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diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..9fdf5d2 --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #61073 (https://www.gutenberg.org/ebooks/61073) diff --git a/old/61073-0.txt b/old/61073-0.txt deleted file mode 100644 index d509d6b..0000000 --- a/old/61073-0.txt +++ /dev/null @@ -1,9840 +0,0 @@ -The Project Gutenberg EBook of Südamerika, by Colin Ross - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Südamerika - die aufsteigende Welt - -Author: Colin Ross - -Release Date: January 1, 2020 [EBook #61073] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÜDAMERIKA *** - - - - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - - - - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1922 so weit - wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler - wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und altertümliche - Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert, sofern - die Verständlichkeit des Textes dadurch nicht beeinträchtigt wird. - Rechtschreibvarianten wurden nicht vereinheitlicht, wenn diese im - Text mehrmals auftreten. - - Die Überschrift des 1. Kapitels (‚Deutsche Auswanderer im - Atlantik‘) fehlt im Original und wurde vom Bearbeiter anhand des - Inhaltsverzeichnisses eingefügt. Das Original wurde in einer - Frakturschrift gedruckt, in welcher die Großbuchstaben ‚I‘ und - ‚J‘ nicht unterscheidbar sind; dementsprechend wurden im Register - Begriffe mit diesen Anfangsbuchstaben gemeinsam aufgeführt. - In der vorliegenden Ausgabe wurden, den heutigen Gewohnheiten - entsprechend, die Begriffe den Anfangsbuchstaben gemäß getrennt - angegeben. - - Besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit - den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet: - - Fettdruck: =Gleichheitszeichen= - gesperrt: +Pluszeichen+ - Antiqua: ~Tilden~ - - #################################################################### - - - - -[Illustration: La Paz, mit dem Illimani im Hintergrund.] - - - - - ~COLIN ROSS~ - - - Südamerika - die aufsteigende - Welt - - ~MIT 54 ABBILDUNGEN - UND 2 KARTEN~ - - [Illustration] - - ~LEIPZIG, F · A · BROCKHAUS~ - - 1922 - - - - - Copyright 1922 by F. A. Brockhaus, Leipzig. - - - - -Vorwort. - - Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag. - - Goethe, Faust. - - -Der Wunsch, Pionierdienste zu leisten, Neuland zu finden, mitzuhelfen, -Brot und Lebensmöglichkeiten für die Tausende zu erschließen, denen -Krieg und Revolution sie genommen, war die Triebfeder zu dieser -Reise. Vielleicht auch ein wenig Müdigkeit und Enttäuschung, daß nach -furchtbarer seelischer und körperlicher Aufregung und Anstrengung -während vier Kriegsjahren auch die Revolution fast alle Blütenträume -welken ließ, die reiner Enthusiasmus nach ihrem Aufflammen von ihr -erhofft hatte. - -Neue Ufer! Zweimaliger Besuch in den Vereinigten Staaten und in Mexiko -in der Vorkriegszeit hatte gelehrt, daß die Neue Welt längst im -gleichen Pulsschlag mit der Alten Welt lebte und daß die unbegrenzten -Möglichkeiten einer Begrenzung entgegengingen, die auch ohne Teilnahme -am Weltkrieg schwere soziale Erschütterungen im Gefolge haben mußte. -Aber Südamerika, Brasilien, Argentinien, Chile: mußte nicht hier -Neuland in unbegrenzter Ausdehnung sein? Lockte nicht an diesen Ufern -ein neuer Tag? - -Der erste Eindruck überwältigte. Fülle, Reichtum, Gedeihen, unbegrenzte -Möglichkeiten und scheinbare Unberührtheit von all den Problemen, die -die Alte Welt zerfleischen. Es war ein Irrtum. Je länger man in diesem -Kontinent reist, desto mehr wird man durchdrungen von der Einheit der -Menschheit von heute. Gewiß, man kann sich auf eine weltferne Estancia -setzen, man kann sich in ein unbekanntes Kordillerennest flüchten, aber -das Bibelwort bleibt bestehn: „Und flöhe ich an die äußersten Meere....“ - -Gewiß, es gibt hier noch unbestellten wertvollen Ackerboden, -königreichgroß. Es gibt noch unabgeholzte Wälder von unermeßlichem -Wert. Es gibt Mineralschätze in unbegrenzter Menge. Es gibt -Möglichkeiten, industrieller, kaufmännischer, selbst künstlerischer und -literarischer Art, wie sie die Alte Welt nicht bietet. Sicher kann der -Gewandte, der Energische, der Skrupellose raschen Reichtum erwerben. -Aber neue Ufer, ein neuer Tag? - -Fast scheinen sich die Verhältnisse zu verschieben, wie sich im Süden -die Sternbilder am Himmel umkehren, und die Alte Welt erscheint als die -neue, die Neue die alte. Wer an den politischen und wirtschaftlichen -und sozialen Formen hängt, die Krieg und Revolution gewandelt, wird in -der Neuen Welt noch alles finden, dem er nachtrauert. In Südamerika -gibt es noch herrschende, bevorzugte Klassen, dort gibt es noch den -Herrn-im-Hause-Standpunkt und gibt es rücksichtslose Ausbeutung -wirtschaftlich Schwacher. - -Aber genau wie die politischen Ideen der großen Französischen -Revolution einst den Atlantik übersprangen und in Südamerika zum -Freiheitskampf und zur Abschüttelung der spanischen Herrschaft führten, -genau so dringen jetzt die sozialen Ideen des Abendlands bis in die -fernste Pampa und bis in das verborgenste Indianerdorf, trotz aller -Absperrungsversuche, trotz aller „~leyes de residencia~“, trotz aller -Bemühungen, „bolschewistische Elemente“ fernzuhalten. - -Eine große Gefahr bedroht diesen Kontinent, der so überreich ist an -Schätzen, daß jeder einzelne seiner Bewohner ein sorgenloses Leben -führen könnte. Wie damals die Abschüttelung des spanischen Jochs -unter dem Einfluß der Ideen der Französischen Revolution jahre- und -jahrzehntelange Unruhen, Chaos und Anarchie in jenen Ländern zur Folge -hatte, die für „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ noch in keiner -Weise reif waren, genau so liegt heute die Gefahr vor, daß sich die -soziale Entwicklung überschlägt. Es handelt sich zu einem großen Teil -um Volkselemente, die weder lesen noch schreiben können, um Indianer -und Halbindianer, um wirtschaftlich und sozial unterdrückte Klassen, -die bisher in einer Art patriarchalischer Abhängigkeit, ja in halber -Leibeigenschaft gehalten wurden. Rationale Momente und Rassengefühle -wirken mit. - -Eine täglich wachsende, in Ländern natürlichen Überflusses -doppelt verbitternd wirkende Teuerung kann den Anstoß geben zu -einem plötzlichen Ausbruch sozialer Erschütterungen, die sonst -unwahrscheinlich erscheinen mögen. Überall dasselbe: Streik in -Argentinien, Streik in Chile, Streik in Bolivien. Auch dieses letztere -Land, in dem bisher eine kleine, weiße Herrenschicht fast unumschränkt -über die indianische Urbevölkerung herrschte, hat sich vor wenigen -Monaten genötigt gesehen, Paßzwang einzuführen, und wenige Tage nach -meiner Ankunft in seiner Hauptstadt La Paz brach der Streik der -staatlichen Telegraphenbeamten aus. - -Wetterleuchten! Vielleicht ist das Unwetter, das Europa durchtobt, -hier noch fern, jahrzehntefern. Vielleicht helfen hier der natürliche -Reichtum, die geringe Bevölkerungsdichte soziale Probleme überwinden, -unter denen das Abendland konvulsivisch zuckt. Vielleicht auch bricht -hier der Sturm doppelt furchtbar los. Es gibt Beispiele in Südamerika. -Der Boden ist blutgetränkt. - -Es ist schwer zu prophezeien, schwer zu raten. Schätze liegen brach. -Aber wer sie heben will, darf nicht vergessen, daß er in Länder des -Hochkapitalismus kommt. Eigenes Kapital ist das A und das O. Soziale -Gesetzgebung, soziale Fürsorge gibt es nicht, oder sie stecken in -den Kinderschuhen. Jeder steht allein da und ist nur auf sich selbst -angewiesen. Aber auf das Heute kann ein ganz anderes Morgen folgen. - -Unweit von La Paz liegt in Tiahuanacu eine uralte Stätte menschlicher -Kultur, eine Weltstadt, die nach der Sage vor mehr als zehn -Jahrtausenden blühte. Kulturen blühen und vergehen. Aus alten -Kontinenten wandeln sich neue, und neue werden alt. Vielen mögen die -neuen Ufer die neue Heimat werden, den neuen Tag aber wird nur erleben, -wer ihn in seinem Herzen bereitet. - - Berlin, März 1922. - - =Colin Roß.= - - - - -Inhalt. - - - Seite - - Vorwort 3 - - - Über den Atlantik. - - 1. Deutsche Auswanderer im Atlantik 15 - - 2. Längs der Küste Brasiliens 21 - - 3. Das unbekannte gelobte Land 27 - - - Argentinien. - - 4. Die Stadt am La Plata 35 - - 5. Einwanderung nach Argentinien 40 - - 6. Die Landfrage 47 - - 7. Die großen Estancien 54 - - 8. ~Sigue Vaca!~ 60 - - 9. Deutsche Kolonien in Santa Fé 66 - - 10. Heißes Land 72 - - 11. Gespräch über Deutschland mit dem Präsidenten der - Argentinischen Republik 75 - - 12. Nach Patagonien 80 - - 13. Die Metropole des Südens 84 - - 14. Deutsche Seeleute in Südamerika 90 - - 15. Die Insel im Rio Negro 95 - - 16. Zwischenspiel 101 - - 17. Das Land der Kanäle 105 - - 18. Ritt durch Neuquen 111 - - 19. Zukunftsland 116 - - 20. Deutsche Siedler in argentinischer Wildnis 121 - - 21. Auf dem Cayuncohochland 125 - - - Chile. - - 22. Über die Kordillere 133 - - 23. Das Paradies am Pazifik 137 - - 24. Chilenische Präsidentenwahl 140 - - 25. Chiles deutscher Süden 145 - - 26. Llanquihue und Magallanes 148 - - 27. Copihue 153 - - 28. Längs der Küste nach Nordchile 157 - - 29. Die Salpeterstadt 162 - - 30. La Pampa Salitrera 165 - - 31. Oficina 169 - - 32. Pampinos 172 - - 33. Unter Vulkanen 176 - - - Bolivien. - - 34. Das Land Bolivars 183 - - 35. Markt in La Paz 186 - - 36. Gebirgsreise in Bolivien 191 - - 37. An einem Tag aus Nordland in die Tropen 195 - - 38. Was die Yungas erzeugen 199 - - 39. Eine Yungasfinca 202 - - 40. Der Gastfreund 207 - - 41. Auf einer Zuckerrohrplantage 211 - - 42. Weg im Fluß 215 - - 43. Die Seele des Indio 219 - - 44. Indianerwallfahrt 224 - - 45. Indianeraufstand 227 - - 46. Der amerikanische Himalaja 230 - - 47. Mazamorra 235 - - - Uruguay. - - 48. Karneval in Montevideo 243 - - 49. Quer durch Uruguay 247 - - - Brasilien. - - 50. Abend in Santa Anna 253 - - 51. Deutschbrasilianer 258 - - 52. Kolonisten und Kolonien in Rio Grande 266 - - 53. Kolonisten im Urwald 271 - - 54. Schirachs Erfolg 276 - - 55. Brasilianische Landgesellschaften 281 - - 56. Fahrt auf dem Iguassu 286 - - 57. Auf brasilianischer Bundeskolonie 292 - - 58. Kaffeefazendas 297 - - 59. Die Großstadt der Tropen 302 - - 60. Die Blumeninsel 308 - - - Register 313 - - - - -Abbildungen. - - - Seite - - La Paz, mit dem Illimani im Hintergrund Titelbild - - Siedlung in Patagonien 16 - - Lehmrancho 16 - - Patagonische Landschaft 17 - - Ansiedlerfrau 17 - - Wappen von Argentinien 33 - - Das Tal des Rio Cayunco 64 - - Inkasee 65 - - Plaza de la Independencia in Santiago 80 - - Bergarbeiterheim 81 - - Salpeteroficina 81 - - Am Fuße des Vulkans Ollague 96 - - Bergarbeiterhütten in der Kordillere 97 - - Arbeit in der Mine 97 - - Freundliche Marktweiber 112 - - Lamaherde 112 - - Ein Säugling zu Pferd 113 - - In einer bolivianischen Posada 113 - - Hörige Indianerinnen im Cocal 128 - - Weg im Fluß 128 - - Prähistorische Mumien vom Andenhochland 129 - - Bolivianischer Friedhof 129 - - Wappen von Chile 131 - - Allerseelen auf dem Friedhof 144 - - Indianische Wasserträgerin 144 - - Musikanten in Copacabana 145 - - Indianertanz 145 - - Copacabana am Titicacasee 160 - - Kirche auf dem Ruinenfeld von Tiahuanacu 161 - - Die heilige Jungfrau vom See in Copacabana 176 - - Ein frischer Trunk 177 - - Bepackter Hochlandsesel 177 - - Wappen von Bolivien 181 - - Indianerprozession in Copacabana. Nach einer von Jakob - v. Tschudi veröffentlichten Zeichnung eines Indianers 192 - - Eingeborene vom Rio Beni 193 - - Indianerin am Webstuhl 193 - - Millunisee mit Huaina Potosi 208 - - Gipfelgrat des Huaina Potosi 209 - - Am Fuße der Eiswand des Huaina Potosi 209 - - Westwand des Illampu 224 - - Indianerdorf in der Puna 225 - - Nordostflanke des Illimani 225 - - Bergwerk in der bolivianischen Kordillere 232 - - Mazamorra 232 - - Der Morro bei Arica 233 - - Südbrasilianische Kolonisten 233 - - Wappen von Uruguay 241 - - Wappen von Brasilien 251 - - Deutsche Siedlung in Brasilien 288 - - Maispflanzung 289 - - Die ersten Anfänge einer Siedlung 289 - - Bai von Rio de Janeiro, vom Gipfel des Corcovado aus 304 - - Auf dem Marsch durch den Urwald 305 - - Blumeninsel bei Rio de Janeiro 305 - - Übersichtskarte von Südamerika 12 - - Sonderkarte 319 - - -Umschlag und Einbanddecke sind von Maler Kurt Eduard Beck in Leipzig -nach Motiven gezeichnet, die aus dem von Professor ~Dr.