erblickte in der Ferne Santa Maura (~Leucadia~), etwas näher
-Cephalonien (~Cephallenia~) und südöstlich das Eiland Zante
-(~Zacynthus~). Cephalonien lag deutlich vor den Blicken. Wie
-blau gefärbt erhoben sich die Berge im Süden. Abends gab die
-hinuntersinkende Sonne diesem Eilande ein besonders malerisches
-Aussehen. Jedes Uebel hat wieder sein Gutes. Wäre mir nicht der
-köstliche Ausblick entzogen worden, wenn guter Wind unsere Segel
-geschwellt hätte?
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-+Sonntags, den 27. Herbstmonat.+
-
-Cephalonien stellte sich in den Hintergrund; dafür breitete Zante
-sich immer mehr aus. Neben vielen Einkerbungen des Landes unterschied
-ich Wohnungen der Zanteser. Ausgezeichnet schön konnte ich die mir
-zugewendete Seite der Insel nicht finden.
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-Endlich tauchte aus dem Meere ein Theil vom griechischen Festlande,
-der Peloponnes der Alten, das heutige +Morea+. Gefühle der Bewunderung
-für die alten Griechen, waren die ersten, die mich ergriffen. Der
-Bewunderung folgte dann Freude, daß ich so glücklich war, einen Theil
-ihres Landes zu sehen. Ach, als ich die Feldherren des +Kornelius
-Nepos+ las, deren Beschreibung mein junges Gemüth so lebhaft anzog, wie
-hätte ich damals glauben dürfen, daß mein Auge es erreiche? So ungefähr
-dachte ich beim Anblicke der griechischen Halbinsel.
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-Abends erkannte man das Licht des Leuchtthurms auf der Insel Stanfagni.
-Hier soll auch ein griechisches Kloster stehen.
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-+Den 28.+
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-Heftiger Gegenwind, der üble Sirocco hielt mich den ganzen Tag gefangen
-im Bette. Wir mußten laviren.
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-+Den 29.+
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-Zum Glücke wieder Abendwind, daß die Wellen sich aufbäumten. Er blies
-uns hübsch weiter.
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-Für das Auge nur Himmel und Meer.
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-Abends lief ein Schiff in unsere Nähe. Die Flaggen wurden beiderseits
-aufgezogen. Durch ein kurzes Sprachrohr ward zu einander gesprochen.
-Aus den Fragen ergab sich, daß der Hauptmann, mit Reisenden am
-Borde, von Alexandrien den Weg nach Marseille nehme, und daß +in
-Alexandrien Pest und Cholera herrschen+. Diese Nachricht schlug meinen
-Reisegefährten +Cesare+ ganz nieder, weil er keine Rezepte für die
-Cholera mitgebracht habe. Der Kapitän seufzte aus Besorgniß, daß die
-Schiffsladung schwer halten werde. Hat doch ein Jeglicher seinen Grund.
-Es ist etwas Angenehmes, auf der Wasserwüste Leuten zu begegnen. Der
-entzückende Abend bewog uns, auf dem Verdecke zu speisen.
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-+Den 30.+
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-Heute fühlte ich zum ersten Male so völlig, daß ich unter einem ganz
-andern, dem schönsten blauen, aber heißen Himmel lebe. Von der Hitze
-litt ich zwar nicht, weil ich den Schatten sorgfältig aufsuchte. Schon
-waren wir über den 36ten Grad nördlicher Breite hinausgerückt.
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-+Den 1. Weinmonat.+
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-Schöne Witterung fuhr fort. Morgens schon erspähete ich einen
-Gebirgsstreifen von Kandien, welcher über Wolken oder Nebel emporragte.
-Bescheiden trat die winzige Insel Gozzo auf. Wir wurden bisweilen von
-Schwalben besucht.
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-+Den 2.+
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-Windstille. Heerrauch, so daß man nicht immer Kreta (Kandien)
-erblickte. Das Farbenspiel beim Untergange der Sonne gewährte ein
-herrliches Schauspiel. Westwärts bis zum Schiffe schien das Meer in
-flüssiges Gold verwandelt. Der Spiegel war glatt, außer den sanften
-langsamen Wallungen. Das Wasser zeigte sich so liebsam, als lüde es
-ein, mit ihm den Abschied der Sonne zu verherrlichen. Doch unter dieser
-gefälligen Schminke grausiger Abgrund. Die Sonne selbst, wie glühendes
-Erz, goß eine helle, lodernde Säule in das Meer -- uns zu. Als die
-Spanier nach Amerikas Schätzen dürsteten, konnten sie das Gold nicht
-schöner, nicht reizender sich vorstellen, als es mir vor Augen schwebte.
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-+Den 3.+
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-Windstille. Mittags erhob sich ein leiser Wind, und die Focklee-,
-so wie die Vormarsleesegel rechterseits bekamen Pausbacken. Indeß
-stand die Kandia immer noch nahe, und Abends zeigte sich der
-weitherumschauende Idaberg in seiner ganzen Pracht.
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-+Sonntags den 4. Weinmonat.+
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-Ein wenig Wind. Das schönste Wetter, so warm und so heiter, als in
-unsern Heumonaten. Der Gedanke erfüllte mich sehr oft mit Freude, daß
-ich die sommerlichste Witterung genieße, während es zu gleicher Zeit
-bei uns kalte Morgen und Abende, unfreundlichen Regen und Nebel gebe.
-Das Land war entschwunden aus dem Gesichtskreise.
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-+Den 5.+
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-Schöne Witterung; wenig Wind. Abends spannte mich die lange Weile so
-recht auf die Folterbank; doch unberechnete Umstände können sie oft
-schnell verscheuchen. So flog eine Schwalbe daher, müde, schläfrig
-und so kirre, daß ich sie schmeichelnd streicheln konnte, zu meiner
-innigsten Freude. Endlich fing ich sie ohne Mühe mit der Hand. Die
-Philosophie wappnete und wehrte sich vergebens gegen die Langeweile,
-und ein kleiner Vogel machte allen Kampf der erstern zu Schanden.
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-+Den 6.+
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-Zum ersten Male waren wir überall vom Nebel eingeschlossen, doch nur
-auf sehr kurze Dauer. Was hat ein Haus auf dem Lande zu rühmen, wenn
-Nebel es umgibt? Man sieht Haus und -- Nebel; hier sehe ich Schiff und
-Nebel, und doch noch zur Unterhaltung das frohe Spiel des Windes an den
-Segeln -- -- --.
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-Endlich fing Mittags an ein frischer Nordwest zu blasen, der unser
-Schiff beflügelte.
-
-Seit zwei Tagen steuerte ein Schiff hinter uns. Wir waren 200 Seemeilen
-von Alexandrien entfernt, als es die Flagge aufsteckte, zum Zeichen,
-daß es der Hülfe bedürfe. Das Nothzeichen besteht darin, daß die
-große Flagge gehißt und in die Quere zusammengezogen wird. Wir
-segelten dem Schiffe, das wir früher für ein griechisches hielten,
-sogleich entgegen und bald bekamen wir es in die Schußweite. Welch ein
-Anblick für mich. Die Flagge ganz roth; am Borde Barbaresken, welche
-nach Mekka zu wallfahrten vorhatten. Der Kapitän, ein Alexandriner,
-mit seinem schwarzen Gesichte, dem Turban und den Pluderhosen war
-ein gar rühriges, lebhaftes Wesen. Ein Matrose mit einem türkischen
-Bunde bestieg behende die Strickleiter. Unser Schiffshauptmann
-entsandte jenem auf italienisch den Gruß: Guten Abend. Er wurde von
-dem alexandrinischen Kapitän in der gleichen Sprache erwiedert. Was
-verlangen Sie? fragte unser Hauptmann. Er versetzte, daß er Mangel
-an Wasser bekommen werde, und wenn solches unter den Pilgern ruchbar
-würde, eine Empörung im Schiffe zu besorgen stände. Unser Hauptmann
-fragte ihn weiter, ob er keine Krankheit am Borde hätte? Nein,
-antwortete er, es ist Alles sauber. +Budinich+ versprach ihm Wasser,
-doch wolle er Windstille abwarten, weil sonst die Fahrt zu viel
-einbüßen müßte. Um zu beurtheilen, mit wie viel nautischen Kenntnissen
-der arabische Seemann ausgerüstet ist, genügt einzig noch zu wissen,
-daß der Reis (Kapitän) die Frage stellte, wie weit es bis Alexandrien
-wäre? Als er dann die Entfernung erfuhr, erschien er hoch erfreut, und
-fügte hinzu, daß wir morgen in Alexandrien einträfen. Der Auftritt
-ergötzte mich ungemein. Ich besah mit bewaffnetem Auge die hingehockten
-Hadschi (Pilger) in die Runde. Unser Kapitän hatte keinen Gedanken
-an einen Streifer (Korsar). Ich wußte es nicht, und vertraute dem
-Hauptmann und -- unsern Kanonen.
-
-
-+Den 7.+
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-Vor gutem Winde. Obschon unsere Brigg nicht der beßte Segler war, blieb
-das egyptische Fahrzeug dennoch zurück, so daß wir es ganz aus den
-Augen verloren. Unter solchen Umständen wäre es überaus schmerzlich
-gewesen, einige Segel einzuziehen, bis der Araber uns eingeholt haben
-würde. Was werden aber die ohne Hilfe zurückgebliebenen Mohammetaner
-von der christlichen Liebe denken? Als es gestern hieß, daß ein Schiff
-auf der weiten, hohen See Hilfe begehre, so entzückte mich der Gedanke,
-daß man selbst auf diesem treulosen Elemente nicht ganz verlassen sei,
-und ich sagte zum Hauptmann, es sei Christenpflicht, Andern in der Noth
-zu helfen. Nein, entgegnete er, es sei moralische Pflicht. Noch besser.
-Denn wenn es bloß Christenpflicht wäre, dem Nebenmenschen beizustehen,
-was wollten die Mohammetaner, nothleidenden Christen gegenüber, thun,
-jene Andersgläubigen, welche die +christliche+ Pflicht als solche
-nicht kennen? Es muß also eine allgemeinere, als bloße Christenpflicht
-geben. Es ist Menschenpflicht, Andern in der bedrängten Lage hilfreiche
-Hand zu reichen.
-
-Nun ein weiteres Wort über meinen Hauptmann und den Gefährten
-+Cesare+. Jenem macht die Gutmüthigkeit Ehre, die Launenhaftigkeit
-Mühe, das jugendliche Alter Belehrung fühlbar. Der Pharmazist, eine
-lange, hagere Gestalt mit glänzend schwarzen Haaren, mit einer
-schmalen, kurzen Stirne, einer vollen Baßstimme, ist ein seltenes
-Muster von einem rechthaberischen, anmaßenden Menschen[1]. Selbst
-über arzneiwissenschaftliche Dinge mußte ich ihm Recht lassen, nur um
-unangenehme Auftritte zu vermeiden. Qualvoller kann man sich die Lage
-eines Arztes kaum denken, als die meinige war. Wo nur etwas Weniges
-haperte, war +Cesare+ mit Arzneien, z. B. mit einem Abführmittel,
-bereit. Er zeigte sich unerschöpflich, dem Hauptmann Rezepte zu
-diktiren. Ich schwieg, weil ich zu gut einsah, daß die Quacksalberei
-ihr Hauptlager hier aufgeschlagen hatte. Von solchen Querköpfen als
-Arzt anerkannt zu werden, konnte mich nicht begierig machen. Betrübend
-und ergötzlich war es zu gleicher Zeit für mich, wahrzunehmen, daß die
-Quacksalberei im Ganzen wenig Segen hatte. Der Kapitän befand sich erst
-besser, als er auf das Einnehmen der Arzneien Verzicht that. Ich suchte
-ihm begreiflich zu machen, daß man der Natur mehr vertrauen müsse, und
-daß, bei fortwährendem Verschlucken von Arzneistoffen, bisweilen der
-Körper in einem Grade von Abhängigkeit sich daran gewöhne, wofern jene
-ihn nicht ganz zerrütten. +Cesare+ selbst litt nicht am wenigsten,
-vielleicht nicht am unverdientesten. Um durch ein Beispiel anschaulich
-zu machen, was für seichte Gespräche mitunter geführt wurden, so
-zankten sich die Helden lange, indem +Cesare+ behauptete, daß Egypten,
-so zu sagen, in Europa liege. Er las in dem ~Universo pittoresco~,
-einem, aus dem Französischen ins Italienische übersetzten Werke, daß
-Egypten, zwischen Asien und Afrika, von den Geographen bald zu jenem,
-bald zu diesem Welttheile gezählt werde. Er faßte die Stelle unrichtig
-auf, und behauptete, daß es heiße, Egypten gehöre weder +Asien+, noch
-+Afrika+ an. Nun schloß er, es müsse Europa zufallen. +Cesare+ wandert
-nach Egypten, um sich Schätze zu sammeln. In wie weit ihn edle Gründe
-leiten, konnte ich nicht erschauen; so viel wurde mir klar, daß er ein
-überspannter Glücksritter war. Als er in der gleichen Schrift las,
-daß, nach +Pariset+, der Verbreitung der Pest durch Verbrennung der
-Leichen, wie vor Alters, ein Ziel gesetzt werden könne, gerieth er in
-gänzliche Wallung, und äußerte sich, daß man dieses Mittel ausführen
-sollte, ja ausführen müsse, weil er an die Untrüglichkeit schon
-glaubte. Je mehr dem Menschen an gründlichem Wissen gebricht, desto
-mehr läuft er Gefahr, eine Beute der Leichtgläubigkeit zu werden.
-
-Seit einigen Nächten fühlte ich eine Plage, die ich früher nie kannte.
-Ich mag die neue Auflage lebendiger Pfennige nicht nennen.
-
-
-+Den 8. Weinmonat.+
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-+Diesen Morgen entdeckte der Hauptmann auf dem Mastkorbe Alexandrien.+
-Ich fühlte keine besondere Freude bei der Mittheilung dieser Nachricht,
-einestheils, weil die Witterung in der letzten Zeit, seit mehr
-denn drei Wochen, die schönste war, die je mein Leben erheiterte,
-anderntheils, weil ich die Zeit recht leicht mit Lesen, Schreiben, z.
-B. mit Uebersetzen aus dem Italienischen, mit der Tagebuchhaltung,
-früher auch mit Spiel, hinbringen konnte, so daß mich nur wenige
-Stunden eigentliche Langeweile folterte, -- dann auch, weil das Landen
-an einem Orte mit zwei Pestilenzen einige unangenehme Gefühle erregte,
-so sehr das Interesse der Wissenschaft die Resignazion vorbereiten
-mochte.
-
-Daß ich ruhrkrank wurde, habe ich oben erwähnt. Es entging mir nicht,
-daß die Ruhr einen ernsthaftern Karakter hätte annehmen können.
-Ich hege die Ueberzeugung, daß ich die schnelle Wiederherstellung
-vorzüglich einer ganz geregelten Lebensart, namentlich dem Aufenthalte
-im Bette, verdanke. Bei den Worten, daß ich leide, rief +Cesare+
-aus: ~Corpo di Dio~, er macht mit der ganzen Krankheit die Reise.
-Ein Matrose setzte kaltblütig hinzu: Er wird bald abreisen. Das war
-richtig der Fall, aber in einem andern Sinne. Ich konnte so ganz bequem
-zuhören. Ich widerlegte den falschen Propheten damit, daß ich mich
-mindestens bald eben so gut befand, als zu Hause.
-
-Die Seekrankheit konnte mir so wenig etwas anhaben, als +Cesare+. Wenn
-die See hoch ging, bekamen wir höchstens einen schweren, schwindlichten
-Kopf, und die Eßlust verminderte sich, welche bei mir sonst sich sehr
-lebhaft ankündigte. Ich verzichtete auf ein einziges Nachtessen.
-
-Die Beschwerden zur See entspringen unstreitig aus den +unordentlichen+
-Bewegungen des Schiffes. Der wärmere Wind trägt das Seinige bei,
-um dieselben zu vermehren; allein die sogenannte Seekrankheit
-hervorzubringen, wird er kaum vermögen. Ich sage mit Fleiß:
-+unordentliche+ Bewegungen; denn die gleichmäßigen würden wenig zu
-bedeuten haben, und das Schaukeln bald hin und her, der Länge und
-Breite nach, bald auf- und abwärts, zumal das +stoßweise+, kommt in
-Anklagezustand. Das Schaukeln zur See läßt sich platterdings nicht mit
-dem Schaukeln zu Lande auf gleiche Linie stellen. Andere Beschwerden
-rühren offenbar vom übeln Geruche faulender Stoffe, z. B. des faulenden
-Wassers im Schiffsraume, her, einem Geruche, welcher um so stärker
-wird, je unordentlicher das Schiff bewegt wird. Ich hörte selbst den
-Hauptmann oft über die ~sentina~ klagen, welche ihm Kopfweh verursachte.
-
-Man rühmt gegen die Seekrankheit Limonade, oder schwarzen Kaffee mit
-Zitronensaft, ohne Zucker. So lange die Ursache, das Schaukeln oder
-der üble Geruch, dauert, leisten wohl +wenig+ Mittel +viel+. Essen,
-wenn man sogar vom Appetite nicht eingeladen wird, schadet nichts, es
-nützt eher, wie ich aus Erfahrung weiß. Wenn die Witterung es zuläßt,
-begibt man sich am beßten auf das Verdeck, und statt zu liegen oder
-zu sitzen, steht man, indem man trachtet, den Bewegungen des Schiffes
-auszuweichen, und den Körper in möglichst senkrechter Stellung zu
-erhalten. Zudem zügle man die Einbildungskraft. Wer sich in den Kopf
-setzt, daß er speien müsse, kann es leicht dahin bringen. Man erwägt zu
-wenig, welcher Menge von Uebeln die Selbstherrschaft vorbeugt.
-
-Ich habe von der Seekrankheit der Thiere wenig gelesen. Sie werden
-zuversichtlich von derselben nichts Großes sich vorstellen. Daß
-den Thieren das Unglück zu Theil ward, keine Vernunft zu besitzen,
-genießen sie andererseits das Glück, sich nicht durch Vormalung einer
-unglücklichen Zukunft, mittelst der Vernunft, die Tage des Lebens zu
-beunruhigen. An unsern Thieren, den Kanarienvögeln, Katzen, Ratten,
-Hühnern, nahm man keine Störung durch den Aufenthalt auf dem Schiffe
-wahr. Man sieht -- doch, daß wir in guter Gesellschaft lebten. Wir
-hatten gebetene und ungebetene Gäste.
-
-Schon seit der Frühe sah ich das Wasser des Meeres rothgelblich,
-trüber. Es war mit dem Nilwasser getränkt. Es fing an von Schiffen und
-Vögeln belebter zu werden. Erst um neun Uhr ungefähr erblickte ich mit
-bewaffnetem Auge Alexandrien, nämlich den Palast des Pascha -- freilich
-nur geometrische Linien, ein todtes, vom Meere auftauchendes Viereck im
-Sonnenglanze. Wir waren bloß noch zehn Seemeilen von Alexandrien.
-
-Bald näherte sich die Küste, die rechts, ein röthlicher, wenig
-erhabener Sandhügel, sich gleichsam ins Meer verlor; Häuser,
-deren Umrisse undeutlich waren, erhoben sich immer zahlreicher;
-im Hintergrunde aber, wie auf einen Hügel gepflanzt, strebte die
-Pompejussäule und, ein wenig links, der Obelisk der +Kleopatra+ empor.
-Alles schien eine Insel zu sein, und hatte so wenig Ungefälliges, daß
-man hätte glauben mögen, von Lido aus Venedig sich zu nähern.
-
-Es fuhr ein Schiff in solcher Entfernung an uns vorüber, daß wir
-es beinahe hätten entern können; seine Flagge trug das Zeichen des
-Halbmondes. Alles überraschte mein Auge, ausgenommen das Schiff.
-Wir waren schon so weit vorgerückt, daß wir den Lothsen, das ist
-der Wegweiser für unser Schiff, erwarteten. Endlich wimmelte ein
-schwarzer Punkt, der fortan größer wurde, bis man die Ruderknechte
-unterscheiden konnte. Doch wurden sie bisweilen von einer Wellenwand
-fast ganz verborgen. Weil die Einfahrt wegen der Bänke gefährlich
-ist, so sind Lothsen unerläßlich. Schon hat der Lothse uns eingeholt.
-Wir fragten nach dem Gesundheitszustande. Es steht gut, antwortete
-er, weder Pest, noch Cholera. Das Gespräch wurde auf italienisch
-geführt. Der Araber, ein großer Mann von tiefbrauner Gesichtsfarbe,
-mit großer Bognase, schwarzem Barte, und von etwas stolzer Haltung,
-sprach fertig +fränkisch+, wie man das Gemisch von Italienischem und
-wenig Morgenländischem in der Levante nennt. Er saß auf dem spitzigen
-Hintertheile seiner Barke, so daß die Füße von den aufliegenden
-Oberschenkeln bedeckt waren. Mit einer Hand lenkte er das kleine
-Steuer wie im Zauber. Nachdem sein Kahn an das Schlepptau unserer Brigg
-genommen war, erhielt er das Kommando, und unser Kapitän durfte es nur
-wiederholen[2].
-
-Bald flog ein anderer Kahn mit zwei lateinischen Segeln daher. Er war
-mit vielen Männern besetzt. Eine dicke Figur mit einem Schulzenbauche,
-einem langen Schnurrbarte und einer rothen Mütze, von deren Mitte
-eine große Troddel herunterschwabbelte, fiel mir am meisten auf, kaum
-aber die bedenkliche Hintansetzung der Etikette, daß er einen Fuß auf
-der Bank, den andern unten hatte. Beim Anlegen schlugen die Wellen
-hoch auf, und er runzelte, nicht gegen diese, sondern gegen die heiße
-Sonne die Stirne. Es war ein Polizeikommissär. Neben ihm stand ein
-junger Dolmetsche, der nach dem Namen des Kapitäns und des Schiffes,
-nach der Zahl der Passagiere, nach dem Orte der Abfahrt, der Dauer
-der Reise und nach der Befrachtung fragte. Er zog eine Bleifeder und
-ein vielfach in das Viereck zusammengelegtes Papier heraus, welches
-er auf den Handteller nahm, darauf etwas zu schreiben. Weil wir der
-Angabe des Lothsen über den Gesundheitszustand wenig Glauben beimaßen,
-so wurde die gleiche Frage wiederholt, und eben so befriedigend
-beantwortet. Schon stieß der lateinische Segler von hinnen. Wie eine
-eben sich öffnende Blüthenknospe erschloß sich die Freude sichtbar
-auf den Antlitzen unserer Leute. +Cesare+, welcher seit wenigen Tagen
-gegen mich den Stummen machte, bekam die Sprache auf einmal wieder.
-Nimmersatt am Sehen, so sehr reizte Alles meine Aufmerksamkeit,
-vergaß ich das Geschehene, und wir fanden den Faden der Mittheilung,
--- -- durch die merkwürdigen Araber angeknüpft. Freude und Leid sind
-oft Bindemittel, indem vor ihrer mächtigen Erschütterung kleinere
-Erscheinungen auf dem Gebiete des Gemüths leichter und standloser als
-Flaum entfliehen.
-
-Bald fuhr in einer andern Barke ein mit einem Hute bedeckter,
-wohlgekleideter Mann einher. Aehnliche Fragen wie früher. Noch ein
-Kahn mit einem hübschen Manne, der einen Hut trug, stieß gegen unser
-Fahrzeug. Dieser Herr erkundigte sich über den Gesundheitszustand.
-So weit bekümmern sich die Mohammetaner, oder doch Andere in ihrem
-Namen. Die Antwort lautete freilich sehr wohl. Unser Kapitän
-übergab sofort eine Ausweisschrift, welche nicht ohne Beobachtung
-der Gesundheitsvorschriften angenommen wurde. Der Steuermann des
-Gesundheitsbeamten hob nämlich auf einmal eine große, weißblechene,
-viereckige, offene Büchse empor, und in diese ließ unser Kapitän seine
-Schrift fallen. Der Gesundheitsbeamtete selbst ergriff mit einer Hand
-ein Stückchen Holz, mit der andern ein vorne abgerundetes Messer,
-das einen hölzernen Griff hatte, er wendete dann die zusammengelegte
-Schrift mit diesen Werkzeugen um, bis sie entfaltet vorlag. Nach Lesung
-der Schrift wurde die Strickleiter erstiegen, und auf der Stelle
-eröffnete sich freier Verkehr an unserm Borde. Es war, wie wenn man
-aus dem Regen in die Sonne tritt, wie wenn den eingesperrten Bienen im
-Korbe Luft gemacht wird. Ein Araber, der an einer Traubengeschwulst des
-Auges litt, erinnerte mich bei Zeiten an die egyptische Augenplage.
-
-Aber schon sind wir im Hafen, und noch hoch am Tage, sinkt der Anker.
-Rechts von den Ruinen bewegen sich in langsamen Kreisen zierliche
-Windmühlen, dreißig bis vierzig an der Zahl; links preiset der
-stattliche Palast des Statthalters europäischen Geschmack; die Mitte
-der Schaubühne schließt ein Gesäe unansehnlicher Häuser hinter einem
-Walde von Masten. Man mußte von dem Gedanken durchdrungen werden, daß
-man in einem andern Welttheile athme, und sah man bloß ins Meer, so
-fragte man sich neugierig über das trübe, in der Sonne rothgelblich
-schillernde Wasser, worüber ein Schwarm Vögel flatterte.
-
-Ich schickte mich an, ans Land zu gehen. Neben mir Kriegsschiffe,
-über deren Größe ich erstaunte; vorwärts wieder Halbmonde auf den
-Flaggen; dort eine Barke mit trommelnden Soldaten; hier guckt eine
-Europäerin aus der Kajüte heraus, und fragt nach Neuigkeiten; dort ein
-Morgenländer mit der Pfeife im Munde, hinter einer behaglich auf dem
-Schiffsrande hockenden, den Schweif um die Beine niedlich windenden
-Katze, und hinter dem Netze von Tauen; ein englisches Dampfboot; ein
-hellenisches Schiff, dessen Name mit großen griechischen Buchstaben
-geschrieben war; kurz, eine Menge Fahrzeuge, rechts und links, vorwärts
-und rückwärts, ein bewohntes Meer. Ich höre Musik, vom Lande her Lärm,
-als wäre ich einer Kirmes nahe. Hurtig stieg ich auf den breternen
-Steg, und wenig Schritte, ich war zu Land, auf Sand, in Afrika, in
-Egypten, in +Alexandrien+. Unbeschreibliche Freude erfüllte mein
-Gemüth. In ~Deo gratias~ ergoß sich beinahe unwillkürlich das Herz,
--- meine ersten Worte in Afrika. Die mir nächste Person auf dem Lande
-war linker Hand ein halb entblößter Mensch von ungefähr dreißig Jahren
-und schwarzbrauner Farbe. Er lag abwechselnd auf den Knien und warf
-sich auf den Staub nieder, faltete manchmal die Hände, verdrehte oft
-die Züge des Gesichtes. Das ist ein Verrückter, dachte ich, und wenn
-er es nicht ist, so verwendet er doch seine gesunde Vernunft zur
-Verrücktheit. Was soll ich sagen? Er verrichtete, nach dem Gesetze
-Mohammets, das dritte Gebet zwischen Sonnenhöhe und Sonnenuntergang
-(el-Asser); aber ich sehe ein, daß ich mit meinem verwerfenden Urtheile
-zurückhalten muß. Die religiöse Mimik will tiefer gewürdiget sein.
-Hat denn, frage ich, das Zusammenstrecken der zehn Finger bei den
-Protestanten mehr Bedeutung, als die Niederwerfung vor Gott bei den
-Morgenländern, oder das Niedersinken auf die Knie bei den römischen
-Katholiken?
-
-Der alte Hafen ist jetzt den Europäern direkte geöffnet, und, außer
-den wiederholten Anfragen, deren gedacht ward, gibt es keinerlei
-Umstände, um in denselben zu gelangen. Wie vieles hat sich nun seit
-fünfzig Jahren umgestaltet. Das Traurigste aber ist, daß das türkische
-Regierungssystem auf keine sichere Grundlage sich stützt, da beinahe
-mit jeder neuen Besetzung eines Paschaliks (Statthalterschaft)
-eine neue, bald vor-, bald rückwärts schreitende Ordnung der Dinge
-eingeführt wird.
-
-Ich miethete in der Stadt ein Zimmer, und begab mich wieder an Bord,
-an welchem ich die letzte Nacht hinbringen soll.
-
-Ich konnte vor Freude über den jetzigen Aufenthalt den Schlaf kaum
-finden. Indessen bemerkte ich, daß es etwas kühler wurde, mein Kopf
-unbedeckt war, und die Frische, die ich an jenem fühlte, meinen Schlaf
-verhindere. Ich zog das Oberleintuch herauf und machte eine Kaputze. In
-wenig Minuten war ich eingenickt. Lärm weckte mich.
-
-
-+Den 9.+
-
-Schon in aller Frühe. Ich hörte zwar nicht mehr das Geklingel im
-Hintertheile des Schiffes und die antwortenden Glockenschläge über
-der Kajüte der Matrosen, zum Zeichen, wie lange das Geschäft des
-Ruderbesteurers dauere; ich hörte nicht mehr: ~Rende la guardia al
-timone, a che tocca la (terza)~; in dem Kastenbette hörte ich nicht
-mehr den Wellenschlag neben mir an der Wandung, oder das Kollern, oder
-bei günstiger Fahrt das Gezische, ähnlich demjenigen beim Pumpen des
-dicker gewordenen Rahms: aber das taktmäßige, weinerliche Rufen und
-Singen ganz eigener Art erklang noch, der Losungsruf der Matrosen, daß
-sie vereint und gleichzeitig große Kraft anwenden, z. B. um eine Last
-zu heben, aber das monotone, grelle Pfeifen der egyptischen Seetruppen
-tönte jetzt herüber. Wie ich den Matrosenruf zum ersten Male vernahm,
-machte er einen höchst unangenehmen Eindruck auf mich, welchen
-nur nach und nach die Gewohnheit mildern konnte. Unser ~ragazzo~
-(Schiffsjunge), beinahe immer auf dem Meere, ohne viel Anderes singen
-zu hören, trillerte das Geleier der Matrosen zu seiner Ergötzung daher.
-
-Endlich hieß es: eingepackt, und ich setzte Fuß ans Land, um mit meinem
-Gepäcke das Zimmer zu beziehen.
-
-Ohne Tagesordnung bringe ich verschiedene Denkwürdigkeiten von
-Alexandrien.
-
-
-
-
-=Alexandrien.=
-
-
-Lage.
-
-Die Stadt +Alexanders+ (Skanderun) liegt auf einer Landzunge, die in
-der Richtung gegen Nordwest ins Meer sich verliert. Die Spitze verläuft
-in einen Lappen, der sich südwestlich umbiegt, und in einen Faden,
-der sich in entgegengesetzter Richtung bis zu einer kleinen Festung
-ausdehnt. Hier, an der Stelle dieses Vertheidigungswerkes, soll einst
-der Pharus gestanden haben. Der westliche Zungenrand begränzt den
-+alten+ Hafen und der östliche den +neuen+, welcher letztere indeß
-wegen seiner Untiefe, durch die gränzenlose Nachlässigkeit der jetzigen
-Beherrscher Egyptens, sehr wenig belebt ist, immerhin aber sich sehr
-hübsch herausstellt. Auf der Wurzel der Zunge hatte sich das alte
-Alexandrien ausgebreitet, und dieselbe ist jetzt nur wenig angebaut.
-Dagegen strotzt es gleichsam von Ruinen, sobald man den Schutt weghebt.
-Die schönsten Marmorsäulen sind von diesem bedeckt, und eben grub man
-eine hervor. Unlängst zog man auch ziemlich viel Goldmünzen heraus.
-
-Man kann heutzutage nicht mehr behaupten, daß die Stadt landwärts von
-einer Wüste umgeben sei. Gegen Mittag schließen sich schöne Gärten an,
-woraus die Dattelpalme den neu angekommenen Europäer dem Afrikaner
-willkommen heißt. Der am nördlichen Ufer des Mareotis angelegte Garten
-des +Ibrahim-Pascha+ verdient vor andern Lob. In der Nähe desselben
-übernimmt ein Strich angebauten Landes die versöhnende Rolle zwischen
-dem üppigen Garten und dem kahlen Sandmeere der Sahara. Der Mareotissee
-selbst, mit seinen wenig aufragenden, wüsten, gelbsandigen Ufern, sieht
-eher einem Sumpfe gleich, und gewährt daher keinen angenehmen Anblick.
-
-
-Gebäude.
-
-Die Moscheen sind meistens häßlich; die Minarets oder Thürme steigen
-nicht hoch empor. Beide weiß, überkalkt, ohne Schmuck, ohne ein Bild,
-mit dem Gepräge des Zerfalles. Antike Säulen tragen hie und da den
-Söller (Decke) des Tempels oder den Thurm. Der Zerstörungswuth, die vor
-Zeiten den Ton angegeben hatte, entgingen doch zum Theile die Säulen,
-und als brauchbare Baustoffe trifft man sie auch an andern Gebäuden.
-Indeß liegen Säulenstücke noch müßig herum. Eine einzige Moschee
-erspähete ich, die man schön nennen darf.
-
-Der Sommerpalast des Vizekönigs liegt auf dem bezeichneten Zungenlappen
-(Ras-el-tin), vortheilhaft für das Auge. Auf der Morgenseite trat ich
-durch ein bewachtes Thor der Umfangsmauer, und ich gelangte auf einen
-schönen, geräumigen Platz. Mit gespanntem Gemüthe richtete ich meinen
-Blick umher, rechts auf das einstöckige, statt der Glasfenster -- mit
-hölzernem Gitterwerke versehene Harem, links auf den Palast des Pascha,
-der, ebenfalls nur ein Geschoß hoch, in einen Giebel sich aufdachet.
-Das Wohn- oder Audienzzimmer des Vizekönigs schaut gegen den Hof oder
-gegen Mitternacht. Diese Lage erklärt sich leicht, da unter einem so
-heißen Himmel die Sonne geflohen und der Schatten gesucht wird. Den
-Eingang in den Palast bildet eine Halle, welche schöner, weißer Marmor
-auskleidet. Hier immerwährender Schatten, angenehme Kühlung. Da sieht
-man Höflinge in ihren orientalischen Prachtgewändern ein- und ausgehen,
-um nicht zu sagen, ein- und ausschlendern. Die Hoflakaien warten ihrer
-Herren. Stolze Hengste stehen an einer Reihe gesattelt in Bereitschaft.
-Das Roß des Pascha, mit nicht sehr ausgezeichnetem Schmucke, wird vom
-Sattel nie befreit, auf daß es immer gerüstet sei, seinen Herrn von
-hinnen zu tragen.
-
-Ich sah eben eine Truppe Araber in ihren mitunter schmutzigen Mänteln
-einherschreiten, denen man zwar Fassung genug, aber doch so viel ansah,
-daß sie sich zu einer Vorstellung vorbereiteten, indem sie die Mäntel
-etwas zurecht legten und ihre Köpfe zusammensteckten. Die Truppe zog
-festen und weidlichen Schrittes die breite Marmorstiege hinauf. Als sie
-vor dem Pascha erschien, erblickte ich diesen vom Hofe aus; denn das
-Fenster war offen. +Mehemet-Ali+ imponirte durch seine Haltung, trug
-eine rothe Mütze, einen auf die Brust herabwallenden, dichten, grauen
-Bart, und hatte das schöne Aussehen eines muntern Greises. Ich schaute
-neugierig hinauf, und keine Seele hinderte mich daran. Man sagte mir
-später, daß ich hätte hinaufgehen und an der Thüre des Audienzzimmers
-zusehen dürfen. Solche Dinge geschehen im Morgenlande weniger geheim,
-als in Europa. Freilich darf man nicht unberücksichtiget lassen, daß
-die physische Kälte die Europäer so oft zum Schließen der Fenster und
-Thüren nöthiget. Die Leibwache des Pascha ist mit blauem Tuche, einer
-rothen Mütze und mit gelben, plumpen Schuhen bekleidet. Ein Wachposten
-kam aus dem Palaste, die Füße ungleich bewegend, die Schuhe gleichsam
-nachschleppend, lachend, beinahe spielend. Bei aller Leichtigkeit des
-Karakters fällt es dem französischen Militär doch nie ein, am Posten
-oder unterwegs von einem Posten zum andern Spaß zu treiben. Selbst
-unsere Knaben von acht bis vierzehn Jahren benehmen sich ernster, wenn
-sie sich in den Waffen üben.
-
-Die Häuser sind von dreierlei Art: europäische, türkisch-egyptische und
-die Hütten.
-
-+Die europäischen Häuser+ liegen im Frankenviertel. Ein Theil derselben
-hat flache Dächer oder Söller. +Ibrahim-Pascha+ ließ ansehnliche
-aufbauen -- um einen sehr geräumigen Platz. +Ibrahim+ (Abraham) thut
-wirklich zur Verschönerung und Belebung der Stadt sehr viel, wobei er
-durch Beziehung schwerer Hauszinse seine Rechnung recht gut findet.
-Die Konsulatsgebäude stehen nahe beisammen. Hoch über ihren Dächern
-flattern die Flaggen, welche dem Abendländer einen sehr wohlthuenden
-Anblick gewähren, und ihm gleichsam Schutz und Sicherheit zulispeln.
-Wenn ein Schutzempfohlener stirbt, so wird eine besondere Flagge, doch
-minder hoch gehißt. Den Söller der hohen fränkischen Häuser heißt man
-+Terrasse+, auf der man sich angenehm aufhält. Von derselben erhebt
-sich ein offenes Thürmchen, +Belvedere+ genannt, und mit Recht, da man
-darauf eine schöne Aussicht genießt. Man kann auf einem Thürmchen die
-ganze Stadt und die Häfen übersehen. Die Flachheit der Dächer beklagen
-manche Europäer. Während der Regenzeit dringt durch das Deck Wasser,
-welches das Wohnen nicht weniger unangenehm, als ungesund macht.
-
-Man will behaupten, daß der Regen, welcher im Winter tageweise und
-in starken Güssen anhalte, in Alexandrien von Jahr zu Jahr häufiger
-falle, und man schreibt dieß den im Weichbilde angepflanzten Bäumen
-zu. In der That ist der Regen in Mexiko seltener geworden, seit der
-in seiner Nähe belegene Wald ausgehauen ist. Die Franken scheinen
-sich zu überzeugen, daß geneigte Dächer zum Bedürfnisse gehören, und
-während meiner Anwesenheit zog man einen Kanal durch die Frankengasse,
-um das Regenwasser abzuführen. Weil ohnehin in der Stadt keine Gasse
-gepflastert ist, so wird der Schmutz, bei starkem Regen, tief und
-lästig. Ich vermuthe aber, daß man von rascher Abänderung des Klima und
-vom jährlich zuwachsenden Regen ein wenig träume, wie denn auch die
-Vorstellung von der sengenden Gluth der egyptischen Sonne bei Manchen
-übertrieben sein mag. Ich könnte den Doktor +Prosper Alpinus+[3], der
-vor zwei Jahrhunderten Egypten bereiset hat, zum Zeugen anrufen.
-Er bemerkt, daß in einem Theile dieses Landes, wie in Kairo, der
-Regen eine seltene Erscheinung sei, wogegen es an der Meeresküste,
-in Alexandrien und Damiat, oft und sehr stark regne. Wenn auch, vor
-+Christo+, +Pomponius Mela+ das wahrscheinlich viel baumreichere
-Egypten ein regenloses Land („~terra expers imbrium~“) nennt, so darf
-man wohl immerhin nicht glauben, daß dieß zur Zeit des Autors durchhin
-wahr sein mochte, sondern vielmehr, daß er die Regenlosigkeit auf
-einzelne Gegenden bezogen, und diese für das Ganze genommen hat.
-
-Mischten die Egypzier sich nicht in das Schauspiel, wenn man in das am
-neuen Hafen liegende Frankenquartier kommt, man würde gerne läugnen,
-daß man den Boden Afrikas unter den Füßen hätte, so sehr ist Alles
-über den europäischen Leisten geschlagen. Laden an Laden, Kaffeehäuser
-und zwei Wirthshäuser sorgen für die Bequemlichkeiten der Europäer.
-Alexandrien ist halb europäisch, halb afrikanisch, und darum erscheint
-es dem europäischen Ankömmlinge eben so freundlich, als merkwürdig.
-
-+Die türkischen Häuser+, in der Regel ziemlich niedrig, haben gegen
-die Gasse einen großen Vorsprung oder Erker, worin man zu faulenzen
-pflegt; die Fenster werden meist von einem niedlich gearbeiteten
-engen Holzgitter versehen. Solches kann unter einem milden Himmel
-gut angehen; allein es dürften nur Kälte und Regen stärker werden, so
-würden die empfindsamen Bewohner unfehlbar leiden. Manchen Häusern
-verleiht der Kalk ein schneeichtes Weiß.
-
-+Die Hütten+ zeugen von Einfachheit und Elend. Von der Form eines
-unordentlich kantigen Würfels, enthält die Hütte bloß ein Gemach, und
-in dieses führt eine einzige Oeffnung zur Aufnahme der Thüre, welche
-mit einem hölzernen Schlosse gesperrt werden kann. Wenn man nicht
-mehr als das Hausgeräthe auf arabisch nennen müßte, so würde man im
-Nu arabisch verstehen. Der Boden dient als Sessel, als Tisch, als
-Bettstelle u. dgl., und ist somit ein wahres Wunderding. Mann und Weib,
-Kinder, Freunde und Verwandte legen sich neben einander, und füllen,
-wenigstens auf dem Boden, den Raum der Hütte. Die Kleider, womit Manche
-sich des Tages bedecken, sind im guten Falle die einzige Bettung für
-die Nacht, und die Leute entkleiden sich in der Regel nur dann, wenn
-sie der allzu dienstfertigen Kreaturen auf die anständigste Weise
-los werden wollen. Es soll die Armuth eines Theiles der Alexandriner
-so groß sein, daß nicht beide, welche eine Hütte bewohnen, ausgehen
-können, weil sie nur +ein+ Kleid besitzen. Darum warte der eine
-Elende nackt in der Hütte, bis der andere in dem gemeinschaftlichen
-Kleide zurücktreffe. Die Hütten sind von Erde aufgeführt und von
-Farbe schwarzgrau. Sie vermögen lange andauernden Regen nicht zu
-bestehen. Es ist nicht lange her, daß in einer kalten Regennacht viele
-Hütten einstürzten; eine Menge obdachloser Bewohner erkrankte und
-starb. Erst jetzt mochten die Leute den Segen ihres Himmels dankbarer
-erkennen. Wie viel Schweißtropfen rinnen über die Stirne herunter,
-bis der Europäer sein Heizungsholz, seine Strümpfe, Schuhe, seine
-Winterkleider zusammengebracht, bis er seine Wohnung mit allem Nöthigen
-ausgerüstet hat. Ein Theil der Hütten gefällt sich in der Nähe des
-vizeköniglichen Palastes. Dort bietet sich die beste Gelegenheit dar,
-über den schroffsten Gegensatz von „Herr und Unterthan“ Betrachtungen
-anzustellen. Eine andere Abtheilung von Hütten besetzt den Süden
-der Stadt, neben den vielen schönen Zisternen des Alterthums, und
-verspottet die Ruinen, jene Mauern, welche Jahrtausenden widerstanden,
-und noch die baufälligen Hütten unserer Tage tragen müssen.
-
-Das sind die polsterarmen Hütten, und werden so viele Alexandriner
-darin geboren, und wo anders strecken sich diese auf das Sterbelager?
-Und doch werden die polsterreichen Europäer mit nicht minder Schmerzen
-geboren, und doch müssen sie auch sterben, todt werden müssen sie
-trotz ihrer Eiderdunen.
-
-
-Krankenhäuser.
-
- Das europäische, das am Mahmudiehkanal, das auf dem Ras-el-tin und
- die Observationshütten.
-
-Das +europäische Krankenhaus+ ist für die Europäer bestimmt, wie
-schon der Name bezeichnet. Es liegt, von kleinen Araber-Hütten auf
-der einen Seite umgeben, unweit des Frankenquartiers. Das Gebäude,
-nach europäischem Geschmack, nimmt sich für das Auge recht gut aus[4].
-So weit mir ein Blick in das Krankenhaus, das wenigstens eine gute
-Verwaltung ankündigt, vergönnt war, schöpfte ich die Ueberzeugung,
-daß der Europäer in seinen kranken Tagen hier gut verpflegt wird, und
-in dieser Beziehung Europa ihn nicht mit schmerzlichen Erinnerungen
-quält. Diejenigen, welche mehr (täglich einen levantischen Thaler)
-bezahlen, bekommen ein eigenes Zimmer, damit ihren Wünschen noch
-besser entsprochen werden könne. Was vielleicht am hemmendsten auf die
-Unternehmung einer Reise ins Morgenland wirkt, ist die Vorstellung
-von der Verlassenheit und den Scheusalen in den kranken Tagen; die
-Bemerkungen über die Krankenanstalt aber können kaum verfehlen, diese
-irrige Vorstellung zu verdrängen.
-
-Das +Mahmudiehkrankenhaus+ steht nahe am Mahmudiehkanale, den großen
-Baumwollenmagazinen gegenüber. Ehe man zum Gebäude kommt, geht man
-durch ein Gitterthor, womit eine Art Verschlag oder ein Pfahlzaun
-geschlossen wird. Der Eintritt durch diesen ist Jedermann gestattet.
-Von der Gitterthüre bis zum Krankenhause beträgt die Entfernung nur
-wenige Schritte. Den Zwischenraum kleiden, dem Auge sehr wohlthuend,
-Garten- und Wildgewächse. Am Thore des Krankenhauses selbst stieß ich
-auf Schwierigkeiten. Der Soldat, welcher Wache hielt, wies mich zurück,
-doch nicht unsanft. Ich wurde eben einen Mann gewahr der schrieb,
-und der mir ein Arzt zu sein schien. Ich redete ihn in französischer
-Sprache an. Es war ein französischer Arzt, mit Namen +Etienne+, der mir
-sogleich die Gefälligkeit erzeigte, mich im Krankenhause herumzuführen.
-
-Von allen Krankheiten interessirte mich am meisten die egyptische
-Augenentzündung. Die daran Leidenden füllen mehrere Säle. Sie ist
-beinahe ein größeres Uebel zu nennen, als Pest und Cholera. Denn
-entweder genesen die an diesen beiden Krankheiten Leidenden, wie
-meistens, ganz, oder sie sterben -- ganz. Der letztere Fall kann für
-die +Betreffenden+ im Grunde nicht unglücklich sein. Welch ein Uebel
-dagegen ist es, völlig blind zu werden. Von zehn Arabern wird man
-einen entweder Halb- oder Ganzblinden finden. Ich sah weniger blinde
-Weiber, als blinde Männer, und die Krankheit scheint den Erwachsenen
-feindlicher als den Unerwachsenen.
-
-Aus den Krankenzimmern trug ich die Ueberzeugung, daß die Leidenden,
-wo nicht auf eine glänzende, doch auf eine befriedigende Weise
-behandelt werden. Meine Erwartung ward übertroffen. Mag ein Anderer
-das Krankenhaus eine Nachäfferei der europäischen heißen, es wird in
-demselben so zu sagen Alles geleistet, was sich unter den obwaltenden
-Umständen thun läßt. Davon, wie Diät und Regimen gehalten wird, kann
-ich übrigens nichts mittheilen, wenn nicht das Wenige, daß in der
-Küche Reinlichkeit und guter Geruch mich bewillkommten. Das Haus
-ward von etlichen neunzig Kranken bewohnt. Beiläufig erwähne ich,
-daß diejenigen, welche außer dem Bette sich aufhielten, Achtung für
-+Etienne+ erwiesen, indem sie militärisch sich stellten. Ich konnte
-nicht umhin meine Glossen zu machen, wenn der Eingeborene gegen den
-Fremden sich so unterwürfig geberdete.
-
-Geht man zu dem Palaste des Vizekönigs, so sieht man rechts, in
-der Nähe des Residenzschlosses, ein dem Umfange nach großes, aber
-niedriges, einstöckiges Gebäude, das von Pallisaden umzingelt ist:
-wie das letzte, ein Militärspital. Es ist das +Krankenhaus auf
-dem Ras-el-tin+ (Feigenkap) oder das Tasikispital. Früherhin eine
-Kaserne, bildet es mehrere Höfe, und ich konnte keine regelmäßige
-Bauart wahrnehmen. In der Bade- und Dampfbadeanstalt, deren
-Pracht mich überraschte, begegnet das Auge allenthalben weißem,
-geschliffenem Marmor bis an die Kuppeln, welche von zahlreichen,
-runden, mit Glasscheiben verstopften Oeffnungen zum Einlassen des
-Lichtes durchbrochen sind. Auch dieses Krankenhaus erfreut sich einer
-Einrichtung, welche den Bedürfnissen abhelfen dürfte.
-
-
-Das Observazionsspital oder die Observazionshütten.
-
-Ich ritt eines Nachmittags dahin; allein der Arzt war noch nicht
-eingetroffen. Ich ging unterdessen zum Mahmudiehkrankenhause, welches,
-dem Meere etwas näher, den Observazionshütten gegenüber liegt. ~Dr.~
-+Etienne+ ritt eben auf einem Esel daher. Kaum unterhielt ich mich
-mit ihm, als ein Kranker plötzlich umfiel. Ich sagte: Es ist ein
-Cholerakranker. ~Dr.~ +Etienne+ verneinte, wahrscheinlich weil er
-glaubte, er könne mir einen Schrecken ersparen. Seine Geschäfte riefen
-ihn hinweg, und ich begab mich zu den Observazionshütten. Hören wir
-später das Weitere.
-
-Diese Hütten sind mit einer Pallisadirung umgeben. Man lasse aber den
-Pinsel der Einbildung fallen, welcher schöne Gemälde entwirft; zur
-Seltenheit ist ein Pfahl genau so dick, und so hoch wie der andere. Die
-Pallisadirung fesselt durch ihre Unordentlichkeit schon von weitem das
-Auge, und wenn ein Europäer das Militär noch nicht kennte, welches,
-mit dem schwarzbraunen Gesichte, zwar einen Säbel und ein Kleingewehr
-trägt, aber sonst in Wenigem einem der europäischen Krieger gleich,
-oder auch bloß ähnlich sieht, so würde er schlechterdings die Hütten
-für Alles eher, als für ein Staatsgebäude erklären. Die Pallisadirung
-wird vom Militär bewacht, und dieses läßt Niemand, wenigstens den
-Europäer nicht, durchschlüpfen. Ich wartete wenige Minuten am Gatter
-der Observationshütten, und es kam der Arzt, Herr +Gallo+, ein Grieche,
-auf dem Esel geritten. Ich machte schon in einem geselligen Kreise
-seine Bekanntschaft, und so durft’ ich auf seine wohlwollende Aufnahme
-zählen.
-
-So eben trug man einen Kranken daher über die Gatterschwelle.
-Plötzlicher Lärm entstand. Die Wärter eilten mit Pestzangen herbei,
-seinen Träger zurückzustoßen. Nun wurde der Kranke auf den Boden
-gestellt; allein zu schwach, um sich aufrecht halten zu können, sank er
-auf die Erde nieder: Der nämliche Kranke, welchen ich an der Pforte des
-Mahmudiehkrankenhauses umfallen sah. +Er war wirklich cholerakrank.+
-
-Die Observazionshütten sind nichts, als Hütten, und zwar elende,
-fensterlose, schlecht ausgezimmerte, daß zwischen den Bretern,
-woraus die Wände bestehen, Licht eintrat, und zu einer andern Zeit
-unzweifelhaft Wind und Regen eindringen werden. Die Thüren werden mit
-einem Vorlegeschlosse gesperrt. Der Boden ist die nackte Erde, und
-+Brutus+ hätte nur den Spitalboden küssen dürfen, um den Götterspruch
-von Delphi zu erfüllen. Das Ganze stellt eine Art Dörfchen vor. Die
-Hütten sind dazu bestimmt, eines pestartigen Uebels verdächtige Fälle,
-Pest- oder Cholerakranke, so wie auch kranke Sträflinge aufzunehmen.
-Einen schauderhaften Anblick für mich erregte die Kette, welche von
-einem Krankenbette zum andern, von einem Leidenden zum andern in
-gesenktem Halbbogen hinüberlangte. Die Bettstellen sind ein hölzerner
-Käfich, welchen ich zum ersten Male im Krankenhause auf dem Ras-el-tin
-wahrnahm. Wenige lagen nur auf einem Strohteppich, und auf etwas
-Wollenzeug, welche die Blöße der Erde zudeckten.
-
-Die erste Hütte, in die ich geführt wurde, war zur Observazion
-bestimmt. Nicht Bettstellen darf man hier suchen, noch Sönderung.
-Cholerakranke und ein von Wechselfieber Befallener waren neben einander
-auf nackter Erde ausgestreckt; einer der erstern kreuzte seine Beine
-über den andern. Im Ganzen fanden sich drei neu hereingebrachte Kranke
-zur Observazion, wovon einer als nichtcholerisch erklärt wurde.
-Ueberdieß sah’ ich noch etwa sechs andere Choleristen.
-
-Ich nahm die Weltcholera in den Hütten zum ersten Male wahr, und ich
-werde nun bei dieser Seuche ein wenig mich aufhalten. Man setzt in
-denselben voraus, daß die Cholera sich durch einen Ansteckungsstoff
-fortpflanze, und es werden gegen sie ungefähr die nämlichen Maßregeln
-ausgeführt, wie gegen die morgenländische Pest. Ehe Herr +Gallo+ einem
-Kranken den Puls fühlte, ließ er sich die Hände mit Baumöl begießen,
-ohne daß jedoch die Schuhsohlen beölt worden wären.
-
-Das Bild der Cholera ist dasselbe wie in Europa. Gänzliche oder
-fast gänzliche Abwesenheit des Pulses an der Hand, die Haut kalt,
-über den Phalangen schrumpfig, wie bei einer Wäscherin, der Abgang
-einer wässerigen, weißlichen Flüssigkeit ~sursum et deorsum~, das
-Auge gläsern, wie erstorben, der Blick stier und bedeutungslos, die
-Nase dünn und spitzig, die Löcher mit Staub, die Lippen trocken und
-bläulich, die Zunge beinahe starr und wird vom stoßweise Lallenden nur
-mit Mühe gezeigt, die Backen zu eckigen Vertiefungen eingefallen u. s.
-f. Kurz, im höhern Grade der Krankheit hat man einen lebendigen Todten
-vor sich. Der Anblick von Cholerakranken ergriff mich nicht besonders;
-denn die schwarzbraune Farbe der Araber ist nach europäischen Begriffen
-ohnehin widerlich, und sie veränderte sich nicht bedeutend, außer daß
-sie schmutziger wurde. Die Kranken schienen mir keineswegs auffallend
-zu leiden; sie gaben kein Gestöhne oder irgend einen Schmerzlaut von
-sich. Die asphyktisch Cholerischen waren vom tiefen Schlafe trunken.
-Diejenigen, welche in den Hütten untergebracht werden, ziehen beinahe
-Alle das traurige Loos eines frühzeitigen Todes.
-
-So angenehm das Mahmudieh- und Ras-el-tin-Krankenhaus meine Erwartungen
-übertrafen, so sehr ich auch geneigt wäre, ein günstiges Urtheil zu
-fällen, so wenig kann ich der Observazionsanstalt Lobsprüche ertheilen.
-Es stellt sich in der That zwischen einer solchen und keiner Anstalt
-wenig Unterschied heraus. Dagegen lauten die Forderungen, daß gerade
-das Pestlazareth auf dem humansten Fuße stehe. Wo ist die Hülfe
-dringender, als bei Pest und Cholera? Wo ist es für einen Kranken, mag
-er selbst ein gefesselter Sträfling sein, peinlicher, als zwischen
-oder doch in der Nähe solcher Kranken, welche der ganze Rüstzeug der
-Regierung und die öffentliche Meinung der Franken für ansteckend
-ausgibt? Wie leicht werden die Erkältungen in der Regenzeit. Es ist für
-den Ruhm nicht genug gesorgt, daß man einen Obersten des Landes reich
-besolde, oder einen fremden Marschall mit Ehrenbezeugungen überhäufe,
-so lange die Noth armseliger und beladener Unterthanen aus einem
-Krankenstalle schreit.
-
-Nach der einmal gefaßten oder vorgefaßten Meinung von dem ansteckenden
-Karakter der Cholera sperren sich die meisten Europäer in Alexandrien
-gegen diese Seuche, wie gegen die Pest, ab. Ich kann nicht umhin,
-das völlig umgekehrte Verfahren der Kontagionisten in Europa, ins
-Gedächtniß zurückzurufen, nach welchem die Kranken selbst isolirt
-werden. Ein sicheres und das beste, aber das inhumanste, die
-Pflichterfüllung und Berufstreue schnurstracks verhöhnende Mittel, sich
-vor der Cholera zu schirmen, ist +die zeitige Entfernung vom Orte, wo
-die Krankheit herrscht, an einen solchen, welcher davon frei ist+.
-
-Ebenso betrachten die europäischen Alexandriner die Pest durchaus als
-kontagiös. Sie schließen sich ihretwillen ein, doch nicht überall so,
-daß gar nicht mehr ausgegangen wird. So besorgte ein Handelsmann die
-Geschäfte außer dem Hause, in welchem seine Mitarbeiter und das Gesinde
-stets eingesperrt waren. Er stülpte unten die Beinkleider auf, beölte
-die Schuhsohlen und, mit einem großen Stocke bewaffnet, machte er sich
-auf der Gasse Bahn, damit ihn Niemand berühre. Der Araber weicht ohne
-Anstand aus. Jener Mann, den ich zum Beispiele wählte, rettete sich
-durch die Pestzeit[5].
-
-Wenn sonst auf der Straße die häßlichsten Weiber jeden Augenblick
-erhaschen, ihr Antlitz vor dem Europäer zu verhüllen, so überraschte
-es mich, in einer der Pesthütten kranke Weiber unverschleiert zu
-sehen. Sie verriethen beim Erscheinen des Arztes, seines Assistenten
-und meiner Person nicht die mindeste Verlegenheit, und rollten ihre
-schwarzen Augen rechts und links, so oft es sie gelüstete. Unter den
-Kranken befand sich, wie sich etwa der Pariser vornehm ausdrücken
-würde, auch eine Galante.
-
- * *
- *
-
-Die Gesundheitspolizei würde in der Stadt noch Manches aufzuräumen
-haben. Dem Garstigsten vom Menschen begegnet man an den meisten
-Orten. Ueber dem Bassar, nämlich auf den Deckbretern, häufen sich
-Unreinigkeiten fast jeder Art, die wohl selten weggeschafft werden.
-Aeser erblickte ich wenige. Wie dem auch sei, so werden immerhin einige
-Gassen gekehrt und etliche Plätze mit Wasser besprengt[6]. Gleichwie
-die Unreinigkeiten am Gesichte auf Nachlässigkeit und schlechte
-Gesundheitspolizei des Mikrokosmus schließen lassen, so zeigen die
-Unreinigkeiten an den Gebäuden und auf den öffentlichen Plätzen mit
-der Gewißheit der Uhr an, wie wenig sich der Staat um das öffentliche
-Gesundheitswohl bekümmere.
-
-
-Die Katakomben und der Pferdestall.
-
-Hat man den Mahmudiehkanal überschritten, und ist man an den großen
-Baumwollenmagazinen vorüber, so leitet der Weg durch eine wüste
-Gegend, und bald gelangt man zu den Katakomben, welche, südwestlich
-von Alexandrien, an der Seeküste sich hinziehen. Wo das Meer in
-Gemächer fließt, heißen diese +die Bäder Kleopatra’s+. Sie waren es
-auch wahrscheinlich, und jetzt noch könnte man hier mit Bequemlichkeit
-Seebäder gebrauchen. Von da ging ich in eine der vielen Oeffnungen.
-Der Eingang bildet eine geräumige Höhle, welche jetzt als Pferdestall
-dient. Am Lichte der Fackel wendete ich mich links. Ich trat in einen
-Tempel, welcher, mit sorgfältiger Hand in den Felsen ausgehauen,
-durch seinen einfachen und edeln Styl mir ungemein gefiel. Weiter
-kam ich in eine Menge viereckiger, kleinerer und größerer Gemächer.
-Bald durfte ich aufrecht gehen, bald mußte ich durch eine Oeffnung
-oder einen Gang geduckt mich durchhelfen; selbst war ich genöthiget,
-durchzuschlüpfen oder durchzukriechen. Ich hatte mich wie in einem
-Labyrinthe verloren. Der Araber, die einzige Seele mit mir, hätte mich
-an den Ort des Verderbnisses führen können, ich würde ihm nachgegangen
-oder nachgekrochen sein, wenigstens bis an die Schwelle. Die Größe
-der unterirdischen Arbeit beschäftigte in diesem Augenblicke am
-meisten meinen Geist. Ich vergaß der Schakals und Hyänen, die Herr
-von +Prokesch+ in den Katakomben hausen läßt. Denn ich sah nichts
-Böses, nur Alles leer, öde, ausgestorben, höchstens einige Gebeine
-herumliegen, oder ein Käuzlein auffliegen[7]. Ich athmete bei meinem
-unterirdischen Spazierengehen und Spazierenkriechen keine erstickende
-Luft, wie Herr von +Prokesch+ (I. 23). Allerdings fühlte ich Hitze,
-doch keine drückende. An den Wänden konnte ich weder Zeichen, noch
-Farben finden.
-
-Wer mochte wohl die Katakomben geleert, geraubt, entweiht haben? Wie
-sehr sind die Religionsformen der Wandelbarkeit unterworfen. Mit saurer
-Mühe brach man einst die Zellen in den Felsen, mit religiöser Verehrung
-setzte man die Todten bei; nun ist Alles Heilige aus den heiligen
-Oertern entwichen, und es fehlt dem Araber nur noch der Geldreiz, daß
-er seinen Auswurf nicht in den Zellen aufhäuft. Mich beschämte der
-Gedanke, wie viel mehr Ehre die Alten den menschlichen Ueberresten
-erwiesen haben, als unsere Zeitgenossen bezeugen. Vielleicht würden
-sie, wenn sie wieder lebendig wären, uns der Unmenschlichkeit oder
-des Barbarismus beschuldigen, weil wir den Leichen so wenig Rechnung
-tragen, daß sie in unlanger Zeit spurlos verschwinden, und auch nicht
-+einen+ Haltpunkt des Andenkens darreichen, etwa mit Ausnahme der
-Leichenbeine, welche, unter Zerstörung des Individualitätswerthes,
-herumgeworfen, oder in der größten Unordnung aufgestapelt werden.
-
-
-Die Nadeln der Kleopatra und der Flohfänger.
-
-Hart am neuen Hafen sieht man die Nadeln oder Obelisken der
-+Kleopatra+, den einen stehen und den andern liegen. Ich näherte
-mich dem stehenden Obelisken von der Südseite. Ich erblickte einen
-verwitterten Stein. Ich wendete mich um, die Ostseite zu besehen.
-Gleicher Anblick. Wie ich mich gegen die Nordseite wendete, siehe, da
-saß am Schatten des Obelisken ein nackter, erwachsener Mann, welcher
-die Nähte seines Hemdes durchspionirte und an dem Todschlage oder
-Toddrucke eines gewissen Missethäters wahrscheinlich eben so sehr sich
-ergötzte, als ich mich an den Obelisken. Daß es ernsthaft zuging, mußte
-ich daran merken, daß der neue Adam kaum aufschaute, und ein daneben
-sitzendes Mädchen in aller Unschuld ihn in seinen Bestrebungen bestens
-unterstützte.
-
-Ist es nicht eine halbe Gotteslästerung, daß man vor einem so erhabenen
-Denkmale, welchem die Seele in edler Begeisterung zugelenkt wird, ein
-Scheusal von Prosa auskramt? In der Natur ist aber überall Gegensatz
--- neben dem Erhabenen das Niedrige, neben dem Edeln das Unedle.
-Wenn wir uns dergleichen erhabene Monumente vorstellen, so dichtet
-freilich unsere Einbildungskraft Allem um sie herum den Anstrich
-des Erhabenen an; es dürfen keine lumpige oder entblößte Leute in
-ihrer Nähe herumstehen, herumwandeln oder herumsitzen, sondern nur
-edle, halbverklärte Geister müssen herumschweben. Wie denn von jeher
-das Große, Erhabene und Edle seine Verächter und Spötter fand, so
-wiederholt sich diese Verachtung und dieser Spott im Angesichte der
-Obelisken. Kann man sich wohl eine größere Verachtung oder einen
-ironischern Spott auf ein Werk, welches die vereinte Anstrengung so
-vieler Menschen kostete, denken, als einen Flohfänger, der von aller
-Pracht +nichts+ wollte, +als den Schatten+? Ein solches Schauspiel
-gewinnt selbst höhern Sinn in poetischer und politischer Beziehung.
-
-Schon beherrscht mein Auge die Nordseite des Obelisken. Diese hat
-sich mit den Hieroglyphen noch in gutem Zustande erhalten; so auch
-die Westseite. Der Obelisk besteht aus rothem Granit und erhebt sich
-siebzig Pariserfuß. Nicht durch seine Größe, noch durch seine Form
-macht er Eindruck, sondern man betrachtet diesen Stein erst mit rechter
-Aufmerksamkeit, wenn man weiß, daß er ein einziges Stück und ein sehr
-altes Geschichtbuch ist. Die Sache beim Lichte besehen, bewundern
-wir nicht den Stein selbst, sondern einzig den ihm aufgeprägten
-Geist der Menschen. Sonst dürften wir jede Handvoll Erde, die so gut
-ein Alterthum ist, wie der Obeliskenstein selbst, in die Liste der
-Denkwürdigkeiten aufzeichnen.
-
-Der zweite Obelisk +liegt+ gleich neben dem stehenden. Die Hälfte
-bedeckt der vielmächtige Sand; die andere verzeigt Hieroglyphen. Die
-Engländer sollen ihn umgestürzt haben, in der Absicht, denselben
-nach ihrem Vaterlande zu bringen, wovon sie bloß die Berechnung des
-kostspieligen Transportes abgehalten hätte. Der Luxor wurde in der That
-von den Franzosen freundlicher behandelt.
-
-
-Die Pompejussäule und die Schandsäule.
-
-Man hat mir so viel von der Pompejussäule vorgeschwatzt, daß ich sie
-zuerst nicht sehen wollte. Ich stand lieber still bei den Kameelen, in
-dem Bassar und zu aufmerksam bei den elenden, beinah mehr mit Ketten,
-als mit Kleidern bedeckten Sträflingen.
-
-Die Säule wurde zu Ehren des Kaisers +Diokletian+ errichtet. Die Statue
-steht nicht mehr. Die Engländer, welche 1776 den Schaft bestiegen,
-und auf dem Fußgestelle eine Schale Punsch tranken, entdeckten noch
-einen Fuß. Die Säule ruht auf einer vortheilhaft erhobenen Stelle im
-Süden der Stadt. Gleich an ihrem Fuße breitet sich ein Leichenacker
-aus, auf welchem ich die Turbane durchmusterte. So eben lag eine, in
-ein blaues Tuch gewickelte Leiche auf einer Bahre, neben Weibern ohne
-Klage, während gegraben wurde. An manchen Orten Europens hat man das
-Grab im Vorrathe, und hier muß die Leiche darauf warten. Um keine
-Verletzung der Sitten und Gebräuche mir zu Schulden kommen zu lassen,
-stieg ich vom Esel und ging zu Fuß querein durch den Leichenacker. Der
-Treiber wollte den Esel mir nachführen; allein er wurde angewiesen,
-mit dem Thiere den Weg um das Leichenfeld einzuschlagen. Man mußte
-dießmal von der Ansicht geleitet worden sein, daß der Esel nicht würdig
-wäre, auf den Gräbern der Menschen zu wandeln. Mit dem Purismus ist
-es aber eine kitzliche Sache; immer und immer wirft er den Fallstrick
-des Widerspruchs vor. Läßt man jetzt den Esel nicht +über+ die Gräber
-traben, so versenkt man vielleicht später Ungeziefer in die Gräber.
-Ich muß es ganz herausbrocken; sonst haben die Worte keine Kraft.
-
-Vom Leichenacker aus gesehen, prangt die Säule des +Pompejus+ als ein
-großartiges Denkmal, auf welchem das Auge mit Lust weilt. Die ganze
-Höhe der Säule, nämlich des Schaftes mit Knauf und Piedestal, mißt
-98 Pariserfuß. Der Schaft besteht aus einem einzigen Stücke rothen
-Granits. Billig staunt man darüber, wie ein 68 Pariserfuß langer und
-7 bis 8 Fuß im Durchmesser haltender Stein (der Schaft) gebrochen,
-fortgeschafft, ausgearbeitet und aufgestellt werden konnte.
-
-Das Verdienst, daß die Säule noch aufrecht steht, verdankt sie
-dem Umstande, daß sie von stummem Stein und schwer ist. Wäre sie
-mit ~D. O. M.~ überschrieben gewesen, so würde sie wahrscheinlich
-zerstört worden sein, wie die Alexandriner-Bibliothek, deren Verlust
-einer der unersetzlichsten für die Menschheit genannt werden darf.
-Es erregt Abscheu im höchsten Grade, daß die Leidenschaften der
-Menschen schadenfroh zerstören, was Andere Schönes und Erhabenes
-mühsam zu Stande brachten, und nichts vermag mehr, den Hochmuth
-unseres Zeitalters zu beugen, als die Betrachtung, daß die gleichen
-Leidenschaften den Krieger ohne Aufhören in den barbarischen Kampf
-rufen, in welchem so manches unschuldige Leben verblutet.
-
-Reisende, welche die Säule bestiegen, bezeichneten diese mit ihren
-Namen. So viel Namen; so viel Entweihungen, so viel Beschuldigungen der
-Eitelkeit, so viel Stoff zum Aergernisse. Man würde sich scheuen, einen
-altrömischen Kriegsmann in eine Pariser-Jacke zu zwingen, aber die
-gleiche Thorheit an der alten, ehrwürdigen Säule zu begehen, trägt man
-kein Bedenken.
-
-Bei der Pompejussäule genießt man eine schöne Aussicht auf Stadt und
-Land, Gärten und Wüsten, Hafen und Meer.
-
-
-Die Nachgrabungen.
-
-Wenn auch nicht das wissenschaftliche, so regt sich ein anderes
-Interesse, welches die Nachgrabungen im Schutte veranlaßt.
-+Ibrahim-Pascha+ will neue Bauwerke, und so läßt er die von den
-längst entschwundenen Vorfahren gemeißelten Bausteine aus dem Schutte
-heraufholen. Daher sieht man an den im modernen Style sich erhebenden
-Gebäuden Steine aus der grauen Vergangenheit, die man bloß zurechtsägt,
-damit sie sich desto besser in die lästige Gegenwart fügen.
-
-Ich sah zwei Schachte, in denen man Nachgrabungen anstellte, und meine
-Aufmerksamkeit wurde doppelt angespannt: in den Rahmen der neuen Welt
-waren die Arbeiter und die Behandlung derselben, so wie die Art und
-Weise in Verrichtung der Arbeit u. s. f., in denjenigen der alten Welt
-die Antiquitäten gefaßt. Wenn die lebensreiche Jetztwelt mich mit
-größerer und unwiderstehlicherer Macht zu ihr hinreißt, so wolle der
-Vorweltler mir nach Herzenslust grollen, aber nur nicht eher, als bis
-er sich den Alterthumsschlaf aus den Augen gerieben hat. Es standen
-zwei Aufseher da, ein Grieche, ein dem Anscheine nach unwissender
-Mensch, und ein farbiger Mohammetaner. Beide hielten Peitschen in
-den Händen. Mich empörte es, wie der letzte ein etwa zwanzigjähriges
-Mädchen, welches eine ungemeine Lebhaftigkeit zeigte, und seine Arbeit
-mit Gesang begleitete, liebkosete, und später ihm mit der Peitsche
-aufmaß, so daß es entsetzlich schrie, freilich nicht ohne Verstellung.
-Mehr noch, als das Schlagen ärgerte mich, daß man es duldet. Schimpft
-nicht auf die Tyrannen, aber auf diejenigen, welche sie leiden. Wenn
-die Leute nicht in eine Art thierischer Unterwürfigkeit versunken
-wären, wenn bei ihnen die Selbstachtung nicht gleichsam erloschen wäre,
-so würde bald eine andere Saite aufgezogen sein. Die Europäerin meint
-nun zum allermindesten, daß jenes egyptische Mädchen vom bittersten
-Zorne und Hasse gegen den Aufseher ergriffen wurde. Nichts weniger,
-als dieß. Kaum schien der Schmerz ausgesumset zu haben, so kehrte
-die frühere Fröhlichkeit zurück, und man konnte aus dem freundlichen
-Benehmen des Aufsehers gegen das ihm wieder freundlich zulächelnde
-Mädchen deutlich schließen, daß nach der Arbeit zwischen diesen zwei
-Leutchen ein herzlicheres Verhältniß obwalten müsse.
-
-Fast ganz nackte Männer hoben den Schutt hervor; man dürfte wohl sagen,
-ganz nackte, weil so nichts vor den Blicken verborgen war, indem die
-Lumpen bald diesen, bald jenen Theil kümmerlich verhüllten. Ich war an
-den Anblick solcher Leute noch nicht gewöhnt; allein die kleineren und
-größern Mädchen schienen das nicht zu beachten, was in der Meinung des
-Europäers die Wohlanständigkeit so tief verletzen würde. Der Schutt
-wurde in, aus Dattelblättern geflochtene, kleine, runde Körbe geworfen,
-und so auf dem Kopfe weggetragen. Zugleich richteten es die Lastträger,
-um sie scherzweise so zu nennen, gar fein ein, dergestalt, daß der eine
-auf den andern warten konnte, damit ja wieder einige Augenblicke in
-süßem Nichtsthun dahinfließen. Man las auf den Gesichtern der Arbeiter,
-und auch alle ihre Bewegungen verriethen es, daß nicht die mindeste
-Lust zur Arbeit sie beseelte, und daß sie lediglich aus Furcht vor
-der Gewalt oder aus Zwang sich dazu anschickten. Viele in Alexandrien
-wohnende Europäer hegen die Ueberzeugung, daß ohne Peitsche und Stock
-der Araber von seinem Hange zum Müßiggange nicht loszurütteln und zur
-Arbeit zu bewegen wäre. So bald er etwas erspart habe, behaupten sie,
-lege er sich auf die Bärenhaut, und verthue oder vergeude wieder Alles.
-Uebrigens sorgt der Pascha mit väterlicher Theilnahme dafür, daß die
-Arbeiter nicht zu viel Geld in die Hände bekommen; denn die 30 bis 40
-Para, welche er ihnen täglich in die Hand +preßt+, reichen kümmerlich
-für die allernothwendigsten Bedürfnisse hin. Würden +Mehemet-Ali+
-und +Mahmud+ den abendländischen Fürsten darin nachahmen, daß sie,
-statt der Chiffres, ihre Köpfe auf der Silbermünze abprägen ließen,
-sie dürften gewiß nicht besorgt sein, daß sie in den Händen dieser
-egyptischen Arbeiter rothe Backen bekämen.
-
-
-Leute. Bevölkerung.
-
-Auf den Straßen ist es ungemein lebhaft. Die Budengassen (Bassar)
-sind theilweise gedrängt voll. Man darf sich mit Recht wundern,
-daß, bei allem Gedränge, die in ein bloßes Hemde gekleideten
-mohammetanischen Weiber den Franken selten berühren. Die bunte Kumpanei
-von so verschiedenen Menschen mit ihren abweichenden Sitten und
-Religionsformen, der bunte Wechsel von so verschiedenen Thierarten,
-als von Kameelen, Büffeln, Eseln, Pferden, hin und wieder das Knarren
-von Lastkarren (welche der Regierung gehören) wirkt beinahe betäubend.
-Nirgends traf ich mehr Getriebe und mehr Rührigkeit, als im Arsenale
-und in den Schiffswerften. Tief in die Nacht dauert der Lärm, und wenn
-das Getümmel der Menschen verstummt, so erhebt sich das Gebell der
-herrenlosen Hunde. Schwerlich wird dem Schlaflosen je eine feierliche
-Stille vergönnt.
-
-Der arabische Alexandriner ist eine wahre Lärmtrompete. Er lernt laut;
-arbeitet er, so singt er. Wenn dreißig bis vierzig Arbeiter eine Last
-heben, so tönt nicht unangenehm für das Ohr der Chor der Menge, welcher
-dem Solo des Kommandirenden antwortet. Alle die Lärmereien sollen eine
-religiöse Bedeutung haben. So rufen die Mohammetaner gar oft ihren
-Propheten an, der auch +Hamma+ heißt.
-
-Ueber die Bevölkerung der Stadt konnte ich nichts Zuverlässiges
-in Erfahrung bringen. Jährlich sollen, nach einem eben so gut
-unterrichteten, als angesehenen morgenländischen Bewohner Alexandriens,
-im Durchschnitte dreitausend Menschen sterben. Es leidet kaum einen
-Zweifel, daß die Sterblichkeit in Alexandrien, dessen Lage allgemein
-für ungesund gehalten wird, groß ist. Lassen wir, wie in Rußland, den
-fünfundzwanzigsten Theil der Bevölkerung jährlich sterben, so erhalten
-wir eine Gesammtheit von fünfundsiebzigtausend Menschen. Jedenfalls
-steigt die Einwohnerzahl weit höher, als man sie in Europa glaubt.
-Uebrigens hat sie durch die letzte Pest (1834/5) bedeutend abgenommen,
-obwohl man, wie man mich versicherte, am Gedränge in den Gassen keinen
-Unterschied bemerke. Nach den Einen sollen unter dem Todesstreiche
-der letzten Pest 13,000, nach Andern selbst 20,000 Menschen gefallen
-sein. Man muthmaßt, daß die Regierung geflissentlich die Zahl der
-Gestorbenen minder groß (etwa 11,000) angab, und man will bestimmt
-wissen, daß manche in den Hütten an der Pest Verstorbene gleich unter
-denselben in die Erde verscharrt wurden, weil die Gesundheitspolizei
-gegen verpestete Hütten sogleich zu Maßregeln schritt, welche den
-Araber belästigten. Die Bevölkerung Alexandriens gleicht einem
-Polypen. Schneidet man ein Stück davon, alsbald wird das Verlorene
-wieder ergänzt. Wenn die arabische Bevölkerung der Stadt auch viel
-einbüßt, so wird der Verlust doch wieder in kurzer Zeit ersetzt,
-theils weil das arabische Weib gerne und leicht Kinder bringt, theils
-weil vom Lande immerfort Lückenbüßer einrücken. Es mag nebenbei die
-Bemerkung nicht überflüssig erscheinen, daß der Pascha seine Stärke
-in der größtmöglichen Vermehrung seiner Unterthanen sucht. Er thut
-ihr daher jeden Vorschub. So darf ein Seesoldat nicht ans Land gehen,
-wenn er kein Weib nimmt. Wie wenig wurzelfest ein solches Prinzip
-sei, könnte er von unsern Lehrern der politischen Oekonomie lernen.
-Hohl und trügerisch ist der Gewinn für das Ganze, wenn die Zunahme
-und der Verlust der Bevölkerung in gleichem Grade steigen. Eine klein
-scheinende Sache ist manchmal von großer Wichtigkeit, und hier +die
-Erhaltung der Bevölkerung+, und wollte der Pascha nach diesem Ziele
-ringen, so könnte er nicht nur über die gleiche, sondern selbst über
-eine intensiv stärkere Bevölkerung gebieten, sich nicht nur einen
-Theil seiner Laufbahn von Dornen säubern, sondern auch Andern tausend
-Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten, tausend Kümmernisse und Seufzer
-ersparen.
-
-
-Der Ritt zur Beschneidung.
-
-Was ist das für ein Reuter dort auf stolzem Rosse, den Bassar
-durchziehend? Was für eine gellende Musik? Was für ein rufendes,
-wogendes Menschengedränge, aus dem -- Salz gegen das Roß anstäubt?
-Ach, eine Komödieankündigung; mit solchen Ausposaunungen füllt man die
-Ohren in allen Krähwinkeln der Welt. O Wahnsinn, welcher dergleichen
-verdeutet! Das wohlaufgeputzte Kind, welches der Reuter auf dem Schooße
-hält, ist ein mohammetanischer Knabe, mit dem man an den Ort reitet, wo
-die Beschneidung vorgenommen werden +soll+. Freilich +soll+, +muß+ u.
-s. f., mögen nun seine Augen triefen von Krankheiten und naß sein vor
-Wehmuth. Was -- Wehmuth? Sein Weinen hört man ja nicht, weil das Ohr
-von Pauken und Tambour und Schalmeien übertäubt wird.
-
-Die Mohammetaner halten auf der Beschneidung sehr viel. Erst wenn
-der Knabe beschnitten, ist er ein Moslim (Rechtgläubiger). Die
-Großen begleiten dieselbe mit sehr viel Gepränge. Die Beschneidung
-des nachherigen Sultans +Mehemet+ dauerte vom 21. Mai bis zum 30.
-Brachmonat 1582. Die abgeschnittene Vorhaut wurde in einer goldenen
-Schale der Mutter des Sultans, und das Barbiermesser blutig der
-Großmutter zugeschickt. Wenn man damit zugleich die Rohheit der
-türkischen Sitte bezeichnen möchte, so versteht sich von selbst, daß
-auch +Sauls+ Forderung (1. +Samuel+, 18, 26 und 27) in der Vorderreihe
-roher Sittenzüge steht.
-
-
-Primarschule.
-
-Du gehst auf den Gassen. Du hörst einen Lärm, ein Brumsen und Sumsen.
-Auf einmal erblickst du eine Menge Kinder, die in einer offenen, über
-die Gasse nur wenig erhöheten Bude hocken[8], den Körper vor- und
-rückwärts bewegen, eine weiß bemalte, hölzerne Schreibtafel in der Hand
-halten. An einer Wand hockt der Schulmeister, und macht mit seinem
-Körper eben so komische Bewegungen. Er lehrt und ißt Bohnen zu gleicher
-Zeit.
-
-Das ist eine Kinderschule. Nirgends sah ich die fröhliche
-Ausgelassenheit der Kleinen in höherm Grade als hier.
-
-In Alexandrien gibt es mehrere Schulen. Ich glaube nicht, daß sie
-gesetzlich bestehen. Weil in den Schulen die Religion nach dem Koran
-gelehrt wird, so schickt der Mohammetaner aus religiösem Eifer die
-Kinder in dieselben. Der Schreiber wird unter dem Volke sehr geachtet.
-Mädchen nahm ich unter den Schülern nicht wahr.
-
-
-Die Zeichenschule.
-
-Ich begegnete im Arsenale einem Europäer, den ich um Auskunft fragte.
-Sein Aeußeres wollte eben nicht viel versprechen. Mit zuvorkommender
-Gefälligkeit führte er mich in ein Zimmer, wo etwa zwanzig ältere
-Zöglinge zeichneten, davon mehrere schon an zwei Weiber verheirathete.
-Mein Führer, aus Marseille gebürtig, stand der Schule, die er erst
-vor kurzem gegründet hat, selbst vor. Die Araber saßen auf Bänken vor
-Tischen, und die Muster lagen oder hingen vor ihnen. Mir schienen
-die Zöglinge Eifer an den Tag zu legen, und ihre Arbeiten, Laub- und
-Blumenwerk, z. B. für Tapeten, geriethen nicht übel. Der Zeichenlehrer
-eröffnete mir, daß der Araber viel Talente besitze, daß er aber zu sehr
-Schlaraffe sei, um sie anbauen zu wollen. Er bestätigte, was ich von
-Andern vernahm, daß er denselben nur durch strenge Zucht zur Arbeit und
-zum Fortschritte bringe. Von Stockschlägen faselte der Franzose ganz
-geläufig, als wäre er mit ihnen aufgewachsen. Der Mangel gründlicher
-Kenntniß in der arabischen Sprache stellt dem Lehrer viele Hindernisse
-in den Weg. Indessen bemüht er sich eifrig, diese Sprache in seinen
-Besitz zu erlangen, damit seine Mittheilungen leichter werden. Da der
-Lehrer selbst nicht gar viel Zeit im Schulzimmer zubringt, so sucht er
-sich durch eine Art +Lancasterschen+ Unterrichtes zu helfen. Während
-seiner Abwesenheit vertritt der beßte Zögling die Stelle eines Lehrers.
-Die Lehrlinge werden im Ganzen strenge gehalten. Des Mittags dürfen
-sie nicht ausgehen, und sie speisen im Zimmer. Eben hockten zwei auf
-dem Boden, und langten mit ihren Fingern eine Art Brei aus einem großen
-Teller heraus.
-
-Der Pascha verbindet mit dieser Schule offenbar den Zweck, sich von
-dem Abendländer mehr und mehr unabhängig zu machen. Vielleicht sind
-die goldenen Tage des letztern in Egypten vorüber, so bald er den
-Pascha und seine Leute einen solchen Schatz gelehrt haben wird, daß die
-Anleitung und die Mithilfe des Fremdlings entübrigt werden können.
-
-
-Weiberhändel.
-
-Zum Troste der Europäerinnen gibt es auch in Afrika Weiberhändel.
-
-Ich lag unter dem Fenster, über einem Bassar. Auf einmal wendete sich
-eine Mohrin kreischend und, mit einem Schäufelchen drohend, rasch
-gegen einen Türken. Das Weiße des Auges gegen die Schwärze der Haut,
-wie das Licht gegen den Schatten, abstechend, warf den lebhaften Glanz
-der Gemüthsbewegung. Der Türke stand in stolzer Ruhe; fest heftete er
-seinen Blick an das Weib. Auf einmal fiel ein minder schwarzes Weib der
-ersten in diejenige Hand, welche das Schäufelchen hielt. Die Weiber
-wetteiferten mit Lärmen. Was für ein Ende wird der Auftritt noch
-nehmen? Wie treffen doch die zierlichen Europäerinnen und die plumpen
-Afrikanerinnen den gleichen Punkt, ob auch nicht so +haargenau+; denn
-in Europa raufen sich Weiber die Haare, hier dagegen greifen sie
-nicht nach dem Kopfe, sondern halten sich einander die Hand, oder
-kneipen und reißen an den Kleidern. Daß die auf einander erbosten
-afrikanischen Damen mehr nach dem in der Gemüthsaufwallung gepreßten
-Herzen greifen, ist es etwa instinktmäßiger? Ich glaube nicht, daß,
-wenn es keine Männer gäbe, die Welt aussterben, sondern bloß, daß die
-übrig bleibenden Weiber von einander aufgerieben würden, nämlich zuerst
-die guten von den bösen, dann die bösen von den bösesten. Und das habe
-ich nicht nur schon im Stillen gedacht, sondern ich wollte es auch vor
-Männiglich sagen, wozu es freilich keines Muthes bedarf; denn sollte
-ich mit meinem harten Urtheile irgend eine Schöne zum Zorne aufregen,
-so bin ich überzeugt, daß sie sich selbst, im Schmucke desselben, vor
-dem Mann mißfiele, und daß sie ihn viel lieber an einer schwachen
-Mitschwester entlüde.
-
-Es kam, um zu unserm Spektakel zurückzukehren, Polizei dazwischen,
-und so nahm der Handel flugs ein Ende. Natürlich wurde ich an der
-Fortsetzung meiner nicht ganz unangenehmen Beobachtung gestört.
-
-
-Geld und Geldnoth.
-
-Eine englische Guinee gilt 100 Piaster (Krusch); 40 Para (Medi)
-machen einen Piaster aus. Beiläufig 8 Piaster kommen einem Gulden
-Reichswährung gleich. Die egyptischen Goldmünzen sind 10, 9, 4 und 3
-Piasterstücke. Diese letztern empfehlen sich wegen ihrer Kleinheit
-wenig. Man darf ordentlich auf der Hut sein, um sie nicht zu verlieren.
-Die Silbermünzen sind 1, ½, ¼ und ⅛ Piaster, selbst ein Para. Es
-gibt übrigens auch ¼, ¼ Piaster und 1 Parastück in Kupfer. Dieß die
-Hauptmünzen. Man könnte wohl noch mehr angeben, wenn man weitläufiger
-sein wollte.
-
-In Alexandrien ist Noth an Scheidemünze, so daß bisweilen für das
-Wechseln von 4 Piaster in Gold ohne Anstand 10 Para abgezogen werden.
-Ich war einmal genöthigt, einem Araber, der meine Sprachen nicht besser
-als ich seine verstand, so viel Para zu bezahlen. Anfänglich glaubte
-ich freilich hintergangen worden zu sein, weil eine so beschaffene
-Ordnung von Unordnung mich allzusehr befremdete. In Kaffee- und
-Wirthshäusern tritt gewöhnlich der Fall ein, daß man nicht quitt
-rechnet. Bald bleibt der Wirth, bald der Gast schuldig. Einmal konnte
-der Wirth mir keine kleine Münzen zurückgeben, und erklärte, mit
-Annahme der Zahlung zu warten. Wie staunte ich über das gastwirthliche
-Zutrauen, welches das Morgenland so lieblich verkündiget. Man fasse
-sich wohl, dieses Zutrauen ging auf den Stelzen der Münznoth. Ein
-andermal blieb ein Kaffeewirth, aber ein Grieche, mir eine Kleinigkeit
-schuldig. Die Begehr nach Scheidemünze fällt, wenigstens dem Fremden,
-ungemein beschwerlich; man muß gleichsam auf dieselbe Jagd machen,
-indem man jede Gelegenheit auffängt, um eine größere Münze auszugeben,
-die beim Umwechseln kleinere zurückwirft. Dazu kommt noch eine andere
-Unbeliebigkeit, daß schwierig zu erkennende falsche, oder gebrochene
-und beschädigte Münze im Umlaufe ist, welche nicht angenommen wird.
-
-Zählen wir doch nichts zu den Unmöglichkeiten. Vielleicht rührt die
-Scheidemünznoth vom +Kometen+ her, den ich in Egypten gerade zum
-ersten Male, als einen hübschen, langen Schweif, in der nördlichen
-Himmelsgegend zur Sicht bekam. Im Kaffeehause erregte diese Erscheinung
-plötzlich ernstes Rufen, lautes Lärmen, eiliges Laufen, anders nicht
-fürwahr, als wäre Feuer ausgebrochen. Wenn der Schwanzstern nun
-dieses zu bewirken, und, wie es denn bekannt ist, Krieg und Pest
-heraufzubeschwören vermag, wie soll er die Leute nicht auch in die
-Klemme des kleinen Geldes treiben können? Uebrigens bin ich selbst
-froh, daß die Sterngucker den Spaß dort ungefähr errathen haben; denn
-mich bangte nicht wenig, der Komet werde gar ausbleiben, dieweil er aus
-dem Wirrwarr der Himmelspropheten sich etwa nicht herauszufinden wisse,
-die in der Festsetzung des Tages oder der Nacht für das Stelldichein so
-nicht einig werden wollten oder konnten.
-
-
-Das Schiff der Wüste.
-
-Auf Alexandriens Boden reichten auch die vielen Kameele meiner
-Neugierde Nahrung dar. Zu Lande werden meist auf dem Rücken dieser
-Vierfüßer die Lasten fortgeschafft. Wie ein Faden spinnt sich eine
-lange Reihe von Kameelen oft mitten durch das Menschengedränge in den
-Gassen, eines hinter das andere gebunden. In ein weitfenstriges Netz
-von Stricken werden größtentheils die Lasten aufgeladen; so Steine, so
-Säcke, so Anderes. Das hohe Kameel bewegt sich in gemessenen langen und
-eher langsamen Schritten, während der niedrige Esel mit seinen kurzen
-Füßen trippelt. Der Fuß des Kameels ist wie das Pendul einer Thurmuhr,
-der Fuß des Esels wie dasjenige einer Taschenuhr. Und noch mehr
-Gegensatz. Das Kameel ernst, der Esel flatterhaft; das Ohr des großen
-Kameels klein, des kleinen Esels groß. Es macht Spaß, diese zwei Thiere
-neben einander zu sehen.
-
-
-Anleitung für den Reisenden.
-
-Langt man im Hafen an, so fährt der Kapitän in seiner Schaluppe ans
-Land. Ergreift man nicht gleich diese Gelegenheit, so holt man später
-auf einer der Barken, die im Hafen jederzeit bereit liegen, die
-Effekten, höchstens für einen Piaster. Zu Lande wird das Gepäcke von
-den Mauthbeamteten untersucht, welche einen Piaster von mir forderten.
-Ein Lastträger bringt für einen Piaster das Gepäcke bis ins Logis. Eine
-größere Last würde man am beßten auf Esel oder auf Kameele laden, und
-auch auf letztern kostet die Fortschaffung des Gepäckes nicht viel.
-Ehe ich das Zimmer im Wirthshause zu den drei Ankern (welches sonst
-dem kostspieligeren zum goldenen Adler nachgesetzt wird) bezog, fand
-ich mich mit dem Wirthe ab. Das Zimmer war geräumig, mit der Aussicht
-auf einen Bassar, das Bett rein; die Flügelthüren mußten mit einem
-Vorlegeschloß gesperrt werden.
-
-Mein Paß war von der Polizei in Triest mit nicht mehr Umständlichkeiten
-nach Alexandrien visirt, als reisete ich von dort nach Venedig, und der
-Kapitän händigte am Orte der Bestimmung ihn selbst dem österreichischen
-Konsul ein. An das Reisen nach Egypten binden sich überhaupt keine
-polizeiliche Schwierigkeiten. Nachdem mein Paß in meinem Kantone
-ausgefertigt war, wurde er einzig dem österreichischen Gesandten bei
-der schweizerischen Eidgenossenschaft zum visiren übersandt, weil ich
-in Europa keinen andern als österreichischen Boden beschreiten wollte.
-Die Polizei abgerechnet, fiel er hier weder in die Hände eines Konsuls,
-noch sonst Jemandes. Als ich mich beim österreichischen Konsulate in
-Alexandrien anmeldete, eröffnete es mir, daß es mir den Paß nach Kairo
-unterschreiben werde, wenn ich hinauf reisen wolle, und daß ich ihn
-dann abholen könne. Das Visum erhielt ich „gratis“, und ich mußte nur
-einem egyptischen Angestellten, welcher sich auf der Konsulatskanzlei
-befand, für einen Vorweis bei der Douane am Mahmudiehkanale einen oder
-zwei Piaster, so wie den Douaniers selbst, welche auf eine den Fremden
-sehr belästigende Weise die Effekten durchsuchen, wiederum einen
-kleinen Tribut bezahlen. Manche bedecken den Statthalter mit Ruhm wegen
-seiner Liebe zu den Abendländern, und die gleichen Abendländer dürfen
-bloß den Fuß auf Egypten setzen, und er benützt, wie es am Tage liegt,
-jede Gelegenheit, um ihnen das Geld aus der Tasche herauszudrücken.
-Als Arzt hatte ich nur meine nothwendigsten Effekten mit einer Zugabe
-weniger Arzneien bei mir, und demungeachtet mußte ich den Inhalt des
-Felleisens in Alexandrien zweimal untersuchen lassen.
-
-Wer sich mit Empfehlungsschreiben versieht, thut wohl daran. Die
-meinigen leisteten mir wesentliche Dienste, was ich auch dankbar
-anerkenne. Ich stellte mir etwas schwer vor, daß ich, als Ankömmling
-auf Afrika, in Mitte arabischer Zungen mich zurecht finden werde. Mein
-Erstes war, durch einen Araber geführt, meine Empfehlungsschreiben
-an einen Schweizer aus Schaffhausen abzugeben. Ich fand ihn -- einen
-Freund; ich fühlte mich in seiner Nähe so traulich wie zu Hause. Er
-ertheilte mir zu Allem Anweisungen, deren ich so sehr bedurfte. In
-der Gesellschaft der Herren +Ott+, +Wehrli+, +Wyß+, Korvettenkapitäns
-+Baumgartner+, welche Schweizer sind, und des Oberarztes der Marine,
-~Dr.~ +Koch+ aus München, hatte ich erfreuliche Gelegenheit, die
-nöthigen Erkundigungen einzuziehen.
-
-Wenn man einen entferntern Gegenstand besehen will, so bedient man
-sich am beßten eines Esels. Fiacres gibt es gar nicht und im Ganzen
-äußerst wenig Gefährte. Man kann aber auch zu Fuß gehen, was ich
-meistens that, und selten wurde ich von den Eseltreibern bestürmt.
-Diese fangen eigentlich nur an, in Jemand zu dringen, oder sich in
-den Weg zu stellen, und ihn so aufzuhalten, wenn sie ihm anmerken,
-daß er einen Esel sucht. Alsdann ist er augenblicklich von zwölf- bis
-zwanzigjährigen Leuten umringt, welche, laut lärmend, sich anbieten
-und so nahe sich andrängen, daß sie Einem die Kleider verunreinigen.
-Das unverschämte Andrängen war mir immer höchst widerlich, selbst wenn
-ich dadurch im beengten Raume nicht gehindert worden wäre, den mir
-beliebigen Esel und Treiber auszuwählen. Man schwingt sich endlich auf
-ein Thier, bloß um die Stürmer los zu werden; denn sobald man auf dem
-Esel sitzt, ändert sich die Szene, als wäre ein Licht ausgeblasen, --
-gänzliche Stille tritt plötzlich ein. Außer dieser Kriegslist schützt
-auch noch die Peitsche vor der Unverschämtheit. Einige Male folgten
-mir Eseltreiber, Esel voran, mit dem ermüdenden: ~Volete un’ buon’
-burrico?~ weit nach. Ich kehrte rasch um, und dann wandelte ich wieder
-vorwärts. Es half wenig. Die Drohung mit der geballten Faust wies zu
-guter Letze die Meister in der Zudringlichkeit zurecht.
-
-In einem halben Tage kann man das Sehenswürdigste finden. Man
-reitet zuerst zu den Katakomben, wo Leute aus den arabischen Hütten
-den Wißbegierigen unter die Erde führen. Von da zu dem Garten
-+Ibrahim-Paschas+, mit den Blicken über den See Mareotis. Weiter zu der
-Pompejussäule, zu den Obelisken und zuletzt zum Pharus. Für den Ritt
-nach den Katakomben, zur Pompejussäule und zu den Nadeln +Kleopatras+
-gibt sich der Eseltreiber mit vier Piaster zufrieden. Vielleicht
-verdienen auch die Ruinen der Athanasiuskirche und der Katharinakirche
-besehen zu werden.
-
-
-
-
-Die Nilfahrt nach Kairo.
-
- Linkische Lastträger; seichter Kanal; ~licentia poetica~;
- Kornspeicher; Fruchtbarkeit des Nilthals; possirlicher
- Hühnerhandel; eine Abendunterhaltung; das Schlachten eines Lammes;
- Gewandtheit der Barkenknechte; die reisende Familie; Truppe nackter
- Kinder; Einerlei der Aussicht; Kaffeewinkel; Bewässerung des
- Landes; seltsame Schiffsladung; Pyramidenanblick; Telegraphen;
- Bulak; ~hôtel de l’Europe~.
-
-
-+Freitags den 16. Weinmonat.+
-
-Ich schied von Alexandrien. Aus Rücksicht für die gute Gesellschaft
-mit einem Dragoman der französischen Regierung und einem jungen,
-piemontesischen Kaufmanne reisete ich nicht eher ab, wie ich vorhatte,
-ja ich ließ mich sogar lieber während dieses Tages bis gegen Abend ins
-Wirthshaus einsperren. Denn da die Cholera immer weiter um sich griff,
-und der Wirth keine Maßregel dagegen versäumen wollte, so unterstellte
-er sein ganzes Haus der Quarantäne. Ich weiß nicht, wie ich sagen soll,
-ob die neue Ordnung der Dinge, z. B. der Einkauf von Lebensmitteln,
-das Parlamentiren vom Rastelle aus bei dem Besuche eines Freundes, mich
-mehr betrübte oder belustigte. Noch wunderlicher kam es mir vor, wie
-der italienische Wirth mich als Verpesteten behandelte, weil ich über
-Nacht Brechen und Anderes litt, und eine Zeitlang mich wirklich von der
-morgenländischen Brechruhr ernsteren Grades befallen glaubte. Die mit
-Reiswasser gefüllte Flasche übergab der kummervolle Italiener nicht mir
-unmittelbar, sondern mittelst eines vor meiner Zimmerthüre stehenden
-Geschirres, in welches die Flasche ging. In das Weise der Menschen
-flicht sich auch manchmal so viel Thörichtes, daß man oft nicht weiß,
-wo der Verstand aufhört oder anfängt.
-
-Ich sorgte für einen kleinen Vorrath an Lebensmitteln, auch Holz,
-und zwar kaufte ich dieses nach dem Gewichte. Die eine Fürsorge ist
-vergeblich, und nur für Leckergaumen räthlich. Ueberall am Nil bekommt
-man gutes Brot, Hühner, Eier, auch Reis, und in den meisten Dörfern
-Milch, Alles in geringem Preise. Einzig Zitronen, Zucker und Rhum mögen
-nebst Kohlen und einem Kochofen dienen. Ich kann voraussetzen, daß der
-über Meer Gelangte auch ein Bett mit sich schleppe.
-
-Von zwei Arabern wurde mein Gepäcke aus der Ankertaverne nach
-dem Mahmudiehkanal getragen, aber täppisch oder träge genug,
-indem dieselben, im Schweiße gebadet, die Bürde bald los- bald
-zusammenbanden, jetzt niederlegten, dann aufnahmen. Ich traf eben
-da meine Reisegefährten. Es sollte mein Gepäcke nur noch unter den
-bekannten Förmlichkeiten die Zolllinie überschreiten; ich bestieg das
-Fahrzeug, und wir stießen in den Kanal. Der Wind blies günstig. Bald
-verschwand die Pompejussäule aus unsern Augen -- und der Tag.
-
-
-+Den 17.+
-
-Die Ufer des Kanals sind niedrig, oft wüst, genußarm. Der Kanal
-ist schmal, hie und da seicht, und Manche glauben, daß in kurzer
-Zeit der immer mehr anwachsende Niederschlag des Nilschlammes ihn
-unschiffbar machen werde. Dergestalt würde das glänzende Unternehmen
-+Mehemet-Alis+, den Nil mit der See Alexandriens zu verbinden, in
-Schatten sinken, nachdem es in aller Welt so hochgepriesen war.
-
-Wir segelten einer französischen Dame voran. Vornehm steckte sie durch
-einen baufälligen Laden ihren Kopf heraus. Von einem Monsieur unserer
-Barke wurde sie nur befragt, ob sie des Nachts viele Flöhe gehabt
-hätte. Das war eine schlechte ~licentia poetica~, aber eine natürliche.
-Gegenseitige Theilnahme an den Plagen ist wenigstens ein Erguß der
-Gemüthlichkeit.
-
-Um Mittag langten wir in Atse an. Hier verbindet sich der Kanal
-mit dem westlichen Arme des Nils. Das Dorf mit seinen elenden,
-schwarzgrauen Hütten gleicht einem Ameisenhaufen, so viel Leben und
-Regsamkeit zeigt sich in dem Bassar und an den Stapelplätzen. In der
-Kornhalle, aber keinem Konterfei der Pariser, liegt das Getreide
-auf dem Boden an einem Haufen unter freiem Himmel. Der Kornhändler
-hockt auf dem Kornkegel und schmaucht mit aller Behaglichkeit
-eine Pfeife. Auf diesen Markt soll man nicht gehen, um Eßlust zu
-fördern. Solche Getreidemärkte besitzt auch das übrige Egypten.
-Die Kornspeicher stellen indeß andere Male einen, mit einer Mauer
-umfangenen, unbedeckten Platz vor. Ich wollte im Bassar eine Limonade
-trinken; allein den widerlichen Geschmack dieses mit Meth oder Melis
-zubereiteten Getränkes konnte ich nicht überwinden. Ich war noch nicht
-so weit in das Reisen eingeschossen, daß ich Alles verschlingen wollte.
-Im Bassar gewahrte ich eine Höckerin mit einem nackten Kinde, das an
-den Blattern litt. In Egypten hausen diese auf eine schreckliche Weise.
-
-Billig nahm der +Nil+ mit seinem weißgelblichen Schiller meine
-Aufmerksamkeit in Anspruch. So habe ich denn ein Ziel meiner Reise
-erreicht. Mit Recht danken dir, o Nil, die Bewohner des Landes, daß du
-die von dir überschwemmten Ländereien segnest. An andern Orten schadet
-im Gegentheile der Fluß durch Ueberschwemmung. In der Mitte zwischen
-den Quellen und Mündungen ist der Weltstrom am größten, und an andern
-Orten wird der Fluß um so größer, je näher er gegen das Meer anströmt.
-Nicht durch majestätische Größe, mehr aber durch den reißend schnellen
-Lauf zeichnet sich dieser Nilarm aus. Und welch’ eine Fruchtbarkeit
-der Nilufer! Alles keimt üppig, und man sieht der Natur an, daß sie
-mit der größten Leichtigkeit hervorbringt. Sie scheint den Bewohnern
-zuzurufen: „Nehmet von mir, so viel ihr wollet; denn ich ermüde nicht
-mit Wiedergeben.“ Der Karakter der Nilgegend ist eigentlich kein
-schwerer, sondern ein leichter, kein ernster, sondern ein frohmüthiger,
-ein jugendlicher. Das alte, das schon so oft und oft geerntete Land ist
-noch ein Kind.
-
-Es war Mittag. Die Sonne brannte durch einen Flor atmosphärischer
-Dünste. Wir verweilten einige Stunden, weil die Waaren von unserer
-Barke auf eine andere umgepackt werden mußten. Gepäcke um Gepäcke aus
-den Händen legend, schrie der das Schiff beladende Araber Zahl um Zahl
-laut: für mich eine gute Gelegenheit, die arabischen Zahlen zu lernen.
-Bei diesem und andern Auftritten verging mir die Zeit leicht, doch
-angenehmer, als gegen Abend ein herrlicher Wind dahersäuselte, die
-etwas drückende Hitze zu mildern. In Atfe hält sich ein französischer
-Konsularagent auf, welcher uns besuchte.
-
-Gegen die Neige des Tages stachen wir in den Nil. Die zwei lateinischen
-Segel schwollen lustig an, wie die Backen der Kinder, welche dem Aeolus
-ins Handwerk greifen wollen. Bald lagen wir vor der Stadt Fuah, in der
-ein Thurm am andern emporragt. Jetzt trat Windstille ein. Der Abend war
-lieblich warm. Die Leute vertrieben ihn mit Spiel und Tanz, und ich
-glaube zuversichtlich, daß sie wenig Empfänglichkeit für die Lehren
-unserer Mystiker gehabt hätten, nach denen das lachende Nilthal ein
-Jammerthal wäre oder hoffentlich werden sollte.
-
-
-+Sonntags, den 18.+
-
-Gegenwind. Das Schiff an einem Seile gezogen.
-
-Ich kaufte drei Hühner für etwa 30 Kreuzer R. V. Man darf aber Eines
-nicht außer Auge setzen: die egyptischen Hühner erlangen keineswegs
-die Größe der unserigen. Eine Henne sieht aus wie bei uns ein junges
-Huhn. Es fiel mir zum ersten Male nicht wenig auf, wie eine Gluckhenne
-(von der Größe eines europäischen, halbausgewachsenen Huhns) sich
-bemühte, ihre so außerordentlich winzigen Küchelchen mit den Flügeln zu
-beschirmen. Hätte ein Säugling an die Brust eines zehnjährigen Mädchens
-sich geschmiegt, es wäre mir kaum spaßhafter vorgekommen. Auch die
-Eier der egyptischen Hühner sind bedeutend kleiner.
-
-Ich nahm sofort meine angekauften Hühner zur Hand, wendete mich gegen
-das Nilufer und ging an diesem hinauf, um an einer vortheilhaften
-Stelle zu warten, wo ich wieder in den Kahn steigen könnte. Auf einmal
-verfolgte mich ein Weib wehklagend, +juh, juh+ schreiend. Ich wußte
-nicht recht was es wollte; nur glaubte ich aus seiner Stimme und aus
-seinen Geberden entnehmen zu müssen, daß es wähne, ich hätte die
-Hühner ihm gestohlen. Schon umzingelten mich Leute, selbst von der
-Polizei; ich sollte mein Eigenthum abtreten. Was anfangen? Ich suchte
-durch Deuten verständlich zu machen, daß ich mich zur Barke begeben
-wolle, wo man Aufschluß ertheilen werde. Das Glück brachte gerade den
-Piemonteser. Meine Vermuthung wich der Gewißheit. Er sagte mir, das
-Weib habe seine Hühner bezeichnet, und ich solle sie ihm zeigen. Ich
-that es, und die Bestohlene -- überzeugte sich sogleich von ihrem
-Irrthume. Das Weib war wenigstens moralisch so gut, daß es diesen
-eingestand. Es gehört zur Macht des Irrthums, wie kleine Zwiste, so
-selbst blutige Kriege zu entzünden, und ich durfte mich in der That
-glücklich preisen, daß aus diesem Handel nicht gar ein Krieg entsprang.
-
-Wir rückten heute vor bis +Mohalèt-Abu-Ali+, einem Orte am Ufer des
-Delta. Nach einem nebelichten Tage war der Abend sehr schön und wie
-ergötzlich, das will ich in Kürze erzählen.
-
-In diesem Dorfe wohnt eine Art Großer, welchem die Barken des
-westlichen Nilarms zugehören sollen. Er kannte den Vater des
-Piemontesen. Wir schickten ihm Rhum, oder er ließ vielmehr holen. Bald
-beehrte er uns selbst mit seiner Gegenwart, und trank den Rhum vor
-Aller Augen. Er erfreute die Gesellschaft zugleich mit einer blinden
-Sängerin. So wurde der Abend mit rauschendem Vergnügen, unter Sang,
-Tanz und Spiel verbracht. Wenn die Egypzier mit der Schalmei (Surna)
-und dem Tambur (Deff) spielen, so klatschen sie mit den Händen den
-Takt, manchmal unter dem Rufe +Hamma+. Mich belustigte das fröhliche
-Geberdenspiel. Man versicherte mich, daß die Sängerin ihre Rolle
-vortrefflich spielte. Es fesselte mich vor Allem das lange Pausiren,
-die vielen Molltöne und der Liebeston, eine Art +Ach+ (a-a), der
-letzte, ersterbende Seufzer der Liebe. Dem Dragoman, einem mit den
-Sitten und der Sprache des Landes vertrauten Manne, schmeckte die
-Soirée überaus köstlich. Ich genoß dabei im Ganzen wenig. Weil ich die
-Nachtluft im Freien fürchtete, stellte ich mich bloß dann und wann,
-kein Vaterunser lang, unter die Thüröffnung der Kajüte. Ein Kind würde
-kaum scheuer, unter den Polizeiaugen des sparsamen Vaters, in den
-Honigtopf gelangt sein. Wenn die Araber mich auslachten, so hatten sie
--- Recht.
-
-Ich lasse nun ein Verzeichniß der an den Nilufern gelegenen Ortschaften
-in der Reiheordnung folgen, wie wir an ihnen vorübergefahren sind[9].
-
- +Rechtes Ufer.+ +Linkes Ufer.+
-
- Allah-uhu. Sanahbahdieh.
- Schurafa. Iluieh.
- Salamunih. Kaffer-Schech-Hasan.
- Mahalèt-Malèk. Somchroat.
- Dissuh. Rachmanieh.
- Kaffer-Ibrahim. Margass.
- Dimikunum. Miniet-Selamme.
- Mahalèt-Abu-Ali.
-
-
-+Den 19.+
-
-Es wird ein Schaf von einem Manne auf dem Rücken in die Barke getragen:
-ein Geschenk von Seite des Barkeninhabers, der uns gestern Abend einen
-Besuch abstattete. Das schien mir echt morgenländischer Ton. Das
-Geschenk galt dem Piemonteser. Kurz darnach kam der Barkeninhaber mit
-seinem jungen Sohne. Sie ließen sich voller Würde am Borde nieder und
-wurden mit Kaffee bewirthet. Mich wunderte, wie gar der Junge sich
-so ernst, männlich und geschickt benahm. Mißtrauen wir doch nie dem
-vielvermögenden Einflüsse des Beispiels in der Erziehung. Vater und
-Sohn begleiteten uns eine Strecke weit, und ließen sich sodann ans Land
-tragen.
-
-Bald ward das Schaf geschlachtet und zerhauen. Ein Jeglicher hoffte auf
-einen guten Bissen. Wir feierten munter die Ostern.
-
-Die Barkenknechte sind Leute von erprobter Geschicklichkeit. Wenn,
-aus Mangel an Wind, die Barke am Seile geschleppt werden sollte, so
-nahmen sie die Kleider, wickelten diese zusammen, legten sie über den
-Kopf, sprangen ins Wasser, schwammen davon, bis sie waten konnten, und,
-ans Ufer gekommen, zogen sie, bisweilen ohne einen Faden am Leibe,
-das Schiff. So geschieht es bei Tage, wie bei Nacht, und nicht einmal
-selten. Auch dem aufsitzenden Fahrzeuge zu Hülfe springen die Amphibien
-ins Wasser, und heben mit Rücken und Händen die Barke vom Strande. Zu
-diesem Ende sind sie genöthigt, unterzutauchen, und bemerkenswerthe
-Zeit bleiben sie manchmal unter Wasser, um die Last zu bewegen.
-
-Wir kamen an einem Landhause des Pascha vorbei.
-
-Unsere Gesellschaft auf der Barke war zahlreich. Stelle man sich vor
-die gebieterischen Franken und die beugsame Mannschaft des Schiffes,
-ein Weib mit Kindern und einen alten, magern Kuppler, ein altes Weib
-neben einem jungen, welches Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, und
-seinen häßlichen, großen Mund mit Aengstlichkeit verbarg, und man hat
-das bunte Bild von unserer reisenden Familie. Beinahe aber hätte ich
-die liebenswürdige Puppe vergessen, welche, eher einer Vogelscheuche
-ähnlich, einem kleinen Mädchen viel Freude bereitete. Eine Mutter
-behandelte ihren Säugling mit einer Grausamkeit, welche dem zarten
-Geschlechte wenig zur Ehre gereicht. Wenn er weinte, so schlug sie ihm
-mit der Hand fort und fort auf den Mund. Das ist die liebenswürdige
-Kunst der Egypzierin das Weinen zu zerschlagen. Bei den arabischen
-Müttern überhaupt nahm ich wenig Zärtlichkeit für ihre kleinen Kinder
-wahr. Die Brust reichen sie zwar jeden Augenblick, aber, wie es beinahe
-scheint, mehr aus Gewohnheit und darum, weil sie selbst daran Freude
-finden, als weil sie solche den Kindern gönnen.
-
-Die Beschreibung meines Zahnwehes dürfte Niemandem angenehm sein. Man
-wird lieber vernehmen, daß den Araber in der Regel schön weiße Zähne
-zieren, und daß er selten an Zahnschmerzen leidet. Das zweite Zahnen
-erfolgt bei den egyptischen Kindern in einem Alter von 6½ Jahren.
-Sogar ältere Leute erfreuen sich noch weißer Zähne. Es wird allgemein
-von den Franken behauptet, daß die arabischen Weiber früh altern.
-Dieß dürfte nicht so durchgängig wahr sein. Eben weil bei ihnen die
-blendend weißen Zähne lange erhalten werden, so erscheinen sie nicht
-besonders alt. Die Franken hätten auch bedenken können, daß die geringe
-Korpulenz, welche so gerne die Jahre multiplizirt, unter den Arabern
-jedes Alter begleite. Bis +Tunup+.
-
- +Rechtes Ufer.+ +Linkes Ufer.+
-
- Dimènki. Kaffer-Osmann.
- Kaffer-Megẻr. Sibréchît.
- Saffiéh. Maéssra.
- Móhalédié. Hali-Dächmèt.
- Minidschéhnâ. Sibirîs.
- Kaffer-Dówâe. Kaffer-Senâgli.
- Génaht. Kaffer-Chadẻr.
- Salhadschar. Niklé.
- El-Kótabé. Dahrygieh.
- Férahstak. Amié.
- Mohallèt-el-Läbben. Kaffer-Ibn-Schäet.
- Abîtsch. Kaffer-Laihs.
- Kufur-Bilsẻ. Schabûr.
- Kaffer-Hósâr. Sèlamûn.
- Kaffer-Schech-Ali. Kaffer-Harimm.
- Manûfur. Chäli-Dächmèt (Hali-Dächmet).
- Kaffer-Sajàd.
- Tschalgamûn.
- Kufur-Haschasch.
- Kaffer-Jukûb (Jabobsdorf).
- Kaffer-Bâgi.
- Kaffer-Tschèddid.
- Kaffer-Mischléh.
- Mischléh.
- Sahyahra.
- Tunup.
-
-
-+Den 20.+
-
-Am Ufer standen mehrere Bettler, die auch in andern Gegenden von
-Egypten nicht selten sind. Doch laufen oder rennen sie nicht so
-unverschämt nach, als in einigen Schweizer-Gauen. Wie in Europa, so
-spaziren hier die Fliegen auf Zucker. Man jammere nun aber nicht über
-den Fliegenschwarm, so lange man den Zucker nicht weghebt.
-
-Die Reisebeschreiber erwähnen der Weiber die zahlreich in Krügen aus
-dem Nile Wasser holen. Ich sah sie sehr selten, und ihre Scheu vor
-den Männern konnte ich nicht bestätigen. Nichts weniger, als daß sie
-aus Zartgefühl mit ihren Händen das Gesicht verhüllten. Es muß seit
-einiger Zeit Manches anders geworden sein. Mich wundert, daß die
-Reisebeschreiber die ungemein geringe Menge Wassers nicht hervorhoben.
-Bei uns würde man ein Mädchen ausspotten, wenn es nur einen Krug voll
-Wasser holte. Man weiß, daß unsere Weibsleute große Gelten voll Wasser
-auf dem Kopfe oder an den Händen tragen.
-
-An vielen Fellahs (Bauern) würde man vergebens mehr suchen, womit sie
-ihren Leib bedecken, als eine Lendenschürze. Ich fand jedoch wenig
-Unanständiges in dieser Kleidungsart, vielmehr etwas Vernünftiges
-in Beziehung auf die heiße Sonne. Gar viele Kinder, selbst größere,
-wandeln völlig entblößt herum. Der Anblick einer Truppe nackter Kinder
-unter freiem Himmel hat immerhin etwas Eigenes. Ihre auffallend großen
-Bäuche könnten sie wahrscheinlich mit andern Kindern theilen, wenn
-diese nackt ausgingen, und somit ihre Bäuche den Blicken zugänglicher
-würden.
-
-Mir thut es leid, den Nilufern nachsagen zu müssen, daß sie, in die
-Dauer besehen, langweilen. Beinahe immer das nämliche Einerlei. Keine
-Hügel, keine Berge, keine Seen, dafür flaches Uferland, welches
-unmerklich in den Horizont verfließt. Selten stützt sich der Himmel
-auf eine Landlehne. Am Nilufer erblickt man zwar viele Dörfer, aber
-auch +die+ sehen in der Regel einander beinahe gleich, wie ein Ei
-dem andern. Aus der Ferne verheißen sie eine seltene Pracht, schon
-bewundert man antike Paläste, über welche der schlanke Minaret
-emporsteigt; die runde Moschee füllt das Maß der Täuschung. Alles
-scheint in Palmen und Sykomoren gebettet. Ja recht viel Reiz in der
-Ferne, aber in der Nähe Kothhaufen als Mauern, enge, von armseligen
-Leuten betretene Gäßchen, krumme Minarets, kärgliche, von schönen
-Waschhäusern überbotene Moscheen. Nichts schmerzt so sehr, als
-fortwährend getäuscht zu werden. Einfacheres kaum, als ein Häuschen
-an den Nilufern. Ein viereckiges Zimmer ohne Fenster, mit einer
-Thüröffnung über dem Erdboden; das Dach platt; der Baustoff aus einer
-Art von Backsteinen, welche von Schlamm und Mist geformt und an der
-Sonne gedörrt werden. So die große Mehrzahl der Häuser. In Ghisahi
-bieten sie eine andere Gestalt. Sie erheben sich kegelförmig. Diese
-Zuckerhüte dienen den Tauben zur Wohnung.
-
-Gegen Abend langten wir in +Nadîr+, einem Marktflecken, an. Hier sprach
-ich deutsch mit einem Hannoveraner, welcher auf einer andern Barke
-hergefahren war. In Kaffeewinkeln schienen zwei Frauenzimmer sich wenig
-zu freuen, daß der Vizekönig das berüchtigte Patent zurückgezogen hat.
-Der Aufenthalt der französischen Armee in Egypten, während dessen
-freier Verkehr unter den Leuten beiderlei Geschlechts gestattet war,
-so wie die vom Pascha ausgefertigten Patente lehren, zu welcher
-unsäglichen Ausgelassenheit der heiße Himmelsstrich führte. Der
-Vizekönig hat wohl weniger aus religiösen Gewissensbissen diese Patente
-zernichtet, als vielmehr aus dem Grunde gesellschaftlicher Ordnung.
-
-Auf unserer Barke wurde mancher Spaß getrieben, mitunter auch solcher,
-welchen zu beschreiben die Feder sich weigert. Der Reis (Kapitän)
-schlug z. B. einen Barkenknecht. Er genießt übrigens das Recht, seine
-Leute zu schlagen, wenn sie sich gegen ihn vergehen. Ein Knabe von etwa
-zwölf Jahren wurde von Jedem, wer wollte, durchgeprügelt. Er bekommt
-als Barkenjunge monatlich fünf Piaster zum Lohne. Es gibt europäische
-Burschen, welche sich für 38 Kreuzer nicht so viel prügeln ließen,
-geschweige daß sie noch als Zugabe einen Monat lang arbeiten würden.
-
-Die meisten Nächte brachte ich ziemlich gut zu. Das Schiff fuhr selten,
-und wenn es auch unter Segel ging, so gleitete es so sanft dahin,
-daß ich keine Bewegung verspürte. Alles, was ich während der Nächte
-erlauschte, war das Bellen der Schäferhunde, das Krähen der Hähne, das
-Quacken der Frösche und das eigene Pfeifen der Nachtvögel. Hingestreckt
-auf mein Bett in einem engen und dunkeln Winkel wurde ich, bei meinen
-Gedankenausflügen in die weite Ferne, durch die Laute jener Thiere an
-die Wirklichkeit meiner Lage erinnert.
-
-Wir kamen heute bis +Abu-Néschâbe+.
-
- +Rechtes Ufer.+ +Linkes Ufer.+
-
- Gómâsi. Nigil.
- Amrûß. Sauüt-èl-Bacher.
- Béstâma. Sawaff.
- Sanüt-èl-Bagli. Machnîm.
- Danasûr. Kóm-Scherîk.
- Kaffer-Hédglâsi. Darîeh.
- Gésiret-èl-Hagar. Abu-Chaui.
- Nadîr. El-Gamm.
- Schabschir. Dimischlé.
- Dannaléhé. Buratschatt.
- Ghisahi. Kaffer-Dahûd (Davidsdorf).
- Sónsóft. Térânéh.
- Kómmagnuß. Lèchmas.
- Abu-Néschâbe.
-
-
-+Den 21.+
-
-Man würde irren, wenn man den egyptischen Himmel sich wolkenlos
-vorstellte. Beinahe alle Tage trübten Wolken den unserigen; einmal
-warfen sie uns so schwarze Schatten, daß der Europäer gewettet hätte,
-es müßte aus ihnen Regen platzen. Allein vor Nacht verstrich in der
-Regel das Gewölke.
-
-Ich höre ein schwerfälliges Geknirre vom Ufer her. Was soll denn
-das? -- Blindgebundene Thiere treiben in ihrem kreisenden Gange ein
-Wasserrad (Sakyeh). Das Wasser wird entweder mit einem fächerigen
-Rade oder mit an einem Rade befestigten Krügen aus dem Nile geschöpft
-und in einen Graben ausgeleert, welcher das Wasser dem Felde zuführt.
-Man begreift leicht, daß die Fächer oder Krüge unten am Rade aufwärts
-stehen, um so das Wasser zu schöpfen. Wenn das Rad sich halb um seine
-Achse gedreht hat, so stellen sich dieselben umgekehrt und gießen das
-Wasser aus. Das einige Schritte vom Nilufer abliegende Wasserwerk,
-zu welchem ein Kanal gegraben ist, besteht aber nicht bloß aus dem
-beschriebenen Schöpfrade, sondern noch aus zwei andern Rädern. Ein
-wagerechtes greift in ein kleines, perpendikuläres, welches mit dem
-Schöpfrade +eine+ Achse hat. Das Thier, der Büffel z. B., zieht bloß
-an einem Stricke, womit das wagerechte Rad in Bewegung gesetzt wird.
-Diese Wasserräder sind meistens so einfach und mit so wenig Eisen
-zusammengehalten, daß sie nicht viel ausdauern. Es wird daher manche
-Zeit nur mit dem Nachbessern verloren. Mag meine Beschreibung des
-Paternosterwerkes auch ein wenig schwierig zu fassen sein, es ist doch
-die Wasserschöpfung so einleuchtend und so leicht zu bewerkstelligen.
-Als Aufseher oder Treiber faullenzt in der Nähe ein Knabe oder
-Mann, nie ein Weib; bei ihm steht eine kleine Kocheinrichtung. Den
-Treiber scheint kaum so viel Lust zur Arbeit anzuspornen, daß er beim
-Stillestehen des Thieres +chòh chòh+ ruft, um es aufzumuntern. Nach den
-Gesetzen der strafenden Gerechtigkeit fällt dem Faullenzer das Leichte
-so schwer, als dem Arbeitssamen das Schwerste.
-
-Das Wasser wird überdieß, ohne eine solche Vorrichtung von Menschen aus
-dem Nile geschöpft. An dem Arme eines Hebebaumes ist ein Gewicht, gegen
-das Land, -- an dem andern der an einem Stricke befestigte Wasserkorb,
-gegen den Nil. Ein Mann schöpft, und das Gewicht des Hebebaumes
-hilft ihm den mit Wasser gefüllten Korb heben. Weil das Schöpfen und
-Ausleeren mit großer Schnelligkeit nach einander geschieht, so verliert
-dieses enge geflochtene Gefäß wenig Wasser. Gewöhnlich schöpfen, statt
-eines, zwei Männer neben einander, die Gesichter sich zuwendend, fast
-nackt, vom Wasser benetzt, von der Sonne gebrannt und so fleißig,
-daß sie kaum sich umsehen, wenn ein Schiff vorübersegelt. Sie bilden
-den schroffen Gegensatz zu den Thierhütern an den Wasserrädern und
-zu andern arbeitsscheuen Arabern. Es geschieht wohl auch, daß, ohne
-weitere Vorrichtung, ein Mann mit einem Korbe aus dem Nile Wasser
-schöpft und in einen Kanal ausschüttet. Wenn die Egypzier freilich so
-viel Stammholz besäßen, wie die Europäer und Amerikaner, so würden
-sie unzweifelhaft ihre Körbe an wasserdichte Kübel vertauschen. Eine
-Menge Wassergräben durchkreuzen netzweise die Feldereien, damit diese
-überall bewässert werden. Daher die kleinen Feldbeete, ähnlich unsern
-Gartenbeeten. Gewöhnlich zieht man bei uns Gräben, um das Wasser
-+ab+zuleiten, bei den Egypziern aber, um dasselbe +zu+zuleiten. Es wäre
-voraus zu sehen, daß die egyptischen Gräben nicht tief sein dürfen,
-während ihnen in Europa, wo man dem Wasser Abfluß verschaffen will,
-die entgegengesetzte Eigenschaft zur Tugend angerechnet wird. Wenn man
-in Egypten das Wasser nicht mehr in ein Beet fließen lassen will, so
-wird, vermittelst der Hände, der Graben mit Koth und Schlamm zugedämmt.
-Um einen Begriff zu geben, wie stark die Pflanzen unter Wasser gesetzt
-werden, so stand der Mais, welcher hier blühte, dort klein war, hie und
-da einige Zoll hoch in zugeleitetem Wasser.
-
-Die Bewässerung ist die Hauptarbeit, welche der Boden erfordert.
-Sicher bereitet sich der egyptische Bauer mit Wasser, sofern, im
-seltenen Falle, der Nil es ihm weder zu reichlich, noch zu sparsam
-zutheilt, den Feldsegen. Der europäische Bauer schwankt wie der
-Segelmann. Will dieser glücklich fahren, so muß günstiger Wind wehen;
-will jener ernten, so muß lauer Regen das Feld netzen. Der Wind aber,
-wie der Regen, kommen von der unsichtbar waltenden Hand, welche kein
-Sterblicher zu leiten vermag. Und wenn auch dem europäischen Bauer ein
-lauer Regen Segen zuwinkt, ach, es muß ihn noch bangen, daß das Wasser
-des Himmels nicht durch Ueberschwenglichkeit, oder daß kein harter
-Frost, kein schwerer Hagel die Hoffnung auf Ernte vereiteln. Wenigstens
-kann kein Hagel die Hoffnung des egyptischen Fellah zernichten.
-
-Neben dem Bewässerungsgeschäfte sind Säen, Hacken oder Pflügen und
-Ernten die Arbeiten des Ackerbauers. Man machte mir die Mittheilung,
-daß, wenn das Ueberschwemmungswasser ganz niedrig stehe, bloß der
-Same auf das Wasser ausgestreut werde. Mit dem Versiegen des Wassers,
-hieß es, ziehe sich der Same in die Erde, und man dürfe nur die Ernte
-abwarten. Das erzähle ich einem Franken nach; ich will nun aber dessen
-gedenken, wovon ich selbst Zeuge war. Ich sah säen und hacken oder
-pflügen. Sobald das Wasser verschwunden war, wurde der Same mit einer
-krückenförmigen Hacke oberflächlich unter die Erde gebracht oder viel
-eher gescharrt. Ich glaube nicht, daß die Hacke sechs Pariser-Zoll tief
-griff. Der Pflug, welchen ich genauer ins Auge faßte, hatte nur ein
-Sech, keine Schar. Er ging nicht tief, und ließ eine undeutliche Furche
-zurück. Es konnte mit diesem Pfluge lediglich bezweckt werden, die Erde
-etwas durch einander zu wühlen. Zwei Thiere zogen ihn, jedes an einem
-Stricke, welcher am Halse festgemacht war.
-
-Von den Ackergewächsen erwähne ich einzig des Hanfes und der
-Baumwollpflanze. Der Hanf wird sehr hoch, ja manneshoch und riecht
-gewürzhaft. Wegen seines angenehmen Geruchs ist es eine Lust, in
-der Nähe eines Hanffeldes zu wandeln. Eben bereitete er sich zum
-Blühen vor. Ohne an mein Vaterland mich zu erinnern, wo die Baumwolle
-mit vielem Fleiße verarbeitet wird, konnte ich den merkwürdigen
-Pflanzenstengel nicht betrachten. Dieses Gewächs bedeckt ungeheure
-Strecken des Delta. Es wuchs gleichsam vor den Augen beinahe durch alle
-seine Entwickelungsperioden heran: Hier Knospen, dort Blüthen, hüben
-Kapseln, drüben Wolle, gerade so, als würden alle Aufzüge und Auftritte
-eines Schauspieles auf einmal sich aufrollen.
-
-Wenn der Herr des Himmels und der Erde ein besonderes Füllhorn des
-Segens über das Egyptenland ausgegossen zu haben scheint, so wird
-befremdlich, daß das Wenigste dem Bauer angehört, was er dem Boden
-abgewinnt. Den Stoff zur Kleidung, welche er sich verfertigt, verkauft
-er an den Pascha, und dieser gibt ihn um die Hälfte theurer zurück.
-Der Fellah darf keinen Faden am Leibe tragen, wenn er ihn nicht dem
-Pascha, dem ersten Kaufmanne in Egypten, abgekauft hat. Die ganze Last
-von Baumwolle drängt sich in die Hand des Vizekönigs zusammen, welcher
-damit +allein+ Handel treibt. Kurz, die Bauern sind nur Lehenbauern.
-Der Pascha ist der Grundherr, der Grundbesitzer des Landes, und dieses
-Verwaltungssystem bewirkt, daß der Fellah, unter dem Drucke des
-Monopols, selbst zur frohen Erntezeit seufzet. Es ist seltsam, daß noch
-kein fränkischer Ulema die Härte des Pascha darum vertheidiget, weil
-sie dem rechtgläubigen Bauer den Anlaß gebe, sich um so inniger nach
-den Freuden des ewigen Lebens in dem immergrünen Garten zu sehnen.