~ Posnansky -geleiteten Museum in La Paz stammen. Die Figur in der Mitte des -Umschlags ist Pachaimama, die Mondmutter. Die Figur auf dem Einband ist -dem uralten monolithischen Sonnentor von Tiahuanacu entnommen. - - * - - -[Illustration: ~Übersichtskarte zu Colin Ross, Südamerika~] - - - - -Über den Atlantik. - - - - -1. Deutsche Auswanderer im Atlantik - - - An Bord S. S. Frisia in Höhe von St. Pauls Rock. - -Ohne die Flügel zu rühren, einem Kampfeindecker gleich, zog der erste -landkündende Albatros seine Kreise über dem Schiff. Dann stachen -schwarze Zacken aus dem horizontweiten Blau: St. Pauls Rock. Seit -Tagen, seit wir die Kapverdischen Inseln passiert, das erste Land. -Land? Ein Fels, eine Felsnadel! Mitten im Ozean steigt sie senkrecht -aus kilometertiefer See. - -Schnurgerade hält der Dampfer auf die Nadel zu, als wolle er sie -rammen. Im letzten Augenblick biegt er fast im rechten Winkel ab. -Eine Rakete steigt zischend hoch, gleichzeitig heult die Dampfsirene. -Schwärme von Wasservögeln schwirren auf. - -An der Reling drängen sich die Fahrgäste. Einer erzählt: „Dutzende von -Schiffen stranden jedes Jahr an dem Fels.“ Ein anderer: „Bei den Möwen -haust ein alter Mann mit seiner Tochter.“ - -Wer bereits mehr als vierzehn Tage auf menschenüberladenem Schiff -fahren mußte, dem erscheint solch Los fast beneidenswert. Drangvolle -Enge in allen Klassen, das letzte Plätzchen besetzt. Gute Konjunktur -für den Holländischen Lloyd. Unten im Zwischendeck aber stauen -sich Männer, Frauen und Kinder, fast Leib an Leib. Wie in einen -Ameisenhaufen sieht man vom Kajütsdeck hinunter. Blonde Köpfe, deutsche -Gesichter, deutsche Laute. Das rückwärtige Zwischendeck ist fast ganz -von Deutschen besetzt. Mancher ist darunter, der vor dem Krieg erster -Klasse fuhr. Heute fahren in der ersten Klasse neben den Ausländern -fast nur solche Deutsche, die ein Auslandsguthaben von dem Jammer der -deutschen Valuta unabhängig macht. Ja, wir sind arm geworden. - - „Ich kann den Blick nicht von euch wenden -- -- --.“ - -Immer wieder kommen mir die alten Verse in den Sinn. Das Rad der -Weltgeschichte ist zurückgedreht. Wir exportieren wieder Menschen. -Man könnte meinen, in die vierziger und fünfziger Jahre des vorigen -Jahrhunderts zurückversetzt zu sein, in denen der breite Strom -deutscher Auswanderer über den Ozean zog, um mit seinem Blut und -Schweiß fremde Kulturen zu düngen. - -Die Möwen bleiben zurück. Langsam verdämmert der einsame Fels. -Entschlossene, sehnsüchtige, zukunftsbange Blicke hängen daran. Manch -einer wird in der Woge fremden Volkstums, dessen Art und Sprache er -nicht kennt, einsam sein, wie der imaginäre Alte auf dem Riff. All -die ehemaligen Offiziere und Seeleute, all die wurzellos gewordene -Intelligenz, sie sollen jetzt mit ihren körperliche Arbeit ungewohnten -Händen die Konkurrenz mit den auf primitiver Kulturstufe stehenden -italienischen und spanischen Auswanderern und Saisonarbeitern -aufnehmen. - -[Illustration: Siedlung in Patagonien.] - -[Illustration: Lehmrancho.] - -[Illustration: Patagonische Landschaft.] - -[Illustration: Ansiedlerfrau.] - -Die alten, erfahrenen Argentinier und Brasilianer, die jetzt in ihre -überseeische Heimat zurückkehren, schütteln den Kopf: „Wer durchhält, -mag vorankommen, aber neunzig Prozent von dem, was jetzt hinüberfährt, -geht zugrunde.“ - -Die auf das fremde Land, als auf die letzte Karte, alles gesetzt haben, -lassen sich nicht irremachen. „So schlecht wird es nicht sein; zum -mindesten: wir werden unter den restlichen zehn Prozent sein.“ - -Sie lassen sich nicht unterkriegen. Heute schon gar nicht. Heute geht’s -über den Äquator. Taufe gibt es nicht mehr. Sie paßt auch nicht mehr in -unsere Zeiten. Und dann, die zahllosen fremden Nationen, die auf dem -Schiff fahren! Die Gelegenheit zu Reibungen wäre zu groß. Aber seine -eigene Feier läßt sich das Zwischendeck nicht nehmen. - -Die scharfe Linie, die Meer und Himmel schied, ist verschwunden. -Das Auge sieht in eine einzige, fast greifbare Finsternis. Nur die -weißen Schaumkronen, die der Bug des Schiffes aufreißt, leuchten in -gespenstiger Blässe über den schwarzen Wellen. - -Aus dem Zwischendeck tönen Geigen und Mandolinen. Unter dem Sonnensegel -brütet noch die Hitze des Tages. Um die kleine, improvisierte Bühne -ist eine Reihe Liegestühle aufgestellt: die vornehmen Parkettplätze. -Dahinter sieht man in dem ungewissen Licht der wenigen elektrischen -Lampen nur eine ununterscheidbare Menge von Köpfen. Ein groteskes Bild. - -Ein Wiener Vorstadtsänger macht den Conférencier. Ein U-Bootkommandant -hält die Äquatorrede. Dann wechseln Vorträge, Kuplets und Mimik. -Und unermüdlich fiedelt die ~ad hoc~ zusammengestellte Kapelle. -Ohne Proben, ohne Noten spielt sie, was Conférencier und Vortragende -verlangen. Ein ungarischer Zigeuner macht den Kapellmeister. Die -brennende Zigarre kommt ihm nicht aus dem Munde, während er mit Verve -den Bogen führt und mit dem ganzen Körper den Takt angibt. Neben ihm -geigen brav und ernst die eben erst aus dem Kadettenkorps ausgetretenen -Söhne der adligen Offizierswitwe, die in Deutschland Hab und Gut -verkaufte, um in Paraguay für sich und ihre Jungen eine neue Existenz -zu suchen. „Was soll ich anders tun,“ meint sie, „seit Jahrhunderten -gab es in meiner und meines Mannes Familie nur Offiziere.“ - -Ein neuer Redner ist auf das Podium getreten. Das Lachen und Scherzen -ist verstummt. In lautlose Stille fallen die Worte: „Wir wollen die -Heimat im Herzen tragen, immer und immer.“ Dann fiedeln die Geigen: -„Muß i denn, muß i denn...“ und „In der Heimat, in der Heimat...“ Eine -Saite reißt und gibt wehen Klang. - -Auf dem Achterdeck ist Ball der Kajütspassagiere. Vorn im Schatten -des Windsegels stellen die fünf französischen Kokotten bei Sekt -plastische Gruppen mit ein paar internationalen Schiebergestalten, die -zwischen Argentinien und Deutschland hin- und herfahren wie unsere -kleinen deutschen Schieber zwischen Köln und Berlin. Die andere Seite -des Tanzplatzes säumen die Portugiesen und Spanier, dann kommen die -Deutschen, und ganz hinten am Heck sitzen steif und aufrecht, gleich -Vögeln auf einer Stange, vier belgische Schwestern; ihnen gegenüber -lehnt unbeweglich an der Reling die schlanke Asketengestalt eines -portugiesischen Priesters. - -Dazwischen wird getanzt: Tango, Onestep, Foxtrott. „Lulu, Lulu!“ tönt -es von den Sekttischen, und Lulu tanzt. Das seidendünne, meergrüne -Fähnchen reicht knapp bis zum Knie. Weiß leuchten die nackten Arme und -florbestrumpften Beine. - -Ich pendle zwischen der höllischen und himmlischen Seite hin und her. -Wie die hochzischende Rakete anzeigt, daß wir die Linie passieren, -plaudere ich gerade mit den Schwestern. „Ein doppeltes Fest“, meint -die Blasse, Sanfte.... „Wieso?“ -- „Nun, Äquatorüberschreitung und -Jahrestag des Waffenstillstandes.“ -- „Den feiern wir nicht.“ Ein -Abgrund tut sich auf zwischen mir und den sanften Schwestern. Brüsk -wende ich mich ab. - -Richtig, heut ist der elfte. Ein Jahr liegt das zurück. Nein, ein -Jahrhundert, eine unmeßbare Zeit! Wie mag es in Deutschland aussehen? -Wie ist dort der Neunte verlaufen? Keine Nachricht dringt zu uns. Die -englischen Funksprüche wissen nur von Fußballwettspielen zu erzählen, -von dem Besuch des spanischen Königs in England und des Prinzen von -Wales in Kanada, von dem Flug des Basutohäuptlings über die City, aber -nichts von Deutschland, höchstens daß der hohe Rat der Alliierten -beschlossen, daß wir die bei Scapa Flow versenkten Schiffe ersetzen -sollen. - -Noch immer tanzt Lulu. Die Treppe herauf schiebt sich die Fettmasse -des Levantiners, der sich immer im Zwischendeck herumtreibt und wie -ein Mädchenhändler aussieht. Plötzlich bricht der Tanz ab. Die Paare -drängen an die Reling. Lulu gleitet und fällt dem Levantiner in die -Arme. Am Horizont loht eine Flamme auf. Ein Leuchtzeichen? Ein -brennendes Schiff? Erst langsam erkennt man. Es ist der Mond. Wie Blut -und Feuer hebt sich seine volle Scheibe über die schwarze See. - -Der Tanz geht weiter. Die Stewards bringen neuen Sekt. Abgerissene -Strophen wehen über Deck. Worte in allen Sprachen: „~Dis donc, -quand~... Zweihundert Prozent... ~terenos~... ~I bet you~...“ Nur das -Zwischendeck ist leer und still. Die Schiffsordnung hat alle unter Deck -gejagt. In der schwülen, brütenden Hitze liegen hier schweißgebadet -Hunderte von Männern und Frauen, enggeschichtet auf Stellagen neben- -und übereinander. Fanatische Hoffnung auf bessere Zukunft läßt sie -alles ertragen. Was wird sich erfüllen? - -Das Firmament hat sich aufgeklärt. Ein neuer Sternenhimmel wölbt sich -über uns, beängstigend in seiner strahlenden Fremdheit. Eine neue Welt, -ein neues Leben für jeden, der jetzt die alte Heimat verläßt. Er steht -allein. Wird ihn das machtlos gewordene Vaterland schützen können? Nur -allein in seiner eigenen Brust ruhen seines Schicksals Wurzeln. - -Ich suche in den Sternen zu lesen. Wie ihr Widerschein funkelt es im -Kielwasser des Schiffes. Meeresleuchten! Von der Schraube hochgewirbelt -steigen leuchtende Ballen an die Oberfläche, glühen auf und erlöschen -wieder: Unsere Hoffnungen, unsere Wünsche, unser Leben! - - - - -2. Längs der Küste Brasiliens. - - - An Bord S. S. Frisia, Bahia. - -Ehe noch der Dampfer den ersten amerikanischen Hafen anlief, wurde die -Tote, die die Grippe im Zwischendeck gefordert, ins Meer versenkt. -Es gab kein großes Aufheben, kaum daß der Dampfer einen Augenblick -stoppte. Ein Geistlicher und ein Schiffsoffizier. Nur die alte -verkümmerte Frau im blauen Umschlagtuch, die immer neben dem Mädchen in -dem billigen Liegestuhl lag, stand noch dabei und starrte aufs Meer. Es -war zwei Uhr nachts, als die Leiche auf dem Wasser aufschlug. - -„Armes, ausgehungertes Volk!“ meinte am nächsten Morgen der -argentinische Reisende auf der Reede von Pernambuco, „auf jeder Reise -sterben ein paar.“ Mitleidig zuckte er die Achseln und ging nach -dem Heck, wo gerade der dicke Holländer die Haiangel richtete. Ein -Haufen Fahrgäste sah neugierig zu, wie er ein mächtiges Stück Fleisch -an dem starken Eisenhaken befestigte. Kaum konnte der Steward sich -durchwinden, der den Eimer mit den morgendlichen Brot- und Speiseresten -über Bord schüttete. Man hat sich mit der Zeit ja daran gewöhnt, allein -es gibt einem doch immer wieder einen Stich. Wie viele Menschen könnten -in Deutschland davon leben! - -Eine Regenböe fegte über Deck und färbte das Wasser schwarz. Weiß -gischtete an der Mole die Brandung hoch. Mühsam kämpfte sich das Boot -mit Arzt und Hafenkommandant hindurch. Drei Reisende stiegen ein, -einer aus; Ladung wurde weder genommen noch gelöscht. Lohnte das -Anlegen überhaupt? Der junge Deutsche, der auf seine Baumwollpflanzung -in Parahyba fuhr, nannte es einen Wechsel auf die Zukunft. Stadt und -Hafen stünde eine rasche Entwicklung bevor. - -Wir fuhren weiter, ohne die Haie, die uns der Holländer versprochen. -Dafür sahen wir am Nachmittag Wale. Wir mußten in eine ganze Herde -hineingeraten sein; denn stundenlang sah man rings um das Schiff -die breiten schwarzen Rücken auftauchen und das Wasser in Fontänen -hochsprudeln. Wie mit Pastellfarben war dahinter die ferne Küste an den -Horizont hingehaucht. - -Am nächsten Abend liefen wir Bahia an. Eine flimmernde lichterfunkelnde -Wand, baute sich über der tiefschwarzen Bucht die Stadt auf, in deren -Gärten die köstlichsten Früchte des früchtereichen Landes wachsen, in -deren Straßen aber Fieber und Seuchen nie erlöschen. Einer zähflüssigen -Masse von Öl und Teer gleich, schien sich das träge flutende Wasser um -den Schiffskörper zu legen. Langsam und immer langsamer fuhren wir, bis -die Maschine stoppte und die Ankerketten rasselten. - -Wie wir jetzt hielten, streckte die Stadt, die wie im Fieber zu uns -herüberglühte, ihre feuchtwarme Hand über die Bai und sandte uns einen -Atemzug schwüler, heißer Luft. Wir Nordländer lagen nach Kühlung -lechzend an Deck; im Speisesaal aber, dessen dumpfe Luft wie glühender -Brodem durch die Deckfenster hochstieg, saßen unangefochten von der -Hitze die Brasilianer beisammen. Lachen, Singen, Gläserklingen, -dazwischen Reden und immer wieder Reden. Die Brasilianer feierten -den ~Quinze de Novembro~, den Gedenktag der Ausrufung ihrer Republik. -Durch die Fenster trinken sie uns zu. Gleich den Portugiesen haben sie -uns vom ersten Tag an keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie gegen -Deutschland und gegen die Deutschen keinerlei Haß fühlten, sondern mit -ihnen in der Abneigung gegen Engländer und Yankees durchaus einig waren. - -„Aber euere Teilnahme am Krieg?“ - -„Nun, das war eine Sache, mit der die Völker nichts zu tun hatten, ein -Geschäft, das einige unserer Politiker mit England und den Vereinigten -Staaten machten.“ - -Die Brasilianer sind wie alle Lateinamerikaner eine höfliche Nation, -und man wird auf Stimmungen und Meinungen einiger Mitreisender kein -allzu großes Gewicht legen dürfen; aber auch die Deutschbrasilianer auf -dem Schiff hatten nur günstige Nachrichten. - -Die Zahl der Deutschen, die Rio oder Santos zum Ziel haben, ist -nicht klein. Einstweilen sind es nur Rückwanderer, die Besitz oder -Stellung drüben haben. Aber neue Einwanderer werden folgen. Und der -Kaffeepflanzer aus Santos, mit dem ich über die Aussichten sprach, -meinte, der fruchtbare Süden biete auch den Kapitallosen gute -Möglichkeiten zu raschem Aufstieg. - -Ja, fruchtbar muß dieses Land sein. Als am nächsten Morgen die gelbe -Quarantäneflagge am Fockmast niederging, wimmelte es rings um das -Schiff von Booten, überladen mit Früchten: Bananen, rot und gelb, in -dichten Trauben, und dreimal so groß wie jene kümmerlichen Früchte, -die jetzt in Deutschland verkauft werden. Orangen, noch grün oder nur -mit leichtem gelben Anflug -- es ist hier ja erst Frühling --, aber -faustgroß und größer Kokosnüsse und Ananas. - -Zwischendeck und Kajüte kaufen und kaufen. Korb um Korb wird -hochgezogen. Bald sieht es zwischen den Ladebäumen aus wie ein -Fruchtladen. Die Hauptmannsfrau sitzt mit ihren drei Kindern inmitten -von Bananen und Ananas. Der Wiener Komiker kommt die Arme voll Orangen -von der Reling. Ein anderer schleppt Ananas in Büscheln. Hier trinkt -einer eine Kokosnuß aus, und dort schiebt in stummem Staunen ein -dreijähriger Blondkopf mit heiligem Ernst eine Banane in den Mund. - -Allein die reiche, bunte Fülle will nicht recht zu den ärmlichen, -blassen und schmalen Gesichtern passen. Wie anders sehen die -strotzenden Bronzeleiber der Neger in den Booten aus, deren glänzende -Haut über straff gespannten Muskeln Früchten gleich durch die -zerrissenen weißen Hemden leuchtet. - -Sie haben auch keinen Anteil an der Fülle dieser reichen Welt, mögen -die deutschen Zwischendecker in der ersten Freude noch so sehr über -ihre Verhältnisse kaufen. Sind die süßen Schätze auch spottbillig, -für uns macht die Valuta sie teuer. Solange diese sich nicht ändert, -bleiben wir Parias, ausgeschlossen von den Schätzen der Erde. - -Die Valuta ist das große Problem, nicht nur der Sorge, sondern auch -der Spekulation. Kaum sind die ersten Zeitungen an Bord, so sitzen -sämtliche Herren über dem Studium der Kurse. Eine erregte Debatte -entspinnt sich und eine komplizierte Rechnerei. Wie stand der Milreis -im Frieden? Wie jetzt? Wo und wann kauft man am besten? Wie steht der -Dollar, das Pfund Sterling, der Frank und die Lira? Sie haben alle im -Verhältnis zur Vorkriegszeit keinen besonderen Stand gegenüber dem -Milreis Brasiliens. Die Valuta dieser südamerikanischen Staaten, die -man bei uns vor dem Kriege gern nicht für voll nahm, ist gewaltig in -die Höhe geschnellt. Wird das bleiben? Stehen wir hier am Anfang einer -Entwicklung, wie sie die Vereinigten Staaten durchliefen? - -Lustig flattert über unsern Köpfen die Flagge Brasiliens mit der gelben -Weltkugel im grünen Feld. Ein wenig phantastisch scheint sie und ein -wenig anmaßend, aber vielleicht ist sie nur prophetisch. Wochenlang -fahren wir an der Küste dieses Landes entlang, von dem kaum erst der -zehnte Teil der Kultur erschlossen ist. - -In unser Gespräch tönt das Rasseln des Dampfkranes. Die farbigen -Gentlemen der hiesigen Lloydagentur lassen krachend die Kisten in die -Leichter hinunterpoltern. - -„Donnerwetter, das sind doch meine Kisten“ -- der ehemalige Flieger -springt plötzlich auf. Er nimmt sein Geld in Form von Bijouteriewaren -mit hinüber und ist in Sorge, ob er auch alles richtig hinüberbekommt. -Oder er sitzt und rechnet und rechnet, was ihn jedes einzelne Stück -kostet und wieviel er dafür verlangen kann. - -„Unter zweihundert Prozent Verdienst mache ich überhaupt kein -Geschäft,“ meinte der argentinische Kaufmann zu ihm, der nun schon zum -zweiten Male zum Einkauf nach Deutschland fuhr. Es liegt ein Hauch von -Spekulation über dem ganzen Schiff, wie man ihn früher nicht kannte; -denn jeder führt irgendeine Ware bei sich, mit der er phantastische -Geschäfte zu machen hofft: Bijouterien oder Stahlwaren, Rasierapparate -oder Ferngläser. - -Der Bankbeamte, der aus dem Krieg nach Buenos Aires zurückkehrt, zieht -eine goldene Uhr an kostbarer Kette. -- „Die hätte ich mir sonst auch -nicht gekauft.“ -- Aber wer weiß, wie die Verhältnisse drüben liegen, -was gebraucht wird und woran Überfluß herrscht. Die wenigen, die -Bescheid wissen, schweigen oder renommieren. - -Das Gespräch schläft ein. Die Hitze lähmt jede Tätigkeit. Unter dem -Sonnensegel ballt sich die Glut fast körperlich. Die weißen Häuser -Bahias mit ihren stolzen Säulenhallen und Terrassen blenden über dem -trägen, unbewegten Wasser. - -Endlich heult die Sirene. Aber noch immer kommen Boote. Der Koch -nimmt noch Proviant ein. Mächtige Körbe mit Eiern werden hochgehißt, -gewaltige Stücke Fleisch und Kisten mit Fischen. Mitten über Deck -platzt eine, und eine silberne Flut stürzt herunter. Es sind Exemplare -von Haigröße dabei. Ihre lebenden Brüder tummeln sich um das Schiff. - -An der Reling steht die alte, abgehärmte Frau im blauen Umschlagtuch -und starrt aufs Meer. - -Wieder heult die Sirene. Immer noch nehmen wir Früchte ein. Überall -Stapel von Ananas. Auf allen Tischen und Bänken steht angeschnitten -die süße Frucht. Einen Augenblick ekelt es mich fast vor dem schweren -Fruchtduft, der gleich einem fremdartigen, betäubenden Parfum das ganze -Schiff durchzieht. - - - - -3. Das unbekannte gelobte Land. - - - Buenos Aires. - -Die Fahrt dahin führte an allen Herrlichkeiten der Erde vorbei. Nach -der grotesken Schönheit der spanischen Häfen, nach Lissabon und den -Kapverdischen Inseln, nach tropischen Nächten unter dem Äquator, in -denen Mond und Wolken Bilder von verzehrender Schönheit auf See und -Himmel malten, nach sonnendurchglühten Tagen, an denen der Ozean in -fast schmerzlicher Bläue leuchtete, nach Nächten, in denen das Meer -phosphoreszierend flammte, als fahre das Schiff durch einen See voll -brennender Eisberge, und in denen das Kielwasser sich in einen Strom -intensivsten grünen Lichtes wandelte, breitete viele Tage lang die -brasilianische Küste ihre schwüle, lockende Pracht aus. Nach Bahias -Früchteparadies baute Rio mit seinen Felsen, Bergen und Buchten eine -Wunderlandschaft auf. - -Aber als wir Santos’ liebliche Bucht verlassen hatten und die Brandung -von São Vicente verrauscht war, die gegen brennend bunte Gärten spült, -verblaßten des Himmels und des Meeres Bläue. Eisengrau rollten in -schwerer Dünung die Wellen. Nach lastender Hitze wurde es frisch und -abends bald empfindlich kühl, als runde sich die Reise zum Kreislauf -und kehrten wir in die rauhe, kalte Nordsee zurück. - -Und wie See und Himmel wandelte sich die Stimmung der Passagiere. Statt -satter Behaglichkeit, statt wohligem Nichtstun und siegessicherem -Optimismus breitet sich eine fiebernde Nervosität aus, die mehr -und mehr das ganze Schiff erfüllt. Riefen in Santos übermütige -Zwischendecker den am Kai wartenden Landsleuten zu: „Wie lange -dauert’s, bis man hier Millionär wird?