-
-Wir begegneten einer Schiffsladung getrockneter Mistfläden. Wo das
-Holz, wie hier, so theuer ist, läßt man sich selbst den Gebrauch
-solcher Dinge gefallen; sie dienen als Brennstoff, und kann der
-Abendländer glauben, daß sogar mit dem Eckelhaftesten vom Menschen
-geheizt wird? und wenn es der St. Louisianer in Amerika glaubte, würde
-er sich nicht davor entsetzen, da er nicht einmal die Milch von einer
-Kuh genießt, welche Gras von einer mit Hausjauche besprengten Wiese
-fraß?
-
-Ueber Warnâm begann rechts die Düne; links Weideland und Hirtenzelte.
-Ich erging mich an einer Herde schwarzer Büffel. Dieses Thier ist für
-Egypten gar nützlich. Der Büffel hält sich sehr gern im Wasser auf,
-auch liegend und wiederkauend. Es ist kurzweilig, zu sehen, wie er über
-das Wasser schwimmt, um an den Ort zu gelangen, wo er zu übernachten
-pflegt. Der behende Hirte schwingt sich wohl auch auf den Rücken des
-Thieres, das ihn schwimmend ans Land trägt.
-
-Erst von Schmûn aus erblickte ich die Pyramiden von Gizeh. Sie halten
-mit der aufragenden Düne gleiche Höhe, und ich hielt sie zuerst für
-Schiffssegel, vielleicht weil ich kurzsichtig (~myops~) bin. -- Bis
-+Abu-èl Gheied+.
-
- +Rechtes Ufer.+ +Linkes Ufer.+
-
- Samüt-Rosiéh. Èl-Chatabẻ.
- Sagiéh. Bini-Sèlâmé.
- Tagwueh. Awlatt-Fèradsch.
- Èl-Hamum. Dé-Rîß.
- Karfòrtereiné. Wardàn.
- Munsi. Abu-Ghalibb.
- Èl-Manschîé. Èl-Katta.
- Dschures. Gisahijeh.
- Abu-Awuali. Niklé.
- Sidi-Ibrahîm.
- Schmûn.
- Tâlié.
- Gawâdi.
- Èl-Baraniéh.
- Èl-Gonamiéh.
- Mimèt-èl-Arûß.
- Kaffer-Mansûr.
- Schaschâ.
- Schatanỏff.
- Darawû.
- Schalakan.
- Charabaniéh.
- Abu-èl-Gheied.
-
-
-+Donnerstags den 22. Weinmonat.+
-
-Die Nachricht, daß wir in der Nacht an der Spitze des Delta
-vorüberfuhren, betrübte mich zum Theile, weil ich von ihr nichts sah.
-Des Morgens lagerte ein wenig Nebel, der aber bald sich verzog. Durch
-die Vereinigung der Nilarme erscheint der Nil kaum breiter, wohl aber
-geben ihm zahlreichere Schiffe mehr Leben. Der Berg Mokatam, links
-oben die westliche Kuppe des arabischen Gebirges, der Basanites Lapis
-der Alten, an dessen Fuße Kairo sich ausbreitet, brachte angenehmen
-Wechsel in die Aussicht. Seit einiger Zeit mußte ich den Anblick eines
-höhern Hügels entbehren, und darum ruhte auf jener Kuppe mein Auge mit
-besonderm Wohlgefallen. Man fühlt eine gewisse Leere in der Seele, wenn
-liebgewonnene größere Eindrücke auf längere Zeit keine Nahrung finden,
-und ein neues, erquickliches Aufleben durchzuckt das Innere, wenn liebe
-alte Eindrücke durch verwandte neue in einem Male aufgeweckt werden.
-Mittlerweile wuchsen die Pyramiden immer stattlicher heran.
-
-Meine Reise fiel in die Ueberschwemmungszeit. Die Wasser, wiewohl im
-Fallen, strömten doch noch in ziemlicher Höhe, ein Umstand, der für uns
-gerade günstig war, da bei niedrigem Wasserstande das Fahrzeug leicht
-strandet; denn es kostet oftmals viel Anstrengungen, bis es flott wird.
-
-Eine neue Erscheinung für Egypten sind die Telegraphenthürme. Dann und
-wann unterbrechen sie während der Nilfahrt die Gleichförmigkeit der
-Aussicht. Für ein Zeichen der höhern Kultur mochte ich sie eben nicht
-ausgeben, und wahrscheinlich thun sie ihr nicht den leisesten Vorschub.
-Dem Europäer mögen sie Vergnügen gewähren, indem sie ihn an das Land
-seiner Väter zurückmahnen, und indem er sich aufs neue der Wahrheit
-bewußt wird, daß nun Europa mit seinem Tochterlande Amerika den
-eigentlichen Brennpunkt der Wissenschaften und Künste, der Entdeckungen
-und Erfindungen bildet. Vielleicht kommen die Telegraphen, die
-schnellen Ueberbringer oberherrlicher Befehle, in Egypten der seidenen
-Schnur trefflich zu Statten.
-
-Links sahen wir noch nach Schubbra, welches sich eines vizeköniglichen
-Gartens von seltener Schönheit rühmt, und an einer Stadt ergötzte sich
-das Auge schon von Ferne her. Es war +Bulâk+, in dessen Hafen wir bald
-einliefen.
-
- +Rechtes Ufer.+ +Linkes Ufer.+
-
- Galiubb. Burgaschi.
- Basûß. Errahauwi.
- Mid-Halfé. Òm-dinâr.
- Damanhur. Dikelkó.
- Schubbra. Èl-Achsâß.
- Minièt-èl-Sirik. Dschaladmé.
- Gésiret-èl-Batrân. Hassan-inn.
- Bulâk. Èl-Górótin-Hin.
- Russim.
- Sigîl.
- Tanâsch.
- Gésiret-Mohammet.
- Waran.
- Embâbé.
-
-Wir langten in Bulâk eben in der größten Sonnenhitze an, und wir
-konnten zwischen der großen Menge von Kähnen uns nur mit Mühe Platz
-verschaffen, auf daß wir das Ufer erreichten. In Atfue zerschmetterten
-wir beim Anlanden den Hintertheil einer Barke, ohne daß es viel Krieg
-absetzte.
-
-Unsere Barke war nicht schön, doch gut. Der europäische Holzarbeiter
-würde an ihr Manches ausgesetzt haben. Dafür leistete sie reichlichen
-Ersatz mit Mäusen und andern Plaggeistern. Ich wußte mehr als einmal
-beinahe nicht: Wo wehren? In der Kajüte stand, nach der Uebersetzung
-des französischen Dragoman, an der Wand auf arabisch, daß man sich
-den Verordnungen zu unterziehen habe. Etwa den Verordnungen dieser
-Unholden? Ueber unserer Barke schwebte die dreifarbige Flagge der
-Franzosen.
-
-Nachdem meine Effekten untersucht waren, wurden sie auf einen Esel
-gepackt, und einen andern bestieg ich. An hohen Häusern, zwischen
-denen angenehme Kühlung herrschte, ritt ich vorüber, und bald war
-ich außerhalb der Stadt. Jetzt, im Freien, erblickte ich das große
-+Kairo+, ehedem das Kahira, jetzt das Maser des Arabers. Ergreifendes
-Schauspiel. Keine halbe Stunde mehr, und ich befand mich in den
-Ringmauern der Hauptstadt. Da verließen mich die beiden Franken, und,
-mit einem Eseltreiber allein, zog ich fürbas. Kairo machte gleich
-Anfangs einen ungemein günstigen Eindruck auf mich. In dem Wirrwarre
-von Häusern und Gassen folgte ich getrost der Führung des Eseltreibers.
-Er hätte mich in eine ~Casa di Diavolo~ verführen können. Ich wollte
-freilich nicht dahin, sondern ins Quartier der Franken (el-Musky), die
-übrigens in Kairo vielmehr zwischen den Mohammetanern zerstreut leben,
-als in Alexandrien. Lange ritt ich durch Gassen und Gassen, jetzt krumm
-herum, dann gerade dahin, ohne daß ich einem Abendländer begegnete.
-Ich war auf dem Punkte, Zweifel zu fassen, daß mein Geleitsmann das
-Quartier der Franken wisse. Auf einmal bog er um, und ich erblickte
-Hüte. Ich war richtig im Quartiere; umsonst aber suchte ich die
-Lokanda, die man mir empfahl. Und kurzen Prozeß, -- ich ritt zum ersten
-besten Wirthshause.
-
-Der Wirth des ~Hôtel de l’Europe~ wies mir ein gefälliges und hohes
-Zimmer an; aber kaum sah ich mich recht um, so fand ich ein Licht ohne
-Glasfenster. Das fiel mir schwer; denn bei offenem Fenster wollte
-ich nicht schlafen. Dem Uebel war auch bald geholfen; der Gastgeber
-eröffnete mir ein anderes Zimmer, welches mit Thüre und Fenster
-gesperrt werden konnte. Die heimatlichen Gefühle erneuerten sich, als
-wäre ich in einem Gasthause des Abendlandes; eine Mousquetiere (Vorhang
-um das Bette, gegen die Stechfliegen) und eine gute, reine Bettung
-ließen mit Recht eine süße Schlafnacht erwarten. Man lernt den ruhigen
-Genuß des Schlafes erst recht schätzen, wenn man desselben, sei es
-durch die Plage des Ungeziefers, oder durch andere störende Einflüsse,
-eine Zeitlang beraubt war.
-
-
-
-
-Kairo.
-
-Lage der Stadt, Strich des Himmels und Gesundheitszustand der Menschen.
-
-
-Kairo oder Großkairo liegt fünfzig deutsche Meilen südlich von
-Alexandrien, unweit vom rechten Ufer des Nilstroms und auf einer Ebene
-bis an den Hügel Mokatam.
-
-In hohem Grade beneidenswerth sind die Europäer in Alexandrien und
-Kairo. Die Alexandriner rühmen das Klima von Alexandrien und tadeln
-dasjenige von Kairo. Die Kairaner dagegen erheben den Himmel von Kairo
-auf Kosten desjenigen von Alexandrien. Es ist mit besonderer Güte
-dafür gesorgt, daß die Einen mit dem zufrieden sind, womit die Andern
-unzufrieden wären.
-
-Kairo streift an den 30. Grad nördlicher Breite. Wenn die Sonne am
-höchsten steht, brennt sie sehr heftig. Indessen wird die Hitze eines
-Windes aus der Wüste, von den Pyramiden her, weit weniger leicht
-ertragen, als die größte Hitze des Sommers. Diesen Wind nennt der
-Araber +Chamsîn+, das heißt, +Fünfzig+; denn er weht fünfzig Tage und
-fünfzig Nächte, aber einige Tage und Nächte mit ausnehmender Stärke und
-Verderben. Er hebt Mitte Aprils an, und treibt viel Staub vor sich hin,
-so daß vor demselben, auch mit möglichster Sorgfalt, die zubereitete
-Nahrung auf dem Tische des wohl verschlossenen Zimmers nicht leicht
-geschützt wird. Im Winter fällt der Regen, doch in der Regel sehr
-wenig. Gewölke sah ich auch hier zur Genüge, und ich zählte keinen
-einzigen wolkenlosen Tag. Man will ebenfalls in dieser Gegend von
-Egypten eine Veränderung des Klimas zu Gunsten des Wasserniederschlages
-wahrgenommen haben.
-
-Um mich des Gesundheitszustandes einigermaßen zu +vergewissern+,
-suchte ich in dem Tauf- und Sterberegister der lateinischen Gemeinde
-bei den Kapuzinern (Kloster ~de propaganda fide~) nach. Ich rühme
-die Freundlichkeit und Bereitwilligkeit, womit der würdige Guardian
-meine Nachforschungen unterstützte. So wenig meine Erwartung durch die
-Anlage des Todtenbuches gerechtfertiget wurde, so wäre noch weit minder
-bei den Mohammetanern auszubeuten gewesen, die auf dem Kissen des
-Fatalismus gar zu sanft schlafen. Ich möchte das von der lateinischen
-Gemeinde (die namentlich auch Levantiner zählt) gewonnene Resultat
-allerdings nicht als Maßstab für die gesammte Bevölkerung von Kairo
-vorhalten. So viel leidet indessen kaum einen Widerspruch, daß es,
-weil es eben von Einwohnern dieser Stadt abgezogen wurde, eher im
-Allgemeinen die Bevölkerung Kairo’s ankündigt, als irgend eine andere.
-Im jährlichen Durchschnitte starben, mit Ausnahme des Jahres 1831,
-in den 10 Jahren 1824 bis und mit 1834, 36 Personen, und 47 wurden
-getauft. Wenn der Getaufte zur Bevölkerung sich verhielte gleich 22 zu
-1, wie in dem französischen Finistère-Departement, wo gerade 1 auf 22
-geboren wird, so wäre die lateinische Gemeinde 1034 Seelen stark. Jeder
-Sachkundige sieht ein, daß dieser Schluß um so mehr Mißtrauen erregt,
-je gewisser die Gemeinde eine sehr zusammengesetzte und wandelbare
-Bevölkerung enthält. Das Alter der Verstorbenen fand ich bloß in den
-Jahren 1833 und 1834 genügend verzeichnet. In diesen Jahrgängen fehlt
-es einzig bei zwei erwachsenen Personen, denen ich willkürlich 20
-Jahre gab. Die insgesammt (durch diese zwei Jahre) 114 Verstorbenen
-hatten zusammen ein Alter von 2180 Jahren, 10 Monaten und 14 Tagen. Die
-durchschnittliche Lebensdauer beträgt demnach 19 Jahre. Die älteste
-Person, welche ich im Sterberegister traf, war eine +Maria Hadad+ aus
-Jerusalem; sie brachte ihr Leben auf 95 Jahre. +Prosper Alpinus+ gibt
-den Egypziern ein sehr langes, und selbst ein längeres Leben, als den
-Europäern, ohne jedoch einen Beweis für seine Behauptung anzuführen. In
-den genannten Jahren starben im Durchschnitte während der Monate Julius
-und August am meisten, und während des Hornungs am wenigsten. Der
-Weinmonat gilt als der gesundeste Monat des Jahres. Kaum weniger gesund
-dürften November, Jenner und Hornung sein, wie die Sterbeliste andeutet.
-
-Die Krankheiten, welche vor den übrigen Schrecken verbreiten, sind Pest
-und Cholera.
-
-Die Bubonenpest verschonte Egypten in der neuern Zeit seit dem Jahre
-1824 bis zum Christmonat 1834, hiemit ein ganzes Jahrzehn. Indessen
-wüthete sie im Jahr 1824 nicht besonders heftig, und es gingen aus der
-lateinischen Gemeinde bloß 37 Personen in den Monaten Merz, April und
-Mai mit Tode ab. Nach ältern Beobachtungen beginnt sie im Jenner oder
-Hornung, schreitet verheerender während des +Chamsîns+ vorwärts, und
-wird durch die größte Sonnenhitze gleichsam abgeschnitten. Am +St.
-Johannestage+ glaubt der Europäer sich sicher. Im ersten Halbjahre und
-im Monate Julius 1835 verlor die lateinische Gemeinde +zweihundert und
-elf+ Pesttodte, und zwar weitaus die größte Zahl im April und Mai.
-Man schätzte die Summe aller in Kairo an der Pest Hingeschiedenen,
-wohl doch in übertriebenem Maße, auf 100,000. Die Europäer, welchen in
-der letzten Pestzeit die Mittel zu Gebote standen, sperrten sich ein.
-Unter alle Eingesperrte schlich sich während der letzten Seuche die
-Pestkrankheit nie und nirgends ein. In einem Hause brach zwar die Pest
-aus; allein sie wurde durch einen besonderen Fall eingeschleppt. Aus
-einem verpesteten Hause ließ man ohne alle Gefährde einen sogenannten
-Drachen zur Belustigung auffliegen. Ein Kind jenes Hauses befand sich
-auf dem Söller, der Drache fiel auf dasselbe, und in wenig Stunden
-erkrankte es und erlag dem Drachen -- der Pest. So lange keine
-Todtenregister geführt werden, dürfen die Sterbeziffern nicht anders,
-als mit Zweifel betrachtet werden. Dieß gilt namentlich auch von der
-geschichtlichen Angabe, daß zu Kairo im Jahr 1472 während sechs Monaten
-600,000 und, nach +Prosper Alpinus+, im Jahr 1580, 500,000 Menschen in
-ebenso viel Zeit an der Pest starben.
-
-In der neuern Zeit erklärten vorzüglich die französischen Aerzte, an
-ihrer Spitze +Clot-Bei+, aber auch der besonnenere +Gaëtani+ die Seuche
-für miasmatisch. Mit einiger Vorsicht öffneten sie viele Leichname
-und blieben verschont. Mittlerweile verschwanden drei deutsche Aerzte
-als ein Opfer der Pest. Die Bravour +Clots+ gefiel +Mehemet-Ali+ in
-so hohem Grade, daß letzterer ihn in den Generalsstand erhob, und der
-glänzende Halbmond hängt als Ehrenzeichen an der Brust von +Clot+,
-wie beim vizeköniglichen Muselmann von Auszeichnung. Die Ansicht der
-neuen Propheten, daß die Pest nicht anstecke, erfreute sich übrigens
-zu meiner Zeit keiner Popularität bei den Europäern in Kairo. Diese
-verwarfen sie vielmehr fortwährend als überspannt. Sie werden mit
-höchster Wahrscheinlichkeit sich durch den neuen Pestfirman inskünftige
-am Beobachten der Quarantäne nicht im mindesten stören lassen.
-Huldigten doch öffentliche Anstalten, wie die Kadettenschule, dem
-Grundsatze der Sperrung, ungeachtet der Pascha einen Miasmatiker zum
-Bei adelte.
-
-Die Cholera ist eine frisch gebrochene Geißel Egyptens. In den Monaten
-August, September und Oktober 1831 zwickte sie aus der lateinischen
-Gemeinde in Kairo 94 Personen hinweg. Manche Kairaner fürchten die
-Cholera mehr, als die Pest, weil die Sperre dagegen nichts oder gar
-wenig vermöge.
-
-Führe ich fort, von andern Krankheiten der Egypzier, wie von den
-Pocken, den Augenentzündungen, den Ruhren, umständlicher zu reden,
-manche Abendländer würden einen allzu trüben Gesichtskreis finden, und
-das Land der Fleischtöpfe als ein Land unnennbarer Plagen ansehen.
-Ich möchte aber nicht zu Vorurtheilen Stoff darbieten, deren Angel
-man begierig verschlingt, ohne zu beherzigen, daß man an derselben
-gefangen und gequält werde. Die Natur vergißt nicht, darüber zu wachen,
-daß, wo die menschliche Vernunft ihre Aufgabe löset, das Gesetz des
-Gleichgewichtes erfüllt werde.
-
-
-Die Stadt nach ihrer Bauart.
-
-Die Häuser bestehen aus Mauern, und das Holz ward dazu ziemlich sparsam
-verwendet. Daher die Seltenheit der Feuersbrünste in Kairo. Das häufige
-Brandunglück des hölzernen Konstantinopel kennt das steinerne Kairo
-nicht. Als vor wenigen Jahren eine Feuersbrunst ausbrach, wurde sie
-bald gedämpft, ohne einen großen Rüstzeug von Spritzen, Feuerordnungen,
-Feuerpolizei, Feuerkompagnien u. dgl.
-
-Von Mittag nach Mitternacht bildet die Stadt die längste Linie, und
-in dieser Richtung wird man den Weg von einem Thore zum andern vor
-anderthalb Stunden zu Fuße schwerlich zurücklegen. Lange, gerade Gassen
-gibt es nicht. Sie lenken meist bald um, und verlaufen oft in ein
-Gewölbe, in eine Art Passage oder Schwibbogen. Manche sind sehr schmal,
-und in der Judengasse können nicht zwei Personen neben einander gehen,
-ohne an einander zu streifen. Hier langen die Erker bereits zu der
-entgegengesetzten Seite der Gasse hinüber. Auch springen dieselben hie
-und da in andern Gassen, wenigstens über die Mitte in diese, hervor.
-Dann und wann sieht man eine Brücke über dem Haupte. Manche Gassen sind
-mit einer Art Dach versehen oder auch zeltartig zugedeckt, zumal die
-Bassar. Wegen der Enge der Gassen und der Höhe der Häuser herrscht in
-manchen der ersteren ein gewisses Halbdunkel, das mich nicht unangenehm
-stimmte. Die Gassen darf man nicht beurtheilen, ohne das Klima in
-Anschlag zu bringen. Große, offene, gerade Gassen würden in der heißen
-Jahreszeit den Aufenthalt fast unerträglich machen; wie sie aber
-wirklich angelegt sind, gewähren sie die möglichste Kühlung, und stehen
-in einem sehr verständigen Verhältnisse zum Himmelsstriche.
-
-Hier, wo selten Regentage eintreten, und wo kein Wagenrad den Boden
-durchfurcht, wäre das Straßenpflaster überflüssig. Es ist ungleich
-angenehmer, auf der hart getretenen Erde dieser Stadt zu gehen, als
-auf den schönen Pflastersteinen zu Paris und Wien, und der Esel, in
-leisem Tritte, gleitet beinahe über die Gasse hinweg. Wenn es aber
-regnet, so werden die Klagen groß, und voraus dem Kameel ist das Gehen
-beschwerlich. Dann ereignen sich wohl auch Unglücksfälle. Es verdient
-bemerkt zu werden, daß in den neuntehalb Jahrhunderten seit Erbauung
-der Stadt die Gassen so wenig ausgetreten worden sind.
-
-Unreinigkeiten eckeln nicht öfter an, als in italienischen Städten. Man
-glaubt im Anfange nicht, wie schnell ein Theil der Garstigkeiten von
-der heißen Sonne in Staub verwandelt wird.
-
-Auf Aeser stieß ich nie im Umfange der Mauern, wohl aber zur Seltenheit
-in der Umgebung der Stadt. Auf dem Wege nach Abu-Sabel labte sich eben
-ein halb Dutzend herrenloser Hunde an einem todten Thiere.
-
-Ueberall, wo der Mensch lebt, ist ihm beim Baue der Wohnungen die
-ferne Sonne am Himmel das erste Augenmerk. Bei der Bauart der Häuser
-von Kairo fasse man, wie bei den Gassen, das Bedürfniß wohl ins Auge.
-Sie müssen gegen die Hitze schützen, während sie in Europa gegen die
-Kälte schirmen sollen. Man findet daher die Zimmer in den nördlichern
-Gegenden gewöhnlich klein, d. h., nicht breit und nicht tief. In Kairo
-sind die Gemächer umgekehrt sehr geräumig, tief, kapellenartig. Ja
-es übertreffen viel Zimmer der Stadt an Raum europäische Kirchen.
-Manches staunte ich mit Wohlgefallen an, theils auch wegen der hohen
-Bögen und der maurischen Zierathen. Wie dem Fußgänger und Reiter
-auf der Gasse die hohen, einander nahe gegenüber stehenden Häuser
-lieblichen Schatten werfen, so beschatten sie einander selbst, und
-je schattenreicher ein Zimmer ist, desto mehr wird es geschätzt. Die
-Dächer sind flach oder nur ein Boden (Söller), und das Licht fällt
-nicht bloß durch Fenster, die über einander sich folgen, herein,
-sondern auch durch das Dach. Ueber die Oeffnung an diesem wirft sich
-gegen Mitternacht eine Nase auf, welche geschlossen werden kann. So
-strömt erfrischende Luft an der Spitze des Hauses bis unten auf den
-Boden von Erde oder Stein. Die Fensterscheiben selbst sind viereckig,
-und es wird an einigen Orten Europas keineswegs eine neue Mode
-eingeführt, wenn man dort auf runde Scheiben verzichtet, um viereckigen
-Platz zu machen. Viele Häuser sind einstöckig. Ein großes Thor führt
-durch den Eingang in einen Hof, wo die Küche frei steht; der Hof ist
-zugleich der Rauchfang. Manches große Thor wird selten geöffnet. Dafür
-steht in demselben eine kleine Thüre offen, durch die man geduckt und
-mit hochgehobenem Fuße schreiten muß. Ueber dem Eingange, wenn man will
-über dem Erdgeschoße, finden sich die Zimmer, welche bis zum Dache 15
-bis 25 Fuß sich erheben. Es gibt wohl auch Zimmer, die von ebener Erde
-an 40 Fuß hoch anstreben. Zweistöckige Häuser gehören zwar immerhin
-nicht zur Seltenheit, aber drei- und vierstöckige. Der Europäer kann
-sich sehr leicht täuschen, wenn er die Häuser bloß von Außen besieht.
-Er stellt sich hohe Gebäude vor, in denen drei Familien über einander
-wohnen würden. Verschwenderisch birgt hier manchmal nur ein Stockwerk
-eine Familie. Dieses berücksichtigend, könnte man nicht begreifen, daß
-etwa 300,000 Menschen in Kairo wohnen oder einst gewohnt haben, sofern
-man nicht wüßte, daß viele Araber einer Wohnung entbehren. Wandelte ich
-Nachts nach Hause, so wurde es mir zuerst unangenehm zu Muthe, wenn ich
-hier auf dem Boden der Gasse, dort auf der Bettstelle an einem Hause
-einen vermummten Araber ruhen sah. In der offenen Herberge der Gasse
-brachte er die Nacht hin. Die Milde eines Himmelstriches bettet den
-Menschen mit wenig Mühe.
-
-An oder in den Häusern verdienen zwei Dinge noch besondere Erwähnung;
-das Schloß und die Stiege. Die meisten Schlösser sind von Holz. Ein
-Joch, an der Thüre befestiget, nimmt den Riegel auf. An dem obern
-Theile der für den Riegel bestimmten Jochöffnung ragen, ohne strenge
-Ordnung der Entfernung von einander, mehrere drähtene Stifte hervor,
-die gehoben werden können, und ohne eine hebende Kraft von selber
-herunterfallen. In den Riegel, als den zweiten Theil des Schlosses,
-dringt auf einer Seite und an dem einen Ende eine kantige Rinne. Oben
-besitzt der Riegel den Stiften entsprechende Oeffnungen, und diese
-sind in solcher Ordnung angebracht, daß, wenn er vorgeschoben ist, die
-drähtenen Stifte vom Joche herunterspringen und eingreifen, wodurch der
-Riegel gesperrt wird. Der Schlüssel, als der dritte Theil des Schlosses
-und gleichfalls von Holz, ist ebenso einfach, als die vorigen Theile.
-An einem Ende, das in die Rinne des Riegels läuft, stehen gerade so
-viel drähtene Stifte unbeweglich herauf, als der Riegel Oeffnungen
-zählt. Drückt man die Stifte des Schlüssels in diese, so heben sie die
-Stifte des Joches, und der Riegel kann herausgezogen werden. -- Mit
-der Konstrukzion der Stiegen konnte ich nicht ins Klare kommen. Sie
-sind von Stein, und von der Gestalt eines gezahnten Rades, wenn dieses
-keinen Zirkel beschriebe. Sie haben ihre Befestigung nur an einer
-Seite, an der Mauer des Hauses; im Uebrigen liegen sie ganz frei heraus.
-
-Aus Furcht vor dem gräuelvollen Götzendienste verbietet der Islam die
-Abbildung von Menschen und Thieren. Es fehlt indessen noch viel, daß
-dem Verbote von allen Mohammetanern nachgelebt wird. Es wird schon
-von +Selim+ I. erzählt, daß er dem Sohne +Soliman+ II. sein Bildniß
-hinterließ, über dem man die Worte las: Sultan +Selim Ottoman+, ein
-König aller Könige, ein Herr aller Herren, ein Fürst aller Fürsten, ein
-Sohn und Kindskind Gottes. Von dem jetzigen Sultan +Mahmud+ II. weiß
-man, daß er, zum Verdrusse der Gesetzlehrer, sein Porträt dem Pascha
-zuschickt. Bei Beschneidungsfestlichkeiten im Jahr 1582, zu Ehren des
-nachherigen Sultan +Mehemet+, wurde in einem Prachtzuge Zuckerwerk
-herumgetragen, das verschiedene Arten von Thieren vorstellte, z. B.
-Elephanten, Löwen, Tiger, Leoparden, Affen, Pferde, Kameele, Giraffen,
-Syrenen, Falken, Habichte, Sperber, Storchen, Kraniche, Enten, Pfauen,
-ein Ungethüm von riesenhafter Mannesgröße, nackt und sitzend wie ein
-Schneider. Kehren wir nach Kairo zurück.
-
-Gemälde trifft man an den Häusern selten, und wenn noch, so lassen
-sie allenthalben die Schülerhaftigkeit durchblicken. Europäische
-Primarschüler von acht Jahren würden treuer und geschmackvoller malen.
-Die Malereien an den Mauern der Häuser stellen meistentheils Laub- oder
-Blumenwerk dar, das etwa aus schnörkelreichen Töpfen sich entfaltet.
-Die rothe Farbe herrscht vor. Auch trägt die Mauer einiger Häuser,
-rechts und links an der Thüre, einen gemalten angebundenen Löwen zur
-Schau. An einem Hause ist auf ein Thier ein kleines Gebäude gepackt;
-allein ich konnte nicht errathen, was für ein groteskes Ding es war,
-weil die Pfuscherei wirklich zu hoch sich überboten hat. An andern
-Häusern, und zwar an vielen, wechselt einfach die rothe und weiße
-Farbe, so daß, wenn eine Reihe Quader weiß, die erste darüber roth ist.
-Hie und da steht über den oben abgerundeten Thüren ein Stern. Mehr, als
-an Farben versucht sich der Kairaner an Formen, und diese sind es, die
-seine Geschicklichkeit verkündigen. Wo Holz verbaut ist, da liefert
-es beinahe durchgängig Beweise von kunstreichen Schnitzarbeiten. Noch
-triumphirender aber zeigen die Mauern das Gepräge der Kunst. Die
-Moscheen (Gâma’) empfehlen sich in der Regel durch ihre Pracht, und die
-hohen Thürme sind bis an die Spitze von lauter Quadern aufgeführt. Die
-meisten umkrämpen zwei frei herausragende Galerien mit Geländer, und
-auf dem Helme schießen Arme schief hinauf, um daran, zu Verherrlichung
-der Festtage, Laternen zu hängen. Auf den Galerien hingegen wird
-vom Thürmer (Muezeinn) singend der Gläubige zum Gebete ermahnt.
-Dadurch wird die fehlende Glocke entbehrlich. Ueberall erregten die
-sarazenischen oder maurischen Werke meine Bewunderung. Obschon ich in
-meiner Kunsteinfalt einem einfachern Styl mehr Geschmack abzugewinnen
-vermag, so ergötzte ich mich gleichwohl manchmal an dem Laub- und
-Blumenwerk, an den bizarren geometrischen Figuren oder Arabesken.
-Eine Bildsäule würde man vergebens suchen. Es geschieht nicht selten,
-daß man beim Ausjäten des Unkrautes auch das nützliche Gewächs
-herausreißt. So hat der Islam, bei Zerstörung der Götzendienerei, die
-bildende Kunst überhaupt mit Füßen getreten.
-
-Aufschriften in arabischer Sprache liest man ungemein selten.
-Paris sieht gegen Kairo wie ein aufgeschlagenes geschriebenes Buch
-aus. Die Tochter Mokatams ist Album. Die europäischen Städte sind
-Erklärungswörterbücher (Reallexika), belehrend für Kinder und Fremde,
-ein ~Cornu Copiae~ von Pleonasmen für die Unterrichteten. In Italien
-lernte ich manche Handwerksnamen über den Buden, und Niemand hätte es
-mir verarget[10].
-
-
-Das Schloß, der Jussufsbrunnen und die Grabmale von Kâyd-Bei.
-
-Wollen die Europäer wohin gehen, laufen, reiten, fahren, so werden
-die gebieterischen Witterungs-+Wenn+ angeknüpft. +Morgen, wenn es gut
-Wetter ist+, heißt es. Wenn das Frauenzimmer schon seinen Flitter
-bereit hielt, wenn Pferde und Wagen bestellt waren, wenn die Liebe und
-Freude den Schlaf verscheuchten, und wenn dann in der Frühe Wasser oder
-Schnee vom Himmel fällt; -- ach, welch saures Gesicht wird geschnitten,
-welche Seufzer werden ausgestoßen, wie werden mit beklommenem Herzen
-die Hände zusammen und über einander gerungen, weil -- es regnet oder
-schneit, und weil der Regen oder Schnee den Gang, den Lauf, den Ritt,
-die Fahrt hindern. Man darf in Kairo während der sichern Jahreszeit
-gut Wetter auf morgen so zuversichtlich erwarten, als das Tageslicht
-selbst. Die europäischen Witterungs-Wenn sind hier daher außer
-Tagesordnung und werden, Wunder genug, nicht einmal gewünscht, um sich
-damit zu europäisiren.
-
-Ich lud einen Freund zu einem Spazierritte ein. Ich zählte auf diesen
-mit einer Sicherheit, welche nicht vom fernsten Zweifel beengt
-war. Doch haben, daß ich es zu melden nicht vergesse, die Kairaner
-manchmal ein anderes Wenn und zwar ein noch schlimmeres; ich meine das
-Pest-Wenn. Du ladest Abends einen muntern Freund auf morgen zu einem
-Spazierritte ein; ehe der Tag graut, ereilt ihn die Pest mit ihrem
-tödtlichen Gifte.
-
-Es war Sonntag. Am frühen Morgen trugen uns die Esel im
-Geschwindschritte durch die Gassen und Bassar. Die Läden waren noch
-nicht überall offen. Die sarazenischen Schnörkeleien an den Häusern,
-Thürmen und Tempeln, die arbeitenden Mohammetaner eigneten sich gleich
-sehr, die Aufmerksamkeit zu fesseln. Nun etwas bergan. Der Esel schritt
-immer noch schnell, und der Eseltreiber rannte keuchend nach. Schon
-erblickte ich das Schloß in der Nähe. Ich verging in Staunen. Wir bogen
-rechts ein, um auf der günstigsten Stelle die Stadt und ihre Umgebung
-zu überschauen. Man kommt an stehenden und gestürzten mächtigen
-Granitsäulen vorbei, welche, wahrscheinlich Trümmer von Memphis, über
-dem Grabe der Altzeit prangen.
-
-Das ist nun Kairo unter meinen Füßen, seit Jahrhunderten ein Gegenstand
-der Bewunderung, früher weniger gekannt und von den Europäern nicht
-selten mit Fabeln angefüllt, von den französischen Heerschaaren
-bezwungen, von ihren Gelehrten gemessen, beschrieben, gezeichnet bis
-auf die kleinsten Einzelnheiten; das ist nun Kairo vor meinen Augen,
-die größte bekannte Stadt in Afrika, die zweitgrößte des osmanischen
-Reichs, eine der größten der Welt, mit den vierhundert Tempeln,
-mit den graulichen plattdächigen, kaminlosen Häusern in dem weiten
-Umkreise, mit den 200,000 Einwohnern[11]. Kaum kann das Auge ausruhen.
-Südwestlich liegt Altkairo, weiter weg der die Inseln umspülende Nil,
-dann die hoch aufragenden Pyramiden von Gizeh (Gîsa) und Sakâra, der
-wüste lybische Hügelstrich, und gegen Morgen der letzte Absenker des
-arabischen Gebirges. Vor allen Gebäuden zeichnet sich durch Größe der
-Hassantempel und gegen Sonnenaufgang die vielen Grabmale aus. Wo ist
-aber Babylon, wo Memphis? Du bist stumm, Maser el-A’tykah, und du,
-Gelände jenseits des Nilstroms.
-
-Das Schloß stützt sich auf einen Abfall des Berges Mokatam, im
-Süden der Stadt. Es ist von festem Mauerwerk und sehr groß, so daß
-es für sich schon eine ordentliche Stadt bildet[12]. Das Stockhaus
-liegt im Umfange der Burg. Wegen der Schönheit wäre das Harem
-nicht nennenswerth. In der Nähe desselben standen Entmannte. Ein
-ungewöhnlich großer Mohr verrieth durch Haltung und Geberde, durch
-Stimme und Gesichtszug so völlig das bis zum kindischen unmännliche
-Wesen, daß der Kontrast sich tief in meine Seele prägte. Dem Auge des
-Kastraten fehlt der Glanz der Kraft und Liebe. Die ersten Frauenhüter
-sah ich eben in einem Schloßhofe um ein Pferd stehen, das, mit
-zusammengebundenen Füßen, auf dem Boden ausgestreckt war. Man schnitt
-demselben den Schweif ab, brannte dessen Stumpf mit einem Glüheisen,
-und brühte ihn dann in einer mir nicht bekannten Flüssigkeit. Die
-Kastraten schienen mit Wohlgefallen der blutigen Operazion zuzusehen.
-Man kann sich doch nicht bergen, daß man in Kairo leichter und
-schneller die Rosse englisirt, als die Araber zivilisirt.
-
-Vom Militär, durch welches das Residenzschloß bewacht wird, stellt
-der Abendländer sicher nichts Geringeres sich vor, als von der
-orientalischen Pracht geblendet zu werden. Nichts weniger als Luxus.
-Dafür findet man zerrissene Kleider in Menge.
-
-Wir traten in viele Hallen und Zimmer des Schlosses. Die Kanzlei hatte
-ganz den orientalischen Zuschnitt; ringsum der Diwan, d. h. eine
-niedrige, breite Polsterbank, ohne einen Tisch, bloß ein unbemaltes
-Pult steht einsam in einem Winkel. Die Kanzlei war heute leer, weil
-die Kanzlisten, koptische Christen, eben den Sonntag begingen. Es
-klingt in Wahrheit sonderbar, daß in Egypten die Staatskanzlei eines
-mohammetanischen Fürsten den christlichen Sonntag feiert. An den
-Werktagen wird der Diwan um und um von den Schreibern besetzt, um nicht
-zu sagen, belagert.
-
-Was auf dem Schlosse meinen Geist am meisten und mein Gemüth am
-angenehmsten beschäftigte, war der sogenannte +Jussufsbrunnen+. Ein
-mohammetanisches Weib führte mit brennender Kerze mich hinunter. Es war
-unverschleiert; doch bisweilen schnappte es in das Kopftuch, um das
-häßliche, schwarzbraune Gesicht zu verhüllen. Zwei Kinder leuchteten
-mir nach. Der Brunnen, über 280 Fuß tief in den Kalkfelsen gearbeitet,
-ist viereckig. Man steigt auf einer Felsentreppe hinunter. Die Stufen
-lassen sich jedoch an vielen Orten wegen der darauf liegenden Erde
-nicht erkennen. Die innere Wand der Treppe durchdringen an vielen
-Orten Oeffnungen zum Einlassen des Lichtes. Wenn man zu einer gewissen
-Tiefe hinabgelangt, endet die Treppe, und mittelst eines Rades wird
-das Wasser in Krügen, welche an einem Seile befestiget sind und mit
-diesem umherlaufen, aus der Tiefe geschöpft und hier ausgeleert. Ein
-zweites Rad findet sich oben, welches mittelst der Krüge das Wasser
-von der nächsten Stazion heraufholt, um es dort ans Tageslicht zu
-bringen. Von dem Orte, wo das untere Wasserrad angebracht ist, senkt
-sich der Brunnen bis zum Wasserspiegel, welcher mit dem Nil die Höhe
-theilt, so tief, daß einige Sekunden verstreichen, bis man den Fall
-des hinabgeworfenen Steins vernimmt. Neben dem untern Rade greift eine
-Kerbe in den Fels, wo ein weiß marmorner Turban, das Grabmal des +Jusef
-Salâh el-Dyn+ (des berühmten +Saladin+), ruht. Man fühlt in der Tiefe
-eine angenehme Temperatur, und es fällt eben so leicht, als es die Mühe
-lohnt, Zeuge eines so merkwürdigen Denkmals zu sein. Mich erinnerte
-dieser Erdenthurm und die Treppe an den Markusthurm und dessen Treppe
-in Venedig.
-
-Vom Schlosse weg wendeten wir uns, indem wir die auf einen Schutthügel
-gebauten Batterien zur Linken ließen, gegen den nach Suez führenden
-Wüstenweg, um die Moscheen und Grabmale der Großen (Turâb Kâyd-Bei) zu
-durchstreifen. Jener Hügel verdeckte unsern Blicken die Stadt, und das
-Schloß sperrte die Aussicht nach Süden. Die Grabmale, in einem Thale
-auf sandigem Grunde, stellen meist Thürme oder Moscheen dar. Von diesen
-umringt, glaubt man sich mitten in einer Stadt; man +ist+ in einer
-Leichenstadt. In der Bauart der Grabmale bespiegelt sich offenbar der
-schmuckselige Sarazene, welcher Fleiß mit Geschmack verband. Große
-Schätze sind an den unbewohnten ansehnlichen Gebäuden aufgegangen; aber
-leider zerfallen diese, und lassen den Genossen unserer Tage eine Reihe
-von Jahrhunderten aus der Urne der Zeit verwünschen, damit er dieselben
-in dem Zustande der Unversehrtheit bewundere. Beim Anblicke zerstörter
-oder der Zerstörung entgegeneilender, ausgezeichneter Kunstwerke möchte
-man beinahe vorziehen, daß sie nie entstanden wären, nur um des bittern
-Schmerzes über ihren Zerfall überhoben zu werden.
-
-
-Das Militärkrankenhaus.
-
-In der Esbekieh nimmt ein Krankenhaus den Kriegsmann auf. Für das Zivil
-würde man eines nach europäischer Einrichtung vergebens suchen, -- doch
-mit Ausschluß der Franken, welche in ihren kranken Tagen allerdings
-öffentliche Pflege erhalten, indem sie in dem Militärkrankenhause
-untergebracht werden. Ausnahmsweise hat das arabische Zivil ins
-Spital ein junges Mädchen geliefert, bei welchem die Steinoperation
-vorgenommen werden mußte.
-
-Das Gebäude ist massiv von Stein erbaut, und begreift zwei Höfe in
-sich. Es enthält große Säle; so einen mit 24, einen andern mit 60
-Kranken. Die Krankenzimmer sind auch licht; aber in einigen kam dem
-Eintretenden ein unangenehmer Geruch entgegen, das +zuverlässigste
-Zeichen+, daß sie nicht reinlich genug gehalten werden.
-
-Man traut den eigenen Augen kaum, wenn man zu einem Araber
-geführt wird, welcher mit Arsenik das Gesicht sich raubte, um des
-Militärdienstes unfähig zu werden. Fälle, daß die Araber in dieser
-Absicht sich mit Blindheit schlagen, ereignen sich nicht selten. Aus
-dem gleichen Grunde werden auch Finger verstümmelt, Zähne ausgebrochen
-u. s. f. Eine +Mutter+ stach ihrem Sohne ein Auge heraus, um ihn nicht
-verlieren zu müssen.
-
-Die Apotheke des Spitals sieht sehr unscheinbar aus. Es ist merkwürdig,
-wie hier Leute zu Apothekern geschnellbleicht werden. Ein polnischer
-Offizier berechnete, daß er als Apotheker besser stehen würde. Er
-meldete sich an, ist gegenwärtig als Apotheker angestellt, und bildet
-sich auf seine Kunst sehr viel ein. Unwissenheit und Eigendünkel
-gehen Hand in Hand. Ein weiland österreichischer Aide-Major hielt
-sich einst eine Zeitlang in einer Droguerie auf. Er bewarb sich um
-eine Apothekerstelle, bekam Anstellung, und eben während meines
-Aufenthaltes in Kairo durchsprang er einen Theil der kurzen Lehrzeit
-(von beiläufig einem Monate). Dieser Leichtsinn, womit die Stellen
-im Gesundheitsdienste verliehen werden, erscheint indeß in einem
-mildern Lichte, wenn man den großen Mangel geeigneter Subjekte ins
-Gedächtniß zurückruft. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Regierung
-der Aufnahme solcher Glücksritter in den Staatsdienst einen Riegel
-vorschöbe, wenn ihr eine Auswahl zu Gebote stände. Man macht in
-Egypten, wie anderwärts, aus der Noth eine Tugend.
-
-
-Die Narrenmenagerie.
-
-Es gibt Leute, die sich an den Namen mehr ärgern, als an den Dingen.
-Bei solchen besorge ich wohl, daß sie an dieser Ueberschrift Anstoß
-nehmen. Vorläufig möchte ich sie aber damit beruhigen, daß der
-Ausdruck, so hart er klingen mag, doch nicht härter ist, als die Sache,
-die er bezeichnet.
-
-Um dem Eseltreiber verständlich zu machen, wohin ich wolle, ließ ich
-ihm sagen, daß er mich dahin führe, wo die Narren und die Närrinnen
-seien.
-
-Ich kam in einen Palast, das berühmte Spital +Muristan+, welches mit
-der schönen Moschee gleichen Namens zusammenhängt. Ein geduckter,
-etwas kleiner Mann mit einem grauen Barte, stand in einem Vorzimmer;
-er fiel mir zuerst nicht auf. Es war der Menagerieinspektor. Mein
-Führer eröffnete ihm meine Absicht, -- denn ich konnte durchaus nicht
-arabisch, -- und ohne Anstand ward mir der Eintritt bewilliget. Noch
-aber ließ ich Brote holen, um sie unter die Kranken zu vertheilen.
-Die Zufriedenheit mit Wenigem ist in der Regel ein Zeichen echter
-Selbstbeherrschung; die Zufriedenheit mit einem geringen Geschenke
-zeugt gemeinhin von wahrer Dürftigkeit. Auf diese zählend, hoffte ich
-mit meinen Kleinigkeiten Liebes zu thun.
-
-Nun wurde die Thüre aufgeschlossen. Ich war nur Auge, nur Ohr. Ein
-viereckiger Hof, in dessen Mitte ein steinernes Becken, selbst mit
-dem unlautern Wasser, fürs Auge gute Wirkung macht, zieht voraus den
-Blick an sich. Der erste Eindruck verspricht Gutes; allein er trügt
-nur zu gewiß: denn den gefälligen Hof umgeben lauter Käfiche, an
-Stattlichkeit und Solidität gleich denjenigen für die Thiere, welche
-zur Schau gestellt werden. Um den Schein einer Menagerie zu vollenden,
-erheben sich die Krankenzellen bühnenartig. Das Licht und die
-Speisen gelangen durch ein eisernes Gitter, welches nicht Manneshöhe
-erreicht. Die Zelle ist schmal, doch hoch. Ich konnte die Zellen und
-die Kranken nicht zählen; denn der Menagerieinspektor sputete sich
-zu sehr, weil er vielleicht meinte, daß die Kranken beim Anblicke
-eines Giaur (Ungläubigen) gewaltig beunruhiget würden. Ich glaube,
-daß den Hof sechszehn Zellen umfassen. Sie sind sämmtlich von festem
-Mauerwerk. In den meisten Zellen fand ich einzig einen Kranken, in
-einer andern aber selbst drei, wovon einer angekettet war. Der letzte
-nämlich trug ein Halseisen mit einer langen Kette. Diese lief durch
-das Gitter, und ward so weit unten festgemacht, daß der Kranke mit
-den Händen die Endglieder derselben nicht ergreifen konnte. Hände
-und Füße blieben dabei ungefesselt. In Europa würde man bei solcher
-Anfesselung das Selbsterdrosseln befürchten. Zur Bettung dient dem
-Kranken im besten Falle etwas Stroh, sonst der harte Boden. Dieß
-ist nicht das Herbste des Schicksals. Wie der Hunger die Küche bald
-gut bestellt, so bereitet der Mangel an Schlaf dem schwankenden und
-trunkenen Haupte ohne Schwierigkeit einen Polster, und am Ende macht
-sich die Macht der Gewohnheit geltend. Vielleicht werde ich letztern
-Satz gelegentlich einmal wiederholen, weil dessen Wahrheit beinahe nie
-genug ausgesprochen und beherziget werden kann. Einige Kranke waren
-ordentlich gekleidet, andere aber wenig oder fast gar nicht.
-
-Wie ich vor die ersten Käfiche trat, wollte ich das Brot selbst
-austheilen; allein der Menagerieinspektor wand mir es mit einer
-Meisterfertigkeit aus der Hand, und mir war klar, was ich thun oder
-lassen sollte. Meine fränkische Person schien den Unglücklichen
-wenig Aergerniß zu geben; sie haschten, wie kleine Kinder, nach dem
-Geschenke, welches ihre Aufmerksamkeit für den Augenblick verschlingen
-mochte. Nur ein Andächtiger, der betend auf den Knieen lag, und den
-Boden anglotzte, nahm von Allem, was vorging, keine Notiz. Dagegen
-betrug sich sein Nachbar um so rühriger, und er erhob ein betäubendes
-Geschrei. Der Aufseher warf einen Lappen Brot ihm zu. Das war der
-Friedensbote, welcher alsobald den Sturm besänftigte, nachdem eine Art
-Mensch, vielleicht ein Menagerieknecht, vergeblich den Stock über ihn
-geschwungen hatte. Schlagen sah ich nicht.
-
-Uebrigens hält man mit dem Schlagen oder Peitschen in Egypten keine
-genaue Rechnung. Jeder Herr peitscht oder prügelt seinen Diener. Das
-Schlagen des kranken Irren wird in Egypten unzweifelhaft nicht die
-gleiche Wirkung hervorbringen, welche man sich in Europa versprechen
-würde, und wenn in diesem Welttheile mit dem verwerflichen,
-barbarischen Mittel zur Seltenheit Heilungen erzielt wurden, so würde
-es von dem ans Schlagen beinahe mehr als ans Brotessen gewöhnten Araber
-mit Gleichgültigkeit, wenigstens mit abprallender Härte ertragen werden.
-
-In der Flüchtigkeit ward ich ruhige Gesichter und gut genährte Leute
-in den Käfichen gewahr. Es beschwichtiget gewissermaßen zuletzt der
-gegründete Glaube, daß die Eingekerkerten doch nicht mit Hunger gequält
-werden.
-
-Als ich schon zur Thüre hinaus war, hörte ich noch den Lärm der Irren,
-selbst vor dem Geklirre der Ketten. Von der Besorgung der Närrinnen
-weiß ich weder etwas Rühmliches, noch etwas Tadelnswerthes. Den Männern
-ist der Eintritt in die Weiberzellen untersagt, wohl aber +Knaben+ bis
-zum Alter von ungefähr neun Jahren erlaubt.
-
-Bei einem zweiten Besuche vergönnte man mir mehr Zeit. Ich konnte
-achtzehn Käfiche zählen. Dießmal überzeugte ich mich von der
-zurückstoßenden Unreinlichkeit. Daß in diesen Krankenställen keinerlei
-Versuche zur Heilung vorgenommen werden, versteht sich von selbst.
-
-Das kultivirte Europa schaudert wie vor der Einrichtung der
-Observazionsanstalt in Alexandrien, so vor einer solchen Behandlung
-unglücklicher Irren. Wie lange her ist es aber, daß dort das
-Licht der Humanität glänzt? Noch vor einem Jahrhunderte wurden
-die unschuldigsten Gemüthskranken, gleichwie die schuldigsten
-Verbrecher, fast durchgehends in Ketten geworfen. Vielleicht werden
-die bemitleidenswerthen Gemüthskranken an das eiserne Kriegsherz des
-Pascha klopfen, daß es erweicht wird, und falls er dem gräßlichen
-Uebelstande wehrt, so flicht er sich schönere Lorbeeren um sein
-Haupt, als wenn er noch einmal Militärkrankenhäuser, Arzneischulen und
-andere Anstalten, Pulvermühlen und andere Fabriken ins Dasein riefe,
-und er bleibt unsterblicher unter den Sterblichen, als wenn auf sein
-Machtwort der Anbau einer zweiten Baumwolle und eines zweiten Oelbaumes
-u. dgl. gediehe. Insbesondere die edeln Züge des Zartgefühles für
-das Wohl und Weh aller Menschen, ohne Ansehung des Standes und des
-Vermögens, erwartet das aufmerksame Europa von dem schöpferischen und
-durchgreifenden Vizekönige des Egyptenlandes.
-
-
-Die Stadt der Einäugigen und der Blinden.
-
-Man nennt wohl keine Stadt in der Welt, worin so viel Einäugige und
-Blinde wohnen wie in Kairo. In keiner Stadt, würde der Spötter sagen,
-wird öfter ein Auge zugedrückt, und ist die Liebe blinder. Man ziehe
-bloß die Gasse hin und her, und bald wird die Aufmerksamkeit von einem
-Manne gereizt, der mit einem Stocke den Weg befühlt, oder seine Rechte
-auf den Kopf oder die Schulter einer Person legt, die als Wegweiser
-vorangeht. Selbst die Blinden wandeln nicht mit Andern wie in Europa,
-wo sie am Arme geführt werden. Man weiß beinahe nicht, ob man über das
-Glück Unglücklicher lachen darf, wenn man wahrnimmt, wie etwa drei
-Blinde einander leiten und leiten +können+.
-
-Einst schilderte man das Gedränge in der Stadt als so groß, daß man
-jeden Augenblick Gefahr laufe, Jemand umzubringen oder umgebracht zu
-werden. Diese Schilderung kann für die jetzige Zeit nicht gelten.
-Ich sah in einer sehr besuchten und belebten Gasse, gleich vor der
-Hauptwache über der Brücke, einen +blinden+ Greis +allein+, freilich in
-kurzen und furchtsamen Schritten, sich vorwärts bewegen, ohne daß er
-umgebracht oder auch nur unsanfter berührt wurde. Es ist hinwieder eine
-natürliche Sache, daß die Sehenden noch gefahrloser ihres Weges gehen,
-als die Blinden.
-
-
-Das öffentliche Bad.
-
-Die Südländer haben eine fischartige Natur. Bäder sind ihnen
-Bedürfnisse.
-
-Ich trete in ein großes, von oben beleuchtetes Zimmer. In der Mitte ein
-Wasserbecken. Darum ein mit Marmor ausgelegter Boden. An den Wänden
-eine Bühne; darauf Bettpolster in Menge. Neben der Pforte eine Art
-Kanzel. Von der Bühne streben jonische Säulen empor. Am Eingange in das
-Dampfgewölbe eine kleine Kaffeeküche, aussehend wie ein Doppelkästchen
-mit einem Raume dazwischen[13]. Ich bin im Entkleidezimmer; auf den
-Polstern der Bühne die Badegäste; auf der Kanzel der Geldeinnehmer.
-
-Der Badende steigt auf die Bühne. Er entkleidet sich. An der flinken
-Hand des Badeknappen fliegt im Nu ein weißes Tuch ihm um die Lenden.
-Ein Tuch von bunter Farbe schlägt der Badeknecht ihm über die Brust,
-und ein anderes über den Rücken, das erste hinten und das letztere
-vorne bindend. Den Kopf umwickelt er, auf daß ihn ein Turban schütze
-und ziere. Das die vollkommene Bademontur, es fehlen einzig noch die
-Kapuzinerschuhe, in die man schlüpft, sobald man von der Bühne herunter
-gestiegen ist.
-
-Jetzt geht der Badende behutsam davon, damit er nicht auf dem nassen
-und glatten Marmorboden niederglitsche. Durch einen engen, düstern,
-gewölbten Gang gelangt er in ein Zimmer: das Ent- und Ankleidezimmer in
-der kältern Jahreszeit, weil es gewärmt werden kann.
-
-Er kommt durch eine Thüre in ein Gewölbe. Das Licht dringt mühsam
-und spärlich durch kleine, runde, mit Glas hermetisch verschlossene
-Oeffnungen von der Kuppel herab. In der Mitte ruht ein Wasserbecken.
-Aber er weilt dießmal hier nicht.
-
-Durch den warmen Dampf links oder rechts einige Treppenstufen hinauf,
-er befindet sich in einem kleinen, noch düstrern Gewölbe, worin
-warmer Nebel ihn umschwebt. In der Mitte ein Wasserbecken, tief bis
-an das Kinn. Der Knappe entwindet ihm all’ das Badegewand bis an
-die Lendenschürze. Es ist das Wasser aber allzu heiß, und er taucht
-nicht unter. Andere scheuen indeß die Hitze minder, und man erblickt,
-spaßhaft genug, bloß noch ihre Köpfe. Er begnügt sich, neben dem
-Wasserbecken auf dem harten Marmorboden sich hinzustrecken und daraus
-auf seinen Körper fleißig Wasser zu schwenken. Ein Araber, nur mit
-einem Tuche an den Hüften umschürzt, legt ihn zurecht, und, mit einem
-wollenen Handschuhe versehen, reibt er seine Haut in geschäftigem Hin
-und Her, doch sanft und ohne wehe zu thun.
-
-Hierauf in das letzte Gewölbe zurück. Hier seift ein Bursche den ganzen
-Körper ein, und der Badende tritt mit dem schaumigen, seifenweißen
-Leibe in ein kleines Nebengewölbe, wo zwei Röhren mit Hähnen über ein
-Becken sich krümmen. Aus der einen Röhre fließt warmes und aus der
-andern kaltes Wasser. Hier wird die Seife am Leibe abgespült, indem
-dieser den prallen Strahl der Röhre bricht, und zu guter Letze hilft
-die Hand dem schwemmenden Brunnen.
-
-Zurück in das gleiche größere Gewölbe der Mitte. Hier hätte der
-Badende, statt die Stiege hinaufzugehen, in einem Becken an der Wand,
-wie in einer Badewanne, sitzen können, worein das Wasser mit der
-beliebigen Wärme geströmt wäre.
-
-Schon ist der Badende ausgedämpft, ausgespült, ausgerieben,
-ausgewaschen, hoffentlich fix und fertig. Er tritt, allenthalben von
-trockenen Schürzen und Quehlen umfangen, aus der Dämmerung ans Licht,
-aus dem Qualm ans Trockene, aus dem heißen Mittag in den kalten Nord.
-Er besteigt die Ankleidebühne, beinahe vor Kälte schaudernd. Er lagert
-sich auf dem Polster. Ein Bursche deckt ihn zu. Sanft drückt dieser
-ihm die trocknenden Hüllen an den Körper. Er will den Badenden an der
-Fußsohle kitzeln. Dieser kann es nicht leiden, und weigert sich dessen.
-Er hat Zeit genug, seine Schaulust an Andern zu befriedigen, welche
-dort eben eintreffen, hier zum Ausgehen sich anschicken. Er ist frei
-vom Naß, und es fehlt nichts mehr, als daß er sich anziehe und dem
-Geldeinnehmer eine Kleinigkeit gebe.
-
-Der Dampf in den Gewölben übte weder den beklemmenden Einfluß auf mich,
-wie auf andere Franken, aus, noch wirkte die kältere Atmosphäre im
-Ankleidezimmer mit ausnehmend erfrischender Kraft. Ich fühlte mich
-nach dem Bade allerdings leicht, und damit vertrieb ich eine leichte
-Unpäßlichkeit, welche ich dem Zurücktreten der Hautausdünstung in einem
-innern Theil zuschrieb.
-
-Bei dem morgenländischen Bade müssen drei Dinge erwogen werden: der
-Dampf, das warme oder heiße Wasser und die Reibungen. Es sind dieß
-so wirksame Agenzien, daß die hohe medizinische Wirksamkeit selbst
-demjenigen, dem gründlichere Kenntnisse in der Arzneiwissenschaft
-abgehen, nicht begreiflich gemacht werden darf. Andrerseits will ich
-nicht verhehlen, daß der schnelle Uebergang aus dem heißen in ein
-kaltes Mittel, also der rasche, schnelle Wechsel der Temperatur,
-manchmal Schaden zufügt. Einen solchen Fall nahm auch ich wahr.
-
-Der Apparat des Bades scheint ursprünglich nur die +Reinigung des
-Leibes+ zum Ziele sich gesetzt zu haben, mithin mehr der Hygieia,
-als der Heilkunde anzugehören. Diesen Zweck erreicht das Bad mit
-Leichtigkeit. Nach dem Bade erscheint viel geschmeidiger auch die Haut,
-von welcher die Unreinigkeiten sich ordentlich abschuppen, so völlig
-rein wird sie.
-
-Der Dampf wird nicht förmlich bereitet. Er steigt von den heißen
-Wassern auf, und man wendet bloß Sorgfalt an, ihm jeden Ausweg
-abzusperren. Es liegt am Tage, daß darunter die Reinheit der Luft
-leidet. Ich soll übrigens bekennen, daß kein besonders unangenehmer
-Geruch in den Gewölben mir aufstieß.
-
-Man liest in den Schriften, daß von Seite der Bader, außer dem Kneten
-der Glieder, auch eine Art Aus- und Einrenken geschehe. Ich ließ diese
-Manipulation an mir nicht vornehmen, noch sah ich sie an Andern.
-
-Das komplizirte Bad ist so außerordentlich wohlfeil, daß es auch der
-ärmere Araber benutzen, und dadurch dem Gesetze +Mohammets+ nachleben
-kann.
-
-Man darf die Badeanstalt des Morgenlandes nicht verlassen, ohne zu
-bedauern, wie sehr die Hautkultur im Abendlande vernachlässigt wird.
-
-
-Wie die Egypzier im sechszehnten Jahrhunderte die Bäder gebrauchten.
-
-Ich wähle einen treuen Beobachter, den Doktor +Prosper Alpinus+, als
-Führer in die Hallen der Vorzeit. Darf denn der Reisende nicht auch
-bisweilen einen Schritt in dieselben wagen?
-
-Wie die Nordländer, so überliefert +Prosper Alpinus+, Vieles zum
-Wärmen, so haben die Egypzier Vieles zum Kühlen, als: die vielen
-Brunnen in den Wohnungen, insbesondere aber die Süßwasserbäder, diese
-jedoch auch zu Verschönerung des Körpers. Zu den Bädern nimmt man
-einfaches, geläutertes Nilwasser, ohne Beimengung von Medikamenten.
-Die Badeanstalten sind sehr zahlreich, geräumig und prachtvoll. Das
-Badehaus besteht aus mehrern von einander geschiedenen Gewölben, worin
-die Leute schwitzen, gerieben und gewaschen (gebadet) werden. Ungefähr
-im Mittelpunkte der Badeanstalt steht das An- und Entkleidegemach.
-
-In den verschiedenen Badegewölben herrscht ungleiche Temperatur, nach
-den Bedürfnissen der Badenden. Die Böden sind mit Marmor zierlich
-ausgelegt, und jeder abgeschlossene Raum hat zwei marmorne Becken,
-in welche das Wasser herabfällt. An dem gewölbten Dache sind die
-Glasscheiben gleichsam eine Zierde, und fügen sich so genau, daß von
-Außen keine Luft eindringen kann. Die Badegewölbe empfangen ihre Wärme
-vom Dampfe des in die Marmorbecken fallenden heißen Wassers. Wer da
-will, kann jederzeit zwischen heißen, lauwarmen und kalten Bädern
-wählen. Die mäßig warmen sind die gemeinsten.
-
-Weil die Egypzier das ganze Jahr vom Staube umgeben sind, und beständig
-von Schweiß triefen, so werden sie der Träger vieler Unreinigkeiten,
-weßwegen sie übel riechen, und an Ungeziefer nichts weniger als Mangel
-leiden. Darum ist bei den Egypziern das Baden so gebräuchlich,
-zumal beim weiblichen Geschlechte, das sich mehr angelegen sein
-läßt, durch Beseitigung der Unreinigkeiten und durch Verscheuchung
-des übeln Geruches den Körper gefällig zu machen, auf daß es den
-Männern um so lieber sei. Die Frauenzimmer waschen sehr oft den Körper
-in den Bädern, und überziehen ihn mit wohlriechenden Salben, die
-vermöglichen mit solchen von Bisam, Ambra, Aloe. Beinahe unglaublich
-groß ist der Gebrauch von Salben zu Verbesserung des Geruches und zu
-Weckung sinnlicher Begierden. Wie aber die Italienerinnen und andere
-Abendländerinnen allen Fleiß auf den Haarputz und auf die Verschönerung
-des Gesichtes verwenden, so vernachlässigen die Egypzierinnen
-wenigstens erstern.
-
-Viele Weibsleute trachten durch das Baden auch fetter zu werden. Je
-dickleibiger sie sind, desto lebhafter werden sie von den Männern
-begehrt. Man wird daher eine große Menge ungemein fetter Frauenzimmer
-antreffen. Es hielt sich in Kairo ein Weib auf, welches in der Kunst,
-fett zu machen, ihren Broterwerb suchte. Man legt es ordentlich
-darauf an, fett zu werden. Zu dem Ende baden die Frauenzimmer in
-lauem Süßwasser +viele Tage hinter einander+. Indeß sie lange im Bade
-verweilen, essen und trinken sie darin, und gebrauchen Lavements, die
-aus verschiedenen fetten Substanzen bereitet werden. Gleichzeitig
-nehmen sie viele innerliche Medikamente ein. Es steht durch
-eigene Erfahrung fest, daß mehrere Frauenzimmer durch ein solches
-Badeverfahren viele Tage hinter einander, in Verbindung mit reichlicher
-Ernährung durch den Mund, fett wurden. Unter den Speisen wählen die
-Kandidatinnen der Fettigkeit viel fette Brühen mit Bammia, Melochia
-und Kulkassia, gewöhnlich eine Suppe von fetten Hühnern, auf egyptisch
-+Maluf+. Jedwedes Frauenzimmer trinkt die ganze Suppe von einem Huhne,
-und verzehrt hernach dieses selbst. Viele dürftige Weiber nehmen das
-sogenannte +Thaine+, oder das Oel von indischen Nüssen, oder den Absud
-von Chinawurzeln, oder den Sesamölkuchen, welcher mit dem Fleische
-fetter Hühner und mit der indischen Nuß zugleich gekocht wird u. dgl.
-Allein vor Allem preist man den täglichen Genuß zehn gerösteter,
-gemeiner Zwiebeln vor Schlafengehen, und zwar etwa fünfzehn bis zwanzig
-Tage hinter einander. Bei dieser Kur verspüren die Frauenzimmer nicht
-die mindeste Beschwerde.
-
-In Egypten verläßt Niemand das Bad, ohne gerieben zu werden. Die
-Reibknechte lassen die Person, welche zuerst beinahe eine Stunde im
-Bade ausgehalten, und absichtlich gebrochen oder wenigstens geschwitzt
-hat, auf einen Stuhl sitzen, sie kneten und behandeln alle Körpertheile
-des Dasitzenden auf verschiedene Weise. Sie fangen bei den Füßen an,
-und bewegen sie vorwärts, rückwärts und seitwärts, bald dann die Unter-
-und Oberschenkel nach allen Richtungen; sodann die Hände, jeden Finger
-besonders, darauf die Arme, die Schulter und ihre Blätter, hernach
-den Hals, den Kopf, die Brust und den Rücken nach allen Seiten. Es
-geschehen diese Bewegungen drei- bis viermal.
-
-Darauf heißen die Reibknechte den Badenden auf den Marmorboden
-rücklings sich legen, und beginnen den ganzen Körper zu reiben. Es gibt
-dreierlei Reibungen: 1) die sanfte und mittelmaßige, mit der bloßen
-flachen Hand, welche manchmal mit Sesamöl eingerieben wird, 2) die
-mittelmäßige und häufige, welche mit roher Leinwand geschieht, und 3)
-die harte und mittelmäßige, mit rauhem Tuche von Ziegenhaaren. Man
-fängt, beim Reiben der vordern Körperfläche, an den Füßen an, ihre
-Muskeln werden der Länge nach gerieben, indem die Hände von oben nach
-unten fahren -- von Gelenke zu Gelenke, was mit großer Geschicklichkeit
-und Zierlichkeit ausgeführt wird, ohne ein Gelenk zu überhüpfen;
-dann kommt die Reihe an alle Gelenke und Muskeln der Schienbeine,
-Wadenbeine, Kniescheiben, Oberschenkel, hernach der Hände, Arme, der
-Schultern und Schulterblätter, so wie des Gesichtes, des Halses, der
-Brust, der mittlern Gegend des Abdomens. Nachdem dieses geschehen, wird
-der Körper auf den Bauch umgelegt, und die hintere Fläche nicht anders
-behandelt, als die vordere. Die drei Arten von Reibungen werden eine um
-die andere, von der sanften zur harten ansteigend, vorgenommen.
-
-Nach den Reibungen wird der Körper von der Fußsohle bis zum Scheitel
-hinauf eingeseift, darauf in heißem Süßwasser abgewaschen und der
-Schmutz abgestreift. Ueberdieß bringen die Badeknappen die Füße des
-Badenden in eine gewisse Pflastermasse, welche gegen die feuchten und
-übel riechenden Füße herrliche Dienste leistet, auch diese orangegelb
-färbt. Es ist Sitte gemeiner Frauen, die Nägel der Hände und Füße so zu
-färben.
-
-
-Der Sklavenmarkt.
-
-Den fühlenden Menschen nimmt nicht leicht etwas lebhafter in Anspruch,
-als der Sklavenmarkt.
-
-Wie die Welt anfing, zu glauben, daß Gott die Hände und Fäuste nicht
-derb genug geschaffen habe, womit sie sich plagen und züchtigen könne,
-entsprangen die Waffen. Diese sind nun die seltsamsten Wappen des
-Menschenadels. Mit solchen Gedanken betrachten wir die Karbatschen oder
-Peitschen, die aus der Haut des Nilpferdes gearbeitet sein sollen. Dort
-werden sie am Eingange eines Hofes verkauft, und deuten den Markt so
-gut an, als wäre er mit großen Buchstaben überschrieben. Sklaven in
-einem Hofraume, andere in daran liegenden Zimmern, andere hinwieder
-oben in Kammern und auf einer Gallerie -- das ist das Sklavenokel.
-Die schwarze Farbe, die Blöße der Weiber bis zu den Lenden herab, das
-müßige Sitzen oder Liegen der Sklaven auf kleinen Gerüsten (egyptischen
-Bettstellen) oder auf dem Boden befremden den Ankömmling in gleichem
-Grade. Ich sah keinen Sklaven weinen, manchen lachen und scherzen. Die
-meisten waren jung; ein einziges altes Weib erblickte ich. Wie ich das
-erste Mal in den Sklavenmarkt trat, mochten an zweihundert Sklaven zum
-Verkaufe ausgestellt gewesen sein. In wenigen Tagen waren davon viele
-aufgekauft. Die Sklavenverkäufer, welche, mit der Pfeife im Mund,
-wie ein Krämer auf den Käufer mit gespannter Seele harren, verübten
-vor meinen Augen keine Grausamkeit an den Sklaven. Einer unter ihnen
-bemühte sich nicht wenig, ein weißes junges Mädchen, die einzige weiße
-oder doch halbweiße Sklavin, mir aufzuschwatzen.
-
-Mehrere Weiber besuchten den Markt und waren eben im Kaufe begriffen,
-ohne daß sie die Sklaven berührten. Diese werden zu sehr ungleichen
-Preisen losgeschlagen; ein junger Bursche etwa zu 50 bis 60
-Reichsgulden und ein ausgewachsenes schwarzes Mädchen zu 120 Gulden R.
-W. Auch dem Europäer wird der Kauf von Sklaven gestattet. Auch +er+
-erzählt mit Freude oder Reue, was für einen guten Handel von Menschen
-er getroffen habe. Die Polizei mischt sich nicht ein, welche Laster
-er an den Sklaven, als seinem Eigenthume, abkühlen würde. Ihr gilt
-völlig gleich, wenn er zwanzig Sklavinnen, zu jedem beliebigen Zwecke,
-erhandeln sollte, selbst wenn sie sich schon zum Mohammetanismus
-bekennen.
-
-Jüngere Sklaven zeigten sich noch in ihrer ganzen Nazionaltracht, wie
-man bei uns die Wilden abgezeichnet findet. Von einem Gürtel um die
-Hüften hangen etwa einen halben Fuß lange Fransen herunter. Den Hals
-schmücken Korallen, darunter weiße, welche mit den weißen Zähnen,
-und dem Weißen im Auge gegen die schwarze Hautfarbe grell abstechen.
-Unter den Mohren gab es selten einen mit schlechten Zähnen. Mehrere
-Sklaven waren über und über blatternnarbig; andere litten an einer Art
-Krätze, welche man Nilkrätze nennt. Die meisten Weibsleute behielten
-den Haarputz aus ihrem Geburtslande, so viel ich weiß, Nubien oder
-Abyssinien. Winzig gerollte und ziemlich lange Locken erwecken eine
-günstige Meinung; allein der Schmutz widert im höchsten Grade an.
-Manche trugen die Locken scheitelförmig.
-
-Der häßliche Geruch, welchen das Zusammenleben vieler Menschen
-begleitet, macht den Sklavenmarkt zu einem wenig einladenden Orte.
-Die Stiege, welche auf die Gallerie führt, deckt das Garstigste, was
-der Mensch von sich wirft, in dem Maße, daß man ihm kaum ausweichen
-kann, sofern man jene ersteigen will. Die Unreinigkeiten würden auf
-dem Sklavenmarkte wahrscheinlich noch mehr sich häufen, wenn nicht das
-Interesse wohlthätig ins Mittel griffe. Zuviel Nachsicht schadet der
-Gesundheit -- so studirt man praktisch die ~humaniora~ -- und -- --
-kranke Sklaven gelten minder, und todte verderben den Handel ganz. Es
-sucht doch allenthalben die Natur an der Unnatur sich zu rächen.
-
-Nirgendwo mag man ernster aufgefordert werden, Betrachtungen über
-Selbstständigkeit und Freiheit des Menschen anzustellen, als auf
-dem Sklavenmarkte, dort wo nicht die Vernunft über dem Materiellen,
-sondern das Geld über der Vernunft steht. Für was Anderes wird denn die
-Vernunft angesehen, als für etwas grobes Wägbares, wenn man so und so
-viel Gold oder Silber in die eine und die von Gott verliehene Vernunft
-in die andere Wagschale legt? Da wird das zerknirschte Herz jubelnd dem
-Schöpfer danken, daß man frei geboren ist, und daß man nicht, wie das
-Vieh ohne freien Willen, einem Herrschlinge blinden Gehorsam leisten
-muß. So lange indeß der Sklavenhandel nicht abgeschafft wird, so lange
-ist unser jubelnder Dank nicht völlig ungetrübt von Besorgnissen,
-so lange ist Niemand sicher vor dem traurigen, wiewohl für die große
-Mehrzahl von Menschen höchst unwahrscheinlichen Schicksale der
-Knechtschaft. Sowohl Mitleiden, das man für den Nächsten hegen sollte,
-als der mögliche Fall, daß man selbst in Sklaverei gerathen könnte,
-fordern so laut die Verstopfung jener unmenschlichen Erwerbsquelle mit
-einer Festigkeit, daß sie auf immer versiege.
-
-
-Das Katzenstift.
-
-Wenn man an der schönen Gâma’ (Tempel) el-Muristân vorbeikommt,
-so lenkt man in eine gewölbte Gasse ein. Im Halbdunkel windet man
-gleichsam sich fort. Endlich erblickt man ein heiteres Gebäude. Man ist
-schon im Hofe des Kadi und Mufti, wo die Katzen gefüttert werden. Das
-Gebäude heißt, meines Wissens, das +Muristàn-el-Kadym+. Wir waren noch
-zu frühe, um der Fütterung zusehen zu können; wir mußten el-Asser (etwa
-viertehalb Stunden nach Mittag) abwarten.
-
-Indeß wir müßig herumstanden, näherte sich uns ein Mann in sehr
-freundlichem Tone. Weil wir in dem Hofe des Hohenpriesters oder Mufti
-uns befanden, so meinte er, daß wir unsere christliche Religion
-abschwören wollen, und er fragte, wer beschnitten zu werden wünsche.
-Er bot sich an, die Beschneidung für 20 Para zu unternehmen. So
-verteutschte einer der Franken, wenn diesem anders zu trauen war. Es
-bedurfte nur eines Jawortes, und wir vier wären sämmtlich, ohne weitern
-Vorgang, in einer Viertelstunde Moslim geworden. Wie vieles Fragen,
-Bekennen, Schreiben und Laufen dagegen in Europa, bis man in den Schooß
-einer andern Kirche treten darf, während doch so viel Zeit aufgeopfert
-wird, um Andere zu bekehren, welche Zeit der Mohammetaner in der Regel,
-mit der Pfeife Tabak, auf dem Diwan zubringt.
-
-Wir wollten begreiflich keine Mohammetaner werden. Inzwischen folgten
-wir der Einladung zum Kadi. Erst traten wir durch den offenen
-Gerichtssaal, der leer war; dann schritten wir durch die Vorsäle.
-Ein rother Vorhang vertrat an einem Orte die Thüre. Wir wurden hier
-durch in den großen Saal geführt, worin sich der Kadi aufhielt. Es
-gibt nichts Einfacheres, als den Saal. Den weiten Raum schmückt nicht
-eine einzige Geräthschaft, außer dem Diwan, welcher an den Wänden
-herumläuft. Daß man keinen Glanz suche. Bloß die Decke des Zimmers war
-bemalt, doch nicht mit Figuren und ohne Geschmack. Der Kadi hockte auf
-dem Diwan, in einer Ecke am Fenster, die Pfeife im Munde: ein Mann von
-etwa vierzig Jahren, mit blassem Angesichte, lieblichem, schwarzem
-Auge, und schwarzem Bartbusche. Er trug einen dunkelfarbigen Turban und
-Rock. Kein Buch lag ihm zur Seite. Nur las neben ihm ein Mann für sich
-ein großes, geschriebenes Blatt.
-
-Wir machten unsere Komplimente, so gut wir konnten. Wir fuhren mit der
-Rechten auf Brust, Mund und Stirne, und senkten unsere Köpfe, worauf
-die Mützen fein blieben. Der Kadi lud uns ein, Platz zu nehmen. Wir
-setzten uns, nach europäischer Art, auf den Diwan. Sogleich wurden wir
-mit schwarzem, unversüßtem Kaffee bewirthet. Die Diener trugen ihn in
-kleinen Schalen, welche, von bemaltem Porzellan, in einem goldenen
-Becher ruhten. Der Kaffee dampfte vor Hitze, wie man ihn in Kairo zu
-trinken pflegt. Ich befand mich in einiger Verlegenheit, weil ich ihn
-schnell trinken sollte, und ich mir nicht gerne wehe thun wollte. Trotz
-meines fleißigen Blasens, als hätte ich verfrorene Hände aufzuwärmen,
-und trotz meines langsamen Trinkens, so daß ich als der letzte die
-Schale dem auflauernden Diener zurückgab, brennte ich mich doch ein
-wenig an der Zunge. Die Gesellschaft fordert allezeit von der Freiheit
-ein Opfer.
-
-Fragte der Kadi, ob unser Gewissen in Ordnung wäre, ob wir Beruf
-fühlten, es bei den Mohammetanern gehörig einrichten zu lassen. O
-nein. Unsere Unterhaltung berührte weltliche Dinge. Er erkundigte sich
-nach dem Vaterland eines Jeglichen von uns. Nachdem wir sodann seine
-Neugierde und wir mit Herumschauen die unserige befriedigt hatten,
-wiederholten wir unsere Komplimente und gingen hinweg.
-
-Endlich war Mahlzeit für die Katzen. Ein Knabe rief mit einem eigenen
-Laute, und plötzlich sammelten sich etwa zwölf Katzen. Er warf ihnen
-Fleischstücke vor, die sie sogleich verschlangen. Kaum aber lag das
-Fleisch auf dem Boden, so wurde der Hofhimmel plötzlich lebendig von
-mehr denn einem Dutzende herumflatternder Raubvögel. Diese erfrechten
-sich so weit, daß sie das Fleisch zwischen den Katzen wegpickten, und
-hart an meinem Kopfe vorbeischwirrten. Die Katzen selbst, auf ihre
-Speisen nicht minder versessen, achteten nicht einmal der fliegenden
-Räuber. Der Knabe schleuderte einige Male Stücke Fleisch nur ungefähr
-in die Luft, und sie fielen nicht mehr herunter; denn die Vögel pickten
-im Fluge sie weg. Es ist nicht ohne Werth, zu beobachten, wie sich auch
-die Thiere an eine Zeitordnung gewöhnen. Warum sollen denn gewisse
-Menschen allein so ordnungslos leben?
-
-Eine Frau, unzweifelhaft eine Liebhaberin der Katzen, stiftete, heißt
-es, ein Vermächtniß zu dem Zwecke, daß Katzen, namentlich auch kranke,
-gefüttert werden. Somit erklärt sich das Katzenstift. Wahrscheinlich
-werden die Pfaffen das Vermächtniß so gut verwalten, daß mehr in ihre
-Magen, als in die Katzenmagen spazirt.
-
-Man trifft auch an andern Orten des Islams, z. B. in Damaskus,
-Katzenspitäler. „Es ist bräuchlich“, erzählt +Salomon Schweigger+,
-„daß die Türken den Katzen und Hunden Almosen geben; denn bei dem
-Stifte +Sultan Mehemet-Jeni+ in Konstantinopel pflegen sich durchweg
-um Vesperzeit dreißig oder vierzig elende Katzen zu versammeln, und
-diesen werfen etliche Türken, die auf demselben Platz vorhanden,
-etliche Brocken Fleisch oder gebratene Leber vor, die man an kleinen
-Spießlein herumträgt. Solches wird für ein herrlich Almosen gehalten.“
-Es liegt ein eigener Zug in dem Mohammetaner, daß er die Katzen so
-gütig bepflegt. Es soll daher kommen: Dem Propheten +Mohammet+ warf
-eine Katze in den Rockärmel Junge. Um diese aber nicht zu beunruhigen,
-schnitt er den Aermel ab. Daraus schlossen die Mohammetaner, daß ihr
-Religionsstifter die Katzen verehrte, und darum verehren sie die Katzen
-bis auf den heutigen Tag.
-
-
-Gärten.
-
-Einen ziemlich großen Theil der Stadt nehmen Gärten ein[14]. Doch
-fallen sie wenig auf, und gleichsam verstecken sie sich, wie die
-Ochsen darin, welche, phlegmatisch in der gleichen Runde herumtappend,
-das Wasserrad treiben. Der Europäer geht nicht ohne unangenehme Gefühle
-in den Garten, worin der General +Kleber+ ermordet wurde. Der von den
-fränkischen Spaziergängern besuchteste Garten ist der +Rosettische+.
-Wenn in den europäischen Gärten die Kunst mehr prangt, mehr Nettheit
-in der Anordnung, mehr Regelmäßigkeit in der Eintheilung, mehr Fleiß
-in der Behandlung angetroffen wird, so übertrifft hier die Natur jene
-weitaus an Pracht und Fülle.
-
-Niemand erwartet einen Roman oder eine Novelle aus einem der
-Lustgärten, und ich wäre wenig geneigt und, meines Dafürhaltens, nicht
-berufen, dergleichen zu schreiben. Nur möchte ich den Wunsch äußern,
-daß ein europäischer Romanschreiber, dessen Kopf einen Bankerott
-machte, einen Garten von Kairo besuchte. Hier dürfte er einzig seine
-Augen aufschließen, und dann in seinem Kämmerlein den Bogen füllen,
-es würde der Roman über manche von Europa den Sieg davon tragen, daß
-er zugleich die Leserin und den Leser, auf belehrende Weise, in so
-abweichende Sitten einweihte.
-
-
-Die Esbekieh.
-
-Man fühlt sich in den schmalen Gassen, die von hohen Häusern
-eingemauert sind, manchmal so beengt wie in einer Felsenkluft. Man
-sehnt sich nach einem geräumigen Platze. Das Auge will unumschränkter
-sehen, und die Brust freier athmen. Im Freien ist Wonne.
-
-Der berühmte und berüchtigte Platz Esbekieh versöhnt Einen vollkommen.
-Bei meiner Ankunft in Kairo bot er das Aussehen eines der reizendsten
-Seen dar. Ich konnte mich beinahe nicht satt an dem Wasserspiegel
-ergötzen, dessen Rahmen ringsum Häuser vorstellten; weiße neben
-schwärzlichen malten ihn bunt, hohe neben niedrigen machten ihn
-vielzackig. Ich wandelte am Ufer hin und her, und fortan ergriff mich
-die zauberhafte Stelle der Stadt. Ich schwebte in einer Feenwelt. Wo
-ist eine europäische Stadt, welche dergleichen besitzt? Der Zauber
-wächst bei dem Gedanken, daß der Grund dieses kurz dauernden Sees,
-nach der Austrocknung als Spaziergang und Feld benutzt wird. Auf dem
-gleichen Platze spaltet abwechselnd zu einer Zeit der Schiffskiel das
-Wasser und zur andern das Feldgeräthe den Wassergrund.
-
-Ich weilte in Kairo gerade zur Zeit, da der Esbekiehsee abnahm und nach
-und nach fast ganz eintrocknete. Kaum kam der schlammige Boden recht
-zum Vorschein, als ihn schon das Grün wuchernd überspann, und wenn ich
-zuerst, die ansehnliche Wasserfläche betrachtend, stutzte, daß darunter
-in einer andern Jahreszeit die schönsten Feldfrüchte gedeihen sollen,
-so ward mir nachher klar, da ich mit eigenen Augen sah, wie die nackt
-hervortretende Erde so bald mit einem grünen Teppiche sich bekleidete.
-
-In Egypten zeigt die Natur, ich möchte sagen, ihre Reize unverhüllt. Im
-Wesentlichen würde der See nicht gewinnen, wenn der alte Römer seine
-Kunst und seinen Luxus daran verschwendete; bloß würde so etwas mehr
-berauschen und dem verwöhnten Geschmacke mehr schmeicheln. Wo aber wäre
-wohl die Kunst ohne die Natur?
-
-
-Physiologischer und psychologischer Karakter der Einwohner.
-
-Die Bevölkerung Egyptens ist ein Mischmasch aus Türken und Mamelucken,
-aus Kopten und Mohren, aus Arabern und Beduinen, aus Juden und Franken
-und aus andern Fremdlingen. Erstände +Adam+ aus dem Grabe, er
-würde sich verwundern, daß so viele Enkel von verschiedenen Hautfarben,
-Religionen und Sprachen im Frieden beisammen wohnen.
-
-Der +Kopte+, der wahrscheinliche Abkömmling der alten Egypzier, und
-noch im Besitze einer eigenthümlichen, wenn auch todten, Sprache, ist
-nicht groß, aber wohl untersetzt; der Teint weißgelblich; Haupthaare,
-Augenbraunen und Iris schwarz; das Gesicht voll, kurz, breit; die
-Stirne breit, nicht hoch; die Augen etwas tief liegend, der Blick
-mehr brütend, als lebhaft, mehr ernst, als lieblich; die Nase kurz
-und ausgebogen; der Mund ziemlich weit gespalten und die Lippen dünn;
-die Zähne senkrecht und schön weiß; der Unterkiefer hervorstehend und
-stark. Die Koptinnen, so viel ich sah, haben roth gefärbte Fingernägel,
-und tragen auf der Haut des Kinnes und in der Nähe des Handgelenkes
-blaue Figuren. Sie treffen, unter uns gesagt, den europäischen
-Geschmack nicht ganz genau. Man muthmaßt, daß etwa 200,000 Kopten
-Egypten bewohnen.
-
-Der +Araber+ bildet weitaus die größte Anzahl der Egypzier. Unter
-diesem letztern Namen sind auch vorzugsweise die Araber begriffen,
-welche den meisten Boden anbauen. Die Masse der egyptischen Bevölkerung
-ist daher kein alter eingeborener Volksstamm, sondern ein im Laufe der
-jüngern Zeit eingewanderter und fremder, der sich selbst als fremde zu
-betrachten scheint.
-
-Der Araber, in der Regel nicht schön, ist mittelgroß; die Leibesfarbe
-schwarzbraun oder auch kaffeebraun; das Haar, wenn es nicht wegrasirt
-wird, klein gelockt (doch nicht wollig) und schwarz; der Schädel nicht
-geräumig, das Hinterhaupt etwas zugespitzt; die Stirne ziemlich hoch,
-nicht breit; die Regenbogenhaut schwarz, die Augenlieder meist dick,
-wie aufgewulstet; die Augenbraunen nicht stark; die Nase kurz, die
-Flügel weit aus einander gesprengt; der Rücken gerade oder ein wenig
-konkav, der Rand der Scheidewand etwas aufwärts geneigt; der Mund groß,
-die Lippen dick und auswärts geworfen; die Zähne ein wenig auswärts
-stehend, weiß, an einander geschlossen; das Kinn etwas hervorragend,
-die Kinnbacken stark; das Ohr wulstig; die Linie von der Nase bis zum
-Kinne lang; der Gesichtswinkel demjenigen der Aethiopen sich nähernd.
-Das Fleisch ist sehr derbe, der Fettapparat unbedeutend, und die Formen
-nehmen einen Grad von Niedlichkeit an, welcher bei den europäischen
-plumpen Gebilden, die noch für Vollkommenheiten gehen, vermißt
-wird. Also der eigentliche Typus der Araber, welche mit den Weißen
-unvermischt sind.
-
-Der schwarzbraune Araber hält das Uebergangsglied zu den Mohren. Die
-Mischung dieses Arabers mit Weißen artet in unzählige Mittelformen aus,
-welche zuerst den Beobachter verwirren. Des Arabers tiefgelbe Farbe,
-seine gebogene Nase, seine breite Stirne, sein starker Gesichtswinkel
-u. s. f. zeugen offenbar von der Vermischung und Verwischung der Typen.
-
-Die Weiber werden von den Männern an Schönheit übertroffen, und der
-häßlichere Theil ist mithin das schöne Geschlecht.
-
-Es gibt Mädchen, die schön genannt zu werden verdienen, allein zu der
-Lieblichkeit einen eigenthümlichen Schmerz ausdrücken; dieser aber
-vermehrt nur ihr anziehendes Wesen. Der eigenthümliche Zug, den ich
-sonst nirgends wahrnahm, liegt in den Mundwinkeln.
-
-Hauptsächlich um die Schönheit zu erhöhen, zeichnen beide Geschlechter,
-nach alter Sitte, verschiedene blaue Figuren auf die Haut des
-Vorderarmes und des Handrückens, meist Sterne, z. B. in Zirkelform,
-manchmal auch im Zikzak laufende Striche, etwa drei an der Zahl. Die
-Weiber haben überdieß blaue, senkrechte Striche auf dem Kinne, manche
--- gefärbte Augendeckel. Es gibt Männer, welche auch auf jeder Seite
-der Brust mit blauen Punkten bezeichnet sind. Alle Zeichnungen auf der
-Haut erschienen in meinen Augen höchst überflüssig, um nicht zu sagen,
-sehr häßlich, und niemals konnte ich mich in den sonderbaren Geschmack
-finden. Das Sprichwort freilich will, daß man über den Geschmack nicht
-hin- und widerreden dürfe.
-
-Der Kopf der Männer ist, wie beim Morgenländer überhaupt, bis auf
-die Haut geschoren. Nur ausnahmsweise tragen gewisse Religiose oder
-Heilige[15] fliegende Haare auf dem ganzen Kopfe. Die Muselmänner
-lassen übrigens nicht den ganzen Kopf scheren, sondern auf dem Scheitel
-eine kleine Scheibe groß Haar wachsen, das manchmal geflochten, bis
-zum Nacken herabfliegt, und unter der rothen Mütze mitunter hinten
-hervorguckt. Mit diesem Büschel Haare könnte man genau die Tonsur der
-römisch-katholischen Priester decken[16]. Ich geißele die Kopfschur
-als eine abscheuliche Mode, mögen ihre Bequemlichkeit auf dem heißen
-Erdgürtel immerhin manche Franken aus eigener Erfahrung preisen. Wenn
-wahr ist, daß das Barbieren unter den Abendländern deswegen aufkam,
-weil die gütige Natur, die hoch über die Fürsten erhabene, einmal
-einem französischen Könige einen Bart zu schenken vergessen hatte, so
-dürfte man mit eben so viel Recht glauben, daß die Morgenländer ihre
-Kopfschur einem kahlköpfigen Großen verdanken. Man weiß auch, wie gerne
-+Julius Cäsar+ seinen Kopf vertauscht hätte, nämlich seinen kahlen
-an einen haarichten, und wie sehr der große Geist sich abmühte, die
-ausfallende Kleinigkeit zu ersetzen. Der Bart des Arabers ist schwarz,
-undicht, und wird nicht lang. Er zerschiert ihn zu den wunderlichsten
-Dingen. Es lassen die Wenigsten ihn ganz stehen; Andere rasiren
-bloß einen Halbmond über dem Adamsapfel; die Meisten tragen nur den
-Schnurrbart und den Bart neben den Ohren und über dem Kinnbacken, den
-Kinntheil nicht ausgenommen. Dies thut so üble Wirkung, als wenn man
-einem Hahne den Kragen abschneiden würde.
-
-Die Bewegungen der Araber sind leicht und angenehm, man dürfte
-beinahe sagen, graziös. Der Mann geht in gerader Stellung und mit
-Schnelligkeit; ebenso das Weib, welches dabei die gebogenen Arme, mit
-einer niedlichen Haltung der Finger, ein wenig emporzuheben pflegt.
-Die antikförmigen Wasserkrüge trägt es sehr leicht und zierlich. Es
-nimmt keine Lasten auf den Rücken, selten auf die eine Schulter. So
-darf das Kind ihm wie ein Reiter auf die Achsel sitzen, indem es ein
-Bein über die Brust, das andere über den Rücken hängen und mit den
-Händen ihren Kopf umklammern läßt. Von dem Weibe selbst wird das
-Kleine nicht gefaßt, und ich mußte mich ordentlich wundern, wie sich
-kleinere Kinder in dieser Stellung gut zu erhalten wußten, während
-die Tragende davon eilte. Der Kopf ist der eigentliche Träger, und
-sogar winzige Dinge müssen auf demselben getragen werden. Kauft ein
-Mädchen in einer Bude für einen Piaster Kaffee, so wird es ihn auf
-dem Kopfe nach Hause bringen. Es wurde in Alexandrien auf eine Mauer,
-die man eben aufführte, einmal über das andere so wenig Mörtel und
-am Orte der Nachgrabungen so wenig Schutt auf dem Kopfe weggetragen,
-daß fast jede Europäerin sich weigern würde, die Wenigkeit zu tragen.
-In Kairo wird übrigens so spärlich gebaut, daß man diese Wahrnehmung
-nicht immer leicht wiederholen könnte. Der Mann schafft die Lasten am
-liebsten so fort, daß er den Strick über die Stirne anlegt, welcher die
-Bürde umfängt. Diese liegt am Rücken auf. Er trägt mithin ebenfalls
-am liebsten auf dem Kopfe, aber zu gleicher Zeit auf dem Rücken. Etwa
-das Wasser, in ein Ziegenfell aufgefaßt, trägt er über einer Schulter,
-wie der europäische Jäger seine Waidtasche. Der Lastträger bietet das
-Eigenthümliche, daß er, außer dem Singen, auch stöhnt. Es ist dieß mit
-nichten gleichsam das letzte Zeichen der Kraftanstrengung, welches das
-Mitleiden erregen sollte, sondern der Araber, im Lärmen ein Meister,
-sucht sich nur durch das Gestöhne das Geschäfte zu erleichtern. Als
-Lastträger macht sich der Araber eben nicht bemerklich; darin aber
-thut derselbe es dem Europäer zuvor, daß er leichtere Bewegungen, wie
-das Gehen oder Laufen, außerordentlich lange ausdauert, ohne daß er
-Speisen oder Getränke zu sich nehmen muß. Dem Araber sind, wenn ich
-mich so ausdrücken darf, federleichte Lungen und stählerne Muskelfibern
-gegeben. Wollte man den arabischen Soldaten nach den nicht selten
-schlechten Kleidern beurtheilen, man würde zur Einseitigkeit verleitet
-werden. Zu anhaltenden Märschen, bei kärglicher Nahrung taugt kaum ein
-Soldat besser, als der arabische. Neben dem Schatten erblickt man immer
-auch Licht.
-
-Was den psychischen Karakter des Arabers anbelangt, so ist er
-mohammetanisch finster, und haßt im Grunde seines Herzens den
-Andersgläubigen. Viele besitzen bemerkenswerthe Geistesfähigkeiten,
-doch keine ausgezeichnete, wofern man nicht zur Annahme berechtigt
-ist, daß ein großer Schatz schlummert. Ruhe und Faullenzen geht nicht
-bloß dem Alexandrinischen- und Deltaaraber, sondern auch andern über
-Alles. Damit er nicht die Mühe zu denken sich geben müsse, leiert er
-gedankenlos nach, was seit Jahrhunderten wahrscheinlich schon gesungen
-war. Er lebt blind in den Tag hinein; blindlings nimmt er Weiber und
-zeugt Kinder. Wenn ihm die Kunst, durch Ersparnisse eine, wo möglich,
-sichere Zukunft zu begründen, abgeht, so dürfte man freilich auch
-anfragen: Wird in einem Lande, wo das Eigenthum vor der Regierung nicht
-sicher steht, zur Sparsamkeit aufgemuntert? Vielleicht beschleicht
-den Araber dann und wann der Gedanke, daß er am Ende doch nicht mehr,
-als Hungers sterben könne. In ihm wohnt eine wahre Diebesseele, aber
-eine feige. Große Diebstähle begeht er nicht leicht, allein keineswegs
-aus Gewissensbissen, sondern aus Feigheit oder Trägheit. Am liebsten
-stiehlt er Eßwaaren; denn, ein Kind des Augenblickes, weiß er, daß
-dieselben ihm ohne ein Weiteres nützen. Um Anderes als Eßwaaren zu
-entwenden, wäre schon mehr Ueberlegung erforderlich, z. B. wie man sie
-an den Mann bringen könnte, um dafür Nahrung zu bekommen. Immerhin
-schaut man jeden Araber für einen Dieb an, und wenn der Fremde nicht
-bestohlen werden will, so muß er in Beziehung auf denselben stets auf
-der Hut sein. Ein ernstes, muthiges, karakterfestes Benehmen hält ihn
-leicht im Zaum. Im Uebrigen ist er von Natur fröhlich und aufgeräumt;
-diese Fröhlichkeit und Aufgeräumtheit streift aber mehr an Leichtsinn,
-selbst an feile, für den Zuschauer ekele Ausgelassenheit.
-
-Ich beobachtete den +Beduinen+, diesen unsteten Sohn der Wüste, zu
-wenig ungestört, als daß ich mir erlaube, von ihm ein Karaktergemälde
-zu entwerfen. Er schreitet oder reitet stolz einher, selten ohne
-Feuergewehr, Säbel oder Pistolen.
-
-Das Land, wo ein +Josef+, +Moses+ und +Aaron+ gelebt hatten, zählt
-immer noch +Kinder Israels+, aber nicht mehr in jenem Hause der
-Knechtschaft. Der Mangel an Bekanntschaft mit den Juden Kairo’s nöthigt
-mich, den Faden eher abzureißen, als mir lieb ist.
-
-Und die +Franken+ in Kairo will ich hie und da, mehr oder minder leise
-berühren. Bloß mag ich es hier nicht thun; denn da sie überall ihre
-Besonderheiten, ihr Frankenquartier wollen oder haben, so ist billig,
-daß ich ihnen auch in diesen Blättern ein Frankenquartier anweise.
-Einzig die +levantischen Christen+, welche ich wegen ihres Anzuges
-zuerst immer für Türken hielt, so wie die Griechen, darf ich, ohne eine
-große Lücke fühlbar zu machen, mit Stillschweigen übergehen.
-
-
-Tracht.
-
-Bei der Tracht der Araber muß diejenige des Mannes von derjenigen des
-Weibes unterschieden werden.
-
-Der gemeine Araber geht beinahe immer barfuß. Der aufs einfachste
-gekleidete hat im Sommer und Winter ein grobes, weißes, gegürtetes
-Hemde an, und eine weiße oder rothe Mütze auf. Andere tragen dieses
-Hemde und darüber einen grauen, blauen, schwarzen oder weiß und schwarz
-gestreiften Rock mit weiten Aermeln (Abba). Zu einer zusammengesetztern
-Kleidung gehören weite Hosen, welche, unmittelbar auf dem Leibe
-getragen, um den Lenden und unter dem Knie zusammengebunden
-werden. Diese zusammengesetzte Kleidung ist jedoch nicht echt
-egyptisch-arabisch. Ueber den Röcken auf dem Rücken trägt der Araber
-wohl auch ein Thierfell, dessen Pelzseite nach innen gewendet wird.
-Außer einem Rocke mit weiten Aermeln, hüllt der Araber sich in einen
-Mantel der nicht umschließt, und der oft über beide, meist aber
-über die eine oder andere Schulter geworfen wird. Mit diesem Mantel
-bekommen die Männer ein alttestamentisches Aussehen, und stattlich
-ging derselbe schon unserm Steuermanne. Die Franken in ihren engen
-Kleidern erscheinen gegen so gekleidete Araber als närrische Fratzen.
-Mich belustigte oftmals, wie der Araber den Mantel in so verschiedenen
-Gestalten umhängen konnte. So wenig ich darin etwas Spaßhaftes oder
-Spotthaftes fand, so konnte ich mich dennoch der Vergleichung mit
-dem geschmeidig die Gestalt wechselnden Hute eines Harlekins nicht
-erwehren. Dieser Mantel oder Ueberrock leistet den Arabern die besten
-Dienste. Brennt die Sonne, so legen sie sich nieder, und beschatten
-damit ihr Angesicht; vor dem Regen schützt er nicht minder wohlthätig,
-und Nachts sinkt das müde Haupt auf dieses unentbehrliche Gewand. Die
-Kopfbedeckung hält sehr warm. Wer nur die Kosten zu bestreiten vermag,
-tragt unmittelbar über dem Kopfe eine weiße Mütze, welche sich zum
-Waschen eignet. Diese wird von einer rothen mit einer blauen Troddel
-(Fẻs) bedeckt, welche der Turban, eine Auszeichnung des Orientalen,
-umfängt. Den kleinen Finger schmückt der Araber mit einem Ringe, z. B.
-von Silber.
-
-Die einfachste Kleidung der +Weiber+ ist ein blaues weites Hemde mit
-einem Schlitze über der Brust, so daß diese selten vor den Blicken sich
-verbirgt; dazu noch ein Kopf- und Gesichtstuch. Die zusammengesetztere
-Kleidung erfordert Hosen, die, um die bloßen Lenden geschürzt, in
-der Mitte geschlitzt, dabei weit sind und um den Knöcheln enden, wo
-sie fest gebunden werden. Das Kopftuch ist viereckig und eine Art
-Schleier. Damit wird der ganze Kopf bis zu den Augenbraunen verhüllt,
-ohne daß es den übrigen Theil des Gesichtes berührt. Dafür fällt
-es in zierlichen Falten über Schultern und Rücken, beinahe bis zu
-den Fersen herunter. Dieser Kopfschleier ist nicht immer blau, am
-Rande oft buntfarbig gestreift und mit Fransen besetzt. Ein anderes
-Kleidungsstück, vielleicht das überflüssigste von allen -- -- das
-Gesichtstuch oder der Gesichtsschleier. Diesen stellt ein einige
-Zoll oder die Breite des Gesichts haltender schwarzer Lappen vor,
-welcher nichts als die Augen frei läßt, abwärts aber das ganze Gesicht
-verhüllt, ja manchmal, schmäler werdend, bis zu den Füßen reicht. Was
-der offene Brustschlitz des Hemdes unbedeckt läßt, wird bisweilen mehr
-oder minder kümmerlich von diesem Gesichtstuche verschleiert. Es wird
-durch zwei Bänder befestigt: durch eines, welches in der Quere um den
-Kopf herumläuft, und durch ein anderes, welches zwischen den Augen
-gerade zum Kopfschleier hinaufsteigt. Das letztere Band wird oft auch
-durch eine Kette oder Spange vertreten. Hier schlägt eigentlich der
-Putz seinen Hauptsitz auf. Goldstücke, eines unter dem andern, sind in
-gerader Linie mitten auf das Gesichtstuch genäht. Diese Goldstücke, oft
-christliche Münze, Dukaten z. B., besetzen meist die ganze Länge der
-Gesichtskleidung. Die Araberin lockt die Aufmerksamkeit des Mannes auf
-das Gold über dem Gesichtstuche, als wollte sie damit andeuten, daß
-unter demselben noch mehr Gold glänze. Die Mehrzahl der Weiber trägt
-keine Schuhe. Mit Ringen schmücken die Araberinnen Finger und Ohren.
-Auch sah ich zwei Weiber mit einem großen Ringe am rechten Nasenflügel.
-Es ist ein seltsam Sprichwort: ~Circulus aureus in naribus ejus mulier
-pulchra.~
-
- Die Jüdinnen tragen sich ganz levantisch. Ich konnte sie von den
-Türkinnen nicht erkennen. Die Franken sind am launigsten. Viele
-richten sich nach der Tracht der Morgenländer; Andere halten steif an
-dem Europäer, wieder Andern beliebt ein profosmäßiges Durcheinander.
-Wenige lassen den Bart ganz wachsen, wie hauptsächlich die Trümmer
-des Saint-Simonismus. Klage man noch nicht über die Flatterhaftigkeit
-des Franken in seiner Kleidungsart. Die Tracht ist ein Spiegel der
-Seele. Jeden Weg, welcher in diese führt, muß der Beobachter willkommen
-heißen. Wenn wir gerecht sein wollen, müssen wir im Allgemeinen +die
-Flatterhaftigkeit des Frankengeistes+ anklagen, der als ein wahrer
-Proteus erscheint. -- Die Griechen verläugnen sich ungleich weniger,
-als die Franken.
-
-
-Speisen und Getränke.
-
-Das Brot macht eine Hauptspeise auch der Araber aus. In Alexandrien
-findet man recht schön weißes und schmackhaftes (gesäuertes) Brot
-(~pane Francese~), welches aber vom Araber bloß als Leckerbissen
-genossen wird. Sein gewöhnliches Brot ist von schlechter
-Beschaffenheit. Er nimmt zermahlene Gerste oder anderes Mehl, knetet
-bloß mit Wasser einen Teig in einem großen, dicken Napfe, und bäckt
-denselben, in Form eines großen, flachen Kuchens, in der heißen Asche.
-Dieser Kuchen wird für eine Mahlzeit gebacken und meistens warm
-genossen. Er ist nicht unschmackhaft, doch etwas schwer verdaulich.
-Besser, als dieses grobe Hausmannsbrot, aber minder fein und weiß als
-das ~pane Francese~, ist jenes egyptische Brot, welches arabische
-Weiber, z. B. in Alexandrien, mittelst einer breiten Unterlage auf dem
-Kopfe in den Gassen herumtragen, und unter Anpreisungen: „Kauf Brot, es
-ist schön und gut“, feil bieten.
-
-Die eigentliche Hauptnahrung der dürftigern Klasse sind Datteln,
-Feldbohnen (Fûl) und Mais, letzterer als Sange, indem er ohne Weiteres,
-wo es angeht, in dem Ofen gesengt (geröstet) und dann abgespeist wird.
-Als eine häufige Nahrung dienen auch Zwiebeln und Rüben oder Rettiche.
-Beide werden frisch genossen. +Alpinus+ nennt vor allen Speisen saure
-Milch und das gekochte Zuckerrohr.
-
-Wenn man delikater essen will, so greift man nach Gallerte (Sulze),
-viereckigen oder runden, fetten Kuchen, auch nach kleinen Stücken
-fetten Fleisches, die, mit Petersilie durchwürzt, über dem Feuer
-geröstet werden u. dgl. Hühner werden viel gegessen[17]. Die Würste
-sind von schlechtem Geschmacke, die Zuckerbrote dagegen vortrefflich.
-Von Pillau (in kochendem Wasser erweichter und dann mit Butter
-gewürzter Reis) hörte ich, wo nicht selten, doch nicht häufig. Der
-inländische Reis enthält zugleich viel beigemischtes Salz, entweder
-des Gewichtes, oder der bessern Erhaltung willen. Man muß ihn daher,
-vor dem Kochen, fleißig schwemmen, und wäscht man das ausgeschwemmte
-Salz, so nimmt dieses eine sehr schöne weiße Farbe an, und eignet sich
-vortrefflich zum Gebrauche. Das käufliche Salz ist von schmutzig gelber
-Farbe und unrein. Die Milch ist gut; die Abendländer aber behaupten,
-daß sie zu fett für sie sei. Häufig wird Milch genossen, nachdem sie
-künstlich gesäuert, und zum Schlottern gebracht worden. Die Butter
-schmeckt gut; man darf nur das Salz auswaschen, ehe man sie genießt.
-Wie bei uns der Maibutter, so wird in Egypten der Christmonat- oder
-Jennerbutter der Vorzug eingeräumt. Der Käse mürbe, schmackhaft, aber
-übersalzen.
-
-Der Araber ißt im Ganzen wenig und frugal, sagten die Alten, und
-diese Frugalität hat sich bis auf heute erhalten. Das Rauchen bleibt
-immer seine Hauptsache. Gebietet er über die volle Pfeife, so gibt er
-sich zufrieden, wenn er vor dem Einschlafen nur wenige Rettiche zu
-zerbeißen hat. Die meisten Speisen werden kalt genossen, ohne Löffel
-und Gabel. Die gelenkigen Finger müssen diese ungelenken Werkzeuge
-vertreten. Man darf die Einfachheit tadeln; aber man muß dann zugleich
-die vielfältigen Bedürfnisse und ihre strenge Herrschaft loben. Wenn
-irgend eine Regel sich aufstellen ließe, so speist der Araber bei
-Sonnenaufgang, bei Sonnenhöhe und nach Sonnenuntergang.
-
-Unter den +Getränken+ steht das schlammige Nilwasser oben an. Es
-wird aus dem Nile geschöpft, und in Menge getrunken, ohne vorher
-gereinigt zu werden. Es war zur Zeit meines Aufenthaltes, nämlich zur
-Ueberschwemmungszeit, im Glase gelblichweiß. Filtrirt man es, was bei
-den Großen geschieht, so wird es lauter und farblos. Es gibt in vielen
-Häusern Krüge (Bardâka), welche, von einer besondern Erde gebildet, die
-Eigenthümlichkeit besitzen, daß sie das Wasser langsam durchsickern
-lassen. Dadurch wird es kühl und angenehm. Das Nilwasser wird aus
-dem Flusse auf dem Rücken der Kameele in die zahlreichen Zisternen
-Kairo’s geschafft, und aus diesen können es die Einwohner unentgeltlich
-holen[18].
-
-Man wähne übrigens nicht, daß die Araber sich des berauschenden
-Getränkes gänzlich enthalten. Ein solches heißt +Bỏsa+ oder +Busa+,
-eine Art Bier, das aus Getreide gegohren wird. Es ist von Farbe
-weißgrau und schäumt wie Bier, wenn man es rasch rüttelt. Mit dem
-Bỏsa berauschen sich Viele. +Salomo Schweigger+ sagt vom „Bỏsa“,
-daß es ein gedörrtes, mit Wasser angerührtes Griesmehl sei, und von
-Türken, wie Egypziern getrunken werde. Nach +Prosper Alpinus+ ward
-„Bỏsa“ aus Lülchmehl (~farina loliacea~), aus Hanfsamen und Wasser
-zu einem Getränke oder zu einem Teige bereitet, und es soll in einem
-gleichen oder noch höhern Grade als Hanfkraut (Assis) einen Zustand
-der Berauschung, der Entzückung und süßer Träumereien herbeiführen.
-Zum feierlichen Konstantinopler-Umzuge vom Jahre 1582 gehören die
-+Bosatschi+, so einen graulichen Trank von Brei wie ein Bier machen;
-den Laden zogen zwei Ochsen, worin ein Knabe den Brei oder Hirsen
-rieb, der andere das Bỏsa oder den Trank bereitete. Gleichermaßen wird
-nach +Tavernier+ das „Bỏsa“ mit Hirsen zubereitet und macht, sagt er,
-einen Rausch wie der Wein. Allein nach +Burckhardt+ ist Durra der
-Lieferungsstoff zum Busa.
-
-Wein oder Branntewein trinkt der gemeine Araber nicht oder selten,
-wohl aber der vornehmere Mohammetaner, am liebsten geheim. Ich sah
-einen solchen in einer +fränkischen+ Wirthschaft, in welcher beinahe
-nur Franken einkehren, so gewandt den Spiritus trinken, daß ich mich
-bewogen fand, mich über den Mann zu erkundigen, und ich vernahm, daß
-er regelmäßig zuspreche. Es verdient Erwähnung, daß mir auf der Fahrt
-von Alexandrien nach Kairo nichts gestohlen wurde, als eine halbe
-Flasche Rhum, mein ganzer Rest. Ich sah zwar während derselben keinen
-Barkenknecht nach dem geistigen Getränke langen, oder sich damit
-berauschen, welche Enthaltsamkeit den Europäer angenehm überraschte;
-selbst als man mir einen kranken Barkenknecht vorstellte, und ich
-ihn Rhum trinken hieß, so geberdete er sich ziemlich unwillig, und
-schluckte möglichst in Duodez. Indessen konnte die Lüsternheit im
-Verborgenen nicht gefehlt haben. Ueberall wird der Damm, welcher
-der Trunkenheit wehren sollte, eingerissen. Sollte man es nicht dem
-Schöpfer klagen, daß er den Menschen Vernunft gab, weil sie, nur
-vermöge dieser himmlischen Gabe, so viel Mittel erdenken können, um
-dieselbe in ihrer Thätigkeit zu verirren oder zu hemmen?
-
-Von einem echt morgenländischen, und wenn auch nicht unter den Fellah,
-doch unter der wohlhabendern Klasse sehr häufigen Getränke will ich so
-eben besonders reden.
-
-
-Kaffeehäuser.
-
-Es gibt sehr viel Kaffeehäuser. Ich besuchte dasjenige, welches nach
-fränkischer Weise eingerichtet war. Im Vorübergehen konnte ich wohl die
-egyptischen sehen. Sie liefern aber, ihrer Einfachheit willen, wenig
-Stoff zum Beschreiben. Sähe man nicht einen Kochofen und die rauchende
-Kaffeeschale, so würde man das Kaffeehaus verkennen; man müßte vielmehr
-glauben, daß die Leute nur deßwegen den einsamen Diwan belagern, um
-Tabak zu rauchen. Allerdings ist in einem Kaffeehause das Tabakrauchen
-nicht das Geringste, und der Egypzier läßt sich nicht minder gern mit
-Pfeife und Tabak bedienen, als mit Kaffee. Die Morgenländer genießen
-den Kaffee ohne Milch und ohne Zucker. Die Franken heißen einen solchen
-Kaffee türkischen (~alla Turca~).
-
-Der Genuß des Kaffees ist in einem großen Theile der Welt gleichsam
-zum Bedürfnisse geworden, und tausend +Napoleone+ wären wahrscheinlich
-nicht im Stande, ihn vom Erdballe zu verbannen. Und doch haben unsere
-alten Vorväter vor nicht einmal anderthalb Jahrhunderten ohne den
-Kaffee gelebt.
-
-Es macht ungemein viel Spaß, wenn man über den Kaffee, als ein den
-Abendländern unbekanntes Getränke, in den Beschreibungen derjenigen
-lieset, welche Egypten und Konstantinopel gegen Ende des sechszehnten
-und zu Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts besucht haben.
-
-Ich führe zuerst +Salomo Schweigger+, welcher im Jahr 1581 in Egypten
-war, redend ein: Ein anderes Trank wird +Chaube+ genannt, welches man
-in den Tabernen ausschenkt, ist schwarzbraun von Farbe. Das gebrauchen
-Etliche des Morgens. Da versammeln sich viel Türken (des Egyptenlandes)
-vor der Taberna, lassen ihrer etliche in einer Kumpanei ihnen eine
-Schale oder ein irdenes Schüsselein voll nach dem andern hergeben. Das
-trinken sie nach einander fein höflich aus, so heiß, als sie es mögen
-erleiden. Gleichwie das deutsche gemeine Volk den Branntewein oder
-Wermuthsgeist des Morgens trinkt, also soll jenes auch den Magen zu
-erwärmen dienstlich sein.
-
-+Prosper Alpinus+, welcher im nämlichen Jahre, gleich auf +Schweigger+,
-nach Egypten kam, gibt eine genaue Beschreibung von dem Absude
-(~decoctum~) +Chaova+. Sehr häufig im Gebrauche, sagt er, ist der Absud
-+Chaova+, welchen man aus gewissen schwarzen, den Bohnen ähnlichen
-Samen zu bereiten pflegt. Er wird übrigens auch aus den Samendecken
-bereitet, und im letzteren Falle zeigt er sich kräftiger. Die
-Bereitungsart ist folgende: Man nimmt anderthalb Pfund von den Hüllen
-befreite Samen, röstet diese ein wenig über dem Feuer und siedet sie
-in zwanzig Pfund Wasser, während Andere von den gerösteten und in
-kleine Stücke zerbröckelten Samen einen Aufguß machen und solche einen
-Tag lang am Wasser stehen lassen, diejenigen aber, welche die Samen
-ohne Aufguß behandeln, die Hälfte Wasser einkochen. Die durchgeseihte
-Abkochung dient in wohl verschlossenen irdenen Gefäßen zum Gebrauche.
-Werden die Samendecken abgekocht, so nimmt man davon sechs bis neun
-Unzen auf zwanzig Pfund Wasser, wovon die Hälfte eingekocht wird. Der
-Same heißt +bon+, und den Baum, welcher ihn trägt, sah ich in dem
-Garten eines türkischen Bei, wohin er aus Arabien verpflanzt war. Die
-Egypzier sind dem +Chaova+ nicht minder leidenschaftlich ergeben, als
-die Franken in ihren Kneipen dem Weine.
-
-In der „Hoffhaltung des Türckhischen Keysers,“ worin ein im Jahr 1582
-zu Konstantinopel gehaltener feierlicher Umzug beschrieben wird, heißt
-es: „Die +Caahuetschi+, so einen schwarzen, warmen Trank verkaufen,
-welcher zu Verdauung der Speisen, +Verhinderung des Schlafes+ und der
-Traurigkeit dienen soll, mit rothen und weißen Fahnen, darinnen etliche
-Buchstaben. Zwei und dreißig haben Verehrung getragen; der andern,
-Knaben, jungen Leute und Meister, sind in die zweihundert gewesen.“
-
-+Johann Jakob Ammann+, welcher im Jahr 1612 in Konstantinopel
-weilte, läßt sich dahin vernehmen: „Auch haben die Türken noch andere
-Wirthshäuser, darinnen die Wirthe nichts Anders geben, als schwarz
-Wasser zu trinken, von ihnen +Gahwe+ und von Arabern Lorbeeren genannt,
-welches mehrentheils von Gerste und andern Sachen gemacht wird. Sie
-kochen ganze Kessel voll, pflegen es den Gästen in kleinen irdenen
-oder porzellanenen Schüsseln siedheiß zu geben. Solches trinken die
-Türken, wie auch die Araber, so warm sie immer können, jederzeit ein
-Schlücklein auf einmal, bis es aus ist. Welches gar ein gemeiner Brauch
-bei ihnen, dieses Wasser zu trinken, bei Tage, wie auch Morgens und
-Abends. Etwa bei fünfzig mehr und minder sitzen da und dort beisammen;
-währet oft lang mit Trinken, Reden und Konversiren; wird aber Keiner
-von dem gedachten Wasser betrunken. Sie vermeinen, es trockne die
-Flüsse auf, und sei gar ein gesundes Wasser.“
-
-Ich vergesse des +Adam Wenner+ nicht, welcher im Jahr 1616 nach
-Konstantinopel gereiset ist. „Die Kafuannen,“ sagt er, „sind Häuser,
-in welchen schwarz Wasser gesotten und von Türken und Andern täglich
-warm getrunken wird, so dem Magen und sonst sehr dienlich. Sie sitzen
-gemeiniglich einen halben Tag dabei, spielen im Schach und Bret
-(darinnen sie trefflich erfahren), aber um kein aufgesetzt Geld,
-sondern wer für den Andern die Zeche zahlt. Eben an solchen Orten
-finden sich auch Personen, welche unterdessen von ihrer Kaiser und
-anderer Vorfahren Thaten, auch Historien öffentlich lesen, und hernach
-deßwegen von den umsitzenden Zuhörern etwas Geld bekommen.“
-
-Wie mühsam mußte man ehemals thun, um sich den Abendländern
-verständlich zu machen, daß von Kaffee die Rede sei. Dieser Fremdling
-war damals ein selten Ding in der großen Schatzkammer der Gelehrten,
-und jetzt kennt ihn jedwedes Kind. Haben +Rauwolf+ und +Schweigger+,
-+Alpinus+ und +Ammann+, +Wenner+ und Andere geahnt, daß das schwarze
-Wasser einst eine Weltherrschaft ausüben, und die besorglichen Aerzte
-des Abendlandes dasselbe beklagen werden? Die Götter allein entziffern
-die Zukunft.
-
-
-Schneller Justizgang.
-
-In Egypten wird gerichtet und sogleich vollzogen. Das hat wohl sein
-Gutes, aber auch sein Schlimmes. Durch den +langsamen+ Gang der Justiz
-windet sich am Ende mancher Schuldige hinweg, und im +kurzen+ Gange
-wird mancher Unschuldige erdrückt.
-
-Ein Deutscher geht mit einer Flinte auf die Jagd. Auf dem Wege
-bleibt er in einer Nilbarke über Nacht. Er legt seine Flinte neben
-sich. Morgen ist sie nicht mehr. Er wendet sich an die Polizei; der
-Barkenführer (el-Reis) mit ihm. Der Polizeidirektor läßt auf den
-Vortrag des Franken, ohne weitere Umstände, dem Barkenführer hundert
-und zwanzig Hiebe auf die Fußsohlen messen, weil er nicht besser für
-das Eigenthum des Reisenden gesorgt habe, und es kaum möglich sei, daß
-ohne sein Einverständniß hätte etwas gestohlen werden können. Zugleich
-muß der Reis für den Schaden einstehen.
-
-Das ist ein Beispiel von dem schnellen egyptischen Justizgange; der
-Fall ereignete sich eben während meines Aufenthaltes in Kairo.
-
-Die Sache von geringem Belange richtet und exequirt der Franke selbst.
-Hochmüthig treibt er sich ordentlich in Kairo mit der Peitsche herum,
-und traktirt damit den Araber, sobald dieser ihm nicht den Weg
-räumt. Lebt in Egypten nicht noch die alte flotte Zeit der deutschen
-Studenten, welche eben so hoch über die obskuren Philister trabten?
-Andere Male regalirt der Franke mit Stockschlägen, mit Ohrfeigen oder
-Fußstreichen. Kaum wehrt sich der Araber dagegen; viel weniger würde er
-Gleiches mit Gleichem vergelten. Wie müssen die Leute gesunken sein,
-welche, der Zahl nach, die Herrscher des Landes sein könnten, und sich
-von Fremden, ich will nicht sagen, von Andersgläubigen, auf eine Weise
-mißhandeln lassen, wie man in Europa nicht überall die Thiere behandelt.
-
-
-Der egyptische Tanz.
-
-Man machte früher viel Aufhebens von den Bajaderen. Man bekommt sie
-heutzutage minder oft zu sehen. Gleichsam ein Spiel des Zufalles rief
-mich auf den Schauplatz des so seltsamen Tanzes.
-
-Ein arabisches, züchtig gekleidetes Mädchen oder, wenn ich der
-Versicherung trauen darf, gar ein Soldatenweib stellte sich in die
-Mitte des Zimmers. Es wollte seinen Gesichtsschleier nicht lüften,
-denn ein häßlicher Mund versäuerte das sonst süßliche Gesicht.
-Nirgends zeigt man dasjenige gerne, was eine vortheilhafte Meinung
-trüben könnte. Die Hände stemmte die Tänzerin auf die Flanken des
-Leibes. Nun bestand der Tanz darin, daß das Mädchen die Hüften rasch
-in die mannigfachsten Bewegungen setzte, während der Körper, so viel
-als möglich, steif gehalten wurde. Dieß nahm ein ganz sonderbares
-Aussehen an, und ich mußte die eigenthümliche Art, das Becken zu
-bewegen, in der That bewundern. Der Schein meiner Bilder blieb weit
-hinter der Wirklichkeit zurück. Diese Bewegungen kosteten gewiß
-Mühe und Anstrengung[19], letztere augenscheinlich in dem Maße, daß
-den tiefbraunen Grund des Gesichtes ein dunkles Blau überflog. Mit
-den Füßen machte das Mädchen wenig Bewegungen, nicht einmal viel
-trippelte es, und nicht das Kreisende zeichnet den egyptischen Tanz
-aus. Die Bajaderen singen wohl auch; unsere ließ sich selten hören. Ein
-ältliches Weib pauckte mit ausgelassenen Geberden und schmetterndem
-Sange einen Tambour zum Tanze.
-
-Nachdem die junge Bajadere ihre Rolle geendet, wollte auch die ältere
-Matrone eine übernehmen. Sie schürzte den Rock ein wenig auf, und
-gürtete ihn also um den Leib. Wie wahnsinnig trieb sie den Schooß nach
-allen Richtungen. Das Alter schützt vor Thorheit nicht. Jetzt bedurfte
-ich nicht des Mehrern, um mich von dem Unanständigen des Tanzes
-vollkommen zu überzeugen.
-
-Noch unanständiger erscheint der Tanz beim Manne. Er schürzt ebenso den
-Rock auf, und rüttelt auf gleiche Weise das Becken. Derjenige Tänzer,
-welcher seine Fantasien auf unserer Nilfahrt zum Beßten gab, führte
-auch ein Stöckchen in der Faust, und Männer an der Reihe klatschten mit
-den Händen den Takt.
-
-Wenn der Fremde diesem Beckentanze zuerst zuschaut, so kann er Anfangs
-wohl das Lachen nicht verhalten. Nachher gewinnt er Zeit, seine
-moralischen Betrachtungen anzustellen.
-
-Ich möchte den egyptischen Tanz nicht verlassen, ohne einer
-Merkwürdigkeit aus dem Jahre 1582 zu gedenken.
-
-An dem mehrerwähnten großen Prachtzug, zu Ehren des neubeschnittenen
-kaiserlichen Prinzen +Mehemet+, schloß sich der Dulumtschi-Pascha
-oder der Hauptmann der Fünfhundert mit den geschmierten Ziegenhäuten.
-Er entblößte sich oberhalb des Gürtels, entkleidete sich bis aufs
-Hemde, geberdete sich seltsam mit Kopf und Augen, Händen und Füßen.
-Hierauf zog er das Hemde über den Kopf, machte in dünnen leinenen Hosen
-seltsame Sprünge, tanzte, zog den Bauch bald ein, bald trieb er ihn
-hervor, warf die Hüften hin und her, daß es schändlich und abscheulich
-zu sehen war. Allein die Türken fanden daran Wohlgefallen, lachten
-des Tänzers und lobten ihn. Es wäre freilich voreilig, von dieser
-Einzelnheit auf den sittlichen Karakter überhaupt zu schließen. Große
-Volksfeste haben jederzeit einzelne Ausbrüche von Rohheit in ihrem
-Gefolge.
-
-
-Der Brautzug.
-
-Voran lärmen Tambour und Pauken. Hier Männer, dort Knaben, hier
-ein Halbblinder, dort ein Zerlumpter schlagen darauf los: Alle in
-Unordnung, in ungleicher Reihe, in ungleichem Schritte, ohne Ernst,
-herumgaffend, und die Knebel oder Stäbchen scheinen ohne Takt auf die
-Felle zu fallen, wie die Regentropfen auf die Erde. Im Reiche der
-Töne Mangel an Takt, wie an den Gebäuden Mangel an Ebenmaß. Daß dem
-Egypzier etwas gefalle, muß es ein Spiel der Einbildung sein, das
-kaum Schranken kennt. Jetzt kommen hübsch geputzte Knaben in besserer
-Reihe, in geschlossener Ordnung. Sie tragen schönfarbige Krüge von
-antiker Form. Daraus sprengen sie wohlriechende Flüssigkeiten; so das
-Rosenwasser, welches, wie frische Rosen im Garten, den süßen Geruch
-düftet. Die Weiber mit ihren Lappen über das Gesicht, diese Masken
-schreiten zierlicher daher, je zwei neben einander, eines mehr wie das
-andere bestrebt, damit hochlaut aus ihrer Kehle das Freudengeschrei
-erschalle, welches dem Froschgequak am Nile oder dem Laute ähnlich ist,
-wenn bei uns die Kinder, die Stimme erhebend, mit dem Finger über die
-etwas hervorgestreckten Lippen auf- und abwärts klimpern. Je näher
-dem Traghimmel, desto schmuckreicher die Weiber; ihr Gesichtsschleier
-prangt von größern und kleinern Goldstücken, und sie heben ihre
-Arme aus den weiten, faltigen Seidengewändern, gleich dem Priester,
-welcher das Volk benedeit. Einen runden Wedel, auf dessen einer Seite
-die Eitelkeit ein Spiegelchen anbrachte, hält ein Weib in der Hand.
-Es bietet alle seine Rührigkeit auf, damit die Braut zu befächeln.
-Andere Weiber spritzen wohlriechende Flüssigkeiten. Männer mit kleinen
-Stäben gebieten und schaffen zur Seite links und rechts Ordnung. In
-der Mitte zwei schön gekleideter Weiber, unter dem von vier Männern
-getragenen blutrothen Baldachin +erblickst du die Braut+. Der Europäer
-möchte gern ihre Schönheit bewundern. Vergeblich; sie ist in einem
-rothen Schleier so ganz und gar verhüllt. Den Kopf kleidet fürstlich
-ein kronartiger Aufsatz. Um die Stirne und das Gesicht drängt sich
-ein Goldstück an das andere, ein Edelstein an den andern; die Braut
-legt mit morgenländischer Ueppigkeit hier Alles zur Schau, was sie
-nur Glänzendes auftreiben konnte. Geblendet von den ausgehängten
-Kostbarkeiten, wünscht man beinahe nicht weiter zu schauen, obschon
-das Geheimnißvolle die Neugierde stachelt; denn man fürchtet, bei
-gelichtetem Schleier, mit getäuschter Phantasie das Auge wegwenden zu
-müssen. Hinter dem Baldachine schalmeien sie in das Getümmel der Pauken
-und Tambour. Langsam schreitet der Zug, aber immer noch rasch für das
-neugierige Auge, um das Mannigfaltige aufzufassen.
-
-Wenn der Zug mehr oder weniger pompös ist, so gibt es noch manche
-Zugaben und Anderes mangelt.
-
-Einmal gerieth der Brautzug ins Gedränge in einer ziemlich schmalen
-Gasse; denn es kam ein langer Zug Kameele, deren Ladung am Bauche
-wie ein Kobold hin- und herpurzelte, und durch ihre Gespenstergröße
-die Gasse buchstäblich mehr als halb füllte. Ich befand mich eben
-am Baldachine, und die kleine Braut rückte mir nahe. Nur ihre Nase
-prägte sich unter dem anliegenden, rothen Schleier aus. Die Sonne
-lauerte fortwährend hinter dem rosigen Gewölke. Auf der Stelle ward die
-Bedrängte von dienstbaren Geistern umringt, und ein Schwarm von Fingern
-flog auf den Kopf, seinen Putz zu halten, nicht anders, als führe man
-eine Glasfigur herum, die man an dieser gefährlichen Stelle mit allen
-Händen beschirmen müsse, auf daß sie ja nicht breche.
-
-An der äußerst reich ausgeschmückten Mohammetanerin fiel mir ein
-goldenes Kreuz auf, welches von der Stirne herunter hing. Dieser
-Theil des Kopfputzes war wahrscheinlich ursprünglich im Besitze der
-Christen. Putzliebe überwiegt nicht selten sogar religiösen Skrupel.
-Die Mohammetanerin fragt wenig nach der Form, wenn nur Glanz, nur Gold,
-nur Flitter. Sie versteht die mit Brüchen rechnende Engherzigkeit
-mancher Protestantinnen nicht, welche, Gott weiß, wie tief sie in die
-Finsterniß des Papstthums plötzlich gerathen würden, wenn sich einmal
-ein Kreuz auf ihre Stirne verirrte.
-
-Wo der Brautzug aufhörte, und wie die weiteren Festlichkeiten waren,
-dessen war ich nicht Zeuge, und das ist der Grund, warum ich nicht
-davon rede.
-
-
-Der Leichenzug.
-
-Knaben mit fröhlichen Mienen gehen voran in Reihe und schlagen
-Liedeslärm. Ihnen folgen blinde Männer, Hand in Hand, mit vereintem
-Gesang, ohne Sinn für einen geregelten Zug. Drei Männer tragen
-hier einen vierkantigen, dort einen mit einer Firste versehenen
-fünfkantigen, so flüchtig verfertigten, breternen Sarg, daß der Blick
-in die Fugen unschwer sich stiehlt. Von ihm erhebt sich ein Turban,
-auf dem Sarge das Kreuz des Mohammetaners. Liegt ein Mann in den
-Bretern, so werden sie mit einem rothen Tuche umwunden, beim Weibe --
-drängt sich dessen Kopfschmuck darum. Hinter dem Sarge selten ein
-Mann, aber Weiber, verwandte und bekannte, voll bitterer Klagen über
-den Verlust. Die Hände und das Gesicht dieser Klageweiber sind, zum
-Zeichen der Trauer, blau gefärbt. Am Nile das Trauerblau, bei uns
-das Trauerschwarz, anderwärts das Trauerweiß, -- was ist denn die
-Trauerfarbe? Ein hellblaues Tuch, um in der Schilderung fortzufahren,
-umflattert über dem gewöhnlichen Schleier den Kopf, -- und ein blaues
-Tuch, an den Zipfeln mit beiden Händen fassend, schleudern die
-Klagefrauen mit gellendem Schrei gegen den Sarg, als wollten sie dem
-Sensentrager die Beute abringen. Nur die weiblichen Verwandten tragen
-die blaue Trauerfarbe, kein einziges Trauerzeichen die Uebrigen.
-
-Ach, der Todte bleibt todt, todtenbleich und todtenstarr, mögen ihm die
-Einen leise nachweinen oder laut nachschluchzen, die Andern gellend
-nachschreien.
-
-In Alexandrien hörte ich von einem Hause herab zuerst den unvergeßlich
-gellenden Lärm; ich wußte nicht, ob von einigen verrückten oder im
-Zanke begriffenen Weibern. Ich stand wie verdutzt da, als man mir die
-Erscheinung dahin aufklärte, daß darin eine Person gestorben wäre, und
-daß, zur Bezeugung der Trauer, so lange in demselben Hause geschrieen,
-bis sie daraus getragen wurde. Es wäre manchmal an einem Trauerfalle
-so genug, daß man diesen nicht überlaut verkündigen oder amplifiziren
-dürfte.
-
-
-Der Straßensänger.
-
-Da steht ein Jüngling, der mit der einen Hand das Ohr zuhält, mit der
-andern dann und wann hinter den schwarzbraunen Nacken fährt. Er scheint
-+Galls+ Tonorgan nachfühlen zu wollen. Er trägt eine Mütze und eine
-Jacke, weiter aber keinen Faden am Leibe. Das ist ein Sänger in einer
-der Hauptstädte des osmanischen Reichs.
-
-Die Stimme klang nicht unangenehm; aber wenig Wechsel in der Singweise,
-zum Unglücke verstand ich kein Wort. Ich zweifle nicht, daß Alles
-artig und poetisch gewesen sei; denn es hatte ja sich in dem Sänger
-selbst der Ausbund von Poesie personifizirt. Was ich gut verstand
-und mich zum herzlichen Lachen rührte, war das Gekrähe eines jungen
-Hahns, das Gebell eines Schoßhündchens und das Gefauche einer Katze,
-welche anmuthigen Töne der Virtuose nach jeder Strophe vortrefflich
-nachahmte. Die Nachahmung der Thiere ist freilich mehr ergötzlich, als
-des Menschen würdig.
-
-Der Europäer meinte in Egypten, er lebe in einer ganz andern Welt,
-wenn ihn nur zur rechten Zeit und zur Unzeit, mit Erlaubniß zu sagen,
-die Flöhe und die Wanzen nicht stächen, wenn nur die Sonne viereckig
-und der Mond hornlos, das Feuer kalt und das Wasser trocken wären,
-wenn nur, worauf es eben jetzt ankommt, nach einer andern Melodie die
-Hähne krähten, die Hunde bellten, die Katzen fauchten; aber sogar
-die egyptischen +Menschen+ kennt der Europäer auf dem Resonanzboden
-Europas, wenn sie schwatzen, wie die egyptischen Hähne, Hunde und
-Katzen. Dagegen liefert Europa manchmal Konterfeie seiner selbst,
-welche dem Urbilde gleichen wie John Bull einem Känguruh.
-
-
-Der Versteigerer.
-
-Um etwas dem Meistbietenden zu überlassen, sind in Europa erst lange
-Berathungen, Edikte, Zeitungen, Lizitazionskommissarien nöthig. Niemand
-versteht besser, auf krummem Wege das Ziel zu verfolgen, als der
-Abendländer.
-
-Ein Araber ging in die Frankengasse, in der Hand ein Hausgeräthe, womit
-er die Schaulust möglichst reizte, und rief den Preis desselben mit
-lauter Stimme aus. Er hört aus einer Bude ein Gebot; er wiederholt es;
-aus einer andern Bude vernimmt er ein höheres Gebot; er wiederholt
-auch dieses. Hin- und herrennend, als hätten ihn die Bremsen angebohrt,
-wiederholt er die Gebote, bald in arabischer, bald in italienischer
-Sprache. Sobald die Gebote nicht höher steigen, und das höchste dem
-Versteigerer anständig ist, so überläßt derselbe den Gegenstand dem
-Meistbietenden. Hier befindet sich der Araber in der That auf dem
-rechten Flecke, wo es ihm denn trefflich zu Statten kommen mag, daß er
-so gerne lärmt und schreit.
-
-
-Der Barbier.
-
-Es ist ein kurios Ding um den Bart, daß er am Antlitze des Mannes zur
-Schererei entsprossen sein soll.
-
-Die bessern Barbierstuben Kairos sind prächtig ausgestattet. An die
-Wände lehnen sich unbewegliche Reihen schnörkelhafter Sitze von hartem
-Holze, wie in einem Kirchenchore.
-
-Da zwängt man Einem den Kopf über die Brust, um die Schwarte nackt zu
-scheren; dort wird die Lippe straff angestreckt, um die Mundwinkel
-auszuputzen, dort der Kopf rücklings umgebogen, über dem Adamsapfel
-einen Streifen wegzubarbieren. Wenn in einer Stube Mehrere barbiert
-werden, so machen die Köpfe so verschiedene Richtungen, als wären sie
-aufs allergutmüthigste illuminirt. In den Barbierstuben wird man nicht
-in hockender Stellung rasirt, wohl aber auf den Gassen. Der Barbier
-schneidet die Stoppeln völlig auf der Haut, schier wie ätzend, und
-er versteht in Summa seine Kunst meisterhaft. Leicht handhabt er das
-scharfe Messer, es bald auf- bald abwärts, bald seitwärts führend
-über fast alle Theile des Kopfes. Jeder mag sich im runden Spiegel,
-welcher, in einen schmucken Rahmen gefaßt, von dem Barbier mit
-Selbstzufriedenheit unfehlbar dargeboten wird, selbst überzeugen, ob
-ich in guten Treuen schilderte.
-
-
-Der Lagerstellenmacher.
-
-Die Lagerstellen der Egypzier haben etwas eigenthümliches, da sie
-gleich einem Käfiche zusammengestäbelt sind. Lagerstellenmacher, wie
-hier, dürften in Europa schwerlich gefunden werden. Die Noth schuf im
-Nilthale die Eigenthümlichkeit; es gebricht an größerm Holze, welches
-den Hobel zuläßt.
-
-Der Lagerstellenmacher besitzt keine Bude; er begnügt sich, in dem
-Winkel einer Gasse oder sonst wo zu hocken. Ein Schneide- und ein
-Hohlmesser sind seine Werkzeuge. Mit ersterm schnitzelt er die
-Holzstäbchen etwas zurecht, und gibt ihnen die gehörige Länge; mit
-letzterm schlägt er Oeffnungen, dadurch die rundlichen Stäbchen zu
-ziehen.
-
-Kein Pinsel beleidigt je diese Lagerstellen. Sie tragen den Schweren,
-wie den Leichten, den Müden wie den Muntern, den Schlafenden wie
-den Wachenden; dem Sünder aber nehmen sie die Last seines Herzens
-ebenso wenig ab, auf daß ihn eher der sanfte Schlaf erquicke, als die
-europäischen köstlichen und bequemen Bettstellen solch ein Wunder zu
-bewirken vermögen.
-
-
-Der Glaser.
-
-Als ich die Einsetzung von Scheiben verlangte, kamen zwei Menschen,
-ein gesetzter Mann und ein Jüngling von etwa sechszehn Jahren. Der
-Kontrakt in Betreff der Scheiben war bereits geschlossen. Wer sich eine
-Bedeutung geben will, muß doch die Kleinigkeiten umständlich behandeln.
-
-Der Glaser ließ sich auf den Boden nieder; der Gehülfe ihm gegenüber.
-Sorgfältig schlug jener die hölzernen Nägel aus den Fensterrahmen.
-Er arbeitete langsam, aber sicher; so war sein Augenmaß. Statt eines
-Diamants bediente er sich eines Bröckchens Granit. Wenn dieser nicht
-tief genug schnitt, so führte er ihn auch über die Rückseite des
-Glases. Dann ballte er die rechte Hand, nahm die Scheibe zwischen den
-Zeigefinger und den auslangenden Daumen, und drückte solchergestalt
-mit Behutsamkeit abwärts, um das Glas über den Riß abzubrechen. Dieß
-gelang ihm freilich nicht, daß er eine schöne, ebene Linie bekam, doch
-brach er auch nicht fehl.
-
-Ich glaube, der beste europäische Glasermeister würde mit einem solchen
-Hülfsmittel kaum besser das Glas gebrochen haben. Es ist immer eine
-Kunst, mit Wenigem gehörig auszureichen.
-
-
-Der Schuhmacher.
-
-Ohne eine lederne oder tüchene Schürze, ohne pechschwarze Hände
-+sitzt+ der Schuhmacher auf einem niedrigen Stuhle vor einem runden,
-ebenfalls niedrigen Tische, welcher der Querabschnitt eines Baumstammes
-und auf drei breite Füße gestützt ist. Die Schuhleisten weichen von
-den europäischen kaum ab, wenn nicht darin, daß sie, ohne den Moden
-unterworfen zu sein, alle spitz sind. Wie oft wird der europäische
-Schuhmacher durch die Modesucht Anderer geplagt, und wie ruhig kann
-deßhalb der egyptische schlafen. Der Flattersinn der Modenjournalisten
-erzeugt fürwahr eine Menge Qualen.
-
-Mit einem Stücke Messing, welches die Form eines Mörserpistills, nur
-eine breitere Birne zum Schlagen hat und kürzer ist, werden Leder
-und Nähte geklopft. Flink schneidet dasselbe mit einem leichten
-Schroteisen der Schuster, der überhaupt mit einer großen Fertigkeit
-arbeitet. Der Mohammetaner näht nicht mit Schweinborsten, weil nach
-seiner Ansicht Alles, was vom Schweine kommt, unrein macht. Den gelben
-und grobkörnigen Stoff oder den Kleister, womit ein Lederstück auf das
-andere gekleibt wird, erkannte ich nicht. Die egyptischen Schuhe sind
-dem Klima angemessen: leicht, halten sie wenig warm, werden aber bald
-durchnäßt.
-
-
-Der Töpferwaarenflicker.
-
-In einem Lande, wo man mit schönen Porzellangefäßen so viel Aufwand
-treibt, ist es oft keine Kleinigkeit, wenn etwa eines bricht. Porzellan
-kommt hoch zu stehen, und so wird leicht erhellen, daß man sich Mühe
-gibt, die Bruchstücke zu einem Ganzen zu vereinigen.
-
-In Europa fehlt es nicht an gutem Kitte für Töpferwaaren; doch hält
-selten einer längere Zeit, und in die Bauernhäuser fand er den Weg noch
-nicht. Sehr pfuschermäßig werden bei uns die Bruchstücke mit einem
-Drahte auf die Weise zusammengeheftet, daß er, nachdem er an beiden
-Enden sich berührt, gezwirnet, und an das Gefäß gedrückt wird.
-
-Was ist denn das für eine Bude? fragte ich mich, als ich darin einen
-Haufen gemalter Scherben, davon die meisten von Porzellan, erblickte.
-Ein Mann hockte an der einen Wand, und bog den rechten Fuß auf den
-linken Schenkel. Er legte eine Scherbe auf die große Zehe, an der
-Stelle, wo er bohren wollte. Ohne jene mit einer Hand zu fixiren,
-setzte er den Bohrer an. Diesen brachte er mit einer Art Geigenbogen
-in Bewegung. Nämlich die Schnur des letztern umschlang den Bohrer
-einmal, ungefähr in der Mitte, und indem der Arbeiter den Bogen hin-
-und herbewegte, drehte sich der Bohrer bald rechts, bald links um
-die Achse. Das Loch ließ der gewandte Handwerker nicht durchdringen.
-Nachdem zu den Seiten des Bruches ein Loch neben dem andern angebracht
-war, wurde der klammerförmige Draht, indem er quer über den Bruch sich
-zog, unter sanften Schlägen eingehämmert. Die Bruch- und Bohrstelle
-bestrich der Tausendkünstler mit einem Kitte, welchen er sogleich
-bereitete. Er knetete bloß Eierklar und Gips ohne Feuer zu einem Teige.
-Ich darf nicht erst beifügen, daß die Hefte beinahe niedlich aussahen,
-und an der innern Seite des Gefässes nahm man sie nicht einmal
-wahr, eben weil die Bohröffnungen nicht durchdrangen. Die fleißige
-Arbeit verfehlt den Beifall nicht, und schiene sie selbst ihrer
-Geringfügigkeit willen keinen Fleiß zu verdienen.
-
-
-Die Missionarien.
-
-Das protestantische Frommthum und Frommthun bewacht Kairo mit nicht
-weniger denn drei Missionarien, und zwar mit lauter Teutschen:
-+Kruse+, +Lieder+ und +Müller+. Ich erblickte in diesem Missionariate
-weniger minder, als protestantischen Luxus. Die vielen Bemühungen,
-bisweilen nicht ohne übertriebenen Eifer, werden äußerst selten mit
-einer Bekehrung belohnt. Auch darf das Christenthum nicht durch die
-Zahl seiner Bekenner nach einem arithmetischen Scheinwerthe gelüsten,
-sondern es soll durch seinen innern Reinwerth glänzen.
-
-Den in Kairo angekommenen und niedergelassenen Fremden aus dem
-Abendlande, mögen die Missionarien nicht überflüssig erscheinen. Wenn
-der Ankömmling nicht gerne in das Gewühl der fränkischen Kumpanei sich
-wagt, so kann er sicher sein, bei diesen Männern gute Gesellschaft
-zu finden. Er leite das Gespräche nur anfänglich so, daß sie ihn
-nicht mit überfrommen Dingen bestürmen. Nirgends stieße man sonst
-auf größeren Kontrast. Dießseits die Jesusherzeleien, jenseits die
-unfläthigste und unzüchtigste Zunge und zwischen zwei Enden -- --
-Einsamkeit und Langeweile, wofern man nicht glücklich genug ist, in
-der Mitte derselben Gleichgesinnten sich anschließen zu können. Mit
-Lehren und Predigen, Briefeschreiben und Diskuriren verbringen die
-Missionarien ihre meiste Zeit. Manchem Abendländer helfen sie auch
-wohlthätig aus der Noth. Der Sonderbarkeit muß ich gedenken, daß das
-Auditorium der Prediger eben auszusterben im Begriffe war, und daß bloß
-noch +zwei Katholiken+, doch mehr aus Liebe zur deutschen Sprache, den
-+protestantischen Predigern+ zuhörten. +Lieder+ macht auch den Arzt
-nach den Grundsätzen der Homöopathie. +Müller+ langweilte mich durch
-seine mystische Deutelei des +Hahnemannianismus+ außerordentlich, und
-ich überzeugte mich aufs Neue, daß die Homöopathie der Mystizismus der
-Medizin ist.
-
-Daß die neuen Apostel nicht bloß lehren und predigen, schreiben und
-diskuriren, liegt in der Natur des Menschen. Ein wohlbestellter Tisch
-wird nicht etwa nur angeschaut, und +Kruse+ ritt einen ebenso schönen,
-als prächtig gesattelten Esel. Es ist ein Zeichen unserer Zeit, daß man
-hie und da die Demuth, gleich einem Kruzifix, in Gold einfaßt.
-
-
-Die Renegaten.
-
-Frankreich schuf die neue Lehre des St. Simonismus. Die Anhänger
-desselben, in ihrem Vaterlande von allen Seiten beunruhigt, ausgelacht,
-verspottet, gehaßt, verminderten sich dadurch, daß ein Theil den
-Wanderstab ergriff. Der Pabst +Enfantin+ und Andere zogen nach Egypten.
-
-Man zeigte mir in Kairo öfter Saint-Simonisten. Sie zeichneten sich
-vor den übrigen Franken durch einen langen Bart aus. Sie führten ein
-ziemlich gesondertes Leben. Auch +eine+ St. Simonistin sah ich, und
-billig machte ich meine Glossen. +Enfantin+ scheint entweder wenig
-gekannt, oder beinahe vergessen zu sein. Wenn ich auch nach ihm mich
-erkundigte, so wollte man doch in der Regel nichts von ihm wissen.
-Nach den Einen lebe er, von dem Geräusche der Städte entfernt, in der
-Einsamkeit; nach einem Andern habe er das Zeitliche gesegnet[20].
-
-Egypten gibt allen Glaubensbekennern Zuflucht, ohne daß es jedoch mit
-der eigentlichen Toleranz, Humanität und Liebe den Andersgläubigen
-begegnet. So werden von den Abendländern die Juden geduldet.
-
-In der neuern Zeit zogen die St. Simonisten deßwegen das Gerede auf
-sich, weil einer um den andern zum Mohammetanismus hinübertrat, ob aus
-Ueberzeugung oder aus Habgierde, oder aus Rache gegen die Christen,
-weiß derjenige, welcher die Nieren der Menschen prüft. Es gibt indessen
-hin und wieder auch andere Franken, welche ihren Glauben verläugnen.
-Ich habe, um mich selbst anzuklagen, mit meiner Toleranz es noch
-nicht so weit gebracht, daß nicht unangenehme Gefühle sich meiner
-bemächtigten, wenn ich einen Renegaten erblickte. Im Falle wirklich
-reine Ueberzeugung als Triebfeder zur Renegazion wirkte, so lasse ich
-mir diese gefallen. Wie schwer hält es aber, daran +zu glauben+, wenn
-man lediglich erwägt, daß die Renegaten die Religion der Zivilisirten
-unsers Erdballs verlassen, um sich zu derjenigen der Halbbarbaren zu
-bekennen.
-
-Ich kannte einen Renegaten, welcher in Verachtungswürdigkeit
-seinesgleichen sucht. Durch die Abschwörung seines Glaubens hoffte er
-steif und fest auf Beförderung. Er sprach von nichts lieber, als von
-einem zu erhaltenden Orden, z. B. wie er die beste Wirkung für das Auge
-thun werde. Er wählte sich ein Weib. Die Hochzeit verschlang seine
-Barschaft. Er wünschte ein hübsches Mädchen. Er bekam, im Sinne der
-Egypzier, eine Vettel. Er verstieß sie. Wenn die Sperlingseele würdig
-wäre, dem großen +Cäsar+ verglichen zu werden, so träfen ihn die
-Worte, deren +Curio+ für diesen Römer sich bediente, daß er der Mann
-aller Weiber und das Weib aller Männer sei (~omnium mulierum virum et
-omnium virorum mulierem~). Mehr darf man nicht sagen, um den niedrigen
-sittlichen Standpunkt anzugeben. +Und das ist ein Renegat+, ein
-gewesener Christ und ein nunmehriger Mohammetaner. Soll die Religion
-dienen, zu irdischem Wohlleben und Glanze emporzuhelfen, so würdiget
-man sie mit ruchlosem Herzen zur Magd roher Sinnlichkeit herab.
-
-
-Müsterchen von Europäern in Egypten, oder ein Porträt über Kairo aus
-Europa.
-
-Zu den pikanteren Dingen, nach meinem Geschmacke, rechne ich den
-Lebenslauf der nach Kairo zerstobenen Europäer. Weil diese Stadt so
-weit von Europa abliegt, so müssen Neigungen und Verumständungen
-seltener Art die große Reise veranlassen.
-
-Die Europäer in Kairo verdienen im Ganzen den Ruf der Lockerheit. Gut
-essen und trinken, reiten und müßig gehen u. dgl. treten als Hauptzüge
-in ihrem Leben hervor. Das Schuldenmachen ist das Allerunschuldigste,
-und das Nichtbezahlen der Schulden etwas Gewöhnliches. Daß auch
-Personen höhern Ranges in Schulden stecken, ist freilich nichts
-Bezeichnendes für die egyptischen Franken, und, dem guten Tone der
-Europäer zu lieb, möchte ich es ja nicht tadeln. Ich kannte einen
-General, welcher einem armen Schlucker an 100 Piaster schuldete. Dieser
-begab sich oft zu ihm, die Anforderung zu erledigen. Es hieß immer
-+morgen+. Und warum: +Morgen?+ Weil der Sold schon ein Jahr lang beim
-Pascha ausstehe. Uebrigens bewegt sich dieser General auf einem sehr
-glänzenden Fuße; viel Gesinde, Pferd und Kameel, Strauß und Fasan
-und dgl. reden von seiner Herrlichkeit. Solchen Aufwand zieht er dem
-Abtragen der Schulden und der Erleichterung eines geldbedürftigen
-Mannes vor. Ein Angestellter, welcher bei einem monatlichen Einkommen
-von 500 Piaster (an 200 Gulden R. W.) demselben ehrlichen Schlucker
-schuldig war, überschwemmte sich lieber die Nacht hindurch in der
-rauschenden Gesellschaft des theuren Bacchus, lieber bezahlte er Andern
-die Zeche, lieber hielt er einen eigenen Esel, lieber bereitete er sich
-andere Lustbarkeiten und Bequemlichkeiten, als daß er seinen Gläubiger
-zufrieden stellte. Ich hüte mich wohl, den großen Ton lächerlich zu
-machen, aus Besorgniß, daß man mich des kleinen Tones zeihe.
-
-Wer frisch in Kairo ankommt, und gerne Geld aushängt, der rechne
-zuversichtlich auf Freundschaft, aber, mit Erlaubniß zu sagen, auf
-eine Zungen-, keine Herzensfreundschaft. Der schwärzeste Undank folgt
-meistens der Gabe oder dem beßtgemeinten Darlehen.
-
-Manche Europäer langen in Kairo an, ohne daß sie etwas mitschleppen,
-als das Kleid am Leibe; denn auf alsbaldige Anstellung und damit auf
-Eröffnung der Goldgruben zählen sie so sicher, als der gläubige Christ
-auf das Erbe des Himmels. Wenn sie dann nicht geradezu betteln oder,
-nach ihrer vornehmen Redensweise, Geld entlehnen, so schenkt ihnen noch
-ein Gastwirth Kredit. Wunderbar sind die Künste der Berechnung. Bei
-aller Armuth aber sind sie, in ihrer verbindlichen Stellung gegen den
-Wirth, genöthigt, wohl zu leben, z. B. Wein zu trinken. So natürlich;
-je mehr der Wirth aufschreibt, desto mehr gewinnt er; denn an irgend
-einer Anstellung zweifelt Niemand. Aus einem Militär erstümpert man
-exempelsweise einen Zeichenlehrer für die medizinische Schule. Der
-Wirth spielt mit den neuangekommenen und geldentblößten Abendländern
-Lotterie, welche ihm jedenfalls Vortheil bringt, muß er auch hin und
-wieder eine Niete ausbezahlen.
-
-Daß Stümper, Weltlinge, am meisten noch Glücksritter, manche
-Verschuldete, selbst auch Verbrecher eine große Zahl der Franken
-in Kairo bilden, leidet wohl keinen Zweifel. In dem Kaffeehause,
-wo Spanier, Franzosen, Engländer, Deutsche, Polen, Italiener und
-Griechen bunt durch einander gemengt waren, konnte ich mich oft der
-wunderlichsten Gedanken nicht erwehren: links saß vielleicht ein
-Betrüger, rechts ein Dieb, vor mir ein Todtschläger. Ich will nun eine
-biographische Skizze der Mittheilung nicht vorenthalten, ohne daß ich
-jede Einzelnheit verbürgen möchte.
-
-
-Undank für treue Liebe.
-
-Ein junger Mann gewann ein Mädchen lieb. Er war Katholik und sie
-Protestantin. In seiner heimatlichen Gegend warf die Eingehung einer
-gemischten Ehe ungemein viel Staub auf. Um die Schwierigkeiten auf dem
-richtigsten Wege zu beseitigen, unternahm er eine Reise nach Rom. Hier
-erlangte er von der Kurie die Erlaubniß zu einer paritätischen Ehe.
-Auf der Heimreise hielt er sich eine Zeit lang in Triest auf, wo er,
-als Mechaniker, das Auskommen zu seiner gänzlichen Zufriedenheit fand.
-Er schrieb seiner Geliebten, daß ihm die Heirathsbewilligung ertheilt
-worden sei, und daß auch sie die weitern Schritte thun solle, wodann
-er ohne Verzug zurücktreffen werde. Die Eltern indeß, schon lange dem
-katholischen Freier ungünstig, wußten während der Abwesenheit des
-Liebhabers überwiegenden Einfluß bei der Tochter geltend zu machen.
-Kurz, sie knüpfte eine andere Bekanntschaft an.
-
-Wem auch schon ruhige Augenblicke vergönnt waren, das Seelenleben nach
-seinen Ursachen und Wirkungen zu durchschauen, findet in der Liebe eine
-mächtige Triebfeder zu vielen eigenthümlichen und außerordentlichen
-Unternehmungen. Tief ergriff die Nachricht von der Untreue des
-Mädchens den Geliebten, welcher ein so großes Opfer, wie die Reise
-nach dem entfernten Sitze des römisch-katholischen Oberhauptes, nicht
-scheute. Es verdüsterte sich sein Gemüth in dem Grade, daß er Europens
-überdrüssig wurde. Er reisete nach Jerusalem, und von dort nach Kairo.
-In der Hauptstadt Egyptens suchte und erhielt er als musikalischer
-Instrumentenmacher eine Anstellung bei der Regierung, obschon er von
-der Musik so viel als nichts verstand, mithin auch die Instrumente
-nicht stimmen konnte. Musikanten von seiner Bekanntschaft halfen ihm
-aus der Klemme. Mittlerweile vervollkommnete er sich in der Kunst,
-bis er durch Ohrenbläsereien und durch geheime Untergrabungen von
-seiner Stelle verdrängt wurde. Später eröffnete er eine Bude, worin er
-arabische Bibeln[21], andere Bücher und auch andere Dinge feil bot.
-Hart prüften langwierige Ruhr und andere Mißgeschicke sein Leben.
-
-
-Unter österreichischer Protekzion.
-
-In Ermangelung eines schweizerischen Konsulates mußte ich mich in ein
-fremdes fügen. Ich hatte Ursache, das österreichische zu wählen. Als
-ich in Wien die Arzneiwissenschaft studirte, wurde mir von Seite der
-Hochschule zu viel Gutes zu Theil, um Oesterreich undankbar vergessen
-zu können; als ich im Jahr 1834, zum Theile in schriftstellerischer
-Absicht, eine Reise nach Wien unternahm, ward mir so viel Unterstützung
-gewährt, wie ich sie kaum erwarten durfte. Zudem war es Anfangs schon
-nicht ganz unwahrscheinlich, daß ich über Oesterreich zurückreisen
-werde, in welchem Falle, dachte ich, am zweckmäßigsten der Reisepaß mit
-den Visa der österreichischen Konsuln versehen wäre.
-
-In Kairo bedarf man, strenge genommen, keiner Aufenthaltsbewilligung.
-Die egyptische Polizei bekümmert sich in der Regel um die Franken wenig
-oder gar nicht. Einen Tag nach meiner Ankunft stellte ich mich bei
-dem österreichischen Konsul, Herrn +Champion+, und drückte ihm meinen
-Wunsch für österreichischen Schutz aus. Er nahm auf eine verbindliche
-Art den Paß in Verwahrung, und damit war Alles in Ordnung. Der Aufnahme
-von Seite des Herrn +Champion+ sowohl als des österreichischen
-Generalkonsuls in Alexandrien, eines eifrigen Freundes der schönen
-Künste und des Besitzers einer ansehnlichen Gemäldesammlung, zolle
-ich meine wärmste Anerkennung. Ich fand an beiden Männern ebenso gut
-unterrichtete als gefällige Rathgeber. Vielleicht würde man es missen,
-wenn ich mit Stillschweigen überginge, daß mein Paß auch an der letzten
-Stelle „gratis“ visirt wurde, weil es nicht überall der Fall ist.
-
-Ehemals herrschte die nicht selten lästige Sitte, daß die Reisenden von
-den Konsuln zu Mahlzeiten eingeladen wurden. Es scheint sich dieselbe
-zu verlieren.
-
-
-Meine Wohnung.
-
-Am Tage meiner Ankunft suchte mich ein Schweizer auf, weil er vernahm,
-daß ein Landsmann angelangt sei. Die Ferne nähert die Gemüther.
-Wiewohl ich mich außerordentlich freute, einem Schweizer in so
-großer Entfernung die Hand zu schütteln, so wollte ich dennoch mit
-einiger Vorsicht mich einlassen. Denn die Schilderung der in Kairo
-sich aufhaltenden Franken, die mir zu Gesichte kam, machte mich bei
-Anknüpfung freundschaftlicher Bande eher furchtsam. Ich erfuhr aus
-guter Quelle, daß der Schweizer ein wackerer Mann sei, und da ich dieß
-bei jeder Gelegenheit selbst bestätigen konnte, so nahm ich keinen
-Anstand mehr, mit ihm in freundschaftliche Verhältnisse zu treten. Er
-ist aus dem schweizerischen Kanton Thurgau gebürtig, und sein Name
-+Karl Baumgartner+: gewiß einer der edelsinnigsten Franken, die in
-Kairo leben, ein Mann, dessen Andenken mir immer theuer bleibt[22].
-
-+Baumgartner+ hatte ein halbes Haus in Miethe, und bei ihm lebte ich
-in Aftermiethe. Daß ich auch hier auf zerbrochene Scheiben stieß,
-dessen verwundere man sich nicht. In keiner größern Stadt sah ich so
-wenig auf die Glasscheiben verwendet, als in Kairo. Blind vor Staub ist
-die Menge, man läßt sich die Mühe zum Waschen reuen, und zerbrochene
-Scheiben oder Scheibenlücken verunzieren selbst manches bessere Haus.
-Die zerbrochenen Scheiben mochte ich aber auch hier nicht leiden. Wir
-ließen den Glaser rufen.
-
-Ich wohnte im Frankenquartiere (Hârah el-Musky). Wo? kann ich hier so
-wenig +genau+ angeben, als ich es vor dem Konsul konnte. Die Franken
-sagen, bei wem sie wohnen, oder nennen auch einen Hauptplatz, ein Thor
-u. s. f. Mein Zimmer war so hoch, wie eine Kapelle, und man hätte nur
-einen Altar bauen dürfen, um in einer wirklichen Kapelle zu wohnen.
-Eine Fledermaus, welche Nachts herum flog, erfreute sich eines so
-großen Spielraums, daß sie, hin- und herflatternd, nie nöthig fand, an
-meinen Kopf zu streifen.
-
-
-Meine Nahrung und Getränke.
-
-Aus dem gebirgigen und kaltwinterigen Lande Europas in das niedrige und
-heiße Land der Afrikaner versetzt, nahm ich mir vor, Alles pünktlich
-zu meiden, was meine Gesundheit beleidigen könnte. Der Magen würde
-schwerlich +unter+ dem Haupte liegen, wenn +er+ Herr im Leibe sein
-müßte. Vorzüglich hütete ich mich vor dem Gemüse, vor grünen Früchten,
-als: Bananen, Granatäpfeln, Datteln, Melonen, so gerne sie mich
-verführt hätten. Sogar +gekochtes+ Gemüse schlug ich aus. Dadurch war
-ich an den Tischen freilich nicht wenig geplagt. Man wartet hier mit
-Fleisch und immer wieder mit Fleisch auf; viel Fleisch aber bekam mir
-nicht gut. Zudem genießt es der Franke mehrentheils geröstet oder
-gebraten, daß es leicht +Durst+ verursacht, +dem man beinahe um jeden
-Preis vorbauen soll+.
-
-Neben leichtem Fleisch aß ich Reis, mit besonderer Vorliebe Milchreis
-(~riso con latte e zucchero~), und nicht selten genoß ich Kartoffeln.
-Die Fische kostete ich nickt einmal, weil sie Niemand für gesund hält.
-Des Morgens erquickte ich mich am Milchkaffee, oder ich begnügte mich
-auch nur mit Milch und Brot. Es trieb in der Frühe ein Araber Ziegen
-vor die Hausthüre. Wenn ich ein Schnalzen mit der Zunge hörte, so
-waltete kein Zweifel, daß der Melker angelangt war. Vor meinen Augen
-molk er mit der geballten Hand, indeß er mit der andern Hand das Gefäß
-vorhielt. Ich konnte mich überzeugen, daß ich unverfälschte Milch
-bekomme. Noch warm getrunken schmeckte sie mir köstlich, und ich spürte
-davon nicht im mindesten nachtheilige Wirkungen. Ich füge dem Gesagten
-bei, daß die Milch der egyptischen Ziegen mit ihren Schafsohren,
-angenehmer und milder schmeckt, als diejenige der Schweizerziege.
-
-Mein +Hauptgetränke+ war Nilwasser. Ich trank es meistentheils so,
-wie es aus dem Flusse kam, bisweilen jedoch mit einem geringen Zusatze
-von Rhum. Ich wußte recht gut, daß viele Arten von Unreinigkeiten in
-den Nil fallen. Ich schöpfte mit der Hand aus dem Nil in den durstigen
-Mund, während Stroh herumschwamm. Was hätte hier zögern und prüfen
-gefrommt? Durst quälte mich, und mir stand nur ein +einziges+ Wasser
-zu Gebote. Darum überließ ich das Grübeln Andern, und trank mit
-Herzenslust. Das Nilwasser ist leicht und schmeckt vortrefflich. Von
-jeher wurde dessen seiner gesunden Eigenschaft wegen mit Lob gedacht.
-Es soll selbst auf den Tisch des Sultans in Konstantinopel gesetzt
-werden. Man will beobachtet haben, daß der Nilschwamm, welcher mit
-dem Wasser häufig getrunken wird, auf der Haut Knötchen (~boutons~)
-erzeuge. Davon nahm ich an mir nichts wahr, ohne daß ich diese
-Beobachtung in Abrede stellen möchte. +Alpinus+ sagt geradezu, daß sich
-gewöhnlich alle Ankömmlinge in Kairo eine Diarrhöe zuziehen.
-
-In den fränkischen Wirthshäusern, will sagen, sowohl in dem Gasthause
-(~locanda~), als in den Speisehäusern (~trattoria~), wird viel Wein
-ausgeschenkt. Ich vermied ihn sorgfältig. Mich wunderte, daß die
-Franken nach diesem schlechten Getränke, wie es in Kairo beschaffen
-ist, so begierig haschen, wenn sie auch vor der Schuldenlast nicht
-wissen, was sie anfangen sollen. Es schlenderten so häßlich berauschte
-Franken auf der Gasse herum, daß ich mich für sie, des fränkischen
-Namens willen, schämte. Willkommen war mir dagegen das fränkische
-Kaffeehaus eines Griechen, wo ich keinen Tag fehlte, um Kaffee zu
-trinken, dessen man sich unter diesem heißen Himmel nicht enthalten
-darf. Ich trank ihn meist ~alla Franca~, d. h. mit Zucker, seltener
-~alla Turca~, und in letzterem Falle, wie Andere, mit dem Satze, was
-mir wenig Mühe kostete. Bisweilen genoß ich die köstlich bereitete
-Orgeade oder eine Limonade.
-
-+Nachlese.+ Bei diesem Anlasse will ich mit wenig Worten meines
-regiminellen Verhaltens erwähnen. Mehr als die Morgen- und Abendkühle
-floh ich die Mittagshitze, welche, meines Bedünkens, am schädlichsten
-wirkt. Der Abendkühle könnte ich nichts Nachtheiliges nachreden. Sie
-war während meiner Anwesenheit in Kairo nicht vorhanden, sondern es
-herrschte vielmehr des Abends bis zehn Uhr eine +gemäßigte+ Temperatur,
-die nicht angenehmer hätte sein können. Wenn ich des Abends, bei der
-lieblichen Witterung des Wintermonats, im windoffenen Kaffeehause
-saß, konnte ich das herrliche Klima nicht genug preisen. Außer der
-Mittagshitze, klage ich allerdings noch die Morgenkühle an. Der
-Zureisende bringt, gleich den wohlhabenden Einwohnern, die frühen
-Morgen am besten im Bette zu. Immerhin suchte ich den Unterleib warm
-zu pflegen, und das Duften der Haut, wenn es einmal begonnen, zu
-unterhalten. Es sollte Niemanden schwer fallen, eines so großen Gutes
-willen, wie die Gesundheit ist, in gewissen Schranken zu leben.
-
-
-Umgebung von Kairo.
-
-Bereits besuchte ich außerhalb der Stadt die Grabmale der Großen
-(Turâb Kâyd-Bei). Die Umgegend verdient, daß man sich weiter umsehe.
-Rückerinnerungen an erstere erweckte der Anblick +der Todtenstadt
-el-Seydeh Omm Kâsim+.
-
-Reitet man von Altkairo gegen die Burg, so tönt es oft hohl unter
-den Hufen des Thieres; es scheinen die Geister der grauen Vorwelt zu
-klagen; man kommt über Schutt, über sandichte Schutthügel, welchen die
-vielen rothen Ziegelscherben ein scheckiges Ansehen verleihen; es ist
-Wüste; das Auge erholt sich nicht an einem einzigen grünen Gräschen.
-
-Das Turâb (Todtenstadt) el-Seydeh Omm Kâsim liegt südlich unter der
-schroffen Wand des Mokatam, gleich am Fuße des Schlosses. An Umfang
-gibt dasselbe einer kleinen Stadt nicht nach. Selbst das Bauwerk stellt
-sich ansehnlich heraus, und mit dessen Kosten hätten mehrere hundert
-egyptische Dörfer gebaut werden können. Auf diesem Leichenfelde verirrt
-man sich staunend mit dem Auge in den Wald von kleinen Moscheen und
-Minarets. Manches Prachtwerk aber zerfällt in einen Wirrwarr öder
-Steine. Immerhin bleibt es eine Seltsamkeit, daß die Mohammetaner den
-Todten mehr Ehre erweisen, als den Lebendigen.
-
-Wie sich allerwärts bei den Muselmännern der Unterschied zwischen den
-Großen und den Geringern durch das Aeußere laut ankündigt, daß z. B.
-der Große sein Weib einsperrt, während der Geringe das seine frei
-herumgehen, selbst bei einem Christen den Hausdienst versehen läßt,
-so besonders zeichnen sich der Großen Denkmäler, diese feierlichen
-Grabesdome, aus. Was ist das Grab und Grabmal des Geringen? Wenige Fuß
-tief wird Erde aufgeworfen, die Leiche hineingelegt, und darüber ein
-kleines Gewölbe flüchtig gemauert; obenher bringt man einen, aus Stein
-gehauenen, auf einer dünnen Unterlage ruhenden Turban an, welchen ich
-deßwegen so nenne, weil ich weiß, daß er einen vorstellen +muß+, und an
-der entgegengesetzten Seite erhebt sich etwa ein plumper Halbmond mit
-seinen stumpfen Hörnern. Wenige Jahre halten die zusammengepfuschten
-Steine aus, und sie verlieren ihren Zusammenhang, als wären sie
-bloß zusammengedacht gewesen, werden jetzt aber dem Grabmaurer als
-Baustoff erst wieder nützlich. Das ist das Grab und Grabmal eines
-muselmännischen Geringen. Selbst auf dem stummen Leichenacker,
-möchte man ausrufen, herrscht unter den Mohammetanern der schreiende
-Despotismus der Großen; allein im Innern der Gräber bebt derselbe
-beschämt vor der Wahrheit zurück: Der Staub aller Todten ist gleich.
-
-Die Nekropolis steht an Pracht und Aufwand weit hinter dem Gottesacker
-Kâyd-Bei zurück.
-
-Auf den Grabstätten erzeigen sich diejenigen Moslims, welche dem
-Christen den Eintritt in ihre Kirchen verweigern oder erschweren, sehr
-tolerant. Ungehindert ritt ich in Kairo auf einem Esel kreuz und quer
-über die Gräber. -- Die größten Todtenfelder liegen außer dem Umkreise
-der Stadt[23].
-
-
-Die Wasserleitung.
-
-Schon auf der Burg empfahl sich meiner besondern Aufmerksamkeit
-eine auf vielen Pfeilern ruhende, lange, steinerne Brücke, die
-Wasserleitung, und ich war sehr begierig, in der Nähe sie zu besehen.
-Will man nach Altkairo sich begeben, so ist es ihrer Bögen einer,
-unter welchem der Weg durchführt. Der Wasserthurm (el-Migreh), als das
-Haupt des Aquädukts, steht rechts am Rande des Nils. Man kann auf ihn
-in einer unbedeckten Bahn reiten. Eben traf ich einige Weiber, welche
-die Brustwehre mauerten; ihr Mörtel war Viehmist, welchen sie mit
-heitern Mienen und zierlich mit ihren kleinen Fingern herumdrückten.
-Die Hände der Schönen waren Mörtelkellen, um welche diese Egypzierinnen
-von den Schönen Europas wahrscheinlich nicht wenig beneidet werden.
-Oben kirren sechs Räder, von zwölf Ochsen getrieben, um das Wasser aus
-der Tiefe zu schöpfen. Dasselbe wird in ein Becken ausgeleert, das in
-den Kanal ausmündet. Der liefert das Wasser in die Burg. Eine weite
-Strecke erhebt er sich hoch über die Erde. Erst in der Todtenstadt
-el-Seydeh Omm Kâsim greift er in das Erdreich. Die Rinne selbst mißt
-etwa zwei Fuß in der Breite und Tiefe. Der Nilschlamm, welcher sich aus
-dem Wasser niederschlägt, wird mit Sorgfalt herausgeschafft. Ich ging
-ein Stück weit neben der Rinne bis an einen Ort, wo die Wasserleitung
-ausgebessert wurde.
-
-Nahe an dem Wasserthurme fängt der ungemauerte Nilkanal an. Dieser wird
-jährlich zu seiner Zeit mit einem Damme querüber gesperrt, dessen
-Durchschneidung dann die Anwohner mit großem Jubel feiern. Allahu akbar
-(Gott ist groß); Gott läßt keinem Volke des Elendes so viel werden, daß
-er nicht dann und wann in dasselbe eine Rose der Freude streute.
-
-
-Altkairo und das armenische Kloster.
-
-+Altkairo+ oder ehemals +Fostât+, dann +Maser el-A’tykah+ der Araber
-ist eine besondere, mit Mauern und Thoren verwahrte, nicht unbedeutende
-Stadt im Süden und eine halbe Stunde von Großkairo, hart am Nil. Es
-gewährt ein einförmiges, schwarzgraues Aussehen. Die Häuser sind hoch
-und von Thürmen weit überragt; die Gassen enge und belebt, letzteres
-wenigstens diejenigen am Hafen.
-
-Altkairo wurde im 20. Jahre der Heschira gegründet und 564. in Brand
-gesteckt.
-
-Weil ich noch nie in einer armenischen Kirche war, so hatte ich kein
-geringes Verlangen, das Kloster der Armenier zu sehen. Ich weiß nicht,
-mit welchem Rechte man den Namen +Kloster+ gebraucht, da ich eben
-keine klösterliche Einrichtung fand, wenigstens keine Mönche antraf.
-Die Kirche stellte einen Saal mit weiß überkalkten Wänden vor, ohne
-Glocke, ohne Beichtstuhl, ohne Stühle oder Bänke, ohne Seitenaltar.
-Der Choraltar vergegenwärtigte mir die römisch-katholische Kirche. Als
-der Führer in die Kirche trat, fuhr er mit der Hand öfter vom Herzen
-zum Munde, nachdem er sie in einem kleinen Becken benetzt hatte, das
-an der Mauer sich befand. Ich machte keine Zeremonie, so wenig als
-ein Muselmann sich in Zeremonien eingelassen hätte, und der Führer
-glotzte mich sehr seltsam an. Meinerseits konnte ich mich damit nicht
-befreunden, daß er als Christ im Wesentlichen wie der Mohammetaner
-gekleidet war. Vom armenischen Kloster wird nördlich Altkairo
-geschlossen.
-
-
-Das griechische Kloster und der Altar der heiligen Frau im koptischen
-Kloster.
-
-Das griechische und koptische Kloster liegen nicht im Umfange von
-Altkairo, sondern in einiger, wiewohl sehr geringer Entfernung davon,
-nämlich in +Kaser-el-Schàma+, und sie bilden mit den um sie gedrängten
-Häusern ein eigenes Städtchen. Noch nirgends sah ich die Häuser so nahe
-beisammen, gleichsam auf einander geschoben wie hier. Der Sonnenstrahl
-kann an den wenigsten Orten die Gasse erreichen. Mir kam es vor, als
-sei ich von hohen, unförmlichen Felsenriffen umlagert, als wären die
-ersten Einwohner in der Verwirrung hieher geflüchtet, und als hätten
-sie sich in der gleichen Verwirrung ihre Gebäude aufgeführt.
-
-Als ich in das +griechische+ Kloster des seligen +Georgius+ kam, wollte
-ich gleich wieder umkehren; denn es zeugte hier das wenigste von einem
-Kloster. Wie in der Verborgenheit fand sich auf dem anderobersten
-Stockwerke die griechische Kirche, die ich nur flüchtig anschaute.
-Mehr sprach mich einen Stock weiter unten eine Säulenhalle an. Ich
-entscheide nicht, ob ich mich glücklich preisen soll, daß ich keines
-griechischen Priesters ansichtig werden konnte[24].
-
-Nicht weit vom griechischen Kloster liegt, an einer sehr schmalen
-Gasse, das +koptische+ zum seligen +Sergius+. Ich war schon ein
-Stockwerk hoch und kehrte wieder um, weil sich mir nichts Klösterliches
-darbieten wollte. Mein Geruchsorgan hatte sich an den Weihrauch und
-an das Kellerichte feuchter Mauern, denen man in den Klöstern der
-Lateiner begegnet, so sehr gewöhnt, daß ich an kein Kloster glaubte,
-wenn jene fehlen. Doch alsbald trat ein alter, langbärtiger Mann mit
-einem Turban daher; er hielt in seiner Hand einen großen, hölzernen
-Schlüssel, mit dem er rüttelnd das Schloß öffnete. Ich war in hohem
-Maße gespannt, die koptische Kirche zu sehen. Was ich von ihr sagen muß
--- -- sie ist nicht schön, und im Zerfalle begriffen; vor dem Altare
-erhob sich etwas Pultartiges wie bei den Griechen; am Altare selbst
-nahm ich das Christusbild nicht wahr. Mehrere Bilder, z. B. eines,
-welches die +Jesum+ auf dem Schooße haltende +Maria+ vorstellte, waren
-um den Altar auf eine zu überladene Weise gehängt, sogar wenn sie keine
-Stümpereien gewesen wären. Ist es wohl dem heiligen Zwecke gemäß,
-daß ehrfurchtsvolle Erinnerungen durch stümperhafte Bilder beleidigt
-werden? Nur blinder Fanatismus, verbunden mit krasser Unwissenheit auf
-dem Gebiete der Kunst, kann an geweihter Stätte Fratzen leiden.
-
-Zwei Treppen führen in ein Gewölbe, an den Ort, wohin die heilige Frau
-mit +Josef+ und dem +Christus+kinde geflohen sein +soll+. Am Lichte
-einer Kerze stieg ich hinunter. Vergebens, daß man hier eine Grotte
-oder Höhle suche. Alles ist Mauerwerk. Zudem müßte, meines Erinnerns,
-die Höhle eine überirdische sein, weil die Kirche einen Stock hoch
-liegt, und man gerade ebenso tief bis zu jener hinabsteigen muß. Die
-Katholiken und Kopten haben ihre Verehrungsstellen durch eine Mauer
-gesondert, und, um recht billig zu sein, möchte ich fragen: Wer weiß
-es, daß die gefeierten Flüchtlinge gerade die Stelle am meisten berührt
-haben, welche die Eifersucht der in verschiedenen Meinungen lebenden
-Christen mit einer Mauer zudeckte? Den Lateinern gehört ein kleines,
-ganz niedriges Gewölbe, auf dessen Boden ein Kreuz eingegraben ist.
-Davor hängt ein Oelgemälde auf Holz, welches die heilige Familie
-vorstellt. Die Kopten besitzen ebenfalls ein Gewölbe, auf dessen Boden
-aber ein viereckiger Stein oder ein Altar ohne ein Zeichen steht.
-
-Beim Herausgehen aus der Kirche fielen mir in einem Winkel mehrere
-Krücken auf. Sie werden von denjenigen, welche während des langen
-Gebetes durch Stehen müde geworden sind, als eine Stütze gebraucht.
-
-
-Der Tempel A’mrus.
-
-Bei dem alten Kairo liegt die älteste Moschee des Mohammetanismus,
-nach ihrem Gründer A’mru genannt. Sie ist bereits verlassen, und
-leicht wird den Andersgläubigen der Zutritt gestattet. Ich möchte
-diese Moschee, von der noch zwei Thürme emporstreben, den Säulentempel
-nennen; denn durch die Zahl der Säulen, welche auf 244 ansteigt, hat
-sie etwas Ueberraschendes. In den Tempel getreten, und der Blick wird
-gleichsam irre vor der Menge der Säulen. Die Eingangsseite, so wie die
-östliche und westliche Seite sind zwar nicht sehr breit, wohl aber die
-mittägliche, die allein über hundert Säulen zählt. Die Mitte zwischen
-den Säulenhallen steht unter freiem Gotteshimmel, und in diesem
-offenem Raume des Tempels bietet ein Kuppelbrunnen ein freundliches
-Aussehen. Die Kuppel wölbt sich über ein Becken voll Wassers, und
-den Brunnen umgibt außen eine Reihe kleiner Röhren, welche mit dem
-Wasserbecken in Verbindung gebracht sind. Ich zog den Stöpfel einer
-solchen Röhre und das Wasser quoll sogleich heraus. Dieser Brunnen
-dient den Mohammetanern zu der religiösen Handlung der Waschungen.
-In der Nähe des Brunnens erholt sich der trümmermüde Beobachter an
-dem Grün einer Palme, und gleich daneben an den Blüthen eines andern,
-in eine Mauer eingesperrten Baumes. Diese Bäume werden unzweifelhaft
-für heilig gehalten. Vermag das Abendland auch unter freiem Himmel
-aufwachsende Bäume in den Kirchen aufzuweisen? Die mittägliche Seite
-der Gâma’ +A’mrus+ will als der eigentliche Tempel betrachtet werden.
-Gegen den offenen Hofraum findet sich eine kleine Emporkirche von
-mühsam gearbeitetem Holze. An der Mauer erhebt sich in der Mitte
-eine Kanzel (Mambar) ebenfalls von Holz. Weiter greifen in die Mauer
-etliche Nischen (Mahrab). Nach den Mahrab wendet sich das Volk beim
-Beten, indem sie genau die Lage der Kâba in der großen Moschee zu
-Mekka angeben. Vom platten Dache hängen Vorrichtungen zur Beleuchtung
-herunter. Der Hauptkarakter der Kirche ist ein frohmüthiger, offener,
-und der völlig entgegengesetzte mancher katholischer Kirchen, in
-welche das Sonnenlicht erst fallen darf, nachdem es durch farbige
-Scheiben gebrochen worden. Oder nicht zufrieden mit dem Düsterlichte
-in der Kirche, welches zur Wehmuth stimmt, gräbt man sich Kapellen, um
-während des Tages die Nacht heraufzubeschwören, welche man durch ein
-künstliches, von vielen Seiten her zusammengebetetes Lichtchen erhellt.
-Das Licht der Sonne, als Geschenk des Himmels, wird sonderbarerweise
-ungern gelitten.
-
-Um auf die Säulen zurückzugehen, so sind, wo nicht alle, doch die
-meisten antik. An vielen haben sich die korinthischen Knäufe recht
-schön erhalten. Von Säule zu Säule springt ein Bogen. Eine Reihe Säulen
-ist am offenen Raume verwittert. Es scheint, der saumselige Vizekönig
-erwarte eine Subskripzion von Seite abendländischer Christen, um die
-älteste Moschee Egyptens vor gänzlicher Zertrümmerung zu retten.
-Schwerlich macht der herschende Moslim das Vernachlässigte dadurch gut,
-daß er mit den Großen, Beamteten und Offizieren des Reichs jährlich
-einmal die greise Gâma’ des Helden A’mru besucht. Aeußerer Pomp wird
-von der Welt oft für innige Herzlichkeit tausch- oder täuschweise
-gegeben und genommen.
-
-
-Der Garten Ibrahim-Paschas und der Nilometer auf der Insel Ruda.
-
-Man geht durch die fruchtbaren Felder Gabel, ehe man zum Nilarme
-gelangt, über den man setzt, um das Eiland Ruda zu erreichen.
-
-+Der Garten Ibrahim-Paschas+, welcher von einem Engländer angelegt
-ward, gewährt einen paradiesischen Anblick. Manches, welches der
-Okzident und der Orient spenden, findet man hier geschmackvoll
-zusammengestellt. So schön der Schwarzenbergische und Lichtensteinische
-Garten in Wien sind, so gewiß erscheinen sie als Gerippe, wenn man
-sie dem Garten +Ibrahims+ entgegenhalten wollte. Datteln, Sykomoren,
-Pappeln, Maulbeerbäume, Birken, Aloe und so viel einjährige Pflanzen
-sind alle in einen Rahmen gefaßt. In den Armen dieser schwelgerischen
-Natur beneidete ich, ich darf bei meiner Treue versichern, den
-Nordländer um seinen Herbst nicht im mindesten. Einzig die gepflückte
-Rebe vergilbte zum Theile, trieb indeß neben dem gelb gewordenen Laube
-die schönsten grünen Schosse. Die Rebe wächst zahlreich, und wird
-ebenso wenig an Pfählen aufgezogen wie in Lossin.
-
-Das Lusthaus im Garten birgt eine künstliche Grotte, die mit prächtigen
-Muscheln vom rothen Meere ausgekleidet und eine wahre Augenweide ist.
-Manche, welche den Garten besuchen, denken jedoch nicht billig genug;
-schon sind mehrere Muscheln weggerissen, weil diese zum Andenken
-mitgenommen wurden. Der Selbstsüchtige zerstört Andern, was er selbst
-bewundert. In dem Haupttheile des Gebäudes, gegen Mittag, steht ein
-großes Wasserbecken. An den Wänden desselben befinden sich mehrere
-Oeffnungen, wodurch das Wasser fließt, um das Becken zu füllen. Es
-stand leer, und mir schien das Pavillon nicht ganz ausgebaut zu sein.
-
-Mich zog noch ein ungemein poetischer Gegenstand an, wenn man anders
-für des Abbate +Casti+ ~gli animali parlanti~ Begeisterung fühlt; ich
-meine, ~sit venia verbo~, den -- Viehstall. Eine Mauer schließt das
-Vieh ein; kein Dach schützt vor Sonnenhitze. Der Viehstall ist daher
-nur eine Art Viehhof oder eine Art Pferch. Zwei Krippen liegen neben
-einander, von einer Mauer getrennt, welche die Höhe des Viehes hat.
-Ich zählte im Hofe fünf und zwanzig Ochsen, welche die erforderlichen
-Eigenschaften besessen hätten, ein Küheharem zu bewachen. Alle Ochsen
-waren mit einem Stricke um den Hals an die Krippe gebunden. Durch diese
-drang zu solchem Zwecke an der Vorderwand eine längliche Oeffnung.
-Der Stallboden war die Erde und zwar so trocken, als unsere hölzernen
-Stallböden. Als Futter erhält das Vieh gehacktes Stroh, welches in
-einem Winkel des Hofes unter freiem Himmel aufgespeichert war. Das Vieh
-scheint mit dem Häcksel zufrieden zu sein. Die europäischen Viehärzte
-dürften sich hier nicht darüber ärgern, daß die zu sparsame Lüftung der
-Ställe eine Menge Krankheiten hervorrufe.
-
-Der +Nilometer+ oder +Mekia+, auf der Spitze der Insel Ruda, liegt
-+Altkairo+ gegenüber. Ehe ich den eingefangenen Nil zu sehen
-bekam, mußte ich mich zu einem Effendi verfügen, um von ihm die
-Erlaubniß auszubitten. Ein graubärtiger, schöner Mann hockte auf dem
-Diwan, die Pfeife im Munde; daneben mehrere Männer, wahrscheinlich
-Schreibgesellen. Ich zog den Hut ab, wozu mich der Dragoman anwies, und
-dieser fragte mich, was ich wünsche? Ich möchte den Nilometer sehen,
-antwortete ich ihm ohne Titel und Komplimente. Es bedurfte des Weitern
-nicht, noch der Bezahlung einer Gebühr, die Erlaubniß ward ertheilt,
-und der Dragoman ging mit mir von hinnen.
-
-Wir kamen an der polternden Pulvermühle und an der Salpeterfabrik
-vorbei. Ich schüttelte beinahe ungläubig den Kopf, als der Dragoman
-mir eröffnete, daß wir beim Nilmesser waren, so wenig wurde meine
-Erwartung befriedigt. Ueberspannte Erwartungen schaden gerne der
-treuen Anschauung des Gegenwärtigen; denn von der Höhe stürzt die
-Phantasie in die Tiefe, und verfehlt so die rechte Mitte. Der
-Nilmesser wird von zerfallenen Mauern umgeben, welche einen sehr übeln
-Eindruck hervorbringen und zurücklassen. Er sieht wie ein viereckiger
-Brunnenkasten aus. Der Mitte entsteigt eine nicht sehr dicke,
-achteckige, maurische, mit einem ganz kunstlosen Vierecke bedeckte
-Säule. Diese bezeichnen, wie einen Zollstab, regelmäßig von einander
-entfernte, jedoch nicht mehr sehr scharfe Kerben. Das Wasser in dem
-Nilmesser steht mit dem Wasserspiegel des Nils in gleicher Höhe, und
-darum kann man an der Säule das Steigen und Fallen des Nils genau
-beobachten. Früher soll der Aufseher über die Nilmessung sein Leben
-im Spiele gehabt haben, wenn er die bestimmte Höhe nicht sogleich
-verzeigte. Man leitete meine Aufmerksamkeit auf den hohen Stand des
-Wassers, welcher der Befruchtung des Nilthales günstig sei.
-
-Man glaubt hie und da in Europa irrig, daß je höher der Nil steige,
-desto mehr Vortheil dadurch Egypten erwachse. Gerade in einem
-der letzten Jahre verstieg sich der Nil, und die Ernte einiger
-Bodenerzeugnisse fiel minder ergiebig aus.
-
-Der Nil fängt in der Mitte Brachmonates an zu schwellen, und Ende
-Herbstmonates nimmt er seinen höchsten Standpunkt ein, wo dann viele
-Gegenden unter Wasser gesetzt sind[25].
-
-Die Goldader Egyptens gibt zum größten Volksfeste Anlaß, wenn sie am
-stärksten angelaufen ist. Früher soll die barbarische Sitte geherrscht
-haben, daß man, zu Erhöhung des Festes, allemal eine Jungfrau in den
-Nil warf. Von der Sitte blieb nur noch die reich ausgeschmückte Barke
-übrig, in welcher man auf dem Flusse herumfährt.
-
-
-Ausflug nach Heliopolis und Abusabel.
-
-Es war Frühlingsanfang, der letzte Tag des Weinmonates und der erste
-des Wintermonates.
-
-Verläßt man auf der Morgenseite die Stadt, da stellt sich der stattlich
-emporsteigende Mokatam, und selbst der Schweizer muß diese Kuppe des
-arabischen Gebirges der Aufmerksamkeit würdigen. In der Nähe hörte man
-zur Linken das Rauschen der Marktleute, zur Rechten das Trommeln und
-Trompeten der Kriegsknechte; zur Linken sah man hier ein Kaffeezelt,
-einen Garkochofen, dort für ein Soldatenweib eine Hütte von solcher
-Höhe, daß es darin weder stehen, noch gehen, sondern nur kriechen kann,
-manche Wohnung selbst ohne Obdach, und zur Rechten eine Menge Zelten,
-unter denen das Kriegsvolk gelagert ist, zur Linken den dornreichen
-Kaktus in üppiger Zahl, und zur Rechten weiterhin das Nichts der
-Sandwüste. Mein schauendes Auge wetteiferte mit dem horchenden Ohre,
-und der Nebel, welcher jenem die Seheweite streitig machte, konnte den
-Wetteifer nicht lähmen.
-
-Kaum hatte ich das Freie gewonnen, so wendete ich mich links. Die
-noch nicht gänzlich zurückgetretenen Wasser der Überschwemmung
-erschwerten mir ein wenig das Reiten. Ich lustwandelte in einem
-Walde von Zitronenbäumen, auf denen, selbst auf dem gleichen
-Baume, wohlriechende Blüthen mit grünen und reifen, gelben Zitronen
-wechselten, und schon stand ich +in Mattarieh vor dem Baume, wo die
-heilige Familie ausgeruht haben soll+. Ich dachte zum Voraus, die
-Araber werden mich nicht täuschen können, weil die geschäftigen
-Christen ohne Zweifel ihre Namen in den Baumstamm eingeschnitzt
-haben würden. Und dem war also. Frömmigkeit, mit Eitelkeit gepaart,
-hinterließ mehrere Denkmäler, welche dießmal übrigens den Nutzen
-stiften, daß sie den Baum den Neugierigen kenntlich machen. Mitten
-in einem Zitronenwalde erhebt sich ein sehr dicker, ein gespaltener,
-leicht zu ersteigender Strunk. Darauf trieb ein dünner, kaum zehn Fuß
-hoher Stamm mit frischem, grünem Laube, eine Sykomore. Das ist +der
-Marienbaum+. Der Schatten desselben zerfließt in den Schatten der
-umstehenden Zitronenbäume, und verbreitet angenehme Kühlung. Ich möchte
-sein hohes Alter nicht bezweifeln.
-
-Außer dem Walde erblickt man gleich nordwärts den Obelisken bei Samur
-Baosbeh oder in der verschwundenen Stadt +Heliopolis+ (On)[26]. Elende
-Hütten stolziren jetzt auf einer Stätte, die so reich an Erinnerungen
-ist. Das Hinschwinden der aus den Händen der Menschen hervorgegangenen
-schönsten Werke quälte auch hier meine Seele mit bittern Gefühlen.
-Wie werden die Werke unserer Tage nach Jahrhunderten zerschlagen und
-zerstört sein? Der einzige heliopolitanische Ueberrest von Bedeutung
-ist ein Obelisk, dem ich mich mit geflügeltem Fuße näherte. Derselbe
-steht aufrecht, scheint mir aber etwas niedriger, als die Nadel der
-+Kleopatra+. Die Hieroglyphen sind auf allen vier Seiten deutlich,
-zumal diejenigen auf der nördlichen und westlichen Seite. Die südliche
-Seite wurde von der Sonne etwas gebleicht. Sogar der Farbstoff im
-rothen Granit des Obelisken vermag sich nicht in die Länge unverändert
-zu erhalten. Die Stabilität kann vor den immermehr sich erneuernden
-und häufenden Lehren der Wandelbarkeit nicht +bestehen+; allein dieß
-hindert sie nicht, sich recht bequem zu machen und niederzulegen,
-und so vegetirt sie, wenigstens in der Einbildung, doch fort. Die
-Hieroglyphenfurchen auf der östlichen Seite sind mit Sand vollgeblasen.
-Der Regen bildete mit dem Staube eine Paste, welche sich in jenen
-Furchen ansetzte. Die Nordseite hat die frischeste Farbe und ist
-am schönsten. Vergleicht man die Obelisken der +Kleopatra+ und der
-Heliopolis, so fragt man sich: Warum hat das Denkmal zu Alexandrien im
-Laufe der Zeit weit mehr gelitten als letzteres? Es wird einleuchten,
-daß der an der Küste, häufiger als in Heliopolis, fallende Regen
-zerstörender wirken mußte. Die Erhaltung mancher Alterthümer in dem
-guten oder erträglichen Zustande hat Egypten dem seltenen Regen zu
-danken. Es rettet manchmal, wenn man so sagen darf, ein blindes
-Geschick, indeß vor den offenen Augen der Vorsicht und Sorgfalt etwas
-zu Grunde geht. Hätten die egyptischen Denkmäler, z. B. die Pyramiden,
-Europa gehört, so wären sie viel unscheinbarer, manche wohl nicht mehr.
-In 2000 Jahren wird der Obelisk von Luxor in Paris von dem Gesagten
-Zeugniß ablegen. In Egypten gab es einen wunderbaren Zusammenfluß
-günstiger Umstände, um der spätern Nachwelt so Vieles zu überliefern.
-
-Der Obelisk stand so einsam als ehrwürdig mitten in halbgroßem Mais.
-Eines Fellahs konnte ich nicht so leicht los werden. Er meinte,
-ich sollte ihn dafür beschenken, daß ich einen Stein im Freien der
-Welt Gottes betrachtete. Wären derlei Leute Gebieter, so würden sie
-vielleicht einen jährlichen Tribut von dem Mitmenschen dafür erpressen,
-daß er sich am Scheine der Sonne erquicken dürfe. Wo die Leute im
-blindesten Despotismus erzogen werden, da verschließt sich auch ihr
-Sinn, wie des Despoten selber, für die natürlichen Rechte der Menschen.
-
-Dieser Sehenswürdigkeit wegen mußte ich einen kleinen Abstecher machen.
-Bald aber hatte ich den breiten Weg der Wüste wieder eingeholt. Ich
-dachte an unsere wohllöblichen Straßenbaukommissionen und Baumeister,
-an unsere Zölle und Zöllner, an unsere Straßenbüreaukraten und Bauern,
-welche den Schweiß ihres Angesichtes wie den Kies auf die Straße
-schütten u. dgl. Zwischen Kairo und Abusabel nichts von Allem. Die
-Wüste ist die breite Straße für Jedermann sonder Hinderniß eines
-Schlagbaumes. Ohne den Staat oder die Ortschaft mit Kosten zu belasten,
-treten die Kameele in ihren langen Zügen gleichsam Geleise in den Sand,
-und das Abfordern des Zolles wäre eine Stimme in der Wüste.
-
-Ich kam nach El-Mark. Hier steht ein Kaffeehaus ~alla Turca~. Ich
-sprach zu. Die arabischen Kaffeehäuser stellen einen, um es schlicht
-zu nennen, offenen Schuppen vor. Das Wandwerk ist von Mauer. Vom
-irdenen Boden des Kaffeehauses genießt das Auge Freiheit bis ans --
-Dach hinauf. Auf einer Seite sieht man die Kaffeeküche, auf der andern
-den mit Strohteppichen belegten Diwan, welcher wie ein Sims die Mauer
-begleitet. Da hocken denn die arabischen Kaffeetrinker, deren lange
-Pfeife bis auf den Boden herabsteigt.
-
-In El-Mark beginnt ein bedeutender Wald schattenarmer Dattelpalmen.
-Darauf erreichte ich den belebten Ort Chanka. Von da führte mich
-der Weg durch eine wüste Gegend, die häßlichste Einöde, nach der
-egyptischen medizinischen Fakultät Abusabel; das biblische Gosen zur
-Rechten.
-
-Der in Egypten angekommene Abendländer ist in der ersten Zeit von
-mancherlei Aengstlichkeiten befangen. Er glaubt sich unter die Araber
-kaum recht mischen zu dürfen; mit Unrecht. Der Weg von Kairo nach
-Abusabel beträgt vier Stunden, und ich ritt unbedenklich allein, und
-man hat überhaupt weder bei Tage, noch bei Nacht Lebensgefahr zu
-befürchten. Ich fand den Weg durch die vielen wandernden Menschen,
-die Kameele, Esel, Pferde so lebhaft, wie irgend eine europäische
-Hauptstraße, sogar in der Nähe einer Stadt. Im Vergleiche mit Europa
-bewegen sich weit mehr Leute auf den Straßen als auf den Feldern.
-Wegen der Lebhaftigkeit ergötzt auch die Straße nach Abusabel, man
-durchmustert die fremdartigen Gesichter und Geberden, Trachten und
-Ladungen u. s. f. Stolz sitzt der Beduine auf dem Pferde, einen kurzen
-Säbel und Pistolen im Gürtel. Zuerst macht der Anblick dieser Waffen
-einen unangenehmen Eindruck; bald aber gewöhnt man sich so vollkommen
-daran, daß man sie nicht mehr beachtet. Uebrigens tragen die wenigsten
-Leute Waffen. So bestellt der Bauer (Fellah) unbewaffnet sein Feld.
-Erinnern sich alle Europäer, daß vordem, sich mit einem Säbel zu
-versehen, auch bei ihnen Sitte war?
-
-Wenn man auf diesem Wege durch topfebene und wüste Gegenden, in
-denen selten ein kleiner Garten prangt, wandert, so wird man
-sich überzeugen, daß ein Theil der Wüste lediglich auf Rechnung
-menschlicher Nachlässigkeit fällt; er könnte bald in ein lachendes
-Gelände umgeschaffen werden. „Sorgfalt ersetzte oft, was hie Natur
-versagte (+Strabo+)“. Wirklich erblickt man hin und wieder Spuren von
-Bewässerungskanälen, den unwidersprechlichen Zeugen einer vormaligen
-Bodenkultur. Würde der Pascha geruhen, den Bauer dadurch aufzumuntern,
-daß dieser seiner Ernte sicher und froh werden könnte, große Striche
-Landes müßten in kurzer Zeit der Wüste abgedrungen werden. Ueberdieß
-verkündigen die +angebauten+ Felder nicht allenthalben Fleiß und
-Sparsamkeit. Wahr ist, daß z. B. das Delta die Arbeit des Fellah
-mit schweren Ernten lohnt; allein ein so fruchtbares Land muß etwas
-hervorbringen, wenn man damit auch nur ein wenig sich bemühen mag;
-etwas im Feldbaue müssen die Leute jenes unermüdlichen Landes doch
-wohl verstehen, auf welchem so viele Jahrtausende hindurch unaufhörlich
-Früchte gediehen. Man gebe den Bienen des Nordens die gleiche Sonne,
-den gleichen Nilschlamm, die gleichen Ueberlieferungen, -- was +neue+
-Wunder würden erstehen.
-
-Bei +Abusabel+ ward ich an einen Italiener empfohlen, und diese
-Empfehlung erwies sich sehr nützlich; ein Wirthshaus mangelt, und
-in die arabischen Hütten zu kriechen, wandelte mich eben keine Lust
-an. Es ist eigentlich früh genug, das Kreuz aufzunehmen, wenn man
-dazu gezwungen wird, vorausgesetzt, daß man sich überhaupt -- nicht
-verweichliche. Dießmal wäre es um so umständlicher gewesen, über Nacht
-ein ordentliches Obdach zu finden, da die Nilüberschwemmung seit einem
-Monate das eigentliche Dorf Abusabel von den medizinischen Anstalten
-trennt, und man nur zu Schiffe von einem Orte zum andern gelangt; nicht
-eher als in zehn bis fünfzehn Tagen werde, hieß es, die Verbindung zu
-Lande wieder hergestellt.
-
-Die medizinischen Anstalten bei Abusabel, im Nordost von Kairo, liegen
-in einer fruchtbaren Gegend. In der gegenwärtigen Ueberschwemmungszeit
-gefiel sie mir nicht. Das Land war mit zu viel Wasser bedeckt, woraus
-Gebüsche und Bäume einsam auftauchten; und wo es vom Wasser nicht
-bespült wurde, behauptete die Wüste ihre grause Herrschaft.
-
-Das niedrige, einstöckige Gebäude verspricht wenig von Ferne. Es
-bildet vier Höfe. Die nähern zwei gehören der Veterinärschule, und
-die entferntern oder dem Dorfe Abusabel nähern bilden den Sitz der
-medizinischen Schule. Zuerst sei von dieser die Rede.
-
-Nähert man sich der Hochschule von Chanka aus, so steht links ein
-ungewöhnlich langes Haus, die Wohnungen für die Angestellten, die
-Professoren, Pharmazisten, Uebersetzer u. s. f. Es öffnen sich eine
-Menge Thüren ebener Erde nach einander. Jede führt zu einer Wohnung.
-Rechtshin tritt man in die eigentliche +medizinische Schulanstalt+.
-Diese besteht aus einem viereckigen Gebäude, welches einen geräumigen
-Hof umfängt, und im Umfange des letzteren breitet sich, neben dem
-besonders stehenden Anatomiegebäude, der sogenannte botanische Garten
-aus.
-
-+Das anatomische Theater+, ganz nach europäischem Geschmacke, schön
-gemalt und mit arabischen Schnörkeln überschrieben, ist sehr hell,
-und entspricht seinem Zwecke vollkommen. Eine in ein Tuch gehüllte
-Wachsfigur stand beinahe in der Mitte. An einer Wand fesselt die
-Aufmerksamkeit ein Glaskasten, worin der Anfang einer ornithologischen
-Sammlung aufbewahrt wird. Vor dem Theater, im gleichen Gebäude, aber
-auf der mittäglichen Seite, tritt man in den +Sezirsaal+. Auch an
-diesem wußte ich nichts auszusetzen. Es lagen eben vier, mit einem
-Tuche zugedeckte, halbschwarze Leichen auf den Sezirtischen, jede
-auf einem. Zwei waren von der beginnenden Verwesung schon häßlich
-gefärbt, und erfüllten die Luft mit einem sehr übeln Geruche. Das
-heiße Klima stellt den Sezirübungen in Egypten viele Schwierigkeiten
-entgegen, wenigstens viele Unannehmlichkeiten zur Seite. Bereits
-hatten Ferien begonnen. Gleichwohl begünstigte mich das Glück, einen
-Vortrag zu hören, nämlich dem Operazionskurse des Herrn Duvigneau[27]
-beizuwohnen. Der Lehrer in europäischer Kleidung, auch mit einer
-Schürze angethan, stand am Sezirtische, gleich neben ihm der Dragoman,
-ein Araber von etwa fünfundzwanzig Jahren. Die arabischen Studenten
-schaarten sich um den Tisch. Sie trugen rothe Mützen, eine weiße,
-über der Brust zugeknöpfte Weste mit Ermeln, weiße, den untern
-Theil der Weste umfassende Pumphosen und Schuhe, die weiter nicht
-auffielen, doch keine Strümpfe. Die jungen Leute mochten ein Alter
-von fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahren zurückgelegt haben. Der
-Professor hob damit an, über die Amputazionen Lehren zu ertheilen;
-er unterschied sie in solche, die in und außer der Kontinuität des
-Knochens vorgenommen werden. Jede Phrase übersetzte ein Araber leicht
-und schnell aus dem Französischen des Professors ins Arabische. Daß
-dergestalt die Mittheilung mühsam sich dahinschleppe, sieht Jedermann
-ein. Ohne Noth aber verstrickt der Professor seine Gedanken in lange
-Perioden mit Zwischensätzen. Daraus folgt unzertrennlich, daß die
-Aufmerksamkeit der Zuhörer mehr zerstreut wird. Uebrigens schauten
-und horchten diese möglichst aufmerksam, als wären sie die Erfinder
-der Aufmerksamkeit. Einer gab oft zu vermerken, daß er den Vortrag
-begreife. Ein empfindsamer Araber hatte seine Nase mit Papier oder
-etwas Anderem vor dem Wohlgeruche der Leichen verstopft, ungefähr so,
-wie man es einer sentimentalen Miß von London verzeihen würde. Unter
-den Augen der Zuhörer unternahm der Professor, nachdem er das blutige
-Heilverfahren aus einander gesetzt hatte, die Amputazion eines Fingers.
-Weder der Vortrag, noch die Art, wie der Lehrer operirte, verhieß
-Ausgezeichnetes. Er schien indeß mit Gewissenhaftigkeit seinem Berufe
-abzuwarten. Jeder Mensch mag sich beruhigen, welcher sein Pfund redlich
-gebraucht.
-
-+Apotheke.+ Es wäre unnöthig, eine europäische zu beschreiben.
-
-+Laboratorium+: Dieses ist hübsch ausgestattet, und sicher gebricht
-es nicht am Lehrstoffe, wenn nur die Zöglinge genug Lust und genug
-Fähigkeit zum Lernen besitzen.
-
-Die +Krankensäle+ sind zugleich die klinischen Säle, und sehr ähnlich
-denen in den Abtheilungen des allgemeinen Zivilkrankenhauses zu Wien.
-Der gefüllte Bettsack ruht entweder auf dem hölzernen Käfiche, der
-gewöhnlichen egyptischen Bettstelle von Palmzweigen, oder auf einem
-eisernen Gestelle. Das Kissen fehlt nicht; die Bettdecke ist von
-grober Wolle. Neben dem Bette befindet sich ein Trinkgeschirr oben
-und ein Pot de Chambre unten. Ueber die ärztliche und wundärztliche
-Behandlung der Kranken kann ich, leider, das Wort nicht ergreifen.
-Die Visiten geschehen Abends 9 Uhr und Morgens um 11 Uhr. Alles aber
-empfahl sich nicht minder durch Reinheit und Ordnung, als durch einen
-bessern europäischen Geschmack, daß ich an der zweckmäßigen Behandlung
-nicht zweifle. Abends (zur Asserzeit) wurden die Speisen ausgetheilt.
-Ich kostete die Reissuppe, und, wegen ihrer Schmackhaftigkeit, würde
-ich gerne sogleich eine Portion genossen haben. Das Schicksal der
-hiesigen arabischen Kranken leiht nicht den entferntesten Grund, von
-den Europäern bemitleidet zu werden. Die Säle enthalten die Krankheiten
-nach der Eintheilung in innere und äußere (~internes et externes~).
-Diese Eintheilung ist in französischer Sprache über den Thüren
-aufgeschrieben. Hinwieder trägt jeder Saal eine Nummer. Demnach durften
-die Franzosen, wie es scheint, ihre Heiligen aus dem ~Hôtel-Dieu~ in
-Paris nicht herüberbringen. Um nicht den Verdacht zu wecken, daß ich
-bloß ein neugieriger Laie sei, wollte ich den Saal der Lustsiechen
-nicht betreten. In den Krankenzimmern führten mich etliche Studenten
-herum; denn sobald sie die Anwesenheit eines europäischen Hakim (Arzt)
-erfuhren, kamen sie mir mit Freundlichkeit zuvor. Sie drückten sich in
-französischer Sprache leidlich aus. Die Zahl der sämmtlichen Studenten,
-d. h., der Mediziner, Chirurgen und Pharmazeuten, wußten sie mir nicht
-anzugeben. Man muß gestehen, daß die europäischen Studiosi lieber
-kalkuliren. Ich vernahm aus dem Munde der Abusabler-Studenten nur so
-viel, daß 41 die Klinik besuchen. Die Gesammtzahl der Zöglinge beläuft
-sich etwa auf 200.
-
-Von den +Hörsälen+ sah ich zwei. Sie waren eben angefüllt; allein
-man ertheilte bloß Unterricht, der Methode nach wechselseitigen,
-in der französischen Sprache, indem man den Koran übersetzte. Das
-laute Brummen in tiefem Basse sticht schroff ab gegen das feinere
-Bienengesumse unserer Primarschüler in Europa. Die Hörsäle haben in
-ihrer Bauart nichts Ausgezeichnetes für den Abendländer. Ein Katheder
-ist vorne für den Lehrer angebracht; Bänke folgen sich in regelmäßiger
-Reihung, so daß die auf europäische Weise sitzenden Schüler dem Lehrer
-ins Gesicht sehen. Auch während des Kollegiums bedeckte die rothe Mütze
-den Kopf. Es herrschte Ordnung und Ernst; kein Hin- und Hergehen, um
-sich zu zerstreuen.
-
-Die +Steindruckerei+. Ich wurde überrascht, als eine solche mir gezeigt
-wurde. Zwei Araber druckten eben etwas zum Behufe des Krankenhauses.
-Französisches und Arabisches standen neben einander auf den Druckbogen.
-Die französische Schrift war korrekt, der Abdruck aber dießmal ein
-wenig schmutzig. Die Korrektheit freute mich um so mehr, als man in
-europäischen Winkeln, nicht so gar selten, von den gröbsten Verstößen
-geärgert wird. Diese Steindruckerei ist einzig für die höhere
-Lehranstalt bei Abusabel bestimmt.
-
-Der +botanische Garten+. So heißt man im Hofe einen Garten, welcher an
-Ueppigkeit und Pracht wohl die europäischen Gärten übertrifft, dagegen
-der eigentlich wenigen Pflanzen wegen diesen Namen in der That nicht
-verdient, gewiß nicht einmal den eines ~Egyptiacum~ verdienen würde.
-Wie viel kann hier noch geleistet werden.
-
-An der medizinisch-chirurgischen Lehranstalt, die im Jahr 1828 ihren
-Wirkungskreis eröffnete, sind folgende Professoren angestellt:
-
- für +Botanik+ und +Arzneimittellehre+: +Figari+;
-
- für +Physiologie+: +Seisson+;
-
- für +Pharmazie+: +Pacthon+;
-
- für +Chemie+: +Berron+;
-
- für +Pathologie+ und +Therapie+, so wie für +medizinische Klinik+:
- +Duvigneau+;
-
- für +Chirurgie und chirurgische Klinik+: +Seisson+.
-
-(Sonderbar aber, daß nicht +Seisson+ den Operazionskurs gab.)
-
-Der Lehrstuhl der +Anatomie+ ist seit dem Austritte +Fischers+
-einstweilen erledigt. Durch Eifersucht verdrängt, erwarb sich
-dieser Deutsche doch die bleibende Achtung der Bessern. Es ist für
-den Tugendhaften sehr aufmunternd, daß er, bei Mißkennung seiner
-Bestrebungen, an den Rath seines vor Gott offenen Gewissens und an das
-Synedrium der Besseren in der Welt appelliren kann.
-
-Die +Veterinärschule+ stößt an die eben beschriebene medizinische. Der
-Vorsteher derselben, mit Namen +Ammon+, ein junger Franzose, bezieht
-von der Regierung einen monatlichen Gehalt von 5000 Piaster (über 600
-Gulden R. W.).
-
-Das Vieh mit äußeren und inneren, so wie insbesondere mit ansteckenden
-Krankheiten ist in den Ställen geschieden. Diese, mit einem Dache
-versehen, werden reinlich gehalten. Ein Gesimse von Mauerwerke nimmt
-ziemlich große, irdene Töpfe auf. Je einer für ein Stück Vieh,
-vertreten sie die Stelle einer Krippe. Harnrinnen sucht man indeß
-vergebens. Auch hier fressen die Thiere Strohhäcksel. Bei eintretendem
-Mangel des Platzes in den Krankenställen werden die Thiere unter freiem
-Himmel gehalten. Wie in Egypten die Augenentzündung den Menschen häufig
-befällt, ebenso ist ihr das Thier unterworfen. Die Veterinärschüler
-empfangen außer ihrem Fache Unterricht im Reiten, so daß eine wirkliche
-Reitschule besteht. Hörsäle, anatomisches Theater, Sezirsaal, Apotheke
-und Laboratorium lassen an der guten Einrichtung keinen Zweifel übrig.
-Auf einer Tafel im Sezirsaale liest man die Namen derer, welchen der
-Operazionskurs vorgeschrieben war: +Akmet Abdrahman+, +Akmet Ibrahim+
-u. s. f. Das klingt nun einmal unchristlich. Im anatomischen Theater
-trifft man bloß einige Skelete. Es ist Schade, daß unter diesem heißen
-Himmel überhaupt der wissenschaftliche Eifer leicht erkaltet. Die
-Veterinärschule zählt 120 Zöglinge: ein bemerkenswerthes Mißverhältnis
-zu der Zahl der Mediziner.
-
-Die Zucht der Zöglinge beider Schulen ist eine klösterliche oder
-militärische. Einmal schon werden die Anstalten von Militär bewacht.
-Die Schüler sind Alumnen; fast alle arm, werden sie auf Kosten des
-Staates unterhalten und gelehrt. Sie schlafen in großen Gemächern, die
-Thierarzneischüler auf dem Boden, unter ihnen nur eine Strohmatratze
-und über ihnen die Kleider; für die Mediziner hingegen sind ordentliche
-Betten aufgeschlagen. Wenn man in solchen Gemächern, wo so viel
-Morgenländer beisammen leben, der orientalischen Laster sich erinnert,
-so wird man von einem ordentlichen Abscheu ergriffen. Neben den
-Schlafgemächern gibt es für die Studenten noch besondere Speisesäle
-nach europäischer Art. Ich sah gerade eine ungemein lange Tafel
-gedeckt. Unzweifelhaft werden die Alumnen gut genährt.
-
-Die Studenten hatten kurz vor Sonnenniedergang Feierabend. Es muß
-zwischen Arbeit und Ruhe ein Ebenmaß sein, sonst leiden beide, Leib
-und Seele. Die jungen Leute zogen, je zwei und zwei neben einander
-aus. Am Thore gegen Abusabel hielt der Flöter und Trommler an, und
-flugs zerstob die Reihe, um sich in die Barke zu werfen, welche sie
-nach Abusabel führen sollte, darunter manche zu den Weibern. Jeder
-wollte der erste in dem Kahne sein. Auf die Rückfahrt der Barke
-wartende Studenten vergnügten sich daran, daß sie Steine ins Wasser
-schleuderten, die wechselweise in diesem niedertauchten und wieder
-hervorhüpften (Epostrakismos der Griechen). Um neun Uhr Abends mußten
-die Einen zurückkehren; die Uebrigen durften bis morgen in der Frühe
-ausbleiben. Letzteres erzähle ich nach Andern.
-
-Das Leben der bei Abusabel Angestellten gleicht so ziemlich einem
-Schlaraffenleben, und sie können die Zeit mit genauer Noth hinbringen.
-Wenn ein europäischer Fremder die Anstalten besucht, so ist er beinahe
-Fingerzeig. Das Auge weilt fast lieber bei den die Höfe zierenden
-Dattel- und Akazienbäumen, als bei Leuten, wiewohl aus dem gleichen
-Welttheile, welche dem Schöpfer das Meiste vom Tage abstehlen. Gilt
-denn etwa hier die +Ausnahme+ von der Regel, daß der Müßiggang
-aller Tugenden Anfang sei?
-
-Von der Zugänglichkeit der Mohammetanerin hörte ich bei Abusabel Dinge,
-welche Erstaunen erregen. In ältern Zeiten wurde eine solche, welche
-sich mit einem Christen verging, den Wellen des Nils preisgegeben. Ob
-nun die Mittheilungen beweiskräftig genug seien, um zu entscheiden, daß
-der religiöse Fanatismus um manche Grade sich abgekühlt habe, wage ich
-kaum anzudeuten, und wenn ich andeuten +müßte+, so fiele die Bemerkung,
-daß die geschlechtlichen Verirrungen auf eine +höhere+ Sphäre
-konfessioneller Nachgiebigkeit oder Strenge selten schließen lassen,
-weil sie aus einer tiefsinnlichen Quelle hervorsprudeln. Wahrscheinlich
-würden sich, wie zur Zeit der Franzosen- und Patentherrschaft, wenige
-Araberinnen gegen die Verbindung mit einem Christen sträuben. Wenn sie
-auch nicht die Liebe dazu lockte, so doch das tönende Erz. Eröffnungen
-über das ~punctum sexus~ strömen unter den Franken in diesem Lande
-so ohne Rückhalt daher, daß der galante Großstädter des Abendlandes
-nicht offenherziger sein kann. Wenn die Konkubinen in die Hoffnung
-kommen, so werden sie von Manchen ohne Theilnahme und Hülfe verstoßen.
-Die Mohammetanerin könnte vor dem Richter keine Ansprachen geltend
-machen; wohl aber ist gewiß, daß derselbe die Sache, sobald sie vor ihn
-gebracht würde, zum Nachtheile des gefallenen Mädchens nicht ungeahndet
-hingehen lassen könnte. Hinwieder steht der Europäer, in seiner großen
-Freiheit und Unabhängigkeit, nicht unter dem ordentlichen egyptischen
-Richter, sondern unter dem Konsulate, um dessen Schutz er nachsuchte.
-Etwa im Falle eines Ehebruches oder einer Defloration, im Falle, daß
-über die mohammetanische Religion geschimpft, oder daß falsche Münze
-geprägt würde, müßte die Auslieferung an den egyptischen Richter
-erfolgen. Wie weit diese Unabhängigkeit getrieben wird, lehrte unlängst
-ein handfester Engländer. Es wollte ihn die Polizei aufgreifen, weil
-er Mohammetanerinnen ins Haus aufnahm, in einer Absicht, die leicht
-errathen werden konnte. Statt alles Fernern schlug er die Polizei
-nieder. Das Konsulat schützte ihn doch so sehr, daß er von der
-vizeköniglichen Polizei in Kairo nicht weiter beunruhiget wurde.
-
-Ich machte früher in Wirklichkeit einen Abstecher zu Lande, und jetzt
-einen auf den Schwingen des Geistes. Kehren wir zurück, um einen
-Rückblick auf die Schulanstalten bei Abusabel zu werfen.
-
-Im Andenken unferner Zeiten, da noch das ganze Egyptenland, seit der
-Herrschaft der Türken, in tiefe Barbarei versunken war, wird man
-billig ein Loblied auf den nunmehrigen Herrscher, +Mehemet-Ali+,
-anstimmen, welcher für jenes Land wirklich großartige, hoffentlich
-segensreiche Anstalten ins Dasein rief. Angenommen, daß die Stellen
-immer mit tüchtigen Professoren und keinen Stümpern, mit Freunden der
-Wissenschaft und keinen Abenteurern, mit gewissenhaften Arbeitern und
-keinen bloßen Glücksrittern besetzt werden, so dürfen die Anstalten mit
-den medizinischen Fakultäten kleinerer deutscher Hochschulen in die
-Wette laufen; ich möchte noch weiter gehen, in praktischer Beziehung
-werden sie letzteren den Vorrang ablaufen. Beherzige man nur, wie
-oft der Mangel an Leichen zum Behufe von Zergliederung auf manchen
-Hochschulen beklagt wird. Umgekehrt werden die egyptischen Anstalten
-in theoretischem Bezuge gar keinen Vergleich aushalten, und bis ein
-echt wissenschaftlicher Geist dieselben durchdringt, beseelt, erwärmt,
-kann über die viel zu neue Grundlage, selbst unter den günstigern
-Umständen, ein ganzes Jahrhundert verstreichen. Jedenfalls wird der
-Pascha mehr oder minder brauchbare Aerzte für die Armee bekommen, und
-das ist es, was er zunächst bezweckt. Es würde ihn wahrscheinlich gar
-wenig befriedigen, wenn die Zöglinge sich in medizinische Spekulazionen
-vertieften, und in diesem Gebiete der Schriftstellerei sich versuchten,
-um vielleicht durch gelungene Arbeiten einen neuen Glanz auf das Leben
-des Regenten zu werfen. Der Gedanke thut wahrhaftig bis in das Innerste
-der Seele wohl, daß in dem Lande, wo einst Heliopolis und Alexandrien
-durch die Schätze der Wissenschaft weithin leuchteten, nach den vielen
-Jahren der traurigsten Finsterniß, wenigstens einige Schritte versucht
-werden, um die Verlassenschaft der erhabenen Vorfahren, ob auch nicht
-in ihrem vollen Werthe, doch einigermaßen zu würdigen.
-
-Tages darauf trat ich meinen Rückweg an. Ein kühler Wind wehte sogar
-noch Mittags. Bald sah ich den erwähnten Obelisken, weiter oben die
-Pyramiden von Gizeh, dann den Mokatam, und aus ziemlicher Ferne schon
-Kairo. Den Weg belagerten mehrere Bettler, die aber, bequemer oder
-anständiger als die unsrigen in der Schweiz, nicht nachrannten. Ein
-Knabe legte es darauf an, durch seine Klumpfüße Mitleiden zu erwecken.
-Der auffallendste Bettler hielt sich behaglich in einer kleinen Höhle
-auf, die mit einem löcherigen Dache versehen war. Beinahe immer lief
-mein Eseltreiber den weiten Weg. Den Lauf setzen die Eseltreiber vier
-Stunden lang an Einem fort, während die Hitze den nördlichen Europäer
-gleichsam erdrückt. Die Uebung hat jene Leute gestählt.
-
-Wie gestern Nebel, so verdunkelten heute die Atmosphäre herumfliegender
-Sand und schwarze, regnerische Wolken, an deren Schatten ich beinahe
-bis Kairo ritt, und zwar ein Stück weit neben dem Direktor +Ammon+, der
-sich freundlich anließ. Ich traf gerade Mittags im Frankenviertel ein.
-Ich begrüßte es mit ebenso froher Stimmung des Gemüthes, als ich der
-Gegend von Abusabel mein Lebewohl sagte. Es ist schwer, zu begreifen,
-daß +Mehemet-Ali+ die medizinische Lehranstalt der Hauptstadt so weit
-entrückte. Großköpfe sind mit Querköpfen nicht selten verwandt. Jede
-Berührung mit wissenschaftlichen oder gebildeten Leuten hätte den
-Professoren sowohl, als den Studenten leicht gemacht werden sollen. Was
-entbietet ein elendes Dorf armseliger Araber?
-
-
-Geschichtlicher Rückflug nach Mattarieh.
-
-+Prosper Alpinus+ erzählt: In „el-Mattharia“ wird eine gewisse Sykomore
-besucht, welche von den Einwohnern für so heilig gehalten wird, daß
-es bei ihnen eine ausgemachte Sache ist, es habe die Frau +Maria+, um
-dem Zorne des +Herodes+ von Jerusalem zu entgehen, in eine Höhle des
-Stammes sich geflüchtet und dort das Kind +Christus+, unsern Heiland,
-für einige Tage verborgen. Es wird daher dieser Baum von Vielen in
-hohen Ehren gehalten; dieß gilt zumal von den Aushöhlungen desselben,
-welche +Christus+ bargen. Fabelhaft ist, was +Matthiolus+ anführt, daß
-die Stämme und Aeste des Baumes nie verdorren, wenn sie zuvor ins
-Wasser getaucht werden, und darin eine Zeitlang liegen bleiben. -- Der
-Pascha von Egypten, des Namens +Messir+, besuchte in der letzten Hälfte
-des sechszehnten Jahrhunderts aus Verehrung der gottseligen Frau den
-Ort el-Mattharia an jedem Freitage, als dem Sonntage der Mohammetaner,
-und er pflegte daselbst sein Gebet zu verrichten. So weit +Alpinus+.
-
-Hören wir noch einen andern Naturforscher, +Johann Wesling+, welcher
-im dritten Jahrzehn des siebzehnten Jahrhunderts in Kairo lebte:
-„El-Mataaria“ ist ein Garten um Memphis, ein hehrer Name durch die
-Verehrung der Christen. Dort treibt eine ungeheure Sykomore, umdämmt
-mit einer niedrigen Rasenbank zur Bequemlichkeit der Besuchenden, und
-ehrwürdig, wegen des von +Alpinus+ angegebenen Grundes, schon seit
-anderthalb Jahrtausenden in den Augen der Christen. Munter grünen die
-Zweige, obschon der Stamm über dem Wurzelstocke auf eine häßliche
-Weise zerstümmelt ist, weil diejenigen, welche den Baum mit dem
-Kusse benetzen, ein Stück davon, aus thörichter Liebe zu Reliquien,
-wegschneiden, während es doch besser wäre, den Baum in fromm ehrendem
-Gedächtnisse zu bewahren. (~_Joannis Veslingii_ Mindani de plantis
-Aegyptiis observationes et notae ad _Prosperum Alpinum_~. ~Patavii ap.
-P. Frambottum 1638. P. 10.~)
-
-
-Abenteuerlicher Ritt nach den Pyramiden von Gizeh.
-
-Ich fragte oft und oft nach Gesellschaft, um in solcher die Pyramiden
-von Gîsa zu besuchen. Vergebens. Da wählte ich einen Eseltreiber, der
-etwas italienisch verstand, und brach, auf guten Ritt hoffend, am
-Mittage des fünften Wintermonates auf. Noch aber war ich nicht auf dem
-Esbekiehplatze, als er seinen rothäugigen Bruder mir zurückließ. Zudem
-war dieser in Aussehen und Wahrheit kreuzdumm, und mehr als ~buono~
-konnte er kaum etwas vom Italienischen.
-
-In Gottes Namen -- vorwärts. In Altkairo über den Nil gefahren,
-gelangte ich zu einem Graben. Jetzt sprang mein Esel hinüber, er fiel
-und ich mit ihm. +Erste Stazion des Elendes.+
-
-Später leitete der Weg zu einem ziemlich breiten Abzugsgraben des Nils;
-wir durchschnitten diesen in einem Kahne ohne Schwierigkeit. Bald traf
-ich seichtes Wasser. Es liefen zwei Männer daher, und einer trug mich
-über dasselbe. Ich wußte nicht, daß diese -- Führer sein sollten. Der
-Eseltreiber, voll jämmerlicher Angst vor dem Wege nach den Pyramiden,
-rief sie ohne mein Wissen und meinen Willen. Der eine, ein Scheik, mit
-nicht unangenehmen Gesichtszügen, war mit einer Flinte, der andere mit
-einem langen Stocke bewaffnet. Mehrere Male wurde ich von den Leuten
-über das seichte Ueberschwemmungswasser getragen. +Zweite Stazion des
-Elendes.+
-
-Ungefähr anderthalb Stunden vor Sonnenuntergang erreichte ich eine
-große Wasserfläche, welche man für einen breiten Fluß hätte halten
-können. Darüber sollten wir im Kahne. Es erschallte der Mahnruf an den
-Fährmann. Die Sonne verschwand hinter die libyschen Hügel, ohne daß
-man mich holte. Es kamen mehrere Männer, die, wie ich, die Abfahrt
-erwarteten; dann auch Weiber. Diese kauerten an einem besonderen Orte,
-unordentlich im Kreise, schwatzten viel, lachten viel, guckten gerne,
-aßen Datteln, einzelne rauchten auch Tabak. Die Männer trugen ihre
-Worte auf den Flügeln des Gelächters, und schauten kaum gegen die
-Weiber. Nach zweistündigem Warten langte endlich der Fährmann an. Ich
-freute mich sehr wenig auf die Nachtfahrt, und doch brannte ich vor
-Verlangen, wegzukommen. Ein fester Blick nach einem Ausgange der Dinge
-kann den Menschen dahin bewegen, daß er sich nach Unangenehmem sehnt.
-+Dritte Stazion des Elendes.+
-
-Die Nacht war hereingebrochen; der schöne Mond suchte indessen die
-Finsterniß derselben zu verdrängen. Stelle man sich Jemand vor ohne
-Kenntniß der arabischen Sprache, mit einem albernen Eseltreiber,
-bei Nacht, unter lauter Fremden, im fernen Auslande, und in der
-Ungewißheit, wo er die Nacht über sein Haupt niederlegen könne, und
-man fühlt jetzt das Peinliche meiner Lage. Geschehe, was Gott will,
-dachte ich. Man wies mir den beßten und geräumigsten Platz in dem
-Fahrzeuge an. Es durften jedoch hier, wegen der Untiefe, nur wenige
-von den anwesenden Leuten die Barke beschweren; die übrigen, auch
-die Weiber, hoben ihre Röcke, so hoch ihnen die Tiefe des Wassers
-gebot, und wateten uns nach. Der Mond, seiner Schalkhaftigkeit
-eingedenk, lachte, während dieses Auftrittes die keusch und anständig
-in schwarzen Flor gekleidete Nacht ein wenig aus. Wie wir tieferen
-Grund gewonnen, bestiegen endlich alle den Kahn, natürlich nicht ohne
-viel arabischen Lärm. Es währte ziemlich lange, bis wir den vom Mond
-vergoldeten Spiegel in die Quere durchspalteten. Das lange Warten auf
-den Fährmann, die Fahrt auf Ueberschwemmungswasser beim Mondesscheine
-und andere Umstände prägten die Nilüberschwemmung unauslöschlich in
-mein Gedächtniß. Wir landeten glücklich. Ich ritt vorwärts -- zwischen
-ausgetretenen Wassern. Allein jetzt kam es ernster. Tiefes Wasser
-sollte durchwatet werden. Unzufrieden mit dem niedrigen Esel, setzte
-ich mich auf die Schultern zweier Araber, faßte sie um die Köpfe, und
-streckte die Beine wagrecht aus, so gut ich vermochte. Es half nichts,
--- ich ertränkte einmal einen Schuh. +Vierte Stazion des Elendes.+
-
-Ich konnte doch wieder auf dem Esel davon reiten, und ruhiger an dem
-herrlichen Schauspiele mich abletzen, das sich mir darbot. Der Mond
-entfaltete all’ die Pracht seines Lichtes, auf daß ich die Pyramiden
-bewundere. Diese schienen nun so nahe, daß mich bald gelüstet hätte,
-sie mit der Hand zu berühren. Allmälig verminderten sich unsere
-Gefährten. Wo die Freihunde bellten, dahin zogen beide, Männer und
-Weiber. Mich begleiteten bloß noch der Eseltreiber und drei andere
-Araber, Alle mir zu Schutz und Trutz. Jetzt hatte meine Gesellschaft
-ihre bestimmten Umrisse; die Lage war seltsam; Furcht wurde von
-Vertrauen überwogen. Ich warne den Leser bei Zeiten. Es geschieht wohl
-auch, daß größere Gefahr in den Büchern aufgefaßt und gefühlt wird, als
-sie wirklich war.
-
-Es mußte dem Eseltreiber schon in Kairo erklärt worden sein, daß ich
-am gleichen Tage noch bis zum Dorfe wolle, welches von den Pyramiden
-am wenigsten entfernt liege. Ich schrie dem Eseltreiber oft ins Ohr,
-in den mannigfaltigsten Wortwindungen und Radebrechereien, um es ihm
-ja recht verständlich zu machen, daß ich in einem +Hause+ die Nacht
-hinbringen wolle. Zum Ueberflusse gacksete ich noch etwas arabisch;
-reden konnte ich so nichts. Es war mir, als sollte ich einen Berg von
-der Stelle wälzen. Nicht ohne Ursache drang ich so begierig auf ein
-Dorf oder auf ein Haus. Als Lebensmittel hatte ich nichts, als etwas
-Brot und Zucker mit mir genommen. Ehe ich mich versah, saß ich vor
-den Pyramiden, vor den Trümmern an ihrem Fuße, vor dem Sphinxe. Nicht
-zu den Pyramiden, sondern in ein Dorf will ich, sagte ich mit dem
-Nachdrucke eines bebenden Gemüthes. Ja, ja, erwiederte der Araber. Es
-ging an der großen Pyramide hinauf -- zum Eingange. Da sei das Haus,
-und gut zu liegen, stammelte der Bube. Durstig und hungrig sollte
-ich auf Stein mich niederwerfen, an der Wüste mich sättigen, und das
-Gebläse des kühlen Nordens athmen. Ich war kein Engländer, um meine
-Gesundheit an das Rühmchen zu setzen, daß man eine mondhelle Nacht in
-der dunkeln großen Pyramide verlebt habe. Hier wollte ich mit nichten
-bleiben.
-
-Allah, rief ich und ich stieg hinunter. Mittlerweile fing ich an,
-etwas umsichtiger zu überlegen: zu essen brauche ich wenig, und
-wenn ich bloß vor dem Winde geschützt sei, so dürfte die Nacht wohl
-erträglich werden. Ich ließ mich auf einige Zugeständnisse ein; meine
-Leute hatten ohnehin keine Zuglust nach dem Dorfe. Im Reisen darf man
-nicht mit Unbeugsamkeit an Nebendingen hangen. Ich konnte mehr oder
-minder merken, daß in der Nähe ein Haus des englischen Konsuls uns als
-Herberge dienen sollte. Wie ich ankam -- wieder kein Leben, nur ein mit
-einer Thüre verschlossener Pyramidenstumpf. Zu meinem Troste erspähte
-ich neben jener eine Art Fensterloch, das nicht unbequem schien, um
-mich zu beherbergen. Der Zugluft und den Thieren zu wehren, ließ ich
-die Lichtöffnung nach innen mit Steinen ausfüllen. Ich kroch hinein;
-den Kopf auf einem Gesimse, den Leib auf dem Steine, eine wollene
-Decke unter, den Mantel über mir, so lag ich, und noch nie auf einem
-antikeren, nur einmal auf einem ebenso schlechten Bette.
-
-Die Leute thaten zu meinen Füßen an der Pyramide und auf dem Sande
-so recht behaglich, kauten mit Lustigkeit schmatzend ihre frischen
-Rettiche, und plauderten in fröhlichem Tone. Meines Durstes und
-meines Hungers nicht achtend, prüften sie eine Zeitlang meine Geduld.
-Ungeduldig endlich und drohend griff ich zur Karbatsche, mit den
-Worten: Bringet Milch und Wasser; ~voi mangiate ed io ho fame~ (ihr
-esset und ich habe Hunger). Das Ding war gut; zwei Männer rückten
-bewaffnet aus. Sie brachten, schon spät gegen Mitternacht, mit einem
-Drittmanne Milch und Wasser. Ich schätzte mich so glücklich, als unsere
-Väter, denen Manna vom Himmel herabfiel. Ich ließ die Milch aufkochen,
-und noch nichts auf der Welt schmeckte mir besser. Den Durst gelöscht,
-den Hunger gestillt, was wollte ich mehr? Zufriedenheit goß wieder
-ihren erheiternden und erwärmenden Sonnenstrahl in meine Seele, und
-nicht mehr drückte mich der Gedanke an eine Nacht im Freien. Wiewohl
-in der Wüste und unter unbekannten Menschen fand ich keine Gründe, um
-für Leben, und wenige, um für Eigenthum besorgt zu sein. Ich schlief
-ziemlich gut, ohne zu frieren, und ich würde noch besser geschlafen
-haben, wäre ich nicht von einer Maus und Fledermaus gestört worden.
-+Fünfte Stazion des Elendes.+
-
-Als der Morgen des 6. herannahte, grübelte ich mit meinen, gegen
-Sonnenaufgang gewendeten Augen, das schwächste Grau ungeduldig aus
-dem hehren Dome. Die Morgendämmerung täuschte mich nicht mehr, nein,
-sie täuschte mich nicht mehr; auch verkündigte sie von Kairo her der
-Donner der Kanonen; ich begrüßte sie mit kindlich freudigem Herzen.
-Sobald der Tag heller war, verließ ich mit den fünf Männern den
-Pyramidenstumpf. Ich kam an einer Stelle vorüber, wo Nachgrabungen
-veranstaltet wurden. Es lagen auf der Oberfläche viel Menschenknochen,
-so wie Einbalsamirungsmaterie, wovon ich zum Andenken aufhob. Im
-Augenblicke, da ich hart an der mittäglichen Seite der großen Pyramide
-stand, empfing ich den demüthigenden Eindruck einer hohen Majestät; sie
-strebte gewaltig empor, wie auf den Bergen die letzte erhabene Zacke.
-
-Bald befand ich mich wieder da, wo gestern, nämlich am Eingange der
-großen Pyramide. Am Lichte einer Kerze stieg ich hinunter, ging fort
-und hinauf. Ich beschreibe nicht die Gänge und Höhlen. Der Grabstichel
-des Künstlers stellt anderwärts deutlich vor Augen, was die Feder
-nur undeutlich vermöchte. Meine Bemerkungen beschränken sich auf
-Weniges. Der Besuch der Heiligthümer kostet wenig Schwierigkeiten.
-Ueberall guter Stand oder Halt oder beides. Der Saal des Königs ist
-sehr hoch, und einzig ein Sarg aus Granit unterbricht in demselben die
-Einförmigkeit.
-
-Nach den französischen Gelehrten ergeben sich für die große Pyramide
-folgende Maße, die Verkleidung inbegriffen:
-
- Höhe, 456′ 3″ 2‴ Wiener-Maß.
- Kante, 689′ 6″ 6‴ „
- Apothem, 584′ 8″ 8‴ „
- Basis, 710′ 1″ 7‴ „
-
-Der Flächeninhalt der Basis beträgt:
-
- 57,804′ 8″ 3‴ Wiener-Maß.
-
-An den Pyramiden bewundert man mehr die Masse und Ausdauer der
-menschlichen Leibeskräfte, als die Feinheit und den Geschmack der
-menschlichen Geisteskräfte. Wenn man die ungeheuern Granitblöcke auf
-einander geschichtet sieht, so drängt sich zuerst die Frage auf:
-Wie war es möglich, dergleichen Lasten herbeizuschaffen? Darüber zu
-erstaunen, hat man nicht das größte Recht. Sobald man über viel
-Menschenkräfte und Hilfsmittel verfügen kann, läßt sich Großes
-vollenden. Vielleicht hält es nirgends leichter, mehr Menschenkräfte
-für Anderes, als für Brot und Hülle und Obdach zu verwenden, wie in
-Egypten. Denn der Boden gibt leicht und üppig; die Sonne übernimmt
-so viel Tagewerke, daß zur Erwärmung des Körpers, in und außer der
-Wohnung, wenig benöthiget wird u. dgl. Es kann nicht fehlen, daß,
-bei solcher Bewandtniß der Dinge, viel Hände, oder doch die Hände
-viel Zeit müßig bleiben. Wem entschwebt nicht die Muthmaßung, daß die
-Pharaonen den Müßiggang der Unterthanen als Quelle von Nachtheilen für
-den Einzelnen und als Träger von Gefährden für den, Staat ansahen, und
-daß sie darum auf Mittel sannen, um den Müßiggang nützlich abzuleiten?
-Ein Machtwort ohne Grund würde wahrscheinlich Murren unter dem Volke
-erzeugt haben; sie warfen den Mantel der Religion über die tief
-liegenden Plane, und es entstanden die größten, massivsten, wenn gleich
-nicht die kunstreichsten Grabmäler unsers Erdkreises. +Die Pyramiden
-sind Grabhügel.+ Und so sagte ich treu, was ich einmal meine.
-
-Jede der vier äußern Flächen der großen Pyramide läuft in Stufen
-bis auf die Spitze. Diese kann von außen leicht bestiegen werden;
-allein weil sie eben vom Nebel umschlichen war, leistete ich auf das
-Besteigen, als ein eiteles Geschäft, Verzicht. Hier wollte ich ebenso
-wenig die Rolle eines Engländers spielen, was ich gerne und offen
-gestehe.
-
-Man wollte schon an dem Vorabende Bagschisch (Geschenk), darauf
-in, dann außer der Pyramide, und später, als ich gegen eine ihrer
-Schwestern fortritt. Hier konnte ich die Leute nicht mehr mit dem
-Versprechen beschwichtigen, daß ich am Ende ausbezahlen wolle. Ich
-hatte in Kairo nur so viel Geld eingesteckt, um den Eseltreiber und
-etwa zwei Führer aus dem letzten Dorfe befriedigen zu können, von der
-Ansicht geleitet, daß, bei meiner Unbekanntschaft mit der arabischen
-Sprache, alles Geld mir aus der Tasche geschwatzt werden könnte.
-Für die Milch bezahlte ich über Maßen. Jetzt schon war meine ganze
-Baarschaft auf vier Piaster heruntergeschmolzen. Einer der Führer fiel
-meinem Esel in den Zügel. Ich zeigte all’ mein Geld, und bezeugte, daß
-ich nicht mehr bei mir habe, daß ich aber das einzige Vierpiasterstück
-glatterdings nicht entübrigen könne, weil ich an einigen Orten für
-das Fahren über das Nilwasser bezahlen müsse, welche Kosten nicht
-vorangeschlagen waren, und weil ich ohne Geld nicht einmal zurückkehren
-könnte; es solle einer der drei Männer mich nach Kairo begleiten, wo
-ich +dann+ denselben und zu seinen Händen auch die Uebrigen gehörig
-zufrieden stellen werde. Ich kann nicht glauben, daß ich verstanden
-wurde; denn man gab dem Anerbieten kein Gehör, und schwatzte mir das
-Goldstück und meinen Zucker aus der Tasche. Man ließ zu guter Letzte
-den Zügel los. +Sechste Stazion des Elendes.+
-
-Ich ritt weiter, sah indessen keine Pyramide mehr an; selbst thäte ich
-den ungeheuern Androsphinx mit schelen Blicken regaliren, als ich,
-seinen Hügel von Kopf zur Linken, über den Rücken ritt, den tiefer
-Sand begräbt[28]. Ich seufzte unter dem Joche des Mißmuthes. Meine
-Beschützer gingen sämmtlich hinweg, und, allein mit dem Eseltreiber,
-sollte ich nach Kairo ohne Geld, durch Nebel, über Wüste und durch
-Wasser. Von meiner Unpäßlichkeit ohnedieß gereizt, hörte ich schon
-einige Krankheiten an der Pforte meiner Gesundheit pochen; ich rechnete
-hin und her, wie ich meine Peitsche zum Kaufe weggeben werde, um über
-das größere Wasser zu setzen u. s. f. Kurz, es war Nacht in meinem
-Gemüthe. Je fester Jemanden die gewöhnlichen Auswege versperrt werden,
-desto gewisser rafft er seine Kräfte zusammen, um ungewöhnliche
-ausfindig zu machen.
-
-Plötzlich ging ein Stern der Hoffnung auf. Ich hatte die Gewohnheit,
-in einer Geheimtasche in Papier gepacktes Gold mitzunehmen. Ich wußte,
-daß das Päckchen fehlte; indeß dachte ich, daß ein Stück herausgefallen
-sein könnte. Ich spürte nach und, o holdes Glück, richtig glitt mir
-ein Goldstück in die Finger. Ich fühlte mich nun reicher, als hätte
-ich über Millionen zu gebieten, weil ich die Mittel besaß, fortan in
-pekuniärer Beziehung sorgenfrei nach Kairo zu ziehen. Daß der Begriff
-von Reichthum sehr relativ sei, mag einen Theil der Reichen verdrießen,
-aber doch die minder Begüterten trösten.
-
-Zudem wählte der Eseltreiber einen andern und bessern Weg. Er richtete
-sich mehr gegen Mittag, und die Pyramiden von Sakâra rückten ziemlich
-nahe. Es war angenehm, über die vielen Dämme zu reiten; Wasser rechts
-und links; bald Feld, das aus dem Wasser eben auftauchte, noch naß,
-doch vom Fellachen betreten, bald Früchte tragendes Land. Ich konnte
-mich nie lebhafter als heute überzeugen, wie vielfach die Verbindungen
-zwischen den Dörfern von der Nilüberschwemmung erschwert werden. Der
-Weg führte über mehrere Brücken, unter welchen das Wasser rauschte, als
-wäre es fließend.
-
-Die Ueberschwemmungszeit ist der Winter Egyptens und das
-Ueberschwemmungswasser der Winterschnee. Der Schnee ist auch Wasser,
-bloß gefrorenes. Wenn das Wasser abgeflossen, kommt der Frühling; so
-wenn der Schnee geschmolzen. Beide, Wasser und Schnee, decken das
-Erdreich.
-
-Auf dem Rückwege wurde ich nur über drei kurze Strecken getragen,
-einmal vom Esel, dann aber vom Eseltreiber, weil jener das zweite Mal,
-gleich Anfangs, sammt dem Reiter, in den Schlamm stürzte. +Siebente
-Stazion des Elendes.+
-
-Der Anblick Kairos und des Mokatam stimmten mein Herz zur innigsten
-Freude. Nach vierundzwanzigstündiger Abwesenheit war ich wieder
-in der Hauptstadt, die mich wie eine zweite Heimath ansprach. Die
-vierundzwanzig Stunden machen mir das Pyramidenland unvergeßlich. Diese
-Schilderung belehrt, daß zur Ueberschwemmungszeit an den Besuch der
-Pyramiden von Memphis (Gizeh) sich ungewöhnliche Mühseligkeiten knüpfen.
-
-Es gibt nichts angenehmeres, als nach großen Anstrengungen wieder
-auszuruhen, und nichts Süßeres, als den Widerwärtigkeiten des Lebens
-aufrichtig zu zürnen. Es war mir ein Labsal, den ganzen Zorn auf
-die Wasser, die Führer und die Pyramiden zu entladen. Ich wollte
-über trockenes Land, da denn die mannigfaltigen Hindernisse der
-ausgetretenen Wasser; ich wollte zu rechter Zeit mich mit Speise
-und Trank erquicken, da denn die geschäftige Folter des Hungers und
-Durstes; ich wollte eine Wohnung unter Lebendigen, da denn das harte
-Ruhekissen der Pyramide in der wüsten Todtenstadt. Wie ein Kind, dem
-man einen Spiegel vorhält, nach seinem Bilde greift, so langte ich nach
-einer Reihe von Truggestalten. Wer kennt nicht die Gespenster, die
-unablässig sich bemühen, die arme Seele des Menschen irre zu leiten?
-
-
-Wegweiser in und um Kairo.
-
-+Erster Tag.+ Man verfügt sich an einem Morgen frühe nach dem Nile,
-darüber zum Garten +Ibrahim-Paschas+. Von da nach dem Aquädukt. Von
-hier nach Altkairo und dem Nilometer. Nun sieht man das armenische und
-koptische Kloster, in letzterem +Mariens+ Altar, und dann die große
-Moschee +A’mrus+. Man reitet über Turâb-el-Seydeh Omm Kàsim zurück.
-Nachmittags begibt man sich zum Konsul, der bis zum folgenden Tage die
-Erlaubniß für den Eintritt in den Garten von Schubbra auswirkt.
-
-+Zweiter Tag.+ Man reitet, aber nur nicht an einem Sonntage, auf die
-Burg; hier der Jussufsbrunnen. Auf dem Rückwege bewundert man die
-Gräber von Kâyd-Bei. Abends reitet man nach dem Schubbragarten.
-
-+Dritter Tag.+ Man kann das Militärkrankenhaus, den Esbekiehplatz, etwa
-einen Brutofen ansehen, zur Zeit der Fütterung im Katzenstifte sich
-einfinden.
-
-+Vierter Tag.+ Gehe man zu Fuß, um die verschiedenen Bassar zu
-durchmustern, denn auf dem Esel, der manchmal gallopirt, schwinden die
-Gegenstände zu schnell am Auge vorüber.
-
-Zwei Tage erfordert der Weg nach Abusabel, und ebenso viel derjenige
-über Sakâra nach den Pyramiden von Gizeh.
-
-Daraus erhellt, daß die Merkwürdigkeiten, dazu noch der Hassantempel,
-die Kadettenschule u. dgl. in wenigen Tagen besehen werden können, wenn
-man sie nur gehörig in die Zeit zu vertheilen weiß.
-
-Die Ritte sind nicht kostspielig. Für einen Tag rechnet man fünf
-Piaster (nicht einmal 40 Kreuzer R. W.). Reitet man den Esel einen
-halben Tag, so gibt man dem Treiber höchstens drei Piaster (etwa 23
-Kreuzer R. W.).
-
-
-Rückblick auf Kairo.
-
-In dieser weitläufigen Stadt verbrachte ich mehrere der angenehmeren
-Tage meines Lebens, und ich gestehe, daß ich mich ungerne von
-ihr trennte. Die Verschiedenheit der klimatischen Einflüsse und
-Hervorbringnisse, die Ungleichheit der Sitten und Religionsgebräuche,
-die Sonderbarkeit in den politischen Einrichtungen und so vieles Andere
-hielten meine Seele stets in reger Gespanntheit, dergestalt, daß
-+Langeweile+ in Kairo mich nie angähnte.
-
-Kairo ist ein großes, altes Weib, das falsche Haartouren, Brillen und
-Krücke trägt; aber es vermag seine Runzeln nicht spurlos auszuglätten,
-noch seine grauen Haare ganz zu verbergen, noch seinen halbblinden
-Augen die volle Sehkraft zurückzugeben, noch seinen gekrümmten Rücken
-in das Senkblei zu bringen. Wofern nicht ein wundersam belebender Hauch
-aufs neue die Adern der Alten durchdringt, so wird sie über nicht
-sehr lange von hinnen scheiden, und ihr Grabmal wird dann wegen der
-schauerlichen Größe über die Grabmale beider Todtenstädte spotten.
-
-
-Reise durch die Wüste nach El-Arysch.
-
- Verspätete Abreise; Dromedarwechsel; der Pole; Hunger;
- Hochzeitsspektakulum; Postillon; Dromedarthränen; Kartoffelkunst;
- Ausmöblirung der Wüste mit Kameelgerippen; Kinderspiel mit
- Datteldornen; Eremitage ~à la~ +Rousseau+; Dorfschaft Kâtieh mit
- Allerlei; Fata Morgana; ~Sirbonis lacus~; ein besseres Getränke als
- Champagner; Idumäa u. s. w.
-
-
-Ich war Willens während der sehr angenehmen Frühlingszeit länger in
-Kairo mich aufzuhalten; der Umstand aber, daß ich in der kältern
-oder Regenzeit durch die Wüste reisen müßte, und daß eben ein Pole,
-ein Kapitän aus der letzten Umwälzung, welcher des Arabischen kundig
-war, über El-Arysch nach Syrien sich begeben wollte, bewog mich, den
-Aufenthalt abzukürzen.
-
-Weh that es mir, daß sich keine Gesellschaft zur Unternehmung der Reise
-über Suez nach Jerusalem hervorthun wollte.
-
-Um an die syrische Küste zu gelangen, hätte ich zwar über Damiate zu
-Wasser reisen können; allein mehr denn ein Grund leitete mich durch
-die Wildniß: nicht nur lauteten die Nachrichten, daß zu Lande keine
-Kontumaz gehalten werde, sondern ich wollte auch die Süßigkeiten und
-Bitterkeiten einer Wüste selbst kosten. Lebenserfahrungen sind echte
-Reichthümer des Menschen.
-
-Der polnische Offizier besorgte die Thiere. Er zog Dromedare vor, weil
-sie sanfter gehen, und die Hälfte Wegs mehr in einem Tage zurücklegen
-als die Kameele. Jeder von uns nahm ein Thier für sich, und eines
-bestimmten wir für den Geleitsmann. Die Gepäcke wurden mehr oder
-weniger gleichmäßig auf die Lastthiere vertheilt.
-
-Am Tage meiner Abreise hatte ich keine geringe Noth. Ich sollte mich
-bereit halten, daß ich vor Sonnenaufgang aufbrechen könne. Schon des
-Morgens verfügte ich mich zum österreichischen Konsul, um den Reisepaß
-zu holen. Jetzt stellte sich eine Schwierigkeit entgegen. Ich sollte
-den städtischen Auslaßschein haben, und der Ausfertiger war abwesend;
-ich beschwerte den Konsul an diesem Tage mehrere Male. Er ließ sich
-die Sache sehr angelegen sein, und wie sich die Aussicht allenthalben
-trüben wollte, befahl er seinen Leuten, daß man auf die Ausfertigung
-dringen sollte, koste es, was es wolle. Schon lag die Nacht eine Stunde
-über Kairo, als ich eines Auslaßscheines noch entbehrte, indeß der Pole
-zur Abreise fest entschlossen war. Endlich langte der Dragoman sammt
-dem Janitscharen und einem Menschen in dem Hause, wo ich wohnte, an,
-um mir den Auslaßschein und die Erlaubnißkarte für den Eintritt in den
-Schubbragarten zu überreichen. Letztere traf freilich zu spät ein.
-
-
-+Sonntags den 8. Wintermonat.+
-
-Ich bin nicht im Klaren, ob der Pole oder der Besitzer der Dromedare
-mich in unnütze Geschäftigkeit jagte. Der Geleitsmann kam mit seinen
-hochbuckeligen Thieren erst etwa zwei Uhr nach Mittag. Die getäuschte
-Erwartung spannt auf die Folter.
-
-Der Dromedar stand so schnell auf, daß ich mich zusammennehmen
-mußte, um nicht zu stürzen. Noch beschaute ich die Gassen Kairos,
-die Leute und -- Esel unter meinen Füßen. Wir ritten aus einer Stadt
-in die andere, von einem Thore zum andern, bis wir, wenn ich mich so
-ausdrücken darf, das Ufer des Meeres von Häusern erreichten.
-
-Kairo ist gleichsam ein Gemengsel von Städten. Außer den Umfangsthoren,
-womit nach Außen die Stadt gesperrt wird, besitzt jedes Quartier seine
-eigenen Thore, damit es geschlossen werden könne. Das Isoliren der
-Stadt in ihre Viertel haben die Despoten gar weise berechnet. Bricht
-in einem Quartiere eine Empörung aus, so werden die Thore desselben
-auf der Stelle gesperrt, und der Aufruhr beschränkt sich auf einen
-Theil der Bevölkerung und zwar so völlig, daß man in den übrigen
-Stadtvierteln die Vorfallenheiten manchmal erst später erfährt, mag
-auch im heißen Kampfe nicht wenig Blut geflossen sein.
-
-Schon begann der Dromedar zu traben. Er schüttelte mich so kräftig,
-daß ich das Reiten nicht hätte aushalten können. Ich bestieg einen
-andern, und nun ging es recht gut. Das Reiten machte mir nur geringe
-Schwierigkeiten; es war mir bloß nicht am beßten zu Muthe, wenn der
-Dromedar aufstand oder sich niederließ.
-
-Steht der Dromedar oder das Kameel auf, so stellen sie erst die
-Vorderbeine auf. Dabei neigt sich der Rücken von vorne nach hinten, und
-der Reiter bewegt seinen Körper vorwärts. Darauf stellen die Thiere
-sich auf die Hinterbeine und der Rücken des Dromedars oder Kameels
-bekommt die entgegengesetzte Neigung nach vornen, wobei der Reiter
-seinen Körper rückwärts bewegen soll. Lassen die Thiere sich nieder,
-so fallen sie zuerst auf die vordern, dann auf die hintern Knie, wobei
-der Reiter sich verhalten muß, wie wenn jene aufstehen. Eigentlich
-senkt sich der vordere und hintere Theil des Körpers abwechselnd unter
-zwei Malen. Nach und nach gewöhnt man sich auch an diese Bewegungen
-der Thiere recht leicht. Die eigene Art Gebrüll, welche sie dabei und
-beim Packen erheben, spricht den Fremden Anfangs unangenehm an, so
-daß er versucht werden könnte, zu wähnen, sie seien böse und bissig.
-In den Jahren der Kindheit hatte ich keine geringe Furcht vor dem
-Kameele mit seiner wunderlichen fremdartigen Figur, und wenn ich damals
-sah, wie ein Mensch sich erkühnte, solch’ einen Brüller zu besteigen,
-so erlangte mein Mitleiden für jenen den höchsten Grad. Die fremde
-buckelige Gestalt und das starke Gebrüll täuschen in gleichem Maße.
-Kameel und Dromedar gehören zu den zahmsten Hausthieren unter dem
-Monde.
-
-Vor der Stadt sahen wir eben die Rekruten sich in den Waffen üben,
-unter wildem Pfeifen und Getrommel.
-
-Beim Einbruche der Nacht kehrten wir in +Chanka+, dem ehemaligen großen
-Lagerplatze der egyptischen Armee, zu. Ich war müde und hungrig. Wir
-betraten die Hausschwelle eines polnischen Angestellten, und er segnete
-uns mit einem freudigen Empfange. Seine Frau, eine Koptin, war eben
-auf Besuch in Abusabel bei ihrer Schwester, einer Prosessorin. Er ging
-die Heirath unter der Bedingung ein, daß er treu sein wolle, so lange
-er sich in Egypten aufhalte. Ein Kind, welches ich sah, hatte weit
-mehr ein koptisches als ein polnisches Gepräge. Dieser Pole soll ein
-tüchtiger Gelehrter sein. Er sprach in der That sehr unterrichtet, z.
-B. über den Unterschied der koptischen Religion; allein, erst müde
-und hungrig, dann schläfrig, verlor ich fast alle Aufmerksamkeit. Der
-Geist mag sich noch so unabhängig dünken, er muß doch abwechselnd die
-Herrschaft dem Körper abtreten. Unser Gastfreund setzte Pillau vor, der
-mir vortrefflich schmeckte.
-
-Zu Hause kann ein ganzes Jahr vergehen, bis ich +hungere+. Die
-Befriedigung des Hungers ist wirklich ein großer irdischer Genuß.
-Ich war, wie viele Andere, ein Stundenmann. Wenn die Glocke schlug,
-mußte, ohne viel Nachfrage nach der Eßlust, gegessen werden. Auf der
-Reise wird diese Rechenkunst zur Null, und der Verbrauch der Kräfte
-durch die Uebungen des Leibes weckt dem gesunden Menschen Appetit. Man
-sollte daheim sich +zur Richtschnur nehmen, mehr aus Nothdurft, als aus
-Gewohnheit zu essen, und man würde eine Menge Genüsse sich bereiten,
-und manche Uebel verhüten+. Es gehört zu andern Verkehrtheiten des
-Menschen, daß er die schlichte Wahrheit im Ganzen so wenig würdigt, und
-daß die blendende Lüge so bald und so leicht in sein Herz eindrückt.
-
-
-+Den 9.+
-
-Um zwei Uhr Morgens reiseten wir bei hellem Mondscheine ab. Gegen
-Morgen blitzte es dann und wann, was ich unter unserm Himmel bei heißer
-Witterung wahrnahm, ohne daß sie sich zum Donnern und Regen entschied.
-
-Wir kamen durch schön bebaute Landschaften und kurz nach Sonnenaufgang
-zu dem Dorfe +Bèlbeys+, wo wir bei der Post auf einer Anhöhe im Freien
-uns niederlegten, um zu speisen.
-
-Abends erreichten wir das Dorf +Légrẻn+, und blieben auf der Post in
-einem Zimmer über Nacht. Ich holte meinen ganzen Schulwitz heraus, um
-Feuer anzumachen. Ich vergeudete so viel egyptische Schwefelfäden, daß
-der Schwefeldampf unsern europäischen Lungen bedeutend zusetzte. Ein
-Araber, naturwitziger, als ich schulwitzig, zauberte das Feuer flugs
-daher, und ich buk Eier in meinem Kochgeschirre. Das Gericht gerieth so
-gut, daß es auch meinem Reisegefährten mundete.
-
-Als ich mich schon schlafen legte, erhob sich ein wildes Gelärm
-und Gejauchze unter Schalmei- und Tamburtönen. Es ward eine
-Hochzeit gefeiert. Ungefähr so lärmt man in der Schweiz, wenn man,
-mit Erlaubniß, einen Ochsen im Triumphe von der Schießstätte zum
-Wirthshause führt.
-
-Morgens hatten wir einen Begleiter; von Bèlbeys wollte er uns in die
-Wüste führen. Wir trauten ihm nicht, vielleicht mit Unrecht, und wir
-ließen ihn reiten, seelenvergnügt, daß wir seiner los wurden.
-
-
-+Den 10.+
-
-Auch diese Nacht nahm ich das gleiche Blitzen wahr. Als ich vom
-Schlafgemache herunterstieg, lagen andere Leute noch im Schlafe auf
-dem Dache. Früh Morgens ritten wir mit einem Polizeidiener (Kafaß) von
-Gaza, welcher seinen Kondukteur hatte, davon.
-
-Die letzte und diese Poststazion sind, wenn die Mittheilung des
-Kapitäns Glauben verdient, wegen der Räuber am gefährlichsten. Wir
-frühstückten in +Salehyeh+, einem Dorfe mit einer Post, wo die
-eigentliche Wüste beginnt.
-
-Es langte eben die Post an. Der Postillon trug um dem Haupte einen
-Turban, und unter dem Kinne einen langen Bart, und über dem Leibe
-einen langen, faltigen Mantel (Abba). Das Posthorn schmetterte nicht,
-noch knirrte das Rad; nur sanft patschte die Hufe des Dromedars auf,
-und kein besonderes Abzeichen war an der Kleidung des Wüstenpostillons
-erkenntlich. Darin sind die Europäer sehr erfinderisch, einem Jeglichen
-sein passendes Hanswurstkleid zu geben. Einzig trug der langtrabende
-Dromedar am krummen Straußhalse eine kleine Glocke, was sich wohl
-schickt, damit die Räuber zu rechter Zeit erinnert werden.
-
-Jetzt ging es in die Wüste, und als wir tiefer in derselben uns
-befanden, begegnete uns zu Fuße ein Derwisch (ein mohammetanischer
-Pfaffe) mit fliegenden Kopfhaaren und langem Barte. Es ist merkwürdig,
-daß die Wüste immer noch ihre Weltüberwinder begeistert. Es wäre
-vielleicht doch schon mit den alten Säulenheiligen genug gewesen. Sage
-wenigstens dem blinden Religionszwange: In der Wüste ist Freiheit des
-Glaubens.
-
-Die Wüste war nicht so kahl, wie ich sie mir vorstellte. Viele
-Sodagewächse bekleiden sie zur Steppe. An den meisten Orten zeigte sich
-dieselbe so, wie ein Kartoffelfeld mit seinem einsam stehenden jungen
-Kraute. Hie und da erhoben sich kleine Hügel, uns in der Aussicht
-Abwechselung zu verschaffen.