“, so mehren sich jetzt die -sorgenden, ernsten Gesichter. - -In der Kajüte nicht minder. Nur wenige kehren ja in sichere, -wohlbekannte Verhältnisse zurück. Auch die drüben Stellung und Besitz -haben, fragen sich: wie werden wir unser Geschäft vorfinden. -- Wer -kennt denn dieses Land, in dem Hunderttausende in der Heimat das Land -der Verheißung sehen? Der Krieg soll es von Grund auf gewandelt, die -Preise phantastisch in die Höhe geschnellt haben. - -Immer häufiger bilden sich Gruppen, die sich über Preise unterhalten. -Der englische Reiseführer von 1914 nennt zwei Pfund für den Tag als -unterste Grenze. Der Bankbeamte erzählt, daß er vor dem Krieg mit 200 -Peso, etwa 800 Mark, im Monat für Wohnung und Essen auskam. Aber jetzt? -Wie wird es werden? Wie weit wird die mitgenommene Barschaft reichen? -Und wie viele sind auf dem Schiff, die drüben alles verkauften! Nun -sind’s fünfzig- oder hunderttausend Mark, die für Land- und Viehkauf -reichen sollen. Oft aber noch viel, viel weniger. Und dabei fällt und -fällt die Mark. - -Aber dafür hat man ja Waren mitgenommen. Die lange Reise und manche -Bowle in den Mondnächten hat die Zungen gelöst. Pläne wurden -geschmiedet, Verbindungen geknüpft. Soll man schmuggeln oder nicht? -In den Kabinen beginnt ein großes Packen. Geheimnisvolle Zinkkisten -tauchen auf. Bijouterien und Goldwaren werden in Wäsche und Stiefeln -versteckt, Brillanten in Kleidungsstücke eingenäht. - -Wo ist die Zeit, da Lulu tanzte und man Nächte auf Deck verträumte? -Lulu ist übrigens nicht mehr an Bord. In Rio flog sie in großer Ekstase -ihrem sie sehnsüchtig erwartenden Amigo in die Arme. Aber die Frau -im blauen Umschlagtuch, deren Tochter man vor Pernambuco ins Meer -senkte, ist noch da und liegt auf ihrem Stuhl und starrt ins Meer. Ein -Stockwerk höher, in der ersten Klasse, werden die Augen der alten Dame, -die zu ihrem einzigen Sohne fährt, den sie zwölf Jahre lang nicht sah, -immer fiebriger. Und in der zweiten Klasse geht der aus portugiesischer -Kriegsgefangenschaft heimkehrende Ingenieur immer unruhiger auf Deck -auf und ab. Ein Jahr war er in Portugiesisch-Ostafrika, und gerade -wollte er seine Familie nachkommen lassen, als der Krieg ausbrach, der -ihn in Gefangenschaft auf die Azoren führte. Die ganze Zeit war er ohne -Nachricht von seiner Frau. Er kann es nicht mehr sehen, das Meer, auf -das er all die Jahre hindurch von seiner Insel aus sehnsüchtig starrte. -Und die hilflose Achtzigjährige, die zu ihren Kindern nach Argentinien -zurückkehrt, von denen der Krieg sie trennte! Und das Geschwisterpaar, -das 1913 auf ein Jahr nach Deutschland in Pension geschickt worden war -und das jetzt im Zwischendeck zurückkehren muß. Und all die Frauen, die -der Krieg von ihren Männern trennte. Welche Tragödien auch hier! - -Das erste Land, das sich nach Brasiliens Palmenbergen am Horizont -zeigt, ist flach, öde, wüstengelb. Oasenhaft heben sich von Zeit zu -Zeit Baumgruppen über die Sanddünen. - -Auf einmal eilt das Schiff. Um neun Uhr abends sollten wir in -Montevideo sein, am nächsten Mittag in Buenos Aires. Pünktlich laufen -wir die Hauptstadt Uruguays an. Wie auf Schnüren gezogene leuchtende -Perlen sind die Lichterreihen der linealgeraden Straßen über den -Nachthimmel gespannt. Die Blinkfeuer der Hafeneinfahrt zwinkern rot -und grün. Der viele Stock hohe Lokaldampfer nach Buenos Aires liegt -am Kai wie ein festlich flimmerndes Haus. Das Knattern der unzähligen -eleganten Automobile hört sich an wie Gewehrfeuer. - -Argentinische Zeitungen kommen an Bord. Alles stürzt sich darüber her -und studiert die Preise. Gott sei Dank, was man hörte, war maßlos -übertrieben. Aber anderes ist teuer genug. Der Flieger geht strahlend -auf und ab. - -„An meinen Bijouterien verdiene ich glatt 10000 Peso.“ - -„Und der Zoll?“ - -„Oh, die sind so gut versteckt, da müßte der Beamte schon sehr genau -suchen -- --.“ - -Die Offizierswitwe mit den beiden Söhnen hat bereits ein erstaunlich -billiges Angebot für Haus und Land in Paraguay. Die Stimmung geht hoch. - -Am nächsten Morgen sind wir mitten im La Plata. La Plata, Silberstrom! -Der Name klingt wie Hohn; denn in schmutzigem Lehmgelb wälzen sich -seine trägen Wogen. Gelbe, einförmige Wüste, soweit das Auge reicht. -Fast wirkt der Anblick bereits wieder schön in seiner grandiosen -Eintönigkeit. Am Horizont stehen Schiffe, flach auf die Wüstenplatte -gestellt. Merkwürdig unwirklich sehen sie aus. - -Das Land, das jetzt zur Linken auftaucht, paßt zum Fluß, es ist flach, -öde, reizlos. Aber noch öder, noch reizloser könnte es erscheinen, -es würde doch mit den gleichen sehnsüchtig erwartungsvollen Blicken -verschlungen. Es ist ja das Land der Verheißung, die Erlösung aus all -dem Leid, aus all dem Jammer in der Heimat. - -Buenos Aires sticht mit Kaminen, Türmen und Kuppeln über den Horizont. -Am Bug ballt sich die Masse der Auswanderer. Rasch wächst die Stadt. -Eine flüchtige Ähnlichkeit mit New York, ein schüchterner Versuch zu -Wolkenkratzern. Der Jachthafen mit Dutzenden der elegantesten Jachten. -Dann im Hafen Schiff an Schiff, endlose Kais lang. - -Ärztliche Untersuchung und Paßrevision. Dann darf man von Bord. Jetzt -noch die zollamtliche Untersuchung. Der Flieger verhandelt aufgeregt -mit einem Gepäckträger. Koffer auf Koffer rollt an. Immer wieder -greifen die geübten Hände der Zollbeamten tief in Kisten und Koffer. -Der ehemalige Fliegeroffizier hat einen Teil seiner Sachen schon -durch, aber nun zieht der Beamte ein Bündel Uhrketten aus einem Paar -Damenhandschuhe. - -„Was ist das?“ -- und nun kommt Stück für Stück ans Tageslicht. Er -bekommt einen puterroten Kopf. Tapfer hält sich die junge Frau. - -Auf Schmuggel steht Beschlagnahme der Ware und hohe Geldstrafe, bei -großen Beträgen Gefängnis. Weiß Gott, da wird der Herr vom Tisch -~vis-à-vis~ abgeführt. Er hatte Brillanten in der Weste eingenäht. -Eine Dame soll ihn angezeigt haben. - -Sicher erhoffte Telegramme sind ausgeblieben. Über Paraguay hört man -bereits im Zollamt nur Ungünstiges. Luftschlösser stürzen ein. Und die -Traumstadt der Verheißung ist, wenn man sie betritt, auch nicht anders -wie jede Weltstadt: eine gewaltige Mühle, die die Masse der Menschen -zerreibt, um den wenigen Zähen, Auserwählten den Aufstieg zu unerhörter -Macht freizugeben. - - - - - Argentinien - -[Illustration] - - - - -4. Die Stadt am La Plata. - - - Buenos Aires. - -Draußen im Land blühen jetzt die Kakteen. Wenn man mit einer der -zahllosen Elektrischen hinausfährt und wenn nach den eleganten Straßen -auch die Zone der Vorstädte mit ihren niedriger und ärmer werdenden -Häusern zurückbleibt, bis nur mehr der durch Steppe, Sumpf und Busch -führende Damm der Bahn der einzige Bindestrang mit der zurückgelassenen -Zivilisation ist, dann ranken Kakteen zu beiden Seiten des Weges, -seltsame, fleischig-wulstige Pflanzen. Wie Tiere ihre Jungen auf dem -Rücken tragen, so haben sie ihre Triebe angesetzt, und dazwischen -treibt der staubgraue Leib eine Blüte von seltsam flammender Schönheit, -die auf dem häßlichen Pflanzenkörper so fremd anmutet, als hätte sich -ein leuchtender Schmetterling auf ihn gesetzt. - -Ist dies das Bild der Stadt, in der ich jetzt lebe? Sicher ist es -ein krasser, willkürlicher Vergleich, und doch drängte er sich mir -auf, als ich zum ersten Male von dem Turm der Pasaje Guemes über die -Stadt blickte. Wie trostlos öde ist der Boden, aus dem diese Stadt -erwuchs! Jede, aber auch jede angeborene Schönheit hat ihr die Natur -versagt. Der Fluß, dessen unerhörte Breite ein Meer vortäuscht, ist, -von hier oben gesehen, nichts als ein braunes ödes Feld. So träge steht -die Masse der lehmschweren Flut, daß der Unwissende von hier nicht -unterscheiden könnte, ist es Morast oder Wüste oder Wasser. Und nicht -anders ist das Land, in das sich die Stadt mählich verliert. Keine -blauen Berge am Horizont, keine fernen Wälder, nichts, auf dem das Auge -friedlich ruhen, kein Punkt, nach dem die Sehnsucht schweifen könnte. - -Unten am Fuß des Gebäudes aber ziehen elegante Straßen, dehnen sich -Plätze voll Palmen und blühenden Blumen. Die Plaza und Avenida de -Mayo, Plaza San Martin, der Palermo-Park mit seinen Teichen, Rasen und -Hainen: alles ist künstlich geschaffen, ist einer Wüste abgerungen. Und -alle diese Plätze, Gärten, öffentlichen Gebäude und reichen privaten -Villen und Residenzen sind gebaut aus dem Erlös der Produkte dieses so -trostlos öde scheinenden Landes. Dieses Land hat die Palmen gepflanzt -und die Autos der Männer wie den Schmuck der Frauen bezahlt. Es allein -ermöglicht die Einfuhr aller dieser wahnsinnig teueren Luxusartikel -aus allen Ländern der Erde, die die Lager und Läden der Stadt füllen. -Wie reich und vollsaftig muß dieses Land sein, das eine solche Blüte -treiben konnte, aus dem in phantastischer Üppigkeit eine Hauptstadt -erwachsen konnte, in der ein Viertel der Bewohner des ganzen Landes -lebt, deren überreicher Luxus Zweck und Ziel aller Arbeit auf den -fernen Estancias und Chacras, auf den Ranchos und Quintas zu sein -scheint! - -Eine Kakteenblüte voll fremdartiger Schönheit? -- Nein, der Vergleich -stimmt doch in keiner Weise! Dazu ist diese Stadt zu nüchtern, zu -europäisch, zu amerikanisch. Ja, amerikanisch, das ist der Grundton, -und es bedürfte nicht der Ansätze zu Wolkenkratzern, um an New York -zu erinnern. Aber da unten die Plaza de Mayo könnte ebensogut in -irgendeiner mexikanischen oder brasilianischen Stadt liegen, und die -Avenida erinnert durchaus an einen Pariser Boulevard, ihre Läden an -Oxford Street in London und die umliegenden Straßen an die Berliner -Friedrichsstadt. Selbst in der Vorstadt ähnelt an einer Stelle die -Wellblecharchitektur dem Rande von Chicago, während an anderer Stelle -die auf Pfählen im Sumpf errichteten Bretterbuden einer polnischen oder -wolhynischen Landstadt gleichen. Jede Nation mag hier Anklänge an ihr -Heimatland finden. - -Unten in der Avenida rollen in sechsfacher Reihe die Autos, Wagen -an Wagen; wie bei marschierender Truppe Leib an Leib gepreßt, zieht -es sich wie ein stählernes endloses Band, wie ein grau und gelb und -schwarz lackiertes Trottoir roulant hin, das alles, was Geld und Macht -und Ansehen hat, hin- und herträgt zwischen den die Straße gleich -mächtigen Querriegeln begrenzenden Gebäuden, dem Regierungspalast und -dem Kongreß. In den beängstigend engen Straßen aber, die beiderseits -der Avenida wie schmale Rillen in die viereckigen Häuserblöcke -eingeschnitten sind, drängt sich der Strom der Autos, Wagen und -Fußgänger so dicht, daß sie von hier oben kaum belebt erscheinen. - -Ist es anders als in der Fifth Avenue oder in den Steinschluchten -um Woolworth oder Bankers Trust Building in New York City? Wer dem -Pulsschlag lauscht, dem Pochen des Herzens, das in jeder Stadt schlägt, -wird den Unterschied finden. - -Hier fehlt der eine harte Klang, der das ganze Leben der Union -durchzittert, der Rhythmus Dollar, Dollar, Dollar, der in den -Riesenturbinen von Niagarafalls nicht anders pulst als in dem Blut -der Tausende von Girls in weißen Blusen, die nach Geschäftsschluß die -Straßen füllen als springlebendiger, weicher, warmer Strom. - -Hier fehlt die harte Geste, das Vorwärtsdrängen, Zurückstoßen. Schon an -der Art, wie sich der Straßenverkehr abspielt, wird es erkennbar, an -der graziösen Leichtigkeit, mit der der elegante schlanke Schutzmann -in dunkelblauer Uniform und blauem Tuchhelm mit seinem schneeweißen -Gummiknüppel in weißbehandschuhter Hand den Strom der Autos lenkt. An -der Höflichkeit und Liebenswürdigkeit der Menge wird es deutlich, die -sich ohne Lärm, ohne Zwischenfall, ohne Schelten in den lächerlich -engen Straßen bewegt, auf deren Bürgersteigen nicht zwei Personen -nebeneinander gehen können. - -Sicher spielt in den geschäftlichen Kreisen von Buenos Aires Geld keine -geringere Rolle als in andern Handelsmetropolen, sicher wird hier -im Verhältnis nicht weniger umgesetzt und verdient als in New York -oder London, aber die Brutalität des Geldmachens fehlt hier. Man lebt -leichter, verdient