-
-Auf meinem Dromedare traf mich ziemlich ferne von menschlichen
-Wohnungen der Unfall, daß er sich reisemüde niederließ. Unverzüglich
-hob der Geleitsmann das Gepäcke ab; jener stand auf, und trug mich
-weiter. Es ist eine bekannte Thatsache, daß die Kameele oder die
-Dromedare auf die Kniee sinken, sobald man sie überladet. Uebrigens
-war mein armes, an einer Lungenkrankheit leidendes Thier sehr schwach,
-so daß es beinahe umfiel. Der polnische Reisegefährte rief in seiner
-Hastigkeit, daß unser Unglück mehr als gewiß sei. Auf dem ermüdeten,
-kranken Thiere wäre allerdings bei einem etwaigen Ueberfalle die Flucht
-unausführbar gewesen. Ich war kalter Skeptiker und ritt weiter mit
-Gelassenheit. Fürchtet man Alles, so hat man doch nichts +mehr+
-zu befürchten, und so gewährt wenigstens der Blick in die Zukunft
-Beruhigung.
-
-Mit unnennbarer Freude erblickte ich gegen Abend auf einer kleinen
-Anhöhe das Posthaus. Ehe wir dabei anlangten, kamen wir hie und da über
-einen aufgedämmten Weg (Brücke), arabisch +Kantâra+. Der Europäer
-würde das Posthaus zu +Kantâra+ nicht erkennen, und winkt es dem
-Wanderer doch freundlicher, als der stattliche Postpalast in Paris. Man
-denkt mit wonnigem Gefühle beim Anblicke der Posthütte, daß man hier
-unter Menschen Schutz und Ruhe finde. Dem plattdächigen Posthäuschen
-gegenüber stand mittagwärts eine Art Pavillon, von Dattelblättern
-gebaut. Weiterhin gruppirten sich einige Zelte für die Polizeisoldaten.
-Bei Kantâra zieht vor den Blick eine kleine Bucht des Sees von Menzaleh
-(~Tanis lacus~), und in seiner Nähe steht ein Brunnen, welcher, wenn
-ich nicht irre, Byr-el-Dueydar heißt.
-
-Wir waren von dem Durste stark geplagt. Wir schleppten bloß eine
-Wenigkeit Wasser, nicht einmal in den festesten Thierfellen, mit, so
-daß eines Morgens mein Bein ganz naß wurde, weil, wegen der schlecht
-angeordneten Ladung, dasselbe über einen Wasserschlauch gehalten werden
-mußte. Diese kleinen Vorräthe sollten bis El-Arysch ausreichen. Ich
-kostete das Wasser zu Kantâra, und fand es salzig (kochsalzig); weil
-mein Durst aber sich wenig um den Gaumen bekümmerte, so gab ich mich
-zufrieden und trank. Ich lasse andere Aerzte ihre Qualen erzählen,
-welche sie von den immer anderes und anderes Getränke verlangenden
-Kranken zu erdulden haben; ich beschränke mich auf die Bemerkung,
-daß nur der schwache Durst schwer befriedigt wird, und +daß man bei
-wahrem Durste trinkt, was flüssig ist+. Um meine heiße Trinklust einmal
-ordentlich zu löschen, kochte ich Kartoffeln (die 75 Prozent Wasser
-enthalten), nachher stößerte ich sie und versetzte sie mit Wasser,
-worauf sie mit Butter abgekocht wurden. Diese Speise hatte gerade die
-erwünschte Salzigkeit und schmeckte dem Hungrigen. Sonst verursachte
-mir das Wasser weder Erbrechen, noch andere Beschwerden.
-
-Begreiflich suchten wir hier den Unfall, welchen uns der Dromedar
-bereitete, wieder auszusöhnen. Wir versprachen dem Posthalter, einem
-schön gestalteten und bieder scheinenden Manne, hundert Piaster
-für einen Dromedar bis El-Arysch. Die Verheißung einer nicht ganz
-unbeträchtlichen Geldsumme und die Thränen des Reisegefährten,
-welche dieser über unser Mißgeschick vergoß, vermochten den treuen
-Postbeamteten nicht zu erschüttern. Er antwortete mit kurzen Worten,
-daß auf Auslieferung der Thiere, ohne Requisizion der Regierung, das
-Leben hafte. Was war wohl zu thun? Man mußte sich, ob gerne oder
-ungerne, in das eiserne Schicksal fügen. Wir vereinigten uns zuletzt
-in dem Vorhaben, morgen meinen Dromedar ohne Gepäcke versuchsweise zu
-reiten, was er wahrscheinlich aushalten werde. Verläßt uns die Hilfe
-der Menschen, so vertrauen wir wieder gerne der Vorsehung.
-
-
-+Den 11.+
-
-Wir brachen bei Zeiten auf. Mein Dromedar lebte einmal noch, und
-zappelte unter mir weiter, damit doch die Augen des Hauptmanns, nein,
-ich sage, unsers Schicksals trocken werden. Wir hatten den ganzen Tag
-Sandhügel vor den Augen, und wären diese wirklich naß geblieben, so
-hätte es uns an Stoff nicht gefehlt, sie trocken zu streuen. Der Weg
-führte uns über mehrere Hügel und war beschwerlich wegen des lockeren
-Sandes. Das Thier glitt bei jedem Schritte einen halben Fuß tief in
-denselben. An der Post +Duedâr+, welche an die Abendseite eines
-Hügels sich lehnt, ritten wir vorüber.
-
-Um meinem armen Thiere Erleichterung zu verschaffen, stieg ich hier
-ab. Mein Gehen war außerordentlich mühselig, gerade so, wie bei uns,
-wenn der Schnee sehr weich ist, daß man mit dem Fuße tief einsinkt
-und rutscht. Wie der Sandstaub, so ist eine lügenhafte, trügerische
-Seele ohne Festigkeit, ohne Halt, ohne Zusammenhang. Ich dauerte das
-Reisen zu Fuße nicht lang aus; denn ich fühlte Leere im Magen, und
-bald drückte die Hitze. Den Weg fand ich übrigens ziemlich angenehm.
-Fortan waren in den Sand die Sodagewächse gesteppt, worin sich die
-Vögel belustigten. Bald sprang Gewild vorüber, wenigstens Gazellen
-und ein Schakal (Fuchs). Auf dem meistens deutlichen und breiten
-Wege durchmusterte ich die Stapfen der Menschen und Thiere, oder
-die Kameelgerippe, welche, wie gebleicht, auf dem ganzen Wege oft
-wahrzunehmen sind. Allerdings athmet mehr Leben in der Wüste, als auf
-dem Meere; selten aber begegnete uns ein Sterblicher.
-
-In der kleinen Oase (Wüsteninsel) +Bir-Anoß+, welche die Dattelbäume
-freundlich stimmen möchten, kehrten wir an, uns zu erfrischen. Hier
-ergötzte mich ein Spiel der Kinder. Sie spießten an drei Datteldorne
-eine Dattel. Da vergruben sie Datteln nahe an einander in den Sand.
-Jetzt warf Einer nach dem Andern jene drei an der Dattel vereinigte
-Dorne nach den unsichtbaren im Sande vergrabenen Datteln, und wer am
-meisten an den Dornen hervorzog, trug den Sieg davon. Das Spiel will
-eben nicht viel Gewandtheit, und zeugt von Gewinnlust.
-
-Als wir dann weiter rückten, entzückte mich ein Palmenwäldchen am
-Fuße der Morgenseite eines Hügels. Die Schalmei erklang lieblich aus
-dem einsamen Haine. Dort waren Hirten angesiedelt. Diejenigen Araber,
-welche die Freiheit der Unterwürfigkeit vorziehen, entfernen sich
-lieber von den Menschen, als daß sie nach den Gesetzen und Launen
-eines Fürsten leben. Daher wurde selbst die Wüste zum Theile bewohnt.
-Mich mahnte oft die Wüstenei an unsere Berge und die Leute der Wüste
-an unsere Bergleute. Einst trieb die Freiheitsliebe die Allemanen
-vom Rheine auf die Berge der Schweiz. An beiden Orten, in der Wüste
-der Berge wie der Niederung, waltet mehr oder minder Oede für ein
-einsiedlerisches Leben. Es ist denkbar, daß man sich an die mit
-Sodagewächsen bekleidete und mit Hügeln bedeckte Sandwüste ohne viel
-Ueberwindung gewöhnen könne.
-
-Es verdient, bemerkt zu werden, daß in dieser Gegend die Sandhügel,
-ihrer eigenthümlichen Form wegen, Pyramiden gleichen. Dieselben sind so
-glatt vom Winde ausgeblasen, wie unser Schnee oder unsere Windwehen.
-Sie ziehen im Allgemeinen von Osten nach Westen.
-
-Ehe wir die Post erreichten, genossen wir auf dem letzten Hügel eine
-sehr ausgedehnte und wahrhaft erquickende Aussicht -- Wieder etwas
-Wassermangel. -- Der Dromedar trug mich bis hieher die meiste Zeit, und
-mit Leichtsinn vergaßen wir bald den gestrigen Kummer.
-
-Wir entschlossen uns, in +Kâtyeh+ zu übernachten. Man wies uns in
-der Post ein Zimmer an. Es waren so eben auch Mann, Weib und Kinder
-eingetroffen. Um sich das Reiten bequem zu machen, saßen sie in
-geflochtenen Kasten (Schekdof), einander das Gleichgewicht haltend.
-Die Frau begab sich in das Harem.
-
-Kâtyeh ist ein kleines Dorf mit zwei kleinen Moscheen ohne Minaret. Die
-Gebete werden an denselben gar fleißig und laut vom Muezeinn (Thürmer)
-gesungen. Abends, etwa anderthalb Stunden nach Sonnenuntergang, glaubte
-ich in der Schlaftrunkenheit den Nachtwächterruf zu hören; ich vernahm
-die silberne, lieblich ernste Stimme des Asche (des fünften Gebetes).
-Die Wohnungen der Dorfleute, einfacher als alle, so ich bisher sah,
-sind ohne Dachung. Dattelblätter bilden die große Einzäunung einer
-Vorrathskammer; darin lag eben ein Haufe Mais. Weil aber der Wind
-bisweilen den Sand hineinstäubt, so werden die Leute genöthigt, den
-letztern von Zeit zu Zeit wegzuseihen. Der Vorrathskammer schließen
-sich die Wohnungen in Form des griechischen Π an; sie sind mithin auf
-einer Seite ganz offen für Sonnenhitze und Regen.
-
-Auf die Kunde, welche sich in dem wilden Dorfe verbreitete, daß ich ein
-Arzt sei, kam ein etwa fünfzigjähriger, dürrer, kinderloser Mann mit
-seiner zum Geschenke bestimmten, rothen Mütze voll Datteln, mich zu
-fragen, was zu thun sei, damit er Kinder bekomme? Ich hätte den Mann
-mir jung gewünscht, um wegen einer Antwort nicht in Verlegenheit zu
-gerathen. Als ich in der Runde spazieren ging, schauten die Weiber und
-Kinder wie närrisch meine gelb metallenen, glänzenden Knöpfe an, und
-als ich ihnen meine Taschenuhr zeigte, so sperrte die Bewunderung gar
-im höchsten Grade ihre großen Augen auf. Laut lachten die weitmundigen,
-entschleierten Weiber.
-
-
-+Den 12.+
-
-Der Weg zog über Hügel gegen +Berlaupt+. Als ich hier abstieg, fror es
-mich so nachhaltig, daß ich mich ans Feuer setzte, und nach der Spende
-der Sonne sehnte. Junge Burschen, die uns umgaben, machten freundliche
-Mienen, und ich glaubte an ihnen schon einen Uebergang in den weißen
-Stamm zu bemerken. Vor meinen Augen wandten sie mit ebenso viel
-Gleichmuth, als Gewandtheit das Glüheisen bei einem Pferde an.
-
-In der Besorgniß, daß mein Dromedar mitten auf dem Wege erliege,
-sahen wir uns nach einem andern um. Der Posthalter war vor wenigen
-Tagen gestorben, und die jungen Sprößlinge von leichtem Stoffe, wie
-Spinnengewebe, trugen kein Bedenken, uns ein Thier anzuvertrauen,
-so ernstlich auch die im Harem verborgenen Weiber, als würdige
-Stellvertreterinnen des zarten Geschlechtes, dagegen schreien mochten;
-nur forderten jene zu stark. Wir wurden endlich einig; schnell ging
-man, den weidenden Dromedar zu holen.
-
-Nun hatte ich einmal einen guten Läufer, und die Wüste wurde für mich
-ein Paradies. Indeß bot die Gegend hier auch wirklich die reizendsten
-Partien dar. Auf einmal kamen wir in einen großen Kessel. Ein Theil des
-Bodens sah aus, als wenn er mit gefrorenem Wasser und Wasserpfützen
-überzogen wäre. Dieses Schauspiel gab unser Weg öfter, und eines
-Morgens konnte ich mich kaum überzeugen, daß ich, statt gefrorenen
-Wassers, krystallisirtes Salz vor mir hätte. Wie wir aus dem Kessel
-herausrückten, welch’ Entzücken. Eine ungeheure Ebene, gleich einer
-Eisdecke, dehnte sich aus, mit einer Lehne gegen Sonnenaufgang, welche
-die Einbildung zu Seeufern umschuf. Im Nordost spielte die Täuschung
-mit Palästen einer in großer Ferne liegenden Stadt, und im Norden
-mit dem Meere. Man durfte dem frohlockenden Herzen kaum offenbaren,
-daß die Fata Morgana eine Wüste ohne ein einziges Grün sei. In
-meinem Leben noch nie sah ich eine so vollendete Landebene. Wie sehr
-ergötzt schon ein kleines, ebenes Gartenbeet; hier aber stelle man
-sich die stundenlange und stundenbreite Fläche vor. Freilich findet
-man dergleichen bloß auf kurz angenehm; auf längere Zeit widert die
-Einförmigkeit an. Wir durchschnitten jetzt andere große Salzebenen,
-und erst begriff ich die einsamen Schrecknisse der +eigentlichen
-Wüste+. Gegen Mitternacht gewann der weiße Salzboden ein so gefälliges
-Ansehen, daß er an glänzendem Weiß dem Alabaster nicht nachstand.
-Ein dumpfes Brausen, das ich von der Linken her hörte, blieb mir
-lange unerklärlich. Den Gruß entsandte das gleichsam hinter der Bühne
-schwebende Meer; denn von Salzfluthen bot sich nicht eine dem Auge dar.
-Daß der durchrittene, muschelreiche Boden ein Wassergrund war, leidet
-keinen Zweifel. Wahrscheinlich breitete sich hier der ~Sirbonis lacus~
-(Sirbu) aus, der einst 150 Meilen im Umfange hielt und zur Zeit des
-+Plinius+ nur ein mäßiger Sumpf mehr war. Von der alten Stadt Ostracine
-(Straki) erblickte ich keine Spur.
-
-Die Poststazion war überaus groß. Doch langten wir vor Untergang
-der Sonne in +Choanat+, dem Ziele unserer heutigen Reise, an. Der
-Postmeister, ein recht artiger Mann, bewirthete uns mit süßem
-Trinkwasser aus El-Arysch, womit uns ungemein gedient war. Wir würden
-Champagner-Wein nicht vorgezogen haben. Auch durften wir uns etwas
-darauf zu gute thun, daß er uns nicht, gleich andern Reisenden, unter
-freiem Himmel lagern ließ, sondern gastlich in seine Wohnung aufnahm.
-
-Die Posthütte war für mich nicht ohne Interesse. An ihren Mauern
-bemerkte ich mehrere Versteinerungen. Der kranke Postmeister verlangte
-von mir ärztliche Hilfe. Es liegen indessen solche Wünsche so
-augenscheinlich auf der Hand, daß ich sie in der Folge schwerlich mehr
-berühren werde.
-
-
-+Freitags den 13. Wintermonat.+
-
-Mit Tagesanbruch bestiegen wir die Dromedare; ich wieder meinen alten.
-Rechts erging sich mein Auge an den Sandbergen. Unter den Füßen starrte
-Salz und Salz. An manchen Stellen bildete dasselbe weißen Krystall,
-an andern lag es zerbröckelt, grau und mit Sandkörnern vermengt. Eine
-Weile lang machte ich allein den Weg in der Wüste. Da schritt ein
-Beduine daher; bald kam auch ein anderer, und beide grüßten einander.
-Mir schien die Sache nicht geheuer. Ich machte mich in Gedanken mit
-einem Angriffe vertraut. Auf Hilfe hätte ich wohl nicht zählen können;
-in der Wüste wäre jeder Hilferuf umsonst verhallt. Ich erblickte kein
-anderes Wesen in der weiten Runde, als die zwei Beduinen. Ich ritt
-theilnahmlos an ihnen vorüber; sie schauten mir einige Augenblicke
-nach, und dann gingen auch sie ihres Weges. Ein solches Begegniß wäre
-unter andern Umständen ganz unbedeutend gewesen, und auch unter diesen
-will ich keineswegs mir einbilden, daß ich in Lebensgefahr gestanden
-habe. Die übrige Zeit hatte ich den Kameeltreiber zum Gesellschafter,
-der sich fort und fort in seinem kopfstimmigen Singsang gefiel. Nach
-einem mehrstündigen Ritte erhob sich endlich am Horizonte zu meiner
-Freude das Meer, das brausende.
-
-Heute begegneten uns überhaupt nicht selten Menschen und viel beladene
-Kameele. Am Meeresstrande ging es dann fort bis zu einem mit Grün
-umgebenen Brunnen, wo ich den Polen mitten unter mehrern Leuten und
-Thieren einholte; denn da mein Dromedar schlecht trabte, ritt jener
-rücksichtslos weiter. Menschen, die sich um Andere nicht bekümmern,
-sollten, zu ihrem eigenen Beßten, eine geraume Zeitlang weder ein
-vernünftiges Geschöpf sehen, noch hören. Unter den am Brunnen
-gelagerten Leuten befand sich ein Beduine, auf dessen Luntenflinte man
-mich aufmerksam machte. Von dieser lachenden, kleinen Au, in deren
-Umgegend wahrscheinlich das alte Rhinocorura in Idumäa (Edom) oder
-genauer im Lande der Amalekiter (Beduinen), nach Andern in Egypten lag,
-waren wir bald bei +El-Arysch+.
-
-Werfen wir einen Rückblick auf die Reise. Unzweifelhaft gewährt sie
-ihre eigenthümlichen Reize und Vortheile. Wer möchte in der theilweise
-kahlen und leblosen Wüste von Gespensterfurcht geplagt werden, weil
-etwa ein Baumwipfel lispelnd sich neigte, eine alte Eiche knarrte,
-ein faules Holz schimmerte, eine Maus nagte, ein Holzbock bohrte? Wer
-möchte sich bangen, daß eine Eule schrie, gleich als wenn unsere alten
-Mütterchen ohne das Eulengeschrei nicht sterben könnten, und so alt
-werden mußten, wie der ewige Jude +Ahasverus+? Und so ungehindert
-kann man in der Wüste wandeln. Weder einem glänzenden Könige muß man
-ausweichen, noch von einem lumpigen Bettler wird man angehalten.
-Wenden wir uns jetzt von der Lichtseite auf die Schattenseite. Wiewohl
-Person und Eigenthum während der Reise durch die Wüste, so zu sagen,
-sicher sind, so möchte ich dieselbe nicht geradezu rathen, weil sie in
-überwiegendem Maße beschwerlich und mehr Unglücksfällen preisgegeben
-ist. Wer seltene Merkwürdigkeiten schauen will, darf aber Opfer nicht
-scheuen.
-
-Es verdient Würdigung, daß durch die Wüste Posteinrichtungen bestehen,
-und daß somit das menschenarme Land gleichsam in den Bereich der
-Kultur gezogen wurde. Dem schaffenden und durchgreifenden Geiste des
-+Mehemet-Ali+ müssen wir auch hier Gerechtigkeit widerfahren
-lassen. Wir dürfen indeß nicht in Vergessenheit bringen, daß die
-Posteinrichtungen keinen allgemeinen, sondern einen speziellen, keinen
-bürgerlichen, sondern einen militärischen oder Regierungszweck haben.
-Der Postillon nimmt keine Pakete an. Die Briefe gehen nicht regelmäßig.
-Es scheint, daß diejenigen Privaten einer besondern Begünstigung
-bedürfen, welche der Wohlthat einer ordentlichen Verbindung durch die
-Post theilhaftig werden wollen.
-
-Uebrigens sind Kameel- oder Dromedarposten nicht das Erdachtniß
-unserer Zeit. Schon +Salomo Schweigger+ redet von der Kameel- oder
-Dromedarpost. Zu Rosette, sagt er, hab’ er eines Tages Einen sehen auf
-der Post reiten „auff einem Cameel“ oder „Dromedar.“
-
-Unsere Reise dauerte fünf Tage und fünf Nächte. Wir brachen in der
-Regel sehr frühzeitig bei Nacht auf, lagerten und ruheten am Morgen und
-Abend, im letztern Falle bis über Mitternacht. Wir legten ebenso in der
-Regel täglich zwei Posten, nur einmal drei zurück, so daß im Ganzen
-von Kairo bis El-Arysch elf Stazionen gezählt werden. Mit Wassermangel
-würde man sich im Grunde vergeblich martern, weil das Wasser auf allen
-Posten genießbar ist, und von den Leuten daselbst wirklich genossen
-wird. Wir haben freilich lieber einigen Wassermangel gelitten, als mit
-salzigem Wasser unsern Durst gänzlich gestillt.
-
-Die Witterung war während der Reise schön, die Nächte vom Monde
-beleuchtet, die Mittagshitze auf dem Thiere leicht erträglich, und nur
-an ein paar Morgenstunden verspürte ich strengere Kühle. Es ist gut,
-wenn man sich gegen die Morgenkühle durch Kleider wohl verwahrt. Das
-Bedürfniß dem Auge ringsum sich anschließender Steppenbrillen gegen
-den Sandstaub fühlte ich niemals bei der Windstille oder bei dem sehr
-leisen Winde, die während meiner Reise herrschten, so angelegentlich
-man mir jene, als etwas Unentbehrliches, in Kairo empfahl.
-
-Statt mit Freudigkeit, erblickte ich die auf einem Sandhügel einsam
-stehende, niedrige Moschee von El-Arysch eher mit Mißmuth; denn hier
-wartete auf uns die Quarantäne. Zelt an Zelt, Leute, Kameele, Esel
-bezeichneten im bunten Neben- und Durcheinander die Gesundheitsanstalt.
-Wir schauten nach einem Zeltplatze. Eben gefiel uns einer, als es hieß,
-daß heute dort drei Personen an der Cholera starben. Unter solchen
-Umständen suchten wir uns, so viel als möglich, abzusondern, und wir
-schlugen unser Zelt an einem erhabenen Orte, mit der Aussicht auf das
-Meer und die Wüste, auf das Gebirge des steinigen Arabiens in der
-Ferne, und auf die in der nahen Vertiefung liegenden Zelte eines Bei,
-mit Namen +Mustafa+, eines Gardeobersten. An das Zeltleben noch nicht
-gewöhnt, sollte ich zwölf Tage hier verbringen, ein Gedanke, der wie
-Blei auf mein Herz drückte.
-
-Mir that es leid, mit dem Oberaufseher der Quarantäne gleich Anfangs
-mich zu zerwerfen, als er uns auf einer günstig gelegenen Stelle nicht
-sitzen lassen wollte. Ich machte ihm vorstellig, daß es unsere Pflicht
-sei, für die Gesundheit beßtens zu sorgen, daß keine Regierung, welche
-für die Menschheit mit Achtung durchdrungen sei, uns die Besetzung
-eines Lagerplatzes von Krankheiten zumuthen könne, und daß, wenn man
-meinem Wunsche nicht willfahre, mir in Aussicht gestellt sei, die
-Anstalt nach Verdienen in Europa bekannt zu machen. Dieser Worte
-Stachel empfand der Mann so lebhaft, daß er einige Schritte vorwärts
-ging und dann bemerkte: „Ich schicke Sie zurück, wenn -- --“ Er wurde
-endlich nachgiebig, indem er uns an dem ausgewählten Orte das Zelt
-aufrichten ließ, worauf ich nun gerne schwieg.
-
-
-
-
-Die Quarantäne in El-Arysch.
-
- Gefängniß unter dem Zelte; Regen; Mangel und Ueberfluß; Koch
- und Küche; Schreibpult und Schreibsand; Macht der Gewohnheit;
- +Mustafa-Bei+ und seine Frauen; Minnesinger; ein freies Wort über
- die Einrichtung der Quarantäne.
-
-
-Der Oberaufseher der Anstalt war aus Livorno gebürtig und von Beruf
-ein Apotheker. Er schien ein guter Mann zu seyn; auch ließ er sich
-später mit uns recht freundlich an. Ich vernahm aus seinem Munde kein
-einziges wissenschaftliches Wort. Wenn ich fragte, welche Krankheiten
-in diesem Dorfe endemisch herrschen, wie die Sterblichkeit sich
-verhalte, ob die Cholera in der Nähe oder Umgegend seuche u. s. f., so
-erwiederte er selbstzufrieden mit nichtssagenden Empfindungswörtern.
-Oefter wiederholte er den Schmatzlaut, dessen sich der Araber bedient,
-um sein +la+ (nein) zu ersetzen. Kenntnisse sind keine Last, nur ihr
-Erwerb ist schwer. Es würden weit mehr Menschen ernster nach jenen
-streben, wenn sie nur, ohne eine Dornenbahn zu betreten, dazu gelangen
-könnten. So wenig hassen sie, selbst unwissendere und unthätigere, die
-Kenntnisse, daß sie vielmehr solche häufig genug an Andern beneiden. Es
-ist übrigens eine über Geisteshoheit und Gemüthsglück Gedanken mächtig
-anregende Eigenthümlichkeit, daß wissenschaftlicher Indifferentismus
-oder Liebe zum Leeren und Leichten manchmal aus nicht minder heiterem
-Auge strahlen, als große Schocke von Wissen.
-
-In Begleitung eines Arztes oder Halbarztes aus der Abusabler-Schule[29]
-und eines Effendi Dragoman kam der Direktor zu Pferde in der Regel
-täglich zweimal, am Morgen und Nachmittage, bloß um nachzusehen, ob die
-Zahl vollständig sei. Als wir, ein Trupp von fünf Männern, anlangten,
-ließ er den Namen mehr nicht, als eines Einzigen aufschreiben; man
-erkundigte sich nicht einmal, woher wir kämen. Nach dem Gepäcke ward
-so wenig gefragt, als dieses untersucht. Mein Reisegefährte, der
-polnische Kapitän, schüttelte den Direktor scherzend an den Schultern.
-Ein benachbarter, kontumazirender Türke, der mehrere Tage nach uns
-eintrat, hieß, in der Lust, einen unserer Dromedare zu kaufen, seinen
-Bedienten das Thier reiten. Ich möchte das merkwürdige Schauspiel des
-Wettrennens auf den Dromedaren +im Lazarethe+ jedem Europäer gegönnt
-haben. -- Einmal ging ein Knecht des +Mustafa-Bei+ ohne Erlaubniß,
-die Esel auszutreiben. Er wurde dafür mit Stockschlägen bestraft. Ich
-kann dies so weit bezeugen, daß ich selbst den Schatten des fliegenden
-Prügels hätte wahrnehmen können, wäre ich darauf aufmerksam gewesen.
-Der Bei selbst stattete uns einmal einen Besuch ab. Tages vorher pfiff
-eine Kugel über unsere Köpfe und sank ermattet einige Schritte von
-uns in den Sand. Ich richtete meinen Blick umher und erkannte den Bei
-als Thäter. Er wollte eben persönlich sich damit entschuldigen, daß
-er bloß nach dem Meere geschossen habe, um die Flinte von der Ladung
-zu befreien; und der Mann, der bei einem Franken wegen eines Schusses
-sich entschuldigte, +ist ein Türke+. Es traf sich gerade zu, daß der
-Direktor in die Quarantäne ritt, als der Bei bei uns weilte. Er fuhr
-diesen barsch an, daß er die Gesundheitslinie überschreite. Kennst du
-den Befehl der Regierung nicht? fragte er ihn. Wenn man erwägt, wie oft
-die Quarantäneordnung, um den mildesten Ausdruck zu wählen, verletzt
-wird, so muß eine solche einseitige Strenge als lächerlich oder gar
-als eine Kinderposse erscheinen. Strenge kann immerhin ihren beredten
-Anwalt bekommen, wenn ihre Nothwendigkeit und Nützlichkeit über den
-Zweifel hinausliegen; es glättet sich um so mehr ihr rauhes Aeußere ab,
-je gleichmäßiger und gerechter sie in allen Theilen gehandhabt und je
-Größeres und Edleres ihr zum Lohne wird. An der Anstalt befinden sich
-mehrere Marketender. Der eine ließ das Geld eher in den Sand werfen,
-bis er es annahm; der andere ergriff es aus dem Wasser, wenigstens vor
-den Augen des Direktors; der dritte steckte das Geld ohne Zeremonie
-ein, je mehr je lieber. Die Marketender setzen sich keineswegs außer
-alle Berührung mit den Kontumazirenden. Ich nehme keinen Anstand, die
-Behauptung aufzustellen, daß von ihnen eine ansteckende Krankheit
-verschleppt würde.
-
-Wüste und Meer sind Gottes Mauern, welche die Quarantäne umringen.
-Ohne Aufsicht, doch mit Erlaubniß, begaben sich der Kapitän und ein
-Türke, jener Kafaß (Polizeidiener), der durch einen Theil der Wüste
-in unserer Gesellschaft reisete, ans Meer, um sich darin zu baden. Zum
-Spazieren lag weiter Raum offen. Die Kameelführer trieben ihre Thiere
-zur Weidung in die Steppe. Nachts konnte man unschwer einen Abstecher
-ins Dorf machen, von wo man auch Besuche erhielt. Man war sicher, daß
-von den trägen Quarantäneaufsehern die Leute der Anstalt zur Nachtzeit
-nie überrascht wurden.
-
-Auf der Wanderung durch die Wüste wiegte ich mich in der süßen
-Hoffnung wenigstens auf ein ordentliches Obdach. Kleine Sandhügel
-mit den Vertiefungen dazwischen waren der Quarantäneplatz und Zelte
-das Wohngebäude. Ich hoffe, daß die Verfasser von Handbüchern
-die Definizion einer Quarantäneanstalt erweitern, und wen die
-morgenländische Sitte mit Zaubergewalt an sich zieht, dem möchte ich
-den Aufenthalt in der El-Aryscher-Quarantäneanstalt empfehlen. Er kann
-da unter Zelt schlafen, wie unsere Erzväter +Abraham+, +Isaak+ und
-+Jakob+; ihn werden die Kameele höchlich ergötzen, das eine liegend,
-ein Wiederkauer mit mürrischen Hänglefzen, das andere auf allen Vieren
-stehend, das dritte auf drei Beinen, weil, um das Thier im Gehen
-zu hemmen, das vierte aufgebunden wurde; die Esel werden unseren
-Dilettanten vor Tagesanbruch mit einer Ouvertüre entzücken, gegen
-welche die sogenannten Meisterwerke +Rossini’s+ nichts, als klägliche
-Machwerke sind.
-
-Und nun zu unserem Zelte. Ein schmutziges, übelriechendes, löcheriges,
-kleines Zelt war das ganze Obdach zweier Männer. Ich wußte nicht, ob
-es den nämlichen Tag, als ich mich unter ihm legte, Leichname gedeckt
-habe. Ich mußte diesen Gedanken immer plötzlich entfernen, damit er in
-meinem Gemüthe nicht das Gleichgewicht störe. El-Arysch besitzt einen
-Reichthum an süßem, gutem Wasser, und die Vorsteher der Anstalt geizen
-mit ihm, daß sie nicht einmal die Zelte waschen lassen, obschon die
-Zeit des waschenden Regens nicht vier Monate lang dauert.
-
-Ich richtete mein Bett möglichst gut ein, deckte des Nachts mich
-ganz, selbst über dem Gesichte, zu, und ich schlief leidlich, ohne zu
-frieren. Mehrere Tage machte es unter dem Zelte sehr heiß, ja heißer,
-als in Alexandrien und Kairo. Schwarzes Gewölke drohte einige Tage mit
-Wasser. Ich hoffte immer, es werde, uns verschonend, sich zerstreuen.
-Es war vergebene Hoffnung. Der Regen, der so lange nicht mehr in meiner
-Nähe fiel, netzte unser Zelt und unsere Kleider. Das Schicksal war in
-der That etwas herbe, und wenn ich es rühmen wollte, so müßte ich der
-Wahrheit untreu werden. Die Hälfte unserer Quarantänezeit begleitete
-regnerische Witterung. Doch darf man sich die Sache nicht gar so
-böse vormalen. Die Witterung beobachtete ihre Nachlässe, und während
-der letzteren fanden wir leicht Zeit, Zelt und Kleidung zu trocknen.
-Die Temperatur war über die Regenzeit nicht kalt, vielmehr günstiger,
-wie vorher, insofern, daß sie weit minder wechselte. Bei wenigen
-Graden blieb sie Tag und Nacht dieselbe. Ich muß gestehen, daß sie mir
-vollkommen behagte.
-
-Mit den Marketendern hatten wir mehr, als einmal Schwierigkeiten,
-da sie die Speisen nicht zu rechter Zeit brachten. Die ersten zwei
-Tage fühlten wir auf befremdende Weise einigen Nahrungsmangel; denn
-wir konnten, außer Brot, keine Lebensmittel uns verschaffen. Später
-hingegen hatten wir eher Nahrungsüberfluß, wenigstens Butter und
-Schaffleisch, Hühner und Eier, Reis und Brot genug. Dessen konnten sich
-wohl nicht alle Kontumazirende rühmen. Einen Tag nach unserer Ankunft
-verlautete es, daß drei Personen starben, -- nach der Versicherung
-des Direktors, an der Cholera. Es wäre möglich, daß diese Personen
-den Folgen des Hungers oder einer schlechten Ernährung erlagen. Keine
-Oberaufsicht auf die Lebensmittel haltend, überläßt der Direktor die
-Kontumazirenden den Launen und Erpressungen der Marketender. Man wäre
-fast geneigt, vor Gott den Mangel der Anordnung zu beklagen, daß
-derjenige, welcher am Unglücke Anderer aus Theilnahmlosigkeit Schuld
-ist, nicht sogleich mitfühlt. Die Fahrlässigkeit des Direktors geht so
-weit, daß er nicht einmal für eine Apotheke sorgt. Es möchte nun in
-der Quarantäne erkranken, wer nur wollte, an eine geregelte ärztliche
-Behandlung dürfte man nicht denken; ein blinder Zufall oder die Kraft
-der heilenden Natur müßte des Kranken sich erbarmen und ihm die
-Gesundheit wieder schenken.
-
-Butter, Reis und Fleisch waren unsere Elemente zu schmackhaften
-Gerichten. Ich kochte selten. Ich war allezeit linkisch ohne die
-häuslichen Bequemlichkeiten, und mit dem Feueranmachen kam ich bei
-den wenigen Hilfsmitteln am wenigsten zurecht. Auch unser arabischer
-Geleitsmann, -- ich nenne ihn erst jetzt bei seinem Namen +Abu-Tropo+,
--- übertraf mich weitaus in dieser Sache[30]. Wenn er nur ein Glimmchen
-hatte, so umstreute er es mit Stroh, hielt dieses an den Wind und bald
-fing es Feuer. Gelang es auf diese Weise nicht, so befächelte er jenes
-mit seinem breit gestreiften Abba. Dagegen kochte beinahe immer der
-Kapitän, und zwar verstand er dieses Geschäft vortrefflich. Ueber dem
-englischen Halbbraten aus unserer Küche im Freien vergaß ich wegen
-seiner Güte jeden aus einem Gasthofe. Der Holzmangel machte uns mehrere
-Male guten Rath theuer. Bald krabbelte +Abu-Tropo+ den Dromedarmist
-zusammen und zündete ihn unter unsern Kochgeschirren an; bald, und
-das meist, ging er aus, Holz, Stroh oder das staudige Sodagewächs der
-Steppe zusammenzulesen. Man half sich wohl oder übel, übel zumal dann,
-wenn der ungezügelte Wind den Regen in das Feuer peitschte. Der Kafaß
-lebte ein wenig einfacher, als wir. Knetete sein Bedienter den Brotteig
-in dem dicken und großen Napfe, welchen er auf der Reise mit sich
-schleppte, so brannte schon ein Haufen Kameelkugeln. Sobald diese in
-Asche verwandelt waren, legte er den in einen großen Kuchen geformten
-Teig in die heiße Mistasche. Ein wenig gebacken, und man brach und aß.
-Mit Zwiebeln, solchen Kuchen, altem arabischen Käse und mit Wasser
-bereitete sich der Kafaß ein Mahl, welches mein eigensinniger Gaumen
-verschmähte. Auch wir rösteten einmal, in Ermangelung des Bessern, den
-Kaffee in der heißen Asche des Dromedarmistes. Schlimmer, als unsere
-Küche war jedoch das Viktualienmagazin bestellt. Einmal über das andere
-wurde uns Brot, das dritte Mal eine Keule Fleisch, das vierte Mal ein
-hübscher Holländer-Käse gestohlen. Durch diese Erfahrung wurden wir zum
-mindesten +etwas+ vorsichtiger gegen die Raubthiere. Weil +Abu-Tropo+
-während der Reise mit zu langen Fingern nach unserm Brote langte, so
-schöpften wir zuerst auf ihn Verdacht, bis ich in einer Nacht das
-raubende Thier mit der Beute aus unserm Zelte eilen sah.
-
-Die Zeit vertrieb ich mit Schreiben, Lesen, Kochen, Spazieren und
-Schlafen. An zehn Tagen setzte ich mein Tagebuch so weit fort, daß
-ich an jedem Tage beinahe müde ward, und im Ganzen wenig Zeit verlor.
-Die Noth macht erfinderisch. Ich vermißte mein Federmesser, und
-ein chirurgisches Bistouri versah seine Dienste. Ich saß auf meine
-Matratze, nahm das Kissen auf die seitlich gesenkten Kniee, legte das
-Papier auf diesen Polstertisch und schrieb in solcher Beschränkung
-recht leicht; ich dachte sogar selten an Unbequemlichkeit, selbst wenn
-die Regentropfen auf dem Papiere die Tinte neckten. Ich genoß doch des
-Vortheiles, keinen Mangel an Schreibsand zu leiden; denn nicht nur mein
-Lager umränderte schöner und feiner Sand, nämlich derjenige der Wüste,
-sondern selbst aus dem Bette konnte ich ihn fassen, welcher des Nachts
-sich die ungebetene Mühe gab, zum Ersatze des Stundenrufes mich an die
-Sandwüste zu erinnern.
-
-Besonders während meines Aufenthaltes in der Quarantäne stellte sich
-die Wahrheit in lebhaften Farben vor die Seele, wie viel Bedürfnisse
-und Bequemlichkeiten der Mensch entbehren kann, wenn er nur will oder,
-so zu sagen, muß. Wie würde ich zu Hause oder in einem Wirthshause
-gemurrt haben, wenn man mir keinen Tisch zum Schreiben oder keinen
-Sessel zum Sitzen gebracht hätte? Ohne diese Bequemlichkeit schrieb
-ich Vieles und, ich darf bei guten Treuen versichern, nicht mehr
-Undenkwürdigkeiten, als vor dem glatten Tische und auf dem weichen
-Lehnstuhle. Wenn nur ein Wind unsanft ins Zimmer bläst, wie runzelt man
-die Stirne? Unser Zelt war so löcherig, daß der Wind oben freiherrlich
-lustwandelte, ohne sich vor den Kopf zu stoßen, und ich nahm gar
-keine Notiz mehr von der Wind -- beutelei. In dem Brotkuchen, einem
-schlechten und schweren Gebäcke, fand ich Haare und Spreue. Anderes
-Brot war nicht zu bekommen, und ich schätzte es so sehr, als unser
-weißes. Läßt die Köchin ein einziges Haar in die Suppe fallen, man
-hebt einen Spektakel an, daß die Balken des Hauses sich biegen; welch
-ein Kapitalverbrechen hat sie begangen; allerwenigstens packt man
-die Verbrecherin bei den Zöpfen und jagt sie fort. Ich liebe die
-Reinlichkeit von Hause aus; bei der Unausweichlichkeit aber, im Leben
-draußen mit unreinen Dingen hin und wieder fürlieb nehmen zu müssen,
-drängten sich mir manche Widersprüche der Europäer auf. Kann man viel
-Unreinlicheres ersinnen, als jenes Ekelhafte in ein Tuch auffangen und
-+bei sich aufbewahren+? Der Athem eines Andern kann höchst unreine
-Stoffe ausführen, und wir athmen diese ganz vergnüglich ein. Beinahe
-jedes Geldstück trägt seinen Schmutz. Wir betasten gleichwohl das Geld
-und das Brot so oft und oft am gleichen Tage und mit der gleichen Hand,
-ohne diese zu waschen.
-
-+Die Macht der Gewohnheit ist groß, und man denke sich nicht bald
-etwas so schlimm, an das man sich nicht mit Zeit und Weile ziemlich
-leicht gewöhnen könnte.+ Die Gewohnheit macht das Schwere nach und nach
-leichter, das Harte gelinder, das Bittere süßer. Die +Vorstellungen+
-verdüstern das menschliche Leben am meisten. Die Gegenwart erscheint
-selten so herbe, als das ängstlich wartende Gemüth sie noch unten in
-der Zukunft zu fühlen glaubt.
-
-Unser Nachbar, der mehrerwähnte +Mustafa-Bei+, hatte seine Zelte
-in einer Telle aufgeschlagen, welche unser Auge beherrschte. Den
-Preis des schönsten Zeltes verdiente das Haremzelt, das heißt, der
-abgesonderte Ort der Frauen Beiïnnen. Dieses Zelt war grün, und als
-Zierde verbreitete oben ein Stern seine goldenen Strahlen. Von dem
-Hauptzelte lief ein Zeltgang in ein kleines Zelt, dessen Nutzen sich
-leicht errathen läßt. Die Frauen, vier an der Zahl, gingen selten
-aus. Die Kinder hörte ich zuweilen bis in unser Zelt weinen. Die
-Dienerschaft des Offiziers war sehr zahlreich. Das Aufbrechen aus den
-Zelten zwei Tage vor unserer Abreise gewährte einen köstlichen Anblick.
-Der morgenländische Luxus belud über zwanzig Kameele mit Gepäcke. Die
-Frauen verließen wie Gefangene das Harem, die Erstbegünstigte voran.
-Schöner grüner, auch rother Zeug umkleidete die Sitze (das Schekdof)
-auf jeder Seite des Lastthieres.
-
-Unsere Luft erfüllten die Vögel mit vielstimmigem Gesange. Der Rabe
-krächzte, die Schwalbe zwitscherte, der Staar pfiff, wie bei uns der
-eben flügge gewordene, und der Sperling schnarrte in die Leier des
-Zeisigs. Vor dem Witterungswechsel und während desselben sah ich
-Staare mehrere Male in der Richtung von Sonnenaufgang gegen Niedergang
-schaarenweise vorüberziehen. Einmal schwärmte der Storch hoch gegen
-Kairo. Nachts, bei Grabesstille, brausten die in unzähligen Muscheln
-des Meerufers gefangenen Wellen mein Ohr voll.
-
-Erheben wir uns jetzt mit ruhiger Fassung auf den Standpunkt, um
-einen Gesammtüberblick auf die Quarantäne zu werfen, so wird man die
-gute Absicht, Länder, hier Syrien, vor der Pest zu sichern, nicht
-mißkennen, man wird sie ehren; man kann sich aber nicht bergen, daß,
-in dem gegebenen Falle, das Mittel dazu nicht nur unzureichend ist,
-sondern sogar die Menschen herabwürdiget. Denn das Sittengesetz erlaubt
-nie, daß man +krankmachende+ Anstalten, gleich der vor Augen liegenden
-Quarantäne, ins Dasein rufe, um einen krankheitsschützenden Zweck zu
-erstreben, wenn zu gleicher Zeit, wie hier, vom krankmachenden Mittel,
-wenigstens zum Theile, Umgang genommen werden kann. Will +Mehemet-Ali+
-das zweckmäßige Sperrsystem der Europäer nachahmen, so soll er
-ihm nicht Kopf und Hände abschneiden, er soll es in seinem ganzen
-Umfange aufnehmen, er soll wenigstens Gebäude aufführen, worin der
-Kontumazirende doch vor dem Ungestüme der Witterung möglichst sicher
-bleibt. Wie froh wäre ich gewesen, wenn nur eine elende Araber-Hütte,
-dergleichen man in Alexandrien und an den Gestaden des Nils und auf den
-Hosch in Kairo sieht, zu meiner Verfügung gestellt worden wäre. Man
-wird vermuthlich entgegnen, daß das europäische Sperrsystem in seiner
-Ganzheit befolgt, bloß den Sitten und den Verhältnissen der Leute und
-des Landes angeeignet ward. Diesen schweren Irrthum widerlegt nichts
-gründlicher und triftiger, als die Quarantäneanstalt zu El-Arysch
-selbst, insofern man sie mit unbefangenen Augen betrachtet. So lange
-man in der That dem unwidersprechlich großen Uebel nicht steuert; so
-lange wird der aufmerksame Beobachter in der fraglichen Anstalt nichts,
-als ein Blendwerk für die Bewohner der vorwärts liegenden Länder
-erblicken, so lange kann er auch den Gedanken an eine ungerechte und
-grausame Behandlung der Kontumazirenden nicht daniederhalten.
-
-In Kairo besteht ein Gesundheitsrath, welcher das Gesundheitswohl der
-vizeköniglichen Unterthanen, eigentlich mehr der Soldaten, überwacht.
-Es wäre gut, wenn er nicht nur die anzustellenden Aerzte der Armee und
-der Quarantänen, die Lehrer der Schule zu Abusabel dem Kriegsminister
-vorschlüge, etwa einige Arzneiformeln für die angestellten Aerzte
-entwärfe, die Pestordnung abfaßte, sondern wenn er allenthalben
-genauer +beaufsichtigte+. Die Inspekzionsreise eines gewissenhaften
-Arztes nach El-Arysch müßte die Frucht bringen, daß einem Unwesen,
-welches das menschliche Gefühl in seiner Tiefe beleidigt, Einhalt
-gethan würde. Wenn mich jemals ein Kitzel zum Schreiben an eine
-fremde Behörde angewandelt hätte, so würde ich ihn diesmal gefühlt
-haben, um dem Präsidenten des Gesundheitsrathes, +Clot-Bei+, und dem
-zweiten Mitgliede, ~Dr.~ +Gaëtani+, die Schattenseite der Quarantäne
-zu schildern. Ich ging für einmal über die Sache mit Stillschweigen
-hinweg, mich glücklich genug schätzend, daß ich während der Zeit meines
-Gefängnisses von keiner Krankheit ergriffen ward.
-
-Die letzte Nacht in der Quarantäne verlief nicht, ohne daß uns ein
-Kapitel über das Eigenthumsrecht gelesen wurde. Thiere schlichen in
-unser Lager, und wirklich ward ein, mittels einer Schnur innen an das
-Zelt gebundenes lebendes Huhn von einem Hunde oder Schakal geraubt.
-
-
-+Ende des ersten Bandes.+
-
-
-
-
-Verbesserungen im ersten Bande.
-
-
- S. 7 Z. 4 von oben lies +Salvore+ statt +Savore+.
- „ 25 „ 1 „ „ „ +einem Andern+ st. +einen Andern+.
- „ „ „ 10 „ unten „ bunt darauf, der Dorfschulze, versteht
- sich, am breitesten. +Cesare+ etc.
- „ 36 „ 1 „ oben setze nach +Gebirge+ ein ,
- „ 44 „ 10 „ „ lies +Vor+ gutem Winde.
- „ 48 „ 12 „ unten „ +anhaben+ st. +anheben+.
- „ 53 „ 11 „ „ „ +vor+ st. +von+.
- „ 64 „ 5 „ oben streiche nach +Mela+ das ,
- „ 68 „ 9 „ unten lies +Wild-+ st. +Waldgewächse+.
- „ „ „ 7 „ „ „ +unsanft+ st. +umsonst+.
- „ 72 „ 5 u. 4 von unten streiche +zu observiren+.
- „ 74 „ 8 von unten lies +asphyktisch+ st. +asphytisch+.
- „ 92 „ 1 „ oben „ +welcher+ st. +welches+.
- „ 95 „ 6 „ „ „ von dem +Abendländer+.
- „ 122 „ 3 „ „ „ +Geknirre+ st. +Gewirre+.
- „ 131 „ 6 „ „ „ +Schubbra+ st. +Subbra+.
- „ 137 „ 6 „ unten „ +Chamsîn+ st. +Chamasîn+.
- „ 142 „ 11 „ oben „ +lebt+ st. +liebt+.
- „ 148 „ 6 „ unten „ +seinen Flitter+.
- „ 151 „ 3 „ oben „ +Gîsa+ st. +Gisâ+.
- „ 163 „ 9 „ unten „ +fischartige+ st. +frischartige+.
- „ 170 „ 8 „ oben „ +Gebrauch+ st. +Geruch+.
- „ 178 „ 8 „ „ „ +bekehren+ st. +belehren+.
- „ 212 „ 9 „ unten „ +des Gürtels+ st. +der Gürtel+.
- „ 213 „ 11 „ oben lösche +es+.
- „ 219 „ 2 „ „ lies +stächen+ st. +stechen+.
- „ 254 „ 4 „ unten „ Abbate +Casti+ ~gli animali~.
- „ 261 „ 1 „ „ „ von +dem+ Mitmenschen.
- „ 272 „ 11 „ oben setze ein: nach +Klinik+.
- „ 278 „ 7 „ „ lies +echt+ st. +recht+.
- „ 279 „ 8 „ „ „ +erwecken+ st. +erzwecken+.
- „ 280 „ 9 „ unten „ +Matthiolus+.
- „ 284 „ 9 „ „ „ +ritt+ st. +will+.
- „ 287 „ 10 „ „ „ ~ed~ st. ~e~.
- „ 298 „ 4 „ oben setze ein ; vor +Idumäa+.
- „ 305 „ 9 „ „ lies +knirrte+ st. +kirrte+.
- „ 306 „ 8 „ „ „ +er+ st. +es+.
-
-Nicht sinnstörende Druckfehler (z. B. 1, 19 Schemmel st. +Schemel+,
-1, 103 Letze st. +Letzte+, 1, 123 faullenzt st. +faulenzt+, 1, 181
-schlossen st. +schloßen+, 1, 211 pauckte st. +paukte+, 1, 303 Regen st.
-+Regnen+, 2, 162 Montag st. +Montags+), insbesondere der Interpunkzion,
-wenigstens im ersten Bande (z. B. S. 8, 26, 28), so wie auch die
-Ungleichheit in der Rechtschreibung (z. B. +Kroazien+ neben +Kroatien+,
-+lange Weile+ neben +Langeweile+, +Pfennige+ neben +Pfenninge+, +Bogen+
-neben +Bögen+, +Reiß+ neben +Reis+) wolle der Leser selbst verbessern.
-
-
-
-
-Inhalt des zweiten Bandes.
-
- Seite
-
- Reise nach Jerusalem 1.
-
- Einige geographische Bemerkungen über Syrien 13.
-
- Einige Bemerkungen über die verschiedenen
- Religionsbekenntnisse der Bewohner in Syrien 15.
-
- Gaza 28.
-
- Fortsetzung der Reise nach Jerusalem 30.
-
- Ende der Reise dahin 38.
-
- =Jerusalem.=
-
- Oertliche und klimatische Verhältnisse 46.
-
- Gesundheitszustand und Bevölkerung 52.
-
- Bauart der Stadt 53.
-
- Die Kirche des Christusgrabes 56.
-
- Liegt das Grab +Christi+ in oder außer der jetzigen
- Stadt Jerusalem? 63.
-
- Die Gräber der Könige 69.
-
- Die Grabhöhle der +Maria+ 71.
-
- Die Grabmale +Absaloms+, +Josaphats+ und
- +Zachariassen+ 72.
-
- Der Brunnen Siloah 73.
-
- Die Felsanhöhe Zion 75.
-
- Der Oelberg 79.
-
- Die übrigen Merkwürdigkeiten 81.
-
- Physiologischer Karakter der Einwohner 82.
-
- Sitten und Gebräuche 83.
-
- Die Tracht 84.
-
- Das Kriegsvolk 87.
-
- Die Pilger 94.
-
- Der Geist der Christen 97.
-
- Der Ablaß der römisch-katholischen Kirche 99.
-
- Der alte deutsche Pater und die große Apotheke 102.
-
- Meine Zelle im Kloster des Erlösers 104.
-
- Der Führer um und in Jerusalem 106.
-
- Rückblick auf Jerusalem 108.
-
- Ausflug nach Bethlehem 110.
-
- Die Beschiffung des Lothssees 115.
-
- Nach Jaffa am Mittelmeere 116.
-
-
- =Jaffa.=
-
- Lage, Gassen, Hafen, Bevölkerung 121.
-
- Jaffa, wie es ehemals war 123.
-
- Die Tageslänge 125.
-
- Witterungsbeschaffenheit 127.
-
- Der Meeressturm und der Schiffbruch 128.
-
- Gesundheitszustand 132.
-
- Auf dem Hospizdache 136.
-
- Das Bauernhäuschen 138.
-
- Das Quarantänegebäude oder Pestlazareth 145.
-
- Die Jaffanerin kommunizirt, besprengt sich 147.
-
- Der Jaffaner 149.
-
- Die Pilger 150.
-
- Die arabische Knabenschule der Lateiner 152.
-
- Der Gruß 156.
-
- Die Brautwerbung und die Hochzeit 159.
-
- Die Wöchnerin und das Kind 167.
-
- Wiegenlied und Kinderjucks 170.
-
- Die Verehrung der Todten 173.
-
- Die Rekruten oder die Konskribirten 176.
-
- Das Weinen oder die Raserei am Neujahrstage 1836 179.
-
- +Ibrahim-Pascha+ 184.
-
- Kleine Petschaften oder Siegel 186.
-
- Der Hakim 187.
-
- Die Fleischbank 189.
-
- Der Zuckerrohrmarkt 191.
-
- Der Tabakschneider 193.
-
- Der Nargilebediente; die Rauchvirtuosität 196.
-
- Der Kaffeeröster und Kaffeezerstößer 197.
-
- Der Baumwollereiniger und Schilfdeckenweber 199.
-
- Der wandernde Schiffer und Kinderspiele 201.
-
- Spiel der älteren Leute 202.
-
- Meine Lebensart 205.
-
- Ich lese die Bibel 209.
-
- Ein Pater sagt, ich werde des Teufels 210.
-
- Wie die Gleißnerei im Namen der heiligen Religion einen
- Unschuldigen prügelt; laue Konsulats- und Mönchspolizei 212.
-
- Der Konsul +Damiani+; mein Besuch in seinem Hause 217.
-
- Vorbereitung zur Abreise 222.
-
- Nach Rhodos 226.
-
-
- =Rhodos.=
-
- Lage, Himmel, Volkszahl 236.
-
- Die Stadt Rhodos 238.
-
- Das Leichenfeld 241.
-
- Die Bewohner; das lateinische Hospiz;
- Knabenspiel; große Hähne 243.
-
- Der Abend im Schiffsraume 247.
-
- Spaziergang gegen Trianda 248.
-
- Nach Konstantinopel, Triest und heim 251.
-
- Anleitung zu der Pilgerfahrt nach Jerusalem 256.
-
- Schlußbetrachtungen 267.
-
-
-
-
-Bei +Orell+, +Füßli+ u. Comp. in +Zürich+ ist erschienen und in allen
-Buchhandlungen zu finden:
-
-Appenzellischer
-
-=+Sprachschatz+.=
-
-=(~Idioticon.~)=
-
-Eine Sammlung
-
- appenzellischer Wörter, Redensarten, Sprüchwörter, Räthsel,
- Anekdoten, Sagen, Haus- und Witterungsregeln, abergläubischer
- Dinge, Gebräuche und Spiele, würzender Lieder oder Reime; nebst
- analogischer, historischer und etymologischer Bearbeitung einer
- Menge von Landeswörtern, zum Theil nach altteutschen Handschriften
- der katholischen Kantonsbibliothek in St. Gallen,
-
-+Herausgegeben+
-
-von
-
-=~Dr.~ Titus Tobler.=
-
- gr. Real-8. 522 Seiten. Weiß Druckpapier.
- Preis: 8 Schweizerfranken.
-
-Es bedarf nur eines flüchtigen Blickes in diese ausgezeichnete,
-verdienstvolle Sammlung, um ihren Werth zu erkennen und sie lieb zu
-gewinnen. Hier ist der weltbekannte, fröhliche, kräftige Witz des
-Appenzellers in seiner originellen Volkssprache, sein heiterer, freier
-Geist in den mannigfaltigsten Aeußerungen und Beziehungen auf das Leben
-reichlich ausgebreitet. Gründliche Sprachforschung und gleichzeitig
-anziehende Unterhaltung wechseln in buntem Gemische.
-
-Freunde des schönen Alpenlandes, die Kurgäste, so jährlich Gais und die
-übrigen Kurorte des Kantons Appenzell besuchen und mit den Bewohnern
-desselben in Berührung kommen, erhalten durch diesen Sprachschatz den
-Schlüssel zu mancher geistreichen und originellen Aeußerung, die sonst
-größtentheils für sie verloren geht oder unverständlich bleibt. Ihnen,
-sowie den gelehrten Sprachforschern überhaupt, darf dieses, von dem
-achtungswerthen Herrn Verfasser mit unermüdlichem Fleiß entworfene,
-lebendige Volksgemälde, eine wahre Bereicherung öffentlicher
-Bibliotheken, mit Zuversicht anempfohlen werden.
-
-
-
-
-FUSSNOTEN:
-
-[1] ~Unicuique dedit vitium natura creato. Catull.~ II. 18.
-
-[2] Das so oft vorkommende Wort Araber kann keinen Anstoß geben. Man
-nennt Araber, die arabisch sprechen, Deutsche, die deutsch reden, und
-auch die Schweizer heißen zum Theile Deutsche. Die arabische Sprache
-herrscht aber nicht bloß in Arabien, sondern auch in Syrien und im
-ganzen Norden von Afrika. Darum wird der Egypzier so oft Araber genannt.
-
-[3] ~_Prosperi Alpini_ medicina Aegyptiorum. Editio nova. L. B.,
-officina Boutesteinia, 1719.~
-
-[4] Da ich eine genauere Beschreibung der Krankenhäuser für das größere
-Publikum nicht berechnen durfte, so übersandte ich sie dem Herausgeber
-der schweizerischen Zeitschrift für Natur- und Heilkunde, (Heilbronn
-bei Drechsler), Herrn Professor +von Pommer+, wo auch andere auf der
-Reise gesammelte medizinische Kleinigkeiten aus meiner Feder sich
-finden. S. II. Band 2. Heft S. 314 ff., III. Bd. 1. Heft S. 130 ff.,
-und III. Bd. 3. Heft S. 435 ff.
-
-[5] Er erlag der Pest in der pestfreien Zeit, wenigstens in einer
-Zeit, da die Europäer keine Vorsichtsmaßregeln gegen die Pest nahmen.
-Die Nachricht seines Ablebens erhielt ich, nachdem ich schon von
-Alexandrien abgereist war. Vierzehn Tage vorher drückte ich die Hand
-des wackern Landsmannes, Herrn +Wehrli+, wenn ich nicht irre, aus dem
-Kanton Aargau.
-
-[6] „~... ut a propinquarum urbium plebe verri sibi vias, et conspergi
-propter pulverem exigeret.~“ +Suetonius+ aus dem Leben +Caligula’s+
-(XLIII).
-
-[7] „Ich wagte nicht“, sagt ~Dr.~ +Jakob Röser+ (224), „in die Höhlen
-zu kriechen, theils wegen meines Uebelbefindens, von dem ich noch nicht
-ganz frei war, theils der Schlangen und des Ungeziefers wegen, das sich
-häufig darin aufhält.“
-
-[8] Ich kenne im Deutschen kein Wort für den morgenländischen Sitz mit
-kreuzweise über einander geschlagenen Beinen. Um kurz zu reden, wählte
-ich +hocken+; +von Prokesch+ schreibt +hockern+. Wenn die Leute, zumal
-häufig die Weiber, +eigentlich+ kauerten, oder mit aufgehobenen Knieen
-saßen, so will ich mich auch so ausdrücken. +Hocken+ klingt für die
-Abendländer freilich niedrig; aber es wäre für diese auch nicht fein,
-schneidermäßig hinzusitzen.
-
-[9] Um der Wahrheit nichts zu vergeben, finde ich mich zu der
-für mich unangenehmen Bemerkung verpflichtet, daß die an einem
-Tage zurückgelegten Ortschaften nur für dasjenige Ufer eigentlich
-verläßlich sind, wo wir ankehrten, weil ich damals der Sache nicht
-genug Aufmerksamkeit schenkte, um zugleich den Namen des Ortes am
-anderseitigen Ufer zu erfragen, welcher dem Uebernachtungsplatze am
-nächsten lag. Meine Ortsnamen weichen hin und wieder von denen des
-+von Prokesch+ ab, indem ich der verbessernden Hülfe des französischen
-Dragoman vertraute. Wenn z. B. eine Dorfschaft nicht wieder in diesem
-Verzeichnisse aufgeführt wird, so muß der Grund darin gesucht werden,
-daß sie seit +von Prokeschs+ Nilfahrt verschwunden ist. Müssen im
-Abendlande außerordentliche Umstände zusammenfließen, bis ein Dorf
-der Erde gleich wird, so ist es in Egypten anders, wo das furchtbare
-Szepter des Wütherichs am Haare der Laune hängt, und die leichtfertige
-Hand der Landesknechte sich Schwalbennester baut. Wer auf eine
-richtigere Aussprache der Ortsnamen einiges Gewicht legen möchte,
-findet die Zeichen im folgenden, von mir herausgegebenen Werke erklärt:
-+Appenzellischer Sprachschatz.+ Zürich, 1837, bei Orell, Füßli und
-Comp. S. XXVI. und XXVII.
-
-[10] Die Hütten, noch aus Alexandrien in frischem Andenken, erwähne
-ich nicht. Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten in Kairo
-zwei und dreißig mit Hütten besetzte Plätze (Hôsch, ~place avec des
-cahutes~).
-
-[11] Nach den Gelehrten des französischen Feldzuges hatte Kairo 233
-mohammetanische Großkirchen (Gâma’), 158 Kleinkirchen (Kapellen,
-Sâuyeh), 27 christliche Kirchen (in Alt- und Großkairo), 10 Synagogen,
-45 Hauptbäder, 171 Außen- und Binnenpforten.
-
-[12] Die Gelehrten des französischen Feldzuges geben, ohne eine
-zertrümmerte Moschee zu rechnen, der Burg allein sieben Gâma’, nämlich:
-Gâma’ Tâg el-Dyn, Gâma’ el-Schâryeh, Gâma’ el-Dahâysche, Gâma’ sultân
-Kalaun, Gâma’ el-A’ssab, Gâma’ el-Moyed, Gâma’ el-Mustafâujeh.
-~Description de l’Égypte, 2. édit. Tome XVIII. (E. M.) 2. part. Paris,
-Panckoucke, 1829. Pag. 288. sqq.~
-
-[13] Schweizerisch +Buffert+.
-
-[14] Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten über
-achtunddreißig.
-
-[15] Früher gab es sogenannte +Santone+ (Heilige), welche fadennackend
-auf Pferden herumritten. Es ist nicht lange her, daß der Vizekönig
-sie in ein Versorgungshaus schickte, und so begegnet der ärgerliche
-Auftritt nicht mehr.
-
-[16] +Salomo Schweigger+ fragte in Konstantinopel nach dem Grunde
-dieses „Schöpfleins.“ Es ward ihm geantwortet, daß, wenn der Moslim
-dem Feinde zu Theil werde, und um das Haupt komme, alsdann der Kopf am
-Haarbüschel gefaßt, und ihm nicht mit der Hand in den Maulkorb (Mund)
-gegriffen werde, die ihn verunreinigen würde.
-
-[17] Es ist bekannt, daß es in Egypten Oefen gibt, worin die Hühnereier
-ausgebrütet werden. Es verdrießt mich, keinen gesehen zu haben. Hundert
-eben aus dem Ei gekrochene Küchelchen gelten drei bis vier Piaster
-(höchstens einen Reichsgulden) bei Kairo. Zur Brütung gehört Wärme
-überhaupt. Die Hühnerwärme ist nicht unerläßlich. Als +Livia+, die
-Mutter des +Tiberius+, ein Kind unter ihrem Herzen trug, wollte sie
-durch verschiedene Wahrzeichen erfahren, ob es ein Knäbchen sei. Von
-einer Bruthenne nahm sie auch ein Ei, erwärmte dieses bald mit ihrer
-Hand, bald mit derjenigen ihrer Zofen, so lange, bis ein Küchelchen mit
-einem ausgezeichneten Kamme herausschlüpfte.
-
-[18] Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten 120 Zisternen.
-Der obere Stock dieser Wassergebäude nimmt gewöhnlich eine Freischule
-ein. Es waren nach einer Beschreibung von Alt-Kairo aus dem
-sechszehnten Jahrhunderte in dieser Stadt bei 8000 Menschen, die
-allein mit Kameelen Wasser von dem Nil in dieselbe schafften, um es zu
-verkaufen, wovon der größere Theil dazu diente, die Gassen zu benetzen,
-und dadurch den Staub niederzuschlagen.
-
-[19] Man mag eine Stelle des +Juvenal+ (_Jun. Juvenalis sat._ II.
-~v.~ 19) beliebig mit der Bajadere in Verbindung bringen. Von den
-aufrichtigen Sündern redend, fährt er fort:
-
- ~Sed pejores, qui talia verbis
- Herculis invadunt et de virtute loquuti
- Clunem agitant.~
-
-
-[20] Später kehrte +Enfantin+ wieder nach Frankreich zurück.
-
-[21] Sie gehörten dem protestantischen Missionariate. Es wurden
-ungemein wenig abgesetzt. Ich sah einmal einen vorübergehenden
-Mohammetaner anhalten und eine Bibel aufschlagen; kaum schielte er den
-Titel recht an, als er sie wieder aus der Hand legte.
-
-[22] Der Mann starb auf einer Kurreise nach Oberegypten im Jahr 1837.
-
-[23] Die Gelehrten des französischen Feldzuges rechneten sechszehn
-Leichenfelder auf das Innere der Stadt. Die Franken werden in Altkairo
-begraben.
-
-[24] Der Leser darf der Bezeichnung des armenischen und griechischen
-Klosters nicht mehr trauen, als ich selbst traue, +unter der Leitung
-eines Arabers+. Im griechischen Kloster schon wollte er mich im
-koptischen wissen. Hier gelang es nicht, mich zu täuschen, da ich
-nichts einer Höhle ähnliches erkannte. Am armenischen und griechischen
-Kloster liegt indessen sehr wenig, und am koptischen Alles; letzteres
-aber zu bezweifeln, wäre Zweifelsucht.
-
-[25] Die Schriftsteller verlegen den Anfang des Nilwachses in ein
-wenig verschiedene Zeitpunkte; in den ersten Neumond nach dem längsten
-Tag +Plinius+, in den sechszehnten Tag nach demselben die offizielle
-Mittheilung des französischen Feldzuges, in den 5. Junius +Alpinus+,
-in den 19. +Volney+, in das Ende vom Junius +Rifaud+. +Alpinus+
-erzählte von sehr interessanten Versuchen, um nach gewissen Zeichen
-vorauszusagen, wie hoch der Nilstrom steigen werde.
-
-[26] Auch die Bibel hat uns das Andenken dieser Stadt bewahrt. Wir
-lesen aus dem 1. Buche +Moses+ im 45. Verse des 41. Kapitels, daß der
-egyptische König oder Pharao dem Statthalter +Josef+, +Jakobs+ Sohn,
-+Aseneth+, die Tochter +Potiphars+, eines Priesters zu Heliopolis
-(Sonnenstadt), zum Weibe gab.
-
-[27] Ich gebe zu, daß ich hier, wie weiter unten, in Schreibung der
-Namen vielleicht fehle; allein auch dieses Fehlen wird von Werth sein;
-denn ich verließ mich auf einen als Apotheker Angestellten, und so
-läßt sich dann mehr und minder beurtheilen, auf welcher Stufe von
-Kenntnissen dergleichen hochgestellte Männer bei Abusabel stehen.
-
-[28] Der Reisende, sagt ~Dr.~ +Röser+, wird durch das ihn umschwärmende
-und gefährliche Beduinengesindel, die mit Keulen und Pistolen bewaffnet
-sind, von der ernsten und ruhigen Betrachtung abgezogen, daher Jedem,
-der die Pyramiden besuchen will, zahlreiche Gesellschaft und Vorsicht
-anzurathen ist; denn es ist bekannt, daß dies arme, nackte Volk wegen
-einer Kleinigkeit einen Menschen todtschlägt.
-
-[29] Wie hoch die Aerzte aus der Abusabler-Schule gewerthet werden,
-erhellt schon daraus, daß man einem Europäer, welcher von der Medizin
-rein nichts versteht, einen solchen Arzt unterordnet.
-
-[30] Auf arabisch +Abu+, Vater. Sobald der Araber Vater eines Sohnes
-ist, so wird er nach dem Namen desselben geheißen. Hatte bei uns der
-Vater einen Sohn mit Namen Wilhelm, so wurde der Araber im bessern Tone
-erstern nie anders, als +Vater Wilhelms+ heißen.
-
-
-
-***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LUSTREISE INS MORGENLAND, ERSTER
-THEIL (VON 2)***
-
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- </style>
-</head>
-<body>
-<h1 class="pg">The Project Gutenberg eBook, Lustreise ins Morgenland, Erster Theil (von
-2), by Titus Tobler</h1>
-<p>This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States
-and most other parts of the world at no cost and with almost no
-restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it
-under the terms of the Project Gutenberg License included with this
-eBook or online at <a
-href="http://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you are not
-located in the United States, you'll have to check the laws of the
-country where you are located before using this ebook.</p>
-<p>Title: Lustreise ins Morgenland, Erster Theil (von 2)</p>
-<p>Author: Titus Tobler</p>
-<p>Release Date: April 19, 2017 [eBook #54573]</p>
-<p>Language: German</p>
-<p>Character set encoding: UTF-8</p>
-<p>***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LUSTREISE INS MORGENLAND, ERSTER THEIL (VON 2)***</p>
-<p>&nbsp;</p>
-<h4 class="pg">E-text prepared by the Online Distributed Proofreading Team<br />
- (<a href="http://www.pgdp.net">http://www.pgdp.net</a>)<br />
- from page images generously made available by<br />
- the Google Books Library Project<br />
- (<a href="https://books.google.com">https://books.google.com</a>)</h4>
-<p>&nbsp;</p>
-<table border="0" style="background-color: #ccccff;margin: 0 auto;" cellpadding="10">
- <tr>
- <td valign="top">
- Note:
- </td>
- <td>
- Images of the original pages are available through
- the Google Books Library Project. See
- <a href="https://books.google.com/books?id=iu4oAAAAYAAJ&amp;hl=en">
- https://books.google.com/books?id=iu4oAAAAYAAJ&amp;hl=en</a><br />
- <br />
- Project Gutenberg has the other volume of this work.<br />
- <a href="http://www.gutenberg.org/files/54574/54574-h/54574-h.htm">Zweiter Theil</a>: see http://www.gutenberg.org/files/54574/54574-h/54574-h.htm
- </td>
- </tr>
-</table>
-<p>&nbsp;</p>
-<p>&nbsp;</p>
-<div class="transnote">
-
-<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p>
-
-<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1839 erschienenen
-Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben.
-Ungewöhnliche, altertümliche und inkonsistente Schreibweisen wurden,
-auch bei Eigennamen, beibehalten, insbesondere wenn es sich um
-Übertragungen fremdsprachlicher Begriffe handelt oder diese im Text
-mehrfach auftreten. Zeichensetzung und offensichtliche typographische
-Fehler wurden stillschweigend korrigiert.</p>
-
-<p class="p0">Das gesamte Inhaltsverzeichnis beider Bände sowie die Liste der
-Verbesserungen befinden sich in der Originalausgabe lediglich am Ende des
-zweiten Buches. Der Übersichtlichkeit halber wurde das Verzeichnis des
-betreffenden Bandes an dessen Anfang gestellt, das Inhaltsverzeichnis
-des jeweils anderen Bandes dagegen an das Ende des Buches. Die
-Verbesserungen erscheinen am Ende des jeweiligen Bandes; diese sind,
-soweit sie vom Autor als relevant eingestuft wurden, bereits in das
-vorliegende Buch eingearbeitet worden.</p>
-
-<p class="p0">Die Buchversion wurde in Frakturschrift gedruckt; diese wird hier
-in Normalschrift dargestellt; Antiquaschrift erscheint dagegen <span class="antiqua">kursiv</span>.
-Kursive Antiquaschrift wird hier zusätzlich <span class="antiqua"><i>unterstrichen</i></span>
-dargestellt.</p>
-
-<p class="p0 htmlnoshow">Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät
-installierten Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em>
-gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl
-serifenlos als auch gesperrt erscheinen.</p>
-
-</div>
-<p>&nbsp;</p>
-<hr class="pg" />
-<p>&nbsp;</p>
-<p>&nbsp;</p>
-<p>&nbsp;</p>
-
-
-<div class="figcenter">
- <a id="cover" name="cover">
- <img src="images/cover.jpg"
- alt="" /></a>
- <p class="ebnoshow caption s5">Original-Umschlag</p>
-</div>
-
-<div class="titel">
-
-<p class="s2 center padtop3 break-before">Lustreise ins Morgenland.</p>
-
-<h1><span class="s6">Lustreise<br />
-
-<span class="s6">ins</span></span><br />
-
-<b><span class="mleft0_2">M</span><span class="mleft0_2">o</span><span class="mleft0_2">r</span><span class="mleft0_2">g</span><span class="mleft0_2">e</span><span class="mleft0_2">n</span><span class="mleft0_2">l</span><span class="mleft0_2">a</span><span class="mleft0_2">n</span><span class="mleft0_2">d</span>.</b></h1>
-
-<hr class="r10" />
-
-<p class="center mtop3">Unternommen und geschildert</p>
-
-<p class="center mtop1">von</p>
-
-<p class="s3 center mtop1 mbot2"><b><span class="antiqua">Dr.</span> Titus Tobler.</b></p>
-
-<p class="s4 center">Erster Theil.</p>
-
-<hr class="titel" />
-
-<p class="s3 center"><b><span class="mleft0_2">Z</span><span class="mleft0_2">ü</span><span class="mleft0_2">r</span><span class="mleft0_2">i</span><span class="mleft0_2">c</span><span class="mleft0_2">h</span>,</b></p>
-
-<p class="center">bei Orell, Füßli und Compagnie.</p>
-
-<p class="s3 center"><span class="mleft0_2">1</span><span class="mleft0_2">8</span><span class="mleft0_2">3</span><span class="mleft0_2">9</span>.</p>
-
-</div>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s3 center"><b>Inhalt des ersten Bandes</b>.</p>
-
-</div>
-
-<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis 1. Band">
- <tr>
- <td class="ukap">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="ste">
- Seite
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Reise nach Triest
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;&#8199;<a href="#Reise_nach_Triest">1.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Mein Aufenthalt auf dem Eilande Lossin oder Ossero
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Mein_Aufenthalt_auf_dem_Eilande_Lossin_oder_Ossero">10.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Fahrt nach Alexandrien
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Fahrt_nach_Alexandrien">25.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kap">
- &#8199;<a href="#Alexandrien">Alexandrien.</a>
- </td>
- <td class="ste">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Lage
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Lage">58.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Gebäude
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Gebaeude">59.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Krankenhäuser
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Krankenhaeuser">67.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Auch das Observazionsspital oder die Observazionshütten
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Observazionsspital">70.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Katakomben und der Pferdestall
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Katakomben">78.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Nadeln der <em class="gesperrt">Kleopatra</em> und der Flohfänger
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Nadeln_der_Kleopatra">80.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Pompejussäule und die Schandsäule
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Pompejussaeule">82.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Nachgrabungen
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Nachgrabungen">85.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Leute. Bevölkerung
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Leute">88.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Ritt zur Beschneidung
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Beschneidung">91.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Primarschule
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Primarschule">92.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Zeichenschule
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Zeichenschule">93.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Weiberhändel
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Weiberhaendel">95.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Geld und Geldnoth
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Geld_und_Geldnoth">97.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Schiff der Wüste
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;<a href="#Alexandrien_Schiff_der_Wueste">99.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Anleitung für den Reisenden
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Alexandrien_Anleitung">100.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Die Nilfahrt nach Kairo
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Alexandrien_Nilfahrt_nach_Kairo">104.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kap">
- <a href="#Kairo">Kairo.</a>
- </td>
- <td class="ste">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Lage der Stadt, Strich des Himmels und Gesundheitszustand
- der Menschen
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Lage">134.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Stadt nach ihrer Bauart
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Bauart">140.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Schloß, der Jussufsbrunnen und die Grabmale von Kâyd-Bei
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Schloss">148.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Militärkrankenhaus
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Militaerkrankenhaus">155.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Narrenmenagerie
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Narrenmenagerie">157.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Stadt der Einäugigen und der Blinden
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Stadt_der_Einaeugigen">162.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das öffentliche Bad
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Das_oeffentliche_Bad">163.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Wie die Egypzier im sechszehnten Jahrhundert die Bäder gebrauchten
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_oeffentliche_Baeder_im_16_Jahrhundert">168.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Sklavenmarkt
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Sklavenmarkt">173.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Katzenstift
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Katzenstift">177.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Gärten
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Gaerten">181.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Esbekieh
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Esbekieh">183.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Physiologischer und psychologischer Karakter der Einwohner
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Karakter_der_Einwohner">184.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Tracht
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Tracht">194.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Speisen und Getränke
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Speisen_und_Getraenke">198.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Kaffeehäuser
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Kaffeehaeuser">204.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Schneller Justizgang
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Schneller_Justizgang">208.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der egyptische Tanz
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Der_egyptische_Tanz">210.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Brautzug
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Brautzug">213.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Leichenzug
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Leichenzug">216.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Straßensänger
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Strassensaenger">218.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Versteigerer
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Versteigerer">219.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Barbier
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Barbier">220.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Lagerstellenmacher
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Lagerstellenmacher">221.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Glaser
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Glaser">222.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Schuhmacher
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Schuhmacher">223.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Töpferwaarenflicker
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Toepferwaarenflicker">224.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Missionarien
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Missionarien">226.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Renegaten
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Renegaten">228.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Müsterchen von Europäern in Egypten, oder ein Porträt
- über Kairo aus Europa
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Muesterchen_von_Europaeern">230.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Undank für treue Liebe
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Undank">233.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Unter österreichischer Protekzion
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Unter_oesterreichischer_Protekzion">235.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Meine Wohnung
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Meine_Wohnung">236.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Meine Nahrung und Getränke
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Meine_Nahrung">238.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Umgebung von Kairo:
- </td>
- <td class="ste">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Todtenstadt el-Seydeh Omm Kâsim
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung">242.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Die Wasserleitung
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung_Wasserleitung">244.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Altkairo und das armenische Kloster
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung_Altkairo">246.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Das griechische Kloster und der Altar der h. Frau im koptischen
- Kloster
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung_Das_griechische_Kloster">247.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Der Tempel <em class="gesperrt">A’mrus</em>
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung_Der_Tempel_Amrus">250.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Der Garten <em class="gesperrt">Ibrahim-Paschas</em> und der
- Nilometer auf der Insel Ruda
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung_Der_Garten_Ibrahim_Paschas">253.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Ausflug nach Heliopolis und Abusabel
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung_Ausflug_nach_Heliopolis">258.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Geschichtlicher Rückflug nach Mattarieh
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung_Geschichtlicher_Rueckflug">280.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap2">
- Abenteuerlicher Ritt nach den Pyramiden von Gizeh
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Umgebung_Abenteuerlicher_Ritt">281.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Wegweiser in und um Kairo
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Wegweiser">295.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Rückblick auf Kairo
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Rueckblick">297.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Reise durch die Wüste nach El-Arysch
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Kairo_Reise_durch_die_Wueste">297.</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Quarantäne in El-Arysch
- </td>
- <td class="ste">
- <a href="#Die_Quarantaene_in_El_Arysch">321.</a>
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<div class="chapter">
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_v" id="Seite_v">[S. v]</a></span></p>
-
-<h2 class="nobreak" id="Vorwort">Vorwort.</h2>
-
-</div>
-
-<p>Von manchen Seiten her wurde ich aufgefordert, die Beschreibung meiner
-Lustreise in das Morgenland der Presse zu übergeben. Ich hätte es
-vielleicht nicht thun sollen, &mdash; ich entsprach der Aufforderung. Wohl
-wäre es möglich, daß die Sache allzu leicht genommen würde. Es ist viel
-minder schwierig, zu reisen, als eine Reise, zum Behufe öffentlicher
-Mittheilung, zu beschreiben. Wer einzig zur Erholung herumwandern
-will, ferne vom Vorsatze, etwaige Wahrnehmungen,<span class="pagenum"><a name="Seite_vi" id="Seite_vi">[S. vi]</a></span> Beobachtungen und
-Erfahrungen ans Tageslicht zu ziehen, darf sich nur den Paß und dessen
-goldenen Rahmen verschaffen; legt er den Wanderstab hin, so verlangt
-man von ihm im Ernste kaum Rechenschaft darüber, ob er viel oder wenig,
-richtig oder unrichtig aufgefaßt habe. Umgekehrt verhält es sich mit
-dem Reisenden, der eine Beschreibung durch den Druck bekannt macht;
-das Wort ist nicht mehr sein eigen, sondern Gemeingut der Leser, der
-Gewährsmann wird in die Schranken des öffentlichen Gerichtes gerufen.</p>
-
-<p>Ich sehe gut die weithin langenden Folgen meines Versprechens, und
-gleichwohl rücke ich heraus mit meinen Tageblättern. Wenn ich die
-Aufforderung recht verstanden habe, so will man, ohne meine wirklichen
-Mühseligkeiten, im Geiste mir nachreisen; man erwartet keine neue
-Entdeckungen weder aus der Vor-, noch Mitwelt, weder in Beziehung
-auf die Kenntniß des Himmels, noch der Erde, weder ihrer Bewohner,
-noch Hervorbringnisse; man will Bekanntes in einem traulichen Kreise
-zusammenplaudern; man denkt billig genug,<span class="pagenum"><a name="Seite_vii" id="Seite_vii">[S. vii]</a></span> daß ein Lustreisender,
-der in einer Spanne Zeit drei Welttheile berührt, der Wissenschaft
-keine Dienste leistet. Ich rücke <em class="gesperrt">darum</em> mit meinen Tageblättern
-heraus, <em class="gesperrt">weil die Erwartungen nicht über meine geringen Ansprüche
-hinaufreichen</em>.</p>
-
-<p>Aber warum wurde denn die Beschreibung nicht zeitungswarm geliefert?
-So höre ich die Frage an mich richten. Mit einer Antwort bin ich
-keinesweges verlegen. Ich mochte nun einmal nicht in den bestaubten
-Reisekleidern unter so anständige Leute treten. Weil es anders
-nicht schicklich gewesen wäre, so begann ich den egyptischen und
-palästinischen Staub herauszubürsten. Freilich da merkte ich bald,
-daß in meinem Heimathlande nicht mehr die stillen Klostermauern mich
-umfangen; ein Hinderniß häufte sich auf das andere. Das Reise-Tagebuch
-lag neben meinem Krankenbuche, und Jedermann weiß, daß die Leidenden
-in der Regel durch etwas ganz Anderes genesen, als durch Schildereien
-aus dem Leben eines Pilgers. Kurz, ich stellte die Reisebogen in den
-Hintergrund, und<span class="pagenum"><a name="Seite_viii" id="Seite_viii">[S. viii]</a></span> widmete meine Feder vorzüglich den Tageblättern
-für meine Kranken. Doch nach und nach schaffte ich, so gut es in der
-vielzersplitterten Muße gehen wollte, wenigstens einige Ordnung, daß
-ich nun endlich die Schwelle des Hauses verlasse, um &mdash; der Geneigtheit
-und Nachsicht der Leser mich zu empfehlen.</p>
-
-<p class="mleft1"><em class="gesperrt">Lutzenberg</em>, im Appenzeller-Lande,<br />
-<span class="mleft3">an Ostern 1839.</span></p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_1" id="Seite_1">[S. 1]</a></span></p>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="s3 nobreak" id="Reise_nach_Triest">Reise nach Triest</h2>
-
-</div>
-
-<p>Am 22. August 1835 trat ich, vom schweizerischen Kanton Appenzell aus,
-meine Reise an. Sie nahm ihre Richtung über den Arlberg, über Insbruck,
-Bozen, Trient, Vicenza, Padua und Venedig nach Triest. Ich werde diese
-Reise durch eine Gegend, welche, so zu sagen, nur einen Sprung weit
-von meinem Heimatlande entfernt ist, nicht näher berühren. Ich erwähne
-bloß, daß ich dießmal mit ungleich mehr Zufriedenheit durch diesen
-Theil Welschlands reisete, als im Jahre 1826, wohin ich von Wien aus
-einen Abstecher gemacht hatte. Ich wählte vorzüglich italienische
-Wirthshäuser, und die Wahrheit heischt von mir das Bekenntniß,
-daß ich nicht den mindesten Grund zu Klagen über Betrügereien in
-denselben fand. Niemals handelte ich mit den Wirthsleuten zum Voraus
-die Mahlzeit ab. Bei deutschen Wirthen dieses Landes befand ich mich
-eher schlimmer. Zank und Streit mit zwei Vetturini waren ganz unsere
-Schuld, oder vielmehr die meines Reisegefährten, eines Kroaten, der
-<em class="gesperrt">weniger</em> bezahlen wollte,
-<span class="pagenum"><a name="Seite_2" id="Seite_2">[S. 2]</a></span>
-als wir bereits schon übereingekommen
-waren. Es bot ein rührendes Schauspiel dar, wie ein Vetturino nur das
-<em class="gesperrt">Seinige</em> verfechten mußte. Wenn die Deutschen oder wenigstens
-die deutsch Redenden auf diese Weise fortfahren, es dürften sich traun
-die italienischen Vetturini brüsten, um dem deutschen Uebermuthe die
-Flügel zu stutzen. Die Deutschen, welche nach Italien reisen wollen,
-hauen darum leicht über die Schnur, daß sie auf erster Linie mit den
-Schlechtigkeiten der Italiener allzusehr sich vertraut machen, statt
-daß sie es sich angelegen sein lassen, die Gedanken in ihrer Sprache
-auszutauschen. Der Deutsche, gewohnt, beinahe in jedem schlechten
-italienischen Gewande eine schlechte Seele zu suchen, richtet auch
-nach dieser, über das Gebirge geschleppten vorgefaßten Meinung, die
-Behandlung des Italieners. So wie aber dieser wahrnimmt, daß der
-Fremde an ihm keinen grünen Zweig erblickt, mag es ihn freuen, daß der
-Reisende sich ja nicht täusche.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 29. August.</em></p>
-
-<p>Ich langte in der überaus lebhaften Handelsstadt Triest an. Meine
-Empfehlungen an dasige Häuser thaten erwünschte Wirkung. Ein Landsmann
-gab Anleitung zum Einkaufe der für die Seereise nöthigen Effekten. Ein
-jüdisches Haus kam mir zuvor, um später den Aufenthalt in<span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[S. 3]</a></span> Alexandrien
-mir angenehm zu machen, und versah mich mit Schreiben, damit mir die
-Reise nach Egypten in finanzieller Beziehung gesichert werden sollte.</p>
-
-<p>Sechs Tage mußte ich warten, bis ein Schiff unter Segel ging. Mein
-Vertrag mit dem Kapitän, Herrn <em class="gesperrt">Simon Budinich</em> aus Lossin, wurde
-doppelt ausgefertigt, und in demselben ausdrücklich bemerkt, daß ich
-freie Hand behalten wolle, wenn zur bestimmten Frist die Abfahrt nicht
-erfolgen würde. Der Vertrag beschlug übrigens, um nach Landart zu
-sprechen, nicht bloß Logis, sondern auch Kost.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Donnerstag den 3.
-September.</em></p>
-
-<p>Ich ließ mein Bett, (ein Kissen, eine Stramatze [<span class="antiqua">Stramazzo</span>,
-Matratze], eine Wolldecke, [Kotze], zwei Leintücher) und meine übrigen
-Effekten an Bord bringen. Vom Kai holten sie unsere Matrosen ab, ohne
-daß ich mich vor der Hand weiter darum bekümmerte. Abends neun Uhr rief
-ich den Matrosen unsers Schiffes, <span class="antiqua">il Giusto</span>. Gleich ruderten
-sie mir entgegen, und ich nahm Abschied vom Lande. Frohmüthig bestieg
-ich meine neue Behausung. Mein Auge weidete sich zuerst an dem Walde
-von Mastbäumen und an dem sternenreichen Himmel; dann trat ich in die
-Kajüte, wo ich meine Effekten in Ordnung fand. Ein fester Bursche, der
-Buchhalter (<span class="antiqua">scrivano</span>), saß eben<span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span> an einer wohlbesetzten Tafel;
-ein mit rothem Wein gefülltes Glas wurde nicht selten von seinem Munde
-magnetisch angezogen. Derselbe plauderte an Einem fort anmuthig und
-offenherzig; er nannte ohne Umschweif die Regierung von Triest eine
-strenge. Als er inne ward, ich sei ein schweizerischer Republikaner,
-gab er Freude zu erkennen. Im Politischen faßte ich mich kurz. Ich
-suchte darzuthun, daß die Regierungsform nicht immer wesentlich die
-Wohlfahrt eines Volkes untergrabe oder begründe, und fügte hinzu, daß
-die Schweizer im Allgemeinen zufrieden leben. Ich sprach mit einer
-Mäßigung und Zurückhaltung, daß kein Schein da war, als wolle ich den
-Republikanismus außer meinem Vaterlande verkündigen.</p>
-
-<p>Die Kajüte gefiel mir; blau angestrichen und geräumig; in der Mitte
-ein Tisch, ringsum Stühle und ein Kanape von hartem Holz. Zum
-Ueberflusse eingerahmte Bilder: hier das Sinnbild der Dreieinigkeit;
-dort ein pausbäckiger Zweimaster mit österreichischer Flagge; ferner
-weibliche Schönheiten aus allen vier Welttheilen. In einer Ecke ein
-Käfich mit zwei Kanarienvögeln. Für mein Lager war zur Seite der
-Kajüte ein Kasten, den man <span class="antiqua">cuccietta</span> nennt, und der durch zwei
-Flügelthürchen verschlossen werden kann. Der Kapitän hatte noch ein
-besonderes Schlafgemach, welches durch Thüre und Vorhang von der Kajüte
-getrennt war.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span></p>
-
-<p>Um zehn Uhr sollte der Kapitän ankommen; allein die Vergnügungen auf
-dem Lande fesselten ihn über die Zeit. Mich überfiel Schläfrigkeit;
-ich begab mich zu Bette, nicht ohne einige Besorgniß, auf einem Lager,
-welches durch seine Weichheit sich nicht zum Besten empfahl, nur
-mit Mühe den Schlaf zu finden. Bald langte der Hauptmann mit meinem
-Reisegefährten an. Es dauerte nur noch kurze Zeit, und ich schlief.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 4. September.</em></p>
-
-<p>Nach Mitternacht hörte ich lautes Getrampel. Die Matrosen waren
-beschäftigt, das Schiff in segelfertigen Stand zu stellen. Erst in
-der Frühe wurden die Segel dem Winde gegeben. Doch wir mußten zuerst
-laviren; denn einiger Proviant und das unter polizeilicher Aufsicht
-gelegene Schießpulver waren noch nicht eingetroffen.</p>
-
-<p>Ein zureichender Grund bewegt mich, meinen Reisegefährten <em class="gesperrt">Cesare</em>
-nicht bei seinem Familiennamen in den Kreis meiner Leser einzuführen.
-Aus einem großen Dorfe bei Mailand gebürtig, studirte er in Pavia,
-hielt sich als Apothekergehülfe in Venedig, und die letzten vierthalb
-Jahre in Triest auf. Er theilte mir, auf verdankenswerthe Weise,
-eine Reisebeschreibung, <span class="antiqua">Viaggio in Siria e nella Terra Santa</span>
-von <em class="gesperrt">Giovanni Failoni</em> (<span class="antiqua">Verona, 1833, Pietro<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> Bisesti</span>),
-mit. Ein anderer Passagier blieb zu nicht geringem Verdrusse des
-Schiffmäcklers aus, wiewohl er sein Jawort zur Abreise gegeben hatte.
-Er war ein Deutscher, dem Vermögen nach unabhängig, und nur Reiselust
-entzog ihn seinem Familienschooße. Wenige Tage vor meiner Abreise
-erhielt er aus Kairo Nachricht vom 31. Juli, daß dort die Cholera
-herrsche, und eines Mehrern bedurfte der bewegliche Mann nicht, um
-den Reiseplan vorläufig auf sich beruhen zu lassen. Mittlerweile lief
-noch denselben Tag, auf welchen unsere Abreise festgestellt war,
-ein Schiff von Alexandria ein, mit der günstigen Zeitung, daß der
-Gesundheitszustand in Egypten befriedigend sei. <em class="gesperrt">Von Hezels</em>
-arabische Grammatik, aus der freigebigen Hand des zurückgebliebenen
-Deutschen, war wohl ein geringer Ersatz für eine Gesellschaft, auf die
-ich vergeblich mich so lebhaft freute.</p>
-
-<p>Der Kapitän, ein starkbärtiger Mann, von gedrungenem Körperbau, noch
-nicht dreiundzwanzig Jahre alt, war nicht ohne Bildung. Er sprach
-etwas Französisch, benahm sich Anfangs zuvorkommend, und beantwortete
-willig die Fragen, welche dem Reisenden auf der Zunge liegen. Die
-ganze Bemannung des Schiffes machte keinen widrigern Eindruck, als die
-Floßknechte, mit denen man auf der Isar und Donau von München nach Wien
-reist.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span></p>
-
-<p>Der erste Ort, der mir an der Küste auffiel, war das Kap von Istrien
-(<span class="antiqua">Capo d’Istria</span>). Ein langes Gebäude bezeichnet das Gefängniß.
-Dann Isola auf einer Landzunge; <a name="Salvore" id="Salvore"></a>la Punta del Salvore. Die Nacht war
-herrlich; der Mond verbreitete sanft seinen himmlischen Glanz über das
-schweigende Meer. Triest war noch nicht verschwunden; man erblickte
-immer noch seinen Leuchtthurm.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 5. September.</em></p>
-
-<p>Endlich sieht man nichts mehr von Triest. Die Luft regt sich ein wenig,
-und wir machen dabei einige Fortschritte. Das Schaukeln des Schiffes
-vermochte mir leichten Schwindel zu verursachen, der sich nach einem
-Trunk mit Rhum vermischten Wassers sogleich verminderte. Ich glaube,
-die sattelfestesten Legitimisten könnten auf dem Meere Schwindelköpfe
-werden. Mittags kehrte mein Taumel zurück, und ich fand für gut, mich
-während des Mittagessens mit der einen Hand am Tische zu halten.
-Uebrigens schmeckte mir die Suppe vortrefflich, und gleichzeitig
-erging sich mein Auge an den Mehlperlen, weßwegen sie Paternoster
-genannt wird; auch mußte ich über die Suppe lachen, daß sie, in allem
-Ernst, mir im Teller die Ebbe und Fluth des Meeres anschaulich machte.
-Unsern Cesare wollte der Schwindel ebenfalls übernehmen, er verließ
-den wohlbedeckten Tisch,<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> und begab sich auf das Verdeck. Der Sirocco
-(Südostwind), der heute ziemlich stark blies, rieth uns, von der Küste
-sich mehr zu entfernen, so daß man den Küstensaum in Osten, als einen
-Spiegelrahmen, wohl wahrnehmen, aber keine Ortschaften unterscheiden
-konnte.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 6. September.</em></p>
-
-<p>Ein eingetretener Nordostwind brachte uns über Nacht beträchtlich
-weiter. Wir näherten uns ziemlich dem Ufer. Des Morgens erblickte man
-zur Linken, uns gerade gegenüber, den hoch über die Hügel emporragenden
-Berg Caldiera; dann südöstlich das Promontore, wo bei Nacht den
-Seeleuten eine Laterne leuchtet, und wo wir bald vorbeigeschifft waren;
-ferner deckte den Hintergrund, in der gleichen Richtung, der Monte
-d’Ossero, eine breite Bergkuppe, der erhabenste Punkt des Eilandes
-Lossin. Jenes Promontore bildet den südwestlichen Grenzwinkel des
-Festlandes, von Istrien. An dem Promontore vorbei; und es beginnt
-das Mare Ouarenaro, an dessen Ende die Stadt Fiume liegt; auf diesem
-Meere schlugen die Wellen wilder gegen das Schiff. Nach dem Zeugnisse
-der Seemänner macht das Ouarenaromeer, im Winter, wenn der Nordwind
-(<span class="antiqua">tramontana</span>) brauset, die Schifffahrt sehr schwierig. Ich
-genoß kaum je in meinem Leben so entzückende Augenblicke,<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span> als an
-diesem Morgen. Majestätisch jagte unser Giusto die tobenden Wellen
-aus einander, die selbst auf das Verdeck stoben. Der Anblick der
-entstehenden und gleich wieder verschwindenden kleinen Hügel und Thäler
-war zu köstlich. Süß verschmolzen vaterländische Erinnerungen in den
-wirklichen Genuß der Seereise.</p>
-
-<p>Ich vernahm, daß in der Nähe des Promontore eine alte griechische
-Kolonie ihre Sprache und Sitten beibehalten habe. Ich gedenke dessen
-nicht, weil ich glaube, etwas Neues zu schreiben, sondern weil es
-mich nicht minder ansprach, als die Thatsache, daß, in der Nähe von
-Verona, die Bewohner der Sette comuni, als Abkömmlinge deutscher
-Auswanderer, noch ein deutsches Sprachgerippe reden, obschon sie von
-der italienischen Sprache umringt sind.</p>
-
-<p>Wir geriethen in eine Inselgruppe: zur Linken Unie, Canidole, zur
-Rechten die kleine, jedoch nicht minder merkwürdige Insel Sansego, weil
-sich auf ihr keinerlei Gestein findet, während der Archipel gleichsam
-nur Steinhaufen vorstellt. Aus Sand und wenig Erde bestehend, wird
-diese Insel von ungefähr fünfhundert Einwohnern zum Weinbau benutzt,
-die sich in der Zwischenzeit mit dem Fischfang abgeben.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 7. September.</em></p>
-
-<p>Nach dem Erwachen stellte sich zur Rechten die Insel<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> Pietro di Nembo,
-und östlich im Hintergrunde eine bergichte Küste dar, welche zu
-Kroazien gehört. Noch Vormittag erreichten wir den sogenannten Hafen
-von Lossin grande.</p>
-
-<h2 class="s3 nobreak" id="Mein_Aufenthalt_auf_dem_Eilande_Lossin_oder_Ossero">Mein
-Aufenthalt auf dem Eilande Lossin oder Ossero.</h2>
-
-<p>Lossin interessirte mich ungemein, weil mein Auge so viel Fremdartigem
-begegnete. Das ganze Eiland besteht aus Kalkstein, der an den meisten
-Orten nackt hervorguckt. Er lagert sich schief von Westen nach Osten,
-und öffnet kleine Buchten oder, mit andern Worten, natürliche Häfen
-in Menge. Derjenige in Lossin grande gewährt ziemliche Sicherheit
-vor dem Ungestüm des Windes, faßt aber bloß drei größere Schiffe
-(<span class="antiqua">bastimenti</span>). Um so geräumiger dagegen ist der Hafen von Lossin
-piccolo, der wenig zu wünschen übrig läßt. Zwischen den so zahlreichen
-Steinblöcken, welche der Insel ein ziemlich ödes Ansehen verleihen,
-erscheint hie und da eine röthliche Erde, welche, obwohl sie nie
-gedüngt wird, leicht hervorbringt. Die Vegetazion überraschte mich
-besonders. Fast überall stark- und wohlriechende Pflanzen, welche
-den freigebigen Süden begleiten. Wenn ich ausging, so war es meine
-Wonne, einen wohlriechenden Strauß zu pflücken. Die Einwohner selbst
-scheinen durch die Gewohnheit für die Genüsse, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span> die Flora
-darbietet, unempfänglich geworden zu sein. Nirgends sah ich auch nur
-einen Blumentopf; nirgends ein Mädchen mit einer Blume oder einem
-Strauße geschmückt. Unter den angebauten Gewächsen stehen der Oelbaum,
-der Feigenbaum und die Rebe oben an. Beinahe so oft ich den Oelbaum
-betrachtete, trug die Phantasie mich in das gelobte Land, wovon das
-Buch aller Bücher so viel Denkwürdiges erzählt. Vor allen andern
-ein zahlreich gepflanzter Baum, bemüht er sich an den Abdachungen
-Lossins, von den Steinen den Charakter der Traurigkeit auszulöschen.
-Das Lossiner-Baumöl ist sehr gut, und soll selbst demjenigen von Lucca
-nicht nachstehen. Hundert Pfund (zu 16 Unzen) Oliven geben beiläufig
-vierzig Pfund Oel. So rechnen die Leute. Außer, daß die Feige frisch
-gegessen wird, vermengt man sie auch mit Gewürz und bereitet eine
-Art Teig, der in etwa vier Zoll hohe Kegel geformt und dann an der
-Sonne getrocknet wird. Man nennt diese Mischung Feigenbrot (<span class="antiqua">pane
-di fichi</span>), und wird im Winter als Leckerbissen genossen. Auf die
-Rebe wird möglichst wenig Sorgfalt verwendet; man enthebt sich der
-Mühe, sie zu pfählen; nur an wenigen Orten wird sie etwa an einer
-Mauer aufgezogen; sie kriecht daher auf dem Boden fort, wie der
-Himbeerstrauch. Bei meiner Anwesenheit war die Weinlese zum Theile
-schon vorüber. Die gesammelten Trauben bringt<span class="pagenum"><a name="Seite_12" id="Seite_12">[S. 12]</a></span> man in einen Schlauch,
-von der Gestalt eines mißgeborenen, ausgestopften Kalbes. Es ist
-recht drollig zu sehen, wie die Weiber solche Mißgestalten auf ihren
-Köpfen tragen. Der Sack ist in der That nichts Anderes, als das Fell
-eines Ziegenbockes, welches ganz nahe geschoren, gleich hinter den
-Vorderbeinen ringsum abgeschnitten und dann umstülpt wird. Die den
-Hinterbeinen und dem Schweife entsprechenden Oeffnungen zugebunden,
-wird das abgezogene Fell bloß mit dem Athem aufgeblasen und an der Luft
-getrocknet. Hierin liegt alle Kunst der Sackbereitung. Der Wein ist
-stark, aber herbe, schwer, etwas bitterlich. Es gibt auch sehr guten,
-süßen und geistigen Wein, dessen Bereitung aber auf besonders delikate
-Weise geschieht, und der nur auf die Tafel fashionabler Lebeleute
-gesetzt wird. Als Seltenheit wächst auch der Dattel-, Granat-,
-Zitronen- und Pomeranzenbaum.</p>
-
-<p>Lossin grande wie piccolo bieten kein übles Aussehen. Die Häuser sind
-von Stein gebaut; das Wenigste daran von Holz. Die Dächer bestehen aus
-Hohlziegeln. An einigen Häusern Rinnen, durch welche das Wasser ins
-Innere der Wohnungen zum Hausgebrauche geleitet wird. Von andern aber
-rieselt das Wasser in der Rinne, wenn es nicht in Kübeln aufgefangen
-wird, auf die Straße herunter, wo es fortfließt, um bei starkem Regen
-ein ordentliches Bäch<span class="pagenum"><a name="Seite_13" id="Seite_13">[S. 13]</a></span>lein zu bilden. Auf Brunnenquellen würde man
-sich umsonst trösten. Ihre Stelle vertreten Ziehbrunnen. Nicht von
-allen Häusern erheben sich Kamine. Im Freien, an den Eckmauern der
-Wohngebäude sah ich an vielen Orten eine Art Herd. Die Mauern schienen
-mir sehr fest, wozu sich der harte Kalkstein vortrefflich eignet, und
-der Mörtel zeichnet sich durch Güte aus. Ueberhaupt mögen hier die
-Mauern viel länger halten, als in nördlichen Gegenden, wo die Kälte
-unermeßlichen Schaden anrichtet, wie besonders das Jahr 1830 bezeugen
-kann. Um Gassen anzulegen, wurde an vielen Orten nur der Kalkfelsen
-ein wenig ausgeebnet. Sie werden länger dauern, als anderwärts die
-auf’s kunstreichste und kostbarste gepflasterten Straßen. Allein sie
-laden eben nicht am freundlichsten ein. Die spitzigen Geschiebsteine
-schneiden beinahe in das Leder der Schuhe, und leicht gleitet man auf
-den Flächen des Felsen &mdash; nicht in den Himmel, wohl aber auf den Boden.
-Besonders mühsam wird das Gehen außer den Dörfern. Wer einmal in der
-Schweiz einen recht steinigen, doch bessern Bergweg wandelte, kann sich
-das Gehen auf den hiesigen Landwegen gar leicht vorstellen. Ueber große
-Unreinlichkeit auf Plätzen, Wegen u. s. f. könnte man gerade nicht
-klagen. Keine Misthaufen. Das Vieh ist aber nicht zahlreich; wenig Kühe
-werden gehalten; am meisten noch Schafe und<span class="pagenum"><a name="Seite_14" id="Seite_14">[S. 14]</a></span> Ziegen. Letztere haben
-lange, seidenartige Haare und liefern einen schmackhaften Käse. Nur ein
-einziges Pferd nahm ich wahr; es ritt darauf eine kranke Frau, sich
-Bewegung zu verschaffen. Ein Fuhrwerk rollte schon gar nicht vorüber.
-Es zieht sich zwar eine schmale Straße von dem großen Lossin nach dem
-kleinen, die allerdings fahrbar wäre, wenn man auf eine Lustfahrt
-Verzicht leisten wollte. Es darf übrigens nicht unerwähnt bleiben, daß
-auch hier die französischen Umwälzungsmänner eine Spur ihres Wirkens
-zurückließen, indem <em class="gesperrt">sie</em> diese Straße bauten. Andere, als solche
-Thiere, welche der Hauswirthschaft, so zu sagen, angehören, sind selten.</p>
-
-<p>Um die Bewohner zu beobachten, war mir <em class="gesperrt">Mariens</em> Geburtstag
-willkommen. Soll ich im Namen Lossin grande beklagen, daß die dortigen
-Frommen die obere Kirche nicht ausfüllten? Wie ich in das Gotteshaus
-trat, spielte eine Musik, die hätte zum Tanze ermuntern können. Erst
-als die Orgel ertönte, hob eine ernstere Melodie an. Die Frauen knieten
-bald auf den Boden, bald ließen sie sich auf die Fersen nieder, andere
-saßen auf dem Boden, indem sie die Füße auf einer Seite an sich zogen,
-noch andere kauerten bloß auf einer Ferse, und streckten den andern Fuß
-vorwärts, daß das Bein der Länge nach auf dem Boden ruhete. Uebrigens
-wußten sich alle gar züchtig niederzu<span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span>setzen. Man durfte wenigstens
-drei Viertheile Frauen auf nur einen Viertheil Männer annehmen: ein
-Mißverhältniß der Leute beiderlei Geschlechtes, das später klar wird.
-Ein ziemlicher Theil Frauenzimmer war gar schön aufgeputzt, und ihre
-Andacht spendete dann und wann einen Blick auf die Seite in die Welt,
-und vermochte ein weltliches Schmunzeln nicht zu überwinden. Die Zahl
-der Priester fiel mir auf. Das große Lossin zählt zu seinen 2400
-Einwohnern vierzehn Priester, darunter vier, welchen die eigentliche
-Seelsorge obliegt. Einige Male traf ich einen alten, gutmüthigen
-Priester auf der Straße: seine Kleidung lieferte einen ansehnlichen
-Beitrag zu Löchern und Lappen, das heißt, zur Bescheidenheit und Demuth.</p>
-
-<p>Die Leute kleiden sich wohl. Selbst in der Hitze des Tages umgibt
-die Jacke den Oberleib. Von der Kleidung der Männer springt nichts
-Besonderes in die Augen. Dem weiblichen Geschlechte gebührt das Lob
-oder der Tadel eines eigenthümlichen Kopfputzes. Ein Flor von Musseline
-bildet auf jeder Seite einen Ring, ohne den Kopf zuzudecken. Wer möchte
-diesen Rückprall einer Kinderei schön nennen?</p>
-
-<p>Die Lossiner thun sich durch Körpergröße hervor. Man muß zwei
-Menschenschläge unterscheiden, einen italienischen und slavischen.
-Die Venezianer eroberten zu seiner Zeit<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span> die Insel. Vom italienischen
-Schlage sind sowohl reine, als mit dem slavischen vermischte Sprößlinge
-vorhanden. Auf den Leuten vom italienischen Schlage ruht der Zug der
-Schönheit, von etwas Edlem, von Stolz, welcher Zug sich in der Regel
-charakteristisch beim Herrscher ausspricht. Das pechschwarze Haar
-und die Gluth der schwarzen Augen könnten uns in die Mauern Padua’s
-versetzen. Die Bewohner vom slavischen Schlage, weitaus die Mehrzahl,
-zeichnet ein breites Gesicht, hervorstehende Backenknochen (selten
-volle Backen), eine etwas ausgebogene Nase, üppiges, bräunliches oder
-blondes Haar aus. Wie es zwei Schläge gibt, so zwei Sprachen. Der
-Sieger brachte das Italienische, welches jetzt noch in den Kreisen der
-Wohlhabendern geredet wird; bei den Uebrigen das Kroatische, welches
-vorherrscht, oder die eigentliche Landessprache ist.</p>
-
-<p>Die Leute beschränken sich in ihren Beschäftigungen nicht bloß auf
-Viehzucht, Ackerbau, die Weiber auf Spinnen, Sticken u. dgl., sondern
-die Lossiner beziehen ihre Nahrung auch vom Fischfang, und, die
-Hauptsache, ein bedeutender Theil verlegt sich auf die Schifffahrt.
-Die Lossiner bilden mit den Bocchesen den Kern der österreichischen
-Seemacht. Lossin piccolo nennt mit Stolz allein über achtzig größere
-Kauffahrteischiffe (<span class="antiqua">bastimenti</span>). Da stößt man auf eine Menge
-Kapitäne, welche die Meere durchsegelten, und von<span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span> Konstantinopel,
-Alexandrien, Algier, London u. s. f. erzählen, nur nicht von Stürmen,
-als etwas Abgedroschenem. Bewog Liebe zu ihren Ehemännern selbst
-Frauen, sich auf unsichern Fluthen zu entfernen, um zugleich angenehme
-Berührungen mit den berühmten Städten der Welt herüber zu nehmen.</p>
-
-<p>Der Vater des Kapitäns, Podestà (Gemeindspräsident) <em class="gesperrt">Budinich</em>,
-empfing uns mit vieler Gewogenheit. Am zweiten Tage nach der Ankunft
-in Lossin wurden <em class="gesperrt">Cesare</em> und ich von ihm zu einem Mittagsmahle
-eingeladen. Gern entsprachen wir der Einladung. Zwei Familien
-vereinigten sich, um sich und uns Gesellschaft zu leisten; die Menge
-Kinder dabei lachte, lärmte, befahl u. dgl., so daß Einem die Zeit
-nicht lange werden konnte. Das Gespräch verbreitete sich größtentheils
-über Seereisen. Ich wurde als Mann mit deutscher Zunge auf recht
-schonende Weise behandelt. Einmal sagte der Signor’ Patrong’ zu
-<em class="gesperrt">Cesare</em>, als dieser nicht trinken wollte: <span class="antiqua">Italiani</span>,
-<span class="antiqua">Sociani</span>. Er sagte es in so gutem, so wenig exkommunizirendem
-Tone, daß ich es ihm nicht im mindesten übel nehmen durfte. Die Tafel
-war üppig bestellt, und deßwegen schon ein Dorn in meinem Auge, um
-mich an einem andern Tage nochmals zu ihr hinzusetzen. Der freundliche
-Ton der Familien gefiel mir unaussprechlich. Ich möchte behaupten:<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span>
-Familienliebe ist eines der erhabensten religiösen Gefühle. Unser
-Hauptmann saß neben dem Vater, bescheiden und wenig redend, der
-innigsten Liebe Blicke brüderlich erwiedernd, welche auf ihn die
-daneben sitzende Schwester heftete; für ihn plauderte der erfahrnere
-Vater; der Sohn gebot auf dem Schiffe, wo er an seinem Platze war.</p>
-
-<p>Der Umstand, daß wir wider Erwarten lange nicht in die See stechen
-konnten, trug dazu bei, daß ich die Insel noch genauer kennen lernte.
-Die Lebensmittel sind zum Theile sehr wohlfeil. Ein Seidel Wein, d. h.
-ein Viertel eines Triestiner-Pokale, kostet nicht einmal 5 Pfenninge R.
-V. So wenig haushälterisch geht man mit den Trauben um, daß solche hie
-und da auf den Wegen herumliegen. Dagegen ist die Milch überaus theuer.
-Ein Pokale Schaf- oder Ziegenmilch kostet 12 Kr. R. V., also über die
-Hälfte mehr, denn so viel Wein.</p>
-
-<p>Als ich eines Nachmittags nach dem kleinen Lossin ging, zog eine
-Weberin meinen Blick auf sich. Ich trat sogleich in das Zimmer. Eine
-alte Frau, mit einer Brille auf der Nase, jagte mühsam das Schiff durch
-die Kette. Der Webstuhl war sehr einfach, klein und so eingerichtet,
-daß er mit leichter Mühe an einen andern Ort gebracht werden kann. Das
-Weib wob grobes Tuch. Indem es mit beiden Füßen zugleich, jetzt auf
-die einen zwei, dann auf<span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span>
-die andern zwei <a name="Schemmel" id="Schemmel"></a>Schemmel, überhüpfte, setzte
-es diese in Bewegung. Gleich hernach nahmen meine Aufmerksamkeit dem
-Webstuhle gegenüber sich befindende zwei Steine in Anspruch. Es waren
-Mühlsteine, die von Menschenhand herumgedreht werden, um das Speisemehl
-zu bereiten. Solche Mühlsteine trifft man in den meisten Bauernhäusern.
-Dürftigkeit ruft der Einfachheit. Auch dieses Mahl-, Web-, Wohnzimmer
-u. s. f. war etwas sparsam durch das Fenster beleuchtet, und das meiste
-Licht trat durch die Thüre. Das Nämliche gilt auch von vielen andern
-Häusern. So sah ich ein Mädchen nicht ohne Kunst auf einem Rahmen
-nähen; um aber die, die Augen etwas mehr anstrengende Arbeit verrichten
-zu können, mußte es sich an die Thüröffnung setzen.</p>
-
-<p>Lossin grande kann sich eines Kalvarienberges rühmen, dessen Aussicht
-das Meer ringsumher beherrscht. Im Hintergrunde des Ostens steigt das
-Küstenland Kroaziens himmelan. Doch welch öder Anblick! Fast nichts als
-Stein oder Felsen bieten sich dem Auge dar. Wenn der Himmel recht hell
-sei, soll man im Westen selbst Ankona sehen. Da die Bewohner von Lossin
-keine tiefe Erde aufzuweisen vermögen, so leuchtet bald ein, daß sie
-keine Gottesäcker, dafür aber Todtengrüfte besitzen. In Lossin grande
-öffnet sich gleich neben der untern Kirche eine Gruft. Durch<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span> eine
-der fünf Oeffnungen wird die Leiche an Stricken in dieselbe versenkt.
-Ein Sarg würde zu viel Raum einnehmen, und so werden die sterblichen
-Ueberreste bloß in ein Tuch gewickelt, um sie beizusetzen. Es kann sich
-bisweilen ereignen, daß eine Leiche auf eine andere geschichtet wird;
-doch sucht man dieß bestmöglich zu vermeiden. Die Oeffnung wird nach
-jeder Beisetzung durch eine Steinplatte geschlossen und zugemauert,
-damit die kadaverösen Aushauchungen der Gesundheit keinen Schaden
-zufügen. Der Boden der Gruft ist siebartig durchlöchert, und deckt eine
-andere Höhle, welche mit dem Meere in Verbindung steht. Durch dieses
-Sieb finden nun diejenigen Theile des menschlichen Körpers, welche der
-Verwesung zufallen, einen Ausweg, und das bloße Gerippe bleibt am Ende
-zurück. Wehe einem Scheintodten, welcher in einer solchen Gruft wieder
-lebendig würde. Grauenvolleres könnte man sich kaum vorstellen, als
-das Leben unter faulen, stinkenden Leichen, wo die Aussicht, dasselbe
-zu retten, so gut, als ganz abgeschnitten wäre. Ich bedaure es, daß
-ich die Gruft selbst nicht sah. Wohl nahm ich in der Kirche einen
-ausgesetzten, nur mit einem dünnen Tuche verhüllten Leichnam wahr.
-Im Hause des Herrn <em class="gesperrt">Marco Sopranich</em> zeigte man mir einen Sarg,
-worin Wachskerzen aufbewahrt werden, auf den Fall, daß im Hause Jemand
-sterbe.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span></p>
-
-<p>Die Festtage scheinen die Lossiner nicht so strenge zu feiern, als die
-Katholiken der deutschen Lande. In Lossin piccolo war an <em class="gesperrt">Mariä</em>
-Geburt die Fleischbude offen, und Einer blies so eben das Fell eines
-Ziegenbockes auf. Lumpige und unreinliche Leute trugen sich auch an
-diesem Tage nicht anders, als an Werktagen. Einen großen Theil des
-Volkes soll die Armuth in hohem Grade drücken. Es ist voreilig, wenn
-man von vielen Reichen gleich auf den Wohlstand der Bewohner eines
-Landes im Allgemeinen schließt. Wenn allerdings unter den Lossinern
-manche sich ansehnlicher Schätze erfreuen, so muß man indeß bedenken,
-daß das Eiland der See <em class="gesperrt">eine Menge Matrosen</em> liefert, welche
-zu Hause ein Weib mit Kindern unterhalten müssen, und <em class="gesperrt">wie</em>
-unterhalten? Kärglich.</p>
-
-<p>Es war am 10. Abends, als ich dem Podestà, dem Vater des Kapitäns,
-meine Aufwartung machte, weil die Abfahrt des Schiffes auf den 11.
-bestimmt war. Ich wurde dießmal über das Befinden der Frau Podestà
-befragt, und Tages darauf sollte ich mehrern Frauen von Lossin meinen
-ärztlichen Rath ertheilen. Ich entsprach dem Ansuchen um so lieber,
-einerseits, als die Wiederaufnahme meiner Geschäfte, wenn auch nur
-auf kurze Zeit, am ehesten geeignet war, den entstehenden Ueberdruß
-zu verscheuchen, und um so lieber andererseits, als ich wußte, daß<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span>
-der Arzt mit Dingen in Berührung kommt, die andern Reisenden leichter
-entgehen. Darf ich mir ein Urtheil zutrauen, so läßt man sich auch
-in Lossin viel verschreiben, um wenig zu nehmen; man will die Aerzte
-aushorchen, um aus ihren Ansichten diejenigen zu wählen, die gleichsam
-am meisten schmeicheln, um nicht zu sagen &mdash; die Bequemlichkeit am
-wenigsten stören. Die alten Frauen zeigten ungemein viel Lebhaftigkeit
-in der Rede, wie im Benehmen; ich hörte nicht den leisesten Ton der
-Klage. Die Sprache legte dem Krankenexamen einige Hindernisse in den
-Weg. Da ich mich im Italienischen nur mit vieler Mühe ausgedrückt
-haben würde, so begleitete mich der Kapitän, und übersetzte meine in
-französischer Sprache gestellten Fragen ins Italienische, und bei einer
-Magd mußte dieses dann erst noch ins Kroatische übertragen werden, weil
-der Hauptmann von seiner Landessprache zu wenig verstand.</p>
-
-<p>Ein alter Schiffseigenthümer, der an einem Lippenkrebse litt, kam zu
-mir an Bord, um ärztliche Hülfe zu suchen. Ich hielt deßwegen mit
-dem achtungswerthen <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Boselli</em>, welcher in Lossin
-piccolo niedergelassen ist, eine Konsultation. Es wurde diese am Borde
-gepflogen, weil ich wegen der Ruhr nicht ausging, die mich seit zwei
-Tagen plagte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span></p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 14.
-Herbstmonat.</em></p>
-
-<p>Dem Eigenthümer des Schiffes, einem reichen Manne, machte es Vergnügen,
-den Giusto in dem Hafen zu sehen, und so konnten wir einmal wegen
-dieses fatalen Vergnügens nicht weg. Doch heute war es ihm selbst daran
-gelegen, daß die Abreise nicht länger verzögert werde. Indessen hatten
-unglücklicher Weise der Herr <em class="gesperrt">Marco</em> und der Himmel ungleiche
-Launen. Man wollte die Brigg aus dem engen Hafen herausbugsiren; allein
-der Wind blies so widerlich, daß man den Versuch aufgeben mußte.</p>
-
-<p>Mittlerweile umgab uns Gesellschaft. Der Vater des Kapitäns nebst
-seiner Gattin und einer hübschen Anzahl Kinder waren am Borde &mdash;
-im Abschiedsgeleite und auf dem Wege zum Landgute. Mich freute es,
-dießmal die Familie in alltäglichem Putze zu sehen. Der Podestà,
-ein ziemlich betagter Mann, mit kahlem Kopfe, von fettem Leibe,
-trug eine hinten breit abgeschnittene Jacke, an der hie und da die
-Naht von einander gähnte; die schwarze Weste war mit hellbraunem
-Tabake übersäet; die Schuhe roth, ordentlich schuppig, ein langes
-Register von Lobsprüchen auf den Schuhflicker. Der gute Mann war
-stets aufgeräumt; die alltäglichste Frage pflegte er zu deklamiren;
-er plünderte gerne Stellen aus französischen Schriften, besonders aus
-<em class="gesperrt">Rousseau</em>, welcher so unbarmherzig die Geißel über die<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span> Aerzte
-schwang. Der französischen Sprache keineswegs fremde, überwarf er sich
-leicht in der Aussprache; z. B. <em class="gesperrt">but</em> statt bü (<span class="antiqua">but</span>).
-Sogar mit lateinischen Brocken sättigte er zuweilen das Gespräche.
-Auf dem geschichtlichen Felde spielte er am liebsten und beßten. Auf
-echt italienisch erzählte er, daß Lossin, die Absorus der Alten,
-<em class="gesperrt">früher</em> bevölkert worden sei, als Rom. Die Italiener führen den
-Adel auf ihre Urväter zurück, wie die wirklichen Adelichen auf den
-Wipfel ihres hohen Stammbaumes hinauf. So lange die heutigen Italiener
-nicht mehr leisten, erscheint ihr Adel possirlich genug. Madame, eine
-Frau von Geist und sehr eingezogenem, stillem Karakter, übernahm die
-Rolle als Kranke. Während des Mittagmahles setzten ihr die Bewegungen
-des Schiffes so zu, daß ich nicht eilig genug mein Felleisen öffnen,
-und ein Fläschchen herausziehen konnte. Die verheirathete Tochter, eine
-fette, große Gestalt, mit der Adlernase, mit Haaren, deren Farbe am
-wenigsten gefällt, von Ansehen überaus gutmüthig, in der Rede äußerst
-nachläßig, schien das größte Wohlgefallen am Lachen zu finden, auf daß
-sie ihre blendend weißen Zähne weisen könne. Es fiel mir auf, daß die
-Kinder ihren Vater Signore und ihre Mutter <span class="antiqua">Signora</span> titulirten.
-Uebrigens will der Titel mit größerem Recht einen Platz, wenn man
-Jemandem <em class="gesperrt">Herr</em> sagt, der mehr<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> oder weniger über Einen herrscht,
-als <a name="einem" id="einem"></a>einem Andern, dessen Herrschaft man sich gelindestens verbitten
-würde.</p>
-
-<p>Hatte der Herr Podestà sich satt gegessen, wozu, als zu einem
-Lieblingsthema, er sich recht Zeit nahm, so suchten wir Unterhaltung im
-Spiele. Ich konnte ihm die entzückenden Lorbeeren des Gewinnes leicht
-gönnen, weil ich das Damenspiel auf italienische Weise erst lernen
-mußte. Mit den Damen wechselten noch das Karten- und Dominospiel.</p>
-
-<p>Ich vernahm, daß die ganze Familie, mit Ausnahme der verheiratheten
-Tochter, die Nacht am Borde zubringen werde. Das wird wunderlich
-hergehen, dachte ich bei mir selbst. Doch schickte sich die Sache
-ziemlich gut. Matratzen wurden auf den Boden ausgebreitet, und nach
-langem Aufbleiben legte sich Alles <a name="bunt" id="bunt"></a>bunt darauf, der Dorfschulze,
-versteht sich, am breitesten, <em class="gesperrt">Cesare</em> und ich steckten uns ohne
-Komplimente in unsere Bettkasten (<span class="antiqua">cuccietta</span>).</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1" id="Fahrt_nach_Alexandrien"><em class="gesperrt">Den 16.
-Herbstmonat.</em></p>
-
-<p>Gestern wurden vergebens Versuche gemacht, um die offene See zu
-erreichen. Die Familie blieb am Borde, essend, trinkend, gähnend,
-schlafend, strickend, spielend, plaudernd, ganz wie den Tag vorher.</p>
-
-<p>In aller Frühe hörte man Lärm auf dem Verdecke.<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span> Man bereitete sich
-vor, das Schiff flott zu machen. Am Eingange des Hafens scheiterten
-wieder alle Versuche, den Giusto weiter zu bugsiren. Unter einem
-azurblauen Himmel, der von keiner Wolke getrübt war, durften wir wieder
-liegen bleiben. &mdash; Alles <span class="antiqua">in majorem gloriam</span> einer Laune.</p>
-
-<p>Es war Mittag, der Tisch gedeckt, das Mahl bereitet. Der Scrivano
-kam zu melden, daß ein wenig Windstille eingetreten sei, welche die
-Ausfahrt erlauben dürfte. Sogleich Lärmen und Laufen. Endlich gelang
-die Zangengeburt. Neun Tage mußten wir uns in dem Hafen von Lossin
-grande aufhalten. Bei der Ausfahrt pikirte mich eine alte Figur
-von neunzig Jahren. Es war ein etwas lumpig gekleideter, ehrwürdig
-aussehender Chorherr, der in einem Kahne herumfischte. So muß die
-Uebermenge Priester hier ihr Brot verdienen.</p>
-
-<p>Bald erhielt unser Podestà einen Besuch am Borde von seinem
-Stellvertreter. Ich möchte wohl um keinen Preis dessen Kupfernase
-gekauft haben, aus lauter Besorgniß für einen Trinker, Notabene für
-keinen Wassertrinker, gehalten zu werden.</p>
-
-<p>Abends verließ uns die Familie <em class="gesperrt">Budinich</em>, welche sich auf ihr
-Landgut begab. Der Podestà drückte mir zwei Küsse auf den Mund, und
-der Anstand forderte von mir<span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span> ein Gleiches. Nichts widersinniger, als
-daß die Männer sich küssen, und dabei die Bärte aneinander reiben.
-Mein Urtheil über diese Familie fällt mit Entschiedenheit günstig.
-Tugendhaftigkeit, Religiosität, die von Bigottismus weit abliegt,
-hinderten jedoch keinesweges, daß mehr Ordnungsliebe noch eine äußere
-Zierde wäre. Unsere Matrosen ruderten, vom Kapitän begleitet, die Gäste
-ans Land, und nach anderthalb Stunden setzten wir unsere Seereise fort.
-Diesen Tag ergötzten mich zwei Delphine, die drollig davon schwammen.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 17.</em></p>
-
-<p>Links endete der Gebirgszug von Kroazien. Dort in der Nähe liegt Sarah.
-Südwestlich erblickten wir den Berg von Ankona, dem wir, vom Sirocco
-genöthiget, uns immer mehr näherten. Der Wind nahm Abends so zu, daß es
-stürmte.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 18.</em></p>
-
-<p>Diese Nacht brauste der Meeressturm, welcher uns zur Rückkehr zwang.
-Die Wuth des Meeres vergönnte mir keinen Schlaf, und ich mußte mich
-selbst in der Cuccietta halten, um nicht von einer Seite auf die andere
-geworfen zu werden. In der Kajüte purzelte bald dieses, bald anderes
-Geräthe. Des Morgens wollte ich auch Zeuge des Schauspieles sein. Ich
-möchte es nicht beschreiben,<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> weil es zu gewöhnlich ist, und beinahe
-in alle Schilderungen von Seereisen, manchmal selbst da, wohin es im
-Ernste nicht gehört, als Würze eingestreut wird. Auf dem Verdecke
-fragte mich der Hauptmann: Wie gefällt es Ihnen? Das ist sehr schön,
-antwortete ich, hingerissen vom Anblicke. Doch die angenehmen Momente
-dauerten nicht lange. Auf die Einladung des Hauptmanns ließ ich mich am
-Steuerborde nieder, im tröstlichen Glauben, daß ich von diesem, wie von
-einer Brustwehr, geschützt würde. Kaum war ich recht festgesessen, als
-eine Welle über Bord schlug, mich zudeckte und durch und durchnäßte.
-Ich legte mich zu Bette um darin das Ende der Szene zu erwarten.</p>
-
-<p>Kurz nach Mittag warfen wir im Hafen San Pietro di Nembo Anker, wo
-wir schon gestern Abends vorbeigesegelt waren. Unangenehme Gefühle
-bemächtigten sich meiner, weil das Schicksal mir nicht besser zum
-Vorwärtskommen dienen wollte.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 19.</em></p>
-
-<p>Wir begaben uns zur Kirche von San Pietro di Nembo. Ohne Thurm,
-ungemein ärmlich und klein ist sie. Unter einem Dache vereinigen sich
-brüderlich das Wirths- und Pfarrhaus. Dieses nämlich stellt eine Kammer
-im obern Stocke vor. <em class="gesperrt">Cesare</em> und ich besuchten den Pfarrer. Ein
-fetter Herr mit einer Perrücke, wußte er über sein Elend<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span> viel zu
-klagen. Er beseufzete sein Schicksal das ihn der Carità unterwerfe.
-Es sei nicht zu unserer Ehre gesagt, daß die Börse dabei nicht das
-mindeste Mitleid empfand. Lateinisch verstand der Mann Gottes nicht;
-höchstens mag ihm das Latein bei der Messe verständlich sein. Auf meine
-Frage: <span class="antiqua">Quomodo nominatur haec insula?</span> erwiederte er: <span class="antiqua">Ego sum
-parocho hic.</span> Dieser Mann kann sich, wie der Anschein lehrt, in
-einer Gemeinde, die nur etwas mehr denn zweihundert Seelen zählt, fett
-essen.</p>
-
-<p>Ich rede mit meinen Lesern wohl ab. Es ist ebensosehr meinen Ansichten,
-als meinen Neigungen entgegen, konfessionistische Plänkeleien zu
-eröffnen. Ich ehre die katholische Religion, aber nicht alle ihre
-Bekenner, nicht alle ihre Priester. Ich habe es mit <em class="gesperrt">Personen</em> zu
-thun, aber nicht mit der <em class="gesperrt">Dogmatik</em>. So sehr ich dem Zartgefühl
-gegen Andersdenkende und Andersgläubige Rechnung trage, so wenig nehme
-ich Anstand, ein freies Wort über Personen, ohne Unterschied ihres
-Glaubensbekenntnisses, zu führen.</p>
-
-<p>Nachmittags besuchte ich die Wohnungen auf der südlich gelegenen Insel
-San Pietro di Nembo. Dieses Eiland ist im Allgemeinen sehr gedeihlich,
-und dem größten Theile nach ein Weingarten köstlich schmeckender
-Trauben. Die Feigen wachsen üppig neben den Oliven. Würde der<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span> Bischof
-in Veglia, <em class="gesperrt">Giovanni Antonio</em>, welchem das Eiland angehört, diesem
-mehr Aufmerksamkeit zulenken, es müßte beinahe zu einem Paradiese
-erblühen.</p>
-
-<p>Die Wohnungen theilen mit dem Lande nicht das gleiche Lob. Wie die
-ungarischen, in die Länge gebaut, haben sie nur ein Erdgeschoß; den
-Kamin trifft man zur Seltenheit, und seine Stelle vertritt die Thüre
-oder eine Queröffnung im Dache. Nicht minder selten sind die Fenster;
-ich sah nicht ein einziges. Des Sommers tritt genug Licht durch die
-Thüre, und wenn, was selten, im Winter die Kälte es nicht erlaubt,
-die Thüre offen zu halten, so macht man auf dem Herde ein Feuer an,
-und umlagert dieses, sich zu wärmen. Ich erinnere mich, des Sommers
-auf Schweizerbergen mich aufgehalten zu haben, da es schneite, und da
-es nicht weniger kalt war, als es in San Pietro di Nembo mitten im
-Winter sein dürfte. Ich litt auf dem Berge von der Kälte sehr wenig.