leichter und gönnt auch dem Nächsten seinen Teil, so -daß die Geste auch des Geschäftsmannes hier liebenswürdige Höflichkeit -bleibt. - -Und weiter erkennt man bei näherem Zusehen, daß diese scheinbar so -amerikanische oder europäische Stadt im Grunde ganz etwas anderes ist: -durch und durch argentinisch; mag dies auch in dem noch unorganischen -Stadtbild nicht deutlich werden, wo ein moderner englischer -Geschäftsbau neben einem altspanischen Hause mit blumenumranktem -Innenhof steht. - -Buenos Aires ist eine Stadt, die ins Maßlose, Unbegrenzte strebt. Im -Zentrum, das für zwanzig- oder zweihunderttausend Menschen gedacht und -gebaut wurde, muß sich heute der Verkehr einer Menschenmasse von zwei -Millionen abspielen. Darum hat man alle neuen Straßen in zehnfacher -Breite angelegt. Kilometerweit hinaus führen breite Avenidas, die heute -nur ärmliche, ebenerdige Häuser oder Buden und Hütten säumen, die aber -vielleicht schon in zehn Jahren elegantes Leben füllt. - -Diese Stadt will wachsen. Auch die City will heraus aus ihrer Enge. Und -darum hat man im Zentrum ganze Reihen von Häuserblöcken niedergerissen -und daraus die Plaza und Avenida de Mayo geschaffen. Darum sollen auch -weitere Straßenreihen fallen. Die Ansätze dazu sind schon da. Bis die -ganze innere Stadt mit einem Netz breiter Diagonalen durchzogen ist, -die Luft, Licht und Raum schenken. - -Städte sind Lebewesen, die wachsen, blühen und sterben. Drüben jenseits -des lehmigen Wassers des La Plata und des blauen des Atlantik liegen -Städte, in deren verwahrlosten Straßen der Menschenstrom kreist wie -schweres schwarzes Blut in kranken Adern, deren Häuserfassaden die -Spuren durchlebter Fieberschauer tragen oder die Anzeichen kommender. -Nirgends empfindet man so stark wie in dieser jungen, so namenlos -jungen Stadt, wie krank Europa ist, wie krank und unheilschwanger! - - - - -5. Einwanderung nach Argentinien. - - Mariano Saavedra. - - -Die große Halle von Retiro, dem Bahnhof des Central Argentino, liegt im -milchigen Licht der Bogenlampen. Gepäckträger umringen das vorfahrende -Auto. Der Chauffeur fährt nach Taxe. Im Handumdrehen ist das Gepäck -aufgegeben. Die Erlangung der Schlafwagenkarten kostet einen Gang ins -Reisebureau, keine Bestechung, kein Schmieren, kein Aufgeld. - -Ein leerer Bahnsteig, keine Menschenmenge, die sich vor der Sperre -staut. Wagen, in denen jeder bequem Platz hat, sauber, geräumig; auch -die zweite Klasse, die unserer dritten und vierten entspricht. In dem -sonst so unsozialen Argentinien kennt man nur zwei Wagenklassen. - -Mächtige Autobusse fahren vor dem Bahnhof vor. Eine bunte -Menschenmenge, Männer, Frauen und Kinder, drängt heraus. -Lastwagen, hochbeladen mit Gepäck, folgen. Es sind die Wagen der -Einwanderungsbehörde. Die freie Beförderung zu den Bahnhöfen und weiter -bis zur gewählten Arbeitsstelle, mag sie auch am äußersten Zipfel der -Republik liegen, gehört zu den Vergünstigungen, die die Regierung -Einwanderern gewährt. - -Diese Vergünstigungen sind nicht unerheblich. Schon der Empfang -ist besser als beispielsweise in den Vereinigten Staaten, trotz -aller Vorsichts- und Kontrollmaßnahmen, die die argentinische -Regierung zur Fernhaltung bolschewistischer Elemente immer mehr -verschärft. Argentinien kennt kein Ellis Island, keine von aller -Welt abgeschlossene Einwandererinsel, wo die Einwanderer jeder -Willkür brutaler Beamten wehrlos ausgesetzt sind. Ist die ärztliche -Untersuchung vorüber, der im übrigen die Passagiere der ersten -Klasse ebenso unterworfen sind wie die Zwischendecker, und sind die -Papiere geprüft, so kann jeder Einwanderer gehen, wohin er will, -falls er es nicht vorzieht, ins Einwandererhotel zu ziehen. Es liegt -unmittelbar am Kai. Ein hoher, heller Bau, luftig und reinlich wie -ein Lazarett mit seinen fliesenbedeckten Böden und kachelbekleideten -Wänden. Irgendwelchen Luxus gibt es natürlich nicht, und alles ist auf -Massenbetrieb eingestellt. Allein gegenüber dem Schmutz, der Enge und -Stickluft des Zwischendecks ist es ein Dorado. Was der Einwanderer -braucht, ist da: Bäder, Hospital, ein Arbeitsvermittlungsamt, Post, -Telegraph und vor allem eine Geldwechselstelle der Nationalbank, in der -kostenlos fremde Währung eingewechselt wird; bei dem großen Aufschlag, -den die Wechsler in der Stadt nehmen, ein gewaltiger Vorteil. Und -vor dem Haus ein herrlicher Garten, mit Palmen und blühenden Blumen, -der dem Einwanderer eindringlich vor Augen führt, in welch reiches, -fruchtbares Land er gekommen. - -Nach dem Gesetz steht den Einwanderern und ihren Familien fünftägige -freie Unterkunft und Verpflegung zu. Das Gesetz wird sehr großzügig -gehandhabt, und die Fälle sind häufig, daß Einwandererfamilien nicht -nur Tage, sondern Wochen über die gesetzliche Frist hinaus kostenlosen -Aufenthalt gewährt bekommen. In den Provinzen, in die sich der -Einwanderer begibt, wird er gleichfalls zunächst frei untergebracht und -verpflegt. - -Dieses Anrecht steht jedem Reisenden der zweiten und der dritten Klasse -zu, der sich einen entsprechenden Vermerk in seine Papiere eintragen -läßt. Es sollte niemand versäumen; denn es ist keinerlei Verpflichtung -eingeschlossen. Wer auf das Einwandererhotel verzichtet, wird doch -unter Umständen gern die freie Bahnfahrt und Gepäckbeförderung für sich -und seine Familie in Anspruch nehmen. Bei den teueren Bahntarifen und -den weiten Entfernungen handelt es sich mitunter um sehr erhebliche -Beträge. - -Weiter aber sorgt der Staat für die Einwanderer nicht, und alle -Anpreisungen von Kolonisations- und Landgesellschaften über -kostenlose oder billige Zuweisung von Regierungsland usw. sind -nur mit größter Vorsicht aufzufassen. Das gilt auch von dem -sogenannten Heimstättengesetz, der ~Ley del Hogar~, auf das die -Auswanderungsgesellschaften mit Vorliebe hinweisen. Dieses Gesetz, -das die Ansiedelung auf Regierungsland vorsieht, ist zwar vom Kongreß -genehmigt und auch amtlich veröffentlicht worden, ist aber noch nicht -in Kraft getreten, da die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen noch -nicht erlassen sind. Wann und ob sie überhaupt erlassen werden? -- -~Quien sabe!~ - -Das Einwandererhotel und die Fürsorge für die Einwanderer kostet die -argentinische Regierung jährlich je nach der Stärke des Zustroms -eine halbe bis etwa zwei Millionen Peso (etwa 900000 bis 3600000 -Goldmark). Es hat Zeiten gegeben, in denen Argentinien freie Überfahrt -gewährte und ein weitverzweigtes Agentennetz in Europa unterhielt, -um Einwanderer zu bekommen. Es hat das jetzt nicht mehr nötig; denn -Argentinien ist heute das bevorzugteste Einwanderungsland, und -lediglich die hohen Überfahrtspreise und die Valutaverhältnisse -begrenzen die Zahl. - -Der Zug fährt durch die Nacht. Die hellen Straßenzeilen der Hauptstadt -und die dunkle Fläche des La Plata bleiben zurück. Der Zug eilt durch -weites, weites, ebenes Feld. Stoppelfelder auf Stoppelfelder, von den -hohen Mieten des abgeernteten Getreides wie von Zwingburgen beherrscht. -Dann Mais, eine im blassen Mondschein goldig schimmernde Fläche, -endlos, unübersehbar. - -In der Morgenfrühe passieren wir Rosario und dann wieder endlos weites -Land: Mais, Stoppelfeld und unendliche Weide. Zwischen kilometerlangen -Drahtzäunen Weideflächen, Stunde auf Stunde. Um die Station ein paar -Häuser, und dann nichts als selten und spärlich ein Rancho zwischen -Bambusstauden, eine Chacra, eine baumumstandene Estancia. - -Vor mir liegt eine Nummer des „Argentinischen Tageblattes“ -- -nebenbei gesagt die rührigste und bestgeleitete deutsche Zeitung des -lateinischen Amerika -- mit einer Umfrage über die Möglichkeiten -deutscher Einwanderung und Kolonisation. Führende Persönlichkeiten der -deutschen Kolonie haben sich darin ausgesprochen. Während ich durch die -menschenleere fruchtbare Weite sause, lese ich: „Argentinien ist auf -eine große deutsche Einwanderung nicht vorbereitet, und alljährlich -können nur ein paar tausend Einwanderer in Betracht kommen.“ Ein -anderer, ein Bankdirektor, schreibt: „Selbst wenn jährlich nur 4000 -bis 5000 unserer Landsleute einwandern, so ist das schon viel.“ -Oder ein dritter, ein Großkaufmann: „Die wichtigste Aufgabe der -deutschen Kolonie, so glaube ich, sollte sein, die Auswanderung aus -der Heimat +nicht+ zu fördern.“ Nachdem er davon gesprochen, wie die -Auswanderungslust einzudämmen sei, schließt er: „Damit könnte auch -in wirksamer Weise das Deutschtum in Argentinien und in der Heimat -gefördert und geschützt werden.“ - -Draußen nichts als Mais, Weide und Vieh. Und das sind die -menschenreichsten Provinzen: Buenos Aires und Santa Fé, in denen die -Bevölkerungszahl noch nach Millionen und Hunderttausenden zählt. -Weiterhin, in der Pampa, in Patagonien und im Chaco, da zählt man -nach Zehntausenden und Tausenden. Nach Klima und Fruchtbarkeit kann -Argentinien 300 Millionen Menschen ernähren, und nun soll es nur knapp -für ein paar Tausend Einwanderer Existenzmöglichkeiten bieten! - -Ich lese weiter: Ablehnung auf Ablehnung. Aber da schreibt auch einer, -der nur als „Selfmademan“ zeichnet: „Alles, was bei dem gegenwärtigen -Stand des Weltverkehrs von Deutschland hierher auswandern kann, vermag -Argentinien aufzunehmen und mit seinen Erwerbsgelegenheiten dauernd -festzuhalten. Keine Auswandererzahl ist zu groß, als daß sie nicht in -den Rahmen unserer Volkswirtschaft eingepaßt werden könnte.“ - -Wer hat nun recht? Im allgemeinen ist die deutsche Kolonie für -möglichste Einschränkung der Einwanderung, und es wird mir von -allen Seiten nahegelegt, durch möglichst wahrheitsgetreue, d. h. -pessimistische, Schilderungen mitzuhelfen, Einwanderer abzuhalten. Nun -ist sicher richtig: Je weniger Illusionen der Einwanderer mitbringt, -desto besser, und die Arbeit ist im allgemeinen wohl härter und die -Anfangsschwierigkeiten sind größer, als man sich in Deutschland -vorstellt. Aber mit dem bloßen Abraten ist nichts getan. Man kann -ja nicht von Auswanderungslust sprechen, sondern nur von einer -Auswanderungsnot. Und es wäre auch nicht wahrheitsgetreu, wollte man -nur warnen und abraten. Es gibt hier Möglichkeiten, und zwar sehr -erhebliche, zu Wohlstand und Reichtum zu kommen, nur ist der Weg hart, -und nur ein zäher Wille kommt durch. Aber seinen Lebensunterhalt, -und der ist im Verhältnis zu Deutschland reichlich, kann sich jeder -erwerben, der guten Willens ist, wenn er ein heißes Klima und -mancherlei Unzuträglichkeiten mit in Kauf nehmen will. - -Es handelt sich nicht darum zu warnen, sondern zu helfen. Hier ist der -Deutsche Volksbund in Argentinien mit gutem Beispiel vorangegangen, der -eine Beratungsstelle und Stellenvermittlung für deutsche Einwanderer -geschaffen hat. (Im deutschen Vereinshaus, Buenos Aires, Calle San -Martin 439.) Schon Hunderten deutschsprechender Einwanderer ist hier -kostenlos Arbeit und Stellung nachgewiesen worden. Da der Bund in -allen größeren Plätzen Ortsgruppen unterhält, ist es ihm ein leichtes, -sich nicht nur über den Arbeitsmarkt zu orientieren, sondern auch über -die Zuverlässigkeit der Arbeitgeber. Nur so kann vermieden werden, -daß Einwanderer, wie es bereits geschehen ist, in völlig unhaltbare -Verhältnisse nach Misiones oder Chubut geschickt werden, von wo -sie nach einigen Monaten elend, abgerissen und verbittert wieder -zurückkamen. Über jeden Einwanderer wird genau Buch geführt, so daß mit -der Zeit wertvolles Material über die Einwandererbewegung gesammelt -wird. In der gleichen Richtung arbeitet auch der Verein zum Schutz -germanischer Einwanderung und der deutsch-argentinische Zentralverband. - -Wer nach Argentinien auswandern will, muß sich klar machen, daß -er in Verhältnisse kommt, die von Grund aus neu sind, und daß er -unabhängig von Beruf und Vorbildung zu jeder Arbeit und Unternehmung -bereit sein muß. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Aussichten -für Kaufleute und geistige Arbeiter jeder Art schlecht, die für -Handwerker und Industriearbeiter gut sind. Aber das eine wie das andere -ist nebensächlich gegenüber dem Zentralproblem: die Kolonisation -und Ansiedlung im größten Maßstabe. Argentinien ist ein Agrarland -mit extensiver Wirtschaft. Geht man dazu über, den Betrieb intensiv -zu gestalten, so lassen sich unbegrenzte Mengen von Ackerbauern und -Farmern unterbringen, und ein wachsender Bedarf für industrielle, -kaufmännische und geistige Arbeit wird geschaffen. - -Was jetzt von Deutschland herüberkommt, läßt sich noch eine -Weile in der bisherigen Weise unterbringen. Wächst jedoch der -Einwandererstrom, ohne daß die Kolonisationsfrage gelöst ist, so muß es -zur Proletarisierung der deutschen Einwanderer kommen. Den deutschen -Einwanderern bieten sich unbegrenzte Möglichkeiten, aber erst dann, -wenn die sehr schwierige hauptsächlichste Vorbedingung erfüllt ist: die -Beschaffung von Land, Land und nochmals Land! - - - - -6. Die Landfrage. - - Mariano Saavedra. - - -Wir reiten über den Kamp. Endlose Weite. Wie weiße, braune und schwarze -Tupfen steht das Rindvieh im Grün des Alfalfafeldes. Weiterhin Pferde -in Rudeln, dann Schafe gleich Lämmerwölkchen über den grünen Horizont -ziehend. Kein Baum, kein Strauch, kein Haus. Nur die Drahtzäune, die -den Kamp in einzelne Potreros teilen, laufen unermüdlich neben uns her, -und ab und zu passieren wir ein klapperndes Windrad, das Wasser in die -Viehtränken pumpt. - -Man könnte in menschenleerer Öde sich verlassen glauben, kündete nicht -der dunkle Schatten am Horizont die Estancia mit ihren Hainen und -Gärten, Landhäusern und Wirtschaftsbauten. Dort die Estancia mit ihrem -Schloß, in dem der Besitzer in der Regel kaum ein paar Wochen im Jahr -weilt, und hier am Weg ein paar zerfallene Lehmmauern, die Reste eines -Pächterhauses: das ist das Landproblem Argentiniens. - -Argentinien ist das Land des Großgrundbesitzes. Seit den Zeiten des -Diktators Rosas (geb. 1793, gest. 1877) haben die Regierungen ihren -Günstlingen, verdienten Parteigängern, Generälen und Staatsmännern -gewaltige Landkomplexe überlassen, Ländereien von der Größe eines -Fürstentums wurden verschenkt oder zu lächerlich niederen Preisen -verkauft. Heute ist die ganze Republik mit Ausnahme der augenblicklich -wertlosen oder geringwertigen Regierungsländereien im äußersten Norden -und Süden und des wenig zahlreichen mittel- und kleinbäuerlichen -Besitzes in den Händen einer geringen Zahl von Großestancieros und -Landgesellschaften. Komplexe von 100 und 200 Hektar, also etwa von -der Größe eines deutschen Ritterguts, sind hier ein winzig kleiner -Besitz. Man zählt nach Quadratleguas, einem Flächenmaß gleich 25 -Quadratkilometern, und Estancien von 50, 75 und 100 Quadratleguas sind -keine Seltenheit. - -Diese gewaltigen Ländereien dienen lediglich der Viehzucht, und zwar -einer Viehzucht extensivster Art. Weder der einheimische Landbesitzer, -der Estanciero, noch der eingeborene Landarbeiter, der Gaucho, hat -irgend Sinn und Neigung für Ackerbau. Da sich der reiche Argentinier -nur ungern von seinem Land trennt und er andrerseits die gewaltige -Wertsteigerung nicht missen will, die in dem Umreißen des rohen Kamps -und seiner zeitweisen Bestellung liegen, verfiel man in diesem Land -auf das eigenartige Pachtsystem des Medianero. Der Besitzer stellt -Land, Vieh, Gerät und Samen einem Medianero, einem Pächter, zur -Verfügung, der dafür so viel Land bestellt, wie er mit seiner Familie -bewirtschaften kann. In den Ertrag teilen sich Pächter und Besitzer zu -gleichen Teilen. Derartige Pachtverträge werden jedoch nur auf kurze -Zeit, auf drei bis fünf Jahre, oft auch nur für ein Jahr abgeschlossen. -Ist die Zeit abgelaufen, so muß der Pächter im wahren Sinne des Wortes -sein Dach abreißen und dahin ziehen, wo er wieder Pacht findet. Dem -Estanciero liegt ja nichts daran, dauernd Korn zu bauen. Er will -lediglich den Boden seines Kampf verbessern und bessere Weide für -sein Vieh bekommen. Darum legt er in der Regel dem Pächter die -Verpflichtung auf, im letzten Jahr des Pachtvertrages Alfalfa zu bauen, -eine Luzernekleeart, die das vornehmste Futter für Großvieh hierzulande -ist. - -Der Pächter hat also seinerseits gar kein Interesse daran, es sich -irgendwie gemütlich zu machen. Inmitten der Öde des Kamps steht sein -Rancho, eine Lehmhütte mit Wellblechdach, das der Kolonist mit sich -führt. Er pflanzt keinen Baum, kaum Gemüse, und ist zu einem elenden -Nomadenleben verdammt, falls es ihm nicht gelingt, sich so viel zu -ersparen, daß er zum Arendatario, zum Pächter mit eigenem Vieh und -Gerät, und schließlich zum Besitzer auf eigener Scholle aufzusteigen -vermag. - -Es ist ein brutales System, das seinen Zweck, den Wert des Landes zu -steigern, zwar erfüllt -- ein mit Alfalfa bestandener Kamp kostet 100 -Prozent mehr als ein roher --, das aber in keiner Weise für deutsche -Einwanderer in Frage kommt. Was der ins Land kommende Deutsche erhofft, -ist Seßhaftigkeit auf eigener Scholle, die er mit der Zeit durch seiner -Hände Arbeit erwerben kann. - -Nichts ist aber schwerer als das. Die Schwierigkeiten liegen in den -hohen Landpreisen, in der Wertlosigkeit der deutschen Valuta und in der -Unsicherheit des Besitztitels. - -Drei Wege führen zum Besitz von Grund und Boden: Kauf von privater -Seite, Erwerb von Regierungsland oder von Ländereien einer -Kolonisationsgesellschaft. Der erste Weg scheidet für die Besitzer von -Markguthaben aus. Selbst für kleine Kampe sind bei dem derzeitigen -Stand der deutschen Valuta Guthaben erforderlich, über die selbst der -wohlhabende deutsche Einwanderer nicht verfügt. - -Nun zum Regierungsland. Das ist die vielumstrittene Frage. Einmal, gibt -es überhaupt noch Regierungsland, das für Kolonisation in Frage kommt, -zum andern, wie steht es mit der Übertragung der Besitztitel? - -Regierungsland gibt es sowohl in den nördlichen Territorien, in -Misiones und im Chaco, als auch im Süden, in Rio Negro, Neuquen, Chubut -und Santa Cruz. Die allgemeine Ansicht geht dahin, daß beide Gebiete -für Kolonisation nicht in Frage kommen. Der Norden sei zu heiß, der -Süden nur für Schafzucht geeignet. Nach den Temperaturen, die ich -bisher in den Provinzen Buenos Aires und Santa Fé erlebte und die -bis an 40 Grad reichen, möchte ich der ersten Ansicht beipflichten. -Allein ich habe hier stets gefunden, daß man selbst sehen muß, und die -Kenntnis der Porteños, der Bewohner von Buenos Aires, von den äußeren -Gebieten des Landes geht in der Regel nicht sehr weit. - -Was die Besitztitel betrifft, so wird immer wieder über die -Schwierigkeit geklagt, solche zu erlangen. Die Regierung gibt wohl -Land zu billigen Preisen ab, allein ohne Besitztitel. Mitunter sitzen -Leute zehn, fünfzehn und mehr Jahre auf ihrem Kamp, dessen Wert sich -inzwischen durch ihre Arbeit verfünffacht und verzehnfacht hat, und -können keine ordentlichen Besitztitel erhalten. - -Auf der Fahrt hierher erzählte mir ein Deutscher, der in eine -Zuckerfabrik des Nordens auf Arbeit fuhr, seine Geschichte. Ihm war in -Paraguay Regierungsland zu günstigen Bedingungen übertragen. Nachdem er -sein ganzes Kapital hineingesteckt und ein paar Jahre darauf fleißig -gearbeitet hatte, meldete sich eine argentinische Landgesellschaft als -Besitzerin und wies rechtskräftige Titel vor. Alle Reklamationen der -deutschen diplomatischen Vertretung blieben fruchtlos. Der Mann mußte -sein Vieh verkaufen und Grund und Boden verlassen. Ich habe denselben -Vorgang nicht einmal, sondern wohl ein dutzendmal gehört, nicht nur aus -Paraguay, sondern auch aus Argentinien. Ich kann ihre Wahrheit nicht -nachprüfen, allein die Häufigkeit, mit der man sie hört, macht stutzig. -Der einzelne, ohne genügend Kapital, ohne Rückhalt und vor allem ohne -Verbindungen und „~amigos~“ kann sich jedenfalls nicht genug vorsehen, -ehe er sein Geld in Land anlegt. - -Bleibt die Vermittlung der Kolonisationsgesellschaften. Die -Mehrzahl arbeitet auf kapitalistischer Grundlage, andere auf -genossenschaftlicher oder wie die des Baron Hirsch auf gemeinnütziger -Basis. Nicht alle bestehenden Kolonisationsgesellschaften haben -sich immer einwandfrei betätigt. Es sind Fälle vorgekommen, daß sie -an Kolonisten Land gaben, das so mit Hypotheken überlastet war, -daß die Käufer es nicht halten konnten. Von den Gesellschaften, -die sich neu in Deutschland gebildet haben, sind ein Teil reine -Schwindelunternehmungen, denen es lediglich auf Gimpelfang ankommt. -Andere verfügen wohl über guten Willen, aber nicht über die -erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Verbindungen. Daß in ihrem -Vorstand Männer sitzen, die früher einmal in Argentinien waren, genügt -nicht. Vor allem darf man nicht vergessen, daß zwischen Buenos Aires -und dem Land ein himmelweiter Unterschied ist. Man kann jahrelang -in der Hauptstadt sitzen, ohne vom Kamp etwas zu verstehen. Dabei -mag von solch grotesken Fällen ganz abgesehen werden, daß sich hier -bei amtlichen Stellen als Vertreter deutscher „Siedelungs- und -Kolonisationsunternehmungen“ Herren meldeten, mit der Absicht, Land zu -kaufen, die weder von Argentinien, noch von Landwirtschaft, noch von -der spanischen Sprache eine Ahnung hatten. - -Es ist bedauerlich, daß durch solche Schwindelunternehmungen der -Gedanke der Kolonisationsgesellschaft diskreditiert wird und unter -Umständen auch gutfundierte und gutgeleitete Gesellschaften zu leiden -haben; denn dieser Gedanke stellt den einzigen Weg dar, eine große -deutsche Einwanderung gut unterzubringen. Vorbedingung ist jedoch, daß -deutsches und argentinisches Kapital zusammenarbeitet, unter enger -Fühlungnahme mit den beiden Regierungen und unter Ausschaltung von -Spekulationsgewinnen. - -Der gegebene Mittler wäre das deutsch-argentinische Kapital, das bei -gutem Willen ohne Schwierigkeiten über die erforderlichen Mittel -verfügen würde, um selbst sehr großzügige Siedelungsunternehmungen -zu finanzieren. Seit Ende 1919 ist auch die Frage einer -Siedelungsaktiengesellschaft erörtert worden. Kommissionen haben -getagt. Es ist jedoch nichts dabei herausgekommen. Nach den Äußerungen -des Direktors der Überseeischen Bank hätten alle Berechnungen ergeben, -daß nicht einmal eine bescheidene Verzinsung der aufgewendeten -Kapitalien zu erwarten