-Ich setzte mich ans Feuer, oder legte mich ins Bett, wie auch die
-Hirten zu thun pflegen. Die Häuser von San Pietro di Nembo sind von
-Stein gebaut und mit Hohlziegeln gedeckt. Anstalten für Bedürfnisse,
-die ich nicht weiter bezeichne, nahm ich nicht wahr. Das Feld sei
-ja thätig genug, mögen die Leute denken, indem sie die Reinlichkeit
-zu niedrig anschlagen. Man suche in San Pietro keine<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span> eigentliche
-Backhäuser. Als ich einem Haufen Steine begegnete, schaute ich hinein,
-und siehe, es war ein Backofen mit kleinen Broten angefüllt; er mußte
-wohl zu dem etwas weiter unten stehenden Häuschen gehören. Besonders
-zog meine Aufmerksamkeit ein Haus auf sich, dessen Mauern bloß aus
-übereinandergelegten Steinen bestanden, ohne daß sie mit Mörtel
-verbunden gewesen waren. Ich ging mit <span class="antiqua">buona sera</span> hinein, und
-fand zwar, daß das Innere der Mauern übermörtelt war. Wer aber hätte
-hier einen Keller, eine Kammer, eine Küche, eine Stube, eine Mühle
-gesucht? &mdash; Um das Maß der Wirthschaft zu füllen, gleich außen an
-der Mauer fand sich ein Backofen. Die Gesetze sind gegen die Winzer
-nachsichtig. Jedes Häuschen verkauft sein eigen Gewächs, und so besteht
-das Dörfchen aus lauter Schenkhäusern.</p>
-
-<p>Die Bewohner, nicht ausgezeichnet groß, nicht schön, sind meist von
-heller Farbe. Uebrigens sehen sie lebhaft und fröhlich aus. Zwei
-Weibspersonen fanden gar großes Vergnügen, mit den Füßen im Meere,
-den Saum ihrer Röcke, die sie trugen, zu waschen, und ihr schallendes
-Gelächter bei diesem Geschäfte konnte sogar mich ergötzen. Was die
-Leute indeß auszeichnet, ist die Unreinlichkeit und Lumpigkeit. Es ging
-ein Weib vor mir her, an dem ich nichts unbegreiflicher fand, als daß
-es einen Rock trug;<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> denn dieser war so in aller Aufrichtigkeit voller
-Löcher, daß &mdash; &mdash;. Ich sah größere Kinder, die halb entblößt umher
-gingen. Wegen des Schmutzes konnte man an vielen Kleidern, und unter
-den Kindern an vielen Gesichtern die Farbe nicht gehörig erkennen. Nur
-das Auge sah man rein, schön, unschuldig; wäre es aber möglich gewesen,
-auch dieses zu verunreinigen, man würde es sonder Zweifel gethan haben.</p>
-
-<p>Von diesen unzierlichen Leuten kommt ein guter Wein in den Handel. Es
-war eben die Weinlese vorüber, als ich das Eiland besuchte, und mich
-belustigte die einfache Bereitung des Nektars. Ein Böttcher hämmert in
-dem dunkeln Häuschen die Fässer zurecht, und ein Mann steht im Fasse,
-um Trauben herauszuschöpfen. Man wird da nichts weiter sehen; man gehe
-nur gleich auf die Seite des Häuschens. Da zertritt und zerdrückt ein
-Mann, im Freien tanzend, die Trauben. Sie stehen über einem Brete, in
-einem hölzernen walzenförmigen Käfiche. Wenn der Treter darin keinen
-Saft mehr auszupressen vermag, so wird derselbe weggehoben; der Treber
-mit einem dicken Seile schneckenartig umwunden, und dann, einen Deckel
-darüber, gekeltert. Wo man hinblickte, überall Weinfässer. Hier,
-wo die Einfachheit ihren Sitz aufschlug, hat doch der Bauer seine
-Fässer voll Wein, und würzt damit<span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span> täglich seine Gerichte; hier, wo
-Unzierlichkeiten allen Anstand auslachen, findet man wohl noch einen
-Mörser oder eine Bank von Marmor. Doch allenthalben wenigstens einiger
-Kontrast!</p>
-
-<p>Ich wollte die Schafmilch kosten; allein die Schafe werden bloß im
-Frühjahre gemolken.</p>
-
-<p>Es gibt Leute, welche die Schulen mit schelen Augen ansehen. Sie werden
-sich freuen, daß die San-Pietrianer einer Schule entbehren. Der Bischof
-gehört nicht zu manchen edeln Bischöfen der katholischen Kirche,
-die es sich zur Gewissenssache machen, für die Geistesbildung und
-Herzensveredlung alle Sorge zu tragen.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Sonntags, den 20.
-Herbstmonat.</em></p>
-
-<p>Der Nordwind stellte endlich sich ein. Wir lichteten die Anker. Allein
-um den Kapitän abzuholen, mußten wir rückwärts steuern, in kräftigem
-Kampfe gegen denjenigen, der uns für die Fahrt nach Alexandrien nicht
-mehr Gunst hätte erweisen können. Der Kapitän ließ uns zudem beinahe
-ans Ufer segeln, und damit Alles ja recht langsam und zeremoniös
-hergehe, sich von seiner ganzen Familie bis an Bord begleiten. Durch
-die Schuld des Hauptmanns verloren wir fünf der günstigsten Stunden.
-Dießmal wich von mir die Geduld, und auf meiner gan<span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a></span>zen bisherigen
-Reise hatte ich keine trübern Augenblicke. Ich lasse mir die Geduld
-gerne gefallen, wenn ein ungünstiger Wind, dem kein Mensch den Lauf
-befiehlt, die Fahrt hemmt; wo aber diese rein vom menschlichen Willen
-abhängt, erscheint die Sache in einem andern Lichte. Es wäre Pflicht
-des Kapitäns gewesen, an Bord zu bleiben, und er hätte beherzigen
-sollen, daß, nachdem bereits fünfzehn Tage auf der kleinen Reise von
-Triest nach Lossin verstrichen waren, jeder günstige Augenblick für
-den Reisenden ein goldener sein mußte. Ich kann diejenigen, welche von
-Triest aus das adriatische Meer in seiner Länge befahren, nicht genug
-warnen, daß sie sich einem Kapitän von Lossin grande anvertrauen, darum
-schon, weil es sehr schwer hält, bisweilen gar unmöglich ist, aus dem
-Hafen zu dringen, selbst beim günstigsten Winde.</p>
-
-<p>Links sah ich die Isola grossa, welche Dalmatien angehört.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 21.</em></p>
-
-<p>Bei der Isola grossa vorbei; die Eiländer San Andrea und Lissa.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 22.</em></p>
-
-<p>Windstille und schönes Wetter.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span></p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 23.</em></p>
-
-<p>Vor dem Winde. Meist sah ich nichts, als Himmel und Wasser. Es ist
-fürwahr ein eigener Anblick. Das Meer bildet eine Scheibe, dessen
-Mittelpunkt das Schiff ist. Der Himmel wölbt sich wie ein Deckel über
-die Wasserscheibe. Das ist nun freilich Alles, was man sieht.</p>
-
-<p>Der Abend war ungemein lieblich und angenehm. Keine herbstliche Kühle,
-kein Nebel. Nach dem Untergange der Sonne schien der Horizont auf der
-Abendseite lange wie glühend. Als ich mich zu Bette legte, fühlte ich
-ungefähr die nämliche Wärme, wie bei uns mitten im Sommer.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 24.</em></p>
-
-<p>Albaniens Gebirge unterbrachen das Einerlei von Himmel und Wasser.
-Eine frohe Stimmung entströmte dem Gedanken, daß ich schon einen Theil
-der Türkei erblicke. Bisher sah ich keine andere, als christliche
-Länder. Auf einmal drängten sich in meiner Phantasie die eigenen
-Religionsgebräuche, die Moscheen, der Halbmond, der Turban vor.
-Begreiflich wurde meine Sehnsucht nur um so reger, einmal das Land der
-Mohammetaner zu betreten. &mdash; Bis Abend waren wir so weit vorgerückt,
-daß auch die Küste von Italien, gegen Otranto hin, als ein schmaler,
-unansehnlicher Streifen dem Auge sich darstellte, indeß<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span> das türkische
-<a name="nach_Gebirge" id="nach_Gebirge"></a>Gebirge, der <span class="antiqua">Monte della Pegola</span> (Pechberg, weil dort Schiffspech
-ausgebeutet wird), nunmehr sich in die Ferne verbarg.</p>
-
-<p>Ich bestätige die Erfahrung manches Reisenden, daß man mit den
-natürlichsten Fragen die Seemänner leicht in Unmuth bringt. Als ich dem
-Kapitän einen konditionellen Satz über den Wind mittheilte, brummte er
-beinahe kopfschüttelnd: <em class="gesperrt">Wenn</em> sagt alle Welt. Er schimpfte früher
-auf die Trockenheit der Engländer, und ich ergriff diesen Anlaß, ihm
-zu erwiedern: Es wäre mehr, als englische Trockenheit, wenn man sich
-der <em class="gesperrt">Wenn</em> fürder enthalten wollte. Ich überzeugte mich, daß ich
-anderwärts einlenken müsse. Meine Neugierde fand Mittel. Theils waren
-die Matrosen mittheilender, wenn ich den Namen eines Landes, das ich
-eben erblickte, erfragen wollte, theils sah’ ich dem Tagebuchhalter
-(<span class="antiqua">scrivano</span>) nach, wenn er täglich den Standpunkt in Bezug auf
-geographische Länge und Breite; wenn er die Richtung, welche der Wind
-und das Schiff nahm, wenn er den stündlich zurückgelegten, in Seemeilen
-ausgedrückten Weg in das Buch eintrug. Was wollte ich mehr? Denn durch
-die Güte des Kapitäns stand mir doch die hydrographische Karte und der
-Teleskop zu Gebote, daß im Grunde nichts mehr zu wünschen übrig blieb.
-Nur das Gespräch ging ab, und wollte ich es er<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span>zwingen, mußte ich meine
-Seele in zwei Theile spalten, damit wenigstens meine Seelenhälften mit
-einander plaudern können. Die Zukunft entzifferte der Kapitän in der
-That nicht viel besser, als ich und unsere Wetterpropheten, welche auf
-ein Jahr in den Himmel hineingucken, um die Kalender zu schreiben.</p>
-
-<p>Schon früher verlangte mich, die Apotheke des Kapitäns zu sehen. Nun
-keine erwünschtere Gelegenheit, als heute. Der Kapitän benutzte die
-Anwesenheit des Pharmazisten, um mit ihm die Arzneien durchzugehen, ob
-sie noch brauchbar und ob sie richtig angeschrieben seien oder nicht.
-Ich hätte meine Ohren zustopfen mögen, so sehr wurde gequacksalbert und
-in den Markt geschrieen. Auch in der Arzneikiste des Kapitäns spielt
-le Roi, und ich vergesse nie den Fanatismus, mit dem ein Deutscher in
-Triest für diesen Arzt sprach, ihn den einzigen wahren Heilkünstler
-nannte, und ihn als Heiland der Medizin nicht genug preisen konnte.
-Ich glaubte, die Geschichte könnte uns vor Thorheiten solcher Art
-schützen; aber nein, immer kehren sie zurück, und selbst in unserm
-zu oft aufgeklärt genannten Jahrhunderte, nistet der tollste Unsinn,
-nicht etwa bloß in den untern, sondern auch in den höhern Kreisen der
-menschlichen Gesellschaft.</p>
-
-<p>Vor Mitternacht noch verließen wir das adriatische<span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span> Meer. Es endet auf
-der türkischen Seite in Valona, und in Otranto auf der italienischen
-Küste.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 25.</em></p>
-
-<p>Immer guter Wind. Wir waren so fern, daß ich von der Insel Korfu
-(<span class="antiqua">Corcyra</span>) das Gebirge undeutlich erblicken konnte. Ich sah heute
-zum ersten Male das mittelländische, oder, wenn man näher will, das
-jonische Meer; aber Wasser ist Wasser. Abends die Luft so warm, als
-an unsern Sommerabenden. Ich durfte, bei offener Kajüte, mich nur mit
-einem Leintuche bedecken.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 26.</em></p>
-
-<p>Ich erblickte in der Ferne Santa Maura (<span class="antiqua">Leucadia</span>), etwas
-näher Cephalonien (<span class="antiqua">Cephallenia</span>) und südöstlich das Eiland
-Zante (<span class="antiqua">Zacynthus</span>). Cephalonien lag deutlich vor den Blicken.
-Wie blau gefärbt erhoben sich die Berge im Süden. Abends gab die
-hinuntersinkende Sonne diesem Eilande ein besonders malerisches
-Aussehen. Jedes Uebel hat wieder sein Gutes. Wäre mir nicht der
-köstliche Ausblick entzogen worden, wenn guter Wind unsere Segel
-geschwellt hätte?</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Sonntags, den 27.
-Herbstmonat.</em></p>
-
-<p>Cephalonien stellte sich in den Hintergrund; dafür breitete Zante
-sich immer mehr aus. Neben vielen Einkerbungen des Landes unterschied
-ich Wohnungen der Zanteser.<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> Ausgezeichnet schön konnte ich die mir
-zugewendete Seite der Insel nicht finden.</p>
-
-<p>Endlich tauchte aus dem Meere ein Theil vom griechischen Festlande, der
-Peloponnes der Alten, das heutige <em class="gesperrt">Morea</em>. Gefühle der Bewunderung
-für die alten Griechen, waren die ersten, die mich ergriffen. Der
-Bewunderung folgte dann Freude, daß ich so glücklich war, einen Theil
-ihres Landes zu sehen. Ach, als ich die Feldherren des <em class="gesperrt">Kornelius
-Nepos</em> las, deren Beschreibung mein junges Gemüth so lebhaft anzog,
-wie hätte ich damals glauben dürfen, daß mein Auge es erreiche? So
-ungefähr dachte ich beim Anblicke der griechischen Halbinsel.</p>
-
-<p>Abends erkannte man das Licht des Leuchtthurms auf der Insel Stanfagni.
-Hier soll auch ein griechisches Kloster stehen.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 28.</em></p>
-
-<p>Heftiger Gegenwind, der üble Sirocco hielt mich den ganzen Tag gefangen
-im Bette. Wir mußten laviren.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 29.</em></p>
-
-<p>Zum Glücke wieder Abendwind, daß die Wellen sich aufbäumten. Er blies
-uns hübsch weiter.</p>
-
-<p>Für das Auge nur Himmel und Meer.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span></p>
-
-<p>Abends lief ein Schiff in unsere Nähe. Die Flaggen wurden beiderseits
-aufgezogen. Durch ein kurzes Sprachrohr ward zu einander gesprochen.
-Aus den Fragen ergab sich, daß der Hauptmann, mit Reisenden am Borde,
-von Alexandrien den Weg nach Marseille nehme, und daß <em class="gesperrt">in Alexandrien
-Pest und Cholera herrschen</em>. Diese Nachricht schlug meinen
-Reisegefährten <em class="gesperrt">Cesare</em> ganz nieder, weil er keine Rezepte für die
-Cholera mitgebracht habe. Der Kapitän seufzte aus Besorgniß, daß die
-Schiffsladung schwer halten werde. Hat doch ein Jeglicher seinen Grund.
-Es ist etwas Angenehmes, auf der Wasserwüste Leuten zu begegnen. Der
-entzückende Abend bewog uns, auf dem Verdecke zu speisen.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 30.</em></p>
-
-<p>Heute fühlte ich zum ersten Male so völlig, daß ich unter einem ganz
-andern, dem schönsten blauen, aber heißen Himmel lebe. Von der Hitze
-litt ich zwar nicht, weil ich den Schatten sorgfältig aufsuchte. Schon
-waren wir über den 36ten Grad nördlicher Breite hinausgerückt.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 1. Weinmonat.</em></p>
-
-<p>Schöne Witterung fuhr fort. Morgens schon erspähete ich einen
-Gebirgsstreifen von Kandien, welcher über Wolken oder Nebel emporragte.
-Bescheiden trat die winzige Insel Gozzo auf. Wir wurden bisweilen von
-Schwalben besucht.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span></p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 2.</em></p>
-
-<p>Windstille. Heerrauch, so daß man nicht immer Kreta (Kandien)
-erblickte. Das Farbenspiel beim Untergange der Sonne gewährte ein
-herrliches Schauspiel. Westwärts bis zum Schiffe schien das Meer in
-flüssiges Gold verwandelt. Der Spiegel war glatt, außer den sanften
-langsamen Wallungen. Das Wasser zeigte sich so liebsam, als lüde es
-ein, mit ihm den Abschied der Sonne zu verherrlichen. Doch unter dieser
-gefälligen Schminke grausiger Abgrund. Die Sonne selbst, wie glühendes
-Erz, goß eine helle, lodernde Säule in das Meer &mdash; uns zu. Als die
-Spanier nach Amerikas Schätzen dürsteten, konnten sie das Gold nicht
-schöner, nicht reizender sich vorstellen, als es mir vor Augen schwebte.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 3.</em></p>
-
-<p>Windstille. Mittags erhob sich ein leiser Wind, und die Focklee-,
-so wie die Vormarsleesegel rechterseits bekamen Pausbacken. Indeß
-stand die Kandia immer noch nahe, und Abends zeigte sich der
-weitherumschauende Idaberg in seiner ganzen Pracht.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Sonntags den 4.
-Weinmonat.</em></p>
-
-<p>Ein wenig Wind. Das schönste Wetter, so warm und so heiter, als in
-unsern Heumonaten. Der Gedanke erfüllte mich sehr oft mit Freude, daß
-ich die sommerlichste Witterung genieße, während es zu gleicher Zeit
-bei uns<span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span> kalte Morgen und Abende, unfreundlichen Regen und Nebel gebe.
-Das Land war entschwunden aus dem Gesichtskreise.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 5.</em></p>
-
-<p>Schöne Witterung; wenig Wind. Abends spannte mich die lange Weile so
-recht auf die Folterbank; doch unberechnete Umstände können sie oft
-schnell verscheuchen. So flog eine Schwalbe daher, müde, schläfrig
-und so kirre, daß ich sie schmeichelnd streicheln konnte, zu meiner
-innigsten Freude. Endlich fing ich sie ohne Mühe mit der Hand. Die
-Philosophie wappnete und wehrte sich vergebens gegen die Langeweile,
-und ein kleiner Vogel machte allen Kampf der erstern zu Schanden.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 6.</em></p>
-
-<p>Zum ersten Male waren wir überall vom Nebel eingeschlossen, doch nur
-auf sehr kurze Dauer. Was hat ein Haus auf dem Lande zu rühmen, wenn
-Nebel es umgibt? Man sieht Haus und &mdash; Nebel; hier sehe ich Schiff und
-Nebel, und doch noch zur Unterhaltung das frohe Spiel des Windes an den
-Segeln &mdash; &mdash; &mdash;.</p>
-
-<p>Endlich fing Mittags an ein frischer Nordwest zu blasen, der unser
-Schiff beflügelte.</p>
-
-<p>Seit zwei Tagen steuerte ein Schiff hinter uns. Wir waren 200 Seemeilen
-von Alexandrien entfernt, als es die Flagge aufsteckte, zum Zeichen,
-daß es der Hülfe be<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span>dürfe. Das Nothzeichen besteht darin, daß die
-große Flagge gehißt und in die Quere zusammengezogen wird. Wir
-segelten dem Schiffe, das wir früher für ein griechisches hielten,
-sogleich entgegen und bald bekamen wir es in die Schußweite. Welch ein
-Anblick für mich. Die Flagge ganz roth; am Borde Barbaresken, welche
-nach Mekka zu wallfahrten vorhatten. Der Kapitän, ein Alexandriner,
-mit seinem schwarzen Gesichte, dem Turban und den Pluderhosen war
-ein gar rühriges, lebhaftes Wesen. Ein Matrose mit einem türkischen
-Bunde bestieg behende die Strickleiter. Unser Schiffshauptmann
-entsandte jenem auf italienisch den Gruß: Guten Abend. Er wurde von
-dem alexandrinischen Kapitän in der gleichen Sprache erwiedert. Was
-verlangen Sie? fragte unser Hauptmann. Er versetzte, daß er Mangel
-an Wasser bekommen werde, und wenn solches unter den Pilgern ruchbar
-würde, eine Empörung im Schiffe zu besorgen stände. Unser Hauptmann
-fragte ihn weiter, ob er keine Krankheit am Borde hätte? Nein,
-antwortete er, es ist Alles sauber. <em class="gesperrt">Budinich</em> versprach ihm
-Wasser, doch wolle er Windstille abwarten, weil sonst die Fahrt zu viel
-einbüßen müßte. Um zu beurtheilen, mit wie viel nautischen Kenntnissen
-der arabische Seemann ausgerüstet ist, genügt einzig noch zu wissen,
-daß der Reis (Kapitän) die Frage stellte, wie weit<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> es bis Alexandrien
-wäre? Als er dann die Entfernung erfuhr, erschien er hoch erfreut, und
-fügte hinzu, daß wir morgen in Alexandrien einträfen. Der Auftritt
-ergötzte mich ungemein. Ich besah mit bewaffnetem Auge die hingehockten
-Hadschi (Pilger) in die Runde. Unser Kapitän hatte keinen Gedanken
-an einen Streifer (Korsar). Ich wußte es nicht, und vertraute dem
-Hauptmann und &mdash; unsern Kanonen.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 7.</em></p>
-
-<p><a name="Vor" id="Vor"></a>Vor gutem Winde. Obschon unsere Brigg nicht der beßte Segler war, blieb
-das egyptische Fahrzeug dennoch zurück, so daß wir es ganz aus den
-Augen verloren. Unter solchen Umständen wäre es überaus schmerzlich
-gewesen, einige Segel einzuziehen, bis der Araber uns eingeholt haben
-würde. Was werden aber die ohne Hilfe zurückgebliebenen Mohammetaner
-von der christlichen Liebe denken? Als es gestern hieß, daß ein Schiff
-auf der weiten, hohen See Hilfe begehre, so entzückte mich der Gedanke,
-daß man selbst auf diesem treulosen Elemente nicht ganz verlassen sei,
-und ich sagte zum Hauptmann, es sei Christenpflicht, Andern in der Noth
-zu helfen. Nein, entgegnete er, es sei moralische Pflicht. Noch besser.
-Denn wenn es bloß Christenpflicht wäre, dem Nebenmenschen beizustehen,
-was wollten die Mohammetaner, nothleidenden Christen<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span> gegenüber, thun,
-jene Andersgläubigen, welche die <em class="gesperrt">christliche</em> Pflicht als solche
-nicht kennen? Es muß also eine allgemeinere, als bloße Christenpflicht
-geben. Es ist Menschenpflicht, Andern in der bedrängten Lage hilfreiche
-Hand zu reichen.</p>
-
-<p>Nun ein weiteres Wort über meinen Hauptmann und den Gefährten
-<em class="gesperrt">Cesare</em>. Jenem macht die Gutmüthigkeit Ehre, die Launenhaftigkeit
-Mühe, das jugendliche Alter Belehrung fühlbar. Der Pharmazist, eine
-lange, hagere Gestalt mit glänzend schwarzen Haaren, mit einer
-schmalen, kurzen Stirne, einer vollen Baßstimme, ist ein seltenes
-Muster von einem rechthaberischen, anmaßenden Menschen<a name="FNAnker_1_1" id="FNAnker_1_1"></a><a href="#Fussnote_1_1" class="fnanchor">[1]</a>. Selbst
-über arzneiwissenschaftliche Dinge mußte ich ihm Recht lassen, nur
-um unangenehme Auftritte zu vermeiden. Qualvoller kann man sich die
-Lage eines Arztes kaum denken, als die meinige war. Wo nur etwas
-Weniges haperte, war <em class="gesperrt">Cesare</em> mit Arzneien, z. B. mit einem
-Abführmittel, bereit. Er zeigte sich unerschöpflich, dem Hauptmann
-Rezepte zu diktiren. Ich schwieg, weil ich zu gut einsah, daß die
-Quacksalberei ihr Hauptlager hier aufgeschlagen hatte. Von solchen
-Querköpfen als Arzt anerkannt zu werden, konnte mich nicht begierig
-machen. Be<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span>trübend und ergötzlich war es zu gleicher Zeit für mich,
-wahrzunehmen, daß die Quacksalberei im Ganzen wenig Segen hatte. Der
-Kapitän befand sich erst besser, als er auf das Einnehmen der Arzneien
-Verzicht that. Ich suchte ihm begreiflich zu machen, daß man der Natur
-mehr vertrauen müsse, und daß, bei fortwährendem Verschlucken von
-Arzneistoffen, bisweilen der Körper in einem Grade von Abhängigkeit
-sich daran gewöhne, wofern jene ihn nicht ganz zerrütten. <em class="gesperrt">Cesare</em>
-selbst litt nicht am wenigsten, vielleicht nicht am unverdientesten.
-Um durch ein Beispiel anschaulich zu machen, was für seichte Gespräche
-mitunter geführt wurden, so zankten sich die Helden lange, indem
-<em class="gesperrt">Cesare</em> behauptete, daß Egypten, so zu sagen, in Europa liege.
-Er las in dem <span class="antiqua">Universo pittoresco</span>, einem, aus dem Französischen
-ins Italienische übersetzten Werke, daß Egypten, zwischen Asien und
-Afrika, von den Geographen bald zu jenem, bald zu diesem Welttheile
-gezählt werde. Er faßte die Stelle unrichtig auf, und behauptete,
-daß es heiße, Egypten gehöre weder <em class="gesperrt">Asien</em>, noch <em class="gesperrt">Afrika</em>
-an. Nun schloß er, es müsse Europa zufallen. <em class="gesperrt">Cesare</em> wandert
-nach Egypten, um sich Schätze zu sammeln. In wie weit ihn edle Gründe
-leiten, konnte ich nicht erschauen; so viel wurde mir klar, daß er ein
-überspannter Glücksritter war. Als er in der gleichen Schrift las, daß,
-nach <em class="gesperrt">Pa<span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span>riset</em>, der Verbreitung der Pest durch Verbrennung der
-Leichen, wie vor Alters, ein Ziel gesetzt werden könne, gerieth er in
-gänzliche Wallung, und äußerte sich, daß man dieses Mittel ausführen
-sollte, ja ausführen müsse, weil er an die Untrüglichkeit schon
-glaubte. Je mehr dem Menschen an gründlichem Wissen gebricht, desto
-mehr läuft er Gefahr, eine Beute der Leichtgläubigkeit zu werden.</p>
-
-<p>Seit einigen Nächten fühlte ich eine Plage, die ich früher nie kannte.
-Ich mag die neue Auflage lebendiger Pfennige nicht nennen.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 8.
-Weinmonat.</em></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Diesen Morgen entdeckte der Hauptmann auf dem Mastkorbe
-Alexandrien.</em> Ich fühlte keine besondere Freude bei der Mittheilung
-dieser Nachricht, einestheils, weil die Witterung in der letzten
-Zeit, seit mehr denn drei Wochen, die schönste war, die je mein
-Leben erheiterte, anderntheils, weil ich die Zeit recht leicht mit
-Lesen, Schreiben, z. B. mit Uebersetzen aus dem Italienischen, mit
-der Tagebuchhaltung, früher auch mit Spiel, hinbringen konnte, so daß
-mich nur wenige Stunden eigentliche Langeweile folterte, &mdash; dann auch,
-weil das Landen an einem Orte mit zwei Pestilenzen einige unangenehme
-Gefühle erregte, so sehr das Interesse der Wissenschaft die Resignazion
-vorbereiten mochte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span></p>
-
-<p>Daß ich ruhrkrank wurde, habe ich oben erwähnt. Es entging mir nicht,
-daß die Ruhr einen ernsthaftern Karakter hätte annehmen können.
-Ich hege die Ueberzeugung, daß ich die schnelle Wiederherstellung
-vorzüglich einer ganz geregelten Lebensart, namentlich dem Aufenthalte
-im Bette, verdanke. Bei den Worten, daß ich leide, rief <em class="gesperrt">Cesare</em>
-aus: <span class="antiqua">Corpo di Dio</span>, er macht mit der ganzen Krankheit die Reise.
-Ein Matrose setzte kaltblütig hinzu: Er wird bald abreisen. Das war
-richtig der Fall, aber in einem andern Sinne. Ich konnte so ganz bequem
-zuhören. Ich widerlegte den falschen Propheten damit, daß ich mich
-mindestens bald eben so gut befand, als zu Hause.</p>
-
-<p>Die Seekrankheit konnte mir so wenig etwas <a name="anhaben" id="anhaben"></a>anhaben, als <em class="gesperrt">Cesare</em>.
-Wenn die See hoch ging, bekamen wir höchstens einen schweren,
-schwindlichten Kopf, und die Eßlust verminderte sich, welche bei mir
-sonst sich sehr lebhaft ankündigte. Ich verzichtete auf ein einziges
-Nachtessen.</p>
-
-<p>Die Beschwerden zur See entspringen unstreitig aus den
-<em class="gesperrt">unordentlichen</em> Bewegungen des Schiffes. Der wärmere Wind trägt
-das Seinige bei, um dieselben zu vermehren; allein die sogenannte
-Seekrankheit hervorzubringen, wird er kaum vermögen. Ich sage mit
-Fleiß: <em class="gesperrt">unordentliche</em> Bewegungen; denn die gleichmäßigen würden
-wenig zu bedeuten haben, und das Schaukeln bald hin und her,<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span> der Länge
-und Breite nach, bald auf- und abwärts, zumal das <em class="gesperrt">stoßweise</em>,
-kommt in Anklagezustand. Das Schaukeln zur See läßt sich platterdings
-nicht mit dem Schaukeln zu Lande auf gleiche Linie stellen. Andere
-Beschwerden rühren offenbar vom übeln Geruche faulender Stoffe, z. B.
-des faulenden Wassers im Schiffsraume, her, einem Geruche, welcher um
-so stärker wird, je unordentlicher das Schiff bewegt wird. Ich hörte
-selbst den Hauptmann oft über die <span class="antiqua">sentina</span> klagen, welche ihm
-Kopfweh verursachte.</p>
-
-<p>Man rühmt gegen die Seekrankheit Limonade, oder schwarzen Kaffee mit
-Zitronensaft, ohne Zucker. So lange die Ursache, das Schaukeln oder
-der üble Geruch, dauert, leisten wohl <em class="gesperrt">wenig</em> Mittel <em class="gesperrt">viel</em>.
-Essen, wenn man sogar vom Appetite nicht eingeladen wird, schadet
-nichts, es nützt eher, wie ich aus Erfahrung weiß. Wenn die Witterung
-es zuläßt, begibt man sich am beßten auf das Verdeck, und statt zu
-liegen oder zu sitzen, steht man, indem man trachtet, den Bewegungen
-des Schiffes auszuweichen, und den Körper in möglichst senkrechter
-Stellung zu erhalten. Zudem zügle man die Einbildungskraft. Wer sich
-in den Kopf setzt, daß er speien müsse, kann es leicht dahin bringen.
-Man erwägt zu wenig, welcher Menge von Uebeln die Selbstherrschaft
-vorbeugt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span></p>
-
-<p>Ich habe von der Seekrankheit der Thiere wenig gelesen. Sie werden
-zuversichtlich von derselben nichts Großes sich vorstellen. Daß
-den Thieren das Unglück zu Theil ward, keine Vernunft zu besitzen,
-genießen sie andererseits das Glück, sich nicht durch Vormalung einer
-unglücklichen Zukunft, mittelst der Vernunft, die Tage des Lebens zu
-beunruhigen. An unsern Thieren, den Kanarienvögeln, Katzen, Ratten,
-Hühnern, nahm man keine Störung durch den Aufenthalt auf dem Schiffe
-wahr. Man sieht &mdash; doch, daß wir in guter Gesellschaft lebten. Wir
-hatten gebetene und ungebetene Gäste.</p>
-
-<p>Schon seit der Frühe sah ich das Wasser des Meeres rothgelblich,
-trüber. Es war mit dem Nilwasser getränkt. Es fing an von Schiffen und
-Vögeln belebter zu werden. Erst um neun Uhr ungefähr erblickte ich mit
-bewaffnetem Auge Alexandrien, nämlich den Palast des Pascha &mdash; freilich
-nur geometrische Linien, ein todtes, vom Meere auftauchendes Viereck im
-Sonnenglanze. Wir waren bloß noch zehn Seemeilen von Alexandrien.</p>
-
-<p>Bald näherte sich die Küste, die rechts, ein röthlicher, wenig
-erhabener Sandhügel, sich gleichsam ins Meer verlor; Häuser,
-deren Umrisse undeutlich waren, erhoben sich immer zahlreicher;
-im Hintergrunde aber, wie auf einen Hügel gepflanzt, strebte die
-Pompejussäule und, ein wenig<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span> links, der Obelisk der <em class="gesperrt">Kleopatra</em>
-empor. Alles schien eine Insel zu sein, und hatte so wenig
-Ungefälliges, daß man hätte glauben mögen, von Lido aus Venedig sich zu
-nähern.</p>
-
-<p>Es fuhr ein Schiff in solcher Entfernung an uns vorüber, daß wir
-es beinahe hätten entern können; seine Flagge trug das Zeichen des
-Halbmondes. Alles überraschte mein Auge, ausgenommen das Schiff.
-Wir waren schon so weit vorgerückt, daß wir den Lothsen, das ist
-der Wegweiser für unser Schiff, erwarteten. Endlich wimmelte ein
-schwarzer Punkt, der fortan größer wurde, bis man die Ruderknechte
-unterscheiden konnte. Doch wurden sie bisweilen von einer Wellenwand
-fast ganz verborgen. Weil die Einfahrt wegen der Bänke gefährlich ist,
-so sind Lothsen unerläßlich. Schon hat der Lothse uns eingeholt. Wir
-fragten nach dem Gesundheitszustande. Es steht gut, antwortete er,
-weder Pest, noch Cholera. Das Gespräch wurde auf italienisch geführt.
-Der Araber, ein großer Mann von tiefbrauner Gesichtsfarbe, mit großer
-Bognase, schwarzem Barte, und von etwas stolzer Haltung, sprach
-fertig <em class="gesperrt">fränkisch</em>, wie man das Gemisch von Italienischem und
-wenig Morgenländischem in der Levante nennt. Er saß auf dem spitzigen
-Hintertheile seiner Barke, so daß die Füße von den aufliegenden
-Oberschenkeln bedeckt waren. Mit einer Hand lenkte<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span> er das kleine
-Steuer wie im Zauber. Nachdem sein Kahn an das Schlepptau unserer Brigg
-genommen war, erhielt er das Kommando, und unser Kapitän durfte es nur
-wiederholen<a name="FNAnker_2_2" id="FNAnker_2_2"></a><a href="#Fussnote_2_2" class="fnanchor">[2]</a>.</p>
-
-<p>Bald flog ein anderer Kahn mit zwei lateinischen Segeln daher. Er war
-mit vielen Männern besetzt. Eine dicke Figur mit einem Schulzenbauche,
-einem langen Schnurrbarte und einer rothen Mütze, von deren Mitte
-eine große Troddel herunterschwabbelte, fiel mir am meisten auf, kaum
-aber die bedenkliche Hintansetzung der Etikette, daß er einen Fuß auf
-der Bank, den andern unten hatte. Beim Anlegen schlugen die Wellen
-hoch auf, und er runzelte, nicht gegen diese, sondern gegen die heiße
-Sonne die Stirne. Es war ein Polizeikommissär. Neben ihm stand ein
-junger Dolmetsche, der nach dem Namen des Kapitäns und des Schiffes,
-nach der Zahl der Passagiere, nach dem Orte der Abfahrt, der Dauer
-der Reise und nach der Befrachtung fragte. Er zog eine Bleifeder und
-ein vielfach in das<span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span> Viereck zusammengelegtes Papier heraus, welches
-er auf den Handteller nahm, darauf etwas zu schreiben. Weil wir der
-Angabe des Lothsen über den Gesundheitszustand wenig Glauben beimaßen,
-so wurde die gleiche Frage wiederholt, und eben so befriedigend
-beantwortet. Schon stieß der lateinische Segler von hinnen. Wie eine
-eben sich öffnende Blüthenknospe erschloß sich die Freude sichtbar
-auf den Antlitzen unserer Leute. <em class="gesperrt">Cesare</em>, welcher seit wenigen
-Tagen gegen mich den Stummen machte, bekam die Sprache auf einmal
-wieder. Nimmersatt am Sehen, so sehr reizte Alles meine Aufmerksamkeit,
-vergaß ich das Geschehene, und wir fanden den Faden der Mittheilung,
-&mdash; &mdash; durch die merkwürdigen Araber angeknüpft. Freude und Leid sind
-oft Bindemittel, indem <a name="von" id="von"></a>vor ihrer mächtigen Erschütterung kleinere
-Erscheinungen auf dem Gebiete des Gemüths leichter und standloser als
-Flaum entfliehen.</p>
-
-<p>Bald fuhr in einer andern Barke ein mit einem Hute bedeckter,
-wohlgekleideter Mann einher. Aehnliche Fragen wie früher. Noch ein
-Kahn mit einem hübschen Manne, der einen Hut trug, stieß gegen unser
-Fahrzeug. Dieser Herr erkundigte sich über den Gesundheitszustand.
-So weit bekümmern sich die Mohammetaner, oder doch Andere in ihrem
-Namen. Die Antwort lautete freilich sehr wohl. Unser Kapitän
-übergab sofort eine Ausweisschrift, welche<span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span> nicht ohne Beobachtung
-der Gesundheitsvorschriften angenommen wurde. Der Steuermann des
-Gesundheitsbeamten hob nämlich auf einmal eine große, weißblechene,
-viereckige, offene Büchse empor, und in diese ließ unser Kapitän seine
-Schrift fallen. Der Gesundheitsbeamtete selbst ergriff mit einer Hand
-ein Stückchen Holz, mit der andern ein vorne abgerundetes Messer,
-das einen hölzernen Griff hatte, er wendete dann die zusammengelegte
-Schrift mit diesen Werkzeugen um, bis sie entfaltet vorlag. Nach Lesung
-der Schrift wurde die Strickleiter erstiegen, und auf der Stelle
-eröffnete sich freier Verkehr an unserm Borde. Es war, wie wenn man
-aus dem Regen in die Sonne tritt, wie wenn den eingesperrten Bienen im
-Korbe Luft gemacht wird. Ein Araber, der an einer Traubengeschwulst des
-Auges litt, erinnerte mich bei Zeiten an die egyptische Augenplage.</p>
-
-<p>Aber schon sind wir im Hafen, und noch hoch am Tage, sinkt der Anker.
-Rechts von den Ruinen bewegen sich in langsamen Kreisen zierliche
-Windmühlen, dreißig bis vierzig an der Zahl; links preiset der
-stattliche Palast des Statthalters europäischen Geschmack; die Mitte
-der Schaubühne schließt ein Gesäe unansehnlicher Häuser hinter einem
-Walde von Masten. Man mußte von dem Gedanken durchdrungen werden, daß
-man in einem andern Welttheile athme, und<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span> sah man bloß ins Meer, so
-fragte man sich neugierig über das trübe, in der Sonne rothgelblich
-schillernde Wasser, worüber ein Schwarm Vögel flatterte.</p>
-
-<p>Ich schickte mich an, ans Land zu gehen. Neben mir Kriegsschiffe,
-über deren Größe ich erstaunte; vorwärts wieder Halbmonde auf den
-Flaggen; dort eine Barke mit trommelnden Soldaten; hier guckt eine
-Europäerin aus der Kajüte heraus, und fragt nach Neuigkeiten; dort ein
-Morgenländer mit der Pfeife im Munde, hinter einer behaglich auf dem
-Schiffsrande hockenden, den Schweif um die Beine niedlich windenden
-Katze, und hinter dem Netze von Tauen; ein englisches Dampfboot; ein
-hellenisches Schiff, dessen Name mit großen griechischen Buchstaben
-geschrieben war; kurz, eine Menge Fahrzeuge, rechts und links, vorwärts
-und rückwärts, ein bewohntes Meer. Ich höre Musik, vom Lande her Lärm,
-als wäre ich einer Kirmes nahe. Hurtig stieg ich auf den breternen
-Steg, und wenig Schritte, ich war zu Land, auf Sand, in Afrika, in
-Egypten, in <em class="gesperrt">Alexandrien</em>. Unbeschreibliche Freude erfüllte mein
-Gemüth. In <span class="antiqua">Deo gratias</span> ergoß sich beinahe unwillkürlich das
-Herz, &mdash; meine ersten Worte in Afrika. Die mir nächste Person auf dem
-Lande war linker Hand ein halb entblößter Mensch von ungefähr dreißig
-Jahren und schwarzbrauner Farbe. Er lag abwechselnd auf den Knien und<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span>
-warf sich auf den Staub nieder, faltete manchmal die Hände, verdrehte
-oft die Züge des Gesichtes. Das ist ein Verrückter, dachte ich, und
-wenn er es nicht ist, so verwendet er doch seine gesunde Vernunft zur
-Verrücktheit. Was soll ich sagen? Er verrichtete, nach dem Gesetze
-Mohammets, das dritte Gebet zwischen Sonnenhöhe und Sonnenuntergang
-(el-Asser); aber ich sehe ein, daß ich mit meinem verwerfenden Urtheile
-zurückhalten muß. Die religiöse Mimik will tiefer gewürdiget sein.
-Hat denn, frage ich, das Zusammenstrecken der zehn Finger bei den
-Protestanten mehr Bedeutung, als die Niederwerfung vor Gott bei den
-Morgenländern, oder das Niedersinken auf die Knie bei den römischen
-Katholiken?</p>
-
-<p>Der alte Hafen ist jetzt den Europäern direkte geöffnet, und, außer
-den wiederholten Anfragen, deren gedacht ward, gibt es keinerlei
-Umstände, um in denselben zu gelangen. Wie vieles hat sich nun seit
-fünfzig Jahren umgestaltet. Das Traurigste aber ist, daß das türkische
-Regierungssystem auf keine sichere Grundlage sich stützt, da beinahe
-mit jeder neuen Besetzung eines Paschaliks (Statthalterschaft)
-eine neue, bald vor-, bald rückwärts schreitende Ordnung der Dinge
-eingeführt wird.</p>
-
-<p>Ich miethete in der Stadt ein Zimmer, und begab<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span> mich wieder an Bord,
-an welchem ich die letzte Nacht hinbringen soll.</p>
-
-<p>Ich konnte vor Freude über den jetzigen Aufenthalt den Schlaf kaum
-finden. Indessen bemerkte ich, daß es etwas kühler wurde, mein Kopf
-unbedeckt war, und die Frische, die ich an jenem fühlte, meinen Schlaf
-verhindere. Ich zog das Oberleintuch herauf und machte eine Kaputze. In
-wenig Minuten war ich eingenickt. Lärm weckte mich.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 9.</em></p>
-
-<p>Schon in aller Frühe. Ich hörte zwar nicht mehr das Geklingel im
-Hintertheile des Schiffes und die antwortenden Glockenschläge über
-der Kajüte der Matrosen, zum Zeichen, wie lange das Geschäft des
-Ruderbesteurers dauere; ich hörte nicht mehr: <span class="antiqua">Rende la guardia al
-timone, a che tocca la (terza)</span>; in dem Kastenbette hörte ich nicht
-mehr den Wellenschlag neben mir an der Wandung, oder das Kollern, oder
-bei günstiger Fahrt das Gezische, ähnlich demjenigen beim Pumpen des
-dicker gewordenen Rahms: aber das taktmäßige, weinerliche Rufen und
-Singen ganz eigener Art erklang noch, der Losungsruf der Matrosen, daß
-sie vereint und gleichzeitig große Kraft anwenden, z. B. um eine Last
-zu heben, aber das monotone, grelle Pfeifen der egyptischen Seetruppen
-tönte jetzt herüber. Wie ich den Matrosenruf zum ersten Male vernahm,
-machte er<span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span> einen höchst unangenehmen Eindruck auf mich, welchen nur
-nach und nach die Gewohnheit mildern konnte. Unser <span class="antiqua">ragazzo</span>
-(Schiffsjunge), beinahe immer auf dem Meere, ohne viel Anderes singen
-zu hören, trillerte das Geleier der Matrosen zu seiner Ergötzung daher.</p>
-
-<p>Endlich hieß es: eingepackt, und ich setzte Fuß ans Land, um mit meinem
-Gepäcke das Zimmer zu beziehen.</p>
-
-<p>Ohne Tagesordnung bringe ich verschiedene Denkwürdigkeiten von
-Alexandrien.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="nobreak" id="Alexandrien"><b>Alexandrien.</b></h2>
-
-</div>
-
-<h3 class="nopad" id="Alexandrien_Lage"><b>Lage.</b></h3>
-
-<p>Die Stadt <em class="gesperrt">Alexanders</em> (Skanderun) liegt auf einer Landzunge,
-die in der Richtung gegen Nordwest ins Meer sich verliert. Die Spitze
-verläuft in einen Lappen, der sich südwestlich umbiegt, und in einen
-Faden, der sich in entgegengesetzter Richtung bis zu einer kleinen
-Festung ausdehnt. Hier, an der Stelle dieses Vertheidigungswerkes, soll
-einst der Pharus gestanden haben. Der westliche Zungenrand begränzt den
-<em class="gesperrt">alten</em> Hafen und der östliche den <em class="gesperrt">neuen</em>, welcher letztere
-indeß wegen seiner Untiefe, durch die gränzenlose Nachlässigkeit der
-jetzigen Beherrscher Egyptens, sehr wenig belebt ist, immerhin aber
-sich sehr hübsch herausstellt. Auf der Wurzel der Zunge hatte sich
-das alte Alexandrien ausgebreitet, und dieselbe ist jetzt nur wenig<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span>
-angebaut. Dagegen strotzt es gleichsam von Ruinen, sobald man den
-Schutt weghebt. Die schönsten Marmorsäulen sind von diesem bedeckt,
-und eben grub man eine hervor. Unlängst zog man auch ziemlich viel
-Goldmünzen heraus.</p>
-
-<p>Man kann heutzutage nicht mehr behaupten, daß die Stadt landwärts von
-einer Wüste umgeben sei. Gegen Mittag schließen sich schöne Gärten an,
-woraus die Dattelpalme den neu angekommenen Europäer dem Afrikaner
-willkommen heißt. Der am nördlichen Ufer des Mareotis angelegte
-Garten des <em class="gesperrt">Ibrahim-Pascha</em> verdient vor andern Lob. In der Nähe
-desselben übernimmt ein Strich angebauten Landes die versöhnende Rolle
-zwischen dem üppigen Garten und dem kahlen Sandmeere der Sahara. Der
-Mareotissee selbst, mit seinen wenig aufragenden, wüsten, gelbsandigen
-Ufern, sieht eher einem Sumpfe gleich, und gewährt daher keinen
-angenehmen Anblick.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Gebaeude"><b>Gebäude.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Die Moscheen sind meistens häßlich; die Minarets oder Thürme steigen
-nicht hoch empor. Beide weiß, überkalkt, ohne Schmuck, ohne ein Bild,
-mit dem Gepräge des Zerfalles. Antike Säulen tragen hie und da den
-Söller (Decke) des Tempels oder den Thurm. Der Zerstörungswuth, die vor
-Zeiten den Ton angegeben hatte, entgingen doch zum<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span> Theile die Säulen,
-und als brauchbare Baustoffe trifft man sie auch an andern Gebäuden.
-Indeß liegen Säulenstücke noch müßig herum. Eine einzige Moschee
-erspähete ich, die man schön nennen darf.</p>
-
-<p>Der Sommerpalast des Vizekönigs liegt auf dem bezeichneten Zungenlappen
-(Ras-el-tin), vortheilhaft für das Auge. Auf der Morgenseite trat ich
-durch ein bewachtes Thor der Umfangsmauer, und ich gelangte auf einen
-schönen, geräumigen Platz. Mit gespanntem Gemüthe richtete ich meinen
-Blick umher, rechts auf das einstöckige, statt der Glasfenster &mdash; mit
-hölzernem Gitterwerke versehene Harem, links auf den Palast des Pascha,
-der, ebenfalls nur ein Geschoß hoch, in einen Giebel sich aufdachet.
-Das Wohn- oder Audienzzimmer des Vizekönigs schaut gegen den Hof oder
-gegen Mitternacht. Diese Lage erklärt sich leicht, da unter einem so
-heißen Himmel die Sonne geflohen und der Schatten gesucht wird. Den
-Eingang in den Palast bildet eine Halle, welche schöner, weißer Marmor
-auskleidet. Hier immerwährender Schatten, angenehme Kühlung. Da sieht
-man Höflinge in ihren orientalischen Prachtgewändern ein- und ausgehen,
-um nicht zu sagen, ein- und ausschlendern. Die Hoflakaien warten ihrer
-Herren. Stolze Hengste stehen an einer Reihe gesattelt in Bereitschaft.
-Das Roß des Pascha, mit nicht sehr ausgezeichnetem<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span> Schmucke, wird vom
-Sattel nie befreit, auf daß es immer gerüstet sei, seinen Herrn von
-hinnen zu tragen.</p>
-
-<p>Ich sah eben eine Truppe Araber in ihren mitunter schmutzigen Mänteln
-einherschreiten, denen man zwar Fassung genug, aber doch so viel ansah,
-daß sie sich zu einer Vorstellung vorbereiteten, indem sie die Mäntel
-etwas zurecht legten und ihre Köpfe zusammensteckten. Die Truppe
-zog festen und weidlichen Schrittes die breite Marmorstiege hinauf.
-Als sie vor dem Pascha erschien, erblickte ich diesen vom Hofe aus;
-denn das Fenster war offen. <em class="gesperrt">Mehemet-Ali</em> imponirte durch seine
-Haltung, trug eine rothe Mütze, einen auf die Brust herabwallenden,
-dichten, grauen Bart, und hatte das schöne Aussehen eines muntern
-Greises. Ich schaute neugierig hinauf, und keine Seele hinderte mich
-daran. Man sagte mir später, daß ich hätte hinaufgehen und an der
-Thüre des Audienzzimmers zusehen dürfen. Solche Dinge geschehen im
-Morgenlande weniger geheim, als in Europa. Freilich darf man nicht
-unberücksichtiget lassen, daß die physische Kälte die Europäer so
-oft zum Schließen der Fenster und Thüren nöthiget. Die Leibwache
-des Pascha ist mit blauem Tuche, einer rothen Mütze und mit gelben,
-plumpen Schuhen bekleidet. Ein Wachposten kam aus dem Palaste, die
-Füße ungleich bewegend, die Schuhe gleichsam nachschleppend, lachend,
-beinahe spielend.<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> Bei aller Leichtigkeit des Karakters fällt es dem
-französischen Militär doch nie ein, am Posten oder unterwegs von einem
-Posten zum andern Spaß zu treiben. Selbst unsere Knaben von acht bis
-vierzehn Jahren benehmen sich ernster, wenn sie sich in den Waffen üben.</p>
-
-<p>Die Häuser sind von dreierlei Art: europäische, türkisch-egyptische und
-die Hütten.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Die europäischen Häuser</em> liegen im Frankenviertel. Ein Theil
-derselben hat flache Dächer oder Söller. <em class="gesperrt">Ibrahim-Pascha</em> ließ
-ansehnliche aufbauen &mdash; um einen sehr geräumigen Platz. <em class="gesperrt">Ibrahim</em>
-(Abraham) thut wirklich zur Verschönerung und Belebung der Stadt sehr
-viel, wobei er durch Beziehung schwerer Hauszinse seine Rechnung recht
-gut findet. Die Konsulatsgebäude stehen nahe beisammen. Hoch über
-ihren Dächern flattern die Flaggen, welche dem Abendländer einen sehr
-wohlthuenden Anblick gewähren, und ihm gleichsam Schutz und Sicherheit
-zulispeln. Wenn ein Schutzempfohlener stirbt, so wird eine besondere
-Flagge, doch minder hoch gehißt. Den Söller der hohen fränkischen
-Häuser heißt man <em class="gesperrt">Terrasse</em>, auf der man sich angenehm aufhält.
-Von derselben erhebt sich ein offenes Thürmchen, <em class="gesperrt">Belvedere</em>
-genannt, und mit Recht, da man darauf eine schöne Aussicht genießt. Man
-kann auf einem Thürmchen die ganze Stadt und die Häfen<span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span> übersehen. Die
-Flachheit der Dächer beklagen manche Europäer. Während der Regenzeit
-dringt durch das Deck Wasser, welches das Wohnen nicht weniger
-unangenehm, als ungesund macht.</p>
-
-<p>Man will behaupten, daß der Regen, welcher im Winter tageweise und
-in starken Güssen anhalte, in Alexandrien von Jahr zu Jahr häufiger
-falle, und man schreibt dieß den im Weichbilde angepflanzten Bäumen
-zu. In der That ist der Regen in Mexiko seltener geworden, seit der
-in seiner Nähe belegene Wald ausgehauen ist. Die Franken scheinen
-sich zu überzeugen, daß geneigte Dächer zum Bedürfnisse gehören, und
-während meiner Anwesenheit zog man einen Kanal durch die Frankengasse,
-um das Regenwasser abzuführen. Weil ohnehin in der Stadt keine Gasse
-gepflastert ist, so wird der Schmutz, bei starkem Regen, tief und
-lästig. Ich vermuthe aber, daß man von rascher Abänderung des Klima
-und vom jährlich zuwachsenden Regen ein wenig träume, wie denn
-auch die Vorstellung von der sengenden Gluth der egyptischen Sonne
-bei Manchen übertrieben sein mag. Ich könnte den Doktor <em class="gesperrt">Prosper
-Alpinus</em><a name="FNAnker_3_3" id="FNAnker_3_3"></a><a href="#Fussnote_3_3" class="fnanchor">[3]</a>, der vor zwei Jahrhunderten Egypten<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span> bereiset hat, zum
-Zeugen anrufen. Er bemerkt, daß in einem Theile dieses Landes, wie
-in Kairo, der Regen eine seltene Erscheinung sei, wogegen es an der
-Meeresküste, in Alexandrien und Damiat, oft und sehr stark regne. Wenn
-auch, vor <em class="gesperrt">Christo</em>, <a name="keinkomma" id="keinkomma"></a><em class="gesperrt">Pomponius Mela</em> das wahrscheinlich
-viel baumreichere Egypten ein regenloses Land („<span class="antiqua">terra expers
-imbrium</span>“) nennt, so darf man wohl immerhin nicht glauben, daß dieß
-zur Zeit des Autors durchhin wahr sein mochte, sondern vielmehr, daß
-er die Regenlosigkeit auf einzelne Gegenden bezogen, und diese für das
-Ganze genommen hat.</p>
-
-<p>Mischten die Egypzier sich nicht in das Schauspiel, wenn man in das am
-neuen Hafen liegende Frankenquartier kommt, man würde gerne läugnen,
-daß man den Boden Afrikas unter den Füßen hätte, so sehr ist Alles
-über den europäischen Leisten geschlagen. Laden an Laden, Kaffeehäuser
-und zwei Wirthshäuser sorgen für die Bequemlichkeiten der Europäer.
-Alexandrien ist halb europäisch, halb afrikanisch, und darum erscheint
-es dem europäischen Ankömmlinge eben so freundlich, als merkwürdig.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Die türkischen Häuser</em>, in der Regel ziemlich niedrig, haben
-gegen die Gasse einen großen Vorsprung oder Erker, worin man zu
-faulenzen pflegt; die Fenster werden meist von einem niedlich
-gearbeiteten engen Holzgitter ver<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span>sehen. Solches kann unter einem
-milden Himmel gut angehen; allein es dürften nur Kälte und Regen
-stärker werden, so würden die empfindsamen Bewohner unfehlbar leiden.
-Manchen Häusern verleiht der Kalk ein schneeichtes Weiß.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Die Hütten</em> zeugen von Einfachheit und Elend. Von der Form eines
-unordentlich kantigen Würfels, enthält die Hütte bloß ein Gemach, und
-in dieses führt eine einzige Oeffnung zur Aufnahme der Thüre, welche
-mit einem hölzernen Schlosse gesperrt werden kann. Wenn man nicht
-mehr als das Hausgeräthe auf arabisch nennen müßte, so würde man im
-Nu arabisch verstehen. Der Boden dient als Sessel, als Tisch, als
-Bettstelle u. dgl., und ist somit ein wahres Wunderding. Mann und Weib,
-Kinder, Freunde und Verwandte legen sich neben einander, und füllen,
-wenigstens auf dem Boden, den Raum der Hütte. Die Kleider, womit Manche
-sich des Tages bedecken, sind im guten Falle die einzige Bettung für
-die Nacht, und die Leute entkleiden sich in der Regel nur dann, wenn
-sie der allzu dienstfertigen Kreaturen auf die anständigste Weise
-los werden wollen. Es soll die Armuth eines Theiles der Alexandriner
-so groß sein, daß nicht beide, welche eine Hütte bewohnen, ausgehen
-können, weil sie nur <em class="gesperrt">ein</em> Kleid besitzen. Darum warte der eine
-Elende nackt in der Hütte,<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span> bis der andere in dem gemeinschaftlichen
-Kleide zurücktreffe. Die Hütten sind von Erde aufgeführt und von
-Farbe schwarzgrau. Sie vermögen lange andauernden Regen nicht zu
-bestehen. Es ist nicht lange her, daß in einer kalten Regennacht viele
-Hütten einstürzten; eine Menge obdachloser Bewohner erkrankte und
-starb. Erst jetzt mochten die Leute den Segen ihres Himmels dankbarer
-erkennen. Wie viel Schweißtropfen rinnen über die Stirne herunter,
-bis der Europäer sein Heizungsholz, seine Strümpfe, Schuhe, seine
-Winterkleider zusammengebracht, bis er seine Wohnung mit allem Nöthigen
-ausgerüstet hat. Ein Theil der Hütten gefällt sich in der Nähe des
-vizeköniglichen Palastes. Dort bietet sich die beste Gelegenheit dar,
-über den schroffsten Gegensatz von „Herr und Unterthan“ Betrachtungen
-anzustellen. Eine andere Abtheilung von Hütten besetzt den Süden
-der Stadt, neben den vielen schönen Zisternen des Alterthums, und
-verspottet die Ruinen, jene Mauern, welche Jahrtausenden widerstanden,
-und noch die baufälligen Hütten unserer Tage tragen müssen.</p>
-
-<p>Das sind die polsterarmen Hütten, und werden so viele Alexandriner
-darin geboren, und wo anders strecken sich diese auf das Sterbelager?
-Und doch werden die polsterreichen Europäer mit nicht minder Schmerzen
-geboren, und<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span> doch müssen sie auch sterben, todt werden müssen sie
-trotz ihrer Eiderdunen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Krankenhaeuser"><b>Krankenhäuser.</b></h3>
-
-</div>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p class="center">Das europäische, das am Mahmudiehkanal, das auf dem Ras-el-tin und
-die Observationshütten.</p></div>
-
-<p>Das <em class="gesperrt">europäische Krankenhaus</em> ist für die Europäer bestimmt, wie
-schon der Name bezeichnet. Es liegt, von kleinen Araber-Hütten auf
-der einen Seite umgeben, unweit des Frankenquartiers. Das Gebäude,
-nach europäischem Geschmack, nimmt sich für das Auge recht gut aus<a name="FNAnker_4_4" id="FNAnker_4_4"></a><a href="#Fussnote_4_4" class="fnanchor">[4]</a>.
-So weit mir ein Blick in das Krankenhaus, das wenigstens eine gute
-Verwaltung ankündigt, vergönnt war, schöpfte ich die Ueberzeugung,
-daß der Europäer in seinen kranken Tagen hier gut verpflegt wird, und
-in dieser Beziehung Europa ihn nicht mit schmerzlichen Erinnerungen
-quält. Diejenigen, welche mehr (täglich einen levantischen<span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span> Thaler)
-bezahlen, bekommen ein eigenes Zimmer, damit ihren Wünschen noch
-besser entsprochen werden könne. Was vielleicht am hemmendsten auf die
-Unternehmung einer Reise ins Morgenland wirkt, ist die Vorstellung
-von der Verlassenheit und den Scheusalen in den kranken Tagen; die
-Bemerkungen über die Krankenanstalt aber können kaum verfehlen, diese
-irrige Vorstellung zu verdrängen.</p>
-
-<p>Das <em class="gesperrt">Mahmudiehkrankenhaus</em> steht nahe am Mahmudiehkanale, den
-großen Baumwollenmagazinen gegenüber. Ehe man zum Gebäude kommt, geht
-man durch ein Gitterthor, womit eine Art Verschlag oder ein Pfahlzaun
-geschlossen wird. Der Eintritt durch diesen ist Jedermann gestattet.
-Von der Gitterthüre bis zum Krankenhause beträgt die Entfernung nur
-wenige Schritte. Den Zwischenraum kleiden, dem Auge sehr wohlthuend,
-Garten- und <a name="Wild" id="Wild"></a>Wildgewächse. Am Thore des Krankenhauses selbst stieß ich
-auf Schwierigkeiten. Der Soldat, welcher Wache hielt, wies mich zurück,
-doch nicht <a name="unsanft" id="unsanft"></a>unsanft. Ich wurde eben einen Mann gewahr der schrieb, und der mir
-ein Arzt zu sein schien. Ich redete ihn in französischer Sprache an. Es
-war ein französischer Arzt, mit Namen <em class="gesperrt">Etienne</em>, der mir sogleich
-die Gefälligkeit erzeigte, mich im Krankenhause herumzuführen.</p>
-
-<p>Von allen Krankheiten interessirte mich am meisten die<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span> egyptische
-Augenentzündung. Die daran Leidenden füllen mehrere Säle. Sie ist
-beinahe ein größeres Uebel zu nennen, als Pest und Cholera. Denn
-entweder genesen die an diesen beiden Krankheiten Leidenden, wie
-meistens, ganz, oder sie sterben &mdash; ganz. Der letztere Fall kann für
-die <em class="gesperrt">Betreffenden</em> im Grunde nicht unglücklich sein. Welch ein
-Uebel dagegen ist es, völlig blind zu werden. Von zehn Arabern wird man
-einen entweder Halb- oder Ganzblinden finden. Ich sah weniger blinde
-Weiber, als blinde Männer, und die Krankheit scheint den Erwachsenen
-feindlicher als den Unerwachsenen.</p>
-
-<p>Aus den Krankenzimmern trug ich die Ueberzeugung, daß die Leidenden,
-wo nicht auf eine glänzende, doch auf eine befriedigende Weise
-behandelt werden. Meine Erwartung ward übertroffen. Mag ein Anderer
-das Krankenhaus eine Nachäfferei der europäischen heißen, es wird in
-demselben so zu sagen Alles geleistet, was sich unter den obwaltenden
-Umständen thun läßt. Davon, wie Diät und Regimen gehalten wird, kann
-ich übrigens nichts mittheilen, wenn nicht das Wenige, daß in der
-Küche Reinlichkeit und guter Geruch mich bewillkommten. Das Haus
-ward von etlichen neunzig Kranken bewohnt. Beiläufig erwähne ich,
-daß diejenigen, welche außer dem Bette sich aufhielten, Achtung für
-<em class="gesperrt">Etienne</em> erwiesen, indem sie mi<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span>litärisch sich stellten. Ich
-konnte nicht umhin meine Glossen zu machen, wenn der Eingeborene gegen
-den Fremden sich so unterwürfig geberdete.</p>
-
-<p>Geht man zu dem Palaste des Vizekönigs, so sieht man rechts, in
-der Nähe des Residenzschlosses, ein dem Umfange nach großes, aber
-niedriges, einstöckiges Gebäude, das von Pallisaden umzingelt ist:
-wie das letzte, ein Militärspital. Es ist das <em class="gesperrt">Krankenhaus auf dem
-Ras-el-tin</em> (Feigenkap) oder das Tasikispital. Früherhin eine
-Kaserne, bildet es mehrere Höfe, und ich konnte keine regelmäßige
-Bauart wahrnehmen. In der Bade- und Dampfbadeanstalt, deren
-Pracht mich überraschte, begegnet das Auge allenthalben weißem,
-geschliffenem Marmor bis an die Kuppeln, welche von zahlreichen,
-runden, mit Glasscheiben verstopften Oeffnungen zum Einlassen des
-Lichtes durchbrochen sind. Auch dieses Krankenhaus erfreut sich einer
-Einrichtung, welche den Bedürfnissen abhelfen dürfte.</p>
-
-<h3 id="Alexandrien_Observazionsspital"><b>Das Observazionsspital oder
-die Observazionshütten.</b></h3>
-
-<p>Ich ritt eines Nachmittags dahin; allein der Arzt war noch nicht
-eingetroffen. Ich ging unterdessen zum Mahmudiehkrankenhause,
-welches, dem Meere etwas näher,<span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span> den Observazionshütten gegenüber
-liegt. <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Etienne</em> ritt eben auf einem Esel daher.
-Kaum unterhielt ich mich mit ihm, als ein Kranker plötzlich umfiel.
-Ich sagte: Es ist ein Cholerakranker. <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Etienne</em>
-verneinte, wahrscheinlich weil er glaubte, er könne mir einen Schrecken
-ersparen. Seine Geschäfte riefen ihn hinweg, und ich begab mich zu den
-Observazionshütten. Hören wir später das Weitere.</p>
-
-<p>Diese Hütten sind mit einer Pallisadirung umgeben. Man lasse aber den
-Pinsel der Einbildung fallen, welcher schöne Gemälde entwirft; zur
-Seltenheit ist ein Pfahl genau so dick, und so hoch wie der andere. Die
-Pallisadirung fesselt durch ihre Unordentlichkeit schon von weitem das
-Auge, und wenn ein Europäer das Militär noch nicht kennte, welches,
-mit dem schwarzbraunen Gesichte, zwar einen Säbel und ein Kleingewehr
-trägt, aber sonst in Wenigem einem der europäischen Krieger gleich,
-oder auch bloß ähnlich sieht, so würde er schlechterdings die Hütten
-für Alles eher, als für ein Staatsgebäude erklären. Die Pallisadirung
-wird vom Militär bewacht, und dieses läßt Niemand, wenigstens den
-Europäer nicht, durchschlüpfen. Ich wartete wenige Minuten am Gatter
-der Observationshütten, und es kam der Arzt, Herr <em class="gesperrt">Gallo</em>, ein
-Grieche, auf dem Esel geritten. Ich machte schon in einem gesel<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span>ligen
-Kreise seine Bekanntschaft, und so durft’ ich auf seine wohlwollende
-Aufnahme zählen.</p>
-
-<p>So eben trug man einen Kranken daher über die Gatterschwelle.
-Plötzlicher Lärm entstand. Die Wärter eilten mit Pestzangen herbei,
-seinen Träger zurückzustoßen. Nun wurde der Kranke auf den Boden
-gestellt; allein zu schwach, um sich aufrecht halten zu können, sank
-er auf die Erde nieder: Der nämliche Kranke, welchen ich an der
-Pforte des Mahmudiehkrankenhauses umfallen sah. <em class="gesperrt">Er war wirklich
-cholerakrank.</em></p>
-
-<p>Die Observazionshütten sind nichts, als Hütten, und zwar elende,
-fensterlose, schlecht ausgezimmerte, daß zwischen den Bretern,
-woraus die Wände bestehen, Licht eintrat, und zu einer andern Zeit
-unzweifelhaft Wind und Regen eindringen werden. Die Thüren werden
-mit einem Vorlegeschlosse gesperrt. Der Boden ist die nackte Erde,
-und <em class="gesperrt">Brutus</em> hätte nur den Spitalboden küssen dürfen, um den
-Götterspruch von Delphi zu erfüllen. Das Ganze stellt eine Art
-Dörfchen vor. Die Hütten sind dazu bestimmt, eines pestartigen Uebels
-verdächtige <a name="zu_observieren" id="zu_observieren"></a>Fälle, Pest- oder Cholerakranke, so wie
-auch kranke Sträflinge aufzunehmen. Einen schauderhaften Anblick für
-mich erregte die Kette, welche von einem Krankenbette zum andern, von
-einem Leidenden zum andern in gesenktem<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span> Halbbogen hinüberlangte. Die
-Bettstellen sind ein hölzerner Käfich, welchen ich zum ersten Male im
-Krankenhause auf dem Ras-el-tin wahrnahm. Wenige lagen nur auf einem
-Strohteppich, und auf etwas Wollenzeug, welche die Blöße der Erde
-zudeckten.</p>
-
-<p>Die erste Hütte, in die ich geführt wurde, war zur Observazion
-bestimmt. Nicht Bettstellen darf man hier suchen, noch Sönderung.
-Cholerakranke und ein von Wechselfieber Befallener waren neben einander
-auf nackter Erde ausgestreckt; einer der erstern kreuzte seine Beine
-über den andern. Im Ganzen fanden sich drei neu hereingebrachte Kranke
-zur Observazion, wovon einer als nichtcholerisch erklärt wurde.
-Ueberdieß sah’ ich noch etwa sechs andere Choleristen.</p>
-
-<p>Ich nahm die Weltcholera in den Hütten zum ersten Male wahr, und ich
-werde nun bei dieser Seuche ein wenig mich aufhalten. Man setzt in
-denselben voraus, daß die Cholera sich durch einen Ansteckungsstoff
-fortpflanze, und es werden gegen sie ungefähr die nämlichen Maßregeln
-ausgeführt, wie gegen die morgenländische Pest. Ehe Herr <em class="gesperrt">Gallo</em>
-einem Kranken den Puls fühlte, ließ er sich die Hände mit Baumöl
-begießen, ohne daß jedoch die Schuhsohlen beölt worden wären.</p>
-
-<p>Das Bild der Cholera ist dasselbe wie in Europa.<span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span> Gänzliche oder fast
-gänzliche Abwesenheit des Pulses an der Hand, die Haut kalt, über
-den Phalangen schrumpfig, wie bei einer Wäscherin, der Abgang einer
-wässerigen, weißlichen Flüssigkeit <span class="antiqua">sursum et deorsum</span>, das
-Auge gläsern, wie erstorben, der Blick stier und bedeutungslos, die
-Nase dünn und spitzig, die Löcher mit Staub, die Lippen trocken und
-bläulich, die Zunge beinahe starr und wird vom stoßweise Lallenden nur
-mit Mühe gezeigt, die Backen zu eckigen Vertiefungen eingefallen
-u. s. f. Kurz, im höhern Grade der Krankheit hat man einen lebendigen
-Todten vor sich. Der Anblick von Cholerakranken ergriff mich
-nicht besonders; denn die schwarzbraune Farbe der Araber ist nach
-europäischen Begriffen ohnehin widerlich, und sie veränderte sich nicht
-bedeutend, außer daß sie schmutziger wurde. Die Kranken schienen mir
-keineswegs auffallend zu leiden; sie gaben kein Gestöhne oder irgend
-einen Schmerzlaut von sich. Die <a name="asphyktisch" id="asphyktisch"></a>asphyktisch Cholerischen waren vom
-tiefen Schlafe trunken. Diejenigen, welche in den Hütten untergebracht
-werden, ziehen beinahe Alle das traurige Loos eines frühzeitigen Todes.</p>
-
-<p>So angenehm das Mahmudieh- und Ras-el-tin-Krankenhaus meine Erwartungen
-übertrafen, so sehr ich auch geneigt wäre, ein günstiges Urtheil zu
-fällen, so wenig kann ich der Observazionsanstalt Lobsprüche ertheilen.
-Es<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span> stellt sich in der That zwischen einer solchen und keiner Anstalt
-wenig Unterschied heraus. Dagegen lauten die Forderungen, daß gerade
-das Pestlazareth auf dem humansten Fuße stehe. Wo ist die Hülfe
-dringender, als bei Pest und Cholera? Wo ist es für einen Kranken, mag
-er selbst ein gefesselter Sträfling sein, peinlicher, als zwischen
-oder doch in der Nähe solcher Kranken, welche der ganze Rüstzeug der
-Regierung und die öffentliche Meinung der Franken für ansteckend
-ausgibt? Wie leicht werden die Erkältungen in der Regenzeit. Es ist für
-den Ruhm nicht genug gesorgt, daß man einen Obersten des Landes reich
-besolde, oder einen fremden Marschall mit Ehrenbezeugungen überhäufe,
-so lange die Noth armseliger und beladener Unterthanen aus einem
-Krankenstalle schreit.</p>
-
-<p>Nach der einmal gefaßten oder vorgefaßten Meinung von dem ansteckenden
-Karakter der Cholera sperren sich die meisten Europäer in Alexandrien
-gegen diese Seuche, wie gegen die Pest, ab. Ich kann nicht umhin,
-das völlig umgekehrte Verfahren der Kontagionisten in Europa, ins
-Gedächtniß zurückzurufen, nach welchem die Kranken selbst isolirt
-werden. Ein sicheres und das beste, aber das inhumanste, die
-Pflichterfüllung und Berufstreue schnurstracks verhöhnende Mittel,
-sich vor der Cholera zu schirmen, ist <em class="gesperrt">die zeitige Entfernung vom
-Orte, wo<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span> die Krankheit herrscht, an einen solchen, welcher davon frei
-ist</em>.</p>
-
-<p>Ebenso betrachten die europäischen Alexandriner die Pest durchaus als
-kontagiös. Sie schließen sich ihretwillen ein, doch nicht überall so,
-daß gar nicht mehr ausgegangen wird. So besorgte ein Handelsmann die
-Geschäfte außer dem Hause, in welchem seine Mitarbeiter und das Gesinde
-stets eingesperrt waren. Er stülpte unten die Beinkleider auf, beölte
-die Schuhsohlen und, mit einem großen Stocke bewaffnet, machte er sich
-auf der Gasse Bahn, damit ihn Niemand berühre. Der Araber weicht ohne
-Anstand aus. Jener Mann, den ich zum Beispiele wählte, rettete sich
-durch die Pestzeit<a name="FNAnker_5_5" id="FNAnker_5_5"></a><a href="#Fussnote_5_5" class="fnanchor">[5]</a>.</p>
-
-<p>Wenn sonst auf der Straße die häßlichsten Weiber jeden Augenblick
-erhaschen, ihr Antlitz vor dem Europäer zu verhüllen, so überraschte
-es mich, in einer der Pesthütten kranke Weiber unverschleiert zu
-sehen. Sie verriethen beim Erscheinen des Arztes, seines Assistenten
-und<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span> meiner Person nicht die mindeste Verlegenheit, und rollten ihre
-schwarzen Augen rechts und links, so oft es sie gelüstete. Unter den
-Kranken befand sich, wie sich etwa der Pariser vornehm ausdrücken
-würde, auch eine Galante.</p>
-
-<p class="center">*<span class="mleft8">*</span><br />
-*</p>
-
-<p>Die Gesundheitspolizei würde in der Stadt noch Manches aufzuräumen
-haben. Dem Garstigsten vom Menschen begegnet man an den meisten
-Orten. Ueber dem Bassar, nämlich auf den Deckbretern, häufen sich
-Unreinigkeiten fast jeder Art, die wohl selten weggeschafft werden.
-Aeser erblickte ich wenige. Wie dem auch sei, so werden immerhin einige
-Gassen gekehrt und etliche Plätze mit Wasser besprengt<a name="FNAnker_6_6" id="FNAnker_6_6"></a><a href="#Fussnote_6_6" class="fnanchor">[6]</a>. Gleichwie
-die Unreinigkeiten am Gesichte auf Nachlässigkeit und schlechte
-Gesundheitspolizei des Mikrokosmus schließen lassen, so zeigen die
-Unreinigkeiten an den Gebäuden und auf den öffentlichen Plätzen mit
-der Gewißheit der Uhr an, wie wenig sich der Staat um das öffentliche
-Gesundheitswohl bekümmere.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Katakomben"><b>Die Katakomben und der
-Pferdestall.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Hat man den Mahmudiehkanal überschritten, und ist man an den großen
-Baumwollenmagazinen vorüber, so leitet der Weg durch eine wüste Gegend,
-und bald gelangt man zu den Katakomben, welche, südwestlich von
-Alexandrien, an der Seeküste sich hinziehen. Wo das Meer in Gemächer
-fließt, heißen diese <em class="gesperrt">die Bäder Kleopatra’s</em>. Sie waren es auch
-wahrscheinlich, und jetzt noch könnte man hier mit Bequemlichkeit
-Seebäder gebrauchen. Von da ging ich in eine der vielen Oeffnungen.
-Der Eingang bildet eine geräumige Höhle, welche jetzt als Pferdestall
-dient. Am Lichte der Fackel wendete ich mich links. Ich trat in einen
-Tempel, welcher, mit sorgfältiger Hand in den Felsen ausgehauen,
-durch seinen einfachen und edeln Styl mir ungemein gefiel. Weiter
-kam ich in eine Menge viereckiger, kleinerer und größerer Gemächer.
-Bald durfte ich aufrecht gehen, bald mußte ich durch eine Oeffnung
-oder einen Gang geduckt mich durchhelfen; selbst war ich genöthiget,
-durchzuschlüpfen oder durchzukriechen. Ich hatte mich wie in einem
-Labyrinthe verloren. Der Araber, die einzige Seele mit mir, hätte mich
-an den Ort des Verderbnisses führen können, ich würde ihm nachgegangen
-oder nachgekrochen sein, wenigstens bis an die<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span> Schwelle. Die Größe
-der unterirdischen Arbeit beschäftigte in diesem Augenblicke am
-meisten meinen Geist. Ich vergaß der Schakals und Hyänen, die Herr von
-<em class="gesperrt">Prokesch</em> in den Katakomben hausen läßt. Denn ich sah nichts
-Böses, nur Alles leer, öde, ausgestorben, höchstens einige Gebeine
-herumliegen, oder ein Käuzlein auffliegen<a name="FNAnker_7_7" id="FNAnker_7_7"></a><a href="#Fussnote_7_7" class="fnanchor">[7]</a>. Ich athmete bei meinem
-unterirdischen Spazierengehen und Spazierenkriechen keine erstickende
-Luft, wie Herr von <em class="gesperrt">Prokesch</em> (I. 23). Allerdings fühlte
-ich Hitze, doch keine drückende. An den Wänden konnte ich weder
-Zeichen, noch Farben finden.</p>
-
-<p>Wer mochte wohl die Katakomben geleert, geraubt, entweiht haben? Wie
-sehr sind die Religionsformen der Wandelbarkeit unterworfen. Mit saurer
-Mühe brach man einst die Zellen in den Felsen, mit religiöser Verehrung
-setzte man die Todten bei; nun ist Alles Heilige aus den heiligen
-Oertern entwichen, und es fehlt dem Araber nur noch der Geldreiz, daß
-er seinen Auswurf nicht in den Zellen aufhäuft. Mich beschämte der
-Gedanke, wie viel<span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span> mehr Ehre die Alten den menschlichen Ueberresten
-erwiesen haben, als unsere Zeitgenossen bezeugen. Vielleicht würden
-sie, wenn sie wieder lebendig wären, uns der Unmenschlichkeit oder
-des Barbarismus beschuldigen, weil wir den Leichen so wenig Rechnung
-tragen, daß sie in unlanger Zeit spurlos verschwinden, und auch nicht
-<em class="gesperrt">einen</em> Haltpunkt des Andenkens darreichen, etwa mit Ausnahme der
-Leichenbeine, welche, unter Zerstörung des Individualitätswerthes,
-herumgeworfen, oder in der größten Unordnung aufgestapelt werden.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Nadeln_der_Kleopatra"><b>Die Nadeln der Kleopatra und
-der Flohfänger.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Hart am neuen Hafen sieht man die Nadeln oder Obelisken der
-<em class="gesperrt">Kleopatra</em>, den einen stehen und den andern liegen. Ich näherte
-mich dem stehenden Obelisken von der Südseite. Ich erblickte einen
-verwitterten Stein. Ich wendete mich um, die Ostseite zu besehen.
-Gleicher Anblick. Wie ich mich gegen die Nordseite wendete, siehe, da
-saß am Schatten des Obelisken ein nackter, erwachsener Mann, welcher
-die Nähte seines Hemdes durchspionirte und an dem Todschlage oder
-Toddrucke eines gewissen Missethäters wahrscheinlich eben so sehr sich
-ergötzte, als ich mich an den Obelisken. Daß es ernsthaft zuging, mußte
-ich daran merken, daß der neue Adam kaum auf<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span>schaute, und ein daneben
-sitzendes Mädchen in aller Unschuld ihn in seinen Bestrebungen bestens
-unterstützte.</p>
-
-<p>Ist es nicht eine halbe Gotteslästerung, daß man vor einem so erhabenen
-Denkmale, welchem die Seele in edler Begeisterung zugelenkt wird, ein
-Scheusal von Prosa auskramt? In der Natur ist aber überall Gegensatz
-&mdash; neben dem Erhabenen das Niedrige, neben dem Edeln das Unedle.
-Wenn wir uns dergleichen erhabene Monumente vorstellen, so dichtet
-freilich unsere Einbildungskraft Allem um sie herum den Anstrich
-des Erhabenen an; es dürfen keine lumpige oder entblößte Leute in
-ihrer Nähe herumstehen, herumwandeln oder herumsitzen, sondern nur
-edle, halbverklärte Geister müssen herumschweben. Wie denn von jeher
-das Große, Erhabene und Edle seine Verächter und Spötter fand, so
-wiederholt sich diese Verachtung und dieser Spott im Angesichte der
-Obelisken. Kann man sich wohl eine größere Verachtung oder einen
-ironischern Spott auf ein Werk, welches die vereinte Anstrengung so
-vieler Menschen kostete, denken, als einen Flohfänger, der von aller
-Pracht <em class="gesperrt">nichts</em> wollte, <em class="gesperrt">als den Schatten</em>? Ein solches
-Schauspiel gewinnt selbst höhern Sinn in poetischer und politischer
-Beziehung.</p>
-
-<p>Schon beherrscht mein Auge die Nordseite des Obelisken. Diese hat
-sich mit den Hieroglyphen noch in gu<span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span>tem Zustande erhalten; so auch
-die Westseite. Der Obelisk besteht aus rothem Granit und erhebt sich
-siebzig Pariserfuß. Nicht durch seine Größe, noch durch seine Form
-macht er Eindruck, sondern man betrachtet diesen Stein erst mit rechter
-Aufmerksamkeit, wenn man weiß, daß er ein einziges Stück und ein sehr
-altes Geschichtbuch ist. Die Sache beim Lichte besehen, bewundern
-wir nicht den Stein selbst, sondern einzig den ihm aufgeprägten
-Geist der Menschen. Sonst dürften wir jede Handvoll Erde, die so gut
-ein Alterthum ist, wie der Obeliskenstein selbst, in die Liste der
-Denkwürdigkeiten aufzeichnen.</p>
-
-<p>Der zweite Obelisk <em class="gesperrt">liegt</em> gleich neben dem stehenden. Die Hälfte
-bedeckt der vielmächtige Sand; die andere verzeigt Hieroglyphen. Die
-Engländer sollen ihn umgestürzt haben, in der Absicht, denselben
-nach ihrem Vaterlande zu bringen, wovon sie bloß die Berechnung des
-kostspieligen Transportes abgehalten hätte. Der Luxor wurde in der That
-von den Franzosen freundlicher behandelt.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Pompejussaeule"><b>Die Pompejussäule und die
-Schandsäule.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Man hat mir so viel von der Pompejussäule vorgeschwatzt, daß ich sie
-zuerst nicht sehen wollte. Ich stand lieber still bei den Kameelen, in
-dem Bassar und zu auf<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span>merksam bei den elenden, beinah mehr mit Ketten,
-als mit Kleidern bedeckten Sträflingen.</p>
-
-<p>Die Säule wurde zu Ehren des Kaisers <em class="gesperrt">Diokletian</em> errichtet.
-Die Statue steht nicht mehr. Die Engländer, welche 1776 den Schaft
-bestiegen, und auf dem Fußgestelle eine Schale Punsch tranken,
-entdeckten noch einen Fuß. Die Säule ruht auf einer vortheilhaft
-erhobenen Stelle im Süden der Stadt. Gleich an ihrem Fuße breitet
-sich ein Leichenacker aus, auf welchem ich die Turbane durchmusterte.
-So eben lag eine, in ein blaues Tuch gewickelte Leiche auf einer
-Bahre, neben Weibern ohne Klage, während gegraben wurde. An manchen
-Orten Europens hat man das Grab im Vorrathe, und hier muß die Leiche
-darauf warten. Um keine Verletzung der Sitten und Gebräuche mir zu
-Schulden kommen zu lassen, stieg ich vom Esel und ging zu Fuß querein
-durch den Leichenacker. Der Treiber wollte den Esel mir nachführen;
-allein er wurde angewiesen, mit dem Thiere den Weg um das Leichenfeld
-einzuschlagen. Man mußte dießmal von der Ansicht geleitet worden
-sein, daß der Esel nicht würdig wäre, auf den Gräbern der Menschen zu
-wandeln. Mit dem Purismus ist es aber eine kitzliche Sache; immer und
-immer wirft er den Fallstrick des Widerspruchs vor. Läßt man jetzt den
-Esel nicht <em class="gesperrt">über</em> die Gräber traben, so ver<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span>senkt man vielleicht
-später Ungeziefer in die Gräber. Ich muß es ganz herausbrocken; sonst
-haben die Worte keine Kraft.</p>
-
-<p>Vom Leichenacker aus gesehen, prangt die Säule des <em class="gesperrt">Pompejus</em>
-als ein großartiges Denkmal, auf welchem das Auge mit Lust weilt. Die
-ganze Höhe der Säule, nämlich des Schaftes mit Knauf und Piedestal,
-mißt 98 Pariserfuß. Der Schaft besteht aus einem einzigen Stücke rothen
-Granits. Billig staunt man darüber, wie ein 68 Pariserfuß langer und
-7 bis 8 Fuß im Durchmesser haltender Stein (der Schaft) gebrochen,
-fortgeschafft, ausgearbeitet und aufgestellt werden konnte.</p>
-
-<p>Das Verdienst, daß die Säule noch aufrecht steht, verdankt sie dem
-Umstande, daß sie von stummem Stein und schwer ist. Wäre sie mit
-<span class="antiqua">D. O. M.</span> überschrieben gewesen, so würde sie wahrscheinlich
-zerstört worden sein, wie die Alexandriner-Bibliothek, deren Verlust
-einer der unersetzlichsten für die Menschheit genannt werden darf.
-Es erregt Abscheu im höchsten Grade, daß die Leidenschaften der
-Menschen schadenfroh zerstören, was Andere Schönes und Erhabenes
-mühsam zu Stande brachten, und nichts vermag mehr, den Hochmuth
-unseres Zeitalters zu beugen, als die Betrachtung, daß die gleichen
-Leidenschaften den<span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span> Krieger ohne Aufhören in den barbarischen Kampf
-rufen, in welchem so manches unschuldige Leben verblutet.</p>
-
-<p>Reisende, welche die Säule bestiegen, bezeichneten diese mit ihren
-Namen. So viel Namen; so viel Entweihungen, so viel Beschuldigungen der
-Eitelkeit, so viel Stoff zum Aergernisse. Man würde sich scheuen, einen
-altrömischen Kriegsmann in eine Pariser-Jacke zu zwingen, aber die
-gleiche Thorheit an der alten, ehrwürdigen Säule zu begehen, trägt man
-kein Bedenken.</p>
-
-<p>Bei der Pompejussäule genießt man eine schöne Aussicht auf Stadt und
-Land, Gärten und Wüsten, Hafen und Meer.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Nachgrabungen"><b>Die Nachgrabungen.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Wenn auch nicht das wissenschaftliche, so regt sich ein anderes
-Interesse, welches die Nachgrabungen im Schutte veranlaßt.
-<em class="gesperrt">Ibrahim-Pascha</em> will neue Bauwerke, und so läßt er die von den
-längst entschwundenen Vorfahren gemeißelten Bausteine aus dem Schutte
-heraufholen. Daher sieht man an den im modernen Style sich erhebenden
-Gebäuden Steine aus der grauen Vergangenheit, die man bloß zurechtsägt,
-damit sie sich desto besser in die lästige Gegenwart fügen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span></p>
-
-<p>Ich sah zwei Schachte, in denen man Nachgrabungen anstellte, und meine
-Aufmerksamkeit wurde doppelt angespannt: in den Rahmen der neuen Welt
-waren die Arbeiter und die Behandlung derselben, so wie die Art und
-Weise in Verrichtung der Arbeit u. s. f., in denjenigen der alten Welt
-die Antiquitäten gefaßt. Wenn die lebensreiche Jetztwelt mich mit
-größerer und unwiderstehlicherer Macht zu ihr hinreißt, so wolle der
-Vorweltler mir nach Herzenslust grollen, aber nur nicht eher, als bis
-er sich den Alterthumsschlaf aus den Augen gerieben hat. Es standen
-zwei Aufseher da, ein Grieche, ein dem Anscheine nach unwissender
-Mensch, und ein farbiger Mohammetaner. Beide hielten Peitschen in
-den Händen. Mich empörte es, wie der letzte ein etwa zwanzigjähriges
-Mädchen, welches eine ungemeine Lebhaftigkeit zeigte, und seine Arbeit
-mit Gesang begleitete, liebkosete, und später ihm mit der Peitsche
-aufmaß, so daß es entsetzlich schrie, freilich nicht ohne Verstellung.
-Mehr noch, als das Schlagen ärgerte mich, daß man es duldet. Schimpft
-nicht auf die Tyrannen, aber auf diejenigen, welche sie leiden. Wenn
-die Leute nicht in eine Art thierischer Unterwürfigkeit versunken
-wären, wenn bei ihnen die Selbstachtung nicht gleichsam erloschen wäre,
-so würde bald eine andere Saite aufgezogen sein. Die Europäerin meint
-nun zum allermindesten, daß jenes<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span> egyptische Mädchen vom bittersten
-Zorne und Hasse gegen den Aufseher ergriffen wurde. Nichts weniger,
-als dieß. Kaum schien der Schmerz ausgesumset zu haben, so kehrte
-die frühere Fröhlichkeit zurück, und man konnte aus dem freundlichen
-Benehmen des Aufsehers gegen das ihm wieder freundlich zulächelnde
-Mädchen deutlich schließen, daß nach der Arbeit zwischen diesen zwei
-Leutchen ein herzlicheres Verhältniß obwalten müsse.</p>
-
-<p>Fast ganz nackte Männer hoben den Schutt hervor; man dürfte wohl sagen,
-ganz nackte, weil so nichts vor den Blicken verborgen war, indem die
-Lumpen bald diesen, bald jenen Theil kümmerlich verhüllten. Ich war an
-den Anblick solcher Leute noch nicht gewöhnt; allein die kleineren und
-größern Mädchen schienen das nicht zu beachten, was in der Meinung des
-Europäers die Wohlanständigkeit so tief verletzen würde. Der Schutt
-wurde in, aus Dattelblättern geflochtene, kleine, runde Körbe geworfen,
-und so auf dem Kopfe weggetragen. Zugleich richteten es die Lastträger,
-um sie scherzweise so zu nennen, gar fein ein, dergestalt, daß der eine
-auf den andern warten konnte, damit ja wieder einige Augenblicke in
-süßem Nichtsthun dahinfließen. Man las auf den Gesichtern der Arbeiter,
-und auch alle ihre Bewegungen verriethen es, daß nicht die mindeste
-Lust zur Arbeit sie beseelte, und daß sie ledig<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span>lich aus Furcht vor
-der Gewalt oder aus Zwang sich dazu anschickten. Viele in Alexandrien
-wohnende Europäer hegen die Ueberzeugung, daß ohne Peitsche und Stock
-der Araber von seinem Hange zum Müßiggange nicht loszurütteln und
-zur Arbeit zu bewegen wäre. So bald er etwas erspart habe, behaupten
-sie, lege er sich auf die Bärenhaut, und verthue oder vergeude wieder
-Alles. Uebrigens sorgt der Pascha mit väterlicher Theilnahme dafür,
-daß die Arbeiter nicht zu viel Geld in die Hände bekommen; denn die
-30 bis 40 Para, welche er ihnen täglich in die Hand <em class="gesperrt">preßt</em>,
-reichen kümmerlich für die allernothwendigsten Bedürfnisse hin. Würden
-<em class="gesperrt">Mehemet-Ali</em> und <em class="gesperrt">Mahmud</em> den abendländischen Fürsten darin
-nachahmen, daß sie, statt der Chiffres, ihre Köpfe auf der Silbermünze
-abprägen ließen, sie dürften gewiß nicht besorgt sein, daß sie in den
-Händen dieser egyptischen Arbeiter rothe Backen bekämen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Leute"><b>Leute. Bevölkerung.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Auf den Straßen ist es ungemein lebhaft. Die Budengassen (Bassar)
-sind theilweise gedrängt voll. Man darf sich mit Recht wundern,
-daß, bei allem Gedränge, die in ein bloßes Hemde gekleideten
-mohammetanischen Weiber den Franken selten berühren. Die bunte Kumpanei
-von so verschiedenen Menschen mit ihren abweichenden Sitten<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> und
-Religionsformen, der bunte Wechsel von so verschiedenen Thierarten,
-als von Kameelen, Büffeln, Eseln, Pferden, hin und wieder das Knarren
-von Lastkarren (welche der Regierung gehören) wirkt beinahe betäubend.
-Nirgends traf ich mehr Getriebe und mehr Rührigkeit, als im Arsenale
-und in den Schiffswerften. Tief in die Nacht dauert der Lärm, und wenn
-das Getümmel der Menschen verstummt, so erhebt sich das Gebell der
-herrenlosen Hunde. Schwerlich wird dem Schlaflosen je eine feierliche
-Stille vergönnt.</p>
-
-<p>Der arabische Alexandriner ist eine wahre Lärmtrompete. Er lernt laut;
-arbeitet er, so singt er. Wenn dreißig bis vierzig Arbeiter eine Last
-heben, so tönt nicht unangenehm für das Ohr der Chor der Menge, welcher
-dem Solo des Kommandirenden antwortet. Alle die Lärmereien sollen eine
-religiöse Bedeutung haben. So rufen die Mohammetaner gar oft ihren
-Propheten an, der auch <em class="gesperrt">Hamma</em> heißt.</p>
-
-<p>Ueber die Bevölkerung der Stadt konnte ich nichts Zuverlässiges
-in Erfahrung bringen. Jährlich sollen, nach einem eben so gut
-unterrichteten, als angesehenen morgenländischen Bewohner Alexandriens,
-im Durchschnitte dreitausend Menschen sterben. Es leidet kaum einen
-Zweifel, daß die Sterblichkeit in Alexandrien, dessen Lage allgemein<span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span>
-für ungesund gehalten wird, groß ist. Lassen wir, wie in Rußland, den
-fünfundzwanzigsten Theil der Bevölkerung jährlich sterben, so erhalten
-wir eine Gesammtheit von fünfundsiebzigtausend Menschen. Jedenfalls
-steigt die Einwohnerzahl weit höher, als man sie in Europa glaubt.
-Uebrigens hat sie durch die letzte Pest (1834/5) bedeutend abgenommen,
-obwohl man, wie man mich versicherte, am Gedränge in den Gassen keinen
-Unterschied bemerke. Nach den Einen sollen unter dem Todesstreiche
-der letzten Pest 13,000, nach Andern selbst 20,000 Menschen gefallen
-sein. Man muthmaßt, daß die Regierung geflissentlich die Zahl der
-Gestorbenen minder groß (etwa 11,000) angab, und man will bestimmt
-wissen, daß manche in den Hütten an der Pest Verstorbene gleich unter
-denselben in die Erde verscharrt wurden, weil die Gesundheitspolizei
-gegen verpestete Hütten sogleich zu Maßregeln schritt, welche den
-Araber belästigten. Die Bevölkerung Alexandriens gleicht einem
-Polypen. Schneidet man ein Stück davon, alsbald wird das Verlorene
-wieder ergänzt. Wenn die arabische Bevölkerung der Stadt auch viel
-einbüßt, so wird der Verlust doch wieder in kurzer Zeit ersetzt,
-theils weil das arabische Weib gerne und leicht Kinder bringt, theils
-weil vom Lande immerfort Lückenbüßer einrücken. Es mag nebenbei die
-Bemerkung nicht überflüssig erscheinen, daß der<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span> Pascha seine Stärke
-in der größtmöglichen Vermehrung seiner Unterthanen sucht. Er thut
-ihr daher jeden Vorschub. So darf ein Seesoldat nicht ans Land gehen,
-wenn er kein Weib nimmt. Wie wenig wurzelfest ein solches Prinzip
-sei, könnte er von unsern Lehrern der politischen Oekonomie lernen.
-Hohl und trügerisch ist der Gewinn für das Ganze, wenn die Zunahme
-und der Verlust der Bevölkerung in gleichem Grade steigen. Eine klein
-scheinende Sache ist manchmal von großer Wichtigkeit, und hier <em class="gesperrt">die
-Erhaltung der Bevölkerung</em>, und wollte der Pascha nach diesem Ziele
-ringen, so könnte er nicht nur über die gleiche, sondern selbst über
-eine intensiv stärkere Bevölkerung gebieten, sich nicht nur einen
-Theil seiner Laufbahn von Dornen säubern, sondern auch Andern tausend
-Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten, tausend Kümmernisse und Seufzer
-ersparen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Beschneidung"><b>Der Ritt zur Beschneidung.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Was ist das für ein Reuter dort auf stolzem Rosse, den Bassar
-durchziehend? Was für eine gellende Musik? Was für ein rufendes,
-wogendes Menschengedränge, aus dem &mdash; Salz gegen das Roß anstäubt?
-Ach, eine Komödieankündigung; mit solchen Ausposaunungen füllt man die
-Ohren in allen Krähwinkeln der Welt. O Wahnsinn,<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span>
-<a name="welcher" id="welcher"></a>welcher dergleichen
-verdeutet! Das wohlaufgeputzte Kind, welches der Reuter auf dem Schooße
-hält, ist ein mohammetanischer Knabe, mit dem man an den Ort reitet, wo
-die Beschneidung vorgenommen werden <em class="gesperrt">soll</em>. Freilich <em class="gesperrt">soll</em>,
-<em class="gesperrt">muß</em> u. s. f., mögen nun seine Augen triefen von Krankheiten und
-naß sein vor Wehmuth. Was &mdash; Wehmuth? Sein Weinen hört man ja nicht,
-weil das Ohr von Pauken und Tambour und Schalmeien übertäubt wird.</p>
-
-<p>Die Mohammetaner halten auf der Beschneidung sehr viel. Erst wenn der
-Knabe beschnitten, ist er ein Moslim (Rechtgläubiger). Die Großen
-begleiten dieselbe mit sehr viel Gepränge. Die Beschneidung des
-nachherigen Sultans <em class="gesperrt">Mehemet</em> dauerte vom 21. Mai bis zum 30.
-Brachmonat 1582. Die abgeschnittene Vorhaut wurde in einer goldenen
-Schale der Mutter des Sultans, und das Barbiermesser blutig der
-Großmutter zugeschickt. Wenn man damit zugleich die Rohheit der
-türkischen Sitte bezeichnen möchte, so versteht sich von selbst, daß
-auch <em class="gesperrt">Sauls</em> Forderung (1. <em class="gesperrt">Samuel</em>, 18, 26 und 27) in der
-Vorderreihe roher Sittenzüge steht.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Primarschule"><b>Primarschule.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Du gehst auf den Gassen. Du hörst einen Lärm, ein Brumsen und Sumsen.
-Auf einmal erblickst du eine Menge<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span> Kinder, die in einer offenen, über
-die Gasse nur wenig erhöheten Bude hocken<a name="FNAnker_8_8" id="FNAnker_8_8"></a><a href="#Fussnote_8_8" class="fnanchor">[8]</a>, den Körper vor- und
-rückwärts bewegen, eine weiß bemalte, hölzerne Schreibtafel in der Hand
-halten. An einer Wand hockt der Schulmeister, und macht mit seinem
-Körper eben so komische Bewegungen. Er lehrt und ißt Bohnen zu gleicher
-Zeit.</p>
-
-<p>Das ist eine Kinderschule. Nirgends sah ich die fröhliche
-Ausgelassenheit der Kleinen in höherm Grade als hier.</p>
-
-<p>In Alexandrien gibt es mehrere Schulen. Ich glaube nicht, daß sie
-gesetzlich bestehen. Weil in den Schulen die Religion nach dem Koran
-gelehrt wird, so schickt der Mohammetaner aus religiösem Eifer die
-Kinder in dieselben. Der Schreiber wird unter dem Volke sehr geachtet.
-Mädchen nahm ich unter den Schülern nicht wahr.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Zeichenschule"><b>Die Zeichenschule.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Ich begegnete im Arsenale einem Europäer, den ich um Auskunft fragte.
-Sein Aeußeres wollte eben nicht viel<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> versprechen. Mit zuvorkommender
-Gefälligkeit führte er mich in ein Zimmer, wo etwa zwanzig ältere
-Zöglinge zeichneten, davon mehrere schon an zwei Weiber verheirathete.
-Mein Führer, aus Marseille gebürtig, stand der Schule, die er erst
-vor kurzem gegründet hat, selbst vor. Die Araber saßen auf Bänken vor
-Tischen, und die Muster lagen oder hingen vor ihnen. Mir schienen
-die Zöglinge Eifer an den Tag zu legen, und ihre Arbeiten, Laub- und
-Blumenwerk, z. B. für Tapeten, geriethen nicht übel. Der Zeichenlehrer
-eröffnete mir, daß der Araber viel Talente besitze, daß er aber zu sehr
-Schlaraffe sei, um sie anbauen zu wollen. Er bestätigte, was ich von
-Andern vernahm, daß er denselben nur durch strenge Zucht zur Arbeit und
-zum Fortschritte bringe. Von Stockschlägen faselte der Franzose ganz
-geläufig, als wäre er mit ihnen aufgewachsen. Der Mangel gründlicher
-Kenntniß in der arabischen Sprache stellt dem Lehrer viele Hindernisse
-in den Weg. Indessen bemüht er sich eifrig, diese Sprache in seinen
-Besitz zu erlangen, damit seine Mittheilungen leichter werden. Da der
-Lehrer selbst nicht gar viel Zeit im Schulzimmer zubringt, so sucht
-er sich durch eine Art <em class="gesperrt">Lancasterschen</em> Unterrichtes zu helfen.
-Während seiner Abwesenheit vertritt der beßte Zögling die Stelle eines
-Lehrers. Die Lehrlinge werden im Ganzen strenge gehalten.<span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span> Des Mittags
-dürfen sie nicht ausgehen, und sie speisen im Zimmer. Eben hockten zwei
-auf dem Boden, und langten mit ihren Fingern eine Art Brei aus einem
-großen Teller heraus.</p>
-
-<p>Der Pascha verbindet mit dieser Schule offenbar den Zweck, sich von
-<a name="Abendlaender" id="Abendlaender"></a>dem Abendländer mehr und mehr unabhängig zu machen. Vielleicht sind
-die goldenen Tage des letztern in Egypten vorüber, so bald er den
-Pascha und seine Leute einen solchen Schatz gelehrt haben wird, daß die
-Anleitung und die Mithilfe des Fremdlings entübrigt werden können.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Weiberhaendel"><b>Weiberhändel.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Zum Troste der Europäerinnen gibt es auch in Afrika Weiberhändel.</p>
-
-<p>Ich lag unter dem Fenster, über einem Bassar. Auf einmal wendete sich
-eine Mohrin kreischend und, mit einem Schäufelchen drohend, rasch
-gegen einen Türken. Das Weiße des Auges gegen die Schwärze der Haut,
-wie das Licht gegen den Schatten, abstechend, warf den lebhaften Glanz
-der Gemüthsbewegung. Der Türke stand in stolzer Ruhe; fest heftete er
-seinen Blick an das Weib. Auf einmal fiel ein minder schwarzes Weib der
-ersten in diejenige Hand, welche das Schäufelchen hielt. Die Weiber
-wett<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span>eiferten mit Lärmen. Was für ein Ende wird der Auftritt noch
-nehmen? Wie treffen doch die zierlichen Europäerinnen und die plumpen
-Afrikanerinnen den gleichen Punkt, ob auch nicht so <em class="gesperrt">haargenau</em>;
-denn in Europa raufen sich Weiber die Haare, hier dagegen greifen sie
-nicht nach dem Kopfe, sondern halten sich einander die Hand, oder
-kneipen und reißen an den Kleidern. Daß die auf einander erbosten
-afrikanischen Damen mehr nach dem in der Gemüthsaufwallung gepreßten
-Herzen greifen, ist es etwa instinktmäßiger? Ich glaube nicht, daß,
-wenn es keine Männer gäbe, die Welt aussterben, sondern bloß, daß die
-übrig bleibenden Weiber von einander aufgerieben würden, nämlich zuerst
-die guten von den bösen, dann die bösen von den bösesten. Und das habe
-ich nicht nur schon im Stillen gedacht, sondern ich wollte es auch vor
-Männiglich sagen, wozu es freilich keines Muthes bedarf; denn sollte
-ich mit meinem harten Urtheile irgend eine Schöne zum Zorne aufregen,
-so bin ich überzeugt, daß sie sich selbst, im Schmucke desselben, vor
-dem Mann mißfiele, und daß sie ihn viel lieber an einer schwachen
-Mitschwester entlüde.</p>
-
-<p>Es kam, um zu unserm Spektakel zurückzukehren, Polizei dazwischen,
-und so nahm der Handel flugs ein Ende. Natürlich wurde ich an der
-Fortsetzung meiner nicht ganz unangenehmen Beobachtung gestört.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Geld_und_Geldnoth"><b>Geld und Geldnoth.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Eine englische Guinee gilt 100 Piaster (Krusch); 40 Para (Medi)
-machen einen Piaster aus. Beiläufig 8 Piaster kommen einem Gulden
-Reichswährung gleich. Die egyptischen Goldmünzen sind 10, 9, 4 und 3
-Piasterstücke. Diese letztern empfehlen sich wegen ihrer Kleinheit
-wenig. Man darf ordentlich auf der Hut sein, um sie nicht zu verlieren.
-Die Silbermünzen sind 1, ½, ¼ und ⅛ Piaster, selbst ein Para. Es
-gibt übrigens auch ¼, ¼ Piaster und 1 Parastück in Kupfer. Dieß die
-Hauptmünzen. Man könnte wohl noch mehr angeben, wenn man weitläufiger
-sein wollte.</p>
-
-<p>In Alexandrien ist Noth an Scheidemünze, so daß bisweilen für das
-Wechseln von 4 Piaster in Gold ohne Anstand 10 Para abgezogen werden.
-Ich war einmal genöthigt, einem Araber, der meine Sprachen nicht besser
-als ich seine verstand, so viel Para zu bezahlen. Anfänglich glaubte
-ich freilich hintergangen worden zu sein, weil eine so beschaffene
-Ordnung von Unordnung mich allzusehr befremdete. In Kaffee- und
-Wirthshäusern tritt gewöhnlich der Fall ein, daß man nicht quitt
-rechnet. Bald bleibt der Wirth, bald der Gast schuldig. Einmal konnte
-der Wirth mir keine kleine Münzen zurückgeben, und erklärte, mit
-An<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span>nahme der Zahlung zu warten. Wie staunte ich über das gastwirthliche
-Zutrauen, welches das Morgenland so lieblich verkündiget. Man fasse
-sich wohl, dieses Zutrauen ging auf den Stelzen der Münznoth. Ein
-andermal blieb ein Kaffeewirth, aber ein Grieche, mir eine Kleinigkeit
-schuldig. Die Begehr nach Scheidemünze fällt, wenigstens dem Fremden,
-ungemein beschwerlich; man muß gleichsam auf dieselbe Jagd machen,
-indem man jede Gelegenheit auffängt, um eine größere Münze auszugeben,
-die beim Umwechseln kleinere zurückwirft. Dazu kommt noch eine andere
-Unbeliebigkeit, daß schwierig zu erkennende falsche, oder gebrochene
-und beschädigte Münze im Umlaufe ist, welche nicht angenommen wird.</p>
-
-<p>Zählen wir doch nichts zu den Unmöglichkeiten. Vielleicht rührt die
-Scheidemünznoth vom <em class="gesperrt">Kometen</em> her, den ich in Egypten gerade zum
-ersten Male, als einen hübschen, langen Schweif, in der nördlichen
-Himmelsgegend zur Sicht bekam. Im Kaffeehause erregte diese Erscheinung
-plötzlich ernstes Rufen, lautes Lärmen, eiliges Laufen, anders nicht
-fürwahr, als wäre Feuer ausgebrochen. Wenn der Schwanzstern nun
-dieses zu bewirken, und, wie es denn bekannt ist, Krieg und Pest
-heraufzubeschwören vermag, wie soll er die Leute nicht auch in die
-Klemme des kleinen Geldes treiben können? Uebrigens bin ich selbst
-froh, daß die<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span> Sterngucker den Spaß dort ungefähr errathen haben; denn
-mich bangte nicht wenig, der Komet werde gar ausbleiben, dieweil er aus
-dem Wirrwarr der Himmelspropheten sich etwa nicht herauszufinden wisse,
-die in der Festsetzung des Tages oder der Nacht für das Stelldichein so
-nicht einig werden wollten oder konnten.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Schiff_der_Wueste"><b>Das Schiff der Wüste.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Auf Alexandriens Boden reichten auch die vielen Kameele meiner
-Neugierde Nahrung dar. Zu Lande werden meist auf dem Rücken dieser
-Vierfüßer die Lasten fortgeschafft. Wie ein Faden spinnt sich eine
-lange Reihe von Kameelen oft mitten durch das Menschengedränge in den
-Gassen, eines hinter das andere gebunden. In ein weitfenstriges Netz
-von Stricken werden größtentheils die Lasten aufgeladen; so Steine, so
-Säcke, so Anderes. Das hohe Kameel bewegt sich in gemessenen langen und
-eher langsamen Schritten, während der niedrige Esel mit seinen kurzen
-Füßen trippelt. Der Fuß des Kameels ist wie das Pendul einer Thurmuhr,
-der Fuß des Esels wie dasjenige einer Taschenuhr. Und noch mehr
-Gegensatz. Das Kameel ernst, der Esel flatterhaft; das Ohr des großen
-Kameels klein, des kleinen Esels groß. Es macht Spaß, diese zwei Thiere
-neben einander zu sehen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Anleitung"><b>Anleitung für den Reisenden.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Langt man im Hafen an, so fährt der Kapitän in seiner Schaluppe ans
-Land. Ergreift man nicht gleich diese Gelegenheit, so holt man später
-auf einer der Barken, die im Hafen jederzeit bereit liegen, die
-Effekten, höchstens für einen Piaster. Zu Lande wird das Gepäcke von
-den Mauthbeamteten untersucht, welche einen Piaster von mir forderten.
-Ein Lastträger bringt für einen Piaster das Gepäcke bis ins Logis. Eine
-größere Last würde man am beßten auf Esel oder auf Kameele laden, und
-auch auf letztern kostet die Fortschaffung des Gepäckes nicht viel.
-Ehe ich das Zimmer im Wirthshause zu den drei Ankern (welches sonst
-dem kostspieligeren zum goldenen Adler nachgesetzt wird) bezog, fand
-ich mich mit dem Wirthe ab. Das Zimmer war geräumig, mit der Aussicht
-auf einen Bassar, das Bett rein; die Flügelthüren mußten mit einem
-Vorlegeschloß gesperrt werden.</p>
-
-<p>Mein Paß war von der Polizei in Triest mit nicht mehr Umständlichkeiten
-nach Alexandrien visirt, als reisete ich von dort nach Venedig, und der
-Kapitän händigte am Orte der Bestimmung ihn selbst dem österreichischen
-Konsul ein. An das Reisen nach Egypten binden sich überhaupt keine
-polizeiliche Schwierigkeiten. Nachdem mein Paß in<span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span> meinem Kantone
-ausgefertigt war, wurde er einzig dem österreichischen Gesandten bei
-der schweizerischen Eidgenossenschaft zum visiren übersandt, weil ich
-in Europa keinen andern als österreichischen Boden beschreiten wollte.
-Die Polizei abgerechnet, fiel er hier weder in die Hände eines Konsuls,
-noch sonst Jemandes. Als ich mich beim österreichischen Konsulate in
-Alexandrien anmeldete, eröffnete es mir, daß es mir den Paß nach Kairo
-unterschreiben werde, wenn ich hinauf reisen wolle, und daß ich ihn
-dann abholen könne. Das Visum erhielt ich „gratis“, und ich mußte nur
-einem egyptischen Angestellten, welcher sich auf der Konsulatskanzlei
-befand, für einen Vorweis bei der Douane am Mahmudiehkanale einen oder
-zwei Piaster, so wie den Douaniers selbst, welche auf eine den Fremden
-sehr belästigende Weise die Effekten durchsuchen, wiederum einen
-kleinen Tribut bezahlen. Manche bedecken den Statthalter mit Ruhm wegen
-seiner Liebe zu den Abendländern, und die gleichen Abendländer dürfen
-bloß den Fuß auf Egypten setzen, und er benützt, wie es am Tage liegt,
-jede Gelegenheit, um ihnen das Geld aus der Tasche herauszudrücken.
-Als Arzt hatte ich nur meine nothwendigsten Effekten mit einer Zugabe
-weniger Arzneien bei mir, und demungeachtet mußte ich den Inhalt des
-Felleisens in Alexandrien zweimal untersuchen lassen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span></p>
-
-<p>Wer sich mit Empfehlungsschreiben versieht, thut wohl daran. Die
-meinigen leisteten mir wesentliche Dienste, was ich auch dankbar
-anerkenne. Ich stellte mir etwas schwer vor, daß ich, als Ankömmling
-auf Afrika, in Mitte arabischer Zungen mich zurecht finden werde. Mein
-Erstes war, durch einen Araber geführt, meine Empfehlungsschreiben
-an einen Schweizer aus Schaffhausen abzugeben. Ich fand ihn &mdash; einen
-Freund; ich fühlte mich in seiner Nähe so traulich wie zu Hause. Er
-ertheilte mir zu Allem Anweisungen, deren ich so sehr bedurfte. In
-der Gesellschaft der Herren <em class="gesperrt">Ott</em>, <em class="gesperrt">Wehrli</em>, <em class="gesperrt">Wyß</em>,
-Korvettenkapitäns <em class="gesperrt">Baumgartner</em>, welche Schweizer sind, und des
-Oberarztes der Marine, <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Koch</em> aus München, hatte ich
-erfreuliche Gelegenheit, die nöthigen Erkundigungen einzuziehen.</p>
-
-<p>Wenn man einen entferntern Gegenstand besehen will, so bedient man
-sich am beßten eines Esels. Fiacres gibt es gar nicht und im Ganzen
-äußerst wenig Gefährte. Man kann aber auch zu Fuß gehen, was ich
-meistens that, und selten wurde ich von den Eseltreibern bestürmt.
-Diese fangen eigentlich nur an, in Jemand zu dringen, oder sich in
-den Weg zu stellen, und ihn so aufzuhalten, wenn sie ihm anmerken,
-daß er einen Esel sucht. Alsdann ist er augenblicklich von zwölf- bis
-zwanzigjährigen Leuten umringt,<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> welche, laut lärmend, sich anbieten
-und so nahe sich andrängen, daß sie Einem die Kleider verunreinigen.
-Das unverschämte Andrängen war mir immer höchst widerlich, selbst wenn
-ich dadurch im beengten Raume nicht gehindert worden wäre, den mir
-beliebigen Esel und Treiber auszuwählen. Man schwingt sich endlich auf
-ein Thier, bloß um die Stürmer los zu werden; denn sobald man auf dem
-Esel sitzt, ändert sich die Szene, als wäre ein Licht ausgeblasen, &mdash;
-gänzliche Stille tritt plötzlich ein. Außer dieser Kriegslist schützt
-auch noch die Peitsche vor der Unverschämtheit. Einige Male folgten
-mir Eseltreiber, Esel voran, mit dem ermüdenden: <span class="antiqua">Volete un’ buon’
-burrico?</span> weit nach. Ich kehrte rasch um, und dann wandelte ich
-wieder vorwärts. Es half wenig. Die Drohung mit der geballten Faust
-wies zu guter <a name="Letze" id="Letze"></a>Letze die Meister in der Zudringlichkeit zurecht.</p>
-
-<p>In einem halben Tage kann man das Sehenswürdigste finden. Man
-reitet zuerst zu den Katakomben, wo Leute aus den arabischen Hütten
-den Wißbegierigen unter die Erde führen. Von da zu dem Garten
-<em class="gesperrt">Ibrahim-Paschas</em>, mit den Blicken über den See Mareotis. Weiter
-zu der Pompejussäule, zu den Obelisken und zuletzt zum Pharus. Für
-den Ritt nach den Katakomben, zur Pompejussäule und zu den Nadeln
-<em class="gesperrt">Kleopatras</em> gibt sich der<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span> Eseltreiber mit vier Piaster
-zufrieden. Vielleicht verdienen auch die Ruinen der Athanasiuskirche
-und der Katharinakirche besehen zu werden.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Alexandrien_Nilfahrt_nach_Kairo"><b>Die Nilfahrt nach Kairo.</b></h3>
-
-</div>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p class="p0">Linkische Lastträger; seichter Kanal; <span class="antiqua">licentia poetica</span>;
-Kornspeicher; Fruchtbarkeit des Nilthals; possirlicher
-Hühnerhandel; eine Abendunterhaltung; das Schlachten eines Lammes;
-Gewandtheit der Barkenknechte; die reisende Familie; Truppe nackter
-Kinder; Einerlei der Aussicht; Kaffeewinkel; Bewässerung des
-Landes; seltsame Schiffsladung; Pyramidenanblick; Telegraphen;
-Bulak; <span class="antiqua">hôtel de l’Europe</span>.</p></div>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Freitags den 16.
-Weinmonat.</em></p>
-
-<p>Ich schied von Alexandrien. Aus Rücksicht für die gute Gesellschaft
-mit einem Dragoman der französischen Regierung und einem jungen,
-piemontesischen Kaufmanne reisete ich nicht eher ab, wie ich vorhatte,
-ja ich ließ mich sogar lieber während dieses Tages bis gegen Abend ins
-Wirthshaus einsperren. Denn da die Cholera immer weiter um sich griff,
-und der Wirth keine Maßregel dagegen versäumen wollte, so unterstellte
-er sein ganzes Haus der Quarantäne. Ich weiß nicht, wie ich sagen soll,
-ob die neue Ordnung der Dinge, z. B. der Einkauf von Lebensmit<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span>teln,
-das Parlamentiren vom Rastelle aus bei dem Besuche eines Freundes, mich
-mehr betrübte oder belustigte. Noch wunderlicher kam es mir vor, wie
-der italienische Wirth mich als Verpesteten behandelte, weil ich über
-Nacht Brechen und Anderes litt, und eine Zeitlang mich wirklich von der
-morgenländischen Brechruhr ernsteren Grades befallen glaubte. Die mit
-Reiswasser gefüllte Flasche übergab der kummervolle Italiener nicht mir
-unmittelbar, sondern mittelst eines vor meiner Zimmerthüre stehenden
-Geschirres, in welches die Flasche ging. In das Weise der Menschen
-flicht sich auch manchmal so viel Thörichtes, daß man oft nicht weiß,
-wo der Verstand aufhört oder anfängt.</p>
-
-<p>Ich sorgte für einen kleinen Vorrath an Lebensmitteln, auch Holz,
-und zwar kaufte ich dieses nach dem Gewichte. Die eine Fürsorge ist
-vergeblich, und nur für Leckergaumen räthlich. Ueberall am Nil bekommt
-man gutes Brot, Hühner, Eier, auch Reis, und in den meisten Dörfern
-Milch, Alles in geringem Preise. Einzig Zitronen, Zucker und Rhum mögen
-nebst Kohlen und einem Kochofen dienen. Ich kann voraussetzen, daß der
-über Meer Gelangte auch ein Bett mit sich schleppe.</p>
-
-<p>Von zwei Arabern wurde mein Gepäcke aus der Ankertaverne nach
-dem Mahmudiehkanal getragen, aber täppisch oder träge genug,
-indem dieselben, im Schweiße gebadet,<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> die Bürde bald los- bald
-zusammenbanden, jetzt niederlegten, dann aufnahmen. Ich traf eben
-da meine Reisegefährten. Es sollte mein Gepäcke nur noch unter den
-bekannten Förmlichkeiten die Zolllinie überschreiten; ich bestieg das
-Fahrzeug, und wir stießen in den Kanal. Der Wind blies günstig. Bald
-verschwand die Pompejussäule aus unsern Augen &mdash; und der Tag.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 17.</em></p>
-
-<p>Die Ufer des Kanals sind niedrig, oft wüst, genußarm. Der Kanal
-ist schmal, hie und da seicht, und Manche glauben, daß in kurzer
-Zeit der immer mehr anwachsende Niederschlag des Nilschlammes ihn
-unschiffbar machen werde. Dergestalt würde das glänzende Unternehmen
-<em class="gesperrt">Mehemet-Alis</em>, den Nil mit der See Alexandriens zu verbinden, in
-Schatten sinken, nachdem es in aller Welt so hochgepriesen war.</p>
-
-<p>Wir segelten einer französischen Dame voran. Vornehm steckte sie durch
-einen baufälligen Laden ihren Kopf heraus. Von einem Monsieur unserer
-Barke wurde sie nur befragt, ob sie des Nachts viele Flöhe gehabt
-hätte. Das war eine schlechte <span class="antiqua">licentia poetica</span>, aber eine
-natürliche. Gegenseitige Theilnahme an den Plagen ist wenigstens ein
-Erguß der Gemüthlichkeit.</p>
-
-<p>Um Mittag langten wir in Atse an. Hier verbindet<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span> sich der Kanal
-mit dem westlichen Arme des Nils. Das Dorf mit seinen elenden,
-schwarzgrauen Hütten gleicht einem Ameisenhaufen, so viel Leben und
-Regsamkeit zeigt sich in dem Bassar und an den Stapelplätzen. In der
-Kornhalle, aber keinem Konterfei der Pariser, liegt das Getreide
-auf dem Boden an einem Haufen unter freiem Himmel. Der Kornhändler
-hockt auf dem Kornkegel und schmaucht mit aller Behaglichkeit
-eine Pfeife. Auf diesen Markt soll man nicht gehen, um Eßlust zu
-fördern. Solche Getreidemärkte besitzt auch das übrige Egypten.
-Die Kornspeicher stellen indeß andere Male einen, mit einer Mauer
-umfangenen, unbedeckten Platz vor. Ich wollte im Bassar eine Limonade
-trinken; allein den widerlichen Geschmack dieses mit Meth oder Melis
-zubereiteten Getränkes konnte ich nicht überwinden. Ich war noch nicht
-so weit in das Reisen eingeschossen, daß ich Alles verschlingen wollte.
-Im Bassar gewahrte ich eine Höckerin mit einem nackten Kinde, das an
-den Blattern litt. In Egypten hausen diese auf eine schreckliche Weise.</p>
-
-<p>Billig nahm der <em class="gesperrt">Nil</em> mit seinem weißgelblichen Schiller meine
-Aufmerksamkeit in Anspruch. So habe ich denn ein Ziel meiner Reise
-erreicht. Mit Recht danken dir, o Nil, die Bewohner des Landes, daß du
-die von dir überschwemmten Ländereien segnest. An andern Orten schadet
-im Ge<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span>gentheile der Fluß durch Ueberschwemmung. In der Mitte zwischen
-den Quellen und Mündungen ist der Weltstrom am größten, und an andern
-Orten wird der Fluß um so größer, je näher er gegen das Meer anströmt.
-Nicht durch majestätische Größe, mehr aber durch den reißend schnellen
-Lauf zeichnet sich dieser Nilarm aus. Und welch’ eine Fruchtbarkeit
-der Nilufer! Alles keimt üppig, und man sieht der Natur an, daß sie
-mit der größten Leichtigkeit hervorbringt. Sie scheint den Bewohnern
-zuzurufen: „Nehmet von mir, so viel ihr wollet; denn ich ermüde nicht
-mit Wiedergeben.“ Der Karakter der Nilgegend ist eigentlich kein
-schwerer, sondern ein leichter, kein ernster, sondern ein frohmüthiger,
-ein jugendlicher. Das alte, das schon so oft und oft geerntete Land ist
-noch ein Kind.</p>
-
-<p>Es war Mittag. Die Sonne brannte durch einen Flor atmosphärischer
-Dünste. Wir verweilten einige Stunden, weil die Waaren von unserer
-Barke auf eine andere umgepackt werden mußten. Gepäcke um Gepäcke aus
-den Händen legend, schrie der das Schiff beladende Araber Zahl um Zahl
-laut: für mich eine gute Gelegenheit, die arabischen Zahlen zu lernen.
-Bei diesem und andern Auftritten verging mir die Zeit leicht, doch
-angenehmer, als gegen Abend ein herrlicher Wind dahersäuselte, die
-etwas drückende<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> Hitze zu mildern. In Atfe hält sich ein französischer
-Konsularagent auf, welcher uns besuchte.</p>
-
-<p>Gegen die Neige des Tages stachen wir in den Nil. Die zwei lateinischen
-Segel schwollen lustig an, wie die Backen der Kinder, welche dem Aeolus
-ins Handwerk greifen wollen. Bald lagen wir vor der Stadt Fuah, in der
-ein Thurm am andern emporragt. Jetzt trat Windstille ein. Der Abend war
-lieblich warm. Die Leute vertrieben ihn mit Spiel und Tanz, und ich
-glaube zuversichtlich, daß sie wenig Empfänglichkeit für die Lehren
-unserer Mystiker gehabt hätten, nach denen das lachende Nilthal ein
-Jammerthal wäre oder hoffentlich werden sollte.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Sonntags, den 18.</em></p>
-
-<p>Gegenwind. Das Schiff an einem Seile gezogen.</p>
-
-<p>Ich kaufte drei Hühner für etwa 30 Kreuzer R. V. Man darf aber Eines
-nicht außer Auge setzen: die egyptischen Hühner erlangen keineswegs
-die Größe der unserigen. Eine Henne sieht aus wie bei uns ein junges
-Huhn. Es fiel mir zum ersten Male nicht wenig auf, wie eine Gluckhenne
-(von der Größe eines europäischen, halbausgewachsenen Huhns) sich
-bemühte, ihre so außerordentlich winzigen Küchelchen mit den Flügeln zu
-beschirmen. Hätte ein Säugling an die Brust eines zehnjährigen Mädchens
-sich<span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span> geschmiegt, es wäre mir kaum spaßhafter vorgekommen. Auch die
-Eier der egyptischen Hühner sind bedeutend kleiner.</p>
-
-<p>Ich nahm sofort meine angekauften Hühner zur Hand, wendete mich gegen
-das Nilufer und ging an diesem hinauf, um an einer vortheilhaften
-Stelle zu warten, wo ich wieder in den Kahn steigen könnte. Auf einmal
-verfolgte mich ein Weib wehklagend, <em class="gesperrt">juh, juh</em> schreiend. Ich
-wußte nicht recht was es wollte; nur glaubte ich aus seiner Stimme und
-aus seinen Geberden entnehmen zu müssen, daß es wähne, ich hätte die
-Hühner ihm gestohlen. Schon umzingelten mich Leute, selbst von der
-Polizei; ich sollte mein Eigenthum abtreten. Was anfangen? Ich suchte
-durch Deuten verständlich zu machen, daß ich mich zur Barke begeben
-wolle, wo man Aufschluß ertheilen werde. Das Glück brachte gerade den
-Piemonteser. Meine Vermuthung wich der Gewißheit. Er sagte mir, das
-Weib habe seine Hühner bezeichnet, und ich solle sie ihm zeigen. Ich
-that es, und die Bestohlene &mdash; überzeugte sich sogleich von ihrem
-Irrthume. Das Weib war wenigstens moralisch so gut, daß es diesen
-eingestand. Es gehört zur Macht des Irrthums, wie kleine Zwiste, so
-selbst blutige Kriege zu entzünden, und ich durfte mich<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span> in der That
-glücklich preisen, daß aus diesem Handel nicht gar ein Krieg entsprang.</p>
-
-<p>Wir rückten heute vor bis <em class="gesperrt">Mohalèt-Abu-Ali</em>, einem Orte am Ufer
-des Delta. Nach einem nebelichten Tage war der Abend sehr schön und wie
-ergötzlich, das will ich in Kürze erzählen.</p>
-
-<p>In diesem Dorfe wohnt eine Art Großer, welchem die Barken des
-westlichen Nilarms zugehören sollen. Er kannte den Vater des
-Piemontesen. Wir schickten ihm Rhum, oder er ließ vielmehr holen.
-Bald beehrte er uns selbst mit seiner Gegenwart, und trank den Rhum
-vor Aller Augen. Er erfreute die Gesellschaft zugleich mit einer
-blinden Sängerin. So wurde der Abend mit rauschendem Vergnügen, unter
-Sang, Tanz und Spiel verbracht. Wenn die Egypzier mit der Schalmei
-(Surna) und dem Tambur (Deff) spielen, so klatschen sie mit den Händen
-den Takt, manchmal unter dem Rufe <em class="gesperrt">Hamma</em>. Mich belustigte das
-fröhliche Geberdenspiel. Man versicherte mich, daß die Sängerin ihre
-Rolle vortrefflich spielte. Es fesselte mich vor Allem das lange
-Pausiren, die vielen Molltöne und der Liebeston, eine Art <em class="gesperrt">Ach</em>
-(a-a), der letzte, ersterbende Seufzer der Liebe. Dem Dragoman, einem
-mit den Sitten und der Sprache des Landes vertrauten Manne, schmeckte
-die Soirée überaus köstlich. Ich genoß dabei im<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> Ganzen wenig. Weil
-ich die Nachtluft im Freien fürchtete, stellte ich mich bloß dann und
-wann, kein Vaterunser lang, unter die Thüröffnung der Kajüte. Ein Kind
-würde kaum scheuer, unter den Polizeiaugen des sparsamen Vaters, in den
-Honigtopf gelangt sein. Wenn die Araber mich auslachten, so hatten sie
-&mdash; Recht.</p>
-
-<p>Ich lasse nun ein Verzeichniß der an den Nilufern gelegenen Ortschaften
-in der Reiheordnung folgen, wie wir an ihnen vorübergefahren sind<a name="FNAnker_9_9" id="FNAnker_9_9"></a><a href="#Fussnote_9_9" class="fnanchor">[9]</a>.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span></p>
-
-<table class="ortschaften" summary="Ortschaften am Nilufer, I">
- <tr>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Rechtes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Linkes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Allah-uhu.
- </td>
- <td>
- Sanahbahdieh.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Schurafa.
- </td>
- <td>
- Iluieh.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Salamunih.
- </td>
- <td>
- Kaffer-Schech-Hasan.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Mahalèt-Malèk.
- </td>
- <td>
- Somchroat.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Dissuh.
- </td>
- <td>
- Rachmanieh.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Ibrahim.
- </td>
- <td>
- Margass.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Dimikunum.
- </td>
- <td>
- Miniet-Selamme.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Mahalèt-Abu-Ali.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 19.</em></p>
-
-<p>Es wird ein Schaf von einem Manne auf dem Rücken in die Barke getragen:
-ein Geschenk von Seite des Barkeninhabers, der uns gestern Abend einen
-Besuch abstattete. Das schien mir echt morgenländischer Ton. Das
-Geschenk galt dem Piemonteser. Kurz darnach kam der Barkeninhaber mit
-seinem jungen Sohne. Sie ließen sich voller Würde am Borde nieder und
-wurden mit Kaffee bewirthet. Mich wunderte, wie gar der Junge sich
-so ernst, männlich und geschickt benahm. Mißtrauen wir doch nie dem<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span>
-vielvermögenden Einflüsse des Beispiels in der Erziehung. Vater und
-Sohn begleiteten uns eine Strecke weit, und ließen sich sodann ans Land
-tragen.</p>
-
-<p>Bald ward das Schaf geschlachtet und zerhauen. Ein Jeglicher hoffte auf
-einen guten Bissen. Wir feierten munter die Ostern.</p>
-
-<p>Die Barkenknechte sind Leute von erprobter Geschicklichkeit. Wenn,
-aus Mangel an Wind, die Barke am Seile geschleppt werden sollte, so
-nahmen sie die Kleider, wickelten diese zusammen, legten sie über den
-Kopf, sprangen ins Wasser, schwammen davon, bis sie waten konnten, und,
-ans Ufer gekommen, zogen sie, bisweilen ohne einen Faden am Leibe,
-das Schiff. So geschieht es bei Tage, wie bei Nacht, und nicht einmal
-selten. Auch dem aufsitzenden Fahrzeuge zu Hülfe springen die Amphibien
-ins Wasser, und heben mit Rücken und Händen die Barke vom Strande. Zu
-diesem Ende sind sie genöthigt, unterzutauchen, und bemerkenswerthe
-Zeit bleiben sie manchmal unter Wasser, um die Last zu bewegen.</p>
-
-<p>Wir kamen an einem Landhause des Pascha vorbei.</p>
-
-<p>Unsere Gesellschaft auf der Barke war zahlreich. Stelle man sich vor
-die gebieterischen Franken und die beugsame Mannschaft des Schiffes,
-ein Weib mit Kindern und einen alten, magern Kuppler, ein altes Weib
-neben einem<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span> jungen, welches Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, und
-seinen häßlichen, großen Mund mit Aengstlichkeit verbarg, und man hat
-das bunte Bild von unserer reisenden Familie. Beinahe aber hätte ich
-die liebenswürdige Puppe vergessen, welche, eher einer Vogelscheuche
-ähnlich, einem kleinen Mädchen viel Freude bereitete. Eine Mutter
-behandelte ihren Säugling mit einer Grausamkeit, welche dem zarten
-Geschlechte wenig zur Ehre gereicht. Wenn er weinte, so schlug sie ihm
-mit der Hand fort und fort auf den Mund. Das ist die liebenswürdige
-Kunst der Egypzierin das Weinen zu zerschlagen. Bei den arabischen
-Müttern überhaupt nahm ich wenig Zärtlichkeit für ihre kleinen Kinder
-wahr. Die Brust reichen sie zwar jeden Augenblick, aber, wie es beinahe
-scheint, mehr aus Gewohnheit und darum, weil sie selbst daran Freude
-finden, als weil sie solche den Kindern gönnen.</p>
-
-<p>Die Beschreibung meines Zahnwehes dürfte Niemandem angenehm sein. Man
-wird lieber vernehmen, daß den Araber in der Regel schön weiße Zähne
-zieren, und daß er selten an Zahnschmerzen leidet. Das zweite Zahnen
-erfolgt bei den egyptischen Kindern in einem Alter von 6½ Jahren.