sei. Ich kann diese Behauptung noch nicht -nachprüfen. Wenn aber das betreffende Komitee weiter einstimmig zu der -Ansicht kam, daß mit einem derartigen Unternehmen den Einwanderern -selbst kaum ein Dienst erwiesen würde, so wird man stutzig. - -Bei dem großen Mehrwert, den eine großzügige Kolonisation für alle -Beteiligten bedeuten würde, kann man sich des Gedankens nicht erwehren, -daß einigen, und gerade den kapitalkräftigsten, Mitgliedern der -deutschen Kolonie die Einwanderung aus der Heimat unsympathisch ist. -Man hört mitunter die Meinung, daß sie die sozialistische Gesinnung -deutscher Kolonisten fürchten. Vielfach sollen sie auch schlechte -Erfahrungen mit deutschen Arbeitern gemacht haben. - -Deutsches Kapital, das wohl verfügbar wäre -- denn nach menschlichem -Ermessen gibt es für mitteleuropäische Gelder kaum eine sicherere -Anlage als in argentinischem Grund und Boden --, kann sich nur in -Form von Maschinen, Werkzeug und Waren beteiligen. Schon aus diesem -Grunde bedarf es der Mitwirkung argentinischer Firmen. Sperrt sich das -deutsch-argentinische Kapital noch länger, so wird rein argentinisches -Kapital die Sache machen, ja, es wird sogar behauptet, daß -Ententekapital darauf lauere, sich der deutschen Einwanderung als eines -guten Spekulationsobjekts zu bemächtigen, was nicht so unwahrscheinlich -ist. - -Ein derartiges Siedelungsunternehmen müßte als Kolonisations- -und Handelsunternehmung gegründet werden, um die aus Deutschland -gelieferten Waren in eigener Regie veräußern zu können und andrerseits -die auf der Kolonie erzeugten Produkte direkt nach Deutschland zu -liefern. Es müßte weiterhin versuchen, Einfluß auf die Verschiffung -der Einwanderer zu nehmen, wenn es nicht eigene Schiffe erwirbt. -Im Anschluß daran ließe sich die Frage der Verpflanzung deutscher -Industrien nach Argentinien lösen. - -Es muß etwas geschehen, womöglich ehe eine deutsche Masseneinwanderung -hier eintrifft. Darum ist es Zeit zu einem lauten, weithin -vernehmlichen Caveant Consules! Was die deutschen Einwanderer brauchen, -ist nicht Warnung und Rat und bestenfalls Arbeitsvermittlung, sondern -die rasche Beschaffung von billigem Land. - -Auch der argentinische Staat sollte daran interessiert sein. -Eine planmäßig geförderte und systematisch geleitete deutsche -Einwanderung würde nicht nur dem Lande eine Fülle wertvollster -Kräfte zuführen, sondern eine gerechte und großzügige Lösung der -Landfrage würde der argentinischen Republik das schaffen, was ihr -noch fehlt: einen gesunden und kräftigen Bauern- und Mittelstand, -und damit die beste Sicherung gegen die sozialen Gefahren, die die -gegenwärtige Besitzverteilung des Landes und die Latifundienwirtschaft -unheilschwanger in sich bergen. - - - - -7. Die großen Estancien. - - Estancia „La Louisa“. - - -Kein anderes Land läßt sich auf solch kurze, einfache Formel bringen -wie die Republik zwischen dem La Plata und den Kordilleren: Argentinien -ist sein Vieh und sein Korn. - -Allerdings galt diese Formel nicht immer, wie sie auch für die -Zukunft kaum Geltung behalten wird. Man denke, vor ein bis zwei -Menschenaltern gab es in dem Viehland Argentinien nichts, was der -heutigen Viehzucht gleichkam, und noch vor vierzig Jahren führte der -heute größte Getreideexporteur der Welt für den eigenen Bedarf Weizen -ein, und so wird auch der fortschreitende Übergang der argentinischen -Landwirtschaft zum intensiven Landbau das zukünftige Bild ändern, -ganz abgesehen von den industriellen Möglichkeiten, die die Ölquellen -von Comodore Rivadavia, die Wasserfälle des Iguassu und die noch -unerforschten Mineralschätze der Anden bergen mögen. - -Vieh und Korn! Seit etwa anderthalb Jahrzehnten fing das Getreide an, -in den Ausfuhrziffern in die Vorhand zu kommen. Allein trotzdem ist -Argentinien noch auf lange Zeit in erster Linie ein viehzüchtendes -und kein ackerbautreibendes Land, da die gesamte Struktur der -landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse durchaus auf der Viehzucht -beruht und den Ackerbau, wenigstens was die großen Estancien -anbetrifft, gleichsam nur als einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb -erscheinen läßt. - -Die großen Estancien umfassen den weitaus besten und bedeutendsten -Teil des anbaufähigen Landes. Von dem Willen ihrer Besitzer, der -Estancieros, hängt es ab, ob und zu welchen Bedingungen Land zu -Kolonisationszwecken verfügbar wird und in welcher Weise sich die -argentinische Landwirtschaft entwickelt. - -Ihre Grundlage sind eine unbegrenzte und schier unendliche Weidefläche, -eine Fläche Land, die Deutschland, England, Frankreich und Italien an -Ausdehnung übertrifft, und -- die acht Kühe und der eine Stier, die die -Spanier im Jahre 1553 hierher brachten. Heute ziehen nicht mehr riesige -Herden, von halbwilden Hirten, den Gauchos, getrieben, in wochen- und -monatelanger Wanderung auf der Suche nach frischer Weide über die -Pampa, die Steppe, das Vieh wird in kleinen Herden in Potreros gehalten -und über jedes einzelne Stück genau Buch geführt. Aber dem eingeborenen -Volkselement, das von der Viehwirtschaft lebt, Herr und Knecht, haftet -noch immer die ritterliche Großzügigkeit des Nomaden an, der ohne -schwere körperliche Arbeit von dem natürlichen Überfluß seiner Herde -lebt. - -Ohne Dung und Pflege erneuert das jungfräuliche Land seine Säfte. Auf -ihm wächst und vermischt sich das Vieh, ungehütet Sommer und Winter -im Freien. Selbst die Mühe des Melkens und der Butterbereitung ist -den meisten der Besitzer zu groß. Sie erübrigt sich auch, da der -Gewinn ohnehin überreichlich ist und der Besitzer sich damit begnügen -kann, das schlachtreife Vieh, einerlei ob Ochsen oder Kühe, an die -Frigorificos, die Schlacht- und Kühlhäuser, zu verkaufen. - -Dies ist das Bild der argentinischen Viehwirtschaft von heute. Es -wird nicht das von morgen sein; denn schon sind die Anzeichen einer -weitgehenden Intensivierung überall zu sehen. Von zwei Seiten geht sie -aus: einmal von den Cabañas, jenen Estancien, in denen hochwertige -Rassen zu Zuchtzwecken gezogen werden und in denen man das Vieh in -modernen Stallanlagen hält, und dann von jenen Estancien, in denen -weitsichtigere, energischere oder auch nur ökonomischer denkende -Unternehmer (meistens Ausländer) zu Milchwirtschaft, Butter- und -Käsebereitung und zu sonstiger landwirtschaftlicher Industrie -übergegangen sind. - -Aber einstweilen beruht noch die große Mehrzahl der Estancien auf der -reinen Zucht von Schlachtvieh. Und auf großen Estancien kann es einem -geschehen, daß man weder Butter noch Milch bekommt. -- - -Die Mittagssonne brennt auf das Land. Vor Hitze flimmert der Horizont, -und in eiligem Galopp auf müden Pferden streben Capataze und Peone, die -seit frühem Morgen unterwegs sind, der Estancia zu, der Schatteninsel -im Sonnenmeer. Der dichte Hain von Eukalyptus und Paraiso wirkt wie -ein Schutzdach vor der sengenden Sonne, die die Temperatur bis auf -40 Grad hinauftreibt. In ihm verstreut liegen das Haus des Mayordomo -und das Wirtschaftsgebäude. Hier ruhen auch, mit Stricken an den -Eukalyptusbäumen angebunden, die wertvollen Zuchtstiere, wahre -Musterexemplare potenzierter Männlichkeit, die nur nachts zu den Kühen, -die sie decken sollen, gelassen werden. Das Vieh draußen steht müde und -apathisch um die Wasserbehälter, in die die klappernden Windräder Tag -und Nacht frisches Wasser pumpen, oder es drängt sich, soweit Platz -ist, in dichten Haufen im Schatten der wenigen Bäume, die als Alleen -die zur Estancia führenden Wege einfassen, oder die an der Stelle einer -ehemaligen Kolonistensiedelung blieben, als einziges Zeichen, daß hier -einstmals ein Rancho stand. - -Einst kannte dieses Land ja nicht einen einzigen Baum. Als die Spanier -hierherkamen, gab es nichts als eine einzige unermeßliche Ebene, ein -Meer von Steppe. - -In all den Jahrhunderten, die seitdem verstrichen, sind keine Wälder -gepflanzt worden. Nur um die Wohnhäuser der Estancieros setzte -man einige Eukalyptus- und Paraisobäume, und es sind schon sehr -moderne, gutgeleitete Estancien, in den systematisch Baumreihen und -Buschgruppen als Sonnen- und Windschutz angelegt sind. - -Statt Busch und Baum aber hat die fortschreitende Zivilisation der -ehemals freien Pampa den Drahtzaun gebracht. Jenes Gesetz -- ich -weiß nicht mehr, aus welchem Jahre --, das die Einzäunung jedes -Besitzes forderte, wurde die Grundlage der heutigen argentinischen -Viehwirtschaft. Es machte dem freien Umherschweifen der Herden und -ihrer wahllosen Vermischung ein Ende und ermöglichte damit erst eine -systematische Aufzucht von Rassevieh. - -So segensreich dieses Gesetz auch war, ist es der Anlaß, daß das ganze -Land mit Draht durchzogen wurde, und man kann schon von einer Manie -des Einzäunens sprechen. So scheiden sich beispielsweise die Provinzen -durch Draht voneinander, die Bahngesellschaften sind verpflichtet, -ihre Linien durch Draht einzuhegen, und jeder einzelne Besitz ist, -wie gesagt, durch Draht geteilt. Millionenwerte stecken in diesen -Drahtzäunen; denn das Meter Drahtzaun stellt sich auf einen Peso, und -nach Angabe der Zollbehörde sind in dreißig Jahren etwa eineinhalb -Millionen Tonnen Stacheldraht eingeführt worden. - -Aber die Abgrenzungen durch Draht in sogenannte „Potreros“ ermöglichen -erst eine rationelle Weide und Mästung des Viehs und auch eine genaue -Kenntnis des Standes der Herden. Eine Anzahl Potreros untersteht dem -Capataz, einem Vorarbeiter. Jeden Tag muß er die Umzäunung abreiten, um -zu sehen, ob die Drähte fest genug gespannt sind, und er kontrolliert, -ob die Windräder laufen und in den Behältern genug Wasser ist, ob die -Weiden ausreichen, oder ob man noch ein paar Stück Vieh mehr halten -kann, und ob sich kein Unkraut ausbreitet, das frisch gekaufte Herden -an ihren Hufen eingeschleppt haben können. - -Die Normalweidepflanze ist die Alfalfa. An Stelle des ursprünglichen -harten Steppengrases waren mit der Zeit weichere Grasarten getreten. -Aber der gewaltige Aufschwung der argentinischen Viehzucht rührt von -der Einführung der Alfalfa genannten Kleeart her. Während auf dem -rohen Kamp bestenfalls ein Stück Großvieh auf zwei Hektar gerechnet -werden kann, zählt man bei Alfalfaweide zwei bis vier Stück Vieh auf -einen Hektar. Der ungeheuere Vorteil der Alfalfa liegt darin, daß ihre -Wurzeln auf der Suche nach Wasser acht bis zehn Meter tief in den Boden -hinabkriechen und dabei wasserundurchlässige Tonschichten durchdringen, -so daß dieser Klee auf einem Boden gedeiht, auf dem sonst nichts -wächst. Nur wegen der Anpflanzung von Alfalfa verpachtet, wie schon -erwähnt, der Estanciero zeitweise Teile seines Kamps an Kolonisten, -die nach Ablauf ihres Pachtvertrages den Boden mit Alfalfa bestellt -zurückliefern müssen. Im allgemeinen kann man dann für ein Alfalfafeld -zehn bis zwanzig Jahre rechnen, bis der Boden neu umbrochen werden muß. - -Die Großzügigkeit des Estancieros und nicht minder die Lethargie des -Kreolen sind es, die den bisherigen Charakter der argentinischen -Landwirtschaft bestimmen. Man hat intensive Arbeit nicht nötig, und -bei den geringen Anforderungen, die der Eingeborene sowohl wie der -eingewanderte italienische Landarbeiter an Komfort und Lebenshaltung -stellen, während der Estanciero den größten Teil des Jahres in der -Hauptstadt verbringt, ist das Land, das ein Garten sein könnte, -überwiegend noch Weide. - -Kaum daß um die Estancia ein Pfirsichhain und ein paar Gemüsebeete -angelegt sind. Aber trotzdem drängt die ganze Entwicklung -argentinischer Landwirtschaft auf die Einführung intensiver -Bewirtschaftung und gibt damit dem europäischen Einwanderer ganz andere -Möglichkeiten in die Hand als heute. Waren ehemals die Felle das -einzige, was der Estanciero von seiner Herde verwertete -- das Fleisch -blieb liegen, ein Fraß für Geier und Jaguare --, so ist es heute das -Fleisch, und morgen werden es ganz allgemein Milch und Butter sein und -eine eingehende Nutzung landwirtschaftlicher Industrie jeder Art. - - - - -8. ~Sigue Vaca!