-Sogar ältere Leute erfreuen sich noch weißer Zähne. Es wird allgemein
-von den Franken behauptet, daß die arabischen Weiber früh altern.
-Dieß dürfte nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span> so durchgängig wahr sein. Eben weil bei ihnen die
-blendend weißen Zähne lange erhalten werden, so erscheinen sie nicht
-besonders alt. Die Franken hätten auch bedenken können, daß die geringe
-Korpulenz, welche so gerne die Jahre multiplizirt, unter den Arabern
-jedes Alter begleite. Bis <em class="gesperrt">Tunup</em>.</p>
-
-<table class="ortschaften" summary="Ortschaften am Nilufer, II">
- <tr>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Rechtes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Linkes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Dimènki.
- </td>
- <td>
- Kaffer-Osmann.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Megẻr.
- </td>
- <td>
- Sibréchît.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Saffiéh.
- </td>
- <td>
- Maéssra.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Móhalédié.
- </td>
- <td>
- Hali-Dächmèt.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Minidschéhnâ.
- </td>
- <td>
- Sibirîs.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Dówâe.
- </td>
- <td>
- Kaffer-Senâgli.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Génaht.
- </td>
- <td>
- Kaffer-Chadẻr.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Salhadschar.
- </td>
- <td>
- Niklé.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- El-Kótabé.
- </td>
- <td>
- Dahrygieh.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Férahstak.
- </td>
- <td>
- Amié.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Mohallèt-el-Läbben.
- </td>
- <td>
- Kaffer-Ibn-Schäet.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Abîtsch.
- </td>
- <td>
- Kaffer-Laihs.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kufur-Bilsẻ.
- </td>
- <td>
- Schabûr.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Hósâr.
- </td>
- <td>
- Sèlamûn.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Schech-Ali.
- </td>
- <td>
- Kaffer-Harimm.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Manûfur.
- </td>
- <td>
- Chäli-Dächmèt (Hali-Dächmet).
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Sajàd.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
-<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span>
- Tschalgamûn.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kufur-Haschasch.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Jukûb (Jabobsdorf).
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Bâgi.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Tschèddid.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Mischléh.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Mischléh.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Sahyahra.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Tunup.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 20.</em></p>
-
-<p>Am Ufer standen mehrere Bettler, die auch in andern Gegenden von
-Egypten nicht selten sind. Doch laufen oder rennen sie nicht so
-unverschämt nach, als in einigen Schweizer-Gauen. Wie in Europa, so
-spaziren hier die Fliegen auf Zucker. Man jammere nun aber nicht über
-den Fliegenschwarm, so lange man den Zucker nicht weghebt.</p>
-
-<p>Die Reisebeschreiber erwähnen der Weiber die zahlreich in Krügen aus
-dem Nile Wasser holen. Ich sah sie sehr selten, und ihre Scheu vor
-den Männern konnte ich nicht bestätigen. Nichts weniger, als daß sie
-aus Zartgefühl mit ihren Händen das Gesicht verhüllten. Es muß seit
-einiger Zeit Manches anders geworden sein. Mich wundert, daß die
-Reisebeschreiber die ungemein geringe Menge<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> Wassers nicht hervorhoben.
-Bei uns würde man ein Mädchen ausspotten, wenn es nur einen Krug voll
-Wasser holte. Man weiß, daß unsere Weibsleute große Gelten voll Wasser
-auf dem Kopfe oder an den Händen tragen.</p>
-
-<p>An vielen Fellahs (Bauern) würde man vergebens mehr suchen, womit sie
-ihren Leib bedecken, als eine Lendenschürze. Ich fand jedoch wenig
-Unanständiges in dieser Kleidungsart, vielmehr etwas Vernünftiges
-in Beziehung auf die heiße Sonne. Gar viele Kinder, selbst größere,
-wandeln völlig entblößt herum. Der Anblick einer Truppe nackter Kinder
-unter freiem Himmel hat immerhin etwas Eigenes. Ihre auffallend großen
-Bäuche könnten sie wahrscheinlich mit andern Kindern theilen, wenn
-diese nackt ausgingen, und somit ihre Bäuche den Blicken zugänglicher
-würden.</p>
-
-<p>Mir thut es leid, den Nilufern nachsagen zu müssen, daß sie, in die
-Dauer besehen, langweilen. Beinahe immer das nämliche Einerlei. Keine
-Hügel, keine Berge, keine Seen, dafür flaches Uferland, welches
-unmerklich in den Horizont verfließt. Selten stützt sich der Himmel
-auf eine Landlehne. Am Nilufer erblickt man zwar viele Dörfer, aber
-auch <em class="gesperrt">die</em> sehen in der Regel einander beinahe gleich, wie ein
-Ei dem andern. Aus der Ferne verheißen sie eine seltene Pracht, schon
-bewundert man antike Pa<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span>läste, über welche der schlanke Minaret
-emporsteigt; die runde Moschee füllt das Maß der Täuschung. Alles
-scheint in Palmen und Sykomoren gebettet. Ja recht viel Reiz in der
-Ferne, aber in der Nähe Kothhaufen als Mauern, enge, von armseligen
-Leuten betretene Gäßchen, krumme Minarets, kärgliche, von schönen
-Waschhäusern überbotene Moscheen. Nichts schmerzt so sehr, als
-fortwährend getäuscht zu werden. Einfacheres kaum, als ein Häuschen
-an den Nilufern. Ein viereckiges Zimmer ohne Fenster, mit einer
-Thüröffnung über dem Erdboden; das Dach platt; der Baustoff aus einer
-Art von Backsteinen, welche von Schlamm und Mist geformt und an der
-Sonne gedörrt werden. So die große Mehrzahl der Häuser. In Ghisahi
-bieten sie eine andere Gestalt. Sie erheben sich kegelförmig. Diese
-Zuckerhüte dienen den Tauben zur Wohnung.</p>
-
-<p>Gegen Abend langten wir in <em class="gesperrt">Nadîr</em>, einem Marktflecken, an. Hier
-sprach ich deutsch mit einem Hannoveraner, welcher auf einer andern
-Barke hergefahren war. In Kaffeewinkeln schienen zwei Frauenzimmer
-sich wenig zu freuen, daß der Vizekönig das berüchtigte Patent
-zurückgezogen hat. Der Aufenthalt der französischen Armee in Egypten,
-während dessen freier Verkehr unter den Leuten beiderlei Geschlechts
-gestattet war, so wie die vom<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span> Pascha ausgefertigten Patente lehren, zu
-welcher unsäglichen Ausgelassenheit der heiße Himmelsstrich führte. Der
-Vizekönig hat wohl weniger aus religiösen Gewissensbissen diese Patente
-zernichtet, als vielmehr aus dem Grunde gesellschaftlicher Ordnung.</p>
-
-<p>Auf unserer Barke wurde mancher Spaß getrieben, mitunter auch solcher,
-welchen zu beschreiben die Feder sich weigert. Der Reis (Kapitän)
-schlug z. B. einen Barkenknecht. Er genießt übrigens das Recht, seine
-Leute zu schlagen, wenn sie sich gegen ihn vergehen. Ein Knabe von etwa
-zwölf Jahren wurde von Jedem, wer wollte, durchgeprügelt. Er bekommt
-als Barkenjunge monatlich fünf Piaster zum Lohne. Es gibt europäische
-Burschen, welche sich für 38 Kreuzer nicht so viel prügeln ließen,
-geschweige daß sie noch als Zugabe einen Monat lang arbeiten würden.</p>
-
-<p>Die meisten Nächte brachte ich ziemlich gut zu. Das Schiff fuhr selten,
-und wenn es auch unter Segel ging, so gleitete es so sanft dahin,
-daß ich keine Bewegung verspürte. Alles, was ich während der Nächte
-erlauschte, war das Bellen der Schäferhunde, das Krähen der Hähne, das
-Quacken der Frösche und das eigene Pfeifen der Nachtvögel. Hingestreckt
-auf mein Bett in einem engen und dunkeln Winkel wurde ich, bei meinen
-Gedankenausflügen in<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span> die weite Ferne, durch die Laute jener Thiere an
-die Wirklichkeit meiner Lage erinnert.</p>
-
-<p>Wir kamen heute bis <em class="gesperrt">Abu-Néschâbe</em>.</p>
-
-<table class="ortschaften" summary="Ortschaften am Nilufer, III">
- <tr>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Rechtes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Linkes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Gómâsi.
- </td>
- <td>
- Nigil.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Amrûß.
- </td>
- <td>
- Sauüt-èl-Bacher.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Béstâma.
- </td>
- <td>
- Sawaff.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Sanüt-èl-Bagli.
- </td>
- <td>
- Machnîm.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Danasûr.
- </td>
- <td>
- Kóm-Scherîk.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Hédglâsi.
- </td>
- <td>
- Darîeh.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Gésiret-èl-Hagar.
- </td>
- <td>
- Abu-Chaui.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Nadîr.
- </td>
- <td>
- El-Gamm.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Schabschir.
- </td>
- <td>
- Dimischlé.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Dannaléhé.
- </td>
- <td>
- Buratschatt.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Ghisahi.
- </td>
- <td>
- Kaffer-Dahûd (Davidsdorf).
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Sónsóft.
- </td>
- <td>
- Térânéh.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kómmagnuß.
- </td>
- <td>
- Lèchmas.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- Abu-Néschâbe.
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 21.</em></p>
-
-<p>Man würde irren, wenn man den egyptischen Himmel sich wolkenlos
-vorstellte. Beinahe alle Tage trübten Wolken den unserigen; einmal
-warfen sie uns so schwarze Schatten, daß der Europäer gewettet hätte,
-es müßte aus<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> ihnen Regen platzen. Allein vor Nacht verstrich in der
-Regel das Gewölke.</p>
-
-<p>Ich höre ein schwerfälliges <a name="Geknirre" id="Geknirre"></a>Geknirre vom Ufer her. Was soll denn das? &mdash;
-Blindgebundene Thiere treiben in ihrem kreisenden Gange ein Wasserrad
-(Sakyeh). Das Wasser wird entweder mit einem fächerigen Rade oder mit
-an einem Rade befestigten Krügen aus dem Nile geschöpft und in einen
-Graben ausgeleert, welcher das Wasser dem Felde zuführt. Man begreift
-leicht, daß die Fächer oder Krüge unten am Rade aufwärts stehen, um so
-das Wasser zu schöpfen. Wenn das Rad sich halb um seine Achse gedreht
-hat, so stellen sich dieselben umgekehrt und gießen das Wasser aus.
-Das einige Schritte vom Nilufer abliegende Wasserwerk, zu welchem ein
-Kanal gegraben ist, besteht aber nicht bloß aus dem beschriebenen
-Schöpfrade, sondern noch aus zwei andern Rädern. Ein wagerechtes greift
-in ein kleines, perpendikuläres, welches mit dem Schöpfrade <em class="gesperrt">eine</em>
-Achse hat. Das Thier, der Büffel z. B., zieht bloß an einem Stricke,
-womit das wagerechte Rad in Bewegung gesetzt wird. Diese Wasserräder
-sind meistens so einfach und mit so wenig Eisen zusammengehalten,
-daß sie nicht viel ausdauern. Es wird daher manche Zeit nur mit dem
-Nachbessern verloren. Mag meine Beschreibung des Paternosterwerkes auch
-ein wenig<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span> schwierig zu fassen sein, es ist doch die Wasserschöpfung
-so einleuchtend und so leicht zu bewerkstelligen. Als Aufseher oder
-Treiber <a name="faullenzt" id="faullenzt"></a>faullenzt in der Nähe ein Knabe oder Mann, nie ein Weib; bei
-ihm steht eine kleine Kocheinrichtung. Den Treiber scheint kaum so
-viel Lust zur Arbeit anzuspornen, daß er beim Stillestehen des Thieres
-<em class="gesperrt">chòh chòh</em> ruft, um es aufzumuntern. Nach den Gesetzen der
-strafenden Gerechtigkeit fällt dem Faullenzer das Leichte so schwer,
-als dem Arbeitssamen das Schwerste.</p>
-
-<p>Das Wasser wird überdieß, ohne eine solche Vorrichtung von Menschen aus
-dem Nile geschöpft. An dem Arme eines Hebebaumes ist ein Gewicht, gegen
-das Land, &mdash; an dem andern der an einem Stricke befestigte Wasserkorb,
-gegen den Nil. Ein Mann schöpft, und das Gewicht des Hebebaumes
-hilft ihm den mit Wasser gefüllten Korb heben. Weil das Schöpfen und
-Ausleeren mit großer Schnelligkeit nach einander geschieht, so verliert
-dieses enge geflochtene Gefäß wenig Wasser. Gewöhnlich schöpfen, statt
-eines, zwei Männer neben einander, die Gesichter sich zuwendend, fast
-nackt, vom Wasser benetzt, von der Sonne gebrannt und so fleißig,
-daß sie kaum sich umsehen, wenn ein Schiff vorübersegelt. Sie bilden
-den schroffen Gegensatz zu den Thierhütern an den Wasserrädern und
-zu andern arbeitsscheuen Arabern. Es geschieht wohl auch, daß, ohne
-wei<span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span>tere Vorrichtung, ein Mann mit einem Korbe aus dem Nile Wasser
-schöpft und in einen Kanal ausschüttet. Wenn die Egypzier freilich so
-viel Stammholz besäßen, wie die Europäer und Amerikaner, so würden
-sie unzweifelhaft ihre Körbe an wasserdichte Kübel vertauschen.
-Eine Menge Wassergräben durchkreuzen netzweise die Feldereien,
-damit diese überall bewässert werden. Daher die kleinen Feldbeete,
-ähnlich unsern Gartenbeeten. Gewöhnlich zieht man bei uns Gräben, um
-das Wasser <em class="gesperrt">ab</em>zuleiten, bei den Egypziern aber, um dasselbe
-<em class="gesperrt">zu</em>zuleiten. Es wäre voraus zu sehen, daß die egyptischen Gräben
-nicht tief sein dürfen, während ihnen in Europa, wo man dem Wasser
-Abfluß verschaffen will, die entgegengesetzte Eigenschaft zur Tugend
-angerechnet wird. Wenn man in Egypten das Wasser nicht mehr in ein Beet
-fließen lassen will, so wird, vermittelst der Hände, der Graben mit
-Koth und Schlamm zugedämmt. Um einen Begriff zu geben, wie stark die
-Pflanzen unter Wasser gesetzt werden, so stand der Mais, welcher hier
-blühte, dort klein war, hie und da einige Zoll hoch in zugeleitetem
-Wasser.</p>
-
-<p>Die Bewässerung ist die Hauptarbeit, welche der Boden erfordert.
-Sicher bereitet sich der egyptische Bauer mit Wasser, sofern, im
-seltenen Falle, der Nil es ihm weder zu reichlich, noch zu sparsam
-zutheilt, den Feldsegen. Der<span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span> europäische Bauer schwankt wie der
-Segelmann. Will dieser glücklich fahren, so muß günstiger Wind wehen;
-will jener ernten, so muß lauer Regen das Feld netzen. Der Wind aber,
-wie der Regen, kommen von der unsichtbar waltenden Hand, welche kein
-Sterblicher zu leiten vermag. Und wenn auch dem europäischen Bauer ein
-lauer Regen Segen zuwinkt, ach, es muß ihn noch bangen, daß das Wasser
-des Himmels nicht durch Ueberschwenglichkeit, oder daß kein harter
-Frost, kein schwerer Hagel die Hoffnung auf Ernte vereiteln. Wenigstens
-kann kein Hagel die Hoffnung des egyptischen Fellah zernichten.</p>
-
-<p>Neben dem Bewässerungsgeschäfte sind Säen, Hacken oder Pflügen und
-Ernten die Arbeiten des Ackerbauers. Man machte mir die Mittheilung,
-daß, wenn das Ueberschwemmungswasser ganz niedrig stehe, bloß der
-Same auf das Wasser ausgestreut werde. Mit dem Versiegen des Wassers,
-hieß es, ziehe sich der Same in die Erde, und man dürfe nur die Ernte
-abwarten. Das erzähle ich einem Franken nach; ich will nun aber dessen
-gedenken, wovon ich selbst Zeuge war. Ich sah säen und hacken oder
-pflügen. Sobald das Wasser verschwunden war, wurde der Same mit einer
-krückenförmigen Hacke oberflächlich unter die Erde gebracht oder viel
-eher gescharrt. Ich glaube nicht, daß die Hacke sechs Pariser-Zoll tief
-griff. Der<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span> Pflug, welchen ich genauer ins Auge faßte, hatte nur ein
-Sech, keine Schar. Er ging nicht tief, und ließ eine undeutliche Furche
-zurück. Es konnte mit diesem Pfluge lediglich bezweckt werden, die Erde
-etwas durch einander zu wühlen. Zwei Thiere zogen ihn, jedes an einem
-Stricke, welcher am Halse festgemacht war.</p>
-
-<p>Von den Ackergewächsen erwähne ich einzig des Hanfes und der
-Baumwollpflanze. Der Hanf wird sehr hoch, ja manneshoch und riecht
-gewürzhaft. Wegen seines angenehmen Geruchs ist es eine Lust, in
-der Nähe eines Hanffeldes zu wandeln. Eben bereitete er sich zum
-Blühen vor. Ohne an mein Vaterland mich zu erinnern, wo die Baumwolle
-mit vielem Fleiße verarbeitet wird, konnte ich den merkwürdigen
-Pflanzenstengel nicht betrachten. Dieses Gewächs bedeckt ungeheure
-Strecken des Delta. Es wuchs gleichsam vor den Augen beinahe durch alle
-seine Entwickelungsperioden heran: Hier Knospen, dort Blüthen, hüben
-Kapseln, drüben Wolle, gerade so, als würden alle Aufzüge und Auftritte
-eines Schauspieles auf einmal sich aufrollen.</p>
-
-<p>Wenn der Herr des Himmels und der Erde ein besonderes Füllhorn des
-Segens über das Egyptenland ausgegossen zu haben scheint, so wird
-befremdlich, daß das Wenigste dem Bauer angehört, was er dem Boden
-abgewinnt.<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> Den Stoff zur Kleidung, welche er sich verfertigt, verkauft
-er an den Pascha, und dieser gibt ihn um die Hälfte theurer zurück.
-Der Fellah darf keinen Faden am Leibe tragen, wenn er ihn nicht dem
-Pascha, dem ersten Kaufmanne in Egypten, abgekauft hat. Die ganze
-Last von Baumwolle drängt sich in die Hand des Vizekönigs zusammen,
-welcher damit <em class="gesperrt">allein</em> Handel treibt. Kurz, die Bauern sind nur
-Lehenbauern. Der Pascha ist der Grundherr, der Grundbesitzer des
-Landes, und dieses Verwaltungssystem bewirkt, daß der Fellah, unter
-dem Drucke des Monopols, selbst zur frohen Erntezeit seufzet. Es ist
-seltsam, daß noch kein fränkischer Ulema die Härte des Pascha darum
-vertheidiget, weil sie dem rechtgläubigen Bauer den Anlaß gebe, sich um
-so inniger nach den Freuden des ewigen Lebens in dem immergrünen Garten
-zu sehnen.</p>
-
-<p>Wir begegneten einer Schiffsladung getrockneter Mistfläden. Wo das
-Holz, wie hier, so theuer ist, läßt man sich selbst den Gebrauch
-solcher Dinge gefallen; sie dienen als Brennstoff, und kann der
-Abendländer glauben, daß sogar mit dem Eckelhaftesten vom Menschen
-geheizt wird? und wenn es der St. Louisianer in Amerika glaubte, würde
-er sich nicht davor entsetzen, da er nicht einmal die Milch<span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span> von einer
-Kuh genießt, welche Gras von einer mit Hausjauche besprengten Wiese
-fraß?</p>
-
-<p>Ueber Warnâm begann rechts die Düne; links Weideland und Hirtenzelte.
-Ich erging mich an einer Herde schwarzer Büffel. Dieses Thier ist für
-Egypten gar nützlich. Der Büffel hält sich sehr gern im Wasser auf,
-auch liegend und wiederkauend. Es ist kurzweilig, zu sehen, wie er über
-das Wasser schwimmt, um an den Ort zu gelangen, wo er zu übernachten
-pflegt. Der behende Hirte schwingt sich wohl auch auf den Rücken des
-Thieres, das ihn schwimmend ans Land trägt.</p>
-
-<p>Erst von Schmûn aus erblickte ich die Pyramiden von Gizeh. Sie halten
-mit der aufragenden Düne gleiche Höhe, und ich hielt sie zuerst für
-Schiffssegel, vielleicht weil ich kurzsichtig (<span class="antiqua">myops</span>) bin. &mdash;
-Bis <em class="gesperrt">Abu-èl Gheied</em>.</p>
-
-<table class="ortschaften" summary="Ortschaften am Nilufer, IV">
- <tr>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Rechtes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Linkes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Samüt-Rosiéh.
- </td>
- <td>
- Èl-Chatabẻ.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Sagiéh.
- </td>
- <td>
- Bini-Sèlâmé.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Tagwueh.
- </td>
- <td>
- Awlatt-Fèradsch.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Èl-Hamum.
- </td>
- <td>
- Dé-Rîß.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Karfòrtereiné.
- </td>
- <td>
- Wardàn.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Munsi.
- </td>
- <td>
- Abu-Ghalibb.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Èl-Manschîé.
- </td>
- <td>
- Èl-Katta.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Dschures.
- </td>
- <td>
- Gisahijeh.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
-<span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span>
- Abu-Awuali.
- </td>
- <td>
- Niklé.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Sidi-Ibrahîm.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Schmûn.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Tâlié.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Gawâdi.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Èl-Baraniéh.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Èl-Gonamiéh.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Mimèt-èl-Arûß.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Kaffer-Mansûr.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Schaschâ.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Schatanỏff.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Darawû.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Schalakan.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Charabaniéh.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Abu-èl-Gheied.
- </td>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Donnerstags den 22.
-Weinmonat.</em></p>
-
-<p>Die Nachricht, daß wir in der Nacht an der Spitze des Delta
-vorüberfuhren, betrübte mich zum Theile, weil ich von ihr nichts sah.
-Des Morgens lagerte ein wenig Nebel, der aber bald sich verzog. Durch
-die Vereinigung der Nilarme erscheint der Nil kaum breiter, wohl aber
-geben ihm zahlreichere Schiffe mehr Leben. Der Berg Mokatam, links
-oben die westliche Kuppe des arabischen Ge<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span>birges, der Basanites Lapis
-der Alten, an dessen Fuße Kairo sich ausbreitet, brachte angenehmen
-Wechsel in die Aussicht. Seit einiger Zeit mußte ich den Anblick eines
-höhern Hügels entbehren, und darum ruhte auf jener Kuppe mein Auge mit
-besonderm Wohlgefallen. Man fühlt eine gewisse Leere in der Seele, wenn
-liebgewonnene größere Eindrücke auf längere Zeit keine Nahrung finden,
-und ein neues, erquickliches Aufleben durchzuckt das Innere, wenn liebe
-alte Eindrücke durch verwandte neue in einem Male aufgeweckt werden.
-Mittlerweile wuchsen die Pyramiden immer stattlicher heran.</p>
-
-<p>Meine Reise fiel in die Ueberschwemmungszeit. Die Wasser, wiewohl im
-Fallen, strömten doch noch in ziemlicher Höhe, ein Umstand, der für uns
-gerade günstig war, da bei niedrigem Wasserstande das Fahrzeug leicht
-strandet; denn es kostet oftmals viel Anstrengungen, bis es flott wird.</p>
-
-<p>Eine neue Erscheinung für Egypten sind die Telegraphenthürme. Dann und
-wann unterbrechen sie während der Nilfahrt die Gleichförmigkeit der
-Aussicht. Für ein Zeichen der höhern Kultur mochte ich sie eben nicht
-ausgeben, und wahrscheinlich thun sie ihr nicht den leisesten Vorschub.
-Dem Europäer mögen sie Vergnügen gewähren, indem sie ihn an das Land
-seiner Väter zurückmahnen, und indem er sich aufs neue der Wahrheit
-bewußt wird, daß nun Eu<span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span>ropa mit seinem Tochterlande Amerika den
-eigentlichen Brennpunkt der Wissenschaften und Künste, der Entdeckungen
-und Erfindungen bildet. Vielleicht kommen die Telegraphen, die
-schnellen Ueberbringer oberherrlicher Befehle, in Egypten der seidenen
-Schnur trefflich zu Statten.</p>
-
-<p>Links sahen wir noch nach <a name="Schubbra" id="Schubbra"></a>Schubbra, welches sich eines vizeköniglichen
-Gartens von seltener Schönheit rühmt, und an einer Stadt ergötzte sich
-das Auge schon von Ferne her. Es war <em class="gesperrt">Bulâk</em>, in dessen Hafen wir
-bald einliefen.</p>
-
-<table class="ortschaften" summary="Ortschaften am Nilufer, V">
- <tr>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Rechtes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- <td class="tdc">
- <em class="gesperrt">Linkes&nbsp;Ufer.</em>
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Galiubb.
- </td>
- <td>
- Burgaschi.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Basûß.
- </td>
- <td>
- Errahauwi.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Mid-Halfé.
- </td>
- <td>
- Òm-dinâr.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Damanhur.
- </td>
- <td>
- Dikelkó.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Schubbra.
- </td>
- <td>
- Èl-Achsâß.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Minièt-èl-Sirik.
- </td>
- <td>
- Dschaladmé.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Gésiret-èl-Batrân.
- </td>
- <td>
- Hassan-inn.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- Bulâk.
- </td>
- <td>
- Èl-Górótin-Hin.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- Russim.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- Sigîl.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- Tanâsch.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- Gésiret-Mohammet.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- Waran.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td>
- &nbsp;
- </td>
- <td>
- Embâbé.
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a></span></p>
-
-<p>Wir langten in Bulâk eben in der größten Sonnenhitze an, und wir
-konnten zwischen der großen Menge von Kähnen uns nur mit Mühe Platz
-verschaffen, auf daß wir das Ufer erreichten. In Atfue zerschmetterten
-wir beim Anlanden den Hintertheil einer Barke, ohne daß es viel Krieg
-absetzte.</p>
-
-<p>Unsere Barke war nicht schön, doch gut. Der europäische Holzarbeiter
-würde an ihr Manches ausgesetzt haben. Dafür leistete sie reichlichen
-Ersatz mit Mäusen und andern Plaggeistern. Ich wußte mehr als einmal
-beinahe nicht: Wo wehren? In der Kajüte stand, nach der Uebersetzung
-des französischen Dragoman, an der Wand auf arabisch, daß man sich
-den Verordnungen zu unterziehen habe. Etwa den Verordnungen dieser
-Unholden? Ueber unserer Barke schwebte die dreifarbige Flagge der
-Franzosen.</p>
-
-<p>Nachdem meine Effekten untersucht waren, wurden sie auf einen Esel
-gepackt, und einen andern bestieg ich. An hohen Häusern, zwischen
-denen angenehme Kühlung herrschte, ritt ich vorüber, und bald war
-ich außerhalb der Stadt. Jetzt, im Freien, erblickte ich das große
-<em class="gesperrt">Kairo</em>, ehedem das Kahira, jetzt das Maser des Arabers.
-Ergreifendes Schauspiel. Keine halbe Stunde mehr, und ich befand
-mich in den Ringmauern der Hauptstadt. Da verließen mich die beiden
-Franken, und, mit einem Eseltreiber allein,<span class="pagenum"><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span> zog ich fürbas. Kairo
-machte gleich Anfangs einen ungemein günstigen Eindruck auf mich. In
-dem Wirrwarre von Häusern und Gassen folgte ich getrost der Führung des
-Eseltreibers. Er hätte mich in eine <span class="antiqua">Casa di Diavolo</span> verführen
-können. Ich wollte freilich nicht dahin, sondern ins Quartier der
-Franken (el-Musky), die übrigens in Kairo vielmehr zwischen den
-Mohammetanern zerstreut leben, als in Alexandrien. Lange ritt ich durch
-Gassen und Gassen, jetzt krumm herum, dann gerade dahin, ohne daß ich
-einem Abendländer begegnete. Ich war auf dem Punkte, Zweifel zu fassen,
-daß mein Geleitsmann das Quartier der Franken wisse. Auf einmal bog er
-um, und ich erblickte Hüte. Ich war richtig im Quartiere; umsonst aber
-suchte ich die Lokanda, die man mir empfahl. Und kurzen Prozeß, &mdash; ich
-ritt zum ersten besten Wirthshause.</p>
-
-<p>Der Wirth des <span class="antiqua">Hôtel de l’Europe</span> wies mir ein gefälliges und
-hohes Zimmer an; aber kaum sah ich mich recht um, so fand ich ein Licht
-ohne Glasfenster. Das fiel mir schwer; denn bei offenem Fenster wollte
-ich nicht schlafen. Dem Uebel war auch bald geholfen; der Gastgeber
-eröffnete mir ein anderes Zimmer, welches mit Thüre und Fenster
-gesperrt werden konnte. Die heimatlichen Gefühle erneuerten sich, als
-wäre ich in einem Gasthause des Abendlandes; eine Mousquetiere (Vorhang
-um das Bette, gegen<span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span> die Stechfliegen) und eine gute, reine Bettung
-ließen mit Recht eine süße Schlafnacht erwarten. Man lernt den ruhigen
-Genuß des Schlafes erst recht schätzen, wenn man desselben, sei es
-durch die Plage des Ungeziefers, oder durch andere störende Einflüsse,
-eine Zeitlang beraubt war.</p>
-
-<div class="chapter">
-
-<h2 class="nobreak" id="Kairo"><b>Kairo.</b></h2>
-
-</div>
-
-<h3 class="nopad" id="Kairo_Lage"><b>Lage der Stadt, Strich des Himmels und
-Gesundheitszustand der Menschen.</b></h3>
-
-<p>Kairo oder Großkairo liegt fünfzig deutsche Meilen südlich von
-Alexandrien, unweit vom rechten Ufer des Nilstroms und auf einer Ebene
-bis an den Hügel Mokatam.</p>
-
-<p>In hohem Grade beneidenswerth sind die Europäer in Alexandrien und
-Kairo. Die Alexandriner rühmen das Klima von Alexandrien und tadeln
-dasjenige von Kairo. Die Kairaner dagegen erheben den Himmel von Kairo
-auf Kosten desjenigen von Alexandrien. Es ist mit besonderer Güte
-dafür gesorgt, daß die Einen mit dem zufrieden sind, womit die Andern
-unzufrieden wären.</p>
-
-<p>Kairo streift an den 30. Grad nördlicher Breite. Wenn die Sonne am
-höchsten steht, brennt sie sehr heftig. Indessen wird die Hitze eines
-Windes aus der Wüste, von<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span> den Pyramiden her, weit weniger leicht
-ertragen, als die größte Hitze des Sommers. Diesen Wind nennt der
-Araber <em class="gesperrt">Chamsîn</em>, das heißt, <em class="gesperrt">Fünfzig</em>; denn er weht fünfzig
-Tage und fünfzig Nächte, aber einige Tage und Nächte mit ausnehmender
-Stärke und Verderben. Er hebt Mitte Aprils an, und treibt viel Staub
-vor sich hin, so daß vor demselben, auch mit möglichster Sorgfalt,
-die zubereitete Nahrung auf dem Tische des wohl verschlossenen
-Zimmers nicht leicht geschützt wird. Im Winter fällt der Regen, doch
-in der Regel sehr wenig. Gewölke sah ich auch hier zur Genüge, und
-ich zählte keinen einzigen wolkenlosen Tag. Man will ebenfalls in
-dieser Gegend von Egypten eine Veränderung des Klimas zu Gunsten des
-Wasserniederschlages wahrgenommen haben.</p>
-
-<p>Um mich des Gesundheitszustandes einigermaßen zu <em class="gesperrt">vergewissern</em>,
-suchte ich in dem Tauf- und Sterberegister der lateinischen Gemeinde
-bei den Kapuzinern (Kloster <span class="antiqua">de propaganda fide</span>) nach. Ich rühme
-die Freundlichkeit und Bereitwilligkeit, womit der würdige Guardian
-meine Nachforschungen unterstützte. So wenig meine Erwartung durch die
-Anlage des Todtenbuches gerechtfertiget wurde, so wäre noch weit minder
-bei den Mohammetanern auszubeuten gewesen, die auf dem Kissen des
-Fatalismus gar zu sanft schlafen. Ich möchte das von der lateinischen<span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span>
-Gemeinde (die namentlich auch Levantiner zählt) gewonnene Resultat
-allerdings nicht als Maßstab für die gesammte Bevölkerung von Kairo
-vorhalten. So viel leidet indessen kaum einen Widerspruch, daß es,
-weil es eben von Einwohnern dieser Stadt abgezogen wurde, eher im
-Allgemeinen die Bevölkerung Kairo’s ankündigt, als irgend eine andere.
-Im jährlichen Durchschnitte starben, mit Ausnahme des Jahres 1831,
-in den 10 Jahren 1824 bis und mit 1834, 36 Personen, und 47 wurden
-getauft. Wenn der Getaufte zur Bevölkerung sich verhielte gleich 22 zu
-1, wie in dem französischen Finistère-Departement, wo gerade 1 auf 22
-geboren wird, so wäre die lateinische Gemeinde 1034 Seelen stark. Jeder
-Sachkundige sieht ein, daß dieser Schluß um so mehr Mißtrauen erregt,
-je gewisser die Gemeinde eine sehr zusammengesetzte und wandelbare
-Bevölkerung enthält. Das Alter der Verstorbenen fand ich bloß in den
-Jahren 1833 und 1834 genügend verzeichnet. In diesen Jahrgängen fehlt
-es einzig bei zwei erwachsenen Personen, denen ich willkürlich 20
-Jahre gab. Die insgesammt (durch diese zwei Jahre) 114 Verstorbenen
-hatten zusammen ein Alter von 2180 Jahren, 10 Monaten und 14 Tagen. Die
-durchschnittliche Lebensdauer beträgt demnach 19 Jahre. Die älteste
-Person, welche ich im Sterberegister traf, war eine <em class="gesperrt">Maria Hadad</em>
-aus Jerusalem;<span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span> sie brachte ihr Leben auf 95 Jahre. <em class="gesperrt">Prosper
-Alpinus</em> gibt den Egypziern ein sehr langes, und selbst ein längeres
-Leben, als den Europäern, ohne jedoch einen Beweis für seine Behauptung
-anzuführen. In den genannten Jahren starben im Durchschnitte während
-der Monate Julius und August am meisten, und während des Hornungs am
-wenigsten. Der Weinmonat gilt als der gesundeste Monat des Jahres.
-Kaum weniger gesund dürften November, Jenner und Hornung sein, wie die
-Sterbeliste andeutet.</p>
-
-<p>Die Krankheiten, welche vor den übrigen Schrecken verbreiten, sind Pest
-und Cholera.</p>
-
-<p>Die Bubonenpest verschonte Egypten in der neuern Zeit seit dem Jahre
-1824 bis zum Christmonat 1834, hiemit ein ganzes Jahrzehn. Indessen
-wüthete sie im Jahr 1824 nicht besonders heftig, und es gingen aus der
-lateinischen Gemeinde bloß 37 Personen in den Monaten Merz, April und
-Mai mit Tode ab. Nach ältern Beobachtungen beginnt sie im Jenner oder
-Hornung, schreitet verheerender während des <a name="Chamsin" id="Chamsin"></a><em class="gesperrt">Chamsîns</em> vorwärts,
-und wird durch die größte Sonnenhitze gleichsam abgeschnitten. Am
-<em class="gesperrt">St. Johannestage</em> glaubt der Europäer sich sicher. Im ersten
-Halbjahre und im Monate Julius 1835 verlor die lateinische Gemeinde
-<em class="gesperrt">zweihundert und elf</em> Pesttodte, und zwar weitaus die größte Zahl
-im April und Mai. Man<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span> schätzte die Summe aller in Kairo an der Pest
-Hingeschiedenen, wohl doch in übertriebenem Maße, auf 100,000. Die
-Europäer, welchen in der letzten Pestzeit die Mittel zu Gebote standen,
-sperrten sich ein. Unter alle Eingesperrte schlich sich während der
-letzten Seuche die Pestkrankheit nie und nirgends ein. In einem Hause
-brach zwar die Pest aus; allein sie wurde durch einen besonderen Fall
-eingeschleppt. Aus einem verpesteten Hause ließ man ohne alle Gefährde
-einen sogenannten Drachen zur Belustigung auffliegen. Ein Kind jenes
-Hauses befand sich auf dem Söller, der Drache fiel auf dasselbe, und in
-wenig Stunden erkrankte es und erlag dem Drachen &mdash; der Pest. So lange
-keine Todtenregister geführt werden, dürfen die Sterbeziffern nicht
-anders, als mit Zweifel betrachtet werden. Dieß gilt namentlich auch
-von der geschichtlichen Angabe, daß zu Kairo im Jahr 1472 während sechs
-Monaten 600,000 und, nach <em class="gesperrt">Prosper Alpinus</em>, im Jahr 1580, 500,000
-Menschen in ebenso viel Zeit an der Pest starben.</p>
-
-<p>In der neuern Zeit erklärten vorzüglich die französischen Aerzte, an
-ihrer Spitze <em class="gesperrt">Clot-Bei</em>, aber auch der besonnenere <em class="gesperrt">Gaëtani</em>
-die Seuche für miasmatisch. Mit einiger Vorsicht öffneten sie viele
-Leichname und blieben verschont. Mittlerweile verschwanden drei
-deutsche Aerzte als ein Opfer der Pest. Die Bravour <em class="gesperrt">Clots</em>
-gefiel <em class="gesperrt">Mehemet-Ali</em><span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> in so hohem Grade, daß letzterer ihn in den
-Generalsstand erhob, und der glänzende Halbmond hängt als Ehrenzeichen
-an der Brust von <em class="gesperrt">Clot</em>, wie beim vizeköniglichen Muselmann von
-Auszeichnung. Die Ansicht der neuen Propheten, daß die Pest nicht
-anstecke, erfreute sich übrigens zu meiner Zeit keiner Popularität
-bei den Europäern in Kairo. Diese verwarfen sie vielmehr fortwährend
-als überspannt. Sie werden mit höchster Wahrscheinlichkeit sich durch
-den neuen Pestfirman inskünftige am Beobachten der Quarantäne nicht
-im mindesten stören lassen. Huldigten doch öffentliche Anstalten, wie
-die Kadettenschule, dem Grundsatze der Sperrung, ungeachtet der Pascha
-einen Miasmatiker zum Bei adelte.</p>
-
-<p>Die Cholera ist eine frisch gebrochene Geißel Egyptens. In den Monaten
-August, September und Oktober 1831 zwickte sie aus der lateinischen
-Gemeinde in Kairo 94 Personen hinweg. Manche Kairaner fürchten die
-Cholera mehr, als die Pest, weil die Sperre dagegen nichts oder gar
-wenig vermöge.</p>
-
-<p>Führe ich fort, von andern Krankheiten der Egypzier, wie von den
-Pocken, den Augenentzündungen, den Ruhren, umständlicher zu reden,
-manche Abendländer würden einen allzu trüben Gesichtskreis finden, und
-das Land der Fleischtöpfe als ein Land unnennbarer Plagen ansehen.
-Ich<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> möchte aber nicht zu Vorurtheilen Stoff darbieten, deren Angel
-man begierig verschlingt, ohne zu beherzigen, daß man an derselben
-gefangen und gequält werde. Die Natur vergißt nicht, darüber zu wachen,
-daß, wo die menschliche Vernunft ihre Aufgabe löset, das Gesetz des
-Gleichgewichtes erfüllt werde.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Bauart"><b>Die Stadt nach ihrer Bauart.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Die Häuser bestehen aus Mauern, und das Holz ward dazu ziemlich sparsam
-verwendet. Daher die Seltenheit der Feuersbrünste in Kairo. Das häufige
-Brandunglück des hölzernen Konstantinopel kennt das steinerne Kairo
-nicht. Als vor wenigen Jahren eine Feuersbrunst ausbrach, wurde sie
-bald gedämpft, ohne einen großen Rüstzeug von Spritzen, Feuerordnungen,
-Feuerpolizei, Feuerkompagnien u. dgl.</p>
-
-<p>Von Mittag nach Mitternacht bildet die Stadt die längste Linie, und
-in dieser Richtung wird man den Weg von einem Thore zum andern vor
-anderthalb Stunden zu Fuße schwerlich zurücklegen. Lange, gerade Gassen
-gibt es nicht. Sie lenken meist bald um, und verlaufen oft in ein
-Gewölbe, in eine Art Passage oder Schwibbogen. Manche sind sehr schmal,
-und in der Judengasse können nicht zwei Personen neben einander gehen,
-ohne an einander zu streifen. Hier langen die Erker bereits zu der
-entgegengesetzten<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> Seite der Gasse hinüber. Auch springen dieselben hie
-und da in andern Gassen, wenigstens über die Mitte in diese, hervor.
-Dann und wann sieht man eine Brücke über dem Haupte. Manche Gassen sind
-mit einer Art Dach versehen oder auch zeltartig zugedeckt, zumal die
-Bassar. Wegen der Enge der Gassen und der Höhe der Häuser herrscht in
-manchen der ersteren ein gewisses Halbdunkel, das mich nicht unangenehm
-stimmte. Die Gassen darf man nicht beurtheilen, ohne das Klima in
-Anschlag zu bringen. Große, offene, gerade Gassen würden in der heißen
-Jahreszeit den Aufenthalt fast unerträglich machen; wie sie aber
-wirklich angelegt sind, gewähren sie die möglichste Kühlung, und stehen
-in einem sehr verständigen Verhältnisse zum Himmelsstriche.</p>
-
-<p>Hier, wo selten Regentage eintreten, und wo kein Wagenrad den Boden
-durchfurcht, wäre das Straßenpflaster überflüssig. Es ist ungleich
-angenehmer, auf der hart getretenen Erde dieser Stadt zu gehen, als
-auf den schönen Pflastersteinen zu Paris und Wien, und der Esel, in
-leisem Tritte, gleitet beinahe über die Gasse hinweg. Wenn es aber
-regnet, so werden die Klagen groß, und voraus dem Kameel ist das Gehen
-beschwerlich. Dann ereignen sich wohl auch Unglücksfälle. Es verdient
-bemerkt zu werden, daß in den neuntehalb Jahrhunderten seit Er<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span>bauung
-der Stadt die Gassen so wenig ausgetreten worden sind.</p>
-
-<p>Unreinigkeiten eckeln nicht öfter an, als in italienischen Städten. Man
-glaubt im Anfange nicht, wie schnell ein Theil der Garstigkeiten von
-der heißen Sonne in Staub verwandelt wird.</p>
-
-<p>Auf Aeser stieß ich nie im Umfange der Mauern, wohl aber zur Seltenheit
-in der Umgebung der Stadt. Auf dem Wege nach Abu-Sabel labte sich eben
-ein halb Dutzend herrenloser Hunde an einem todten Thiere.</p>
-
-<p>Ueberall, wo der Mensch <a name="lebt" id="lebt"></a>lebt, ist ihm beim Baue der Wohnungen die
-ferne Sonne am Himmel das erste Augenmerk. Bei der Bauart der Häuser
-von Kairo fasse man, wie bei den Gassen, das Bedürfniß wohl ins Auge.
-Sie müssen gegen die Hitze schützen, während sie in Europa gegen die
-Kälte schirmen sollen. Man findet daher die Zimmer in den nördlichern
-Gegenden gewöhnlich klein, d. h., nicht breit und nicht tief. In Kairo
-sind die Gemächer umgekehrt sehr geräumig, tief, kapellenartig. Ja
-es übertreffen viel Zimmer der Stadt an Raum europäische Kirchen.
-Manches staunte ich mit Wohlgefallen an, theils auch wegen der hohen
-Bögen und der maurischen Zierathen. Wie dem Fußgänger und Reiter
-auf der Gasse die hohen, einander nahe gegenüber stehenden Häuser
-lieblichen<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span> Schatten werfen, so beschatten sie einander selbst, und
-je schattenreicher ein Zimmer ist, desto mehr wird es geschätzt. Die
-Dächer sind flach oder nur ein Boden (Söller), und das Licht fällt
-nicht bloß durch Fenster, die über einander sich folgen, herein,
-sondern auch durch das Dach. Ueber die Oeffnung an diesem wirft sich
-gegen Mitternacht eine Nase auf, welche geschlossen werden kann. So
-strömt erfrischende Luft an der Spitze des Hauses bis unten auf den
-Boden von Erde oder Stein. Die Fensterscheiben selbst sind viereckig,
-und es wird an einigen Orten Europas keineswegs eine neue Mode
-eingeführt, wenn man dort auf runde Scheiben verzichtet, um viereckigen
-Platz zu machen. Viele Häuser sind einstöckig. Ein großes Thor führt
-durch den Eingang in einen Hof, wo die Küche frei steht; der Hof ist
-zugleich der Rauchfang. Manches große Thor wird selten geöffnet. Dafür
-steht in demselben eine kleine Thüre offen, durch die man geduckt und
-mit hochgehobenem Fuße schreiten muß. Ueber dem Eingange, wenn man will
-über dem Erdgeschoße, finden sich die Zimmer, welche bis zum Dache 15
-bis 25 Fuß sich erheben. Es gibt wohl auch Zimmer, die von ebener Erde
-an 40 Fuß hoch anstreben. Zweistöckige Häuser gehören zwar immerhin
-nicht zur Seltenheit, aber drei- und vierstöckige. Der Europäer kann
-sich sehr leicht täuschen, wenn er die Häuser bloß von<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> Außen besieht.
-Er stellt sich hohe Gebäude vor, in denen drei Familien über einander
-wohnen würden. Verschwenderisch birgt hier manchmal nur ein Stockwerk
-eine Familie. Dieses berücksichtigend, könnte man nicht begreifen, daß
-etwa 300,000 Menschen in Kairo wohnen oder einst gewohnt haben, sofern
-man nicht wüßte, daß viele Araber einer Wohnung entbehren. Wandelte ich
-Nachts nach Hause, so wurde es mir zuerst unangenehm zu Muthe, wenn ich
-hier auf dem Boden der Gasse, dort auf der Bettstelle an einem Hause
-einen vermummten Araber ruhen sah. In der offenen Herberge der Gasse
-brachte er die Nacht hin. Die Milde eines Himmelstriches bettet den
-Menschen mit wenig Mühe.</p>
-
-<p>An oder in den Häusern verdienen zwei Dinge noch besondere Erwähnung;
-das Schloß und die Stiege. Die meisten Schlösser sind von Holz. Ein
-Joch, an der Thüre befestiget, nimmt den Riegel auf. An dem obern
-Theile der für den Riegel bestimmten Jochöffnung ragen, ohne strenge
-Ordnung der Entfernung von einander, mehrere drähtene Stifte hervor,
-die gehoben werden können, und ohne eine hebende Kraft von selber
-herunterfallen. In den Riegel, als den zweiten Theil des Schlosses,
-dringt auf einer Seite und an dem einen Ende eine kantige Rinne. Oben
-besitzt der Riegel den Stiften entsprechende Oeffnun<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span>gen, und diese
-sind in solcher Ordnung angebracht, daß, wenn er vorgeschoben ist, die
-drähtenen Stifte vom Joche herunterspringen und eingreifen, wodurch der
-Riegel gesperrt wird. Der Schlüssel, als der dritte Theil des Schlosses
-und gleichfalls von Holz, ist ebenso einfach, als die vorigen Theile.
-An einem Ende, das in die Rinne des Riegels läuft, stehen gerade so
-viel drähtene Stifte unbeweglich herauf, als der Riegel Oeffnungen
-zählt. Drückt man die Stifte des Schlüssels in diese, so heben sie die
-Stifte des Joches, und der Riegel kann herausgezogen werden. &mdash; Mit
-der Konstrukzion der Stiegen konnte ich nicht ins Klare kommen. Sie
-sind von Stein, und von der Gestalt eines gezahnten Rades, wenn dieses
-keinen Zirkel beschriebe. Sie haben ihre Befestigung nur an einer
-Seite, an der Mauer des Hauses; im Uebrigen liegen sie ganz frei heraus.</p>
-
-<p>Aus Furcht vor dem gräuelvollen Götzendienste verbietet der Islam
-die Abbildung von Menschen und Thieren. Es fehlt indessen noch
-viel, daß dem Verbote von allen Mohammetanern nachgelebt wird. Es
-wird schon von <em class="gesperrt">Selim</em> I. erzählt, daß er dem Sohne
-<em class="gesperrt">Soliman</em> II. sein Bildniß hinterließ, über dem man die
-Worte las: Sultan <em class="gesperrt">Selim Ottoman</em>, ein König aller Könige, ein
-Herr aller Herren, ein Fürst aller Fürsten, ein Sohn und Kindskind<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span>
-Gottes. Von dem jetzigen Sultan <em class="gesperrt">Mahmud</em> II. weiß man,
-daß er, zum Verdrusse der Gesetzlehrer, sein Porträt dem Pascha
-zuschickt. Bei Beschneidungsfestlichkeiten im Jahr 1582, zu Ehren des
-nachherigen Sultan <em class="gesperrt">Mehemet</em>, wurde in einem Prachtzuge Zuckerwerk
-herumgetragen, das verschiedene Arten von Thieren vorstellte, z. B.
-Elephanten, Löwen, Tiger, Leoparden, Affen, Pferde, Kameele, Giraffen,
-Syrenen, Falken, Habichte, Sperber, Storchen, Kraniche, Enten, Pfauen,
-ein Ungethüm von riesenhafter Mannesgröße, nackt und sitzend wie ein
-Schneider. Kehren wir nach Kairo zurück.</p>
-
-<p>Gemälde trifft man an den Häusern selten, und wenn noch, so lassen
-sie allenthalben die Schülerhaftigkeit durchblicken. Europäische
-Primarschüler von acht Jahren würden treuer und geschmackvoller malen.
-Die Malereien an den Mauern der Häuser stellen meistentheils Laub- oder
-Blumenwerk dar, das etwa aus schnörkelreichen Töpfen sich entfaltet.
-Die rothe Farbe herrscht vor. Auch trägt die Mauer einiger Häuser,
-rechts und links an der Thüre, einen gemalten angebundenen Löwen zur
-Schau. An einem Hause ist auf ein Thier ein kleines Gebäude gepackt;
-allein ich konnte nicht errathen, was für ein groteskes Ding es war,
-weil die Pfuscherei wirklich zu hoch sich überboten hat. An andern
-Häusern, und zwar an vielen, wech<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span>selt einfach die rothe und weiße
-Farbe, so daß, wenn eine Reihe Quader weiß, die erste darüber roth ist.
-Hie und da steht über den oben abgerundeten Thüren ein Stern. Mehr, als
-an Farben versucht sich der Kairaner an Formen, und diese sind es, die
-seine Geschicklichkeit verkündigen. Wo Holz verbaut ist, da liefert
-es beinahe durchgängig Beweise von kunstreichen Schnitzarbeiten. Noch
-triumphirender aber zeigen die Mauern das Gepräge der Kunst. Die
-Moscheen (Gâma’) empfehlen sich in der Regel durch ihre Pracht, und die
-hohen Thürme sind bis an die Spitze von lauter Quadern aufgeführt. Die
-meisten umkrämpen zwei frei herausragende Galerien mit Geländer, und
-auf dem Helme schießen Arme schief hinauf, um daran, zu Verherrlichung
-der Festtage, Laternen zu hängen. Auf den Galerien hingegen wird
-vom Thürmer (Muezeinn) singend der Gläubige zum Gebete ermahnt.
-Dadurch wird die fehlende Glocke entbehrlich. Ueberall erregten die
-sarazenischen oder maurischen Werke meine Bewunderung. Obschon ich in
-meiner Kunsteinfalt einem einfachern Styl mehr Geschmack abzugewinnen
-vermag, so ergötzte ich mich gleichwohl manchmal an dem Laub- und
-Blumenwerk, an den bizarren geometrischen Figuren oder Arabesken.
-Eine Bildsäule würde man vergebens suchen. Es geschieht nicht selten,
-daß man beim Ausjäten des Unkrautes auch das<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span> nützliche Gewächs
-herausreißt. So hat der Islam, bei Zerstörung der Götzendienerei, die
-bildende Kunst überhaupt mit Füßen getreten.</p>
-
-<p>Aufschriften in arabischer Sprache liest man ungemein selten.
-Paris sieht gegen Kairo wie ein aufgeschlagenes geschriebenes Buch
-aus. Die Tochter Mokatams ist Album. Die europäischen Städte sind
-Erklärungswörterbücher (Reallexika), belehrend für Kinder und Fremde,
-ein <span class="antiqua">Cornu Copiae</span> von Pleonasmen für die Unterrichteten. In
-Italien lernte ich manche Handwerksnamen über den Buden, und Niemand
-hätte es mir verarget<a name="FNAnker_10_10" id="FNAnker_10_10"></a><a href="#Fussnote_10_10" class="fnanchor">[10]</a>.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Schloss"><b>Das Schloß, der Jussufsbrunnen und die Grabmale
-von Kâyd-Bei.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Wollen die Europäer wohin gehen, laufen, reiten, fahren, so werden die
-gebieterischen Witterungs-<em class="gesperrt">Wenn</em> angeknüpft. <em class="gesperrt">Morgen, wenn es
-gut Wetter ist</em>, heißt es. Wenn das Frauenzimmer schon <a name="Flitter" id="Flitter"></a>seinen Flitter
-bereit hielt, wenn Pferde und Wagen bestellt waren, wenn die<span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span> Liebe und
-Freude den Schlaf verscheuchten, und wenn dann in der Frühe Wasser oder
-Schnee vom Himmel fällt; &mdash; ach, welch saures Gesicht wird geschnitten,
-welche Seufzer werden ausgestoßen, wie werden mit beklommenem Herzen
-die Hände zusammen und über einander gerungen, weil &mdash; es regnet oder
-schneit, und weil der Regen oder Schnee den Gang, den Lauf, den Ritt,
-die Fahrt hindern. Man darf in Kairo während der sichern Jahreszeit
-gut Wetter auf morgen so zuversichtlich erwarten, als das Tageslicht
-selbst. Die europäischen Witterungs-Wenn sind hier daher außer
-Tagesordnung und werden, Wunder genug, nicht einmal gewünscht, um sich
-damit zu europäisiren.</p>
-
-<p>Ich lud einen Freund zu einem Spazierritte ein. Ich zählte auf diesen
-mit einer Sicherheit, welche nicht vom fernsten Zweifel beengt
-war. Doch haben, daß ich es zu melden nicht vergesse, die Kairaner
-manchmal ein anderes Wenn und zwar ein noch schlimmeres; ich meine das
-Pest-Wenn. Du ladest Abends einen muntern Freund auf morgen zu einem
-Spazierritte ein; ehe der Tag graut, ereilt ihn die Pest mit ihrem
-tödtlichen Gifte.</p>
-
-<p>Es war Sonntag. Am frühen Morgen trugen uns die Esel im
-Geschwindschritte durch die Gassen und Bassar. Die Läden waren noch
-nicht überall offen. Die sarazeni<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span>schen Schnörkeleien an den Häusern,
-Thürmen und Tempeln, die arbeitenden Mohammetaner eigneten sich gleich
-sehr, die Aufmerksamkeit zu fesseln. Nun etwas bergan. Der Esel schritt
-immer noch schnell, und der Eseltreiber rannte keuchend nach. Schon
-erblickte ich das Schloß in der Nähe. Ich verging in Staunen. Wir bogen
-rechts ein, um auf der günstigsten Stelle die Stadt und ihre Umgebung
-zu überschauen. Man kommt an stehenden und gestürzten mächtigen
-Granitsäulen vorbei, welche, wahrscheinlich Trümmer von Memphis, über
-dem Grabe der Altzeit prangen.</p>
-
-<p>Das ist nun Kairo unter meinen Füßen, seit Jahrhunderten ein Gegenstand
-der Bewunderung, früher weniger gekannt und von den Europäern nicht
-selten mit Fabeln angefüllt, von den französischen Heerschaaren
-bezwungen, von ihren Gelehrten gemessen, beschrieben, gezeichnet bis
-auf die kleinsten Einzelnheiten; das ist nun Kairo vor meinen Augen,
-die größte bekannte Stadt in Afrika, die zweitgrößte des osmanischen
-Reichs, eine der größten der Welt, mit den vierhundert Tempeln,
-mit den graulichen plattdächigen, kaminlosen Häusern in dem weiten
-Umkreise, mit den 200,000 Einwohnern<a name="FNAnker_11_11" id="FNAnker_11_11"></a><a href="#Fussnote_11_11" class="fnanchor">[11]</a>. Kaum kann das Auge<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span> ausruhen.
-Südwestlich liegt Altkairo, weiter weg der die Inseln umspülende Nil,
-dann die hoch aufragenden Pyramiden von Gizeh <a name="Gisa" id="Gisa"></a>(Gîsa) und Sakâra, der
-wüste lybische Hügelstrich, und gegen Morgen der letzte Absenker des
-arabischen Gebirges. Vor allen Gebäuden zeichnet sich durch Größe der
-Hassantempel und gegen Sonnenaufgang die vielen Grabmale aus. Wo ist
-aber Babylon, wo Memphis? Du bist stumm, Maser el-A’tykah, und du,
-Gelände jenseits des Nilstroms.</p>
-
-<p>Das Schloß stützt sich auf einen Abfall des Berges Mokatam, im
-Süden der Stadt. Es ist von festem Mauerwerk und sehr groß, so daß
-es für sich schon eine ordentliche Stadt bildet<a name="FNAnker_12_12" id="FNAnker_12_12"></a><a href="#Fussnote_12_12" class="fnanchor">[12]</a>. Das Stockhaus
-liegt im Umfange der Burg. Wegen der Schönheit wäre das Harem
-nicht nennenswerth. In der Nähe desselben standen Ent<span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span>mannte. Ein
-ungewöhnlich großer Mohr verrieth durch Haltung und Geberde, durch
-Stimme und Gesichtszug so völlig das bis zum kindischen unmännliche
-Wesen, daß der Kontrast sich tief in meine Seele prägte. Dem Auge des
-Kastraten fehlt der Glanz der Kraft und Liebe. Die ersten Frauenhüter
-sah ich eben in einem Schloßhofe um ein Pferd stehen, das, mit
-zusammengebundenen Füßen, auf dem Boden ausgestreckt war. Man schnitt
-demselben den Schweif ab, brannte dessen Stumpf mit einem Glüheisen,
-und brühte ihn dann in einer mir nicht bekannten Flüssigkeit. Die
-Kastraten schienen mit Wohlgefallen der blutigen Operazion zuzusehen.
-Man kann sich doch nicht bergen, daß man in Kairo leichter und
-schneller die Rosse englisirt, als die Araber zivilisirt.</p>
-
-<p>Vom Militär, durch welches das Residenzschloß bewacht wird, stellt
-der Abendländer sicher nichts Geringeres sich vor, als von der
-orientalischen Pracht geblendet zu werden. Nichts weniger als Luxus.
-Dafür findet man zerrissene Kleider in Menge.</p>
-
-<p>Wir traten in viele Hallen und Zimmer des Schlosses. Die Kanzlei hatte
-ganz den orientalischen Zuschnitt; ringsum der Diwan, d. h. eine
-niedrige, breite Polsterbank, ohne einen Tisch, bloß ein unbemaltes
-Pult steht einsam in einem Winkel. Die Kanzlei war heute leer,<span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span> weil
-die Kanzlisten, koptische Christen, eben den Sonntag begingen. Es
-klingt in Wahrheit sonderbar, daß in Egypten die Staatskanzlei eines
-mohammetanischen Fürsten den christlichen Sonntag feiert. An den
-Werktagen wird der Diwan um und um von den Schreibern besetzt, um nicht
-zu sagen, belagert.</p>
-
-<p>Was auf dem Schlosse meinen Geist am meisten und mein Gemüth am
-angenehmsten beschäftigte, war der sogenannte <em class="gesperrt">Jussufsbrunnen</em>.
-Ein mohammetanisches Weib führte mit brennender Kerze mich hinunter. Es
-war unverschleiert; doch bisweilen schnappte es in das Kopftuch, um das
-häßliche, schwarzbraune Gesicht zu verhüllen. Zwei Kinder leuchteten
-mir nach. Der Brunnen, über 280 Fuß tief in den Kalkfelsen gearbeitet,
-ist viereckig. Man steigt auf einer Felsentreppe hinunter. Die Stufen
-lassen sich jedoch an vielen Orten wegen der darauf liegenden Erde
-nicht erkennen. Die innere Wand der Treppe durchdringen an vielen
-Orten Oeffnungen zum Einlassen des Lichtes. Wenn man zu einer gewissen
-Tiefe hinabgelangt, endet die Treppe, und mittelst eines Rades wird
-das Wasser in Krügen, welche an einem Seile befestiget sind und mit
-diesem umherlaufen, aus der Tiefe geschöpft und hier ausgeleert. Ein
-zweites Rad findet sich oben, welches mittelst der Krüge das Wasser
-von der nächsten Stazion<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> heraufholt, um es dort ans Tageslicht zu
-bringen. Von dem Orte, wo das untere Wasserrad angebracht ist, senkt
-sich der Brunnen bis zum Wasserspiegel, welcher mit dem Nil die Höhe
-theilt, so tief, daß einige Sekunden verstreichen, bis man den Fall
-des hinabgeworfenen Steins vernimmt. Neben dem untern Rade greift
-eine Kerbe in den Fels, wo ein weiß marmorner Turban, das Grabmal des
-<em class="gesperrt">Jusef Salâh el-Dyn</em> (des berühmten <em class="gesperrt">Saladin</em>), ruht. Man
-fühlt in der Tiefe eine angenehme Temperatur, und es fällt eben so
-leicht, als es die Mühe lohnt, Zeuge eines so merkwürdigen Denkmals
-zu sein. Mich erinnerte dieser Erdenthurm und die Treppe an den
-Markusthurm und dessen Treppe in Venedig.</p>
-
-<p>Vom Schlosse weg wendeten wir uns, indem wir die auf einen Schutthügel
-gebauten Batterien zur Linken ließen, gegen den nach Suez führenden
-Wüstenweg, um die Moscheen und Grabmale der Großen (Turâb Kâyd-Bei) zu
-durchstreifen. Jener Hügel verdeckte unsern Blicken die Stadt, und das
-Schloß sperrte die Aussicht nach Süden. Die Grabmale, in einem Thale
-auf sandigem Grunde, stellen meist Thürme oder Moscheen dar. Von diesen
-umringt, glaubt man sich mitten in einer Stadt; man <em class="gesperrt">ist</em> in einer
-Leichenstadt. In der Bauart der Grabmale bespiegelt sich offenbar der
-schmuckselige Sarazene, welcher Fleiß<span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span> mit Geschmack verband. Große
-Schätze sind an den unbewohnten ansehnlichen Gebäuden aufgegangen; aber
-leider zerfallen diese, und lassen den Genossen unserer Tage eine Reihe
-von Jahrhunderten aus der Urne der Zeit verwünschen, damit er dieselben
-in dem Zustande der Unversehrtheit bewundere. Beim Anblicke zerstörter
-oder der Zerstörung entgegeneilender, ausgezeichneter Kunstwerke möchte
-man beinahe vorziehen, daß sie nie entstanden wären, nur um des bittern
-Schmerzes über ihren Zerfall überhoben zu werden.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Militaerkrankenhaus"><b>Das Militärkrankenhaus.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>In der Esbekieh nimmt ein Krankenhaus den Kriegsmann auf. Für das Zivil
-würde man eines nach europäischer Einrichtung vergebens suchen, &mdash; doch
-mit Ausschluß der Franken, welche in ihren kranken Tagen allerdings
-öffentliche Pflege erhalten, indem sie in dem Militärkrankenhause
-untergebracht werden. Ausnahmsweise hat das arabische Zivil ins
-Spital ein junges Mädchen geliefert, bei welchem die Steinoperation
-vorgenommen werden mußte.</p>
-
-<p>Das Gebäude ist massiv von Stein erbaut, und begreift zwei Höfe in
-sich. Es enthält große Säle; so einen mit 24, einen andern mit 60
-Kranken. Die Krankenzim<span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span>mer sind auch licht; aber in einigen kam dem
-Eintretenden ein unangenehmer Geruch entgegen, das <em class="gesperrt">zuverlässigste
-Zeichen</em>, daß sie nicht reinlich genug gehalten werden.</p>
-
-<p>Man traut den eigenen Augen kaum, wenn man zu einem Araber
-geführt wird, welcher mit Arsenik das Gesicht sich raubte, um des
-Militärdienstes unfähig zu werden. Fälle, daß die Araber in dieser
-Absicht sich mit Blindheit schlagen, ereignen sich nicht selten. Aus
-dem gleichen Grunde werden auch Finger verstümmelt, Zähne ausgebrochen
-u. s. f. Eine <em class="gesperrt">Mutter</em> stach ihrem Sohne ein Auge heraus, um ihn
-nicht verlieren zu müssen.</p>
-
-<p>Die Apotheke des Spitals sieht sehr unscheinbar aus. Es ist merkwürdig,
-wie hier Leute zu Apothekern geschnellbleicht werden. Ein polnischer
-Offizier berechnete, daß er als Apotheker besser stehen würde. Er
-meldete sich an, ist gegenwärtig als Apotheker angestellt, und bildet
-sich auf seine Kunst sehr viel ein. Unwissenheit und Eigendünkel
-gehen Hand in Hand. Ein weiland österreichischer Aide-Major hielt
-sich einst eine Zeitlang in einer Droguerie auf. Er bewarb sich um
-eine Apothekerstelle, bekam Anstellung, und eben während meines
-Aufenthaltes in Kairo durchsprang er einen Theil der kurzen Lehrzeit
-(von beiläufig einem Monate). Dieser Leichtsinn, womit die Stellen
-im Gesundheitsdienste verliehen werden, erscheint indeß in einem
-mil<span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span>dern Lichte, wenn man den großen Mangel geeigneter Subjekte ins
-Gedächtniß zurückruft. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Regierung
-der Aufnahme solcher Glücksritter in den Staatsdienst einen Riegel
-vorschöbe, wenn ihr eine Auswahl zu Gebote stände. Man macht in
-Egypten, wie anderwärts, aus der Noth eine Tugend.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Narrenmenagerie"><b>Die Narrenmenagerie.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Es gibt Leute, die sich an den Namen mehr ärgern, als an den Dingen.
-Bei solchen besorge ich wohl, daß sie an dieser Ueberschrift Anstoß
-nehmen. Vorläufig möchte ich sie aber damit beruhigen, daß der
-Ausdruck, so hart er klingen mag, doch nicht härter ist, als die Sache,
-die er bezeichnet.</p>
-
-<p>Um dem Eseltreiber verständlich zu machen, wohin ich wolle, ließ ich
-ihm sagen, daß er mich dahin führe, wo die Narren und die Närrinnen
-seien.</p>
-
-<p>Ich kam in einen Palast, das berühmte Spital <em class="gesperrt">Muristan</em>, welches
-mit der schönen Moschee gleichen Namens zusammenhängt. Ein geduckter,
-etwas kleiner Mann mit einem grauen Barte, stand in einem Vorzimmer;
-er fiel mir zuerst nicht auf. Es war der Menagerieinspektor. Mein
-Führer eröffnete ihm meine Absicht, &mdash; denn ich<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> konnte durchaus nicht
-arabisch, &mdash; und ohne Anstand ward mir der Eintritt bewilliget. Noch
-aber ließ ich Brote holen, um sie unter die Kranken zu vertheilen.
-Die Zufriedenheit mit Wenigem ist in der Regel ein Zeichen echter
-Selbstbeherrschung; die Zufriedenheit mit einem geringen Geschenke
-zeugt gemeinhin von wahrer Dürftigkeit. Auf diese zählend, hoffte ich
-mit meinen Kleinigkeiten Liebes zu thun.</p>
-
-<p>Nun wurde die Thüre aufgeschlossen. Ich war nur Auge, nur Ohr. Ein
-viereckiger Hof, in dessen Mitte ein steinernes Becken, selbst mit
-dem unlautern Wasser, fürs Auge gute Wirkung macht, zieht voraus den
-Blick an sich. Der erste Eindruck verspricht Gutes; allein er trügt
-nur zu gewiß: denn den gefälligen Hof umgeben lauter Käfiche, an
-Stattlichkeit und Solidität gleich denjenigen für die Thiere, welche
-zur Schau gestellt werden. Um den Schein einer Menagerie zu vollenden,
-erheben sich die Krankenzellen bühnenartig. Das Licht und die
-Speisen gelangen durch ein eisernes Gitter, welches nicht Manneshöhe
-erreicht. Die Zelle ist schmal, doch hoch. Ich konnte die Zellen und
-die Kranken nicht zählen; denn der Menagerieinspektor sputete sich
-zu sehr, weil er vielleicht meinte, daß die Kranken beim Anblicke
-eines Giaur (Ungläubigen) gewaltig beunruhiget würden. Ich glaube,
-daß<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> den Hof sechszehn Zellen umfassen. Sie sind sämmtlich von festem
-Mauerwerk. In den meisten Zellen fand ich einzig einen Kranken, in
-einer andern aber selbst drei, wovon einer angekettet war. Der letzte
-nämlich trug ein Halseisen mit einer langen Kette. Diese lief durch
-das Gitter, und ward so weit unten festgemacht, daß der Kranke mit
-den Händen die Endglieder derselben nicht ergreifen konnte. Hände
-und Füße blieben dabei ungefesselt. In Europa würde man bei solcher
-Anfesselung das Selbsterdrosseln befürchten. Zur Bettung dient dem
-Kranken im besten Falle etwas Stroh, sonst der harte Boden. Dieß
-ist nicht das Herbste des Schicksals. Wie der Hunger die Küche bald
-gut bestellt, so bereitet der Mangel an Schlaf dem schwankenden und
-trunkenen Haupte ohne Schwierigkeit einen Polster, und am Ende macht
-sich die Macht der Gewohnheit geltend. Vielleicht werde ich letztern
-Satz gelegentlich einmal wiederholen, weil dessen Wahrheit beinahe nie
-genug ausgesprochen und beherziget werden kann. Einige Kranke waren
-ordentlich gekleidet, andere aber wenig oder fast gar nicht.</p>
-
-<p>Wie ich vor die ersten Käfiche trat, wollte ich das Brot selbst
-austheilen; allein der Menagerieinspektor wand mir es mit einer
-Meisterfertigkeit aus der Hand, und mir war klar, was ich thun oder
-lassen sollte. Meine fränki<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span>sche Person schien den Unglücklichen
-wenig Aergerniß zu geben; sie haschten, wie kleine Kinder, nach dem
-Geschenke, welches ihre Aufmerksamkeit für den Augenblick verschlingen
-mochte. Nur ein Andächtiger, der betend auf den Knieen lag, und den
-Boden anglotzte, nahm von Allem, was vorging, keine Notiz. Dagegen
-betrug sich sein Nachbar um so rühriger, und er erhob ein betäubendes
-Geschrei. Der Aufseher warf einen Lappen Brot ihm zu. Das war der
-Friedensbote, welcher alsobald den Sturm besänftigte, nachdem eine Art
-Mensch, vielleicht ein Menagerieknecht, vergeblich den Stock über ihn
-geschwungen hatte. Schlagen sah ich nicht.</p>
-
-<p>Uebrigens hält man mit dem Schlagen oder Peitschen in Egypten keine
-genaue Rechnung. Jeder Herr peitscht oder prügelt seinen Diener. Das
-Schlagen des kranken Irren wird in Egypten unzweifelhaft nicht die
-gleiche Wirkung hervorbringen, welche man sich in Europa versprechen
-würde, und wenn in diesem Welttheile mit dem verwerflichen,
-barbarischen Mittel zur Seltenheit Heilungen erzielt wurden, so würde
-es von dem ans Schlagen beinahe mehr als ans Brotessen gewöhnten Araber
-mit Gleichgültigkeit, wenigstens mit abprallender Härte ertragen werden.</p>
-
-<p>In der Flüchtigkeit ward ich ruhige Gesichter und gut<span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span> genährte Leute
-in den Käfichen gewahr. Es beschwichtiget gewissermaßen zuletzt der
-gegründete Glaube, daß die Eingekerkerten doch nicht mit Hunger gequält
-werden.</p>
-
-<p>Als ich schon zur Thüre hinaus war, hörte ich noch den Lärm der Irren,
-selbst vor dem Geklirre der Ketten. Von der Besorgung der Närrinnen
-weiß ich weder etwas Rühmliches, noch etwas Tadelnswerthes. Den Männern
-ist der Eintritt in die Weiberzellen untersagt, wohl aber <em class="gesperrt">Knaben</em>
-bis zum Alter von ungefähr neun Jahren erlaubt.</p>
-
-<p>Bei einem zweiten Besuche vergönnte man mir mehr Zeit. Ich konnte
-achtzehn Käfiche zählen. Dießmal überzeugte ich mich von der
-zurückstoßenden Unreinlichkeit. Daß in diesen Krankenställen keinerlei
-Versuche zur Heilung vorgenommen werden, versteht sich von selbst.</p>
-
-<p>Das kultivirte Europa schaudert wie vor der Einrichtung der
-Observazionsanstalt in Alexandrien, so vor einer solchen Behandlung
-unglücklicher Irren. Wie lange her ist es aber, daß dort das
-Licht der Humanität glänzt? Noch vor einem Jahrhunderte wurden
-die unschuldigsten Gemüthskranken, gleichwie die schuldigsten
-Verbrecher, fast durchgehends in Ketten geworfen. Vielleicht werden
-die bemitleidenswerthen Gemüthskranken an das eiserne Kriegsherz des
-Pascha klopfen, daß es erweicht wird, und falls er dem gräßlichen
-Uebelstande wehrt, so flicht er sich schönere<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span> Lorbeeren um sein
-Haupt, als wenn er noch einmal Militärkrankenhäuser, Arzneischulen und
-andere Anstalten, Pulvermühlen und andere Fabriken ins Dasein riefe,
-und er bleibt unsterblicher unter den Sterblichen, als wenn auf sein
-Machtwort der Anbau einer zweiten Baumwolle und eines zweiten Oelbaumes
-u. dgl. gediehe. Insbesondere die edeln Züge des Zartgefühles für
-das Wohl und Weh aller Menschen, ohne Ansehung des Standes und des
-Vermögens, erwartet das aufmerksame Europa von dem schöpferischen und
-durchgreifenden Vizekönige des Egyptenlandes.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Stadt_der_Einaeugigen"><b>Die Stadt der Einäugigen und
-der Blinden.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Man nennt wohl keine Stadt in der Welt, worin so viel Einäugige und
-Blinde wohnen wie in Kairo. In keiner Stadt, würde der Spötter sagen,
-wird öfter ein Auge zugedrückt, und ist die Liebe blinder. Man ziehe
-bloß die Gasse hin und her, und bald wird die Aufmerksamkeit von einem
-Manne gereizt, der mit einem Stocke den Weg befühlt, oder seine Rechte
-auf den Kopf oder die Schulter einer Person legt, die als Wegweiser
-vorangeht. Selbst die Blinden wandeln nicht mit Andern wie in Europa,
-wo sie am Arme geführt werden. Man weiß beinahe nicht, ob man über das
-Glück Unglücklicher lachen darf, wenn<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span> man wahrnimmt, wie etwa drei
-Blinde einander leiten und leiten <em class="gesperrt">können</em>.</p>
-
-<p>Einst schilderte man das Gedränge in der Stadt als so groß, daß man
-jeden Augenblick Gefahr laufe, Jemand umzubringen oder umgebracht zu
-werden. Diese Schilderung kann für die jetzige Zeit nicht gelten.
-Ich sah in einer sehr besuchten und belebten Gasse, gleich vor der
-Hauptwache über der Brücke, einen <em class="gesperrt">blinden</em> Greis <em class="gesperrt">allein</em>,
-freilich in kurzen und furchtsamen Schritten, sich vorwärts bewegen,
-ohne daß er umgebracht oder auch nur unsanfter berührt wurde. Es ist
-hinwieder eine natürliche Sache, daß die Sehenden noch gefahrloser
-ihres Weges gehen, als die Blinden.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Das_oeffentliche_Bad"><b>Das öffentliche Bad.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Die Südländer haben eine <a name="fischartige" id="fischartige"></a>fischartige Natur. Bäder sind ihnen
-Bedürfnisse.</p>
-
-<p>Ich trete in ein großes, von oben beleuchtetes Zimmer. In der Mitte ein
-Wasserbecken. Darum ein mit Marmor ausgelegter Boden. An den Wänden
-eine Bühne; darauf Bettpolster in Menge. Neben der Pforte eine Art
-Kanzel. Von der Bühne streben jonische Säulen empor. Am Eingange in das
-Dampfgewölbe eine kleine Kaffeeküche, aussehend wie ein Doppelkästchen
-mit einem Raume da<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span>zwischen<a name="FNAnker_13_13" id="FNAnker_13_13"></a><a href="#Fussnote_13_13" class="fnanchor">[13]</a>. Ich bin im Entkleidezimmer; auf den
-Polstern der Bühne die Badegäste; auf der Kanzel der Geldeinnehmer.</p>
-
-<p>Der Badende steigt auf die Bühne. Er entkleidet sich. An der flinken
-Hand des Badeknappen fliegt im Nu ein weißes Tuch ihm um die Lenden.
-Ein Tuch von bunter Farbe schlägt der Badeknecht ihm über die Brust,
-und ein anderes über den Rücken, das erste hinten und das letztere
-vorne bindend. Den Kopf umwickelt er, auf daß ihn ein Turban schütze
-und ziere. Das die vollkommene Bademontur, es fehlen einzig noch die
-Kapuzinerschuhe, in die man schlüpft, sobald man von der Bühne herunter
-gestiegen ist.</p>
-
-<p>Jetzt geht der Badende behutsam davon, damit er nicht auf dem nassen
-und glatten Marmorboden niederglitsche. Durch einen engen, düstern,
-gewölbten Gang gelangt er in ein Zimmer: das Ent- und Ankleidezimmer in
-der kältern Jahreszeit, weil es gewärmt werden kann.</p>
-
-<p>Er kommt durch eine Thüre in ein Gewölbe. Das Licht dringt mühsam
-und spärlich durch kleine, runde, mit Glas hermetisch verschlossene
-Oeffnungen von der Kuppel<span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span> herab. In der Mitte ruht ein Wasserbecken.
-Aber er weilt dießmal hier nicht.</p>
-
-<p>Durch den warmen Dampf links oder rechts einige Treppenstufen hinauf,
-er befindet sich in einem kleinen, noch düstrern Gewölbe, worin
-warmer Nebel ihn umschwebt. In der Mitte ein Wasserbecken, tief bis
-an das Kinn. Der Knappe entwindet ihm all’ das Badegewand bis an
-die Lendenschürze. Es ist das Wasser aber allzu heiß, und er taucht
-nicht unter. Andere scheuen indeß die Hitze minder, und man erblickt,
-spaßhaft genug, bloß noch ihre Köpfe. Er begnügt sich, neben dem
-Wasserbecken auf dem harten Marmorboden sich hinzustrecken und daraus
-auf seinen Körper fleißig Wasser zu schwenken. Ein Araber, nur mit
-einem Tuche an den Hüften umschürzt, legt ihn zurecht, und, mit einem
-wollenen Handschuhe versehen, reibt er seine Haut in geschäftigem Hin
-und Her, doch sanft und ohne wehe zu thun.</p>
-
-<p>Hierauf in das letzte Gewölbe zurück. Hier seift ein Bursche den ganzen
-Körper ein, und der Badende tritt mit dem schaumigen, seifenweißen
-Leibe in ein kleines Nebengewölbe, wo zwei Röhren mit Hähnen über ein
-Becken sich krümmen. Aus der einen Röhre fließt warmes und aus der
-andern kaltes Wasser. Hier wird die Seife am Leibe abgespült, indem
-dieser den prallen Strahl der Röhre bricht,<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span> und zu guter Letze hilft
-die Hand dem schwemmenden Brunnen.</p>
-
-<p>Zurück in das gleiche größere Gewölbe der Mitte. Hier hätte der
-Badende, statt die Stiege hinaufzugehen, in einem Becken an der Wand,
-wie in einer Badewanne, sitzen können, worein das Wasser mit der
-beliebigen Wärme geströmt wäre.</p>
-
-<p>Schon ist der Badende ausgedämpft, ausgespült, ausgerieben,
-ausgewaschen, hoffentlich fix und fertig. Er tritt, allenthalben von
-trockenen Schürzen und Quehlen umfangen, aus der Dämmerung ans Licht,
-aus dem Qualm ans Trockene, aus dem heißen Mittag in den kalten Nord.
-Er besteigt die Ankleidebühne, beinahe vor Kälte schaudernd. Er lagert
-sich auf dem Polster. Ein Bursche deckt ihn zu. Sanft drückt dieser
-ihm die trocknenden Hüllen an den Körper. Er will den Badenden an der
-Fußsohle kitzeln. Dieser kann es nicht leiden, und weigert sich dessen.
-Er hat Zeit genug, seine Schaulust an Andern zu befriedigen, welche
-dort eben eintreffen, hier zum Ausgehen sich anschicken. Er ist frei
-vom Naß, und es fehlt nichts mehr, als daß er sich anziehe und dem
-Geldeinnehmer eine Kleinigkeit gebe.</p>
-
-<p>Der Dampf in den Gewölben übte weder den beklemmenden Einfluß auf mich,
-wie auf andere Franken, aus, noch wirkte die kältere Atmosphäre im
-Ankleidezimmer mit<span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span> ausnehmend erfrischender Kraft. Ich fühlte mich
-nach dem Bade allerdings leicht, und damit vertrieb ich eine leichte
-Unpäßlichkeit, welche ich dem Zurücktreten der Hautausdünstung in einem
-innern Theil zuschrieb.</p>
-
-<p>Bei dem morgenländischen Bade müssen drei Dinge erwogen werden: der
-Dampf, das warme oder heiße Wasser und die Reibungen. Es sind dieß
-so wirksame Agenzien, daß die hohe medizinische Wirksamkeit selbst
-demjenigen, dem gründlichere Kenntnisse in der Arzneiwissenschaft
-abgehen, nicht begreiflich gemacht werden darf. Andrerseits will ich
-nicht verhehlen, daß der schnelle Uebergang aus dem heißen in ein
-kaltes Mittel, also der rasche, schnelle Wechsel der Temperatur,
-manchmal Schaden zufügt. Einen solchen Fall nahm auch ich wahr.</p>
-
-<p>Der Apparat des Bades scheint ursprünglich nur die <em class="gesperrt">Reinigung des
-Leibes</em> zum Ziele sich gesetzt zu haben, mithin mehr der Hygieia,
-als der Heilkunde anzugehören. Diesen Zweck erreicht das Bad mit
-Leichtigkeit. Nach dem Bade erscheint viel geschmeidiger auch die Haut,
-von welcher die Unreinigkeiten sich ordentlich abschuppen, so völlig
-rein wird sie.</p>
-
-<p>Der Dampf wird nicht förmlich bereitet. Er steigt von den heißen
-Wassern auf, und man wendet bloß Sorgfalt an, ihm jeden Ausweg
-abzusperren. Es liegt am Tage,<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span> daß darunter die Reinheit der Luft
-leidet. Ich soll übrigens bekennen, daß kein besonders unangenehmer
-Geruch in den Gewölben mir aufstieß.</p>
-
-<p>Man liest in den Schriften, daß von Seite der Bader, außer dem Kneten
-der Glieder, auch eine Art Aus- und Einrenken geschehe. Ich ließ diese
-Manipulation an mir nicht vornehmen, noch sah ich sie an Andern.</p>
-
-<p>Das komplizirte Bad ist so außerordentlich wohlfeil, daß es auch der
-ärmere Araber benutzen, und dadurch dem Gesetze <em class="gesperrt">Mohammets</em>
-nachleben kann.</p>
-
-<p>Man darf die Badeanstalt des Morgenlandes nicht verlassen, ohne zu
-bedauern, wie sehr die Hautkultur im Abendlande vernachlässigt wird.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_oeffentliche_Baeder_im_16_Jahrhundert"><b>Wie die Egypzier im
-sechszehnten Jahrhunderte die Bäder gebrauchten.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Ich wähle einen treuen Beobachter, den Doktor <em class="gesperrt">Prosper Alpinus</em>,
-als Führer in die Hallen der Vorzeit. Darf denn der Reisende nicht auch
-bisweilen einen Schritt in dieselben wagen?</p>
-
-<p>Wie die Nordländer, so überliefert <em class="gesperrt">Prosper Alpinus</em>, Vieles
-zum Wärmen, so haben die Egypzier Vieles zum Kühlen, als: die vielen
-Brunnen in den Wohnungen, insbesondere aber die Süßwasserbäder, diese
-jedoch auch zu<span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span> Verschönerung des Körpers. Zu den Bädern nimmt man
-einfaches, geläutertes Nilwasser, ohne Beimengung von Medikamenten.
-Die Badeanstalten sind sehr zahlreich, geräumig und prachtvoll. Das
-Badehaus besteht aus mehrern von einander geschiedenen Gewölben, worin
-die Leute schwitzen, gerieben und gewaschen (gebadet) werden. Ungefähr
-im Mittelpunkte der Badeanstalt steht das An- und Entkleidegemach.</p>
-
-<p>In den verschiedenen Badegewölben herrscht ungleiche Temperatur, nach
-den Bedürfnissen der Badenden. Die Böden sind mit Marmor zierlich
-ausgelegt, und jeder abgeschlossene Raum hat zwei marmorne Becken,
-in welche das Wasser herabfällt. An dem gewölbten Dache sind die
-Glasscheiben gleichsam eine Zierde, und fügen sich so genau, daß von
-Außen keine Luft eindringen kann. Die Badegewölbe empfangen ihre Wärme
-vom Dampfe des in die Marmorbecken fallenden heißen Wassers. Wer da
-will, kann jederzeit zwischen heißen, lauwarmen und kalten Bädern
-wählen. Die mäßig warmen sind die gemeinsten.</p>
-
-<p>Weil die Egypzier das ganze Jahr vom Staube umgeben sind, und beständig
-von Schweiß triefen, so werden sie der Träger vieler Unreinigkeiten,
-weßwegen sie übel riechen, und an Ungeziefer nichts weniger als Mangel
-leiden. Darum ist bei den Egypziern das Baden so gebräuchlich,<span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span> zumal
-beim weiblichen Geschlechte, das sich mehr angelegen sein läßt, durch
-Beseitigung der Unreinigkeiten und durch Verscheuchung des übeln
-Geruches den Körper gefällig zu machen, auf daß es den Männern um so
-lieber sei. Die Frauenzimmer waschen sehr oft den Körper in den Bädern,
-und überziehen ihn mit wohlriechenden Salben, die vermöglichen mit
-solchen von Bisam, Ambra, Aloe. Beinahe unglaublich groß ist der <a name="Gebrauch" id="Gebrauch"></a>Gebrauch
-von Salben zu Verbesserung des Geruches und zu Weckung sinnlicher
-Begierden. Wie aber die Italienerinnen und andere Abendländerinnen
-allen Fleiß auf den Haarputz und auf die Verschönerung des Gesichtes
-verwenden, so vernachlässigen die Egypzierinnen wenigstens erstern.</p>
-
-<p>Viele Weibsleute trachten durch das Baden auch fetter zu werden. Je
-dickleibiger sie sind, desto lebhafter werden sie von den Männern
-begehrt. Man wird daher eine große Menge ungemein fetter Frauenzimmer
-antreffen. Es hielt sich in Kairo ein Weib auf, welches in der Kunst,
-fett zu machen, ihren Broterwerb suchte. Man legt es ordentlich
-darauf an, fett zu werden. Zu dem Ende baden die Frauenzimmer in
-lauem Süßwasser <em class="gesperrt">viele Tage hinter einander</em>. Indeß sie lange
-im Bade verweilen, essen und trinken sie darin, und gebrauchen
-Lavements, die aus verschiedenen fetten Substanzen bereitet werden.
-Gleichzeitig<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span> nehmen sie viele innerliche Medikamente ein. Es steht
-durch eigene Erfahrung fest, daß mehrere Frauenzimmer durch ein solches
-Badeverfahren viele Tage hinter einander, in Verbindung mit reichlicher
-Ernährung durch den Mund, fett wurden. Unter den Speisen wählen die
-Kandidatinnen der Fettigkeit viel fette Brühen mit Bammia, Melochia
-und Kulkassia, gewöhnlich eine Suppe von fetten Hühnern, auf egyptisch
-<em class="gesperrt">Maluf</em>. Jedwedes Frauenzimmer trinkt die ganze Suppe von einem
-Huhne, und verzehrt hernach dieses selbst. Viele dürftige Weiber nehmen
-das sogenannte <em class="gesperrt">Thaine</em>, oder das Oel von indischen Nüssen,
-oder den Absud von Chinawurzeln, oder den Sesamölkuchen, welcher
-mit dem Fleische fetter Hühner und mit der indischen Nuß zugleich
-gekocht wird u. dgl. Allein vor Allem preist man den täglichen Genuß
-zehn gerösteter, gemeiner Zwiebeln vor Schlafengehen, und zwar etwa
-fünfzehn bis zwanzig Tage hinter einander. Bei dieser Kur verspüren die
-Frauenzimmer nicht die mindeste Beschwerde.</p>
-
-<p>In Egypten verläßt Niemand das Bad, ohne gerieben zu werden. Die
-Reibknechte lassen die Person, welche zuerst beinahe eine Stunde im
-Bade ausgehalten, und absichtlich gebrochen oder wenigstens geschwitzt
-hat, auf einen Stuhl sitzen, sie kneten und behandeln alle Körpertheile
-des Dasitzenden auf verschiedene Weise. Sie fangen bei den<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span> Füßen an,
-und bewegen sie vorwärts, rückwärts und seitwärts, bald dann die Unter-
-und Oberschenkel nach allen Richtungen; sodann die Hände, jeden Finger
-besonders, darauf die Arme, die Schulter und ihre Blätter, hernach
-den Hals, den Kopf, die Brust und den Rücken nach allen Seiten. Es
-geschehen diese Bewegungen drei- bis viermal.</p>
-
-<p>Darauf heißen die Reibknechte den Badenden auf den Marmorboden
-rücklings sich legen, und beginnen den ganzen Körper zu reiben. Es gibt
-dreierlei Reibungen: 1) die sanfte und mittelmaßige, mit der bloßen
-flachen Hand, welche manchmal mit Sesamöl eingerieben wird, 2) die
-mittelmäßige und häufige, welche mit roher Leinwand geschieht, und 3)
-die harte und mittelmäßige, mit rauhem Tuche von Ziegenhaaren. Man
-fängt, beim Reiben der vordern Körperfläche, an den Füßen an, ihre
-Muskeln werden der Länge nach gerieben, indem die Hände von oben nach
-unten fahren &mdash; von Gelenke zu Gelenke, was mit großer Geschicklichkeit
-und Zierlichkeit ausgeführt wird, ohne ein Gelenk zu überhüpfen;
-dann kommt die Reihe an alle Gelenke und Muskeln der Schienbeine,
-Wadenbeine, Kniescheiben, Oberschenkel, hernach der Hände, Arme, der
-Schultern und Schulterblätter, so wie des Gesichtes, des Halses, der
-Brust, der mittlern Gegend des Abdomens. Nachdem dieses geschehen, wird
-der Körper auf den Bauch umgelegt,<span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span> und die hintere Fläche nicht anders
-behandelt, als die vordere. Die drei Arten von Reibungen werden eine um
-die andere, von der sanften zur harten ansteigend, vorgenommen.</p>
-
-<p>Nach den Reibungen wird der Körper von der Fußsohle bis zum Scheitel
-hinauf eingeseift, darauf in heißem Süßwasser abgewaschen und der
-Schmutz abgestreift. Ueberdieß bringen die Badeknappen die Füße des
-Badenden in eine gewisse Pflastermasse, welche gegen die feuchten und
-übel riechenden Füße herrliche Dienste leistet, auch diese orangegelb
-färbt. Es ist Sitte gemeiner Frauen, die Nägel der Hände und Füße so zu
-färben.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Sklavenmarkt"><b>Der Sklavenmarkt.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Den fühlenden Menschen nimmt nicht leicht etwas lebhafter in Anspruch,
-als der Sklavenmarkt.</p>
-
-<p>Wie die Welt anfing, zu glauben, daß Gott die Hände und Fäuste nicht
-derb genug geschaffen habe, womit sie sich plagen und züchtigen könne,
-entsprangen die Waffen. Diese sind nun die seltsamsten Wappen des
-Menschenadels. Mit solchen Gedanken betrachten wir die Karbatschen oder
-Peitschen, die aus der Haut des Nilpferdes gearbeitet sein sollen. Dort
-werden sie am Eingange eines Hofes verkauft, und deuten den Markt so
-gut an, als wäre er mit großen Buchstaben überschrieben. Sklaven in
-einem<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span> Hofraume, andere in daran liegenden Zimmern, andere hinwieder
-oben in Kammern und auf einer Gallerie &mdash; das ist das Sklavenokel.
-Die schwarze Farbe, die Blöße der Weiber bis zu den Lenden herab, das
-müßige Sitzen oder Liegen der Sklaven auf kleinen Gerüsten (egyptischen
-Bettstellen) oder auf dem Boden befremden den Ankömmling in gleichem
-Grade. Ich sah keinen Sklaven weinen, manchen lachen und scherzen. Die
-meisten waren jung; ein einziges altes Weib erblickte ich. Wie ich das
-erste Mal in den Sklavenmarkt trat, mochten an zweihundert Sklaven zum
-Verkaufe ausgestellt gewesen sein. In wenigen Tagen waren davon viele
-aufgekauft. Die Sklavenverkäufer, welche, mit der Pfeife im Mund,
-wie ein Krämer auf den Käufer mit gespannter Seele harren, verübten
-vor meinen Augen keine Grausamkeit an den Sklaven. Einer unter ihnen
-bemühte sich nicht wenig, ein weißes junges Mädchen, die einzige weiße
-oder doch halbweiße Sklavin, mir aufzuschwatzen.</p>
-
-<p>Mehrere Weiber besuchten den Markt und waren eben im Kaufe begriffen,
-ohne daß sie die Sklaven berührten. Diese werden zu sehr ungleichen
-Preisen losgeschlagen; ein junger Bursche etwa zu 50 bis 60
-Reichsgulden und ein ausgewachsenes schwarzes Mädchen zu 120 Gulden
-R. W. Auch dem Europäer wird der Kauf von Sklaven gestattet.<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> Auch
-<em class="gesperrt">er</em> erzählt mit Freude oder Reue, was für einen guten Handel
-von Menschen er getroffen habe. Die Polizei mischt sich nicht ein,
-welche Laster er an den Sklaven, als seinem Eigenthume, abkühlen
-würde. Ihr gilt völlig gleich, wenn er zwanzig Sklavinnen, zu jedem
-beliebigen Zwecke, erhandeln sollte, selbst wenn sie sich schon zum
-Mohammetanismus bekennen.</p>
-
-<p>Jüngere Sklaven zeigten sich noch in ihrer ganzen Nazionaltracht, wie
-man bei uns die Wilden abgezeichnet findet. Von einem Gürtel um die
-Hüften hangen etwa einen halben Fuß lange Fransen herunter. Den Hals
-schmücken Korallen, darunter weiße, welche mit den weißen Zähnen,
-und dem Weißen im Auge gegen die schwarze Hautfarbe grell abstechen.
-Unter den Mohren gab es selten einen mit schlechten Zähnen. Mehrere
-Sklaven waren über und über blatternnarbig; andere litten an einer Art
-Krätze, welche man Nilkrätze nennt. Die meisten Weibsleute behielten
-den Haarputz aus ihrem Geburtslande, so viel ich weiß, Nubien oder
-Abyssinien. Winzig gerollte und ziemlich lange Locken erwecken eine
-günstige Meinung; allein der Schmutz widert im höchsten Grade an.
-Manche trugen die Locken scheitelförmig.</p>
-
-<p>Der häßliche Geruch, welchen das Zusammenleben vieler Menschen
-begleitet, macht den Sklavenmarkt zu einem<span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span> wenig einladenden Orte.
-Die Stiege, welche auf die Gallerie führt, deckt das Garstigste, was
-der Mensch von sich wirft, in dem Maße, daß man ihm kaum ausweichen
-kann, sofern man jene ersteigen will. Die Unreinigkeiten würden auf
-dem Sklavenmarkte wahrscheinlich noch mehr sich häufen, wenn nicht das
-Interesse wohlthätig ins Mittel griffe. Zuviel Nachsicht schadet der
-Gesundheit &mdash; so studirt man praktisch die <span class="antiqua">humaniora</span> &mdash; und &mdash;
-&mdash; kranke Sklaven gelten minder, und todte verderben den Handel ganz.
-Es sucht doch allenthalben die Natur an der Unnatur sich zu rächen.</p>
-
-<p>Nirgendwo mag man ernster aufgefordert werden, Betrachtungen über
-Selbstständigkeit und Freiheit des Menschen anzustellen, als auf
-dem Sklavenmarkte, dort wo nicht die Vernunft über dem Materiellen,
-sondern das Geld über der Vernunft steht. Für was Anderes wird denn die
-Vernunft angesehen, als für etwas grobes Wägbares, wenn man so und so
-viel Gold oder Silber in die eine und die von Gott verliehene Vernunft
-in die andere Wagschale legt? Da wird das zerknirschte Herz jubelnd dem
-Schöpfer danken, daß man frei geboren ist, und daß man nicht, wie das
-Vieh ohne freien Willen, einem Herrschlinge blinden Gehorsam leisten
-muß. So lange indeß der Sklavenhandel nicht abgeschafft wird, so lange
-ist unser jubelnder Dank<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span> nicht völlig ungetrübt von Besorgnissen,
-so lange ist Niemand sicher vor dem traurigen, wiewohl für die große
-Mehrzahl von Menschen höchst unwahrscheinlichen Schicksale der
-Knechtschaft. Sowohl Mitleiden, das man für den Nächsten hegen sollte,
-als der mögliche Fall, daß man selbst in Sklaverei gerathen könnte,
-fordern so laut die Verstopfung jener unmenschlichen Erwerbsquelle mit
-einer Festigkeit, daß sie auf immer versiege.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Katzenstift"><b>Das Katzenstift.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Wenn man an der schönen Gâma’ (Tempel) el-Muristân vorbeikommt,
-so lenkt man in eine gewölbte Gasse ein. Im Halbdunkel windet man
-gleichsam sich fort. Endlich erblickt man ein heiteres Gebäude. Man ist
-schon im Hofe des Kadi und Mufti, wo die Katzen gefüttert werden. Das
-Gebäude heißt, meines Wissens, das <em class="gesperrt">Muristàn-el-Kadym</em>. Wir waren
-noch zu frühe, um der Fütterung zusehen zu können; wir mußten el-Asser
-(etwa viertehalb Stunden nach Mittag) abwarten.</p>
-
-<p>Indeß wir müßig herumstanden, näherte sich uns ein Mann in sehr
-freundlichem Tone. Weil wir in dem Hofe des Hohenpriesters oder Mufti
-uns befanden, so meinte er, daß wir unsere christliche Religion
-abschwören wollen, und er fragte, wer beschnitten zu werden wünsche.
-Er bot sich<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span> an, die Beschneidung für 20 Para zu unternehmen. So
-verteutschte einer der Franken, wenn diesem anders zu trauen war. Es
-bedurfte nur eines Jawortes, und wir vier wären sämmtlich, ohne weitern
-Vorgang, in einer Viertelstunde Moslim geworden. Wie vieles Fragen,
-Bekennen, Schreiben und Laufen dagegen in Europa, bis man in den Schooß
-einer andern Kirche treten darf, während doch so viel Zeit aufgeopfert
-wird, um Andere zu <a name="bekehren" id="bekehren"></a>bekehren, welche Zeit der Mohammetaner in der Regel,
-mit der Pfeife Tabak, auf dem Diwan zubringt.</p>
-
-<p>Wir wollten begreiflich keine Mohammetaner werden. Inzwischen folgten
-wir der Einladung zum Kadi. Erst traten wir durch den offenen
-Gerichtssaal, der leer war; dann schritten wir durch die Vorsäle.
-Ein rother Vorhang vertrat an einem Orte die Thüre. Wir wurden hier
-durch in den großen Saal geführt, worin sich der Kadi aufhielt. Es
-gibt nichts Einfacheres, als den Saal. Den weiten Raum schmückt nicht
-eine einzige Geräthschaft, außer dem Diwan, welcher an den Wänden
-herumläuft. Daß man keinen Glanz suche. Bloß die Decke des Zimmers war
-bemalt, doch nicht mit Figuren und ohne Geschmack. Der Kadi hockte auf
-dem Diwan, in einer Ecke am Fenster, die Pfeife im Munde: ein Mann von
-etwa vierzig Jahren, mit blassem Angesichte, lieblichem, schwar<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span>zem
-Auge, und schwarzem Bartbusche. Er trug einen dunkelfarbigen Turban und
-Rock. Kein Buch lag ihm zur Seite. Nur las neben ihm ein Mann für sich
-ein großes, geschriebenes Blatt.</p>
-
-<p>Wir machten unsere Komplimente, so gut wir konnten. Wir fuhren mit der
-Rechten auf Brust, Mund und Stirne, und senkten unsere Köpfe, worauf
-die Mützen fein blieben. Der Kadi lud uns ein, Platz zu nehmen. Wir
-setzten uns, nach europäischer Art, auf den Diwan. Sogleich wurden wir
-mit schwarzem, unversüßtem Kaffee bewirthet. Die Diener trugen ihn in
-kleinen Schalen, welche, von bemaltem Porzellan, in einem goldenen
-Becher ruhten. Der Kaffee dampfte vor Hitze, wie man ihn in Kairo zu
-trinken pflegt. Ich befand mich in einiger Verlegenheit, weil ich ihn
-schnell trinken sollte, und ich mir nicht gerne wehe thun wollte. Trotz
-meines fleißigen Blasens, als hätte ich verfrorene Hände aufzuwärmen,
-und trotz meines langsamen Trinkens, so daß ich als der letzte die
-Schale dem auflauernden Diener zurückgab, brennte ich mich doch ein
-wenig an der Zunge. Die Gesellschaft fordert allezeit von der Freiheit
-ein Opfer.</p>
-
-<p>Fragte der Kadi, ob unser Gewissen in Ordnung wäre, ob wir Beruf
-fühlten, es bei den Mohammetanern gehörig einrichten zu lassen. O
-nein. Unsere Unterhaltung berührte weltliche Dinge. Er erkundigte sich
-nach dem Va<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span>terland eines Jeglichen von uns. Nachdem wir sodann seine
-Neugierde und wir mit Herumschauen die unserige befriedigt hatten,
-wiederholten wir unsere Komplimente und gingen hinweg.</p>
-
-<p>Endlich war Mahlzeit für die Katzen. Ein Knabe rief mit einem eigenen
-Laute, und plötzlich sammelten sich etwa zwölf Katzen. Er warf ihnen
-Fleischstücke vor, die sie sogleich verschlangen. Kaum aber lag das
-Fleisch auf dem Boden, so wurde der Hofhimmel plötzlich lebendig von
-mehr denn einem Dutzende herumflatternder Raubvögel. Diese erfrechten
-sich so weit, daß sie das Fleisch zwischen den Katzen wegpickten, und
-hart an meinem Kopfe vorbeischwirrten. Die Katzen selbst, auf ihre
-Speisen nicht minder versessen, achteten nicht einmal der fliegenden
-Räuber. Der Knabe schleuderte einige Male Stücke Fleisch nur ungefähr
-in die Luft, und sie fielen nicht mehr herunter; denn die Vögel pickten
-im Fluge sie weg. Es ist nicht ohne Werth, zu beobachten, wie sich auch
-die Thiere an eine Zeitordnung gewöhnen. Warum sollen denn gewisse
-Menschen allein so ordnungslos leben?</p>
-
-<p>Eine Frau, unzweifelhaft eine Liebhaberin der Katzen, stiftete, heißt
-es, ein Vermächtniß zu dem Zwecke, daß Katzen, namentlich auch kranke,
-gefüttert werden. Somit erklärt sich das Katzenstift. Wahrscheinlich
-werden die<span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span> Pfaffen das Vermächtniß so gut verwalten, daß mehr in ihre
-Magen, als in die Katzenmagen spazirt.</p>
-
-<p>Man trifft auch an andern Orten des Islams, z. B. in Damaskus,
-Katzenspitäler. „Es ist bräuchlich“, erzählt <em class="gesperrt">Salomon Schweigger</em>,
-„daß die Türken den Katzen und Hunden Almosen geben; denn bei
-dem Stifte <em class="gesperrt">Sultan Mehemet-Jeni</em> in Konstantinopel pflegen
-sich durchweg um Vesperzeit dreißig oder vierzig elende Katzen zu
-versammeln, und diesen werfen etliche Türken, die auf demselben Platz
-vorhanden, etliche Brocken Fleisch oder gebratene Leber vor, die
-man an kleinen Spießlein herumträgt. Solches wird für ein herrlich
-Almosen gehalten.“ Es liegt ein eigener Zug in dem Mohammetaner, daß
-er die Katzen so gütig bepflegt. Es soll daher kommen: Dem Propheten
-<em class="gesperrt">Mohammet</em> warf eine Katze in den Rockärmel Junge. Um diese aber
-nicht zu beunruhigen, schnitt er den Aermel ab. Daraus <a name="schlossen" id="schlossen"></a>schlossen die
-Mohammetaner, daß ihr Religionsstifter die Katzen verehrte, und darum
-verehren sie die Katzen bis auf den heutigen Tag.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Gaerten"><b>Gärten.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Einen ziemlich großen Theil der Stadt nehmen Gärten ein<a name="FNAnker_14_14" id="FNAnker_14_14"></a><a href="#Fussnote_14_14" class="fnanchor">[14]</a>. Doch
-fallen sie wenig auf, und gleichsam ver<span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a></span>stecken sie sich, wie die
-Ochsen darin, welche, phlegmatisch in der gleichen Runde herumtappend,
-das Wasserrad treiben. Der Europäer geht nicht ohne unangenehme
-Gefühle in den Garten, worin der General <em class="gesperrt">Kleber</em> ermordet
-wurde. Der von den fränkischen Spaziergängern besuchteste Garten ist
-der <em class="gesperrt">Rosettische</em>. Wenn in den europäischen Gärten die Kunst
-mehr prangt, mehr Nettheit in der Anordnung, mehr Regelmäßigkeit in
-der Eintheilung, mehr Fleiß in der Behandlung angetroffen wird, so
-übertrifft hier die Natur jene weitaus an Pracht und Fülle.</p>
-
-<p>Niemand erwartet einen Roman oder eine Novelle aus einem der
-Lustgärten, und ich wäre wenig geneigt und, meines Dafürhaltens, nicht
-berufen, dergleichen zu schreiben. Nur möchte ich den Wunsch äußern,
-daß ein europäischer Romanschreiber, dessen Kopf einen Bankerott
-machte, einen Garten von Kairo besuchte. Hier dürfte er einzig seine
-Augen aufschließen, und dann in seinem Kämmerlein den Bogen füllen,
-es würde der Roman über manche von Europa den Sieg davon tragen, daß
-er zugleich die Leserin und den Leser, auf belehrende Weise, in so
-abweichende Sitten einweihte.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Esbekieh"><b>Die Esbekieh.</b></h3>
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-</div>
-
-<p>Man fühlt sich in den schmalen Gassen, die von hohen Häusern
-eingemauert sind, manchmal so beengt wie in einer Felsenkluft. Man
-sehnt sich nach einem geräumigen Platze. Das Auge will unumschränkter
-sehen, und die Brust freier athmen. Im Freien ist Wonne.</p>
-
-<p>Der berühmte und berüchtigte Platz Esbekieh versöhnt Einen vollkommen.
-Bei meiner Ankunft in Kairo bot er das Aussehen eines der reizendsten
-Seen dar. Ich konnte mich beinahe nicht satt an dem Wasserspiegel
-ergötzen, dessen Rahmen ringsum Häuser vorstellten; weiße neben
-schwärzlichen malten ihn bunt, hohe neben niedrigen machten ihn
-vielzackig. Ich wandelte am Ufer hin und her, und fortan ergriff mich
-die zauberhafte Stelle der Stadt. Ich schwebte in einer Feenwelt. Wo
-ist eine europäische Stadt, welche dergleichen besitzt? Der Zauber
-wächst bei dem Gedanken, daß der Grund dieses kurz dauernden Sees,
-nach der Austrocknung als Spaziergang und Feld benutzt wird. Auf dem
-gleichen Platze spaltet abwechselnd zu einer Zeit der Schiffskiel das
-Wasser und zur andern das Feldgeräthe den Wassergrund.</p>
-
-<p>Ich weilte in Kairo gerade zur Zeit, da der Esbekiehsee abnahm und nach
-und nach fast ganz eintrocknete.<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span> Kaum kam der schlammige Boden recht
-zum Vorschein, als ihn schon das Grün wuchernd überspann, und wenn ich
-zuerst, die ansehnliche Wasserfläche betrachtend, stutzte, daß darunter
-in einer andern Jahreszeit die schönsten Feldfrüchte gedeihen sollen,
-so ward mir nachher klar, da ich mit eigenen Augen sah, wie die nackt
-hervortretende Erde so bald mit einem grünen Teppiche sich bekleidete.</p>
-
-<p>In Egypten zeigt die Natur, ich möchte sagen, ihre Reize unverhüllt. Im
-Wesentlichen würde der See nicht gewinnen, wenn der alte Römer seine
-Kunst und seinen Luxus daran verschwendete; bloß würde so etwas mehr
-berauschen und dem verwöhnten Geschmacke mehr schmeicheln. Wo aber wäre
-wohl die Kunst ohne die Natur?</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Karakter_der_Einwohner"><b>Physiologischer und psychologischer
-Karakter der Einwohner.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Die Bevölkerung Egyptens ist ein Mischmasch aus Türken und Mamelucken,
-aus Kopten und Mohren, aus Arabern und Beduinen, aus Juden und Franken
-und aus andern Fremdlingen. Erstände <em class="gesperrt">Adam</em> aus dem Grabe, er
-würde sich verwundern, daß so viele Enkel von verschiedenen Hautfarben,
-Religionen und Sprachen im Frieden beisammen wohnen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span></p>
-
-<p>Der <em class="gesperrt">Kopte</em>, der wahrscheinliche Abkömmling der alten Egypzier,
-und noch im Besitze einer eigenthümlichen, wenn auch todten, Sprache,
-ist nicht groß, aber wohl untersetzt; der Teint weißgelblich;
-Haupthaare, Augenbraunen und Iris schwarz; das Gesicht voll, kurz,
-breit; die Stirne breit, nicht hoch; die Augen etwas tief liegend,
-der Blick mehr brütend, als lebhaft, mehr ernst, als lieblich; die
-Nase kurz und ausgebogen; der Mund ziemlich weit gespalten und die
-Lippen dünn; die Zähne senkrecht und schön weiß; der Unterkiefer
-hervorstehend und stark. Die Koptinnen, so viel ich sah, haben roth
-gefärbte Fingernägel, und tragen auf der Haut des Kinnes und in der
-Nähe des Handgelenkes blaue Figuren. Sie treffen, unter uns gesagt, den
-europäischen Geschmack nicht ganz genau. Man muthmaßt, daß etwa 200,000
-Kopten Egypten bewohnen.</p>
-
-<p>Der <em class="gesperrt">Araber</em> bildet weitaus die größte Anzahl der Egypzier. Unter
-diesem letztern Namen sind auch vorzugsweise die Araber begriffen,
-welche den meisten Boden anbauen. Die Masse der egyptischen Bevölkerung
-ist daher kein alter eingeborener Volksstamm, sondern ein im Laufe der
-jüngern Zeit eingewanderter und fremder, der sich selbst als fremde zu
-betrachten scheint.</p>
-
-<p>Der Araber, in der Regel nicht schön, ist mittelgroß;<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span> die Leibesfarbe
-schwarzbraun oder auch kaffeebraun; das Haar, wenn es nicht wegrasirt
-wird, klein gelockt (doch nicht wollig) und schwarz; der Schädel nicht
-geräumig, das Hinterhaupt etwas zugespitzt; die Stirne ziemlich hoch,
-nicht breit; die Regenbogenhaut schwarz, die Augenlieder meist dick,
-wie aufgewulstet; die Augenbraunen nicht stark; die Nase kurz, die
-Flügel weit aus einander gesprengt; der Rücken gerade oder ein wenig
-konkav, der Rand der Scheidewand etwas aufwärts geneigt; der Mund groß,
-die Lippen dick und auswärts geworfen; die Zähne ein wenig auswärts
-stehend, weiß, an einander geschlossen; das Kinn etwas hervorragend,
-die Kinnbacken stark; das Ohr wulstig; die Linie von der Nase bis zum
-Kinne lang; der Gesichtswinkel demjenigen der Aethiopen sich nähernd.
-Das Fleisch ist sehr derbe, der Fettapparat unbedeutend, und die Formen
-nehmen einen Grad von Niedlichkeit an, welcher bei den europäischen
-plumpen Gebilden, die noch für Vollkommenheiten gehen, vermißt
-wird. Also der eigentliche Typus der Araber, welche mit den Weißen
-unvermischt sind.</p>
-
-<p>Der schwarzbraune Araber hält das Uebergangsglied zu den Mohren. Die
-Mischung dieses Arabers mit Weißen artet in unzählige Mittelformen aus,
-welche zuerst den Beobachter verwirren. Des Arabers tiefgelbe Farbe,
-seine gebogene Nase, seine breite Stirne, sein starker Gesichts<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span>winkel
-u. s. f. zeugen offenbar von der Vermischung und Verwischung der Typen.</p>
-
-<p>Die Weiber werden von den Männern an Schönheit übertroffen, und der
-häßlichere Theil ist mithin das schöne Geschlecht.</p>
-
-<p>Es gibt Mädchen, die schön genannt zu werden verdienen, allein zu der
-Lieblichkeit einen eigenthümlichen Schmerz ausdrücken; dieser aber
-vermehrt nur ihr anziehendes Wesen. Der eigenthümliche Zug, den ich
-sonst nirgends wahrnahm, liegt in den Mundwinkeln.</p>
-
-<p>Hauptsächlich um die Schönheit zu erhöhen, zeichnen beide Geschlechter,
-nach alter Sitte, verschiedene blaue Figuren auf die Haut des
-Vorderarmes und des Handrückens, meist Sterne, z. B. in Zirkelform,
-manchmal auch im Zikzak laufende Striche, etwa drei an der Zahl. Die
-Weiber haben überdieß blaue, senkrechte Striche auf dem Kinne, manche
-&mdash; gefärbte Augendeckel. Es gibt Männer, welche auch auf jeder Seite
-der Brust mit blauen Punkten bezeichnet sind. Alle Zeichnungen auf der
-Haut erschienen in meinen Augen höchst überflüssig, um nicht zu sagen,
-sehr häßlich, und niemals konnte ich mich in den sonderbaren Geschmack
-finden. Das Sprichwort freilich will, daß man über den Geschmack nicht
-hin- und widerreden dürfe.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span></p>
-
-<p>Der Kopf der Männer ist, wie beim Morgenländer überhaupt, bis auf
-die Haut geschoren. Nur ausnahmsweise tragen gewisse Religiose oder
-Heilige<a name="FNAnker_15_15" id="FNAnker_15_15"></a><a href="#Fussnote_15_15" class="fnanchor">[15]</a> fliegende Haare auf dem ganzen Kopfe. Die Muselmänner
-lassen übrigens nicht den ganzen Kopf scheren, sondern auf dem Scheitel
-eine kleine Scheibe groß Haar wachsen, das manchmal geflochten, bis
-zum Nacken herabfliegt, und unter der rothen Mütze mitunter hinten
-hervorguckt. Mit diesem Büschel Haare könnte man genau die Tonsur der
-römisch-katholischen Priester decken<a name="FNAnker_16_16" id="FNAnker_16_16"></a><a href="#Fussnote_16_16" class="fnanchor">[16]</a>. Ich geißele die Kopfschur
-als eine abscheuliche Mode, mögen ihre Bequemlichkeit auf dem heißen
-Erdgürtel immerhin manche Franken aus eigener Erfahrung preisen. Wenn
-wahr ist, daß das Barbieren unter den Abendländern deswegen aufkam,
-weil die gütige Natur, die hoch über die Fürsten erhabene, ein<span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span>mal
-einem französischen Könige einen Bart zu schenken vergessen hatte, so
-dürfte man mit eben so viel Recht glauben, daß die Morgenländer ihre
-Kopfschur einem kahlköpfigen Großen verdanken. Man weiß auch, wie gerne
-<em class="gesperrt">Julius Cäsar</em> seinen Kopf vertauscht hätte, nämlich seinen kahlen
-an einen haarichten, und wie sehr der große Geist sich abmühte, die
-ausfallende Kleinigkeit zu ersetzen. Der Bart des Arabers ist schwarz,
-undicht, und wird nicht lang. Er zerschiert ihn zu den wunderlichsten
-Dingen. Es lassen die Wenigsten ihn ganz stehen; Andere rasiren
-bloß einen Halbmond über dem Adamsapfel; die Meisten tragen nur den
-Schnurrbart und den Bart neben den Ohren und über dem Kinnbacken, den
-Kinntheil nicht ausgenommen. Dies thut so üble Wirkung, als wenn man
-einem Hahne den Kragen abschneiden würde.</p>
-
-<p>Die Bewegungen der Araber sind leicht und angenehm, man dürfte
-beinahe sagen, graziös. Der Mann geht in gerader Stellung und mit
-Schnelligkeit; ebenso das Weib, welches dabei die gebogenen Arme, mit
-einer niedlichen Haltung der Finger, ein wenig emporzuheben pflegt.
-Die antikförmigen Wasserkrüge trägt es sehr leicht und zierlich. Es
-nimmt keine Lasten auf den Rücken, selten auf die eine Schulter. So
-darf das Kind ihm wie ein Reiter auf die Achsel sitzen, indem es ein
-Bein über die<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> Brust, das andere über den Rücken hängen und mit den
-Händen ihren Kopf umklammern läßt. Von dem Weibe selbst wird das
-Kleine nicht gefaßt, und ich mußte mich ordentlich wundern, wie sich
-kleinere Kinder in dieser Stellung gut zu erhalten wußten, während
-die Tragende davon eilte. Der Kopf ist der eigentliche Träger, und
-sogar winzige Dinge müssen auf demselben getragen werden. Kauft ein
-Mädchen in einer Bude für einen Piaster Kaffee, so wird es ihn auf
-dem Kopfe nach Hause bringen. Es wurde in Alexandrien auf eine Mauer,
-die man eben aufführte, einmal über das andere so wenig Mörtel und
-am Orte der Nachgrabungen so wenig Schutt auf dem Kopfe weggetragen,
-daß fast jede Europäerin sich weigern würde, die Wenigkeit zu tragen.
-In Kairo wird übrigens so spärlich gebaut, daß man diese Wahrnehmung
-nicht immer leicht wiederholen könnte. Der Mann schafft die Lasten am
-liebsten so fort, daß er den Strick über die Stirne anlegt, welcher die
-Bürde umfängt. Diese liegt am Rücken auf. Er trägt mithin ebenfalls
-am liebsten auf dem Kopfe, aber zu gleicher Zeit auf dem Rücken. Etwa
-das Wasser, in ein Ziegenfell aufgefaßt, trägt er über einer Schulter,
-wie der europäische Jäger seine Waidtasche. Der Lastträger bietet das
-Eigenthümliche, daß er, außer dem Singen, auch stöhnt. Es ist dieß mit
-nichten gleichsam das letzte<span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span> Zeichen der Kraftanstrengung, welches das
-Mitleiden erregen sollte, sondern der Araber, im Lärmen ein Meister,
-sucht sich nur durch das Gestöhne das Geschäfte zu erleichtern. Als
-Lastträger macht sich der Araber eben nicht bemerklich; darin aber
-thut derselbe es dem Europäer zuvor, daß er leichtere Bewegungen, wie
-das Gehen oder Laufen, außerordentlich lange ausdauert, ohne daß er
-Speisen oder Getränke zu sich nehmen muß. Dem Araber sind, wenn ich
-mich so ausdrücken darf, federleichte Lungen und stählerne Muskelfibern
-gegeben. Wollte man den arabischen Soldaten nach den nicht selten
-schlechten Kleidern beurtheilen, man würde zur Einseitigkeit verleitet
-werden. Zu anhaltenden Märschen, bei kärglicher Nahrung taugt kaum ein
-Soldat besser, als der arabische. Neben dem Schatten erblickt man immer
-auch Licht.</p>
-
-<p>Was den psychischen Karakter des Arabers anbelangt, so ist er
-mohammetanisch finster, und haßt im Grunde seines Herzens den
-Andersgläubigen. Viele besitzen bemerkenswerthe Geistesfähigkeiten,
-doch keine ausgezeichnete, wofern man nicht zur Annahme berechtigt
-ist, daß ein großer Schatz schlummert. Ruhe und Faullenzen geht nicht
-bloß dem Alexandrinischen- und Deltaaraber, sondern auch andern über
-Alles. Damit er nicht die Mühe zu denken sich geben müsse, leiert er
-gedankenlos nach, was seit Jahr<span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span>hunderten wahrscheinlich schon gesungen
-war. Er lebt blind in den Tag hinein; blindlings nimmt er Weiber und
-zeugt Kinder. Wenn ihm die Kunst, durch Ersparnisse eine, wo möglich,
-sichere Zukunft zu begründen, abgeht, so dürfte man freilich auch
-anfragen: Wird in einem Lande, wo das Eigenthum vor der Regierung nicht
-sicher steht, zur Sparsamkeit aufgemuntert? Vielleicht beschleicht
-den Araber dann und wann der Gedanke, daß er am Ende doch nicht mehr,
-als Hungers sterben könne. In ihm wohnt eine wahre Diebesseele, aber
-eine feige. Große Diebstähle begeht er nicht leicht, allein keineswegs
-aus Gewissensbissen, sondern aus Feigheit oder Trägheit. Am liebsten
-stiehlt er Eßwaaren; denn, ein Kind des Augenblickes, weiß er, daß
-dieselben ihm ohne ein Weiteres nützen. Um Anderes als Eßwaaren zu
-entwenden, wäre schon mehr Ueberlegung erforderlich, z. B. wie man sie
-an den Mann bringen könnte, um dafür Nahrung zu bekommen. Immerhin
-schaut man jeden Araber für einen Dieb an, und wenn der Fremde nicht
-bestohlen werden will, so muß er in Beziehung auf denselben stets auf
-der Hut sein. Ein ernstes, muthiges, karakterfestes Benehmen hält ihn
-leicht im Zaum. Im Uebrigen ist er von Natur fröhlich und aufgeräumt;
-diese Fröhlichkeit und Aufgeräumtheit streift<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span> aber mehr an Leichtsinn,
-selbst an feile, für den Zuschauer ekele Ausgelassenheit.</p>
-
-<p>Ich beobachtete den <em class="gesperrt">Beduinen</em>, diesen unsteten Sohn der Wüste, zu
-wenig ungestört, als daß ich mir erlaube, von ihm ein Karaktergemälde
-zu entwerfen. Er schreitet oder reitet stolz einher, selten ohne
-Feuergewehr, Säbel oder Pistolen.</p>
-
-<p>Das Land, wo ein <em class="gesperrt">Josef</em>, <em class="gesperrt">Moses</em> und <em class="gesperrt">Aaron</em> gelebt
-hatten, zählt immer noch <em class="gesperrt">Kinder Israels</em>, aber nicht mehr in
-jenem Hause der Knechtschaft. Der Mangel an Bekanntschaft mit den Juden
-Kairo’s nöthigt mich, den Faden eher abzureißen, als mir lieb ist.</p>
-
-<p>Und die <em class="gesperrt">Franken</em> in Kairo will ich hie und da, mehr oder minder
-leise berühren. Bloß mag ich es hier nicht thun; denn da sie überall
-ihre Besonderheiten, ihr Frankenquartier wollen oder haben, so ist
-billig, daß ich ihnen auch in diesen Blättern ein Frankenquartier
-anweise. Einzig die <em class="gesperrt">levantischen Christen</em>, welche ich wegen
-ihres Anzuges zuerst immer für Türken hielt, so wie die Griechen,
-darf ich, ohne eine große Lücke fühlbar zu machen, mit Stillschweigen
-übergehen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Tracht"><b>Tracht.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Bei der Tracht der Araber muß diejenige des Mannes von derjenigen des
-Weibes unterschieden werden.</p>
-
-<p>Der gemeine Araber geht beinahe immer barfuß. Der aufs einfachste
-gekleidete hat im Sommer und Winter ein grobes, weißes, gegürtetes
-Hemde an, und eine weiße oder rothe Mütze auf. Andere tragen dieses
-Hemde und darüber einen grauen, blauen, schwarzen oder weiß und schwarz
-gestreiften Rock mit weiten Aermeln (Abba). Zu einer zusammengesetztern
-Kleidung gehören weite Hosen, welche, unmittelbar auf dem Leibe
-getragen, um den Lenden und unter dem Knie zusammengebunden
-werden. Diese zusammengesetzte Kleidung ist jedoch nicht echt
-egyptisch-arabisch. Ueber den Röcken auf dem Rücken trägt der Araber
-wohl auch ein Thierfell, dessen Pelzseite nach innen gewendet wird.
-Außer einem Rocke mit weiten Aermeln, hüllt der Araber sich in einen
-Mantel der nicht umschließt, und der oft über beide, meist aber
-über die eine oder andere Schulter geworfen wird. Mit diesem Mantel
-bekommen die Männer ein alttestamentisches Aussehen, und stattlich
-ging derselbe schon unserm Steuermanne. Die Franken in ihren engen
-Kleidern erscheinen gegen so gekleidete Araber als närrische Fratzen.
-Mich belustigte oftmals,<span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span> wie der Araber den Mantel in so verschiedenen
-Gestalten umhängen konnte. So wenig ich darin etwas Spaßhaftes oder
-Spotthaftes fand, so konnte ich mich dennoch der Vergleichung mit
-dem geschmeidig die Gestalt wechselnden Hute eines Harlekins nicht
-erwehren. Dieser Mantel oder Ueberrock leistet den Arabern die besten
-Dienste. Brennt die Sonne, so legen sie sich nieder, und beschatten
-damit ihr Angesicht; vor dem Regen schützt er nicht minder wohlthätig,
-und Nachts sinkt das müde Haupt auf dieses unentbehrliche Gewand. Die
-Kopfbedeckung hält sehr warm. Wer nur die Kosten zu bestreiten vermag,
-tragt unmittelbar über dem Kopfe eine weiße Mütze, welche sich zum
-Waschen eignet. Diese wird von einer rothen mit einer blauen Troddel
-(Fẻs) bedeckt, welche der Turban, eine Auszeichnung des Orientalen,
-umfängt. Den kleinen Finger schmückt der Araber mit einem Ringe, z. B.
-von Silber.</p>
-
-<p>Die einfachste Kleidung der <em class="gesperrt">Weiber</em> ist ein blaues weites
-Hemde mit einem Schlitze über der Brust, so daß diese selten vor den
-Blicken sich verbirgt; dazu noch ein Kopf- und Gesichtstuch. Die
-zusammengesetztere Kleidung erfordert Hosen, die, um die bloßen Lenden
-geschürzt, in der Mitte geschlitzt, dabei weit sind und um den Knöcheln
-enden, wo sie fest gebunden werden. Das Kopftuch ist<span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span> viereckig und
-eine Art Schleier. Damit wird der ganze Kopf bis zu den Augenbraunen
-verhüllt, ohne daß es den übrigen Theil des Gesichtes berührt. Dafür
-fällt es in zierlichen Falten über Schultern und Rücken, beinahe bis
-zu den Fersen herunter. Dieser Kopfschleier ist nicht immer blau, am
-Rande oft buntfarbig gestreift und mit Fransen besetzt. Ein anderes
-Kleidungsstück, vielleicht das überflüssigste von allen &mdash; &mdash; das
-Gesichtstuch oder der Gesichtsschleier. Diesen stellt ein einige
-Zoll oder die Breite des Gesichts haltender schwarzer Lappen vor,
-welcher nichts als die Augen frei läßt, abwärts aber das ganze Gesicht
-verhüllt, ja manchmal, schmäler werdend, bis zu den Füßen reicht. Was
-der offene Brustschlitz des Hemdes unbedeckt läßt, wird bisweilen mehr
-oder minder kümmerlich von diesem Gesichtstuche verschleiert. Es wird
-durch zwei Bänder befestigt: durch eines, welches in der Quere um den
-Kopf herumläuft, und durch ein anderes, welches zwischen den Augen
-gerade zum Kopfschleier hinaufsteigt. Das letztere Band wird oft auch
-durch eine Kette oder Spange vertreten. Hier schlägt eigentlich der
-Putz seinen Hauptsitz auf. Goldstücke, eines unter dem andern, sind in
-gerader Linie mitten auf das Gesichtstuch genäht. Diese Goldstücke, oft
-christliche Münze, Dukaten z. B., besetzen meist die ganze Länge der
-Gesichtsklei<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span>dung. Die Araberin lockt die Aufmerksamkeit des Mannes auf
-das Gold über dem Gesichtstuche, als wollte sie damit andeuten, daß
-unter demselben noch mehr Gold glänze. Die Mehrzahl der Weiber trägt
-keine Schuhe. Mit Ringen schmücken die Araberinnen Finger und Ohren.
-Auch sah ich zwei Weiber mit einem großen Ringe am rechten Nasenflügel.
-Es ist ein seltsam Sprichwort: <span class="antiqua">Circulus aureus in naribus ejus
-mulier pulchra.</span></p>
-
-<p>Die Jüdinnen tragen sich ganz levantisch. Ich konnte sie von den
-Türkinnen nicht erkennen. Die Franken sind am launigsten. Viele
-richten sich nach der Tracht der Morgenländer; Andere halten steif an
-dem Europäer, wieder Andern beliebt ein profosmäßiges Durcheinander.
-Wenige lassen den Bart ganz wachsen, wie hauptsächlich die Trümmer
-des Saint-Simonismus. Klage man noch nicht über die Flatterhaftigkeit
-des Franken in seiner Kleidungsart. Die Tracht ist ein Spiegel der
-Seele. Jeden Weg, welcher in diese führt, muß der Beobachter willkommen
-heißen. Wenn wir gerecht sein wollen, müssen wir im Allgemeinen <em class="gesperrt">die
-Flatterhaftigkeit des Frankengeistes</em> anklagen, der als ein wahrer
-Proteus erscheint. &mdash; Die Griechen verläugnen sich ungleich weniger,
-als die Franken.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Speisen_und_Getraenke"><b>Speisen und Getränke.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Das Brot macht eine Hauptspeise auch der Araber aus. In Alexandrien
-findet man recht schön weißes und schmackhaftes (gesäuertes)
-Brot (<span class="antiqua">pane Francese</span>), welches aber vom Araber bloß als
-Leckerbissen genossen wird. Sein gewöhnliches Brot ist von schlechter
-Beschaffenheit. Er nimmt zermahlene Gerste oder anderes Mehl, knetet
-bloß mit Wasser einen Teig in einem großen, dicken Napfe, und bäckt
-denselben, in Form eines großen, flachen Kuchens, in der heißen Asche.
-Dieser Kuchen wird für eine Mahlzeit gebacken und meistens warm
-genossen. Er ist nicht unschmackhaft, doch etwas schwer verdaulich.
-Besser, als dieses grobe Hausmannsbrot, aber minder fein und weiß als
-das <span class="antiqua">pane Francese</span>, ist jenes egyptische Brot, welches arabische
-Weiber, z. B. in Alexandrien, mittelst einer breiten Unterlage auf dem
-Kopfe in den Gassen herumtragen, und unter Anpreisungen: „Kauf Brot, es
-ist schön und gut“, feil bieten.</p>
-
-<p>Die eigentliche Hauptnahrung der dürftigern Klasse sind Datteln,
-Feldbohnen (Fûl) und Mais, letzterer als Sange, indem er ohne Weiteres,
-wo es angeht, in dem Ofen gesengt (geröstet) und dann abgespeist wird.
-Als eine häufige Nahrung dienen auch Zwiebeln und Rüben oder Ret<span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span>tiche.
-Beide werden frisch genossen. <em class="gesperrt">Alpinus</em> nennt vor allen Speisen
-saure Milch und das gekochte Zuckerrohr.</p>
-
-<p>Wenn man delikater essen will, so greift man nach Gallerte (Sulze),
-viereckigen oder runden, fetten Kuchen, auch nach kleinen Stücken
-fetten Fleisches, die, mit Petersilie durchwürzt, über dem Feuer
-geröstet werden u. dgl. Hühner werden viel gegessen<a name="FNAnker_17_17" id="FNAnker_17_17"></a><a href="#Fussnote_17_17" class="fnanchor">[17]</a>. Die Würste
-sind von schlechtem Geschmacke, die Zuckerbrote dagegen vortrefflich.
-Von Pillau (in kochendem Wasser erweichter und dann mit Butter
-gewürzter Reis) hörte ich, wo nicht selten, doch nicht häufig. Der
-inländische Reis enthält zugleich viel beigemischtes Salz, entweder
-des Gewichtes, oder der bessern Erhaltung willen. Man muß ihn daher,
-vor dem Kochen,<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span> fleißig schwemmen, und wäscht man das ausgeschwemmte
-Salz, so nimmt dieses eine sehr schöne weiße Farbe an, und eignet sich
-vortrefflich zum Gebrauche. Das käufliche Salz ist von schmutzig gelber
-Farbe und unrein. Die Milch ist gut; die Abendländer aber behaupten,
-daß sie zu fett für sie sei. Häufig wird Milch genossen, nachdem sie
-künstlich gesäuert, und zum Schlottern gebracht worden. Die Butter
-schmeckt gut; man darf nur das Salz auswaschen, ehe man sie genießt.
-Wie bei uns der Maibutter, so wird in Egypten der Christmonat- oder
-Jennerbutter der Vorzug eingeräumt. Der Käse mürbe, schmackhaft, aber
-übersalzen.</p>
-
-<p>Der Araber ißt im Ganzen wenig und frugal, sagten die Alten, und
-diese Frugalität hat sich bis auf heute erhalten. Das Rauchen bleibt
-immer seine Hauptsache. Gebietet er über die volle Pfeife, so gibt er
-sich zufrieden, wenn er vor dem Einschlafen nur wenige Rettiche zu
-zerbeißen hat. Die meisten Speisen werden kalt genossen, ohne Löffel
-und Gabel. Die gelenkigen Finger müssen diese ungelenken Werkzeuge
-vertreten. Man darf die Einfachheit tadeln; aber man muß dann zugleich
-die vielfältigen Bedürfnisse und ihre strenge Herrschaft loben. Wenn
-irgend eine Regel sich aufstellen ließe, so speist der Araber bei<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span>
-Sonnenaufgang, bei Sonnenhöhe und nach Sonnenuntergang.</p>
-
-<p>Unter den <em class="gesperrt">Getränken</em> steht das schlammige Nilwasser oben an.
-Es wird aus dem Nile geschöpft, und in Menge getrunken, ohne vorher
-gereinigt zu werden. Es war zur Zeit meines Aufenthaltes, nämlich zur
-Ueberschwemmungszeit, im Glase gelblichweiß. Filtrirt man es, was bei
-den Großen geschieht, so wird es lauter und farblos. Es gibt in vielen
-Häusern Krüge (Bardâka), welche, von einer besondern Erde gebildet, die
-Eigenthümlichkeit besitzen, daß sie das Wasser langsam durchsickern
-lassen. Dadurch wird es kühl und angenehm. Das Nilwasser wird aus
-dem Flusse auf dem Rücken der Kameele in die zahlreichen Zisternen
-Kairo’s geschafft, und aus diesen können es die Einwohner unentgeltlich
-holen<a name="FNAnker_18_18" id="FNAnker_18_18"></a><a href="#Fussnote_18_18" class="fnanchor">[18]</a>.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span></p>
-
-<p>Man wähne übrigens nicht, daß die Araber sich des berauschenden
-Getränkes gänzlich enthalten. Ein solches heißt <em class="gesperrt">Bỏsa</em> oder
-<em class="gesperrt">Busa</em>, eine Art Bier, das aus Getreide gegohren wird. Es ist
-von Farbe weißgrau und schäumt wie Bier, wenn man es rasch rüttelt.
-Mit dem Bỏsa berauschen sich Viele. <em class="gesperrt">Salomo Schweigger</em> sagt
-vom „Bỏsa“, daß es ein gedörrtes, mit Wasser angerührtes Griesmehl
-sei, und von Türken, wie Egypziern getrunken werde. Nach <em class="gesperrt">Prosper
-Alpinus</em> ward „Bỏsa“ aus Lülchmehl (<span class="antiqua">farina loliacea</span>), aus
-Hanfsamen und Wasser zu einem Getränke oder zu einem Teige bereitet,
-und es soll in einem gleichen oder noch höhern Grade als Hanfkraut
-(Assis) einen Zustand der Berauschung, der Entzückung und süßer
-Träumereien herbeiführen. Zum feierlichen Konstantinopler-Umzuge vom
-Jahre 1582 gehören die <em class="gesperrt">Bosatschi</em>, so einen graulichen Trank
-von Brei wie ein Bier machen; den Laden zogen zwei Ochsen, worin ein
-Knabe den Brei oder Hirsen rieb, der andere das Bỏsa oder den Trank
-bereitete. Gleichermaßen wird nach <em class="gesperrt">Tavernier</em> das „Bỏsa“ mit
-Hirsen zubereitet und macht, sagt er, einen Rausch wie der Wein. Allein
-nach <em class="gesperrt">Burckhardt</em> ist Durra der Lieferungsstoff zum Busa.</p>
-
-<p>Wein oder Branntewein trinkt der gemeine Araber nicht oder selten,
-wohl aber der vornehmere Mohammetaner,<span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span> am liebsten geheim. Ich sah
-einen solchen in einer <em class="gesperrt">fränkischen</em> Wirthschaft, in welcher
-beinahe nur Franken einkehren, so gewandt den Spiritus trinken, daß
-ich mich bewogen fand, mich über den Mann zu erkundigen, und ich
-vernahm, daß er regelmäßig zuspreche. Es verdient Erwähnung, daß mir
-auf der Fahrt von Alexandrien nach Kairo nichts gestohlen wurde,
-als eine halbe Flasche Rhum, mein ganzer Rest. Ich sah zwar während
-derselben keinen Barkenknecht nach dem geistigen Getränke langen, oder
-sich damit berauschen, welche Enthaltsamkeit den Europäer angenehm
-überraschte; selbst als man mir einen kranken Barkenknecht vorstellte,
-und ich ihn Rhum trinken hieß, so geberdete er sich ziemlich unwillig,
-und schluckte möglichst in Duodez. Indessen konnte die Lüsternheit
-im Verborgenen nicht gefehlt haben. Ueberall wird der Damm, welcher
-der Trunkenheit wehren sollte, eingerissen. Sollte man es nicht dem
-Schöpfer klagen, daß er den Menschen Vernunft gab, weil sie, nur
-vermöge dieser himmlischen Gabe, so viel Mittel erdenken können, um
-dieselbe in ihrer Thätigkeit zu verirren oder zu hemmen?</p>
-
-<p>Von einem echt morgenländischen, und wenn auch nicht unter den Fellah,
-doch unter der wohlhabendern Klasse sehr häufigen Getränke will ich so
-eben besonders reden.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Kaffeehaeuser"><b>Kaffeehäuser.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Es gibt sehr viel Kaffeehäuser. Ich besuchte dasjenige, welches nach
-fränkischer Weise eingerichtet war. Im Vorübergehen konnte ich wohl die
-egyptischen sehen. Sie liefern aber, ihrer Einfachheit willen, wenig
-Stoff zum Beschreiben. Sähe man nicht einen Kochofen und die rauchende
-Kaffeeschale, so würde man das Kaffeehaus verkennen; man müßte vielmehr
-glauben, daß die Leute nur deßwegen den einsamen Diwan belagern, um
-Tabak zu rauchen. Allerdings ist in einem Kaffeehause das Tabakrauchen
-nicht das Geringste, und der Egypzier läßt sich nicht minder gern mit
-Pfeife und Tabak bedienen, als mit Kaffee. Die Morgenländer genießen
-den Kaffee ohne Milch und ohne Zucker. Die Franken heißen einen solchen
-Kaffee türkischen (<span class="antiqua">alla Turca</span>).</p>
-
-<p>Der Genuß des Kaffees ist in einem großen Theile der Welt gleichsam zum
-Bedürfnisse geworden, und tausend <em class="gesperrt">Napoleone</em> wären wahrscheinlich
-nicht im Stande, ihn vom Erdballe zu verbannen. Und doch haben unsere
-alten Vorväter vor nicht einmal anderthalb Jahrhunderten ohne den
-Kaffee gelebt.</p>
-
-<p>Es macht ungemein viel Spaß, wenn man über den Kaffee, als ein den
-Abendländern unbekanntes Getränke,<span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span> in den Beschreibungen derjenigen
-lieset, welche Egypten und Konstantinopel gegen Ende des sechszehnten
-und zu Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts besucht haben.</p>
-
-<p>Ich führe zuerst <em class="gesperrt">Salomo Schweigger</em>, welcher im Jahr 1581 in
-Egypten war, redend ein: Ein anderes Trank wird <em class="gesperrt">Chaube</em> genannt,
-welches man in den Tabernen ausschenkt, ist schwarzbraun von Farbe. Das
-gebrauchen Etliche des Morgens. Da versammeln sich viel Türken (des
-Egyptenlandes) vor der Taberna, lassen ihrer etliche in einer Kumpanei
-ihnen eine Schale oder ein irdenes Schüsselein voll nach dem andern
-hergeben. Das trinken sie nach einander fein höflich aus, so heiß,
-als sie es mögen erleiden. Gleichwie das deutsche gemeine Volk den
-Branntewein oder Wermuthsgeist des Morgens trinkt, also soll jenes auch
-den Magen zu erwärmen dienstlich sein.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Prosper Alpinus</em>, welcher im nämlichen Jahre, gleich auf
-<em class="gesperrt">Schweigger</em>, nach Egypten kam, gibt eine genaue Beschreibung
-von dem Absude (<span class="antiqua">decoctum</span>) <em class="gesperrt">Chaova</em>. Sehr häufig im
-Gebrauche, sagt er, ist der Absud <em class="gesperrt">Chaova</em>, welchen man aus
-gewissen schwarzen, den Bohnen ähnlichen Samen zu bereiten pflegt.
-Er wird übrigens auch aus den Samendecken bereitet, und im letzteren
-Falle zeigt er sich kräftiger. Die Bereitungsart ist folgende: Man
-nimmt anderthalb Pfund von den Hüllen befreite Samen, röstet<span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span> diese
-ein wenig über dem Feuer und siedet sie in zwanzig Pfund Wasser,
-während Andere von den gerösteten und in kleine Stücke zerbröckelten
-Samen einen Aufguß machen und solche einen Tag lang am Wasser stehen
-lassen, diejenigen aber, welche die Samen ohne Aufguß behandeln, die
-Hälfte Wasser einkochen. Die durchgeseihte Abkochung dient in wohl
-verschlossenen irdenen Gefäßen zum Gebrauche. Werden die Samendecken
-abgekocht, so nimmt man davon sechs bis neun Unzen auf zwanzig Pfund
-Wasser, wovon die Hälfte eingekocht wird. Der Same heißt <em class="gesperrt">bon</em>,
-und den Baum, welcher ihn trägt, sah ich in dem Garten eines türkischen
-Bei, wohin er aus Arabien verpflanzt war. Die Egypzier sind dem
-<em class="gesperrt">Chaova</em> nicht minder leidenschaftlich ergeben, als die Franken in
-ihren Kneipen dem Weine.</p>
-
-<p>In der „Hoffhaltung des Türckhischen Keysers,“ worin ein im Jahr 1582
-zu Konstantinopel gehaltener feierlicher Umzug beschrieben wird,
-heißt es: „Die <em class="gesperrt">Caahuetschi</em>, so einen schwarzen, warmen Trank
-verkaufen, welcher zu Verdauung der Speisen, <em class="gesperrt">Verhinderung des
-Schlafes</em> und der Traurigkeit dienen soll, mit rothen und weißen
-Fahnen, darinnen etliche Buchstaben. Zwei und dreißig haben Verehrung
-getragen; der andern, Knaben, jungen Leute und Meister, sind in die
-zweihundert gewesen.“</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Johann Jakob Ammann</em>, welcher im Jahr 1612<span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span> in Konstantinopel
-weilte, läßt sich dahin vernehmen: „Auch haben die Türken noch andere
-Wirthshäuser, darinnen die Wirthe nichts Anders geben, als schwarz
-Wasser zu trinken, von ihnen <em class="gesperrt">Gahwe</em> und von Arabern Lorbeeren
-genannt, welches mehrentheils von Gerste und andern Sachen gemacht
-wird. Sie kochen ganze Kessel voll, pflegen es den Gästen in kleinen
-irdenen oder porzellanenen Schüsseln siedheiß zu geben. Solches trinken
-die Türken, wie auch die Araber, so warm sie immer können, jederzeit
-ein Schlücklein auf einmal, bis es aus ist. Welches gar ein gemeiner
-Brauch bei ihnen, dieses Wasser zu trinken, bei Tage, wie auch Morgens
-und Abends. Etwa bei fünfzig mehr und minder sitzen da und dort
-beisammen; währet oft lang mit Trinken, Reden und Konversiren; wird
-aber Keiner von dem gedachten Wasser betrunken. Sie vermeinen, es
-trockne die Flüsse auf, und sei gar ein gesundes Wasser.“</p>
-
-<p>Ich vergesse des <em class="gesperrt">Adam Wenner</em> nicht, welcher im Jahr 1616
-nach Konstantinopel gereiset ist. „Die Kafuannen,“ sagt er, „sind
-Häuser, in welchen schwarz Wasser gesotten und von Türken und Andern
-täglich warm getrunken wird, so dem Magen und sonst sehr dienlich.
-Sie sitzen gemeiniglich einen halben Tag dabei, spielen im Schach und
-Bret (darinnen sie trefflich erfahren), aber um kein aufgesetzt Geld,
-sondern wer für den Andern die Zeche<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span> zahlt. Eben an solchen Orten
-finden sich auch Personen, welche unterdessen von ihrer Kaiser und
-anderer Vorfahren Thaten, auch Historien öffentlich lesen, und hernach
-deßwegen von den umsitzenden Zuhörern etwas Geld bekommen.“</p>
-
-<p>Wie mühsam mußte man ehemals thun, um sich den Abendländern
-verständlich zu machen, daß von Kaffee die Rede sei. Dieser Fremdling
-war damals ein selten Ding in der großen Schatzkammer der Gelehrten,
-und jetzt kennt ihn jedwedes Kind. Haben <em class="gesperrt">Rauwolf</em> und
-<em class="gesperrt">Schweigger</em>, <em class="gesperrt">Alpinus</em> und <em class="gesperrt">Ammann</em>, <em class="gesperrt">Wenner</em>
-und Andere geahnt, daß das schwarze Wasser einst eine Weltherrschaft
-ausüben, und die besorglichen Aerzte des Abendlandes dasselbe beklagen
-werden? Die Götter allein entziffern die Zukunft.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Schneller_Justizgang"><b>Schneller Justizgang.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>In Egypten wird gerichtet und sogleich vollzogen. Das hat wohl sein
-Gutes, aber auch sein Schlimmes. Durch den <em class="gesperrt">langsamen</em> Gang
-der Justiz windet sich am Ende mancher Schuldige hinweg, und im
-<em class="gesperrt">kurzen</em> Gange wird mancher Unschuldige erdrückt.</p>
-
-<p>Ein Deutscher geht mit einer Flinte auf die Jagd. Auf dem Wege
-bleibt er in einer Nilbarke über Nacht. Er legt seine Flinte neben
-sich. Morgen ist sie nicht mehr.<span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span> Er wendet sich an die Polizei; der
-Barkenführer (el-Reis) mit ihm. Der Polizeidirektor läßt auf den
-Vortrag des Franken, ohne weitere Umstände, dem Barkenführer hundert
-und zwanzig Hiebe auf die Fußsohlen messen, weil er nicht besser für
-das Eigenthum des Reisenden gesorgt habe, und es kaum möglich sei, daß
-ohne sein Einverständniß hätte etwas gestohlen werden können. Zugleich
-muß der Reis für den Schaden einstehen.</p>
-
-<p>Das ist ein Beispiel von dem schnellen egyptischen Justizgange; der
-Fall ereignete sich eben während meines Aufenthaltes in Kairo.</p>
-
-<p>Die Sache von geringem Belange richtet und exequirt der Franke selbst.
-Hochmüthig treibt er sich ordentlich in Kairo mit der Peitsche herum,
-und traktirt damit den Araber, sobald dieser ihm nicht den Weg
-räumt. Lebt in Egypten nicht noch die alte flotte Zeit der deutschen
-Studenten, welche eben so hoch über die obskuren Philister trabten?
-Andere Male regalirt der Franke mit Stockschlägen, mit Ohrfeigen oder
-Fußstreichen. Kaum wehrt sich der Araber dagegen; viel weniger würde er
-Gleiches mit Gleichem vergelten. Wie müssen die Leute gesunken sein,
-welche, der Zahl nach, die Herrscher des Landes sein könnten, und sich
-von Fremden, ich will nicht sagen, von Andersgläubi<span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span>gen, auf eine Weise
-mißhandeln lassen, wie man in Europa nicht überall die Thiere behandelt.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Der_egyptische_Tanz"><b>Der egyptische Tanz.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Man machte früher viel Aufhebens von den Bajaderen. Man bekommt sie
-heutzutage minder oft zu sehen. Gleichsam ein Spiel des Zufalles rief
-mich auf den Schauplatz des so seltsamen Tanzes.</p>
-
-<p>Ein arabisches, züchtig gekleidetes Mädchen oder, wenn ich der
-Versicherung trauen darf, gar ein Soldatenweib stellte sich in die
-Mitte des Zimmers. Es wollte seinen Gesichtsschleier nicht lüften,
-denn ein häßlicher Mund versäuerte das sonst süßliche Gesicht.
-Nirgends zeigt man dasjenige gerne, was eine vortheilhafte Meinung
-trüben könnte. Die Hände stemmte die Tänzerin auf die Flanken des
-Leibes. Nun bestand der Tanz darin, daß das Mädchen die Hüften rasch
-in die mannigfachsten Bewegungen setzte, während der Körper, so viel
-als möglich, steif gehalten wurde. Dieß nahm ein ganz sonderbares
-Aussehen an, und ich mußte die eigenthümliche Art, das Becken zu
-bewegen, in der That bewundern. Der Schein meiner Bilder blieb weit
-hinter der Wirklichkeit zurück. Diese<span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span> Bewegungen kosteten gewiß
-Mühe und Anstrengung<a name="FNAnker_19_19" id="FNAnker_19_19"></a><a href="#Fussnote_19_19" class="fnanchor">[19]</a>, letztere augenscheinlich in dem Maße, daß
-den tiefbraunen Grund des Gesichtes ein dunkles Blau überflog. Mit
-den Füßen machte das Mädchen wenig Bewegungen, nicht einmal viel
-trippelte es, und nicht das Kreisende zeichnet den egyptischen Tanz
-aus. Die Bajaderen singen wohl auch; unsere ließ sich selten hören. Ein
-ältliches Weib <a name="pauckte" id="pauckte"></a>pauckte mit ausgelassenen Geberden und schmetterndem
-Sange einen Tambour zum Tanze.</p>
-
-<p>Nachdem die junge Bajadere ihre Rolle geendet, wollte auch die ältere
-Matrone eine übernehmen. Sie schürzte den Rock ein wenig auf, und
-gürtete ihn also um den Leib. Wie wahnsinnig trieb sie den Schooß nach
-allen Richtungen. Das Alter schützt vor Thorheit nicht. Jetzt bedurfte
-ich nicht des Mehrern, um mich von dem Unanständigen des Tanzes
-vollkommen zu überzeugen.</p>
-
-<p>Noch unanständiger erscheint der Tanz beim Manne. Er schürzt ebenso den
-Rock auf, und rüttelt auf gleiche<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span> Weise das Becken. Derjenige Tänzer,
-welcher seine Fantasien auf unserer Nilfahrt zum Beßten gab, führte
-auch ein Stöckchen in der Faust, und Männer an der Reihe klatschten mit
-den Händen den Takt.</p>
-
-<p>Wenn der Fremde diesem Beckentanze zuerst zuschaut, so kann er Anfangs
-wohl das Lachen nicht verhalten. Nachher gewinnt er Zeit, seine
-moralischen Betrachtungen anzustellen.</p>
-
-<p>Ich möchte den egyptischen Tanz nicht verlassen, ohne einer
-Merkwürdigkeit aus dem Jahre 1582 zu gedenken.</p>
-
-<p>An dem mehrerwähnten großen Prachtzug, zu Ehren des neubeschnittenen
-kaiserlichen Prinzen <em class="gesperrt">Mehemet</em>, schloß sich der Dulumtschi-Pascha
-oder der Hauptmann der Fünfhundert mit den geschmierten Ziegenhäuten.
-Er entblößte sich oberhalb <a name="des_Guertels" id="des_Guertels"></a>des Gürtels, entkleidete sich bis aufs
-Hemde, geberdete sich seltsam mit Kopf und Augen, Händen und Füßen.
-Hierauf zog er das Hemde über den Kopf, machte in dünnen leinenen Hosen
-seltsame Sprünge, tanzte, zog den Bauch bald ein, bald trieb er ihn
-hervor, warf die Hüften hin und her, daß es schändlich und abscheulich
-zu sehen war. Allein die Türken fanden daran Wohlgefallen, lachten
-des Tänzers und lobten ihn. Es wäre freilich voreilig, von dieser
-Einzelnheit auf den sittlichen Karakter<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span> überhaupt zu schließen. Große
-Volksfeste haben jederzeit einzelne Ausbrüche von Rohheit in ihrem
-Gefolge.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Brautzug"><b>Der Brautzug.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Voran lärmen Tambour und Pauken. Hier Männer, dort Knaben, hier
-ein Halbblinder, dort ein Zerlumpter schlagen darauf los: Alle in
-Unordnung, in ungleicher Reihe, in ungleichem Schritte, ohne Ernst,
-herumgaffend, und die Knebel oder Stäbchen scheinen ohne Takt auf die
-Felle zu fallen, wie die Regentropfen auf die Erde. Im Reiche der
-Töne Mangel an Takt, wie an den Gebäuden Mangel an Ebenmaß. <a name="kein_es" id="kein_es"></a>Daß
-dem Egypzier etwas gefalle, muß es ein Spiel der Einbildung sein, das
-kaum Schranken kennt. Jetzt kommen hübsch geputzte Knaben in besserer
-Reihe, in geschlossener Ordnung. Sie tragen schönfarbige Krüge von
-antiker Form. Daraus sprengen sie wohlriechende Flüssigkeiten; so das
-Rosenwasser, welches, wie frische Rosen im Garten, den süßen Geruch
-düftet. Die Weiber mit ihren Lappen über das Gesicht, diese Masken
-schreiten zierlicher daher, je zwei neben einander, eines mehr wie das
-andere bestrebt, damit hochlaut aus ihrer Kehle das Freudengeschrei
-erschalle, welches dem Froschgequak am Nile oder dem Laute ähnlich ist,
-wenn bei uns<span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span> die Kinder, die Stimme erhebend, mit dem Finger über die
-etwas hervorgestreckten Lippen auf- und abwärts klimpern. Je näher
-dem Traghimmel, desto schmuckreicher die Weiber; ihr Gesichtsschleier
-prangt von größern und kleinern Goldstücken, und sie heben ihre
-Arme aus den weiten, faltigen Seidengewändern, gleich dem Priester,
-welcher das Volk benedeit. Einen runden Wedel, auf dessen einer Seite
-die Eitelkeit ein Spiegelchen anbrachte, hält ein Weib in der Hand.
-Es bietet alle seine Rührigkeit auf, damit die Braut zu befächeln.
-Andere Weiber spritzen wohlriechende Flüssigkeiten. Männer mit kleinen
-Stäben gebieten und schaffen zur Seite links und rechts Ordnung. In
-der Mitte zwei schön gekleideter Weiber, unter dem von vier Männern
-getragenen blutrothen Baldachin <em class="gesperrt">erblickst du die Braut</em>. Der
-Europäer möchte gern ihre Schönheit bewundern. Vergeblich; sie ist
-in einem rothen Schleier so ganz und gar verhüllt. Den Kopf kleidet
-fürstlich ein kronartiger Aufsatz. Um die Stirne und das Gesicht drängt
-sich ein Goldstück an das andere, ein Edelstein an den andern; die
-Braut legt mit morgenländischer Ueppigkeit hier Alles zur Schau, was
-sie nur Glänzendes auftreiben konnte. Geblendet von den ausgehängten
-Kostbarkeiten, wünscht man beinahe nicht weiter zu schauen, obschon
-das Geheimnißvolle die Neugierde stachelt; denn man fürchtet, bei<span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span>
-gelichtetem Schleier, mit getäuschter Phantasie das Auge wegwenden zu
-müssen. Hinter dem Baldachine schalmeien sie in das Getümmel der Pauken
-und Tambour. Langsam schreitet der Zug, aber immer noch rasch für das
-neugierige Auge, um das Mannigfaltige aufzufassen.</p>
-
-<p>Wenn der Zug mehr oder weniger pompös ist, so gibt es noch manche
-Zugaben und Anderes mangelt.</p>
-
-<p>Einmal gerieth der Brautzug ins Gedränge in einer ziemlich schmalen
-Gasse; denn es kam ein langer Zug Kameele, deren Ladung am Bauche
-wie ein Kobold hin- und herpurzelte, und durch ihre Gespenstergröße
-die Gasse buchstäblich mehr als halb füllte. Ich befand mich eben
-am Baldachine, und die kleine Braut rückte mir nahe. Nur ihre Nase
-prägte sich unter dem anliegenden, rothen Schleier aus. Die Sonne
-lauerte fortwährend hinter dem rosigen Gewölke. Auf der Stelle ward die
-Bedrängte von dienstbaren Geistern umringt, und ein Schwarm von Fingern
-flog auf den Kopf, seinen Putz zu halten, nicht anders, als führe man
-eine Glasfigur herum, die man an dieser gefährlichen Stelle mit allen
-Händen beschirmen müsse, auf daß sie ja nicht breche.</p>
-
-<p>An der äußerst reich ausgeschmückten Mohammetanerin fiel mir ein
-goldenes Kreuz auf, welches von der Stirne herunter hing. Dieser
-Theil des Kopfputzes war wahr<span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span>scheinlich ursprünglich im Besitze der
-Christen. Putzliebe überwiegt nicht selten sogar religiösen Skrupel.
-Die Mohammetanerin fragt wenig nach der Form, wenn nur Glanz, nur Gold,
-nur Flitter. Sie versteht die mit Brüchen rechnende Engherzigkeit
-mancher Protestantinnen nicht, welche, Gott weiß, wie tief sie in die
-Finsterniß des Papstthums plötzlich gerathen würden, wenn sich einmal
-ein Kreuz auf ihre Stirne verirrte.</p>
-
-<p>Wo der Brautzug aufhörte, und wie die weiteren Festlichkeiten waren,
-dessen war ich nicht Zeuge, und das ist der Grund, warum ich nicht
-davon rede.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Leichenzug"><b>Der Leichenzug.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Knaben mit fröhlichen Mienen gehen voran in Reihe und schlagen
-Liedeslärm. Ihnen folgen blinde Männer, Hand in Hand, mit vereintem
-Gesang, ohne Sinn für einen geregelten Zug. Drei Männer tragen
-hier einen vierkantigen, dort einen mit einer Firste versehenen
-fünfkantigen, so flüchtig verfertigten, breternen Sarg, daß der Blick
-in die Fugen unschwer sich stiehlt. Von ihm erhebt sich ein Turban,
-auf dem Sarge das Kreuz des Mohammetaners. Liegt ein Mann in den
-Bretern, so werden sie mit einem rothen Tuche umwunden, beim Weibe &mdash;
-drängt sich dessen<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span> Kopfschmuck darum. Hinter dem Sarge selten ein
-Mann, aber Weiber, verwandte und bekannte, voll bitterer Klagen über
-den Verlust. Die Hände und das Gesicht dieser Klageweiber sind, zum
-Zeichen der Trauer, blau gefärbt. Am Nile das Trauerblau, bei uns
-das Trauerschwarz, anderwärts das Trauerweiß, &mdash; was ist denn die
-Trauerfarbe? Ein hellblaues Tuch, um in der Schilderung fortzufahren,
-umflattert über dem gewöhnlichen Schleier den Kopf, &mdash; und ein blaues
-Tuch, an den Zipfeln mit beiden Händen fassend, schleudern die
-Klagefrauen mit gellendem Schrei gegen den Sarg, als wollten sie dem
-Sensentrager die Beute abringen. Nur die weiblichen Verwandten tragen
-die blaue Trauerfarbe, kein einziges Trauerzeichen die Uebrigen.</p>
-
-<p>Ach, der Todte bleibt todt, todtenbleich und todtenstarr, mögen ihm die
-Einen leise nachweinen oder laut nachschluchzen, die Andern gellend
-nachschreien.</p>
-
-<p>In Alexandrien hörte ich von einem Hause herab zuerst den unvergeßlich
-gellenden Lärm; ich wußte nicht, ob von einigen verrückten oder im
-Zanke begriffenen Weibern. Ich stand wie verdutzt da, als man mir die
-Erscheinung dahin aufklärte, daß darin eine Person gestorben wäre, und
-daß, zur Bezeugung der Trauer, so lange in demselben Hause geschrieen,
-bis sie daraus getragen wurde. Es wäre manch<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span>mal an einem Trauerfalle
-so genug, daß man diesen nicht überlaut verkündigen oder amplifiziren
-dürfte.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Strassensaenger"><b>Der Straßensänger.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Da steht ein Jüngling, der mit der einen Hand das Ohr zuhält, mit der
-andern dann und wann hinter den schwarzbraunen Nacken fährt. Er scheint
-<em class="gesperrt">Galls</em> Tonorgan nachfühlen zu wollen. Er trägt eine Mütze und
-eine Jacke, weiter aber keinen Faden am Leibe. Das ist ein Sänger in
-einer der Hauptstädte des osmanischen Reichs.</p>
-
-<p>Die Stimme klang nicht unangenehm; aber wenig Wechsel in der Singweise,
-zum Unglücke verstand ich kein Wort. Ich zweifle nicht, daß Alles
-artig und poetisch gewesen sei; denn es hatte ja sich in dem Sänger
-selbst der Ausbund von Poesie personifizirt. Was ich gut verstand
-und mich zum herzlichen Lachen rührte, war das Gekrähe eines jungen
-Hahns, das Gebell eines Schoßhündchens und das Gefauche einer Katze,
-welche anmuthigen Töne der Virtuose nach jeder Strophe vortrefflich
-nachahmte. Die Nachahmung der Thiere ist freilich mehr ergötzlich, als
-des Menschen würdig.</p>
-
-<p>Der Europäer meinte in Egypten, er lebe in einer ganz andern Welt,
-wenn ihn nur zur rechten Zeit und<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span> zur Unzeit, mit Erlaubniß zu sagen,
-die Flöhe und die Wanzen nicht <a name="staechen" id="staechen"></a>stächen, wenn nur die Sonne viereckig
-und der Mond hornlos, das Feuer kalt und das Wasser trocken wären,
-wenn nur, worauf es eben jetzt ankommt, nach einer andern Melodie die
-Hähne krähten, die Hunde bellten, die Katzen fauchten; aber sogar die
-egyptischen <em class="gesperrt">Menschen</em> kennt der Europäer auf dem Resonanzboden
-Europas, wenn sie schwatzen, wie die egyptischen Hähne, Hunde und
-Katzen. Dagegen liefert Europa manchmal Konterfeie seiner selbst,
-welche dem Urbilde gleichen wie John Bull einem Känguruh.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Versteigerer"><b>Der Versteigerer.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Um etwas dem Meistbietenden zu überlassen, sind in Europa erst lange
-Berathungen, Edikte, Zeitungen, Lizitazionskommissarien nöthig. Niemand
-versteht besser, auf krummem Wege das Ziel zu verfolgen, als der
-Abendländer.</p>
-
-<p>Ein Araber ging in die Frankengasse, in der Hand ein Hausgeräthe, womit
-er die Schaulust möglichst reizte, und rief den Preis desselben mit
-lauter Stimme aus. Er hört aus einer Bude ein Gebot; er wiederholt es;
-aus einer andern Bude vernimmt er ein höheres Gebot; er wieder<span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span>holt
-auch dieses. Hin- und herrennend, als hätten ihn die Bremsen angebohrt,
-wiederholt er die Gebote, bald in arabischer, bald in italienischer
-Sprache. Sobald die Gebote nicht höher steigen, und das höchste dem
-Versteigerer anständig ist, so überläßt derselbe den Gegenstand dem
-Meistbietenden. Hier befindet sich der Araber in der That auf dem
-rechten Flecke, wo es ihm denn trefflich zu Statten kommen mag, daß er
-so gerne lärmt und schreit.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Barbier"><b>Der Barbier.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Es ist ein kurios Ding um den Bart, daß er am Antlitze des Mannes zur
-Schererei entsprossen sein soll.</p>
-
-<p>Die bessern Barbierstuben Kairos sind prächtig ausgestattet. An die
-Wände lehnen sich unbewegliche Reihen schnörkelhafter Sitze von hartem
-Holze, wie in einem Kirchenchore.</p>
-
-<p>Da zwängt man Einem den Kopf über die Brust, um die Schwarte nackt zu
-scheren; dort wird die Lippe straff angestreckt, um die Mundwinkel
-auszuputzen, dort der Kopf rücklings umgebogen, über dem Adamsapfel
-einen Streifen wegzubarbieren. Wenn in einer Stube Mehrere barbiert
-werden, so machen die Köpfe so verschiedene Richtungen, als wären sie
-aufs allergutmüthigste illuminirt.<span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span> In den Barbierstuben wird man nicht
-in hockender Stellung rasirt, wohl aber auf den Gassen. Der Barbier
-schneidet die Stoppeln völlig auf der Haut, schier wie ätzend, und
-er versteht in Summa seine Kunst meisterhaft. Leicht handhabt er das
-scharfe Messer, es bald auf- bald abwärts, bald seitwärts führend
-über fast alle Theile des Kopfes. Jeder mag sich im runden Spiegel,
-welcher, in einen schmucken Rahmen gefaßt, von dem Barbier mit
-Selbstzufriedenheit unfehlbar dargeboten wird, selbst überzeugen, ob
-ich in guten Treuen schilderte.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Lagerstellenmacher"><b>Der Lagerstellenmacher.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Die Lagerstellen der Egypzier haben etwas eigenthümliches, da sie
-gleich einem Käfiche zusammengestäbelt sind. Lagerstellenmacher, wie
-hier, dürften in Europa schwerlich gefunden werden. Die Noth schuf im
-Nilthale die Eigenthümlichkeit; es gebricht an größerm Holze, welches
-den Hobel zuläßt.</p>
-
-<p>Der Lagerstellenmacher besitzt keine Bude; er begnügt sich, in dem
-Winkel einer Gasse oder sonst wo zu hocken. Ein Schneide- und ein
-Hohlmesser sind seine Werkzeuge. Mit ersterm schnitzelt er die
-Holzstäbchen etwas zurecht, und gibt ihnen die gehörige Länge; mit
-letzterm schlägt er Oeffnungen, dadurch die rundlichen Stäbchen zu
-ziehen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span></p>
-
-<p>Kein Pinsel beleidigt je diese Lagerstellen. Sie tragen den Schweren,
-wie den Leichten, den Müden wie den Muntern, den Schlafenden wie
-den Wachenden; dem Sünder aber nehmen sie die Last seines Herzens
-ebenso wenig ab, auf daß ihn eher der sanfte Schlaf erquicke, als die
-europäischen köstlichen und bequemen Bettstellen solch ein Wunder zu
-bewirken vermögen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Glaser"><b>Der Glaser.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Als ich die Einsetzung von Scheiben verlangte, kamen zwei Menschen,
-ein gesetzter Mann und ein Jüngling von etwa sechszehn Jahren. Der
-Kontrakt in Betreff der Scheiben war bereits geschlossen. Wer sich eine
-Bedeutung geben will, muß doch die Kleinigkeiten umständlich behandeln.</p>
-
-<p>Der Glaser ließ sich auf den Boden nieder; der Gehülfe ihm gegenüber.
-Sorgfältig schlug jener die hölzernen Nägel aus den Fensterrahmen.
-Er arbeitete langsam, aber sicher; so war sein Augenmaß. Statt eines
-Diamants bediente er sich eines Bröckchens Granit. Wenn dieser nicht
-tief genug schnitt, so führte er ihn auch über die Rückseite des
-Glases. Dann ballte er die rechte Hand, nahm die Scheibe zwischen den
-Zeigefinger und den auslangenden<span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span> Daumen, und drückte solchergestalt
-mit Behutsamkeit abwärts, um das Glas über den Riß abzubrechen. Dieß
-gelang ihm freilich nicht, daß er eine schöne, ebene Linie bekam, doch
-brach er auch nicht fehl.</p>
-
-<p>Ich glaube, der beste europäische Glasermeister würde mit einem solchen
-Hülfsmittel kaum besser das Glas gebrochen haben. Es ist immer eine
-Kunst, mit Wenigem gehörig auszureichen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Schuhmacher"><b>Der Schuhmacher.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Ohne eine lederne oder tüchene Schürze, ohne pechschwarze Hände
-<em class="gesperrt">sitzt</em> der Schuhmacher auf einem niedrigen Stuhle vor einem
-runden, ebenfalls niedrigen Tische, welcher der Querabschnitt eines
-Baumstammes und auf drei breite Füße gestützt ist. Die Schuhleisten
-weichen von den europäischen kaum ab, wenn nicht darin, daß sie,
-ohne den Moden unterworfen zu sein, alle spitz sind. Wie oft wird
-der europäische Schuhmacher durch die Modesucht Anderer geplagt, und
-wie ruhig kann deßhalb der egyptische schlafen. Der Flattersinn der
-Modenjournalisten erzeugt fürwahr eine Menge Qualen.</p>
-
-<p>Mit einem Stücke Messing, welches die Form eines Mörserpistills, nur
-eine breitere Birne zum Schlagen hat und kürzer ist, werden Leder
-und Nähte geklopft. Flink<span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span> schneidet dasselbe mit einem leichten
-Schroteisen der Schuster, der überhaupt mit einer großen Fertigkeit
-arbeitet. Der Mohammetaner näht nicht mit Schweinborsten, weil nach
-seiner Ansicht Alles, was vom Schweine kommt, unrein macht. Den gelben
-und grobkörnigen Stoff oder den Kleister, womit ein Lederstück auf das
-andere gekleibt wird, erkannte ich nicht. Die egyptischen Schuhe sind
-dem Klima angemessen: leicht, halten sie wenig warm, werden aber bald
-durchnäßt.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Toepferwaarenflicker"><b>Der Töpferwaarenflicker.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>In einem Lande, wo man mit schönen Porzellangefäßen so viel Aufwand
-treibt, ist es oft keine Kleinigkeit, wenn etwa eines bricht. Porzellan
-kommt hoch zu stehen, und so wird leicht erhellen, daß man sich Mühe
-gibt, die Bruchstücke zu einem Ganzen zu vereinigen.</p>
-
-<p>In Europa fehlt es nicht an gutem Kitte für Töpferwaaren; doch hält
-selten einer längere Zeit, und in die Bauernhäuser fand er den Weg noch
-nicht. Sehr pfuschermäßig werden bei uns die Bruchstücke mit einem
-Drahte auf die Weise zusammengeheftet, daß er, nachdem er an beiden
-Enden sich berührt, gezwirnet, und an das Gefäß gedrückt wird.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span></p>
-
-<p>Was ist denn das für eine Bude? fragte ich mich, als ich darin einen
-Haufen gemalter Scherben, davon die meisten von Porzellan, erblickte.
-Ein Mann hockte an der einen Wand, und bog den rechten Fuß auf den
-linken Schenkel. Er legte eine Scherbe auf die große Zehe, an der
-Stelle, wo er bohren wollte. Ohne jene mit einer Hand zu fixiren,
-setzte er den Bohrer an. Diesen brachte er mit einer Art Geigenbogen
-in Bewegung. Nämlich die Schnur des letztern umschlang den Bohrer
-einmal, ungefähr in der Mitte, und indem der Arbeiter den Bogen hin-
-und herbewegte, drehte sich der Bohrer bald rechts, bald links um
-die Achse. Das Loch ließ der gewandte Handwerker nicht durchdringen.
-Nachdem zu den Seiten des Bruches ein Loch neben dem andern angebracht
-war, wurde der klammerförmige Draht, indem er quer über den Bruch sich
-zog, unter sanften Schlägen eingehämmert. Die Bruch- und Bohrstelle
-bestrich der Tausendkünstler mit einem Kitte, welchen er sogleich
-bereitete. Er knetete bloß Eierklar und Gips ohne Feuer zu einem Teige.
-Ich darf nicht erst beifügen, daß die Hefte beinahe niedlich aussahen,
-und an der innern Seite des Gefässes nahm man sie nicht einmal
-wahr, eben weil die Bohröffnungen nicht durchdrangen. Die fleißige
-Arbeit verfehlt den Beifall<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span> nicht, und schiene sie selbst ihrer
-Geringfügigkeit willen keinen Fleiß zu verdienen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Missionarien"><b>Die Missionarien.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Das protestantische Frommthum und Frommthun bewacht Kairo mit nicht
-weniger denn drei Missionarien, und zwar mit lauter Teutschen:
-<em class="gesperrt">Kruse</em>, <em class="gesperrt">Lieder</em> und <em class="gesperrt">Müller</em>. Ich erblickte in diesem
-Missionariate weniger minder, als protestantischen Luxus. Die vielen
-Bemühungen, bisweilen nicht ohne übertriebenen Eifer, werden äußerst
-selten mit einer Bekehrung belohnt. Auch darf das Christenthum nicht
-durch die Zahl seiner Bekenner nach einem arithmetischen Scheinwerthe
-gelüsten, sondern es soll durch seinen innern Reinwerth glänzen.</p>
-
-<p>Den in Kairo angekommenen und niedergelassenen Fremden aus dem
-Abendlande, mögen die Missionarien nicht überflüssig erscheinen. Wenn
-der Ankömmling nicht gerne in das Gewühl der fränkischen Kumpanei sich
-wagt, so kann er sicher sein, bei diesen Männern gute Gesellschaft zu
-finden. Er leite das Gespräche nur anfänglich so, daß sie ihn nicht mit
-überfrommen Dingen bestürmen. Nirgends stieße man sonst auf größeren
-Kontrast. Dießseits die Jesusherzeleien, jenseits die unfläthigste
-und unzüchtigste<span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span> Zunge und zwischen zwei Enden &mdash; &mdash; Einsamkeit
-und Langeweile, wofern man nicht glücklich genug ist, in der Mitte
-derselben Gleichgesinnten sich anschließen zu können. Mit Lehren und
-Predigen, Briefeschreiben und Diskuriren verbringen die Missionarien
-ihre meiste Zeit. Manchem Abendländer helfen sie auch wohlthätig aus
-der Noth. Der Sonderbarkeit muß ich gedenken, daß das Auditorium
-der Prediger eben auszusterben im Begriffe war, und daß bloß noch
-<em class="gesperrt">zwei Katholiken</em>, doch mehr aus Liebe zur deutschen Sprache, den
-<em class="gesperrt">protestantischen Predigern</em> zuhörten. <em class="gesperrt">Lieder</em> macht auch
-den Arzt nach den Grundsätzen der Homöopathie. <em class="gesperrt">Müller</em> langweilte
-mich durch seine mystische Deutelei des <em class="gesperrt">Hahnemannianismus</em>
-außerordentlich, und ich überzeugte mich aufs Neue, daß die Homöopathie
-der Mystizismus der Medizin ist.</p>
-
-<p>Daß die neuen Apostel nicht bloß lehren und predigen, schreiben und
-diskuriren, liegt in der Natur des Menschen. Ein wohlbestellter Tisch
-wird nicht etwa nur angeschaut, und <em class="gesperrt">Kruse</em> ritt einen ebenso
-schönen, als prächtig gesattelten Esel. Es ist ein Zeichen unserer
-Zeit, daß man hie und da die Demuth, gleich einem Kruzifix, in Gold
-einfaßt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Renegaten"><b>Die Renegaten.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Frankreich schuf die neue Lehre des St. Simonismus. Die Anhänger
-desselben, in ihrem Vaterlande von allen Seiten beunruhigt, ausgelacht,
-verspottet, gehaßt, verminderten sich dadurch, daß ein Theil den
-Wanderstab ergriff. Der Pabst <em class="gesperrt">Enfantin</em> und Andere zogen nach
-Egypten.</p>
-
-<p>Man zeigte mir in Kairo öfter Saint-Simonisten. Sie zeichneten sich
-vor den übrigen Franken durch einen langen Bart aus. Sie führten ein
-ziemlich gesondertes Leben. Auch <em class="gesperrt">eine</em> St. Simonistin sah ich,
-und billig machte ich meine Glossen. <em class="gesperrt">Enfantin</em> scheint entweder
-wenig gekannt, oder beinahe vergessen zu sein. Wenn ich auch nach ihm
-mich erkundigte, so wollte man doch in der Regel nichts von ihm wissen.
-Nach den Einen lebe er, von dem Geräusche der Städte entfernt, in der
-Einsamkeit; nach einem Andern habe er das Zeitliche gesegnet<a name="FNAnker_20_20" id="FNAnker_20_20"></a><a href="#Fussnote_20_20" class="fnanchor">[20]</a>.</p>
-
-<p>Egypten gibt allen Glaubensbekennern Zuflucht, ohne daß es jedoch mit
-der eigentlichen Toleranz, Humanität und Liebe den Andersgläubigen
-begegnet. So werden von den Abendländern die Juden geduldet.</p>
-
-<p>In der neuern Zeit zogen die St. Simonisten deßwe<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span>gen das Gerede
-auf sich, weil einer um den andern zum Mohammetanismus hinübertrat,
-ob aus Ueberzeugung oder aus Habgierde, oder aus Rache gegen die
-Christen, weiß derjenige, welcher die Nieren der Menschen prüft. Es
-gibt indessen hin und wieder auch andere Franken, welche ihren Glauben
-verläugnen. Ich habe, um mich selbst anzuklagen, mit meiner Toleranz
-es noch nicht so weit gebracht, daß nicht unangenehme Gefühle sich
-meiner bemächtigten, wenn ich einen Renegaten erblickte. Im Falle
-wirklich reine Ueberzeugung als Triebfeder zur Renegazion wirkte, so
-lasse ich mir diese gefallen. Wie schwer hält es aber, daran <em class="gesperrt">zu
-glauben</em>, wenn man lediglich erwägt, daß die Renegaten die Religion
-der Zivilisirten unsers Erdballs verlassen, um sich zu derjenigen der
-Halbbarbaren zu bekennen.</p>
-
-<p>Ich kannte einen Renegaten, welcher in Verachtungswürdigkeit
-seinesgleichen sucht. Durch die Abschwörung seines Glaubens hoffte
-er steif und fest auf Beförderung. Er sprach von nichts lieber, als
-von einem zu erhaltenden Orden, z. B. wie er die beste Wirkung für
-das Auge thun werde. Er wählte sich ein Weib. Die Hochzeit verschlang
-seine Barschaft. Er wünschte ein hübsches Mädchen. Er bekam, im Sinne
-der Egypzier, eine Vettel. Er verstieß sie. Wenn die Sperlingseele
-würdig wäre,<span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span> dem großen <em class="gesperrt">Cäsar</em> verglichen zu werden, so träfen
-ihn die Worte, deren <em class="gesperrt">Curio</em> für diesen Römer sich bediente, daß
-er der Mann aller Weiber und das Weib aller Männer sei (<span class="antiqua">omnium
-mulierum virum et omnium virorum mulierem</span>). Mehr darf man nicht
-sagen, um den niedrigen sittlichen Standpunkt anzugeben. <em class="gesperrt">Und
-das ist ein Renegat</em>, ein gewesener Christ und ein nunmehriger
-Mohammetaner. Soll die Religion dienen, zu irdischem Wohlleben und
-Glanze emporzuhelfen, so würdiget man sie mit ruchlosem Herzen zur Magd
-roher Sinnlichkeit herab.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Muesterchen_von_Europaeern"><b>Müsterchen von Europäern in
-Egypten, oder ein Porträt über Kairo aus Europa.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Zu den pikanteren Dingen, nach meinem Geschmacke, rechne ich den
-Lebenslauf der nach Kairo zerstobenen Europäer. Weil diese Stadt so
-weit von Europa abliegt, so müssen Neigungen und Verumständungen
-seltener Art die große Reise veranlassen.</p>
-
-<p>Die Europäer in Kairo verdienen im Ganzen den Ruf der Lockerheit. Gut
-essen und trinken, reiten und müßig gehen u. dgl. treten als Hauptzüge
-in ihrem Leben hervor. Das Schuldenmachen ist das Allerunschuldigste,
-und das Nichtbezahlen der Schulden etwas Gewöhnliches. Daß<span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span> auch
-Personen höhern Ranges in Schulden stecken, ist freilich nichts
-Bezeichnendes für die egyptischen Franken, und, dem guten Tone der
-Europäer zu lieb, möchte ich es ja nicht tadeln. Ich kannte einen
-General, welcher einem armen Schlucker an 100 Piaster schuldete. Dieser
-begab sich oft zu ihm, die Anforderung zu erledigen. Es hieß immer
-<em class="gesperrt">morgen</em>. Und warum: <em class="gesperrt">Morgen?</em> Weil der Sold schon ein Jahr
-lang beim Pascha ausstehe. Uebrigens bewegt sich dieser General auf
-einem sehr glänzenden Fuße; viel Gesinde, Pferd und Kameel, Strauß und
-Fasan und dgl. reden von seiner Herrlichkeit. Solchen Aufwand zieht er
-dem Abtragen der Schulden und der Erleichterung eines geldbedürftigen
-Mannes vor. Ein Angestellter, welcher bei einem monatlichen Einkommen
-von 500 Piaster (an 200 Gulden R. W.) demselben ehrlichen Schlucker
-schuldig war, überschwemmte sich lieber die Nacht hindurch in der
-rauschenden Gesellschaft des theuren Bacchus, lieber bezahlte er Andern
-die Zeche, lieber hielt er einen eigenen Esel, lieber bereitete er sich
-andere Lustbarkeiten und Bequemlichkeiten, als daß er seinen Gläubiger
-zufrieden stellte. Ich hüte mich wohl, den großen Ton lächerlich zu
-machen, aus Besorgniß, daß man mich des kleinen Tones zeihe.</p>
-
-<p>Wer frisch in Kairo ankommt, und gerne Geld aushängt, der rechne
-zuversichtlich auf Freundschaft, aber, mit<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span> Erlaubniß zu sagen, auf
-eine Zungen-, keine Herzensfreundschaft. Der schwärzeste Undank folgt
-meistens der Gabe oder dem beßtgemeinten Darlehen.</p>
-
-<p>Manche Europäer langen in Kairo an, ohne daß sie etwas mitschleppen,
-als das Kleid am Leibe; denn auf alsbaldige Anstellung und damit auf
-Eröffnung der Goldgruben zählen sie so sicher, als der gläubige Christ
-auf das Erbe des Himmels. Wenn sie dann nicht geradezu betteln oder,
-nach ihrer vornehmen Redensweise, Geld entlehnen, so schenkt ihnen noch
-ein Gastwirth Kredit. Wunderbar sind die Künste der Berechnung. Bei
-aller Armuth aber sind sie, in ihrer verbindlichen Stellung gegen den
-Wirth, genöthigt, wohl zu leben, z. B. Wein zu trinken. So natürlich;
-je mehr der Wirth aufschreibt, desto mehr gewinnt er; denn an irgend
-einer Anstellung zweifelt Niemand. Aus einem Militär erstümpert man
-exempelsweise einen Zeichenlehrer für die medizinische Schule. Der
-Wirth spielt mit den neuangekommenen und geldentblößten Abendländern
-Lotterie, welche ihm jedenfalls Vortheil bringt, muß er auch hin und
-wieder eine Niete ausbezahlen.</p>
-
-<p>Daß Stümper, Weltlinge, am meisten noch Glücksritter, manche
-Verschuldete, selbst auch Verbrecher eine große Zahl der Franken
-in Kairo bilden, leidet wohl keinen Zweifel. In dem Kaffeehause,
-wo Spanier, Franzosen,<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span> Engländer, Deutsche, Polen, Italiener und
-Griechen bunt durch einander gemengt waren, konnte ich mich oft der
-wunderlichsten Gedanken nicht erwehren: links saß vielleicht ein
-Betrüger, rechts ein Dieb, vor mir ein Todtschläger. Ich will nun eine
-biographische Skizze der Mittheilung nicht vorenthalten, ohne daß ich
-jede Einzelnheit verbürgen möchte.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Undank"><b>Undank für treue Liebe.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Ein junger Mann gewann ein Mädchen lieb. Er war Katholik und sie
-Protestantin. In seiner heimatlichen Gegend warf die Eingehung einer
-gemischten Ehe ungemein viel Staub auf. Um die Schwierigkeiten auf dem
-richtigsten Wege zu beseitigen, unternahm er eine Reise nach Rom. Hier
-erlangte er von der Kurie die Erlaubniß zu einer paritätischen Ehe.
-Auf der Heimreise hielt er sich eine Zeit lang in Triest auf, wo er,
-als Mechaniker, das Auskommen zu seiner gänzlichen Zufriedenheit fand.
-Er schrieb seiner Geliebten, daß ihm die Heirathsbewilligung ertheilt
-worden sei, und daß auch sie die weitern Schritte thun solle, wodann
-er ohne Verzug zurücktreffen werde. Die Eltern indeß, schon lange dem
-katholischen Freier ungünstig, wußten während der Abwesenheit des
-Liebhabers überwie<span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span>genden Einfluß bei der Tochter geltend zu machen.
-Kurz, sie knüpfte eine andere Bekanntschaft an.</p>
-
-<p>Wem auch schon ruhige Augenblicke vergönnt waren, das Seelenleben nach
-seinen Ursachen und Wirkungen zu durchschauen, findet in der Liebe eine
-mächtige Triebfeder zu vielen eigenthümlichen und außerordentlichen
-Unternehmungen. Tief ergriff die Nachricht von der Untreue des
-Mädchens den Geliebten, welcher ein so großes Opfer, wie die Reise
-nach dem entfernten Sitze des römisch-katholischen Oberhauptes, nicht
-scheute. Es verdüsterte sich sein Gemüth in dem Grade, daß er Europens
-überdrüssig wurde. Er reisete nach Jerusalem, und von dort nach Kairo.
-In der Hauptstadt Egyptens suchte und erhielt er als musikalischer
-Instrumentenmacher eine Anstellung bei der Regierung, obschon er von
-der Musik so viel als nichts verstand, mithin auch die Instrumente
-nicht stimmen konnte. Musikanten von seiner Bekanntschaft halfen ihm
-aus der Klemme. Mittlerweile vervollkommnete er sich in der Kunst,
-bis er durch Ohrenbläsereien und durch geheime Untergrabungen von
-seiner Stelle verdrängt wurde. Später eröffnete er eine Bude, worin er
-arabische Bibeln<a name="FNAnker_21_21" id="FNAnker_21_21"></a><a href="#Fussnote_21_21" class="fnanchor">[21]</a>, andere Bücher und auch an<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span>dere Dinge feil bot.
-Hart prüften langwierige Ruhr und andere Mißgeschicke sein Leben.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Unter_oesterreichischer_Protekzion"><b>Unter österreichischer
-Protekzion.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>In Ermangelung eines schweizerischen Konsulates mußte ich mich in ein
-fremdes fügen. Ich hatte Ursache, das österreichische zu wählen. Als
-ich in Wien die Arzneiwissenschaft studirte, wurde mir von Seite der
-Hochschule zu viel Gutes zu Theil, um Oesterreich undankbar vergessen
-zu können; als ich im Jahr 1834, zum Theile in schriftstellerischer
-Absicht, eine Reise nach Wien unternahm, ward mir so viel Unterstützung
-gewährt, wie ich sie kaum erwarten durfte. Zudem war es Anfangs schon
-nicht ganz unwahrscheinlich, daß ich über Oesterreich zurückreisen
-werde, in welchem Falle, dachte ich, am zweckmäßigsten der Reisepaß mit
-den Visa der österreichischen Konsuln versehen wäre.</p>
-
-<p>In Kairo bedarf man, strenge genommen, keiner Aufenthaltsbewilligung.
-Die egyptische Polizei bekümmert sich in der Regel um die Franken wenig
-oder gar nicht. Einen<span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span> Tag nach meiner Ankunft stellte ich mich bei dem
-österreichischen Konsul, Herrn <em class="gesperrt">Champion</em>, und drückte ihm meinen
-Wunsch für österreichischen Schutz aus. Er nahm auf eine verbindliche
-Art den Paß in Verwahrung, und damit war Alles in Ordnung. Der Aufnahme
-von Seite des Herrn <em class="gesperrt">Champion</em> sowohl als des österreichischen
-Generalkonsuls in Alexandrien, eines eifrigen Freundes der schönen
-Künste und des Besitzers einer ansehnlichen Gemäldesammlung, zolle
-ich meine wärmste Anerkennung. Ich fand an beiden Männern ebenso gut
-unterrichtete als gefällige Rathgeber. Vielleicht würde man es missen,
-wenn ich mit Stillschweigen überginge, daß mein Paß auch an der letzten
-Stelle „gratis“ visirt wurde, weil es nicht überall der Fall ist.</p>
-
-<p>Ehemals herrschte die nicht selten lästige Sitte, daß die Reisenden von
-den Konsuln zu Mahlzeiten eingeladen wurden. Es scheint sich dieselbe
-zu verlieren.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Meine_Wohnung"><b>Meine Wohnung.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Am Tage meiner Ankunft suchte mich ein Schweizer auf, weil er vernahm,
-daß ein Landsmann angelangt sei. Die Ferne nähert die Gemüther.
-Wiewohl ich mich außerordentlich freute, einem Schweizer in so
-großer Entfernung die<span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[S. 237]</a></span> Hand zu schütteln, so wollte ich dennoch mit
-einiger Vorsicht mich einlassen. Denn die Schilderung der in Kairo
-sich aufhaltenden Franken, die mir zu Gesichte kam, machte mich bei
-Anknüpfung freundschaftlicher Bande eher furchtsam. Ich erfuhr aus
-guter Quelle, daß der Schweizer ein wackerer Mann sei, und da ich dieß
-bei jeder Gelegenheit selbst bestätigen konnte, so nahm ich keinen
-Anstand mehr, mit ihm in freundschaftliche Verhältnisse zu treten. Er
-ist aus dem schweizerischen Kanton Thurgau gebürtig, und sein Name
-<em class="gesperrt">Karl Baumgartner</em>: gewiß einer der edelsinnigsten Franken, die in
-Kairo leben, ein Mann, dessen Andenken mir immer theuer bleibt<a name="FNAnker_22_22" id="FNAnker_22_22"></a><a href="#Fussnote_22_22" class="fnanchor">[22]</a>.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Baumgartner</em> hatte ein halbes Haus in Miethe, und bei ihm lebte
-ich in Aftermiethe. Daß ich auch hier auf zerbrochene Scheiben stieß,
-dessen verwundere man sich nicht. In keiner größern Stadt sah ich so
-wenig auf die Glasscheiben verwendet, als in Kairo. Blind vor Staub ist
-die Menge, man läßt sich die Mühe zum Waschen reuen, und zerbrochene
-Scheiben oder Scheibenlücken verunzieren selbst manches bessere Haus.
-Die zerbrochenen Schei<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[S. 238]</a></span>ben mochte ich aber auch hier nicht leiden. Wir
-ließen den Glaser rufen.</p>
-
-<p>Ich wohnte im Frankenquartiere (Hârah el-Musky). Wo? kann ich hier
-so wenig <em class="gesperrt">genau</em> angeben, als ich es vor dem Konsul konnte. Die
-Franken sagen, bei wem sie wohnen, oder nennen auch einen Hauptplatz,
-ein Thor u. s. f. Mein Zimmer war so hoch, wie eine Kapelle, und man
-hätte nur einen Altar bauen dürfen, um in einer wirklichen Kapelle zu
-wohnen. Eine Fledermaus, welche Nachts herum flog, erfreute sich eines
-so großen Spielraums, daß sie, hin- und herflatternd, nie nöthig fand,
-an meinen Kopf zu streifen.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Meine_Nahrung"><b>Meine Nahrung und Getränke.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>Aus dem gebirgigen und kaltwinterigen Lande Europas in das niedrige und
-heiße Land der Afrikaner versetzt, nahm ich mir vor, Alles pünktlich
-zu meiden, was meine Gesundheit beleidigen könnte. Der Magen würde
-schwerlich <em class="gesperrt">unter</em> dem Haupte liegen, wenn <em class="gesperrt">er</em> Herr im Leibe
-sein müßte. Vorzüglich hütete ich mich vor dem Gemüse, vor grünen
-Früchten, als: Bananen, Granatäpfeln, Datteln, Melonen, so gerne sie
-mich verführt hätten. Sogar <em class="gesperrt">gekochtes</em> Gemüse schlug ich aus.
-Dadurch war ich an den<span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[S. 239]</a></span> Tischen freilich nicht wenig geplagt. Man
-wartet hier mit Fleisch und immer wieder mit Fleisch auf; viel Fleisch
-aber bekam mir nicht gut. Zudem genießt es der Franke mehrentheils
-geröstet oder gebraten, daß es leicht <em class="gesperrt">Durst</em> verursacht, <em class="gesperrt">dem
-man beinahe um jeden Preis vorbauen soll</em>.</p>
-
-<p>Neben leichtem Fleisch aß ich Reis, mit besonderer Vorliebe Milchreis
-(<span class="antiqua">riso con latte e zucchero</span>), und nicht selten genoß ich
-Kartoffeln. Die Fische kostete ich nickt einmal, weil sie Niemand
-für gesund hält. Des Morgens erquickte ich mich am Milchkaffee, oder
-ich begnügte mich auch nur mit Milch und Brot. Es trieb in der Frühe
-ein Araber Ziegen vor die Hausthüre. Wenn ich ein Schnalzen mit
-der Zunge hörte, so waltete kein Zweifel, daß der Melker angelangt
-war. Vor meinen Augen molk er mit der geballten Hand, indeß er mit
-der andern Hand das Gefäß vorhielt. Ich konnte mich überzeugen, daß
-ich unverfälschte Milch bekomme. Noch warm getrunken schmeckte sie
-mir köstlich, und ich spürte davon nicht im mindesten nachtheilige
-Wirkungen. Ich füge dem Gesagten bei, daß die Milch der egyptischen
-Ziegen mit ihren Schafsohren, angenehmer und milder schmeckt, als
-diejenige der Schweizerziege.</p>
-
-<p>Mein <em class="gesperrt">Hauptgetränke</em> war Nilwasser. Ich trank<span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[S. 240]</a></span> es meistentheils
-so, wie es aus dem Flusse kam, bisweilen jedoch mit einem geringen
-Zusatze von Rhum. Ich wußte recht gut, daß viele Arten von
-Unreinigkeiten in den Nil fallen. Ich schöpfte mit der Hand aus dem
-Nil in den durstigen Mund, während Stroh herumschwamm. Was hätte
-hier zögern und prüfen gefrommt? Durst quälte mich, und mir stand
-nur ein <em class="gesperrt">einziges</em> Wasser zu Gebote. Darum überließ ich das
-Grübeln Andern, und trank mit Herzenslust. Das Nilwasser ist leicht
-und schmeckt vortrefflich. Von jeher wurde dessen seiner gesunden
-Eigenschaft wegen mit Lob gedacht. Es soll selbst auf den Tisch des
-Sultans in Konstantinopel gesetzt werden. Man will beobachtet haben,
-daß der Nilschwamm, welcher mit dem Wasser häufig getrunken wird, auf
-der Haut Knötchen (<span class="antiqua">boutons</span>) erzeuge. Davon nahm ich an mir
-nichts wahr, ohne daß ich diese Beobachtung in Abrede stellen möchte.
-<em class="gesperrt">Alpinus</em> sagt geradezu, daß sich gewöhnlich alle Ankömmlinge in
-Kairo eine Diarrhöe zuziehen.</p>
-
-<p>In den fränkischen Wirthshäusern, will sagen, sowohl in dem Gasthause
-(<span class="antiqua">locanda</span>), als in den Speisehäusern (<span class="antiqua">trattoria</span>), wird
-viel Wein ausgeschenkt. Ich vermied ihn sorgfältig. Mich wunderte, daß
-die Franken nach diesem schlechten Getränke, wie es in Kairo beschaffen
-ist, so begierig haschen, wenn sie auch vor der Schuldenlast<span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[S. 241]</a></span> nicht
-wissen, was sie anfangen sollen. Es schlenderten so häßlich berauschte
-Franken auf der Gasse herum, daß ich mich für sie, des fränkischen
-Namens willen, schämte. Willkommen war mir dagegen das fränkische
-Kaffeehaus eines Griechen, wo ich keinen Tag fehlte, um Kaffee zu
-trinken, dessen man sich unter diesem heißen Himmel nicht enthalten
-darf. Ich trank ihn meist <span class="antiqua">alla Franca</span>, d. h. mit Zucker,
-seltener <span class="antiqua">alla Turca</span>, und in letzterem Falle, wie Andere, mit dem
-Satze, was mir wenig Mühe kostete. Bisweilen genoß ich die köstlich
-bereitete Orgeade oder eine Limonade.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Nachlese.</em> Bei diesem Anlasse will ich mit wenig Worten meines
-regiminellen Verhaltens erwähnen. Mehr als die Morgen- und Abendkühle
-floh ich die Mittagshitze, welche, meines Bedünkens, am schädlichsten
-wirkt. Der Abendkühle könnte ich nichts Nachtheiliges nachreden. Sie
-war während meiner Anwesenheit in Kairo nicht vorhanden, sondern es
-herrschte vielmehr des Abends bis zehn Uhr eine <em class="gesperrt">gemäßigte</em>
-Temperatur, die nicht angenehmer hätte sein können. Wenn ich des
-Abends, bei der lieblichen Witterung des Wintermonats, im windoffenen
-Kaffeehause saß, konnte ich das herrliche Klima nicht genug preisen.
-Außer der Mittagshitze, klage ich allerdings noch die Morgenkühle an.
-Der Zureisende bringt, gleich den wohlhabenden Einwohnern, die frühen
-Morgen am besten im Bette<span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[S. 242]</a></span> zu. Immerhin suchte ich den Unterleib warm
-zu pflegen, und das Duften der Haut, wenn es einmal begonnen, zu
-unterhalten. Es sollte Niemanden schwer fallen, eines so großen Gutes
-willen, wie die Gesundheit ist, in gewissen Schranken zu leben.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Umgebung"><b>Umgebung von Kairo.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p id="Todtenstadt">Bereits besuchte ich außerhalb der Stadt die Grabmale der Großen
-(Turâb Kâyd-Bei). Die Umgegend verdient, daß man sich weiter umsehe.
-Rückerinnerungen an erstere erweckte der Anblick <em class="gesperrt">der Todtenstadt
-el-Seydeh Omm Kâsim</em>.</p>
-
-<p>Reitet man von Altkairo gegen die Burg, so tönt es oft hohl unter
-den Hufen des Thieres; es scheinen die Geister der grauen Vorwelt zu
-klagen; man kommt über Schutt, über sandichte Schutthügel, welchen die
-vielen rothen Ziegelscherben ein scheckiges Ansehen verleihen; es ist
-Wüste; das Auge erholt sich nicht an einem einzigen grünen Gräschen.</p>
-
-<p>Das Turâb (Todtenstadt) el-Seydeh Omm Kâsim liegt südlich unter der
-schroffen Wand des Mokatam, gleich am Fuße des Schlosses. An Umfang
-gibt dasselbe einer kleinen Stadt nicht nach. Selbst das Bauwerk stellt
-sich ansehn<span class="pagenum"><a name="Seite_243" id="Seite_243">[S. 243]</a></span>lich heraus, und mit dessen Kosten hätten mehrere hundert
-egyptische Dörfer gebaut werden können. Auf diesem Leichenfelde verirrt
-man sich staunend mit dem Auge in den Wald von kleinen Moscheen und
-Minarets. Manches Prachtwerk aber zerfällt in einen Wirrwarr öder
-Steine. Immerhin bleibt es eine Seltsamkeit, daß die Mohammetaner den
-Todten mehr Ehre erweisen, als den Lebendigen.</p>
-
-<p>Wie sich allerwärts bei den Muselmännern der Unterschied zwischen den
-Großen und den Geringern durch das Aeußere laut ankündigt, daß z. B.
-der Große sein Weib einsperrt, während der Geringe das seine frei
-herumgehen, selbst bei einem Christen den Hausdienst versehen läßt,
-so besonders zeichnen sich der Großen Denkmäler, diese feierlichen
-Grabesdome, aus. Was ist das Grab und Grabmal des Geringen? Wenige
-Fuß tief wird Erde aufgeworfen, die Leiche hineingelegt, und darüber
-ein kleines Gewölbe flüchtig gemauert; obenher bringt man einen,
-aus Stein gehauenen, auf einer dünnen Unterlage ruhenden Turban an,
-welchen ich deßwegen so nenne, weil ich weiß, daß er einen vorstellen
-<em class="gesperrt">muß</em>, und an der entgegengesetzten Seite erhebt sich etwa ein
-plumper Halbmond mit seinen stumpfen Hörnern. Wenige Jahre halten die
-zusammengepfuschten Steine aus, und sie verlieren ihren Zusammenhang,
-als wären sie bloß zusammengedacht gewesen, wer<span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[S. 244]</a></span>den jetzt aber dem
-Grabmaurer als Baustoff erst wieder nützlich. Das ist das Grab und
-Grabmal eines muselmännischen Geringen. Selbst auf dem stummen
-Leichenacker, möchte man ausrufen, herrscht unter den Mohammetanern der
-schreiende Despotismus der Großen; allein im Innern der Gräber bebt
-derselbe beschämt vor der Wahrheit zurück: Der Staub aller Todten ist
-gleich.</p>
-
-<p>Die Nekropolis steht an Pracht und Aufwand weit hinter dem Gottesacker
-Kâyd-Bei zurück.</p>
-
-<p>Auf den Grabstätten erzeigen sich diejenigen Moslims, welche dem
-Christen den Eintritt in ihre Kirchen verweigern oder erschweren, sehr
-tolerant. Ungehindert ritt ich in Kairo auf einem Esel kreuz und quer
-über die Gräber. &mdash; Die größten Todtenfelder liegen außer dem Umkreise
-der Stadt<a name="FNAnker_23_23" id="FNAnker_23_23"></a><a href="#Fussnote_23_23" class="fnanchor">[23]</a>.</p>
-
-<h4 class="s3" id="Kairo_Umgebung_Wasserleitung"><b>Die Wasserleitung.</b></h4>
-
-<p>Schon auf der Burg empfahl sich meiner besondern Aufmerksamkeit
-eine auf vielen Pfeilern ruhende, lange, stei<span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[S. 245]</a></span>nerne Brücke, die
-Wasserleitung, und ich war sehr begierig, in der Nähe sie zu besehen.
-Will man nach Altkairo sich begeben, so ist es ihrer Bögen einer,
-unter welchem der Weg durchführt. Der Wasserthurm (el-Migreh), als das
-Haupt des Aquädukts, steht rechts am Rande des Nils. Man kann auf ihn
-in einer unbedeckten Bahn reiten. Eben traf ich einige Weiber, welche
-die Brustwehre mauerten; ihr Mörtel war Viehmist, welchen sie mit
-heitern Mienen und zierlich mit ihren kleinen Fingern herumdrückten.
-Die Hände der Schönen waren Mörtelkellen, um welche diese Egypzierinnen
-von den Schönen Europas wahrscheinlich nicht wenig beneidet werden.
-Oben kirren sechs Räder, von zwölf Ochsen getrieben, um das Wasser aus
-der Tiefe zu schöpfen. Dasselbe wird in ein Becken ausgeleert, das in
-den Kanal ausmündet. Der liefert das Wasser in die Burg. Eine weite
-Strecke erhebt er sich hoch über die Erde. Erst in der Todtenstadt
-el-Seydeh Omm Kâsim greift er in das Erdreich. Die Rinne selbst mißt
-etwa zwei Fuß in der Breite und Tiefe. Der Nilschlamm, welcher sich aus
-dem Wasser niederschlägt, wird mit Sorgfalt herausgeschafft. Ich ging
-ein Stück weit neben der Rinne bis an einen Ort, wo die Wasserleitung
-ausgebessert wurde.</p>
-
-<p>Nahe an dem Wasserthurme fängt der ungemauerte Nilkanal an. Dieser wird
-jährlich zu seiner Zeit mit einem<span class="pagenum"><a name="Seite_246" id="Seite_246">[S. 246]</a></span> Damme querüber gesperrt, dessen
-Durchschneidung dann die Anwohner mit großem Jubel feiern. Allahu akbar
-(Gott ist groß); Gott läßt keinem Volke des Elendes so viel werden, daß
-er nicht dann und wann in dasselbe eine Rose der Freude streute.</p>
-
-<h4 class="s3" id="Kairo_Umgebung_Altkairo"><b>Altkairo und das armenische
-Kloster.</b></h4>
-
-<p><em class="gesperrt">Altkairo</em> oder ehemals <em class="gesperrt">Fostât</em>, dann <em class="gesperrt">Maser
-el-A’tykah</em> der Araber ist eine besondere, mit Mauern und Thoren
-verwahrte, nicht unbedeutende Stadt im Süden und eine halbe Stunde
-von Großkairo, hart am Nil. Es gewährt ein einförmiges, schwarzgraues
-Aussehen. Die Häuser sind hoch und von Thürmen weit überragt; die
-Gassen enge und belebt, letzteres wenigstens diejenigen am Hafen.</p>
-
-<p>Altkairo wurde im 20. Jahre der Heschira gegründet und 564. in Brand
-gesteckt.</p>
-
-<p>Weil ich noch nie in einer armenischen Kirche war, so hatte ich kein
-geringes Verlangen, das Kloster der Armenier zu sehen. Ich weiß nicht,
-mit welchem Rechte man den Namen <em class="gesperrt">Kloster</em> gebraucht, da ich eben
-keine klösterliche Einrichtung fand, wenigstens keine Mönche antraf.
-Die Kirche stellte einen Saal mit weiß überkalkten Wänden vor,<span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[S. 247]</a></span> ohne
-Glocke, ohne Beichtstuhl, ohne Stühle oder Bänke, ohne Seitenaltar.
-Der Choraltar vergegenwärtigte mir die römisch-katholische Kirche. Als
-der Führer in die Kirche trat, fuhr er mit der Hand öfter vom Herzen
-zum Munde, nachdem er sie in einem kleinen Becken benetzt hatte, das
-an der Mauer sich befand. Ich machte keine Zeremonie, so wenig als
-ein Muselmann sich in Zeremonien eingelassen hätte, und der Führer
-glotzte mich sehr seltsam an. Meinerseits konnte ich mich damit nicht
-befreunden, daß er als Christ im Wesentlichen wie der Mohammetaner
-gekleidet war. Vom armenischen Kloster wird nördlich Altkairo
-geschlossen.</p>
-
-<h4 class="s3" id="Kairo_Umgebung_Das_griechische_Kloster"><b>Das
-griechische Kloster und der Altar der heiligen Frau im koptischen Kloster.</b></h4>
-
-<p>Das griechische und koptische Kloster liegen nicht im Umfange von
-Altkairo, sondern in einiger, wiewohl sehr geringer Entfernung davon,
-nämlich in <em class="gesperrt">Kaser-el-Schàma</em>, und sie bilden mit den um sie
-gedrängten Häusern ein eigenes Städtchen. Noch nirgends sah ich die
-Häuser so nahe beisammen, gleichsam auf einander geschoben wie hier.
-Der Sonnenstrahl kann an den wenigsten Orten die Gasse erreichen. Mir
-kam es vor, als sei ich<span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[S. 248]</a></span> von hohen, unförmlichen Felsenriffen umlagert,
-als wären die ersten Einwohner in der Verwirrung hieher geflüchtet, und
-als hätten sie sich in der gleichen Verwirrung ihre Gebäude aufgeführt.</p>
-
-<p>Als ich in das <em class="gesperrt">griechische</em> Kloster des seligen <em class="gesperrt">Georgius</em>
-kam, wollte ich gleich wieder umkehren; denn es zeugte hier das
-wenigste von einem Kloster. Wie in der Verborgenheit fand sich auf dem
-anderobersten Stockwerke die griechische Kirche, die ich nur flüchtig
-anschaute. Mehr sprach mich einen Stock weiter unten eine Säulenhalle
-an. Ich entscheide nicht, ob ich mich glücklich preisen soll, daß ich
-keines griechischen Priesters ansichtig werden konnte<a name="FNAnker_24_24" id="FNAnker_24_24"></a><a href="#Fussnote_24_24" class="fnanchor">[24]</a>.</p>
-
-<p>Nicht weit vom griechischen Kloster liegt, an einer sehr schmalen
-Gasse, das <em class="gesperrt">koptische</em> zum seligen <em class="gesperrt">Sergius</em>. Ich war
-schon ein Stockwerk hoch und kehrte wieder um, weil sich mir nichts
-Klösterliches darbieten wollte. Mein<span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[S. 249]</a></span> Geruchsorgan hatte sich an den
-Weihrauch und an das Kellerichte feuchter Mauern, denen man in den
-Klöstern der Lateiner begegnet, so sehr gewöhnt, daß ich an kein
-Kloster glaubte, wenn jene fehlen. Doch alsbald trat ein alter,
-langbärtiger Mann mit einem Turban daher; er hielt in seiner Hand einen
-großen, hölzernen Schlüssel, mit dem er rüttelnd das Schloß öffnete.
-Ich war in hohem Maße gespannt, die koptische Kirche zu sehen. Was ich
-von ihr sagen muß &mdash; &mdash; sie ist nicht schön, und im Zerfalle begriffen;
-vor dem Altare erhob sich etwas Pultartiges wie bei den Griechen; am
-Altare selbst nahm ich das Christusbild nicht wahr. Mehrere Bilder,
-z. B. eines, welches die <em class="gesperrt">Jesum</em> auf dem Schooße haltende
-<em class="gesperrt">Maria</em> vorstellte, waren um den Altar auf eine zu überladene
-Weise gehängt, sogar wenn sie keine Stümpereien gewesen wären. Ist es
-wohl dem heiligen Zwecke gemäß, daß ehrfurchtsvolle Erinnerungen durch
-stümperhafte Bilder beleidigt werden? Nur blinder Fanatismus, verbunden
-mit krasser Unwissenheit auf dem Gebiete der Kunst, kann an geweihter
-Stätte Fratzen leiden.</p>
-
-<p>Zwei Treppen führen in ein Gewölbe, an den Ort, wohin die heilige
-Frau mit <em class="gesperrt">Josef</em> und dem <em class="gesperrt">Christus</em>kinde geflohen sein
-<em class="gesperrt">soll</em>. Am Lichte einer Kerze stieg ich hinunter. Vergebens,
-daß man hier eine Grotte oder<span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[S. 250]</a></span> Höhle suche. Alles ist Mauerwerk.
-Zudem müßte, meines Erinnerns, die Höhle eine überirdische sein,
-weil die Kirche einen Stock hoch liegt, und man gerade ebenso tief
-bis zu jener hinabsteigen muß. Die Katholiken und Kopten haben ihre
-Verehrungsstellen durch eine Mauer gesondert, und, um recht billig zu
-sein, möchte ich fragen: Wer weiß es, daß die gefeierten Flüchtlinge
-gerade die Stelle am meisten berührt haben, welche die Eifersucht der
-in verschiedenen Meinungen lebenden Christen mit einer Mauer zudeckte?
-Den Lateinern gehört ein kleines, ganz niedriges Gewölbe, auf dessen
-Boden ein Kreuz eingegraben ist. Davor hängt ein Oelgemälde auf Holz,
-welches die heilige Familie vorstellt. Die Kopten besitzen ebenfalls
-ein Gewölbe, auf dessen Boden aber ein viereckiger Stein oder ein Altar
-ohne ein Zeichen steht.</p>
-
-<p>Beim Herausgehen aus der Kirche fielen mir in einem Winkel mehrere
-Krücken auf. Sie werden von denjenigen, welche während des langen
-Gebetes durch Stehen müde geworden sind, als eine Stütze gebraucht.</p>
-
-<h4 class="s3" id="Kairo_Umgebung_Der_Tempel_Amrus"><b>Der Tempel A’mrus.</b></h4>
-
-<p>Bei dem alten Kairo liegt die älteste Moschee des Mohammetanismus,
-nach ihrem Gründer A’mru genannt. Sie ist bereits verlassen, und
-leicht wird den Andersgläu<span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[S. 251]</a></span>bigen der Zutritt gestattet. Ich möchte
-diese Moschee, von der noch zwei Thürme emporstreben, den Säulentempel
-nennen; denn durch die Zahl der Säulen, welche auf 244 ansteigt, hat
-sie etwas Ueberraschendes. In den Tempel getreten, und der Blick wird
-gleichsam irre vor der Menge der Säulen. Die Eingangsseite, so wie die
-östliche und westliche Seite sind zwar nicht sehr breit, wohl aber die
-mittägliche, die allein über hundert Säulen zählt. Die Mitte zwischen
-den Säulenhallen steht unter freiem Gotteshimmel, und in diesem
-offenem Raume des Tempels bietet ein Kuppelbrunnen ein freundliches
-Aussehen. Die Kuppel wölbt sich über ein Becken voll Wassers, und
-den Brunnen umgibt außen eine Reihe kleiner Röhren, welche mit dem
-Wasserbecken in Verbindung gebracht sind. Ich zog den Stöpfel einer
-solchen Röhre und das Wasser quoll sogleich heraus. Dieser Brunnen
-dient den Mohammetanern zu der religiösen Handlung der Waschungen.
-In der Nähe des Brunnens erholt sich der trümmermüde Beobachter an
-dem Grün einer Palme, und gleich daneben an den Blüthen eines andern,
-in eine Mauer eingesperrten Baumes. Diese Bäume werden unzweifelhaft
-für heilig gehalten. Vermag das Abendland auch unter freiem Himmel
-aufwachsende Bäume in den Kirchen aufzuweisen? Die mittägliche Seite
-der Gâma’ <em class="gesperrt">A’mrus</em> will als der eigent<span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[S. 252]</a></span>liche Tempel betrachtet
-werden. Gegen den offenen Hofraum findet sich eine kleine Emporkirche
-von mühsam gearbeitetem Holze. An der Mauer erhebt sich in der Mitte
-eine Kanzel (Mambar) ebenfalls von Holz. Weiter greifen in die Mauer
-etliche Nischen (Mahrab). Nach den Mahrab wendet sich das Volk beim
-Beten, indem sie genau die Lage der Kâba in der großen Moschee zu
-Mekka angeben. Vom platten Dache hängen Vorrichtungen zur Beleuchtung
-herunter. Der Hauptkarakter der Kirche ist ein frohmüthiger, offener,
-und der völlig entgegengesetzte mancher katholischer Kirchen, in
-welche das Sonnenlicht erst fallen darf, nachdem es durch farbige
-Scheiben gebrochen worden. Oder nicht zufrieden mit dem Düsterlichte
-in der Kirche, welches zur Wehmuth stimmt, gräbt man sich Kapellen, um
-während des Tages die Nacht heraufzubeschwören, welche man durch ein
-künstliches, von vielen Seiten her zusammengebetetes Lichtchen erhellt.
-Das Licht der Sonne, als Geschenk des Himmels, wird sonderbarerweise
-ungern gelitten.</p>
-
-<p>Um auf die Säulen zurückzugehen, so sind, wo nicht alle, doch die
-meisten antik. An vielen haben sich die korinthischen Knäufe recht
-schön erhalten. Von Säule zu Säule springt ein Bogen. Eine Reihe Säulen
-ist am offenen Raume verwittert. Es scheint, der saumselige Vize<span class="pagenum"><a name="Seite_253" id="Seite_253">[S. 253]</a></span>könig
-erwarte eine Subskripzion von Seite abendländischer Christen, um die
-älteste Moschee Egyptens vor gänzlicher Zertrümmerung zu retten.
-Schwerlich macht der herschende Moslim das Vernachlässigte dadurch gut,
-daß er mit den Großen, Beamteten und Offizieren des Reichs jährlich
-einmal die greise Gâma’ des Helden A’mru besucht. Aeußerer Pomp wird
-von der Welt oft für innige Herzlichkeit tausch- oder täuschweise
-gegeben und genommen.</p>
-
-<h4 class="s3" id="Kairo_Umgebung_Der_Garten_Ibrahim_Paschas"><b>Der Garten
-Ibrahim-Paschas und der Nilometer auf der Insel Ruda.</b></h4>
-
-<p>Man geht durch die fruchtbaren Felder Gabel, ehe man zum Nilarme
-gelangt, über den man setzt, um das Eiland Ruda zu erreichen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Der Garten Ibrahim-Paschas</em>, welcher von einem Engländer
-angelegt ward, gewährt einen paradiesischen Anblick. Manches, welches
-der Okzident und der Orient spenden, findet man hier geschmackvoll
-zusammengestellt. So schön der Schwarzenbergische und Lichtensteinische
-Garten in Wien sind, so gewiß erscheinen sie als Gerippe, wenn man sie
-dem Garten <em class="gesperrt">Ibrahims</em> entgegenhalten wollte. Datteln, Sykomoren,
-Pappeln, Maulbeerbäume, Birken, Aloe und so viel einjährige Pflanzen
-sind<span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[S. 254]</a></span> alle in einen Rahmen gefaßt. In den Armen dieser schwelgerischen
-Natur beneidete ich, ich darf bei meiner Treue versichern, den
-Nordländer um seinen Herbst nicht im mindesten. Einzig die gepflückte
-Rebe vergilbte zum Theile, trieb indeß neben dem gelb gewordenen Laube
-die schönsten grünen Schosse. Die Rebe wächst zahlreich, und wird
-ebenso wenig an Pfählen aufgezogen wie in Lossin.</p>
-
-<p>Das Lusthaus im Garten birgt eine künstliche Grotte, die mit prächtigen
-Muscheln vom rothen Meere ausgekleidet und eine wahre Augenweide ist.
-Manche, welche den Garten besuchen, denken jedoch nicht billig genug;
-schon sind mehrere Muscheln weggerissen, weil diese zum Andenken
-mitgenommen wurden. Der Selbstsüchtige zerstört Andern, was er selbst
-bewundert. In dem Haupttheile des Gebäudes, gegen Mittag, steht ein
-großes Wasserbecken. An den Wänden desselben befinden sich mehrere
-Oeffnungen, wodurch das Wasser fließt, um das Becken zu füllen. Es
-stand leer, und mir schien das Pavillon nicht ganz ausgebaut zu sein.</p>
-
-<p>Mich zog noch ein ungemein poetischer Gegenstand an, wenn man anders
-für des <a name="Abbate" id="Abbate"></a>Abbate <em class="gesperrt">Casti</em> <span class="antiqua">gli animali parlanti</span> Begeisterung
-fühlt; ich meine, <span class="antiqua">sit venia verbo</span>, den &mdash; Viehstall. Eine
-Mauer schließt das Vieh ein; kein Dach schützt vor Sonnenhitze. Der
-Viehstall ist daher nur<span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[S. 255]</a></span> eine Art Viehhof oder eine Art Pferch. Zwei
-Krippen liegen neben einander, von einer Mauer getrennt, welche die
-Höhe des Viehes hat. Ich zählte im Hofe fünf und zwanzig Ochsen,
-welche die erforderlichen Eigenschaften besessen hätten, ein Küheharem
-zu bewachen. Alle Ochsen waren mit einem Stricke um den Hals an die
-Krippe gebunden. Durch diese drang zu solchem Zwecke an der Vorderwand
-eine längliche Oeffnung. Der Stallboden war die Erde und zwar so
-trocken, als unsere hölzernen Stallböden. Als Futter erhält das Vieh
-gehacktes Stroh, welches in einem Winkel des Hofes unter freiem Himmel
-aufgespeichert war. Das Vieh scheint mit dem Häcksel zufrieden zu sein.
-Die europäischen Viehärzte dürften sich hier nicht darüber ärgern, daß
-die zu sparsame Lüftung der Ställe eine Menge Krankheiten hervorrufe.</p>
-
-<p>Der <em class="gesperrt">Nilometer</em> oder <em class="gesperrt">Mekia</em>, auf der Spitze der Insel Ruda,
-liegt <em class="gesperrt">Altkairo</em> gegenüber. Ehe ich den eingefangenen Nil zu
-sehen bekam, mußte ich mich zu einem Effendi verfügen, um von ihm die
-Erlaubniß auszubitten. Ein graubärtiger, schöner Mann hockte auf dem
-Diwan, die Pfeife im Munde; daneben mehrere Männer, wahrscheinlich
-Schreibgesellen. Ich zog den Hut ab, wozu mich der Dragoman anwies, und
-dieser fragte mich, was ich wünsche? Ich möchte den Nilometer sehen,
-antwortete ich<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[S. 256]</a></span> ihm ohne Titel und Komplimente. Es bedurfte des Weitern
-nicht, noch der Bezahlung einer Gebühr, die Erlaubniß ward ertheilt,
-und der Dragoman ging mit mir von hinnen.</p>
-
-<p>Wir kamen an der polternden Pulvermühle und an der Salpeterfabrik
-vorbei. Ich schüttelte beinahe ungläubig den Kopf, als der Dragoman
-mir eröffnete, daß wir beim Nilmesser waren, so wenig wurde meine
-Erwartung befriedigt. Ueberspannte Erwartungen schaden gerne der
-treuen Anschauung des Gegenwärtigen; denn von der Höhe stürzt die
-Phantasie in die Tiefe, und verfehlt so die rechte Mitte. Der
-Nilmesser wird von zerfallenen Mauern umgeben, welche einen sehr übeln
-Eindruck hervorbringen und zurücklassen. Er sieht wie ein viereckiger
-Brunnenkasten aus. Der Mitte entsteigt eine nicht sehr dicke,
-achteckige, maurische, mit einem ganz kunstlosen Vierecke bedeckte
-Säule. Diese bezeichnen, wie einen Zollstab, regelmäßig von einander
-entfernte, jedoch nicht mehr sehr scharfe Kerben. Das Wasser in dem
-Nilmesser steht mit dem Wasserspiegel des Nils in gleicher Höhe, und
-darum kann man an der Säule das Steigen und Fallen des Nils genau
-beobachten. Früher soll der Aufseher über die Nilmessung sein Leben
-im Spiele gehabt haben, wenn er die bestimmte Höhe nicht sogleich
-verzeigte. Man leitete meine Aufmerksamkeit auf<span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[S. 257]</a></span> den hohen Stand des
-Wassers, welcher der Befruchtung des Nilthales günstig sei.</p>
-
-<p>Man glaubt hie und da in Europa irrig, daß je höher der Nil steige,
-desto mehr Vortheil dadurch Egypten erwachse. Gerade in einem
-der letzten Jahre verstieg sich der Nil, und die Ernte einiger
-Bodenerzeugnisse fiel minder ergiebig aus.</p>
-
-<p>Der Nil fängt in der Mitte Brachmonates an zu schwellen, und Ende
-Herbstmonates nimmt er seinen höchsten Standpunkt ein, wo dann viele
-Gegenden unter Wasser gesetzt sind<a name="FNAnker_25_25" id="FNAnker_25_25"></a><a href="#Fussnote_25_25" class="fnanchor">[25]</a>.</p>
-
-<p>Die Goldader Egyptens gibt zum größten Volksfeste Anlaß, wenn sie am
-stärksten angelaufen ist. Früher soll die barbarische Sitte geherrscht
-haben, daß man, zu Erhöhung des Festes, allemal eine Jungfrau in den
-Nil warf. Von der Sitte blieb nur noch die reich ausgeschmückte Barke
-übrig, in welcher man auf dem Flusse herumfährt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[S. 258]</a></span></p>
-
-<h4 class="s3" id="Kairo_Umgebung_Ausflug_nach_Heliopolis"><b>Ausflug nach
-Heliopolis und Abusabel.</b></h4>
-
-<p>Es war Frühlingsanfang, der letzte Tag des Weinmonates und der erste
-des Wintermonates.</p>
-
-<p>Verläßt man auf der Morgenseite die Stadt, da stellt sich der stattlich
-emporsteigende Mokatam, und selbst der Schweizer muß diese Kuppe des
-arabischen Gebirges der Aufmerksamkeit würdigen. In der Nähe hörte man
-zur Linken das Rauschen der Marktleute, zur Rechten das Trommeln und
-Trompeten der Kriegsknechte; zur Linken sah man hier ein Kaffeezelt,
-einen Garkochofen, dort für ein Soldatenweib eine Hütte von solcher
-Höhe, daß es darin weder stehen, noch gehen, sondern nur kriechen kann,
-manche Wohnung selbst ohne Obdach, und zur Rechten eine Menge Zelten,
-unter denen das Kriegsvolk gelagert ist, zur Linken den dornreichen
-Kaktus in üppiger Zahl, und zur Rechten weiterhin das Nichts der
-Sandwüste. Mein schauendes Auge wetteiferte mit dem horchenden Ohre,
-und der Nebel, welcher jenem die Seheweite streitig machte, konnte den
-Wetteifer nicht lähmen.</p>
-
-<p>Kaum hatte ich das Freie gewonnen, so wendete ich mich links. Die
-noch nicht gänzlich zurückgetretenen Wasser der Überschwemmung
-erschwerten mir ein wenig das Reiten. Ich lustwandelte in einem
-Walde von Zitronen<span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[S. 259]</a></span>bäumen, auf denen, selbst auf dem gleichen
-Baume, wohlriechende Blüthen mit grünen und reifen, gelben Zitronen
-wechselten, und schon stand ich <em class="gesperrt">in Mattarieh vor dem Baume, wo
-die heilige Familie ausgeruht haben soll</em>. Ich dachte zum Voraus,
-die Araber werden mich nicht täuschen können, weil die geschäftigen
-Christen ohne Zweifel ihre Namen in den Baumstamm eingeschnitzt
-haben würden. Und dem war also. Frömmigkeit, mit Eitelkeit gepaart,
-hinterließ mehrere Denkmäler, welche dießmal übrigens den Nutzen
-stiften, daß sie den Baum den Neugierigen kenntlich machen. Mitten
-in einem Zitronenwalde erhebt sich ein sehr dicker, ein gespaltener,
-leicht zu ersteigender Strunk. Darauf trieb ein dünner, kaum zehn Fuß
-hoher Stamm mit frischem, grünem Laube, eine Sykomore. Das ist <em class="gesperrt">der
-Marienbaum</em>. Der Schatten desselben zerfließt in den Schatten der
-umstehenden Zitronenbäume, und verbreitet angenehme Kühlung. Ich möchte
-sein hohes Alter nicht bezweifeln.</p>
-
-<p>Außer dem Walde erblickt man gleich nordwärts den Obelisken bei Samur
-Baosbeh oder in der verschwundenen Stadt <em class="gesperrt">Heliopolis</em> (On)<a name="FNAnker_26_26" id="FNAnker_26_26"></a><a href="#Fussnote_26_26" class="fnanchor">[26]</a>.
-Elende Hütten stolziren<span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[S. 260]</a></span> jetzt auf einer Stätte, die so reich an
-Erinnerungen ist. Das Hinschwinden der aus den Händen der Menschen
-hervorgegangenen schönsten Werke quälte auch hier meine Seele mit
-bittern Gefühlen. Wie werden die Werke unserer Tage nach Jahrhunderten
-zerschlagen und zerstört sein? Der einzige heliopolitanische Ueberrest
-von Bedeutung ist ein Obelisk, dem ich mich mit geflügeltem Fuße
-näherte. Derselbe steht aufrecht, scheint mir aber etwas niedriger, als
-die Nadel der <em class="gesperrt">Kleopatra</em>. Die Hieroglyphen sind auf allen vier
-Seiten deutlich, zumal diejenigen auf der nördlichen und westlichen
-Seite. Die südliche Seite wurde von der Sonne etwas gebleicht. Sogar
-der Farbstoff im rothen Granit des Obelisken vermag sich nicht in die
-Länge unverändert zu erhalten. Die Stabilität kann vor den immermehr
-sich erneuernden und häufenden Lehren der Wandelbarkeit nicht
-<em class="gesperrt">bestehen</em>; allein dieß hindert sie nicht, sich recht bequem
-zu machen und niederzulegen, und so vegetirt sie, wenigstens in der
-Einbildung, doch fort. Die Hieroglyphenfurchen auf der östlichen Seite
-sind mit Sand vollgeblasen. Der Regen bildete mit dem Staube eine
-Paste,<span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[S. 261]</a></span> welche sich in jenen Furchen ansetzte. Die Nordseite hat die
-frischeste Farbe und ist am schönsten. Vergleicht man die Obelisken
-der <em class="gesperrt">Kleopatra</em> und der Heliopolis, so fragt man sich: Warum hat
-das Denkmal zu Alexandrien im Laufe der Zeit weit mehr gelitten als
-letzteres? Es wird einleuchten, daß der an der Küste, häufiger als in
-Heliopolis, fallende Regen zerstörender wirken mußte. Die Erhaltung
-mancher Alterthümer in dem guten oder erträglichen Zustande hat Egypten
-dem seltenen Regen zu danken. Es rettet manchmal, wenn man so sagen
-darf, ein blindes Geschick, indeß vor den offenen Augen der Vorsicht
-und Sorgfalt etwas zu Grunde geht. Hätten die egyptischen Denkmäler,
-z. B. die Pyramiden, Europa gehört, so wären sie viel unscheinbarer,
-manche wohl nicht mehr. In 2000 Jahren wird der Obelisk von Luxor
-in Paris von dem Gesagten Zeugniß ablegen. In Egypten gab es einen
-wunderbaren Zusammenfluß günstiger Umstände, um der spätern Nachwelt so
-Vieles zu überliefern.</p>
-
-<p>Der Obelisk stand so einsam als ehrwürdig mitten in halbgroßem Mais.
-Eines Fellahs konnte ich nicht so leicht los werden. Er meinte,
-ich sollte ihn dafür beschenken, daß ich einen Stein im Freien der
-Welt Gottes betrachtete. Wären derlei Leute Gebieter, so würden sie
-vielleicht einen jährlichen Tribut von <a name="dem_Mitmenschen" id="dem_Mitmenschen"></a>dem Mitmenschen dafür erpressen,
-daß<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[S. 262]</a></span> er sich am Scheine der Sonne erquicken dürfe. Wo die Leute im
-blindesten Despotismus erzogen werden, da verschließt sich auch ihr
-Sinn, wie des Despoten selber, für die natürlichen Rechte der Menschen.</p>
-
-<p>Dieser Sehenswürdigkeit wegen mußte ich einen kleinen Abstecher machen.
-Bald aber hatte ich den breiten Weg der Wüste wieder eingeholt. Ich
-dachte an unsere wohllöblichen Straßenbaukommissionen und Baumeister,
-an unsere Zölle und Zöllner, an unsere Straßenbüreaukraten und Bauern,
-welche den Schweiß ihres Angesichtes wie den Kies auf die Straße
-schütten u. dgl. Zwischen Kairo und Abusabel nichts von Allem. Die
-Wüste ist die breite Straße für Jedermann sonder Hinderniß eines
-Schlagbaumes. Ohne den Staat oder die Ortschaft mit Kosten zu belasten,
-treten die Kameele in ihren langen Zügen gleichsam Geleise in den Sand,
-und das Abfordern des Zolles wäre eine Stimme in der Wüste.</p>
-
-<p>Ich kam nach El-Mark. Hier steht ein Kaffeehaus <span class="antiqua">alla Turca</span>. Ich
-sprach zu. Die arabischen Kaffeehäuser stellen einen, um es schlicht
-zu nennen, offenen Schuppen vor. Das Wandwerk ist von Mauer. Vom
-irdenen Boden des Kaffeehauses genießt das Auge Freiheit bis ans &mdash;
-Dach hinauf. Auf einer Seite sieht man die Kaffeeküche, auf der andern
-den mit Strohteppichen belegten Diwan,<span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[S. 263]</a></span> welcher wie ein Sims die Mauer
-begleitet. Da hocken denn die arabischen Kaffeetrinker, deren lange
-Pfeife bis auf den Boden herabsteigt.</p>
-
-<p>In El-Mark beginnt ein bedeutender Wald schattenarmer Dattelpalmen.
-Darauf erreichte ich den belebten Ort Chanka. Von da führte mich
-der Weg durch eine wüste Gegend, die häßlichste Einöde, nach der
-egyptischen medizinischen Fakultät Abusabel; das biblische Gosen zur
-Rechten.</p>
-
-<p>Der in Egypten angekommene Abendländer ist in der ersten Zeit von
-mancherlei Aengstlichkeiten befangen. Er glaubt sich unter die Araber
-kaum recht mischen zu dürfen; mit Unrecht. Der Weg von Kairo nach
-Abusabel beträgt vier Stunden, und ich ritt unbedenklich allein, und
-man hat überhaupt weder bei Tage, noch bei Nacht Lebensgefahr zu
-befürchten. Ich fand den Weg durch die vielen wandernden Menschen,
-die Kameele, Esel, Pferde so lebhaft, wie irgend eine europäische
-Hauptstraße, sogar in der Nähe einer Stadt. Im Vergleiche mit Europa
-bewegen sich weit mehr Leute auf den Straßen als auf den Feldern.
-Wegen der Lebhaftigkeit ergötzt auch die Straße nach Abusabel, man
-durchmustert die fremdartigen Gesichter und Geberden, Trachten und
-Ladungen u. s. f. Stolz sitzt der Beduine auf dem Pferde, einen kurzen
-Säbel und Pistolen im Gürtel. Zuerst macht der Anblick dieser Waffen<span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[S. 264]</a></span>
-einen unangenehmen Eindruck; bald aber gewöhnt man sich so vollkommen
-daran, daß man sie nicht mehr beachtet. Uebrigens tragen die wenigsten
-Leute Waffen. So bestellt der Bauer (Fellah) unbewaffnet sein Feld.
-Erinnern sich alle Europäer, daß vordem, sich mit einem Säbel zu
-versehen, auch bei ihnen Sitte war?</p>
-
-<p>Wenn man auf diesem Wege durch topfebene und wüste Gegenden, in
-denen selten ein kleiner Garten prangt, wandert, so wird man sich
-überzeugen, daß ein Theil der Wüste lediglich auf Rechnung menschlicher
-Nachlässigkeit fällt; er könnte bald in ein lachendes Gelände
-umgeschaffen werden. „Sorgfalt ersetzte oft, was hie Natur versagte
-(<em class="gesperrt">Strabo</em>)“. Wirklich erblickt man hin und wieder Spuren von
-Bewässerungskanälen, den unwidersprechlichen Zeugen einer vormaligen
-Bodenkultur. Würde der Pascha geruhen, den Bauer dadurch aufzumuntern,
-daß dieser seiner Ernte sicher und froh werden könnte, große Striche
-Landes müßten in kurzer Zeit der Wüste abgedrungen werden. Ueberdieß
-verkündigen die <em class="gesperrt">angebauten</em> Felder nicht allenthalben Fleiß
-und Sparsamkeit. Wahr ist, daß z. B. das Delta die Arbeit des Fellah
-mit schweren Ernten lohnt; allein ein so fruchtbares Land muß etwas
-hervorbringen, wenn man damit auch nur ein wenig sich bemühen mag;
-etwas im Feldbaue müssen die Leute jenes unermüdlichen<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[S. 265]</a></span> Landes doch
-wohl verstehen, auf welchem so viele Jahrtausende hindurch unaufhörlich
-Früchte gediehen. Man gebe den Bienen des Nordens die gleiche Sonne,
-den gleichen Nilschlamm, die gleichen Ueberlieferungen, &mdash; was
-<em class="gesperrt">neue</em> Wunder würden erstehen.</p>
-
-<p>Bei <em class="gesperrt">Abusabel</em> ward ich an einen Italiener empfohlen, und diese
-Empfehlung erwies sich sehr nützlich; ein Wirthshaus mangelt, und
-in die arabischen Hütten zu kriechen, wandelte mich eben keine Lust
-an. Es ist eigentlich früh genug, das Kreuz aufzunehmen, wenn man
-dazu gezwungen wird, vorausgesetzt, daß man sich überhaupt &mdash; nicht
-verweichliche. Dießmal wäre es um so umständlicher gewesen, über Nacht
-ein ordentliches Obdach zu finden, da die Nilüberschwemmung seit einem
-Monate das eigentliche Dorf Abusabel von den medizinischen Anstalten
-trennt, und man nur zu Schiffe von einem Orte zum andern gelangt; nicht
-eher als in zehn bis fünfzehn Tagen werde, hieß es, die Verbindung zu
-Lande wieder hergestellt.</p>
-
-<p>Die medizinischen Anstalten bei Abusabel, im Nordost von Kairo, liegen
-in einer fruchtbaren Gegend. In der gegenwärtigen Ueberschwemmungszeit
-gefiel sie mir nicht. Das Land war mit zu viel Wasser bedeckt, woraus
-Gebüsche und Bäume einsam auftauchten; und wo es vom<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[S. 266]</a></span> Wasser nicht
-bespült wurde, behauptete die Wüste ihre grause Herrschaft.</p>
-
-<p>Das niedrige, einstöckige Gebäude verspricht wenig von Ferne. Es
-bildet vier Höfe. Die nähern zwei gehören der Veterinärschule, und
-die entferntern oder dem Dorfe Abusabel nähern bilden den Sitz der
-medizinischen Schule. Zuerst sei von dieser die Rede.</p>
-
-<p>Nähert man sich der Hochschule von Chanka aus, so steht links ein
-ungewöhnlich langes Haus, die Wohnungen für die Angestellten, die
-Professoren, Pharmazisten, Uebersetzer u. s. f. Es öffnen sich
-eine Menge Thüren ebener Erde nach einander. Jede führt zu einer
-Wohnung. Rechtshin tritt man in die eigentliche <em class="gesperrt">medizinische
-Schulanstalt</em>. Diese besteht aus einem viereckigen Gebäude, welches
-einen geräumigen Hof umfängt, und im Umfange des letzteren breitet
-sich, neben dem besonders stehenden Anatomiegebäude, der sogenannte
-botanische Garten aus.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Das anatomische Theater</em>, ganz nach europäischem Geschmacke,
-schön gemalt und mit arabischen Schnörkeln überschrieben, ist sehr
-hell, und entspricht seinem Zwecke vollkommen. Eine in ein Tuch
-gehüllte Wachsfigur stand beinahe in der Mitte. An einer Wand
-fesselt die Aufmerksamkeit ein Glaskasten, worin der Anfang einer
-ornithologischen Sammlung aufbewahrt wird. Vor dem<span class="pagenum"><a name="Seite_267" id="Seite_267">[S. 267]</a></span> Theater, im
-gleichen Gebäude, aber auf der mittäglichen Seite, tritt man in den
-<em class="gesperrt">Sezirsaal</em>. Auch an diesem wußte ich nichts auszusetzen. Es lagen
-eben vier, mit einem Tuche zugedeckte, halbschwarze Leichen auf den
-Sezirtischen, jede auf einem. Zwei waren von der beginnenden Verwesung
-schon häßlich gefärbt, und erfüllten die Luft mit einem sehr übeln
-Geruche. Das heiße Klima stellt den Sezirübungen in Egypten viele
-Schwierigkeiten entgegen, wenigstens viele Unannehmlichkeiten zur
-Seite. Bereits hatten Ferien begonnen. Gleichwohl begünstigte mich das
-Glück, einen Vortrag zu hören, nämlich dem Operazionskurse des Herrn
-Duvigneau<a name="FNAnker_27_27" id="FNAnker_27_27"></a><a href="#Fussnote_27_27" class="fnanchor">[27]</a> beizuwohnen. Der Lehrer in europäischer Kleidung, auch
-mit einer Schürze angethan, stand am Sezirtische, gleich neben ihm der
-Dragoman, ein Araber von etwa fünfundzwanzig Jahren. Die arabischen
-Studenten schaarten sich um den Tisch. Sie trugen rothe Mützen,
-eine weiße, über der Brust zugeknöpfte Weste mit Ermeln, weiße, den
-untern Theil der<span class="pagenum"><a name="Seite_268" id="Seite_268">[S. 268]</a></span> Weste umfassende Pumphosen und Schuhe, die weiter
-nicht auffielen, doch keine Strümpfe. Die jungen Leute mochten ein
-Alter von fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahren zurückgelegt haben. Der
-Professor hob damit an, über die Amputazionen Lehren zu ertheilen;
-er unterschied sie in solche, die in und außer der Kontinuität des
-Knochens vorgenommen werden. Jede Phrase übersetzte ein Araber leicht
-und schnell aus dem Französischen des Professors ins Arabische. Daß
-dergestalt die Mittheilung mühsam sich dahinschleppe, sieht Jedermann
-ein. Ohne Noth aber verstrickt der Professor seine Gedanken in lange
-Perioden mit Zwischensätzen. Daraus folgt unzertrennlich, daß die
-Aufmerksamkeit der Zuhörer mehr zerstreut wird. Uebrigens schauten
-und horchten diese möglichst aufmerksam, als wären sie die Erfinder
-der Aufmerksamkeit. Einer gab oft zu vermerken, daß er den Vortrag
-begreife. Ein empfindsamer Araber hatte seine Nase mit Papier oder
-etwas Anderem vor dem Wohlgeruche der Leichen verstopft, ungefähr so,
-wie man es einer sentimentalen Miß von London verzeihen würde. Unter
-den Augen der Zuhörer unternahm der Professor, nachdem er das blutige
-Heilverfahren aus einander gesetzt hatte, die Amputazion eines Fingers.
-Weder der Vortrag, noch die Art, wie der Lehrer operirte, verhieß
-Ausgezeichnetes. Er schien indeß mit<span class="pagenum"><a name="Seite_269" id="Seite_269">[S. 269]</a></span> Gewissenhaftigkeit seinem Berufe
-abzuwarten. Jeder Mensch mag sich beruhigen, welcher sein Pfund redlich
-gebraucht.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Apotheke.</em> Es wäre unnöthig, eine europäische zu beschreiben.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Laboratorium</em>: Dieses ist hübsch ausgestattet, und sicher
-gebricht es nicht am Lehrstoffe, wenn nur die Zöglinge genug Lust und
-genug Fähigkeit zum Lernen besitzen.</p>
-
-<p>Die <em class="gesperrt">Krankensäle</em> sind zugleich die klinischen Säle, und sehr
-ähnlich denen in den Abtheilungen des allgemeinen Zivilkrankenhauses zu
-Wien. Der gefüllte Bettsack ruht entweder auf dem hölzernen Käfiche,
-der gewöhnlichen egyptischen Bettstelle von Palmzweigen, oder auf
-einem eisernen Gestelle. Das Kissen fehlt nicht; die Bettdecke ist von
-grober Wolle. Neben dem Bette befindet sich ein Trinkgeschirr oben
-und ein Pot de Chambre unten. Ueber die ärztliche und wundärztliche
-Behandlung der Kranken kann ich, leider, das Wort nicht ergreifen.
-Die Visiten geschehen Abends 9 Uhr und Morgens um 11 Uhr. Alles aber
-empfahl sich nicht minder durch Reinheit und Ordnung, als durch einen
-bessern europäischen Geschmack, daß ich an der zweckmäßigen Behandlung
-nicht zweifle. Abends (zur Asserzeit) wurden die Speisen ausgetheilt.
-Ich kostete die Reissuppe, und, wegen ihrer Schmackhaftigkeit, würde
-ich gerne sogleich eine Portion genossen haben. Das Schick<span class="pagenum"><a name="Seite_270" id="Seite_270">[S. 270]</a></span>sal der
-hiesigen arabischen Kranken leiht nicht den entferntesten Grund,
-von den Europäern bemitleidet zu werden. Die Säle enthalten die
-Krankheiten nach der Eintheilung in innere und äußere (<span class="antiqua">internes et
-externes</span>). Diese Eintheilung ist in französischer Sprache über
-den Thüren aufgeschrieben. Hinwieder trägt jeder Saal eine Nummer.
-Demnach durften die Franzosen, wie es scheint, ihre Heiligen aus dem
-<span class="antiqua">Hôtel-Dieu</span> in Paris nicht herüberbringen. Um nicht den Verdacht
-zu wecken, daß ich bloß ein neugieriger Laie sei, wollte ich den
-Saal der Lustsiechen nicht betreten. In den Krankenzimmern führten
-mich etliche Studenten herum; denn sobald sie die Anwesenheit eines
-europäischen Hakim (Arzt) erfuhren, kamen sie mir mit Freundlichkeit
-zuvor. Sie drückten sich in französischer Sprache leidlich aus. Die
-Zahl der sämmtlichen Studenten, d. h., der Mediziner, Chirurgen und
-Pharmazeuten, wußten sie mir nicht anzugeben. Man muß gestehen, daß
-die europäischen Studiosi lieber kalkuliren. Ich vernahm aus dem Munde
-der Abusabler-Studenten nur so viel, daß 41 die Klinik besuchen. Die
-Gesammtzahl der Zöglinge beläuft sich etwa auf 200.</p>
-
-<p>Von den <em class="gesperrt">Hörsälen</em> sah ich zwei. Sie waren eben angefüllt; allein
-man ertheilte bloß Unterricht, der Methode nach wechselseitigen,
-in der französischen Sprache,<span class="pagenum"><a name="Seite_271" id="Seite_271">[S. 271]</a></span> indem man den Koran übersetzte. Das
-laute Brummen in tiefem Basse sticht schroff ab gegen das feinere
-Bienengesumse unserer Primarschüler in Europa. Die Hörsäle haben in
-ihrer Bauart nichts Ausgezeichnetes für den Abendländer. Ein Katheder
-ist vorne für den Lehrer angebracht; Bänke folgen sich in regelmäßiger
-Reihung, so daß die auf europäische Weise sitzenden Schüler dem Lehrer
-ins Gesicht sehen. Auch während des Kollegiums bedeckte die rothe Mütze
-den Kopf. Es herrschte Ordnung und Ernst; kein Hin- und Hergehen, um
-sich zu zerstreuen.</p>
-
-<p>Die <em class="gesperrt">Steindruckerei</em>. Ich wurde überrascht, als eine solche
-mir gezeigt wurde. Zwei Araber druckten eben etwas zum Behufe des
-Krankenhauses. Französisches und Arabisches standen neben einander auf
-den Druckbogen. Die französische Schrift war korrekt, der Abdruck aber
-dießmal ein wenig schmutzig. Die Korrektheit freute mich um so mehr,
-als man in europäischen Winkeln, nicht so gar selten, von den gröbsten
-Verstößen geärgert wird. Diese Steindruckerei ist einzig für die höhere
-Lehranstalt bei Abusabel bestimmt.</p>
-
-<p>Der <em class="gesperrt">botanische Garten</em>. So heißt man im Hofe einen Garten,
-welcher an Ueppigkeit und Pracht wohl die europäischen Gärten
-übertrifft, dagegen der eigentlich wenigen Pflanzen wegen diesen
-Namen in der That nicht ver<span class="pagenum"><a name="Seite_272" id="Seite_272">[S. 272]</a></span>dient, gewiß nicht einmal den eines
-<span class="antiqua">Egyptiacum</span> verdienen würde. Wie viel kann hier noch geleistet
-werden.</p>
-
-<p>An der medizinisch-chirurgischen Lehranstalt, die im Jahr 1828 ihren
-Wirkungskreis eröffnete, sind folgende Professoren angestellt:</p>
-
-<p class="hang1">für <em class="gesperrt">Botanik</em> und <em class="gesperrt">Arzneimittellehre</em>: <em class="gesperrt">Figari</em>;</p>
-
-<p class="hang1">für <em class="gesperrt">Physiologie</em>: <em class="gesperrt">Seisson</em>;</p>
-
-<p class="hang1">für <em class="gesperrt">Pharmazie</em>: <em class="gesperrt">Pacthon</em>;</p>
-
-<p class="hang1">für <em class="gesperrt">Chemie</em>: <em class="gesperrt">Berron</em>;</p>
-
-<p class="hang1">für <em class="gesperrt">Pathologie</em> und <em class="gesperrt">Therapie</em>, so wie für
-<a name="Doppelpunkt" id="Doppelpunkt"></a><em class="gesperrt">medizinische Klinik</em>: <em class="gesperrt">Duvigneau</em>;</p>
-
-<p class="hang1">für <em class="gesperrt">Chirurgie und chirurgische Klinik</em>: <em class="gesperrt">Seisson</em>.</p>
-
-<p>(Sonderbar aber, daß nicht <em class="gesperrt">Seisson</em> den Operazionskurs gab.)</p>
-
-<p>Der Lehrstuhl der <em class="gesperrt">Anatomie</em> ist seit dem Austritte
-<em class="gesperrt">Fischers</em> einstweilen erledigt. Durch Eifersucht verdrängt,
-erwarb sich dieser Deutsche doch die bleibende Achtung der Bessern.
-Es ist für den Tugendhaften sehr aufmunternd, daß er, bei Mißkennung
-seiner Bestrebungen, an den Rath seines vor Gott offenen Gewissens und
-an das Synedrium der Besseren in der Welt appelliren kann.</p>
-
-<p>Die <em class="gesperrt">Veterinärschule</em> stößt an die eben beschriebene medizinische.
-Der Vorsteher derselben, mit Namen <em class="gesperrt">Ammon</em>, ein junger Franzose,
-bezieht von der Regierung einen<span class="pagenum"><a name="Seite_273" id="Seite_273">[S. 273]</a></span> monatlichen Gehalt von 5000 Piaster
-(über 600 Gulden R. W.).</p>
-
-<p>Das Vieh mit äußeren und inneren, so wie insbesondere mit ansteckenden
-Krankheiten ist in den Ställen geschieden. Diese, mit einem Dache
-versehen, werden reinlich gehalten. Ein Gesimse von Mauerwerke nimmt
-ziemlich große, irdene Töpfe auf. Je einer für ein Stück Vieh,
-vertreten sie die Stelle einer Krippe. Harnrinnen sucht man indeß
-vergebens. Auch hier fressen die Thiere Strohhäcksel. Bei eintretendem
-Mangel des Platzes in den Krankenställen werden die Thiere unter freiem
-Himmel gehalten. Wie in Egypten die Augenentzündung den Menschen häufig
-befällt, ebenso ist ihr das Thier unterworfen. Die Veterinärschüler
-empfangen außer ihrem Fache Unterricht im Reiten, so daß eine wirkliche
-Reitschule besteht. Hörsäle, anatomisches Theater, Sezirsaal, Apotheke
-und Laboratorium lassen an der guten Einrichtung keinen Zweifel
-übrig. Auf einer Tafel im Sezirsaale liest man die Namen derer,
-welchen der Operazionskurs vorgeschrieben war: <em class="gesperrt">Akmet Abdrahman</em>,
-<em class="gesperrt">Akmet Ibrahim</em> u. s. f. Das klingt nun einmal unchristlich. Im
-anatomischen Theater trifft man bloß einige Skelete. Es ist Schade, daß
-unter diesem heißen Himmel überhaupt der wissenschaftliche Eifer leicht
-erkaltet. Die Veterinärschule zählt 120 Zög<span class="pagenum"><a name="Seite_274" id="Seite_274">[S. 274]</a></span>linge: ein bemerkenswerthes
-Mißverhältnis zu der Zahl der Mediziner.</p>
-
-<p>Die Zucht der Zöglinge beider Schulen ist eine klösterliche oder
-militärische. Einmal schon werden die Anstalten von Militär bewacht.
-Die Schüler sind Alumnen; fast alle arm, werden sie auf Kosten des
-Staates unterhalten und gelehrt. Sie schlafen in großen Gemächern, die
-Thierarzneischüler auf dem Boden, unter ihnen nur eine Strohmatratze
-und über ihnen die Kleider; für die Mediziner hingegen sind ordentliche
-Betten aufgeschlagen. Wenn man in solchen Gemächern, wo so viel
-Morgenländer beisammen leben, der orientalischen Laster sich erinnert,
-so wird man von einem ordentlichen Abscheu ergriffen. Neben den
-Schlafgemächern gibt es für die Studenten noch besondere Speisesäle
-nach europäischer Art. Ich sah gerade eine ungemein lange Tafel
-gedeckt. Unzweifelhaft werden die Alumnen gut genährt.</p>
-
-<p>Die Studenten hatten kurz vor Sonnenniedergang Feierabend. Es muß
-zwischen Arbeit und Ruhe ein Ebenmaß sein, sonst leiden beide, Leib
-und Seele. Die jungen Leute zogen, je zwei und zwei neben einander
-aus. Am Thore gegen Abusabel hielt der Flöter und Trommler an, und
-flugs zerstob die Reihe, um sich in die Barke zu werfen, welche sie
-nach Abusabel führen sollte, darunter manche zu<span class="pagenum"><a name="Seite_275" id="Seite_275">[S. 275]</a></span> den Weibern. Jeder
-wollte der erste in dem Kahne sein. Auf die Rückfahrt der Barke
-wartende Studenten vergnügten sich daran, daß sie Steine ins Wasser
-schleuderten, die wechselweise in diesem niedertauchten und wieder
-hervorhüpften (Epostrakismos der Griechen). Um neun Uhr Abends mußten
-die Einen zurückkehren; die Uebrigen durften bis morgen in der Frühe
-ausbleiben. Letzteres erzähle ich nach Andern.</p>
-
-<p>Das Leben der bei Abusabel Angestellten gleicht so ziemlich einem
-Schlaraffenleben, und sie können die Zeit mit genauer Noth hinbringen.
-Wenn ein europäischer Fremder die Anstalten besucht, so ist er beinahe
-Fingerzeig. Das Auge weilt fast lieber bei den die Höfe zierenden
-Dattel- und Akazienbäumen, als bei Leuten, wiewohl aus dem gleichen
-Welttheile, welche dem Schöpfer das Meiste vom Tage abstehlen. Gilt
-denn etwa hier die <em class="gesperrt">Ausnahme</em> von der Regel, daß der Müßiggang
-aller Tugenden Anfang sei?</p>
-
-<p>Von der Zugänglichkeit der Mohammetanerin hörte ich bei Abusabel Dinge,
-welche Erstaunen erregen. In ältern Zeiten wurde eine solche, welche
-sich mit einem Christen verging, den Wellen des Nils preisgegeben. Ob
-nun die Mittheilungen beweiskräftig genug seien, um zu entscheiden,
-daß der religiöse Fanatismus um manche Grade sich abge<span class="pagenum"><a name="Seite_276" id="Seite_276">[S. 276]</a></span>kühlt habe,
-wage ich kaum anzudeuten, und wenn ich andeuten <em class="gesperrt">müßte</em>, so
-fiele die Bemerkung, daß die geschlechtlichen Verirrungen auf eine
-<em class="gesperrt">höhere</em> Sphäre konfessioneller Nachgiebigkeit oder Strenge
-selten schließen lassen, weil sie aus einer tiefsinnlichen Quelle
-hervorsprudeln. Wahrscheinlich würden sich, wie zur Zeit der Franzosen-
-und Patentherrschaft, wenige Araberinnen gegen die Verbindung mit
-einem Christen sträuben. Wenn sie auch nicht die Liebe dazu lockte,
-so doch das tönende Erz. Eröffnungen über das <span class="antiqua">punctum sexus</span>
-strömen unter den Franken in diesem Lande so ohne Rückhalt daher,
-daß der galante Großstädter des Abendlandes nicht offenherziger sein
-kann. Wenn die Konkubinen in die Hoffnung kommen, so werden sie von
-Manchen ohne Theilnahme und Hülfe verstoßen. Die Mohammetanerin
-könnte vor dem Richter keine Ansprachen geltend machen; wohl aber ist
-gewiß, daß derselbe die Sache, sobald sie vor ihn gebracht würde, zum
-Nachtheile des gefallenen Mädchens nicht ungeahndet hingehen lassen
-könnte. Hinwieder steht der Europäer, in seiner großen Freiheit und
-Unabhängigkeit, nicht unter dem ordentlichen egyptischen Richter,
-sondern unter dem Konsulate, um dessen Schutz er nachsuchte. Etwa im
-Falle eines Ehebruches oder einer Defloration, im Falle, daß über die
-mohammetanische Religion geschimpft, oder daß falsche<span class="pagenum"><a name="Seite_277" id="Seite_277">[S. 277]</a></span> Münze geprägt
-würde, müßte die Auslieferung an den egyptischen Richter erfolgen.
-Wie weit diese Unabhängigkeit getrieben wird, lehrte unlängst ein
-handfester Engländer. Es wollte ihn die Polizei aufgreifen, weil er
-Mohammetanerinnen ins Haus aufnahm, in einer Absicht, die leicht
-errathen werden konnte. Statt alles Fernern schlug er die Polizei
-nieder. Das Konsulat schützte ihn doch so sehr, daß er von der
-vizeköniglichen Polizei in Kairo nicht weiter beunruhiget wurde.</p>
-
-<p>Ich machte früher in Wirklichkeit einen Abstecher zu Lande, und jetzt
-einen auf den Schwingen des Geistes. Kehren wir zurück, um einen
-Rückblick auf die Schulanstalten bei Abusabel zu werfen.</p>
-
-<p>Im Andenken unferner Zeiten, da noch das ganze Egyptenland, seit der
-Herrschaft der Türken, in tiefe Barbarei versunken war, wird man
-billig ein Loblied auf den nunmehrigen Herrscher, <em class="gesperrt">Mehemet-Ali</em>,
-anstimmen, welcher für jenes Land wirklich großartige, hoffentlich
-segensreiche Anstalten ins Dasein rief. Angenommen, daß die Stellen
-immer mit tüchtigen Professoren und keinen Stümpern, mit Freunden der
-Wissenschaft und keinen Abenteurern, mit gewissenhaften Arbeitern und
-keinen bloßen Glücksrittern besetzt werden, so dürfen die Anstalten mit
-den medizinischen Fakultäten kleinerer deutscher Hochschulen<span class="pagenum"><a name="Seite_278" id="Seite_278">[S. 278]</a></span> in die
-Wette laufen; ich möchte noch weiter gehen, in praktischer Beziehung
-werden sie letzteren den Vorrang ablaufen. Beherzige man nur, wie
-oft der Mangel an Leichen zum Behufe von Zergliederung auf manchen
-Hochschulen beklagt wird. Umgekehrt werden die egyptischen Anstalten
-in theoretischem Bezuge gar keinen Vergleich aushalten, und bis ein
-<a name="echt" id="echt"></a>echt wissenschaftlicher Geist dieselben durchdringt, beseelt, erwärmt,
-kann über die viel zu neue Grundlage, selbst unter den günstigern
-Umständen, ein ganzes Jahrhundert verstreichen. Jedenfalls wird der
-Pascha mehr oder minder brauchbare Aerzte für die Armee bekommen, und
-das ist es, was er zunächst bezweckt. Es würde ihn wahrscheinlich gar
-wenig befriedigen, wenn die Zöglinge sich in medizinische Spekulazionen
-vertieften, und in diesem Gebiete der Schriftstellerei sich versuchten,
-um vielleicht durch gelungene Arbeiten einen neuen Glanz auf das Leben
-des Regenten zu werfen. Der Gedanke thut wahrhaftig bis in das Innerste
-der Seele wohl, daß in dem Lande, wo einst Heliopolis und Alexandrien
-durch die Schätze der Wissenschaft weithin leuchteten, nach den vielen
-Jahren der traurigsten Finsterniß, wenigstens einige Schritte versucht
-werden, um die Verlassenschaft der erhabenen Vorfahren, ob auch nicht
-in ihrem vollen Werthe, doch einigermaßen zu würdigen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_279" id="Seite_279">[S. 279]</a></span></p>
-
-<p>Tages darauf trat ich meinen Rückweg an. Ein kühler Wind wehte sogar
-noch Mittags. Bald sah ich den erwähnten Obelisken, weiter oben die
-Pyramiden von Gizeh, dann den Mokatam, und aus ziemlicher Ferne schon
-Kairo. Den Weg belagerten mehrere Bettler, die aber, bequemer oder
-anständiger als die unsrigen in der Schweiz, nicht nachrannten. Ein
-Knabe legte es darauf an, durch seine Klumpfüße Mitleiden zu <a name="erwecken" id="erwecken"></a>erwecken.
-Der auffallendste Bettler hielt sich behaglich in einer kleinen Höhle
-auf, die mit einem löcherigen Dache versehen war. Beinahe immer lief
-mein Eseltreiber den weiten Weg. Den Lauf setzen die Eseltreiber vier
-Stunden lang an Einem fort, während die Hitze den nördlichen Europäer
-gleichsam erdrückt. Die Uebung hat jene Leute gestählt.</p>
-
-<p>Wie gestern Nebel, so verdunkelten heute die Atmosphäre herumfliegender
-Sand und schwarze, regnerische Wolken, an deren Schatten ich
-beinahe bis Kairo ritt, und zwar ein Stück weit neben dem Direktor
-<em class="gesperrt">Ammon</em>, der sich freundlich anließ. Ich traf gerade Mittags
-im Frankenviertel ein. Ich begrüßte es mit ebenso froher Stimmung
-des Gemüthes, als ich der Gegend von Abusabel mein Lebewohl
-sagte. Es ist schwer, zu begreifen, daß <em class="gesperrt">Mehemet-Ali</em> die
-medizinische Lehranstalt der Hauptstadt so weit entrückte. Großköpfe
-sind mit Querköpfen<span class="pagenum"><a name="Seite_280" id="Seite_280">[S. 280]</a></span> nicht selten verwandt. Jede Berührung mit
-wissenschaftlichen oder gebildeten Leuten hätte den Professoren sowohl,
-als den Studenten leicht gemacht werden sollen. Was entbietet ein
-elendes Dorf armseliger Araber?</p>
-
-<h4 class="s3" id="Kairo_Umgebung_Geschichtlicher_Rueckflug"><b>Geschichtlicher
-Rückflug nach Mattarieh.</b></h4>
-
-<p><em class="gesperrt">Prosper Alpinus</em> erzählt: In „el-Mattharia“ wird eine gewisse
-Sykomore besucht, welche von den Einwohnern für so heilig gehalten
-wird, daß es bei ihnen eine ausgemachte Sache ist, es habe die Frau
-<em class="gesperrt">Maria</em>, um dem Zorne des <em class="gesperrt">Herodes</em> von Jerusalem zu
-entgehen, in eine Höhle des Stammes sich geflüchtet und dort das
-Kind <em class="gesperrt">Christus</em>, unsern Heiland, für einige Tage verborgen. Es
-wird daher dieser Baum von Vielen in hohen Ehren gehalten; dieß gilt
-zumal von den Aushöhlungen desselben, welche <em class="gesperrt">Christus</em> bargen.
-Fabelhaft ist, was <a name="Matthiolus" id="Matthiolus"></a><em class="gesperrt">Matthiolus</em> anführt, daß die Stämme und Aeste
-des Baumes nie verdorren, wenn sie zuvor ins Wasser getaucht werden,
-und darin eine Zeitlang liegen bleiben. &mdash; Der Pascha von Egypten, des
-Namens <em class="gesperrt">Messir</em>, besuchte in der letzten Hälfte des sechszehnten
-Jahrhunderts aus Verehrung der gottseligen Frau den Ort el-Mattharia
-an jedem Freitage, als dem Sonntage der Mohammetaner, und er pflegte
-daselbst sein Gebet zu verrichten. So weit <em class="gesperrt">Alpinus</em>.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_281" id="Seite_281">[S. 281]</a></span></p>
-
-<p>Hören wir noch einen andern Naturforscher, <em class="gesperrt">Johann Wesling</em>,
-welcher im dritten Jahrzehn des siebzehnten Jahrhunderts in Kairo
-lebte: „El-Mataaria“ ist ein Garten um Memphis, ein hehrer Name durch
-die Verehrung der Christen. Dort treibt eine ungeheure Sykomore,
-umdämmt mit einer niedrigen Rasenbank zur Bequemlichkeit der
-Besuchenden, und ehrwürdig, wegen des von <em class="gesperrt">Alpinus</em> angegebenen
-Grundes, schon seit anderthalb Jahrtausenden in den Augen der Christen.
-Munter grünen die Zweige, obschon der Stamm über dem Wurzelstocke
-auf eine häßliche Weise zerstümmelt ist, weil diejenigen, welche den
-Baum mit dem Kusse benetzen, ein Stück davon, aus thörichter Liebe zu
-Reliquien, wegschneiden, während es doch besser wäre, den Baum in fromm
-ehrendem Gedächtnisse zu bewahren. (<span class="antiqua"><i>Joannis Veslingii</i> Mindani de
-plantis Aegyptiis observationes et notae ad <i>Prosperum Alpinum</i></span>.
-<span class="antiqua">Patavii ap. P. Frambottum 1638. P. 10.</span>)</p>
-
-<h4 class="s3" id="Kairo_Umgebung_Abenteuerlicher_Ritt"><b>Abenteuerlicher
-Ritt nach den Pyramiden von Gizeh.</b></h4>
-
-<p>Ich fragte oft und oft nach Gesellschaft, um in solcher die Pyramiden
-von Gîsa zu besuchen. Vergebens. Da wählte ich einen Eseltreiber, der
-etwas italienisch verstand,<span class="pagenum"><a name="Seite_282" id="Seite_282">[S. 282]</a></span> und brach, auf guten Ritt hoffend, am
-Mittage des fünften Wintermonates auf. Noch aber war ich nicht auf
-dem Esbekiehplatze, als er seinen rothäugigen Bruder mir zurückließ.
-Zudem war dieser in Aussehen und Wahrheit kreuzdumm, und mehr als
-<span class="antiqua">buono</span> konnte er kaum etwas vom Italienischen.</p>
-
-<p>In Gottes Namen &mdash; vorwärts. In Altkairo über den Nil gefahren,
-gelangte ich zu einem Graben. Jetzt sprang mein Esel hinüber, er fiel
-und ich mit ihm. <em class="gesperrt">Erste Stazion des Elendes.</em></p>
-
-<p>Später leitete der Weg zu einem ziemlich breiten Abzugsgraben des Nils;
-wir durchschnitten diesen in einem Kahne ohne Schwierigkeit. Bald traf
-ich seichtes Wasser. Es liefen zwei Männer daher, und einer trug mich
-über dasselbe. Ich wußte nicht, daß diese &mdash; Führer sein sollten. Der
-Eseltreiber, voll jämmerlicher Angst vor dem Wege nach den Pyramiden,
-rief sie ohne mein Wissen und meinen Willen. Der eine, ein Scheik, mit
-nicht unangenehmen Gesichtszügen, war mit einer Flinte, der andere mit
-einem langen Stocke bewaffnet. Mehrere Male wurde ich von den Leuten
-über das seichte Ueberschwemmungswasser getragen. <em class="gesperrt">Zweite Stazion des
-Elendes.</em></p>
-
-<p>Ungefähr anderthalb Stunden vor Sonnenuntergang erreichte ich eine
-große Wasserfläche, welche man für einen<span class="pagenum"><a name="Seite_283" id="Seite_283">[S. 283]</a></span> breiten Fluß hätte halten
-können. Darüber sollten wir im Kahne. Es erschallte der Mahnruf an den
-Fährmann. Die Sonne verschwand hinter die libyschen Hügel, ohne daß
-man mich holte. Es kamen mehrere Männer, die, wie ich, die Abfahrt
-erwarteten; dann auch Weiber. Diese kauerten an einem besonderen Orte,
-unordentlich im Kreise, schwatzten viel, lachten viel, guckten gerne,
-aßen Datteln, einzelne rauchten auch Tabak. Die Männer trugen ihre
-Worte auf den Flügeln des Gelächters, und schauten kaum gegen die
-Weiber. Nach zweistündigem Warten langte endlich der Fährmann an. Ich
-freute mich sehr wenig auf die Nachtfahrt, und doch brannte ich vor
-Verlangen, wegzukommen. Ein fester Blick nach einem Ausgange der Dinge
-kann den Menschen dahin bewegen, daß er sich nach Unangenehmem sehnt.
-<em class="gesperrt">Dritte Stazion des Elendes.</em></p>
-
-<p>Die Nacht war hereingebrochen; der schöne Mond suchte indessen die
-Finsterniß derselben zu verdrängen. Stelle man sich Jemand vor ohne
-Kenntniß der arabischen Sprache, mit einem albernen Eseltreiber,
-bei Nacht, unter lauter Fremden, im fernen Auslande, und in der
-Ungewißheit, wo er die Nacht über sein Haupt niederlegen könne, und
-man fühlt jetzt das Peinliche meiner Lage. Geschehe, was Gott will,
-dachte ich. Man wies mir den beßten und<span class="pagenum"><a name="Seite_284" id="Seite_284">[S. 284]</a></span> geräumigsten Platz in dem
-Fahrzeuge an. Es durften jedoch hier, wegen der Untiefe, nur wenige
-von den anwesenden Leuten die Barke beschweren; die übrigen, auch
-die Weiber, hoben ihre Röcke, so hoch ihnen die Tiefe des Wassers
-gebot, und wateten uns nach. Der Mond, seiner Schalkhaftigkeit
-eingedenk, lachte, während dieses Auftrittes die keusch und anständig
-in schwarzen Flor gekleidete Nacht ein wenig aus. Wie wir tieferen
-Grund gewonnen, bestiegen endlich alle den Kahn, natürlich nicht ohne
-viel arabischen Lärm. Es währte ziemlich lange, bis wir den vom Mond
-vergoldeten Spiegel in die Quere durchspalteten. Das lange Warten auf
-den Fährmann, die Fahrt auf Ueberschwemmungswasser beim Mondesscheine
-und andere Umstände prägten die Nilüberschwemmung unauslöschlich in
-mein Gedächtniß. Wir landeten glücklich. Ich <a name="ritt" id="ritt"></a>ritt vorwärts &mdash; zwischen
-ausgetretenen Wassern. Allein jetzt kam es ernster. Tiefes Wasser
-sollte durchwatet werden. Unzufrieden mit dem niedrigen Esel, setzte
-ich mich auf die Schultern zweier Araber, faßte sie um die Köpfe, und
-streckte die Beine wagrecht aus, so gut ich vermochte. Es half nichts,
-&mdash; ich ertränkte einmal einen Schuh. <em class="gesperrt">Vierte Stazion des Elendes.</em></p>
-
-<p>Ich konnte doch wieder auf dem Esel davon reiten, und ruhiger an dem
-herrlichen Schauspiele mich abletzen, das<span class="pagenum"><a name="Seite_285" id="Seite_285">[S. 285]</a></span> sich mir darbot. Der Mond
-entfaltete all’ die Pracht seines Lichtes, auf daß ich die Pyramiden
-bewundere. Diese schienen nun so nahe, daß mich bald gelüstet hätte,
-sie mit der Hand zu berühren. Allmälig verminderten sich unsere
-Gefährten. Wo die Freihunde bellten, dahin zogen beide, Männer und
-Weiber. Mich begleiteten bloß noch der Eseltreiber und drei andere
-Araber, Alle mir zu Schutz und Trutz. Jetzt hatte meine Gesellschaft
-ihre bestimmten Umrisse; die Lage war seltsam; Furcht wurde von
-Vertrauen überwogen. Ich warne den Leser bei Zeiten. Es geschieht wohl
-auch, daß größere Gefahr in den Büchern aufgefaßt und gefühlt wird, als
-sie wirklich war.</p>
-
-<p>Es mußte dem Eseltreiber schon in Kairo erklärt worden sein, daß ich am
-gleichen Tage noch bis zum Dorfe wolle, welches von den Pyramiden am
-wenigsten entfernt liege. Ich schrie dem Eseltreiber oft ins Ohr, in
-den mannigfaltigsten Wortwindungen und Radebrechereien, um es ihm ja
-recht verständlich zu machen, daß ich in einem <em class="gesperrt">Hause</em> die Nacht
-hinbringen wolle. Zum Ueberflusse gacksete ich noch etwas arabisch;
-reden konnte ich so nichts. Es war mir, als sollte ich einen Berg von
-der Stelle wälzen. Nicht ohne Ursache drang ich so begierig auf ein
-Dorf oder auf ein Haus. Als Lebensmittel hatte ich nichts, als etwas
-Brot und Zucker mit mir genommen. Ehe ich mich ver<span class="pagenum"><a name="Seite_286" id="Seite_286">[S. 286]</a></span>sah, saß ich vor
-den Pyramiden, vor den Trümmern an ihrem Fuße, vor dem Sphinxe. Nicht
-zu den Pyramiden, sondern in ein Dorf will ich, sagte ich mit dem
-Nachdrucke eines bebenden Gemüthes. Ja, ja, erwiederte der Araber. Es
-ging an der großen Pyramide hinauf &mdash; zum Eingange. Da sei das Haus,
-und gut zu liegen, stammelte der Bube. Durstig und hungrig sollte
-ich auf Stein mich niederwerfen, an der Wüste mich sättigen, und das
-Gebläse des kühlen Nordens athmen. Ich war kein Engländer, um meine
-Gesundheit an das Rühmchen zu setzen, daß man eine mondhelle Nacht in
-der dunkeln großen Pyramide verlebt habe. Hier wollte ich mit nichten
-bleiben.</p>
-
-<p>Allah, rief ich und ich stieg hinunter. Mittlerweile fing ich an,
-etwas umsichtiger zu überlegen: zu essen brauche ich wenig, und
-wenn ich bloß vor dem Winde geschützt sei, so dürfte die Nacht wohl
-erträglich werden. Ich ließ mich auf einige Zugeständnisse ein; meine
-Leute hatten ohnehin keine Zuglust nach dem Dorfe. Im Reisen darf man
-nicht mit Unbeugsamkeit an Nebendingen hangen. Ich konnte mehr oder
-minder merken, daß in der Nähe ein Haus des englischen Konsuls uns als
-Herberge dienen sollte. Wie ich ankam &mdash; wieder kein Leben, nur ein mit
-einer Thüre verschlossener Pyramidenstumpf. Zu meinem Troste erspähte
-ich neben jener eine Art Fensterloch, das nicht unbequem<span class="pagenum"><a name="Seite_287" id="Seite_287">[S. 287]</a></span> schien, um
-mich zu beherbergen. Der Zugluft und den Thieren zu wehren, ließ ich
-die Lichtöffnung nach innen mit Steinen ausfüllen. Ich kroch hinein;
-den Kopf auf einem Gesimse, den Leib auf dem Steine, eine wollene
-Decke unter, den Mantel über mir, so lag ich, und noch nie auf einem
-antikeren, nur einmal auf einem ebenso schlechten Bette.</p>
-
-<p>Die Leute thaten zu meinen Füßen an der Pyramide und auf dem Sande
-so recht behaglich, kauten mit Lustigkeit schmatzend ihre frischen
-Rettiche, und plauderten in fröhlichem Tone. Meines Durstes und
-meines Hungers nicht achtend, prüften sie eine Zeitlang meine Geduld.
-Ungeduldig endlich und drohend griff ich zur Karbatsche, mit den
-Worten: Bringet Milch und Wasser; <a name="ed" id="ed"></a><span class="antiqua">voi mangiate ed io ho fame</span>
-(ihr esset und ich habe Hunger). Das Ding war gut; zwei Männer rückten
-bewaffnet aus. Sie brachten, schon spät gegen Mitternacht, mit einem
-Drittmanne Milch und Wasser. Ich schätzte mich so glücklich, als unsere
-Väter, denen Manna vom Himmel herabfiel. Ich ließ die Milch aufkochen,
-und noch nichts auf der Welt schmeckte mir besser. Den Durst gelöscht,
-den Hunger gestillt, was wollte ich mehr? Zufriedenheit goß wieder
-ihren erheiternden und erwärmenden Sonnenstrahl in meine Seele, und
-nicht mehr drückte mich der Gedanke an eine Nacht im<span class="pagenum"><a name="Seite_288" id="Seite_288">[S. 288]</a></span> Freien. Wiewohl
-in der Wüste und unter unbekannten Menschen fand ich keine Gründe, um
-für Leben, und wenige, um für Eigenthum besorgt zu sein. Ich schlief
-ziemlich gut, ohne zu frieren, und ich würde noch besser geschlafen
-haben, wäre ich nicht von einer Maus und Fledermaus gestört worden.
-<em class="gesperrt">Fünfte Stazion des Elendes.</em></p>
-
-<p>Als der Morgen des 6. herannahte, grübelte ich mit meinen, gegen
-Sonnenaufgang gewendeten Augen, das schwächste Grau ungeduldig aus
-dem hehren Dome. Die Morgendämmerung täuschte mich nicht mehr, nein,
-sie täuschte mich nicht mehr; auch verkündigte sie von Kairo her der
-Donner der Kanonen; ich begrüßte sie mit kindlich freudigem Herzen.
-Sobald der Tag heller war, verließ ich mit den fünf Männern den
-Pyramidenstumpf. Ich kam an einer Stelle vorüber, wo Nachgrabungen
-veranstaltet wurden. Es lagen auf der Oberfläche viel Menschenknochen,
-so wie Einbalsamirungsmaterie, wovon ich zum Andenken aufhob. Im
-Augenblicke, da ich hart an der mittäglichen Seite der großen Pyramide
-stand, empfing ich den demüthigenden Eindruck einer hohen Majestät; sie
-strebte gewaltig empor, wie auf den Bergen die letzte erhabene Zacke.</p>
-
-<p>Bald befand ich mich wieder da, wo gestern, nämlich am Eingange der
-großen Pyramide. Am Lichte einer Kerze stieg ich hinunter, ging fort
-und hinauf. Ich be<span class="pagenum"><a name="Seite_289" id="Seite_289">[S. 289]</a></span>schreibe nicht die Gänge und Höhlen. Der Grabstichel
-des Künstlers stellt anderwärts deutlich vor Augen, was die Feder
-nur undeutlich vermöchte. Meine Bemerkungen beschränken sich auf
-Weniges. Der Besuch der Heiligthümer kostet wenig Schwierigkeiten.
-Ueberall guter Stand oder Halt oder beides. Der Saal des Königs ist
-sehr hoch, und einzig ein Sarg aus Granit unterbricht in demselben die
-Einförmigkeit.</p>
-
-<p>Nach den französischen Gelehrten ergeben sich für die große Pyramide
-folgende Maße, die Verkleidung inbegriffen:</p>
-
-<table class="pyramiden" summary="Pyramidenmaße">
- <tr>
- <td class="padr0_5">
- Höhe,
- </td>
- <td class="padr0_5">
- 456′ 3″ 2‴
- </td>
- <td>
- Wiener-Maß.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="padr0_5">
- Kante,
- </td>
- <td class="padr0_5">
- 689′ 6″ 6‴
- </td>
- <td>
- &emsp;&nbsp;&emsp;„
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="padr0_5">
- Apothem,
- </td>
- <td class="padr0_5">
- 584′ 8″ 8‴
- </td>
- <td>
- &emsp;&nbsp;&emsp;„
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="padr0_5">
- Basis,
- </td>
- <td class="padr0_5">
- 710′ 1″ 7‴
- </td>
- <td>
- &emsp;&nbsp;&emsp;„
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p>Der Flächeninhalt der Basis beträgt:</p>
-
-<p class="p0 mleft3">57,804′ 8″ 3‴ Wiener-Maß.</p>
-
-<p>An den Pyramiden bewundert man mehr die Masse und Ausdauer der
-menschlichen Leibeskräfte, als die Feinheit und den Geschmack der
-menschlichen Geisteskräfte. Wenn man die ungeheuern Granitblöcke auf
-einander geschichtet sieht, so drängt sich zuerst die Frage auf:
-Wie war es möglich, dergleichen Lasten herbeizuschaffen? Darüber zu
-erstaunen, hat man nicht das größte Recht. Sobald<span class="pagenum"><a name="Seite_290" id="Seite_290">[S. 290]</a></span> man über viel
-Menschenkräfte und Hilfsmittel verfügen kann, läßt sich Großes
-vollenden. Vielleicht hält es nirgends leichter, mehr Menschenkräfte
-für Anderes, als für Brot und Hülle und Obdach zu verwenden, wie in
-Egypten. Denn der Boden gibt leicht und üppig; die Sonne übernimmt
-so viel Tagewerke, daß zur Erwärmung des Körpers, in und außer der
-Wohnung, wenig benöthiget wird u. dgl. Es kann nicht fehlen, daß,
-bei solcher Bewandtniß der Dinge, viel Hände, oder doch die Hände
-viel Zeit müßig bleiben. Wem entschwebt nicht die Muthmaßung, daß die
-Pharaonen den Müßiggang der Unterthanen als Quelle von Nachtheilen für
-den Einzelnen und als Träger von Gefährden für den, Staat ansahen, und
-daß sie darum auf Mittel sannen, um den Müßiggang nützlich abzuleiten?
-Ein Machtwort ohne Grund würde wahrscheinlich Murren unter dem Volke
-erzeugt haben; sie warfen den Mantel der Religion über die tief
-liegenden Plane, und es entstanden die größten, massivsten, wenn gleich
-nicht die kunstreichsten Grabmäler unsers Erdkreises. <em class="gesperrt">Die Pyramiden
-sind Grabhügel.</em> Und so sagte ich treu, was ich einmal meine.</p>
-
-<p>Jede der vier äußern Flächen der großen Pyramide läuft in Stufen
-bis auf die Spitze. Diese kann von außen leicht bestiegen werden;
-allein weil sie eben vom Nebel umschlichen<span class="pagenum"><a name="Seite_291" id="Seite_291">[S. 291]</a></span> war, leistete ich auf das
-Besteigen, als ein eiteles Geschäft, Verzicht. Hier wollte ich ebenso
-wenig die Rolle eines Engländers spielen, was ich gerne und offen
-gestehe.</p>
-
-<p>Man wollte schon an dem Vorabende Bagschisch (Geschenk), darauf
-in, dann außer der Pyramide, und später, als ich gegen eine ihrer
-Schwestern fortritt. Hier konnte ich die Leute nicht mehr mit dem
-Versprechen beschwichtigen, daß ich am Ende ausbezahlen wolle. Ich
-hatte in Kairo nur so viel Geld eingesteckt, um den Eseltreiber und
-etwa zwei Führer aus dem letzten Dorfe befriedigen zu können, von der
-Ansicht geleitet, daß, bei meiner Unbekanntschaft mit der arabischen
-Sprache, alles Geld mir aus der Tasche geschwatzt werden könnte.
-Für die Milch bezahlte ich über Maßen. Jetzt schon war meine ganze
-Baarschaft auf vier Piaster heruntergeschmolzen. Einer der Führer fiel
-meinem Esel in den Zügel. Ich zeigte all’ mein Geld, und bezeugte, daß
-ich nicht mehr bei mir habe, daß ich aber das einzige Vierpiasterstück
-glatterdings nicht entübrigen könne, weil ich an einigen Orten für
-das Fahren über das Nilwasser bezahlen müsse, welche Kosten nicht
-vorangeschlagen waren, und weil ich ohne Geld nicht einmal zurückkehren
-könnte; es solle einer der drei Männer mich nach Kairo begleiten,
-wo ich <em class="gesperrt">dann</em> denselben und zu seinen Händen auch die Uebrigen
-gehörig zufrieden stellen<span class="pagenum"><a name="Seite_292" id="Seite_292">[S. 292]</a></span> werde. Ich kann nicht glauben, daß ich
-verstanden wurde; denn man gab dem Anerbieten kein Gehör, und schwatzte
-mir das Goldstück und meinen Zucker aus der Tasche. Man ließ zu guter
-Letzte den Zügel los. <em class="gesperrt">Sechste Stazion des Elendes.</em></p>
-
-<p>Ich ritt weiter, sah indessen keine Pyramide mehr an; selbst thäte ich
-den ungeheuern Androsphinx mit schelen Blicken regaliren, als ich,
-seinen Hügel von Kopf zur Linken, über den Rücken ritt, den tiefer
-Sand begräbt<a name="FNAnker_28_28" id="FNAnker_28_28"></a><a href="#Fussnote_28_28" class="fnanchor">[28]</a>. Ich seufzte unter dem Joche des Mißmuthes. Meine
-Beschützer gingen sämmtlich hinweg, und, allein mit dem Eseltreiber,
-sollte ich nach Kairo ohne Geld, durch Nebel, über Wüste und durch
-Wasser. Von meiner Unpäßlichkeit ohnedieß gereizt, hörte ich schon
-einige Krankheiten an der Pforte meiner Gesundheit pochen; ich rechnete
-hin und her, wie ich meine Peitsche zum Kaufe weggeben werde, um über
-das größere Wasser zu setzen u. s. f. Kurz, es war<span class="pagenum"><a name="Seite_293" id="Seite_293">[S. 293]</a></span> Nacht in meinem
-Gemüthe. Je fester Jemanden die gewöhnlichen Auswege versperrt werden,
-desto gewisser rafft er seine Kräfte zusammen, um ungewöhnliche
-ausfindig zu machen.</p>
-
-<p>Plötzlich ging ein Stern der Hoffnung auf. Ich hatte die Gewohnheit,
-in einer Geheimtasche in Papier gepacktes Gold mitzunehmen. Ich wußte,
-daß das Päckchen fehlte; indeß dachte ich, daß ein Stück herausgefallen
-sein könnte. Ich spürte nach und, o holdes Glück, richtig glitt mir
-ein Goldstück in die Finger. Ich fühlte mich nun reicher, als hätte
-ich über Millionen zu gebieten, weil ich die Mittel besaß, fortan in
-pekuniärer Beziehung sorgenfrei nach Kairo zu ziehen. Daß der Begriff
-von Reichthum sehr relativ sei, mag einen Theil der Reichen verdrießen,
-aber doch die minder Begüterten trösten.</p>
-
-<p>Zudem wählte der Eseltreiber einen andern und bessern Weg. Er richtete
-sich mehr gegen Mittag, und die Pyramiden von Sakâra rückten ziemlich
-nahe. Es war angenehm, über die vielen Dämme zu reiten; Wasser rechts
-und links; bald Feld, das aus dem Wasser eben auftauchte, noch naß,
-doch vom Fellachen betreten, bald Früchte tragendes Land. Ich konnte
-mich nie lebhafter als heute überzeugen, wie vielfach die Verbindungen
-zwischen den Dörfern von der Nilüberschwemmung erschwert werden. Der<span class="pagenum"><a name="Seite_294" id="Seite_294">[S. 294]</a></span>
-Weg führte über mehrere Brücken, unter welchen das Wasser rauschte, als
-wäre es fließend.</p>
-
-<p>Die Ueberschwemmungszeit ist der Winter Egyptens und das
-Ueberschwemmungswasser der Winterschnee. Der Schnee ist auch Wasser,
-bloß gefrorenes. Wenn das Wasser abgeflossen, kommt der Frühling; so
-wenn der Schnee geschmolzen. Beide, Wasser und Schnee, decken das
-Erdreich.</p>
-
-<p>Auf dem Rückwege wurde ich nur über drei kurze Strecken getragen,
-einmal vom Esel, dann aber vom Eseltreiber, weil jener das zweite Mal,
-gleich Anfangs, sammt dem Reiter, in den Schlamm stürzte. <em class="gesperrt">Siebente
-Stazion des Elendes.</em></p>
-
-<p>Der Anblick Kairos und des Mokatam stimmten mein Herz zur innigsten
-Freude. Nach vierundzwanzigstündiger Abwesenheit war ich wieder
-in der Hauptstadt, die mich wie eine zweite Heimath ansprach. Die
-vierundzwanzig Stunden machen mir das Pyramidenland unvergeßlich. Diese
-Schilderung belehrt, daß zur Ueberschwemmungszeit an den Besuch der
-Pyramiden von Memphis (Gizeh) sich ungewöhnliche Mühseligkeiten knüpfen.</p>
-
-<p>Es gibt nichts angenehmeres, als nach großen Anstrengungen wieder
-auszuruhen, und nichts Süßeres, als den Widerwärtigkeiten des Lebens
-aufrichtig zu zürnen. Es war mir ein Labsal, den ganzen Zorn auf
-die Wasser, die Füh<span class="pagenum"><a name="Seite_295" id="Seite_295">[S. 295]</a></span>rer und die Pyramiden zu entladen. Ich wollte
-über trockenes Land, da denn die mannigfaltigen Hindernisse der
-ausgetretenen Wasser; ich wollte zu rechter Zeit mich mit Speise
-und Trank erquicken, da denn die geschäftige Folter des Hungers und
-Durstes; ich wollte eine Wohnung unter Lebendigen, da denn das harte
-Ruhekissen der Pyramide in der wüsten Todtenstadt. Wie ein Kind, dem
-man einen Spiegel vorhält, nach seinem Bilde greift, so langte ich nach
-einer Reihe von Truggestalten. Wer kennt nicht die Gespenster, die
-unablässig sich bemühen, die arme Seele des Menschen irre zu leiten?</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Wegweiser"><b>Wegweiser in und um Kairo.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p><em class="gesperrt">Erster Tag.</em> Man verfügt sich an einem Morgen frühe nach dem
-Nile, darüber zum Garten <em class="gesperrt">Ibrahim-Paschas</em>. Von da nach dem
-Aquädukt. Von hier nach Altkairo und dem Nilometer. Nun sieht man
-das armenische und koptische Kloster, in letzterem <em class="gesperrt">Mariens</em>
-Altar, und dann die große Moschee <em class="gesperrt">A’mrus</em>. Man reitet über
-Turâb-el-Seydeh Omm Kàsim zurück. Nachmittags begibt man sich zum
-Konsul, der bis zum folgenden Tage die Erlaubniß für den Eintritt in
-den Garten von Schubbra auswirkt.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_296" id="Seite_296">[S. 296]</a></span></p>
-
-<p><em class="gesperrt">Zweiter Tag.</em> Man reitet, aber nur nicht an einem Sonntage, auf
-die Burg; hier der Jussufsbrunnen. Auf dem Rückwege bewundert man die
-Gräber von Kâyd-Bei. Abends reitet man nach dem Schubbragarten.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Dritter Tag.</em> Man kann das Militärkrankenhaus, den Esbekiehplatz,
-etwa einen Brutofen ansehen, zur Zeit der Fütterung im Katzenstifte
-sich einfinden.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Vierter Tag.</em> Gehe man zu Fuß, um die verschiedenen Bassar zu
-durchmustern, denn auf dem Esel, der manchmal gallopirt, schwinden die
-Gegenstände zu schnell am Auge vorüber.</p>
-
-<p>Zwei Tage erfordert der Weg nach Abusabel, und ebenso viel derjenige
-über Sakâra nach den Pyramiden von Gizeh.</p>
-
-<p>Daraus erhellt, daß die Merkwürdigkeiten, dazu noch der Hassantempel,
-die Kadettenschule u. dgl. in wenigen Tagen besehen werden können, wenn
-man sie nur gehörig in die Zeit zu vertheilen weiß.</p>
-
-<p>Die Ritte sind nicht kostspielig. Für einen Tag rechnet man fünf
-Piaster (nicht einmal 40 Kreuzer R. W.). Reitet man den Esel einen
-halben Tag, so gibt man dem Treiber höchstens drei Piaster (etwa 23
-Kreuzer R. W.).</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_297" id="Seite_297">[S. 297]</a></span></p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Rueckblick"><b>Rückblick auf Kairo.</b></h3>
-
-</div>
-
-<p>In dieser weitläufigen Stadt verbrachte ich mehrere der angenehmeren
-Tage meines Lebens, und ich gestehe, daß ich mich ungerne von
-ihr trennte. Die Verschiedenheit der klimatischen Einflüsse und
-Hervorbringnisse, die Ungleichheit der Sitten und Religionsgebräuche,
-die Sonderbarkeit in den politischen Einrichtungen und so vieles Andere
-hielten meine Seele stets in reger Gespanntheit, dergestalt, daß
-<em class="gesperrt">Langeweile</em> in Kairo mich nie angähnte.</p>
-
-<p>Kairo ist ein großes, altes Weib, das falsche Haartouren, Brillen und
-Krücke trägt; aber es vermag seine Runzeln nicht spurlos auszuglätten,
-noch seine grauen Haare ganz zu verbergen, noch seinen halbblinden
-Augen die volle Sehkraft zurückzugeben, noch seinen gekrümmten Rücken
-in das Senkblei zu bringen. Wofern nicht ein wundersam belebender Hauch
-aufs neue die Adern der Alten durchdringt, so wird sie über nicht
-sehr lange von hinnen scheiden, und ihr Grabmal wird dann wegen der
-schauerlichen Größe über die Grabmale beider Todtenstädte spotten.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Kairo_Reise_durch_die_Wueste"><b>Reise durch die Wüste nach
-El-Arysch.</b></h3>
-
-</div>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p class="p0">Verspätete Abreise; Dromedarwechsel; der Pole; Hunger;
-Hochzeitsspektakulum; Postillon; Dromedarthränen; Kartoffel<span class="pagenum"><a name="Seite_298" id="Seite_298">[S. 298]</a></span>kunst;
-Ausmöblirung der Wüste mit Kameelgerippen; Kinderspiel mit
-Datteldornen; Eremitage <span class="antiqua">à la</span> <em class="gesperrt">Rousseau</em>; Dorfschaft
-Kâtieh mit Allerlei; Fata Morgana; <span class="antiqua">Sirbonis lacus</span>; ein
-besseres Getränke als <a name="Semikolon" id="Semikolon"></a>Champagner; Idumäa u. s. w.</p></div>
-
-<p>Ich war Willens während der sehr angenehmen Frühlingszeit länger in
-Kairo mich aufzuhalten; der Umstand aber, daß ich in der kältern
-oder Regenzeit durch die Wüste reisen müßte, und daß eben ein Pole,
-ein Kapitän aus der letzten Umwälzung, welcher des Arabischen kundig
-war, über El-Arysch nach Syrien sich begeben wollte, bewog mich, den
-Aufenthalt abzukürzen.</p>
-
-<p>Weh that es mir, daß sich keine Gesellschaft zur Unternehmung der Reise
-über Suez nach Jerusalem hervorthun wollte.</p>
-
-<p>Um an die syrische Küste zu gelangen, hätte ich zwar über Damiate zu
-Wasser reisen können; allein mehr denn ein Grund leitete mich durch
-die Wildniß: nicht nur lauteten die Nachrichten, daß zu Lande keine
-Kontumaz gehalten werde, sondern ich wollte auch die Süßigkeiten und
-Bitterkeiten einer Wüste selbst kosten. Lebenserfahrungen sind echte
-Reichthümer des Menschen.</p>
-
-<p>Der polnische Offizier besorgte die Thiere. Er zog Dromedare vor, weil
-sie sanfter gehen, und die Hälfte Wegs mehr in einem Tage zurücklegen
-als die Kameele.<span class="pagenum"><a name="Seite_299" id="Seite_299">[S. 299]</a></span> Jeder von uns nahm ein Thier für sich, und eines
-bestimmten wir für den Geleitsmann. Die Gepäcke wurden mehr oder
-weniger gleichmäßig auf die Lastthiere vertheilt.</p>
-
-<p>Am Tage meiner Abreise hatte ich keine geringe Noth. Ich sollte mich
-bereit halten, daß ich vor Sonnenaufgang aufbrechen könne. Schon des
-Morgens verfügte ich mich zum österreichischen Konsul, um den Reisepaß
-zu holen. Jetzt stellte sich eine Schwierigkeit entgegen. Ich sollte
-den städtischen Auslaßschein haben, und der Ausfertiger war abwesend;
-ich beschwerte den Konsul an diesem Tage mehrere Male. Er ließ sich
-die Sache sehr angelegen sein, und wie sich die Aussicht allenthalben
-trüben wollte, befahl er seinen Leuten, daß man auf die Ausfertigung
-dringen sollte, koste es, was es wolle. Schon lag die Nacht eine Stunde
-über Kairo, als ich eines Auslaßscheines noch entbehrte, indeß der Pole
-zur Abreise fest entschlossen war. Endlich langte der Dragoman sammt
-dem Janitscharen und einem Menschen in dem Hause, wo ich wohnte, an,
-um mir den Auslaßschein und die Erlaubnißkarte für den Eintritt in den
-Schubbragarten zu überreichen. Letztere traf freilich zu spät ein.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Sonntags den 8.
-Wintermonat.</em></p>
-
-<p>Ich bin nicht im Klaren, ob der Pole oder der Besitzer der Dromedare
-mich in unnütze Geschäftigkeit jagte. Der<span class="pagenum"><a name="Seite_300" id="Seite_300">[S. 300]</a></span> Geleitsmann kam mit seinen
-hochbuckeligen Thieren erst etwa zwei Uhr nach Mittag. Die getäuschte
-Erwartung spannt auf die Folter.</p>
-
-<p>Der Dromedar stand so schnell auf, daß ich mich zusammennehmen
-mußte, um nicht zu stürzen. Noch beschaute ich die Gassen Kairos,
-die Leute und &mdash; Esel unter meinen Füßen. Wir ritten aus einer Stadt
-in die andere, von einem Thore zum andern, bis wir, wenn ich mich so
-ausdrücken darf, das Ufer des Meeres von Häusern erreichten.</p>
-
-<p>Kairo ist gleichsam ein Gemengsel von Städten. Außer den Umfangsthoren,
-womit nach Außen die Stadt gesperrt wird, besitzt jedes Quartier seine
-eigenen Thore, damit es geschlossen werden könne. Das Isoliren der
-Stadt in ihre Viertel haben die Despoten gar weise berechnet. Bricht
-in einem Quartiere eine Empörung aus, so werden die Thore desselben
-auf der Stelle gesperrt, und der Aufruhr beschränkt sich auf einen
-Theil der Bevölkerung und zwar so völlig, daß man in den übrigen
-Stadtvierteln die Vorfallenheiten manchmal erst später erfährt, mag
-auch im heißen Kampfe nicht wenig Blut geflossen sein.</p>
-
-<p>Schon begann der Dromedar zu traben. Er schüttelte mich so kräftig,
-daß ich das Reiten nicht hätte aushalten können. Ich bestieg einen
-andern, und nun ging es recht gut. Das Reiten machte mir nur geringe
-Schwierigkeiten;<span class="pagenum"><a name="Seite_301" id="Seite_301">[S. 301]</a></span> es war mir bloß nicht am beßten zu Muthe, wenn der
-Dromedar aufstand oder sich niederließ.</p>
-
-<p>Steht der Dromedar oder das Kameel auf, so stellen sie erst die
-Vorderbeine auf. Dabei neigt sich der Rücken von vorne nach hinten, und
-der Reiter bewegt seinen Körper vorwärts. Darauf stellen die Thiere
-sich auf die Hinterbeine und der Rücken des Dromedars oder Kameels
-bekommt die entgegengesetzte Neigung nach vornen, wobei der Reiter
-seinen Körper rückwärts bewegen soll. Lassen die Thiere sich nieder,
-so fallen sie zuerst auf die vordern, dann auf die hintern Knie, wobei
-der Reiter sich verhalten muß, wie wenn jene aufstehen. Eigentlich
-senkt sich der vordere und hintere Theil des Körpers abwechselnd unter
-zwei Malen. Nach und nach gewöhnt man sich auch an diese Bewegungen
-der Thiere recht leicht. Die eigene Art Gebrüll, welche sie dabei und
-beim Packen erheben, spricht den Fremden Anfangs unangenehm an, so
-daß er versucht werden könnte, zu wähnen, sie seien böse und bissig.
-In den Jahren der Kindheit hatte ich keine geringe Furcht vor dem
-Kameele mit seiner wunderlichen fremdartigen Figur, und wenn ich damals
-sah, wie ein Mensch sich erkühnte, solch’ einen Brüller zu besteigen,
-so erlangte mein Mitleiden für jenen den höchsten Grad. Die fremde
-buckelige Gestalt und das starke Gebrüll täuschen in gleichem Maße.
-Ka<span class="pagenum"><a name="Seite_302" id="Seite_302">[S. 302]</a></span>meel und Dromedar gehören zu den zahmsten Hausthieren unter dem
-Monde.</p>
-
-<p>Vor der Stadt sahen wir eben die Rekruten sich in den Waffen üben,
-unter wildem Pfeifen und Getrommel.</p>
-
-<p>Beim Einbruche der Nacht kehrten wir in <em class="gesperrt">Chanka</em>, dem ehemaligen
-großen Lagerplatze der egyptischen Armee, zu. Ich war müde und hungrig.
-Wir betraten die Hausschwelle eines polnischen Angestellten, und er
-segnete uns mit einem freudigen Empfange. Seine Frau, eine Koptin, war
-eben auf Besuch in Abusabel bei ihrer Schwester, einer Prosessorin. Er
-ging die Heirath unter der Bedingung ein, daß er treu sein wolle, so
-lange er sich in Egypten aufhalte. Ein Kind, welches ich sah, hatte
-weit mehr ein koptisches als ein polnisches Gepräge. Dieser Pole soll
-ein tüchtiger Gelehrter sein. Er sprach in der That sehr unterrichtet,
-z. B. über den Unterschied der koptischen Religion; allein, erst müde
-und hungrig, dann schläfrig, verlor ich fast alle Aufmerksamkeit. Der
-Geist mag sich noch so unabhängig dünken, er muß doch abwechselnd die
-Herrschaft dem Körper abtreten. Unser Gastfreund setzte Pillau vor, der
-mir vortrefflich schmeckte.</p>
-
-<p>Zu Hause kann ein ganzes Jahr vergehen, bis ich <em class="gesperrt">hungere</em>. Die
-Befriedigung des Hungers ist wirklich ein großer irdischer Genuß. Ich
-war, wie viele Andere, ein<span class="pagenum"><a name="Seite_303" id="Seite_303">[S. 303]</a></span> Stundenmann. Wenn die Glocke schlug, mußte,
-ohne viel Nachfrage nach der Eßlust, gegessen werden. Auf der Reise
-wird diese Rechenkunst zur Null, und der Verbrauch der Kräfte durch die
-Uebungen des Leibes weckt dem gesunden Menschen Appetit. Man sollte
-daheim sich <em class="gesperrt">zur Richtschnur nehmen, mehr aus Nothdurft, als aus
-Gewohnheit zu essen, und man würde eine Menge Genüsse sich bereiten,
-und manche Uebel verhüten</em>. Es gehört zu andern Verkehrtheiten des
-Menschen, daß er die schlichte Wahrheit im Ganzen so wenig würdigt, und
-daß die blendende Lüge so bald und so leicht in sein Herz eindrückt.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 9.</em></p>
-
-<p>Um zwei Uhr Morgens reiseten wir bei hellem Mondscheine ab. Gegen
-Morgen blitzte es dann und wann, was ich unter unserm Himmel bei heißer
-Witterung wahrnahm, ohne daß sie sich zum Donnern und <a name="Regen" id="Regen"></a>Regen entschied.</p>
-
-<p>Wir kamen durch schön bebaute Landschaften und kurz nach Sonnenaufgang
-zu dem Dorfe <em class="gesperrt">Bèlbeys</em>, wo wir bei der Post auf einer Anhöhe im
-Freien uns niederlegten, um zu speisen.</p>
-
-<p>Abends erreichten wir das Dorf <em class="gesperrt">Légrẻn</em>, und blieben auf
-der Post in einem Zimmer über Nacht. Ich holte<span class="pagenum"><a name="Seite_304" id="Seite_304">[S. 304]</a></span> meinen ganzen
-Schulwitz heraus, um Feuer anzumachen. Ich vergeudete so viel
-egyptische Schwefelfäden, daß der Schwefeldampf unsern europäischen
-Lungen bedeutend zusetzte. Ein Araber, naturwitziger, als ich
-schulwitzig, zauberte das Feuer flugs daher, und ich buk Eier in
-meinem Kochgeschirre. Das Gericht gerieth so gut, daß es auch meinem
-Reisegefährten mundete.</p>
-
-<p>Als ich mich schon schlafen legte, erhob sich ein wildes Gelärm
-und Gejauchze unter Schalmei- und Tamburtönen. Es ward eine
-Hochzeit gefeiert. Ungefähr so lärmt man in der Schweiz, wenn man,
-mit Erlaubniß, einen Ochsen im Triumphe von der Schießstätte zum
-Wirthshause führt.</p>
-
-<p>Morgens hatten wir einen Begleiter; von Bèlbeys wollte er uns in die
-Wüste führen. Wir trauten ihm nicht, vielleicht mit Unrecht, und wir
-ließen ihn reiten, seelenvergnügt, daß wir seiner los wurden.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 10.</em></p>
-
-<p>Auch diese Nacht nahm ich das gleiche Blitzen wahr. Als ich vom
-Schlafgemache herunterstieg, lagen andere Leute noch im Schlafe auf
-dem Dache. Früh Morgens ritten wir mit einem Polizeidiener (Kafaß) von
-Gaza, welcher seinen Kondukteur hatte, davon.</p>
-
-<p>Die letzte und diese Poststazion sind, wenn die Mit<span class="pagenum"><a name="Seite_305" id="Seite_305">[S. 305]</a></span>theilung des
-Kapitäns Glauben verdient, wegen der Räuber am gefährlichsten. Wir
-frühstückten in <em class="gesperrt">Salehyeh</em>, einem Dorfe mit einer Post, wo die
-eigentliche Wüste beginnt.</p>
-
-<p>Es langte eben die Post an. Der Postillon trug um dem Haupte einen
-Turban, und unter dem Kinne einen langen Bart, und über dem Leibe
-einen langen, faltigen Mantel (Abba). Das Posthorn schmetterte nicht,
-noch <a name="knirrte" id="knirrte"></a>knirrte das Rad; nur sanft patschte die Hufe des Dromedars auf,
-und kein besonderes Abzeichen war an der Kleidung des Wüstenpostillons
-erkenntlich. Darin sind die Europäer sehr erfinderisch, einem Jeglichen
-sein passendes Hanswurstkleid zu geben. Einzig trug der langtrabende
-Dromedar am krummen Straußhalse eine kleine Glocke, was sich wohl
-schickt, damit die Räuber zu rechter Zeit erinnert werden.</p>
-
-<p>Jetzt ging es in die Wüste, und als wir tiefer in derselben uns
-befanden, begegnete uns zu Fuße ein Derwisch (ein mohammetanischer
-Pfaffe) mit fliegenden Kopfhaaren und langem Barte. Es ist merkwürdig,
-daß die Wüste immer noch ihre Weltüberwinder begeistert. Es wäre
-vielleicht doch schon mit den alten Säulenheiligen genug gewesen. Sage
-wenigstens dem blinden Religionszwange: In der Wüste ist Freiheit des
-Glaubens.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_306" id="Seite_306">[S. 306]</a></span></p>
-
-<p>Die Wüste war nicht so kahl, wie ich sie mir vorstellte. Viele
-Sodagewächse bekleiden sie zur Steppe. An den meisten Orten zeigte sich
-dieselbe so, wie ein Kartoffelfeld mit seinem einsam stehenden jungen
-Kraute. Hie und da erhoben sich kleine Hügel, uns in der Aussicht
-Abwechselung zu verschaffen.</p>
-
-<p>Auf meinem Dromedare traf mich ziemlich ferne von menschlichen
-Wohnungen der Unfall, <a name="er" id="er"></a>daß er sich reisemüde niederließ. Unverzüglich
-hob der Geleitsmann das Gepäcke ab; jener stand auf, und trug mich
-weiter. Es ist eine bekannte Thatsache, daß die Kameele oder die
-Dromedare auf die Kniee sinken, sobald man sie überladet. Uebrigens
-war mein armes, an einer Lungenkrankheit leidendes Thier sehr schwach,
-so daß es beinahe umfiel. Der polnische Reisegefährte rief in seiner
-Hastigkeit, daß unser Unglück mehr als gewiß sei. Auf dem ermüdeten,
-kranken Thiere wäre allerdings bei einem etwaigen Ueberfalle die Flucht
-unausführbar gewesen. Ich war kalter Skeptiker und ritt weiter mit
-Gelassenheit. Fürchtet man Alles, so hat man doch nichts <em class="gesperrt">mehr</em>
-zu befürchten, und so gewährt wenigstens der Blick in die Zukunft
-Beruhigung.</p>
-
-<p>Mit unnennbarer Freude erblickte ich gegen Abend auf einer kleinen
-Anhöhe das Posthaus. Ehe wir dabei anlangten, kamen wir hie und da über
-einen aufgedämmten<span class="pagenum"><a name="Seite_307" id="Seite_307">[S. 307]</a></span> Weg (Brücke), arabisch <em class="gesperrt">Kantâra</em>. Der Europäer
-würde das Posthaus zu <em class="gesperrt">Kantâra</em> nicht erkennen, und winkt es dem
-Wanderer doch freundlicher, als der stattliche Postpalast in Paris. Man
-denkt mit wonnigem Gefühle beim Anblicke der Posthütte, daß man hier
-unter Menschen Schutz und Ruhe finde. Dem plattdächigen Posthäuschen
-gegenüber stand mittagwärts eine Art Pavillon, von Dattelblättern
-gebaut. Weiterhin gruppirten sich einige Zelte für die Polizeisoldaten.
-Bei Kantâra zieht vor den Blick eine kleine Bucht des Sees von Menzaleh
-(<span class="antiqua">Tanis lacus</span>), und in seiner Nähe steht ein Brunnen, welcher,
-wenn ich nicht irre, Byr-el-Dueydar heißt.</p>
-
-<p>Wir waren von dem Durste stark geplagt. Wir schleppten bloß eine
-Wenigkeit Wasser, nicht einmal in den festesten Thierfellen, mit, so
-daß eines Morgens mein Bein ganz naß wurde, weil, wegen der schlecht
-angeordneten Ladung, dasselbe über einen Wasserschlauch gehalten werden
-mußte. Diese kleinen Vorräthe sollten bis El-Arysch ausreichen. Ich
-kostete das Wasser zu Kantâra, und fand es salzig (kochsalzig); weil
-mein Durst aber sich wenig um den Gaumen bekümmerte, so gab ich mich
-zufrieden und trank. Ich lasse andere Aerzte ihre Qualen erzählen,
-welche sie von den immer anderes und anderes Getränke verlangenden
-Kranken zu erdulden haben; ich beschränke<span class="pagenum"><a name="Seite_308" id="Seite_308">[S. 308]</a></span> mich auf die Bemerkung,
-daß nur der schwache Durst schwer befriedigt wird, und <em class="gesperrt">daß man bei
-wahrem Durste trinkt, was flüssig ist</em>. Um meine heiße Trinklust
-einmal ordentlich zu löschen, kochte ich Kartoffeln (die 75 Prozent
-Wasser enthalten), nachher stößerte ich sie und versetzte sie mit
-Wasser, worauf sie mit Butter abgekocht wurden. Diese Speise hatte
-gerade die erwünschte Salzigkeit und schmeckte dem Hungrigen. Sonst
-verursachte mir das Wasser weder Erbrechen, noch andere Beschwerden.</p>
-
-<p>Begreiflich suchten wir hier den Unfall, welchen uns der Dromedar
-bereitete, wieder auszusöhnen. Wir versprachen dem Posthalter, einem
-schön gestalteten und bieder scheinenden Manne, hundert Piaster
-für einen Dromedar bis El-Arysch. Die Verheißung einer nicht ganz
-unbeträchtlichen Geldsumme und die Thränen des Reisegefährten,
-welche dieser über unser Mißgeschick vergoß, vermochten den treuen
-Postbeamteten nicht zu erschüttern. Er antwortete mit kurzen Worten,
-daß auf Auslieferung der Thiere, ohne Requisizion der Regierung, das
-Leben hafte. Was war wohl zu thun? Man mußte sich, ob gerne oder
-ungerne, in das eiserne Schicksal fügen. Wir vereinigten uns zuletzt
-in dem Vorhaben, morgen meinen Dromedar ohne Gepäcke versuchsweise zu
-reiten, was er wahrscheinlich aushalten<span class="pagenum"><a name="Seite_309" id="Seite_309">[S. 309]</a></span> werde. Verläßt uns die Hilfe
-der Menschen, so vertrauen wir wieder gerne der Vorsehung.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 11.</em></p>
-
-<p>Wir brachen bei Zeiten auf. Mein Dromedar lebte einmal noch, und
-zappelte unter mir weiter, damit doch die Augen des Hauptmanns, nein,
-ich sage, unsers Schicksals trocken werden. Wir hatten den ganzen Tag
-Sandhügel vor den Augen, und wären diese wirklich naß geblieben, so
-hätte es uns an Stoff nicht gefehlt, sie trocken zu streuen. Der Weg
-führte uns über mehrere Hügel und war beschwerlich wegen des lockeren
-Sandes. Das Thier glitt bei jedem Schritte einen halben Fuß tief in
-denselben. An der Post <em class="gesperrt">Duedâr</em>, welche an die Abendseite eines
-Hügels sich lehnt, ritten wir vorüber.</p>
-
-<p>Um meinem armen Thiere Erleichterung zu verschaffen, stieg ich hier
-ab. Mein Gehen war außerordentlich mühselig, gerade so, wie bei uns,
-wenn der Schnee sehr weich ist, daß man mit dem Fuße tief einsinkt
-und rutscht. Wie der Sandstaub, so ist eine lügenhafte, trügerische
-Seele ohne Festigkeit, ohne Halt, ohne Zusammenhang. Ich dauerte das
-Reisen zu Fuße nicht lang aus; denn ich fühlte Leere im Magen, und
-bald drückte die Hitze. Den Weg fand ich übrigens ziemlich angenehm.
-Fortan waren in den<span class="pagenum"><a name="Seite_310" id="Seite_310">[S. 310]</a></span> Sand die Sodagewächse gesteppt, worin sich die
-Vögel belustigten. Bald sprang Gewild vorüber, wenigstens Gazellen
-und ein Schakal (Fuchs). Auf dem meistens deutlichen und breiten
-Wege durchmusterte ich die Stapfen der Menschen und Thiere, oder
-die Kameelgerippe, welche, wie gebleicht, auf dem ganzen Wege oft
-wahrzunehmen sind. Allerdings athmet mehr Leben in der Wüste, als auf
-dem Meere; selten aber begegnete uns ein Sterblicher.</p>
-
-<p>In der kleinen Oase (Wüsteninsel) <em class="gesperrt">Bir-Anoß</em>, welche die
-Dattelbäume freundlich stimmen möchten, kehrten wir an, uns zu
-erfrischen. Hier ergötzte mich ein Spiel der Kinder. Sie spießten an
-drei Datteldorne eine Dattel. Da vergruben sie Datteln nahe an einander
-in den Sand. Jetzt warf Einer nach dem Andern jene drei an der Dattel
-vereinigte Dorne nach den unsichtbaren im Sande vergrabenen Datteln,
-und wer am meisten an den Dornen hervorzog, trug den Sieg davon. Das
-Spiel will eben nicht viel Gewandtheit, und zeugt von Gewinnlust.</p>
-
-<p>Als wir dann weiter rückten, entzückte mich ein Palmenwäldchen am
-Fuße der Morgenseite eines Hügels. Die Schalmei erklang lieblich aus
-dem einsamen Haine. Dort waren Hirten angesiedelt. Diejenigen Araber,
-welche die Freiheit der Unterwürfigkeit vorziehen, entfernen sich
-lieber von den Menschen, als daß sie nach den Gesetzen und Lau<span class="pagenum"><a name="Seite_311" id="Seite_311">[S. 311]</a></span>nen
-eines Fürsten leben. Daher wurde selbst die Wüste zum Theile bewohnt.
-Mich mahnte oft die Wüstenei an unsere Berge und die Leute der Wüste
-an unsere Bergleute. Einst trieb die Freiheitsliebe die Allemanen
-vom Rheine auf die Berge der Schweiz. An beiden Orten, in der Wüste
-der Berge wie der Niederung, waltet mehr oder minder Oede für ein
-einsiedlerisches Leben. Es ist denkbar, daß man sich an die mit
-Sodagewächsen bekleidete und mit Hügeln bedeckte Sandwüste ohne viel
-Ueberwindung gewöhnen könne.</p>
-
-<p>Es verdient, bemerkt zu werden, daß in dieser Gegend die Sandhügel,
-ihrer eigenthümlichen Form wegen, Pyramiden gleichen. Dieselben sind so
-glatt vom Winde ausgeblasen, wie unser Schnee oder unsere Windwehen.
-Sie ziehen im Allgemeinen von Osten nach Westen.</p>
-
-<p>Ehe wir die Post erreichten, genossen wir auf dem letzten Hügel eine
-sehr ausgedehnte und wahrhaft erquickende Aussicht &mdash; Wieder etwas
-Wassermangel. &mdash; Der Dromedar trug mich bis hieher die meiste Zeit, und
-mit Leichtsinn vergaßen wir bald den gestrigen Kummer.</p>
-
-<p>Wir entschlossen uns, in <em class="gesperrt">Kâtyeh</em> zu übernachten. Man wies uns in
-der Post ein Zimmer an. Es waren so eben auch Mann, Weib und Kinder
-eingetroffen. Um sich das Reiten bequem zu machen, saßen sie in
-geflochtenen Kasten<span class="pagenum"><a name="Seite_312" id="Seite_312">[S. 312]</a></span> (Schekdof), einander das Gleichgewicht haltend.
-Die Frau begab sich in das Harem.</p>
-
-<p>Kâtyeh ist ein kleines Dorf mit zwei kleinen Moscheen ohne Minaret. Die
-Gebete werden an denselben gar fleißig und laut vom Muezeinn (Thürmer)
-gesungen. Abends, etwa anderthalb Stunden nach Sonnenuntergang, glaubte
-ich in der Schlaftrunkenheit den Nachtwächterruf zu hören; ich vernahm
-die silberne, lieblich ernste Stimme des Asche (des fünften Gebetes).
-Die Wohnungen der Dorfleute, einfacher als alle, so ich bisher sah,
-sind ohne Dachung. Dattelblätter bilden die große Einzäunung einer
-Vorrathskammer; darin lag eben ein Haufe Mais. Weil aber der Wind
-bisweilen den Sand hineinstäubt, so werden die Leute genöthigt, den
-letztern von Zeit zu Zeit wegzuseihen. Der Vorrathskammer schließen
-sich die Wohnungen in Form des griechischen Π an; sie sind mithin auf
-einer Seite ganz offen für Sonnenhitze und Regen.</p>
-
-<p>Auf die Kunde, welche sich in dem wilden Dorfe verbreitete, daß ich ein
-Arzt sei, kam ein etwa fünfzigjähriger, dürrer, kinderloser Mann mit
-seiner zum Geschenke bestimmten, rothen Mütze voll Datteln, mich zu
-fragen, was zu thun sei, damit er Kinder bekomme? Ich hätte den Mann
-mir jung gewünscht, um wegen einer Antwort nicht in Verlegenheit zu
-gerathen. Als ich in der Runde spazieren<span class="pagenum"><a name="Seite_313" id="Seite_313">[S. 313]</a></span> ging, schauten die Weiber und
-Kinder wie närrisch meine gelb metallenen, glänzenden Knöpfe an, und
-als ich ihnen meine Taschenuhr zeigte, so sperrte die Bewunderung gar
-im höchsten Grade ihre großen Augen auf. Laut lachten die weitmundigen,
-entschleierten Weiber.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Den 12.</em></p>
-
-<p>Der Weg zog über Hügel gegen <em class="gesperrt">Berlaupt</em>. Als ich hier abstieg,
-fror es mich so nachhaltig, daß ich mich ans Feuer setzte, und nach
-der Spende der Sonne sehnte. Junge Burschen, die uns umgaben, machten
-freundliche Mienen, und ich glaubte an ihnen schon einen Uebergang in
-den weißen Stamm zu bemerken. Vor meinen Augen wandten sie mit ebenso
-viel Gleichmuth, als Gewandtheit das Glüheisen bei einem Pferde an.</p>
-
-<p>In der Besorgniß, daß mein Dromedar mitten auf dem Wege erliege,
-sahen wir uns nach einem andern um. Der Posthalter war vor wenigen
-Tagen gestorben, und die jungen Sprößlinge von leichtem Stoffe, wie
-Spinnengewebe, trugen kein Bedenken, uns ein Thier anzuvertrauen,
-so ernstlich auch die im Harem verborgenen Weiber, als würdige
-Stellvertreterinnen des zarten Geschlechtes, dagegen schreien mochten;
-nur forderten jene zu stark. Wir wurden endlich einig; schnell ging
-man, den weidenden Dromedar zu holen.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_314" id="Seite_314">[S. 314]</a></span></p>
-
-<p>Nun hatte ich einmal einen guten Läufer, und die Wüste wurde für mich
-ein Paradies. Indeß bot die Gegend hier auch wirklich die reizendsten
-Partien dar. Auf einmal kamen wir in einen großen Kessel. Ein Theil des
-Bodens sah aus, als wenn er mit gefrorenem Wasser und Wasserpfützen
-überzogen wäre. Dieses Schauspiel gab unser Weg öfter, und eines
-Morgens konnte ich mich kaum überzeugen, daß ich, statt gefrorenen
-Wassers, krystallisirtes Salz vor mir hätte. Wie wir aus dem Kessel
-herausrückten, welch’ Entzücken. Eine ungeheure Ebene, gleich einer
-Eisdecke, dehnte sich aus, mit einer Lehne gegen Sonnenaufgang, welche
-die Einbildung zu Seeufern umschuf. Im Nordost spielte die Täuschung
-mit Palästen einer in großer Ferne liegenden Stadt, und im Norden
-mit dem Meere. Man durfte dem frohlockenden Herzen kaum offenbaren,
-daß die Fata Morgana eine Wüste ohne ein einziges Grün sei. In
-meinem Leben noch nie sah ich eine so vollendete Landebene. Wie sehr
-ergötzt schon ein kleines, ebenes Gartenbeet; hier aber stelle man
-sich die stundenlange und stundenbreite Fläche vor. Freilich findet
-man dergleichen bloß auf kurz angenehm; auf längere Zeit widert die
-Einförmigkeit an. Wir durchschnitten jetzt andere große Salzebenen,
-und erst begriff ich die einsamen Schrecknisse der <em class="gesperrt">eigentlichen
-Wüste</em>. Gegen Mitternacht gewann der weiße Salzboden<span class="pagenum"><a name="Seite_315" id="Seite_315">[S. 315]</a></span> ein so
-gefälliges Ansehen, daß er an glänzendem Weiß dem Alabaster nicht
-nachstand. Ein dumpfes Brausen, das ich von der Linken her hörte, blieb
-mir lange unerklärlich. Den Gruß entsandte das gleichsam hinter der
-Bühne schwebende Meer; denn von Salzfluthen bot sich nicht eine dem
-Auge dar. Daß der durchrittene, muschelreiche Boden ein Wassergrund
-war, leidet keinen Zweifel. Wahrscheinlich breitete sich hier der
-<span class="antiqua">Sirbonis lacus</span> (Sirbu) aus, der einst 150 Meilen im Umfange
-hielt und zur Zeit des <em class="gesperrt">Plinius</em> nur ein mäßiger Sumpf mehr war.
-Von der alten Stadt Ostracine (Straki) erblickte ich keine Spur.</p>
-
-<p>Die Poststazion war überaus groß. Doch langten wir vor Untergang
-der Sonne in <em class="gesperrt">Choanat</em>, dem Ziele unserer heutigen Reise, an.
-Der Postmeister, ein recht artiger Mann, bewirthete uns mit süßem
-Trinkwasser aus El-Arysch, womit uns ungemein gedient war. Wir würden
-Champagner-Wein nicht vorgezogen haben. Auch durften wir uns etwas
-darauf zu gute thun, daß er uns nicht, gleich andern Reisenden, unter
-freiem Himmel lagern ließ, sondern gastlich in seine Wohnung aufnahm.</p>
-
-<p>Die Posthütte war für mich nicht ohne Interesse. An ihren Mauern
-bemerkte ich mehrere Versteinerungen. Der kranke Postmeister verlangte
-von mir ärztliche Hilfe. Es liegen indessen solche Wünsche so
-augenscheinlich auf der<span class="pagenum"><a name="Seite_316" id="Seite_316">[S. 316]</a></span> Hand, daß ich sie in der Folge schwerlich mehr
-berühren werde.</p>
-
-<p class="center mtop2 mbot1"><em class="gesperrt">Freitags den 13.
-Wintermonat.</em></p>
-
-<p>Mit Tagesanbruch bestiegen wir die Dromedare; ich wieder meinen alten.
-Rechts erging sich mein Auge an den Sandbergen. Unter den Füßen starrte
-Salz und Salz. An manchen Stellen bildete dasselbe weißen Krystall,
-an andern lag es zerbröckelt, grau und mit Sandkörnern vermengt. Eine
-Weile lang machte ich allein den Weg in der Wüste. Da schritt ein
-Beduine daher; bald kam auch ein anderer, und beide grüßten einander.
-Mir schien die Sache nicht geheuer. Ich machte mich in Gedanken mit
-einem Angriffe vertraut. Auf Hilfe hätte ich wohl nicht zählen können;
-in der Wüste wäre jeder Hilferuf umsonst verhallt. Ich erblickte kein
-anderes Wesen in der weiten Runde, als die zwei Beduinen. Ich ritt
-theilnahmlos an ihnen vorüber; sie schauten mir einige Augenblicke
-nach, und dann gingen auch sie ihres Weges. Ein solches Begegniß wäre
-unter andern Umständen ganz unbedeutend gewesen, und auch unter diesen
-will ich keineswegs mir einbilden, daß ich in Lebensgefahr gestanden
-habe. Die übrige Zeit hatte ich den Kameeltreiber zum Gesellschafter,
-der sich fort und fort in seinem kopfstimmigen Singsang gefiel. Nach
-einem mehrstündigen<span class="pagenum"><a name="Seite_317" id="Seite_317">[S. 317]</a></span> Ritte erhob sich endlich am Horizonte zu meiner
-Freude das Meer, das brausende.</p>
-
-<p>Heute begegneten uns überhaupt nicht selten Menschen und viel beladene
-Kameele. Am Meeresstrande ging es dann fort bis zu einem mit Grün
-umgebenen Brunnen, wo ich den Polen mitten unter mehrern Leuten und
-Thieren einholte; denn da mein Dromedar schlecht trabte, ritt jener
-rücksichtslos weiter. Menschen, die sich um Andere nicht bekümmern,
-sollten, zu ihrem eigenen Beßten, eine geraume Zeitlang weder ein
-vernünftiges Geschöpf sehen, noch hören. Unter den am Brunnen
-gelagerten Leuten befand sich ein Beduine, auf dessen Luntenflinte man
-mich aufmerksam machte. Von dieser lachenden, kleinen Au, in deren
-Umgegend wahrscheinlich das alte Rhinocorura in Idumäa (Edom) oder
-genauer im Lande der Amalekiter (Beduinen), nach Andern in Egypten lag,
-waren wir bald bei <em class="gesperrt">El-Arysch</em>.</p>
-
-<p>Werfen wir einen Rückblick auf die Reise. Unzweifelhaft gewährt sie
-ihre eigenthümlichen Reize und Vortheile. Wer möchte in der theilweise
-kahlen und leblosen Wüste von Gespensterfurcht geplagt werden, weil
-etwa ein Baumwipfel lispelnd sich neigte, eine alte Eiche knarrte,
-ein faules Holz schimmerte, eine Maus nagte, ein Holzbock bohrte? Wer
-möchte sich bangen, daß eine Eule schrie, gleich als wenn<span class="pagenum"><a name="Seite_318" id="Seite_318">[S. 318]</a></span> unsere alten
-Mütterchen ohne das Eulengeschrei nicht sterben könnten, und so alt
-werden mußten, wie der ewige Jude <em class="gesperrt">Ahasverus</em>? Und so ungehindert
-kann man in der Wüste wandeln. Weder einem glänzenden Könige muß man
-ausweichen, noch von einem lumpigen Bettler wird man angehalten.
-Wenden wir uns jetzt von der Lichtseite auf die Schattenseite. Wiewohl
-Person und Eigenthum während der Reise durch die Wüste, so zu sagen,
-sicher sind, so möchte ich dieselbe nicht geradezu rathen, weil sie in
-überwiegendem Maße beschwerlich und mehr Unglücksfällen preisgegeben
-ist. Wer seltene Merkwürdigkeiten schauen will, darf aber Opfer nicht
-scheuen.</p>
-
-<p>Es verdient Würdigung, daß durch die Wüste Posteinrichtungen bestehen,
-und daß somit das menschenarme Land gleichsam in den Bereich der
-Kultur gezogen wurde. Dem schaffenden und durchgreifenden Geiste des
-<em class="gesperrt">Mehemet-Ali</em> müssen wir auch hier Gerechtigkeit widerfahren
-lassen. Wir dürfen indeß nicht in Vergessenheit bringen, daß die
-Posteinrichtungen keinen allgemeinen, sondern einen speziellen, keinen
-bürgerlichen, sondern einen militärischen oder Regierungszweck haben.
-Der Postillon nimmt keine Pakete an. Die Briefe gehen nicht regelmäßig.
-Es scheint, daß diejenigen Privaten einer besondern Begünstigung
-be<span class="pagenum"><a name="Seite_319" id="Seite_319">[S. 319]</a></span>dürfen, welche der Wohlthat einer ordentlichen Verbindung durch die
-Post theilhaftig werden wollen.</p>
-
-<p>Uebrigens sind Kameel- oder Dromedarposten nicht das Erdachtniß unserer
-Zeit. Schon <em class="gesperrt">Salomo Schweigger</em> redet von der Kameel- oder
-Dromedarpost. Zu Rosette, sagt er, hab’ er eines Tages Einen sehen auf
-der Post reiten „auff einem Cameel“ oder „Dromedar.“</p>
-
-<p>Unsere Reise dauerte fünf Tage und fünf Nächte. Wir brachen in der
-Regel sehr frühzeitig bei Nacht auf, lagerten und ruheten am Morgen und
-Abend, im letztern Falle bis über Mitternacht. Wir legten ebenso in der
-Regel täglich zwei Posten, nur einmal drei zurück, so daß im Ganzen
-von Kairo bis El-Arysch elf Stazionen gezählt werden. Mit Wassermangel
-würde man sich im Grunde vergeblich martern, weil das Wasser auf allen
-Posten genießbar ist, und von den Leuten daselbst wirklich genossen
-wird. Wir haben freilich lieber einigen Wassermangel gelitten, als mit
-salzigem Wasser unsern Durst gänzlich gestillt.</p>
-
-<p>Die Witterung war während der Reise schön, die Nächte vom Monde
-beleuchtet, die Mittagshitze auf dem Thiere leicht erträglich, und nur
-an ein paar Morgenstunden verspürte ich strengere Kühle. Es ist gut,
-wenn man sich gegen die Morgenkühle durch Kleider wohl verwahrt. Das
-Bedürfniß dem Auge ringsum sich anschließender Steppen<span class="pagenum"><a name="Seite_320" id="Seite_320">[S. 320]</a></span>brillen gegen
-den Sandstaub fühlte ich niemals bei der Windstille oder bei dem sehr
-leisen Winde, die während meiner Reise herrschten, so angelegentlich
-man mir jene, als etwas Unentbehrliches, in Kairo empfahl.</p>
-
-<p>Statt mit Freudigkeit, erblickte ich die auf einem Sandhügel einsam
-stehende, niedrige Moschee von El-Arysch eher mit Mißmuth; denn hier
-wartete auf uns die Quarantäne. Zelt an Zelt, Leute, Kameele, Esel
-bezeichneten im bunten Neben- und Durcheinander die Gesundheitsanstalt.
-Wir schauten nach einem Zeltplatze. Eben gefiel uns einer, als es hieß,
-daß heute dort drei Personen an der Cholera starben. Unter solchen
-Umständen suchten wir uns, so viel als möglich, abzusondern, und wir
-schlugen unser Zelt an einem erhabenen Orte, mit der Aussicht auf das
-Meer und die Wüste, auf das Gebirge des steinigen Arabiens in der
-Ferne, und auf die in der nahen Vertiefung liegenden Zelte eines Bei,
-mit Namen <em class="gesperrt">Mustafa</em>, eines Gardeobersten. An das Zeltleben noch
-nicht gewöhnt, sollte ich zwölf Tage hier verbringen, ein Gedanke, der
-wie Blei auf mein Herz drückte.</p>
-
-<p>Mir that es leid, mit dem Oberaufseher der Quarantäne gleich Anfangs
-mich zu zerwerfen, als er uns auf einer günstig gelegenen Stelle nicht
-sitzen lassen wollte. Ich machte ihm vorstellig, daß es unsere Pflicht
-sei, für<span class="pagenum"><a name="Seite_321" id="Seite_321">[S. 321]</a></span> die Gesundheit beßtens zu sorgen, daß keine Regierung, welche
-für die Menschheit mit Achtung durchdrungen sei, uns die Besetzung
-eines Lagerplatzes von Krankheiten zumuthen könne, und daß, wenn man
-meinem Wunsche nicht willfahre, mir in Aussicht gestellt sei, die
-Anstalt nach Verdienen in Europa bekannt zu machen. Dieser Worte
-Stachel empfand der Mann so lebhaft, daß er einige Schritte vorwärts
-ging und dann bemerkte: „Ich schicke Sie zurück, wenn &mdash; &mdash;“ Er wurde
-endlich nachgiebig, indem er uns an dem ausgewählten Orte das Zelt
-aufrichten ließ, worauf ich nun gerne schwieg.</p>
-
-<div class="section">
-
-<h3 id="Die_Quarantaene_in_El_Arysch"><b>Die Quarantäne in El-Arysch.</b></h3>
-
-</div>
-
-<div class="blockquot">
-
-<p class="p0">Gefängniß unter dem Zelte; Regen; Mangel und Ueberfluß; Koch
-und Küche; Schreibpult und Schreibsand; Macht der Gewohnheit;
-<em class="gesperrt">Mustafa-Bei</em> und seine Frauen; Minnesinger; ein freies Wort
-über die Einrichtung der Quarantäne.</p></div>
-
-<p>Der Oberaufseher der Anstalt war aus Livorno gebürtig und von Beruf
-ein Apotheker. Er schien ein guter Mann zu seyn; auch ließ er sich
-später mit uns recht freundlich an. Ich vernahm aus seinem Munde kein
-einziges wissenschaftliches Wort. Wenn ich fragte, welche Krankheiten
-in diesem Dorfe endemisch herrschen, wie die Sterblichkeit sich
-verhalte, ob die Cholera in der Nähe<span class="pagenum"><a name="Seite_322" id="Seite_322">[S. 322]</a></span> oder Umgegend seuche u. s. f., so
-erwiederte er selbstzufrieden mit nichtssagenden Empfindungswörtern.
-Oefter wiederholte er den Schmatzlaut, dessen sich der Araber bedient,
-um sein <em class="gesperrt">la</em> (nein) zu ersetzen. Kenntnisse sind keine Last, nur
-ihr Erwerb ist schwer. Es würden weit mehr Menschen ernster nach jenen
-streben, wenn sie nur, ohne eine Dornenbahn zu betreten, dazu gelangen
-könnten. So wenig hassen sie, selbst unwissendere und unthätigere, die
-Kenntnisse, daß sie vielmehr solche häufig genug an Andern beneiden. Es
-ist übrigens eine über Geisteshoheit und Gemüthsglück Gedanken mächtig
-anregende Eigenthümlichkeit, daß wissenschaftlicher Indifferentismus
-oder Liebe zum Leeren und Leichten manchmal aus nicht minder heiterem
-Auge strahlen, als große Schocke von Wissen.</p>
-
-<p>In Begleitung eines Arztes oder Halbarztes aus der Abusabler-Schule<a name="FNAnker_29_29" id="FNAnker_29_29"></a><a href="#Fussnote_29_29" class="fnanchor">[29]</a>
-und eines Effendi Dragoman kam der Direktor zu Pferde in der Regel
-täglich zweimal, am Morgen und Nachmittage, bloß um nachzusehen, ob die
-Zahl vollständig sei. Als wir, ein Trupp von fünf Män<span class="pagenum"><a name="Seite_323" id="Seite_323">[S. 323]</a></span>nern, anlangten,
-ließ er den Namen mehr nicht, als eines Einzigen aufschreiben; man
-erkundigte sich nicht einmal, woher wir kämen. Nach dem Gepäcke ward so
-wenig gefragt, als dieses untersucht. Mein Reisegefährte, der polnische
-Kapitän, schüttelte den Direktor scherzend an den Schultern. Ein
-benachbarter, kontumazirender Türke, der mehrere Tage nach uns eintrat,
-hieß, in der Lust, einen unserer Dromedare zu kaufen, seinen Bedienten
-das Thier reiten. Ich möchte das merkwürdige Schauspiel des Wettrennens
-auf den Dromedaren <em class="gesperrt">im Lazarethe</em> jedem Europäer gegönnt haben. &mdash;
-Einmal ging ein Knecht des <em class="gesperrt">Mustafa-Bei</em> ohne Erlaubniß, die Esel
-auszutreiben. Er wurde dafür mit Stockschlägen bestraft. Ich kann dies
-so weit bezeugen, daß ich selbst den Schatten des fliegenden Prügels
-hätte wahrnehmen können, wäre ich darauf aufmerksam gewesen. Der Bei
-selbst stattete uns einmal einen Besuch ab. Tages vorher pfiff eine
-Kugel über unsere Köpfe und sank ermattet einige Schritte von uns in
-den Sand. Ich richtete meinen Blick umher und erkannte den Bei als
-Thäter. Er wollte eben persönlich sich damit entschuldigen, daß er
-bloß nach dem Meere geschossen habe, um die Flinte von der Ladung zu
-befreien; und der Mann, der bei einem Franken wegen eines Schusses sich
-entschuldigte, <em class="gesperrt">ist ein Türke</em>. Es traf sich gerade zu, daß der<span class="pagenum"><a name="Seite_324" id="Seite_324">[S. 324]</a></span>
-Direktor in die Quarantäne ritt, als der Bei bei uns weilte. Er fuhr
-diesen barsch an, daß er die Gesundheitslinie überschreite. Kennst du
-den Befehl der Regierung nicht? fragte er ihn. Wenn man erwägt, wie oft
-die Quarantäneordnung, um den mildesten Ausdruck zu wählen, verletzt
-wird, so muß eine solche einseitige Strenge als lächerlich oder gar
-als eine Kinderposse erscheinen. Strenge kann immerhin ihren beredten
-Anwalt bekommen, wenn ihre Nothwendigkeit und Nützlichkeit über den
-Zweifel hinausliegen; es glättet sich um so mehr ihr rauhes Aeußere ab,
-je gleichmäßiger und gerechter sie in allen Theilen gehandhabt und je
-Größeres und Edleres ihr zum Lohne wird. An der Anstalt befinden sich
-mehrere Marketender. Der eine ließ das Geld eher in den Sand werfen,
-bis er es annahm; der andere ergriff es aus dem Wasser, wenigstens vor
-den Augen des Direktors; der dritte steckte das Geld ohne Zeremonie
-ein, je mehr je lieber. Die Marketender setzen sich keineswegs außer
-alle Berührung mit den Kontumazirenden. Ich nehme keinen Anstand, die
-Behauptung aufzustellen, daß von ihnen eine ansteckende Krankheit
-verschleppt würde.</p>
-
-<p>Wüste und Meer sind Gottes Mauern, welche die Quarantäne umringen.
-Ohne Aufsicht, doch mit Erlaubniß, begaben sich der Kapitän und ein
-Türke, jener Kafaß<span class="pagenum"><a name="Seite_325" id="Seite_325">[S. 325]</a></span> (Polizeidiener), der durch einen Theil der Wüste
-in unserer Gesellschaft reisete, ans Meer, um sich darin zu baden. Zum
-Spazieren lag weiter Raum offen. Die Kameelführer trieben ihre Thiere
-zur Weidung in die Steppe. Nachts konnte man unschwer einen Abstecher
-ins Dorf machen, von wo man auch Besuche erhielt. Man war sicher, daß
-von den trägen Quarantäneaufsehern die Leute der Anstalt zur Nachtzeit
-nie überrascht wurden.</p>
-
-<p>Auf der Wanderung durch die Wüste wiegte ich mich in der süßen
-Hoffnung wenigstens auf ein ordentliches Obdach. Kleine Sandhügel
-mit den Vertiefungen dazwischen waren der Quarantäneplatz und Zelte
-das Wohngebäude. Ich hoffe, daß die Verfasser von Handbüchern
-die Definizion einer Quarantäneanstalt erweitern, und wen die
-morgenländische Sitte mit Zaubergewalt an sich zieht, dem möchte
-ich den Aufenthalt in der El-Aryscher-Quarantäneanstalt empfehlen.
-Er kann da unter Zelt schlafen, wie unsere Erzväter <em class="gesperrt">Abraham</em>,
-<em class="gesperrt">Isaak</em> und <em class="gesperrt">Jakob</em>; ihn werden die Kameele höchlich
-ergötzen, das eine liegend, ein Wiederkauer mit mürrischen Hänglefzen,
-das andere auf allen Vieren stehend, das dritte auf drei Beinen, weil,
-um das Thier im Gehen zu hemmen, das vierte aufgebunden wurde; die
-Esel werden unseren Dilettanten vor Tagesanbruch mit einer Ouvertüre
-entzücken, gegen welche<span class="pagenum"><a name="Seite_326" id="Seite_326">[S. 326]</a></span> die sogenannten Meisterwerke <em class="gesperrt">Rossini’s</em>
-nichts, als klägliche Machwerke sind.</p>
-
-<p>Und nun zu unserem Zelte. Ein schmutziges, übelriechendes, löcheriges,
-kleines Zelt war das ganze Obdach zweier Männer. Ich wußte nicht, ob
-es den nämlichen Tag, als ich mich unter ihm legte, Leichname gedeckt
-habe. Ich mußte diesen Gedanken immer plötzlich entfernen, damit er in
-meinem Gemüthe nicht das Gleichgewicht störe. El-Arysch besitzt einen
-Reichthum an süßem, gutem Wasser, und die Vorsteher der Anstalt geizen
-mit ihm, daß sie nicht einmal die Zelte waschen lassen, obschon die
-Zeit des waschenden Regens nicht vier Monate lang dauert.</p>
-
-<p>Ich richtete mein Bett möglichst gut ein, deckte des Nachts mich
-ganz, selbst über dem Gesichte, zu, und ich schlief leidlich, ohne zu
-frieren. Mehrere Tage machte es unter dem Zelte sehr heiß, ja heißer,
-als in Alexandrien und Kairo. Schwarzes Gewölke drohte einige Tage mit
-Wasser. Ich hoffte immer, es werde, uns verschonend, sich zerstreuen.
-Es war vergebene Hoffnung. Der Regen, der so lange nicht mehr in meiner
-Nähe fiel, netzte unser Zelt und unsere Kleider. Das Schicksal war in
-der That etwas herbe, und wenn ich es rühmen wollte, so müßte ich der
-Wahrheit untreu werden. Die Hälfte unserer Quarantänezeit begleitete
-regnerische Witterung. Doch darf man<span class="pagenum"><a name="Seite_327" id="Seite_327">[S. 327]</a></span> sich die Sache nicht gar so
-böse vormalen. Die Witterung beobachtete ihre Nachlässe, und während
-der letzteren fanden wir leicht Zeit, Zelt und Kleidung zu trocknen.
-Die Temperatur war über die Regenzeit nicht kalt, vielmehr günstiger,
-wie vorher, insofern, daß sie weit minder wechselte. Bei wenigen
-Graden blieb sie Tag und Nacht dieselbe. Ich muß gestehen, daß sie mir
-vollkommen behagte.</p>
-
-<p>Mit den Marketendern hatten wir mehr, als einmal Schwierigkeiten,
-da sie die Speisen nicht zu rechter Zeit brachten. Die ersten zwei
-Tage fühlten wir auf befremdende Weise einigen Nahrungsmangel; denn
-wir konnten, außer Brot, keine Lebensmittel uns verschaffen. Später
-hingegen hatten wir eher Nahrungsüberfluß, wenigstens Butter und
-Schaffleisch, Hühner und Eier, Reis und Brot genug. Dessen konnten sich
-wohl nicht alle Kontumazirende rühmen. Einen Tag nach unserer Ankunft
-verlautete es, daß drei Personen starben, &mdash; nach der Versicherung
-des Direktors, an der Cholera. Es wäre möglich, daß diese Personen
-den Folgen des Hungers oder einer schlechten Ernährung erlagen. Keine
-Oberaufsicht auf die Lebensmittel haltend, überläßt der Direktor die
-Kontumazirenden den Launen und Erpressungen der Marketender. Man wäre
-fast geneigt, vor Gott den Mangel der Anordnung zu beklagen, daß
-derjenige, welcher am<span class="pagenum"><a name="Seite_328" id="Seite_328">[S. 328]</a></span> Unglücke Anderer aus Theilnahmlosigkeit Schuld
-ist, nicht sogleich mitfühlt. Die Fahrlässigkeit des Direktors geht so
-weit, daß er nicht einmal für eine Apotheke sorgt. Es möchte nun in
-der Quarantäne erkranken, wer nur wollte, an eine geregelte ärztliche
-Behandlung dürfte man nicht denken; ein blinder Zufall oder die Kraft
-der heilenden Natur müßte des Kranken sich erbarmen und ihm die
-Gesundheit wieder schenken.</p>
-
-<p>Butter, Reis und Fleisch waren unsere Elemente zu schmackhaften
-Gerichten. Ich kochte selten. Ich war allezeit linkisch ohne die
-häuslichen Bequemlichkeiten, und mit dem Feueranmachen kam ich
-bei den wenigen Hilfsmitteln am wenigsten zurecht. Auch unser
-arabischer Geleitsmann, &mdash; ich nenne ihn erst jetzt bei seinem Namen
-<em class="gesperrt">Abu-Tropo</em>, &mdash; übertraf mich weitaus in dieser Sache<a name="FNAnker_30_30" id="FNAnker_30_30"></a><a href="#Fussnote_30_30" class="fnanchor">[30]</a>. Wenn
-er nur ein Glimmchen hatte, so umstreute er es mit Stroh, hielt dieses
-an den Wind und bald fing es Feuer. Gelang es auf diese Weise nicht,
-so befächelte er jenes mit seinem breit gestreiften Abba. Dagegen
-kochte beinahe im<span class="pagenum"><a name="Seite_329" id="Seite_329">[S. 329]</a></span>mer der Kapitän, und zwar verstand er dieses Geschäft
-vortrefflich. Ueber dem englischen Halbbraten aus unserer Küche im
-Freien vergaß ich wegen seiner Güte jeden aus einem Gasthofe. Der
-Holzmangel machte uns mehrere Male guten Rath theuer. Bald krabbelte
-<em class="gesperrt">Abu-Tropo</em> den Dromedarmist zusammen und zündete ihn unter
-unsern Kochgeschirren an; bald, und das meist, ging er aus, Holz,
-Stroh oder das staudige Sodagewächs der Steppe zusammenzulesen. Man
-half sich wohl oder übel, übel zumal dann, wenn der ungezügelte Wind
-den Regen in das Feuer peitschte. Der Kafaß lebte ein wenig einfacher,
-als wir. Knetete sein Bedienter den Brotteig in dem dicken und großen
-Napfe, welchen er auf der Reise mit sich schleppte, so brannte schon
-ein Haufen Kameelkugeln. Sobald diese in Asche verwandelt waren,
-legte er den in einen großen Kuchen geformten Teig in die heiße
-Mistasche. Ein wenig gebacken, und man brach und aß. Mit Zwiebeln,
-solchen Kuchen, altem arabischen Käse und mit Wasser bereitete sich
-der Kafaß ein Mahl, welches mein eigensinniger Gaumen verschmähte.
-Auch wir rösteten einmal, in Ermangelung des Bessern, den Kaffee in
-der heißen Asche des Dromedarmistes. Schlimmer, als unsere Küche war
-jedoch das Viktualienmagazin bestellt. Einmal über das andere wurde
-uns Brot, das dritte Mal eine Keule Fleisch, das vierte<span class="pagenum"><a name="Seite_330" id="Seite_330">[S. 330]</a></span> Mal ein
-hübscher Holländer-Käse gestohlen. Durch diese Erfahrung wurden wir
-zum mindesten <em class="gesperrt">etwas</em> vorsichtiger gegen die Raubthiere. Weil
-<em class="gesperrt">Abu-Tropo</em> während der Reise mit zu langen Fingern nach unserm
-Brote langte, so schöpften wir zuerst auf ihn Verdacht, bis ich in
-einer Nacht das raubende Thier mit der Beute aus unserm Zelte eilen sah.</p>
-
-<p>Die Zeit vertrieb ich mit Schreiben, Lesen, Kochen, Spazieren und
-Schlafen. An zehn Tagen setzte ich mein Tagebuch so weit fort, daß
-ich an jedem Tage beinahe müde ward, und im Ganzen wenig Zeit verlor.
-Die Noth macht erfinderisch. Ich vermißte mein Federmesser, und
-ein chirurgisches Bistouri versah seine Dienste. Ich saß auf meine
-Matratze, nahm das Kissen auf die seitlich gesenkten Kniee, legte das
-Papier auf diesen Polstertisch und schrieb in solcher Beschränkung
-recht leicht; ich dachte sogar selten an Unbequemlichkeit, selbst wenn
-die Regentropfen auf dem Papiere die Tinte neckten. Ich genoß doch des
-Vortheiles, keinen Mangel an Schreibsand zu leiden; denn nicht nur mein
-Lager umränderte schöner und feiner Sand, nämlich derjenige der Wüste,
-sondern selbst aus dem Bette konnte ich ihn fassen, welcher des Nachts
-sich die ungebetene Mühe gab, zum Ersatze des Stundenrufes mich an die
-Sandwüste zu erinnern.</p>
-
-<p><span class="pagenum"><a name="Seite_331" id="Seite_331">[S. 331]</a></span></p>
-
-<p>Besonders während meines Aufenthaltes in der Quarantäne stellte sich
-die Wahrheit in lebhaften Farben vor die Seele, wie viel Bedürfnisse
-und Bequemlichkeiten der Mensch entbehren kann, wenn er nur will oder,
-so zu sagen, muß. Wie würde ich zu Hause oder in einem Wirthshause
-gemurrt haben, wenn man mir keinen Tisch zum Schreiben oder keinen
-Sessel zum Sitzen gebracht hätte? Ohne diese Bequemlichkeit schrieb
-ich Vieles und, ich darf bei guten Treuen versichern, nicht mehr
-Undenkwürdigkeiten, als vor dem glatten Tische und auf dem weichen
-Lehnstuhle. Wenn nur ein Wind unsanft ins Zimmer bläst, wie runzelt man
-die Stirne? Unser Zelt war so löcherig, daß der Wind oben freiherrlich
-lustwandelte, ohne sich vor den Kopf zu stoßen, und ich nahm gar
-keine Notiz mehr von der Wind &mdash; beutelei. In dem Brotkuchen, einem
-schlechten und schweren Gebäcke, fand ich Haare und Spreue. Anderes
-Brot war nicht zu bekommen, und ich schätzte es so sehr, als unser
-weißes. Läßt die Köchin ein einziges Haar in die Suppe fallen, man
-hebt einen Spektakel an, daß die Balken des Hauses sich biegen; welch
-ein Kapitalverbrechen hat sie begangen; allerwenigstens packt man
-die Verbrecherin bei den Zöpfen und jagt sie fort. Ich liebe die
-Reinlichkeit von Hause aus; bei der Unausweichlichkeit aber, im Leben
-draußen mit unreinen Dingen hin und wie<span class="pagenum"><a name="Seite_332" id="Seite_332">[S. 332]</a></span>der fürlieb nehmen zu müssen,
-drängten sich mir manche Widersprüche der Europäer auf. Kann man viel
-Unreinlicheres ersinnen, als jenes Ekelhafte in ein Tuch auffangen und
-<em class="gesperrt">bei sich aufbewahren</em>? Der Athem eines Andern kann höchst unreine
-Stoffe ausführen, und wir athmen diese ganz vergnüglich ein. Beinahe
-jedes Geldstück trägt seinen Schmutz. Wir betasten gleichwohl das Geld
-und das Brot so oft und oft am gleichen Tage und mit der gleichen Hand,
-ohne diese zu waschen.</p>
-
-<p><em class="gesperrt">Die Macht der Gewohnheit ist groß, und man denke sich nicht bald
-etwas so schlimm, an das man sich nicht mit Zeit und Weile ziemlich
-leicht gewöhnen könnte.</em> Die Gewohnheit macht das Schwere nach
-und nach leichter, das Harte gelinder, das Bittere süßer. Die
-<em class="gesperrt">Vorstellungen</em> verdüstern das menschliche Leben am meisten. Die
-Gegenwart erscheint selten so herbe, als das ängstlich wartende Gemüth
-sie noch unten in der Zukunft zu fühlen glaubt.</p>
-
-<p>Unser Nachbar, der mehrerwähnte <em class="gesperrt">Mustafa-Bei</em>, hatte seine Zelte
-in einer Telle aufgeschlagen, welche unser Auge beherrschte. Den
-Preis des schönsten Zeltes verdiente das Haremzelt, das heißt, der
-abgesonderte Ort der Frauen Beiïnnen. Dieses Zelt war grün, und als
-Zierde verbreitete oben ein Stern seine goldenen Strahlen. Von<span class="pagenum"><a name="Seite_333" id="Seite_333">[S. 333]</a></span> dem
-Hauptzelte lief ein Zeltgang in ein kleines Zelt, dessen Nutzen sich
-leicht errathen läßt. Die Frauen, vier an der Zahl, gingen selten
-aus. Die Kinder hörte ich zuweilen bis in unser Zelt weinen. Die
-Dienerschaft des Offiziers war sehr zahlreich. Das Aufbrechen aus den
-Zelten zwei Tage vor unserer Abreise gewährte einen köstlichen Anblick.
-Der morgenländische Luxus belud über zwanzig Kameele mit Gepäcke. Die
-Frauen verließen wie Gefangene das Harem, die Erstbegünstigte voran.
-Schöner grüner, auch rother Zeug umkleidete die Sitze (das Schekdof)
-auf jeder Seite des Lastthieres.</p>
-
-<p>Unsere Luft erfüllten die Vögel mit vielstimmigem Gesange. Der Rabe
-krächzte, die Schwalbe zwitscherte, der Staar pfiff, wie bei uns der
-eben flügge gewordene, und der Sperling schnarrte in die Leier des
-Zeisigs. Vor dem Witterungswechsel und während desselben sah ich
-Staare mehrere Male in der Richtung von Sonnenaufgang gegen Niedergang
-schaarenweise vorüberziehen. Einmal schwärmte der Storch hoch gegen
-Kairo. Nachts, bei Grabesstille, brausten die in unzähligen Muscheln
-des Meerufers gefangenen Wellen mein Ohr voll.</p>
-
-<p>Erheben wir uns jetzt mit ruhiger Fassung auf den Standpunkt, um
-einen Gesammtüberblick auf die Quarantäne zu werfen, so wird man
-die gute Absicht, Länder,<span class="pagenum"><a name="Seite_334" id="Seite_334">[S. 334]</a></span> hier Syrien, vor der Pest zu sichern,
-nicht mißkennen, man wird sie ehren; man kann sich aber nicht
-bergen, daß, in dem gegebenen Falle, das Mittel dazu nicht nur
-unzureichend ist, sondern sogar die Menschen herabwürdiget. Denn das
-Sittengesetz erlaubt nie, daß man <em class="gesperrt">krankmachende</em> Anstalten,
-gleich der vor Augen liegenden Quarantäne, ins Dasein rufe, um einen
-krankheitsschützenden Zweck zu erstreben, wenn zu gleicher Zeit, wie
-hier, vom krankmachenden Mittel, wenigstens zum Theile, Umgang genommen
-werden kann. Will <em class="gesperrt">Mehemet-Ali</em> das zweckmäßige Sperrsystem der
-Europäer nachahmen, so soll er ihm nicht Kopf und Hände abschneiden,
-er soll es in seinem ganzen Umfange aufnehmen, er soll wenigstens
-Gebäude aufführen, worin der Kontumazirende doch vor dem Ungestüme
-der Witterung möglichst sicher bleibt. Wie froh wäre ich gewesen,
-wenn nur eine elende Araber-Hütte, dergleichen man in Alexandrien und
-an den Gestaden des Nils und auf den Hosch in Kairo sieht, zu meiner
-Verfügung gestellt worden wäre. Man wird vermuthlich entgegnen, daß
-das europäische Sperrsystem in seiner Ganzheit befolgt, bloß den
-Sitten und den Verhältnissen der Leute und des Landes angeeignet
-ward. Diesen schweren Irrthum widerlegt nichts gründlicher und
-triftiger, als die Quarantäneanstalt zu El-Arysch selbst, insofern
-man sie mit unbe<span class="pagenum"><a name="Seite_335" id="Seite_335">[S. 335]</a></span>fangenen Augen betrachtet. So lange man in der That
-dem unwidersprechlich großen Uebel nicht steuert; so lange wird der
-aufmerksame Beobachter in der fraglichen Anstalt nichts, als ein
-Blendwerk für die Bewohner der vorwärts liegenden Länder erblicken,
-so lange kann er auch den Gedanken an eine ungerechte und grausame
-Behandlung der Kontumazirenden nicht daniederhalten.</p>
-
-<p>In Kairo besteht ein Gesundheitsrath, welcher das Gesundheitswohl der
-vizeköniglichen Unterthanen, eigentlich mehr der Soldaten, überwacht.
-Es wäre gut, wenn er nicht nur die anzustellenden Aerzte der Armee und
-der Quarantänen, die Lehrer der Schule zu Abusabel dem Kriegsminister
-vorschlüge, etwa einige Arzneiformeln für die angestellten Aerzte
-entwärfe, die Pestordnung abfaßte, sondern wenn er allenthalben genauer
-<em class="gesperrt">beaufsichtigte</em>. Die Inspekzionsreise eines gewissenhaften
-Arztes nach El-Arysch müßte die Frucht bringen, daß einem Unwesen,
-welches das menschliche Gefühl in seiner Tiefe beleidigt, Einhalt
-gethan würde. Wenn mich jemals ein Kitzel zum Schreiben an eine fremde
-Behörde angewandelt hätte, so würde ich ihn diesmal gefühlt haben, um
-dem Präsidenten des Gesundheitsrathes, <em class="gesperrt">Clot-Bei</em>, und dem zweiten
-Mitgliede, <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Gaëtani</em>, die Schattenseite der Quarantäne
-zu schildern. Ich ging für einmal über die Sache mit Stillschweigen<span class="pagenum"><a name="Seite_336" id="Seite_336">[S. 336]</a></span>
-hinweg, mich glücklich genug schätzend, daß ich während der Zeit meines
-Gefängnisses von keiner Krankheit ergriffen ward.</p>
-
-<p>Die letzte Nacht in der Quarantäne verlief nicht, ohne daß uns ein
-Kapitel über das Eigenthumsrecht gelesen wurde. Thiere schlichen in
-unser Lager, und wirklich ward ein, mittels einer Schnur innen an das
-Zelt gebundenes lebendes Huhn von einem Hunde oder Schakal geraubt.</p>
-
-<p class="center mtop3"><em class="gesperrt">Ende des ersten Bandes.</em></p>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s3 center padtop3"><b>Verbesserungen im ersten Bande</b>.</p>
-
-</div>
-
-<table class="verbesserungen" summary="Verbesserungen im ersten Band">
- <tr>
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- S.
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- Z.
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- von
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- oben
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- <td class="vat">
- lies
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- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#Salvore">Salvore</a></em> statt
- <em class="gesperrt">Savore</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- <td class="vat">
- &#8199;25
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- <td class="vat">
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- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#einem">einem Andern</a></em> st.
- <em class="gesperrt">einen Andern</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- 10
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- <td class="vat">
- unten
- </td>
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- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- bunt <a href="#bunt">darauf, der</a> Dorfschulze, versteht sich, am breitesten.
- <em class="gesperrt">Cesare</em> etc.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;36
- </td>
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- &#8199;1
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- oben
- </td>
- <td class="vat" colspan="2">
- setze <a href="#nach_Gebirge">nach
- <em class="gesperrt">Gebirge</em> ein ,</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- </td>
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- &#8199;44
- </td>
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- 10
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- <td class="vat">
- lies
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- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#Vor">Vor</a></em> gutem Winde.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- &#8199;48
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- unten
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- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#anhaben">anhaben</a></em> st.
- <em class="gesperrt">anheben</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- 11
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- <em class="gesperrt"><a href="#von">vor</a></em> st. <em class="gesperrt">von</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- &nbsp;„
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- &#8199;64
- </td>
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- </td>
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- &#8199;5
- </td>
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- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- oben
- </td>
- <td class="vat" colspan="2">
- streiche <a href="#keinkomma">nach
- <em class="gesperrt">Mela</em> das ,</a>
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- &nbsp;„
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- unten
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- lies
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- <em class="gesperrt"><a href="#Wild">Wild-</a></em> st.
- <em class="gesperrt">Waldgewächse</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- <em class="gesperrt"><a href="#unsanft">unsanft</a></em> st.
- <em class="gesperrt">umsonst</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;72
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat" colspan="5">
- 5 u. 4 von unten streiche
- <em class="gesperrt"><a href="#zu_observieren">zu observiren</a></em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;74
- </td>
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- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;8
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- <td class="vat">
- von
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- <td class="vat">
- unten
- </td>
- <td class="vat">
- lies
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#asphyktisch">asphyktisch</a></em> st.
- <em class="gesperrt">asphytisch</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
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- &nbsp;„
- </td>
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- &#8199;92
- </td>
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- &nbsp;„
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- &#8199;1
- </td>
- <td class="vat">
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- <td class="vat">
- oben
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
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- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#welcher">welcher</a></em> st.
- <em class="gesperrt">welches</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
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- <td class="vat">
- &#8199;95
- </td>
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- &nbsp;„
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- &#8199;6
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- <td class="vat">
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- </td>
- <td class="vab">
- von <a href="#Abendlaender">dem
- <em class="gesperrt">Abendländer</em></a>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
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- <td class="vat">
- 122
- </td>
- <td class="vat">
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- &#8199;3
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- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#Geknirre">Geknirre</a></em> st.
- <em class="gesperrt">Gewirre</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 131
- </td>
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- &nbsp;„
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- <td class="vat">
- &#8199;6
- </td>
- <td class="vat">
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- &ensp;„
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- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#Schubbra">Schubbra</a></em> st.
- <em class="gesperrt">Subbra</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 137
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
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- <td class="vat">
- &#8199;6
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- <td class="vat">
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- <td class="vat">
- unten
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- &ensp;„
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- <em class="gesperrt"><a href="#Chamsin">Chamsîn</a></em> st.
- <em class="gesperrt">Chamasîn</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 142
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- &nbsp;„
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- <td class="vat">
- 11
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- <td class="vat">
- &ensp;„
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- <td class="vat">
- oben
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- <td class="vat">
- &ensp;„
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- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#lebt">lebt</a></em> st.
- <em class="gesperrt">liebt</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
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- <td class="vat">
- 148
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
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- <td class="vat">
- &#8199;6
- </td>
- <td class="vat">
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- <td class="vat">
- unten
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- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#Flitter">seinen Flitter</a></em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
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- 151
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- &#8199;3
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- oben
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#Gisa">Gîsa</a></em> st.
- <em class="gesperrt">Gisâ</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 163
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
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- <td class="vat">
- &#8199;9
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- <td class="vat">
- &ensp;„
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- unten
- </td>
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- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#fischartige">fischartige</a></em> st.
- <em class="gesperrt">frischartige</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 170
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;8
- </td>
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- <td class="vat">
- oben
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#Gebrauch">Gebrauch</a></em> st.
- <em class="gesperrt">Geruch</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 178
- </td>
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- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;8
- </td>
- <td class="vat">
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- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#bekehren">bekehren</a></em> st.
- <em class="gesperrt">belehren</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 212
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;9
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- unten
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#des_Guertels">des Gürtels</a></em> st.
- <em class="gesperrt">der Gürtel</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 213
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 11
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- oben
- </td>
- <td class="vat" colspan="2">
- lösche <em class="gesperrt"><a href="#kein_es">es</a></em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 219
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;2
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- lies
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#staechen">stächen</a></em> st.
- <em class="gesperrt">stechen</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 254
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;4
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- unten
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- Abbate <a href="#Abbate"><em class="gesperrt">Casti</em>
- <span class="antiqua">gli animali</span></a>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 261
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;1
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- von <em class="gesperrt"><a href="#dem_Mitmenschen">dem</a></em> Mitmenschen.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 272
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 11
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- oben
- </td>
- <td class="vat" colspan="2">
- setze ein <a href="#Doppelpunkt">: nach <em class="gesperrt">Klinik</em></a>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 278
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;7
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- lies
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#echt">echt</a></em> st.
- <em class="gesperrt">recht</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 279
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;8
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#erwecken">erwecken</a></em> st.
- <em class="gesperrt">erzwecken</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 280
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;9
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- unten
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#Matthiolus">Matthiolus</a></em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 284
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;9
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#ritt">ritt</a></em> st.
- <em class="gesperrt">will</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 287
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 10
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <span class="antiqua"><a href="#ed">ed</a></span> st.
- <span class="antiqua">e</span>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 298
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;4
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- oben
- </td>
- <td class="vat" colspan="2">
- setze ein <a href="#Semikolon">; vor
- <em class="gesperrt">Idumäa</em></a>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 305
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;9
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- lies
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#knirrte">knirrte</a></em> st.
- <em class="gesperrt">kirrte</em>.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- 306
- </td>
- <td class="vat">
- &nbsp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &#8199;8
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vat">
- &ensp;„
- </td>
- <td class="vab">
- <em class="gesperrt"><a href="#er">er</a></em> st.
- <em class="gesperrt">es</em>.
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<p>Nicht sinnstörende Druckfehler (z. B. 1, 19 <a href="#Schemmel">Schemmel</a>
-st. <em class="gesperrt">Schemel</em>, 1, 103 <a href="#Letze">Letze</a> st.
-<em class="gesperrt">Letzte</em>, 1, 123 <a href="#faullenzt">faullenzt</a> st.
-<em class="gesperrt">faulenzt</em>, 1, 181 <a href="#schlossen">schlossen</a> st.
-<em class="gesperrt">schloßen</em>, 1, 211 <a href="#pauckte">pauckte</a>
-st. <em class="gesperrt">paukte</em>, 1, 303 <a href="#Regen">Regen</a> st.
-<em class="gesperrt">Regnen</em>, 2, 162 Montag st. <em class="gesperrt">Montags</em>), insbesondere der Interpunkzion,
-wenigstens im ersten Bande (z. B. <a href="#Seite_8">S. 8</a>,
-<a href="#Seite_26">26</a>, <a href="#Seite_28">28</a>), so wie auch die
-Ungleichheit in der Rechtschreibung (z. B. <em class="gesperrt">Kroazien</em> neben <em class="gesperrt">Kroatien</em>,
-<em class="gesperrt">lange Weile</em> neben <em class="gesperrt">Langeweile</em>, <em class="gesperrt">Pfennige</em> neben <em class="gesperrt">Pfenninge</em>, <em class="gesperrt">Bogen</em>
-neben <em class="gesperrt">Bögen</em>, <em class="gesperrt">Reiß</em> neben <em class="gesperrt">Reis</em>) wolle der Leser selbst verbessern.</p>
-
-<hr class="chap" />
-
-<div class="chapter">
-
-<p class="s3 center padtop3"><b>Inhalt des zweiten Bandes</b>.</p>
-
-</div>
-
-<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis 2. Band">
- <tr>
- <td class="ukap">
- &nbsp;
- </td>
- <td class="ste">
- Seite
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Reise nach Jerusalem
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;&#8199;1.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Einige geographische Bemerkungen über Syrien
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;13.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Einige Bemerkungen über die verschiedenen Religionsbekenntnisse
- der Bewohner in Syrien
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;15.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Gaza
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;28.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Fortsetzung der Reise nach Jerusalem
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;30.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Ende der Reise dahin
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;38.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kap">
- Jerusalem.
- </td>
- <td class="ste">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Oertliche und klimatische Verhältnisse
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;46.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Gesundheitszustand und Bevölkerung
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;52.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Bauart der Stadt
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;53.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Kirche des Christusgrabes
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;56.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Liegt das Grab <em class="gesperrt">Christi</em> in oder außer der
- jetzigen Stadt Jerusalem?
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;63.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Gräber der Könige
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;69.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Grabhöhle der <em class="gesperrt">Maria</em>
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;71.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Grabmale <em class="gesperrt">Absaloms</em>, <em class="gesperrt">Josaphats</em> und
- <em class="gesperrt">Zachariassen</em>
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;72.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Brunnen Siloah
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;73.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Felsanhöhe Zion
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;75.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Oelberg
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;79.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die übrigen Merkwürdigkeiten
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;81.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Physiologischer Karakter der Einwohner
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;82.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Sitten und Gebräuche
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;83.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Tracht
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;84.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Kriegsvolk
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;87.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Pilger
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;94.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Geist der Christen
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;97.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Ablaß der römisch-katholischen Kirche
- </td>
- <td class="ste">
- &#8199;99.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der alte deutsche Pater und die große Apotheke
- </td>
- <td class="ste">
- 102.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Meine Zelle im Kloster des Erlösers
- </td>
- <td class="ste">
- 104.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Führer um und in Jerusalem
- </td>
- <td class="ste">
- 106.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Rückblick auf Jerusalem
- </td>
- <td class="ste">
- 108.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Ausflug nach Bethlehem
- </td>
- <td class="ste">
- 110.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Die Beschiffung des Lothssees
- </td>
- <td class="ste">
- 115.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Nach Jaffa am Mittelmeere
- </td>
- <td class="ste">
- 116.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kap">
- Jaffa.
- </td>
- <td class="ste">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Lage, Gassen, Hafen, Bevölkerung
- </td>
- <td class="ste">
- 121.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Jaffa, wie es ehemals war
- </td>
- <td class="ste">
- 123.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Tageslänge
- </td>
- <td class="ste">
- 125.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Witterungsbeschaffenheit
- </td>
- <td class="ste">
- 127.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Meeressturm und der Schiffbruch
- </td>
- <td class="ste">
- 128.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Gesundheitszustand
- </td>
- <td class="ste">
- 132.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Auf dem Hospizdache
- </td>
- <td class="ste">
- 136.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Bauernhäuschen
- </td>
- <td class="ste">
- 138.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Quarantänegebäude oder Pestlazareth
- </td>
- <td class="ste">
- 145.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Jaffanerin kommunizirt, besprengt sich
- </td>
- <td class="ste">
- 147.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Jaffaner
- </td>
- <td class="ste">
- 149.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Pilger
- </td>
- <td class="ste">
- 150.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die arabische Knabenschule der Lateiner
- </td>
- <td class="ste">
- 152.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Gruß
- </td>
- <td class="ste">
- 156.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Brautwerbung und die Hochzeit
- </td>
- <td class="ste">
- 159.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Wöchnerin und das Kind
- </td>
- <td class="ste">
- 167.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Wiegenlied und Kinderjucks
- </td>
- <td class="ste">
- 170.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Verehrung der Todten
- </td>
- <td class="ste">
- 173.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Rekruten oder die Konskribirten
- </td>
- <td class="ste">
- 176.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Weinen oder die Raserei am Neujahrstage 1836
- </td>
- <td class="ste">
- 179.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- <em class="gesperrt">Ibrahim-Pascha</em>
- </td>
- <td class="ste">
- 184.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Kleine Petschaften oder Siegel
- </td>
- <td class="ste">
- 186.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Hakim
- </td>
- <td class="ste">
- 187.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Fleischbank
- </td>
- <td class="ste">
- 189.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Zuckerrohrmarkt
- </td>
- <td class="ste">
- 191.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Tabakschneider
- </td>
- <td class="ste">
- 193.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Nargilebediente; die Rauchvirtuosität
- </td>
- <td class="ste">
- 196.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Kaffeeröster und Kaffeezerstößer
- </td>
- <td class="ste">
- 197.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Baumwollereiniger und Schilfdeckenweber
- </td>
- <td class="ste">
- 199.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der wandernde Schiffer und Kinderspiele
- </td>
- <td class="ste">
- 201.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Spiel der älteren Leute
- </td>
- <td class="ste">
- 202.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Meine Lebensart
- </td>
- <td class="ste">
- 205.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Ich lese die Bibel
- </td>
- <td class="ste">
- 209.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Ein Pater sagt, ich werde des Teufels
- </td>
- <td class="ste">
- 210.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Wie die Gleißnerei im Namen der heiligen Religion einen
- Unschuldigen prügelt; laue Konsulats- und Mönchspolizei
- </td>
- <td class="ste">
- 212.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Konsul <em class="gesperrt">Damiani</em>; mein Besuch in
- seinem Hause
- </td>
- <td class="ste">
- 217.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Vorbereitung zur Abreise
- </td>
- <td class="ste">
- 222.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Nach Rhodos
- </td>
- <td class="ste">
- 226.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="kap">
- Rhodos.
- </td>
- <td class="ste">
- &nbsp;
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Lage, Himmel, Volkszahl
- </td>
- <td class="ste">
- 236.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Stadt Rhodos
- </td>
- <td class="ste">
- 238.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Das Leichenfeld
- </td>
- <td class="ste">
- 241.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Die Bewohner; das lateinische Hospiz; Knabenspiel; große Hähne
- </td>
- <td class="ste">
- 243.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Der Abend im Schiffsraume
- </td>
- <td class="ste">
- 247.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap1">
- Spaziergang gegen Trianda
- </td>
- <td class="ste">
- 248.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Nach Konstantinopel, Triest und heim
- </td>
- <td class="ste">
- 251.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Anleitung zu der Pilgerfahrt nach Jerusalem
- </td>
- <td class="ste">
- 256.
- </td>
- </tr>
- <tr>
- <td class="ukap">
- Schlußbetrachtungen
- </td>
- <td class="ste">
- 267.
- </td>
- </tr>
-</table>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="reklame">
-
-<p class="center break-before padtop1">Bei <em class="gesperrt">Orell</em>,
-<em class="gesperrt">Füßli</em> u. Comp. in <em class="gesperrt">Zürich</em>
-ist erschienen und in allen Buchhandlungen zu finden:</p>
-
-<p class="s3 center mtop1">Appenzellischer</p>
-
-<p class="s1 center"><em class="gesperrt"><b>Sprachschatz.</b></em></p>
-
-<p class="s3 center"><b>(<span class="antiqua">Idioticon.</span>)</b></p>
-
-<p class="s3 center">Eine Sammlung</p>
-
-<p class="hang1">appenzellischer Wörter, Redensarten, Sprüchwörter, Räthsel,
-Anekdoten, Sagen, Haus- und Witterungsregeln, abergläubischer
-Dinge, Gebräuche und Spiele, würzender Lieder oder Reime; nebst
-analogischer, historischer und etymologischer Bearbeitung einer
-Menge von Landeswörtern, zum Theil nach altteutschen Handschriften
-der katholischen Kantonsbibliothek in St. Gallen,</p>
-
-<p class="center"><em class="gesperrt">Herausgegeben</em></p>
-
-<p class="center">von</p>
-
-<p class="s3 center"><b><span class="antiqua">Dr.</span> Titus Tobler.</b></p>
-
-<p class="center">gr. Real-8. 522 Seiten. Weiß Druckpapier.<br />
-Preis: 8 Schweizerfranken.</p>
-
-<p>Es bedarf nur eines flüchtigen Blickes in diese ausgezeichnete,
-verdienstvolle Sammlung, um ihren Werth zu erkennen und sie lieb zu
-gewinnen. Hier ist der weltbekannte, fröhliche, kräftige Witz des
-Appenzellers in seiner originellen Volkssprache, sein heiterer, freier
-Geist in den mannigfaltigsten Aeußerungen und Beziehungen auf das Leben
-reichlich ausgebreitet. Gründliche Sprachforschung und gleichzeitig
-anziehende Unterhaltung wechseln in buntem Gemische.</p>
-
-<p>Freunde des schönen Alpenlandes, die Kurgäste, so jährlich Gais und die
-übrigen Kurorte des Kantons Appenzell besuchen und mit den Bewohnern
-desselben in Berührung kommen, erhalten durch diesen Sprachschatz den
-Schlüssel zu mancher geistreichen und originellen Aeußerung, die sonst
-größtentheils für sie verloren geht oder unverständlich bleibt. Ihnen,
-sowie den gelehrten Sprachforschern überhaupt, darf dieses, von dem
-achtungswerthen Herrn Verfasser mit unermüdlichem Fleiß entworfene,
-lebendige Volksgemälde, eine wahre Bereicherung öffentlicher
-Bibliotheken, mit Zuversicht anempfohlen werden.</p>
-
-</div>
-
-<div class="figcenter">
- <a id="anzeige" name="anzeige">
- <img class="mtop2" src="images/anzeige.jpg"
- alt="" /></a>
- <p class="caption s5">Original-Abbildung</p>
-</div>
-
-<hr class="full" />
-
-<div class="chapter">
-
-<div class="footnotes">
-
-<p class="s2 center"><b>Fußnoten:</b></p>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_1_1" id="Fussnote_1_1"></a><a href="#FNAnker_1_1"><span class="label">[1]</span></a> <span class="antiqua">Unicuique dedit vitium natura creato.
-Catull.</span> II. 18.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_2_2" id="Fussnote_2_2"></a><a href="#FNAnker_2_2"><span class="label">[2]</span></a> Das so oft vorkommende Wort Araber kann keinen Anstoß
-geben. Man nennt Araber, die arabisch sprechen, Deutsche, die deutsch
-reden, und auch die Schweizer heißen zum Theile Deutsche. Die arabische
-Sprache herrscht aber nicht bloß in Arabien, sondern auch in Syrien
-und im ganzen Norden von Afrika. Darum wird der Egypzier so oft Araber
-genannt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_3_3" id="Fussnote_3_3"></a><a href="#FNAnker_3_3"><span class="label">[3]</span></a> <i>Prosperi Alpini</i> <span class="antiqua">medicina Aegyptiorum</span>. <span class="antiqua">Editio
-nova. L. B., officina Boutesteinia, 1719.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_4_4" id="Fussnote_4_4"></a><a href="#FNAnker_4_4"><span class="label">[4]</span></a> Da ich eine genauere Beschreibung der Krankenhäuser für
-das größere Publikum nicht berechnen durfte, so übersandte ich sie dem
-Herausgeber der schweizerischen Zeitschrift für Natur- und Heilkunde,
-(Heilbronn bei Drechsler), Herrn Professor <em class="gesperrt">von Pommer</em>, wo auch
-andere auf der Reise gesammelte medizinische Kleinigkeiten aus meiner
-Feder sich finden. S. II. Band 2. Heft S. 314 ff., III.
-Bd. 1. Heft S. 130 ff., und III. Bd. 3. Heft S. 435 ff.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_5_5" id="Fussnote_5_5"></a><a href="#FNAnker_5_5"><span class="label">[5]</span></a> Er erlag der Pest in der pestfreien Zeit, wenigstens in
-einer Zeit, da die Europäer keine Vorsichtsmaßregeln gegen die Pest
-nahmen. Die Nachricht seines Ablebens erhielt ich, nachdem ich schon
-von Alexandrien abgereist war. Vierzehn Tage vorher drückte ich die
-Hand des wackern Landsmannes, Herrn <em class="gesperrt">Wehrli</em>, wenn ich nicht irre,
-aus dem Kanton Aargau.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_6_6" id="Fussnote_6_6"></a><a href="#FNAnker_6_6"><span class="label">[6]</span></a> „<span class="antiqua">... ut a propinquarum urbium plebe verri sibi vias,
-et conspergi propter pulverem exigeret.</span>“ <em class="gesperrt">Suetonius</em> aus dem
-Leben <em class="gesperrt">Caligula’s</em> (XLIII).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_7_7" id="Fussnote_7_7"></a><a href="#FNAnker_7_7"><span class="label">[7]</span></a> „Ich wagte nicht“, sagt <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Jakob Röser</em>
-(224), „in die Höhlen zu kriechen, theils wegen meines Uebelbefindens,
-von dem ich noch nicht ganz frei war, theils der Schlangen und des
-Ungeziefers wegen, das sich häufig darin aufhält.“</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_8_8" id="Fussnote_8_8"></a><a href="#FNAnker_8_8"><span class="label">[8]</span></a> Ich kenne im Deutschen kein Wort für den morgenländischen
-Sitz mit kreuzweise über einander geschlagenen Beinen. Um
-kurz zu reden, wählte ich <em class="gesperrt">hocken</em>; <em class="gesperrt">von Prokesch</em>
-schreibt <em class="gesperrt">hockern</em>. Wenn die Leute, zumal häufig die Weiber,
-<em class="gesperrt">eigentlich</em> kauerten, oder mit aufgehobenen Knieen saßen,
-so will ich mich auch so ausdrücken. <em class="gesperrt">Hocken</em> klingt für die
-Abendländer freilich niedrig; aber es wäre für diese auch nicht fein,
-schneidermäßig hinzusitzen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_9_9" id="Fussnote_9_9"></a><a href="#FNAnker_9_9"><span class="label">[9]</span></a> Um der Wahrheit nichts zu vergeben, finde ich mich zu
-der für mich unangenehmen Bemerkung verpflichtet, daß die an einem
-Tage zurückgelegten Ortschaften nur für dasjenige Ufer eigentlich
-verläßlich sind, wo wir ankehrten, weil ich damals der Sache nicht
-genug Aufmerksamkeit schenkte, um zugleich den Namen des Ortes am
-anderseitigen Ufer zu erfragen, welcher dem Uebernachtungsplatze
-am nächsten lag. Meine Ortsnamen weichen hin und wieder von denen
-des <em class="gesperrt">von Prokesch</em> ab, indem ich der verbessernden Hülfe des
-französischen Dragoman vertraute. Wenn z. B. eine Dorfschaft nicht
-wieder in diesem Verzeichnisse aufgeführt wird, so muß der Grund darin
-gesucht werden, daß sie seit <em class="gesperrt">von Prokeschs</em> Nilfahrt verschwunden
-ist. Müssen im Abendlande außerordentliche Umstände zusammenfließen,
-bis ein Dorf der Erde gleich wird, so ist es in Egypten anders, wo das
-furchtbare Szepter des Wütherichs am Haare der Laune hängt, und die
-leichtfertige Hand der Landesknechte sich Schwalbennester baut. Wer auf
-eine richtigere Aussprache der Ortsnamen einiges Gewicht legen möchte,
-findet die Zeichen im folgenden, von mir herausgegebenen Werke erklärt:
-<em class="gesperrt">Appenzellischer Sprachschatz.</em> Zürich, 1837, bei Orell, Füßli und
-Comp. S. XXVI. und XXVII.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_10_10" id="Fussnote_10_10"></a><a href="#FNAnker_10_10"><span class="label">[10]</span></a> Die Hütten, noch aus Alexandrien in frischem Andenken,
-erwähne ich nicht. Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten in
-Kairo zwei und dreißig mit Hütten besetzte Plätze (Hôsch, <span class="antiqua">place avec
-des cahutes</span>).</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_11_11" id="Fussnote_11_11"></a><a href="#FNAnker_11_11"><span class="label">[11]</span></a> Nach den Gelehrten des französischen Feldzuges hatte
-Kairo 233 mohammetanische Großkirchen (Gâma’), 158 Kleinkirchen
-(Kapellen, Sâuyeh), 27 christliche Kirchen (in Alt- und Großkairo), 10
-Synagogen, 45 Hauptbäder, 171 Außen- und Binnenpforten.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_12_12" id="Fussnote_12_12"></a><a href="#FNAnker_12_12"><span class="label">[12]</span></a> Die Gelehrten des französischen Feldzuges geben, ohne
-eine zertrümmerte Moschee zu rechnen, der Burg allein sieben Gâma’,
-nämlich: Gâma’ Tâg el-Dyn, Gâma’ el-Schâryeh, Gâma’ el-Dahâysche, Gâma’
-sultân Kalaun, Gâma’ el-A’ssab, Gâma’ el-Moyed, Gâma’ el-Mustafâujeh.
-<span class="antiqua">Description de l’Égypte, 2. édit. Tome XVIII. (E. M.) 2. part.
-Paris, Panckoucke, 1829. Pag. 288. sqq.</span></p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_13_13" id="Fussnote_13_13"></a><a href="#FNAnker_13_13"><span class="label">[13]</span></a> Schweizerisch <em class="gesperrt">Buffert</em>.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_14_14" id="Fussnote_14_14"></a><a href="#FNAnker_14_14"><span class="label">[14]</span></a> Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten über
-achtunddreißig.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_15_15" id="Fussnote_15_15"></a><a href="#FNAnker_15_15"><span class="label">[15]</span></a> Früher gab es sogenannte <em class="gesperrt">Santone</em> (Heilige), welche
-fadennackend auf Pferden herumritten. Es ist nicht lange her, daß der
-Vizekönig sie in ein Versorgungshaus schickte, und so begegnet der
-ärgerliche Auftritt nicht mehr.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_16_16" id="Fussnote_16_16"></a><a href="#FNAnker_16_16"><span class="label">[16]</span></a> <em class="gesperrt">Salomo Schweigger</em> fragte in Konstantinopel nach
-dem Grunde dieses „Schöpfleins.“ Es ward ihm geantwortet, daß, wenn der
-Moslim dem Feinde zu Theil werde, und um das Haupt komme, alsdann der
-Kopf am Haarbüschel gefaßt, und ihm nicht mit der Hand in den Maulkorb
-(Mund) gegriffen werde, die ihn verunreinigen würde.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_17_17" id="Fussnote_17_17"></a><a href="#FNAnker_17_17"><span class="label">[17]</span></a> Es ist bekannt, daß es in Egypten Oefen gibt, worin die
-Hühnereier ausgebrütet werden. Es verdrießt mich, keinen gesehen zu
-haben. Hundert eben aus dem Ei gekrochene Küchelchen gelten drei bis
-vier Piaster (höchstens einen Reichsgulden) bei Kairo. Zur Brütung
-gehört Wärme überhaupt. Die Hühnerwärme ist nicht unerläßlich. Als
-<em class="gesperrt">Livia</em>, die Mutter des <em class="gesperrt">Tiberius</em>, ein Kind unter ihrem
-Herzen trug, wollte sie durch verschiedene Wahrzeichen erfahren, ob es
-ein Knäbchen sei. Von einer Bruthenne nahm sie auch ein Ei, erwärmte
-dieses bald mit ihrer Hand, bald mit derjenigen ihrer Zofen, so lange,
-bis ein Küchelchen mit einem ausgezeichneten Kamme herausschlüpfte.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_18_18" id="Fussnote_18_18"></a><a href="#FNAnker_18_18"><span class="label">[18]</span></a> Die Gelehrten des französischen Feldzuges zählten 120
-Zisternen. Der obere Stock dieser Wassergebäude nimmt gewöhnlich eine
-Freischule ein. Es waren nach einer Beschreibung von Alt-Kairo aus
-dem sechszehnten Jahrhunderte in dieser Stadt bei 8000 Menschen, die
-allein mit Kameelen Wasser von dem Nil in dieselbe schafften, um es zu
-verkaufen, wovon der größere Theil dazu diente, die Gassen zu benetzen,
-und dadurch den Staub niederzuschlagen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_19_19" id="Fussnote_19_19"></a><a href="#FNAnker_19_19"><span class="label">[19]</span></a> Man mag eine Stelle des <em class="gesperrt">Juvenal</em> (<i>Jun. Juvenalis
-sat.</i> II. <span class="antiqua">v.</span> 19) beliebig mit der Bajadere in Verbindung
-bringen. Von den aufrichtigen Sündern redend, fährt er fort:</p>
-
-<div class="poetry-container antiqua">
- <div class="poetry">
- <div class="stanza">
- <div class="verse">Sed pejores, qui talia verbis</div>
- <div class="verse">Herculis invadunt et de virtute loquuti</div>
- <div class="verse">Clunem agitant.</div>
- </div>
- </div>
-</div>
-
-</div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_20_20" id="Fussnote_20_20"></a><a href="#FNAnker_20_20"><span class="label">[20]</span></a> Später kehrte <em class="gesperrt">Enfantin</em> wieder nach Frankreich
-zurück.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_21_21" id="Fussnote_21_21"></a><a href="#FNAnker_21_21"><span class="label">[21]</span></a> Sie gehörten dem protestantischen Missionariate. Es
-wurden ungemein wenig abgesetzt. Ich sah einmal einen vorübergehenden
-Mohammetaner anhalten und eine Bibel aufschlagen; kaum schielte er den
-Titel recht an, als er sie wieder aus der Hand legte.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_22_22" id="Fussnote_22_22"></a><a href="#FNAnker_22_22"><span class="label">[22]</span></a> Der Mann starb auf einer Kurreise nach Oberegypten im
-Jahr 1837.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_23_23" id="Fussnote_23_23"></a><a href="#FNAnker_23_23"><span class="label">[23]</span></a> Die Gelehrten des französischen Feldzuges rechneten
-sechszehn Leichenfelder auf das Innere der Stadt. Die Franken werden in
-Altkairo begraben.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_24_24" id="Fussnote_24_24"></a><a href="#FNAnker_24_24"><span class="label">[24]</span></a> Der Leser darf der Bezeichnung des armenischen und
-griechischen Klosters nicht mehr trauen, als ich selbst traue, <em class="gesperrt">unter
-der Leitung eines Arabers</em>. Im griechischen Kloster schon wollte
-er mich im koptischen wissen. Hier gelang es nicht, mich zu täuschen,
-da ich nichts einer Höhle ähnliches erkannte. Am armenischen und
-griechischen Kloster liegt indessen sehr wenig, und am koptischen
-Alles; letzteres aber zu bezweifeln, wäre Zweifelsucht.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_25_25" id="Fussnote_25_25"></a><a href="#FNAnker_25_25"><span class="label">[25]</span></a> Die Schriftsteller verlegen den Anfang des Nilwachses
-in ein wenig verschiedene Zeitpunkte; in den ersten Neumond nach dem
-längsten Tag <em class="gesperrt">Plinius</em>, in den sechszehnten Tag nach demselben
-die offizielle Mittheilung des französischen Feldzuges, in den 5.
-Junius <em class="gesperrt">Alpinus</em>, in den 19. <em class="gesperrt">Volney</em>, in das Ende vom
-Junius <em class="gesperrt">Rifaud</em>. <em class="gesperrt">Alpinus</em> erzählte von sehr interessanten
-Versuchen, um nach gewissen Zeichen vorauszusagen, wie hoch der
-Nilstrom steigen werde.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_26_26" id="Fussnote_26_26"></a><a href="#FNAnker_26_26"><span class="label">[26]</span></a> Auch die Bibel hat uns das Andenken dieser Stadt bewahrt.
-Wir lesen aus dem 1. Buche <em class="gesperrt">Moses</em> im 45. Verse des 41. Kapitels,
-daß der egyptische König oder Pharao dem Statthalter <em class="gesperrt">Josef</em>,
-<em class="gesperrt">Jakobs</em> Sohn, <em class="gesperrt">Aseneth</em>, die Tochter <em class="gesperrt">Potiphars</em>, eines
-Priesters zu Heliopolis (Sonnenstadt), zum Weibe gab.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_27_27" id="Fussnote_27_27"></a><a href="#FNAnker_27_27"><span class="label">[27]</span></a> Ich gebe zu, daß ich hier, wie weiter unten, in
-Schreibung der Namen vielleicht fehle; allein auch dieses Fehlen
-wird von Werth sein; denn ich verließ mich auf einen als Apotheker
-Angestellten, und so läßt sich dann mehr und minder beurtheilen, auf
-welcher Stufe von Kenntnissen dergleichen hochgestellte Männer bei
-Abusabel stehen.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_28_28" id="Fussnote_28_28"></a><a href="#FNAnker_28_28"><span class="label">[28]</span></a> Der Reisende, sagt <span class="antiqua">Dr.</span> <em class="gesperrt">Röser</em>, wird durch
-das ihn umschwärmende und gefährliche Beduinengesindel, die mit Keulen
-und Pistolen bewaffnet sind, von der ernsten und ruhigen Betrachtung
-abgezogen, daher Jedem, der die Pyramiden besuchen will, zahlreiche
-Gesellschaft und Vorsicht anzurathen ist; denn es ist bekannt, daß dies
-arme, nackte Volk wegen einer Kleinigkeit einen Menschen todtschlägt.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_29_29" id="Fussnote_29_29"></a><a href="#FNAnker_29_29"><span class="label">[29]</span></a> Wie hoch die Aerzte aus der Abusabler-Schule gewerthet
-werden, erhellt schon daraus, daß man einem Europäer, welcher von der
-Medizin rein nichts versteht, einen solchen Arzt unterordnet.</p></div>
-
-<div class="footnote">
-
-<p><a name="Fussnote_30_30" id="Fussnote_30_30"></a><a href="#FNAnker_30_30"><span class="label">[30]</span></a> Auf arabisch <em class="gesperrt">Abu</em>, Vater. Sobald der Araber Vater
-eines Sohnes ist, so wird er nach dem Namen desselben geheißen. Hatte
-bei uns der Vater einen Sohn mit Namen Wilhelm, so wurde der Araber im
-bessern Tone erstern nie anders, als <em class="gesperrt">Vater Wilhelms</em> heißen.</p></div>
-
-</div>
-
-</div>
-
-<p>&nbsp;</p>
-<p>&nbsp;</p>
-<hr class="pg" />
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-<p>1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
-Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than
-are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
-from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The
-Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm
-trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below.</p>
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-<p>1.F.</p>
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-effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
-works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
-Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm
-electronic works, and the medium on which they may be stored, may
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-with your written explanation. The person or entity that provided you
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-the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
-without further opportunities to fix the problem.</p>
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-in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO
-OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
-LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.</p>
-
-<p>1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
-warranties or the exclusion or limitation of certain types of
-damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
-violates the law of the state applicable to this agreement, the
-agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
-limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
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-electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
-including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
-the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
-or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
-additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
-Defect you cause. </p>
-
-<h3 class="pg">Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm</h3>
-
-<p>Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
-electronic works in formats readable by the widest variety of
-computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
-exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
-from people in all walks of life.</p>
-
-<p>Volunteers and financial support to provide volunteers with the
-assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
-goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
-remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
-Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
-and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
-generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
-Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
-www.gutenberg.org.</p>
-
-<h3 class="pg">Section 3. Information about the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation</h3>
-
-<p>The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
-501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
-state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
-Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
-number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
-U.S. federal laws and your state's laws.</p>
-
-<p>The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
-mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
-volunteers and employees are scattered throughout numerous
-locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
-Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
-date contact information can be found at the Foundation's web site and
-official page at www.gutenberg.org/contact</p>
-
-<p>For additional contact information:</p>
-
-<p> Dr. Gregory B. Newby<br />
- Chief Executive and Director<br />
- gbnewby@pglaf.org</p>
-
-<h3 class="pg">Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
-Literary Archive Foundation</h3>
-
-<p>Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
-spread public support and donations to carry out its mission of
-increasing the number of public domain and licensed works that can be
-freely distributed in machine readable form accessible by the widest
-array of equipment including outdated equipment. Many small donations
-($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
-status with the IRS.</p>
-
-<p>The Foundation is committed to complying with the laws regulating
-charities and charitable donations in all 50 states of the United
-States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
-considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
-with these requirements. We do not solicit donations in locations
-where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
-DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
-state visit <a href="http://www.gutenberg.org/donate">www.gutenberg.org/donate</a>.</p>
-
-<p>While we cannot and do not solicit contributions from states where we
-have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
-against accepting unsolicited donations from donors in such states who
-approach us with offers to donate.</p>
-
-<p>International donations are gratefully accepted, but we cannot make
-any statements concerning tax treatment of donations received from
-outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.</p>
-
-<p>Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
-methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
-ways including checks, online payments and credit card donations. To
-donate, please visit: www.gutenberg.org/donate</p>
-
-<h3 class="pg">Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.</h3>
-
-<p>Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
-Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
-freely shared with anyone. For forty years, he produced and
-distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
-volunteer support.</p>
-
-<p>Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
-editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
-the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
-necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
-edition.</p>
-
-<p>Most people start at our Web site which has the main PG search
-facility: www.gutenberg.org</p>
-
-<p>This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
-including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
-Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
-subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.</p>
-
-</body>
-</html>
-
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