~ - - Estancia „La Louisa“. - - -Seit Wochen regnet es nicht. Der Boden ist trocken wie Zunder. Auf den -Pfosten der Potrerozäune sitzen in regelmäßigen Abständen graugepudert -die Habichte. Von den Hufen des Pferdes weht der Staub gleich -gewaltiger Rauchfahne nach rückwärts. Aber sie ist wie ein dürftiges -Fähnchen gegenüber der riesigen Wolke, die über den Horizont zieht. -Breit und massig steigt sie gen Himmel. - -Es ist eine Herde frisch gekauften Viehs, die zur Verteilung in die -Ensenada getrieben wird. Dort sollen die aus dem Norden kommenden -Rinder nach ihrer Qualität in kleine Herden geteilt werden. Ist dies -geschehen, so wartet ihrer noch Bad und Impfung. Dies und Kastrieren, -Markieren und Schneiden der Hörner ist neben der täglichen Kontrolle -des Viehs, der Zäune, Pumpen und Tanks die Arbeit der Capataze und -Peone, der Viehhirten der Estancia. - -Es ist Arbeit, die ihr Vorgänger, der Gaucho, nicht kannte; er hätte -auch für die modernen Hilfsmittel der Ensenada nur ein verächtliches -Lächeln gehabt. Er hatte nichts als sein Pferd und seinen Lasso. -Wollte in früheren Zeiten ein Estanciero zwecks Zählung oder Verkaufs -seine Herde zusammentreiben, so geschah es auf freiem Feld, höchstens -daß ein Pfosten den Platz bezeichnete, an den sich das Vieh mit der -Zeit gewöhnte, so daß es willig mitzog, wenn die Gauchos es in dieser -Richtung trieben. Aber seine Trennung und Absonderung geschah nur durch -lebendige Gassen von Pferden und Reitern, die es oft genug durchbrach. -Zum Markieren oder Kastrieren aber mußte jedes einzelne Stück mit dem -Lasso gefangen und geworfen werden. - -Heute ist der Lasso, jedenfalls auf modernen Estancien in den zentralen -Provinzen, mehr ein Dekorationsstück, das aus Tradition noch am Sattel -hängt. Wenigstens erlebte ich es, als ich vom galoppierenden Pferd aus -den Lasso versuchte und natürlich fehlwarf, daß auch der unterweisende -Peon bei Pferd wie Kuh und Schaf keinen besseren Erfolg hatte. - -Die Ensenada hat den Lasso überflüssig gemacht. Ein weiter Corral, -ein festumzäunter Platz, in den das Vieh getrieben wird. Auf die -erste Abteilung, den Vorhof gleichsam, folgt eine zweite, die sich -trichterförmig verengt und schließlich in einen engen Schlauch -ausläuft, in dem zwischen schrägen festen Wänden kaum ein Stück Vieh -Platz hat. Durch Fallgatter und Türen kann man bequem, ohne Anstrengung -und Gefahr, jedes einzelne Stück in verschiedene Unterabteilungen, die -auf den Gang münden, leiten. - -Mit dumpfem Brüllen hat sich inzwischen die wandelnde Staubwolke dem -Eingangstor der Ensenada genähert. Der voranreitende Peon zieht an -einem Strick eine klappernde Lata, eine große leere Blechbüchse, hinter -sich her. Willig folgt ihm die Herde. Versuchen einige Ungebärdige -rechts oder links auszubrechen, so treiben die begleitenden Peone mit -lautem Geschrei und geschwungener Peitsche sie auf den Weg zurück. - -Der Corral ist voll. Die Staubwolke steht und steigt gerade gen -Himmel. Unruhig schiebt und drängt sich die Herde hin und her. Das -dumpfe Brüllen ist allgemein geworden. Aufreizend durchzittert es die -Luft, die so dick voll Staub ist, daß man alles nur in ungewissen, -verschwommenen Formen sieht. Von den Peonen sind einige abgesessen und -haben zu beiden Seiten des Schlauchs Posto gefaßt. Die andern reiten an. - -Lust faßt mich, mitzutun. Mit geschwungener Peitsche und lautem -Geschrei gibt es ein Preschen auf die Rinder. Unwillig setzt sich ein -Teil in Bewegung und drängt in die Trichter. Andere wollen nicht, -brechen aus, gehen die Reiter an. Es gibt ein wildes, heißes Reiten. -Immer wieder im Galopp um die Herde herum und mit Gewalt in sie -hineingeprescht. - -„~Sigue vaca!~“ „~Vamos!~“ „~Sigue, sigue!~“ und dazwischen ein -indianerartiges Aufheulen in hohen Fisteltönen. Donnerwetter, trotz -der Ensenada ist es harte Arbeit. Die Kehle ist heiser vom Schreien, -Gesicht und Arme sind schwarz von Staub. Die braune Haut der Peone -sieht sich an wie altes, brüchiges Leder. - -Endlich haben wir einen Schub im Trichter. Das Tor wird geschlossen. -Drinnen bleiben zwei berittene Peone und treiben die Rinder, die immer -wieder umzukehren versuchen, in den Schlauch. - -Der nächste Schub und der übernächste! Je weniger Vieh im ersten Corral -bleibt, desto ungebärdiger wird es. Es sind ja jene Widerspenstigen, -die bisher immer wieder auszubrechen verstanden, die übrigblieben und -die nun hineingetrieben werden müssen. - -„~Sigue, sigue vaca!~“ Die Kehle gibt nur mehr ein heiseres Brüllen -her. Mund und Lunge sitzen voll Staub. Es ist ein eigentümliches -Gefühl, in diese Masse Rinderhäupter hineinzureiten. Langsam schiebt -sie sich vor, bis eines ausbricht und die ganze Herde kehrtzumachen -droht. Da heißt es, sofort den Widerspenstigen zurückzutreiben. - -Ein mächtiger Stier trottet vor mir zwischen den Kühen her. Zornig und -tückisch schielt er, als empfinde er das Unwürdige seiner Situation. -Plötzlich dreht er und will zurück. Eine Wendung mit dem Pferd, und -die Last des angaloppierenden Pferdes prallt dem Stier in die Flanken, -während gleichzeitig die schwere Peitsche ihm über den Rücken saust. - -Die Brust des Pferdes ist Waffe und Werkzeug. Mit ihr reitet man das -Vieh an, wie das Pferd auch gewöhnt ist, mit der Brust die Tore -der Umzäunung zu öffnen. Bewundernswert ist die Ruhe der Tiere. -Für den Neuling ist es ein unheimliches Gefühl, so mitten zwischen -den Hörnerspitzen einer unruhig drängenden Rinderherde zu reiten, -aber willig sprengt das Pferd immer wieder von neuem gegen jedes -widerspenstige Rind. Es ist ein heißes, hartes, aber auch schönes, -ritterliches Arbeiten. In der Luft liegt etwas von der Aufregung, Lust -und Gefahr eines siegreichen stürmischen Schlachttages. - -Ein anderes Bild: Eine Herde frisch eingetroffener Pferde jagt über den -Kamp. Im Galopp geht es zur nächsten Ensenada. Sie müssen gezeichnet -werden. - -Es ist Sitte und Gesetz von jenen Zeiten her, als das Land noch keine -Drahtzäune kannte, daß jedes Stück Vieh die Marke seines Besitzers, die -gesetzlich eingetragen ist, führen muß. Diese Marke ist etwas Ähnliches -wie bei uns ein Wappen und wird auch auf dem Briefbogen geführt. -Wird ein Stück Vieh verkauft, so wird die Marke umgekehrt über die -erste Markierung eingebrannt, zum Zeichen, daß der Besitzer das Pferd -rechtmäßig verkaufte, und daneben wird das Zeichen des neuen Besitzers -aufgeprägt. - -Die Pferde stehen jetzt hintereinander im Schlauch, das vorderste -zwischen zwei Gattern vorne und hinten eingepreßt. Von einer Plattform -aus kann man ihm bequem mittels der Schlaufe der Peitsche eine -bändigende Fessel über die Nüstern legen. Inzwischen glüht an dem -kleinen Knochenfeuer, das mit Fett zu hellerer Flamme angefacht wird, -das Brandeisen. - -[Illustration: Das Tal des Rio Cayunco.] - -[Illustration: Inkasee.] - -Ruhig steht das gefesselte Pferd. Der Peon setzt ihm das Eisen auf -den Schenkel. Jetzt spürt das Tier die Hitze. Wild schlägt es mit -den Hufen gegen die Bretterwände und versucht, sich mit gewaltigem -Ruck zur Seite zu werfen. Umsonst, schon hat sich der glühende Stahl -unerbittlich in sein Fleisch gebissen. Das Gatter öffnet sich. -Verzweifelt sich schüttelnd, stürmt es ins Freie. Das nächste! - -Für besonders ungebärdige Tiere, vor allem für Stiere, dient eine -Art Holzklammer, welche die Tiere so zusammenpreßt, daß sie ganz -widerstandslos werden. Eine ähnliche Vorrichtung benutzt man zum -Festklemmen des Kopfes, um die Hörnerspitzen kappen zu können. - -Eine besondere Einrichtung erfordert das Baden, dem alle aus dem -Norden kommenden Tiere unterworfen werden müssen, da sie durchweg mit -Zecken behaftet sind. Die Anlage ähnelt der Ensenada. Nur endet der -Schlauch in einem engen Kanal, der mit desinfizierender Lösung gefüllt -ist. Langsam trotten die Rinder den engen Gang vor. „~Vamos! Sigue -vaca, sigue!~“ Mit den Peitschenstielen treiben die Peone die Unheil -witternden Rinder an. Jetzt steht das erste vor dem Kanal und stutzt. -Aber schon hat es den Fuß auf die schräge Zementbahn gesetzt. Und -damit ist sein Schicksal besiegelt. Es saust die steile Bahn hinunter -und schlägt auf dem hochspritzenden Wasser auf. Ängstliches Brüllen, -verzweifelt starrende Augen, aber ein mit langer eiserner Gabel -bewaffneter Peon faßt die Hörner und taucht unerbittlich den Kopf in -die dunkle Flut. - -Rind auf Rind passiert. Will eines absolut nicht vor, so genügt ein -rascher Griff, der ihm den Schwanz bricht, um es vorzutreiben. - -Dazwischen traben die Kälber. Sie sind die Widerspenstigsten. Oft -gelingt es ihnen, sich umzudrehen. Dann müssen sie rückwärts schreitend -ins Bad getrieben werden. Oder zwei purzeln übereinander, geraten -gleichzeitig mit einem ausgewachsenen Rind ins Bad und kommen unter -dessen Füße; dann gibt es aufreibende Arbeit, sie vor dem Ertrinken zu -bewahren. - -Am Ende des Bades führt eine Rampe in zwei zementierte Einzäunungen, -aus denen die kostbare Flüssigkeit wieder ins Bad zurückfließen kann. -Hier steht zitternd und tropfend das verängstigte Vieh, während von der -andern Seite das aufreizende „~Sigue vaca!~“ klingt und die Peone einen -neuen Schub Rinder in den Trichter treiben. - -Es ist spät geworden, als ich mich verabschiede. Schon ist der die Luft -füllende Staub golden von der sinkenden Sonne. - -„~Buenas noches, caballeros!~“ Mit vollendeter Ritterlichkeit ziehen -die braunen Gestalten, von denen mehr als einer aussieht wie ein -Strolch, die Hüte und schütteln mir kavaliermäßig die Hand. Es ist wohl -nicht nur das alte stolze Indianerblut in jedem von ihnen, sondern -auch ihre ritterliche, reiterliche Tätigkeit, die ihnen nur das Leben -im Sattel, die Arbeit mit Peitsche, Lasso und Messer als die einzig -manneswürdige erscheinen läßt. - - - - -9. Deutsche Kolonien in Santa Fé. - - San Geronimo. - - -Der leichte Fordwagen jagt hüpfend und stoßend über die löchrige -Straße, die sich neben den Drahtzäunen hinzieht. Zwischen den kleinen -Weiden, auf denen das Vieh enger beisammen steht, Felder mit Korn -und Mais. Der Charakter der Landschaft wird fast norddeutsch. Darüber -ein blauer Himmel mit getürmten Haufenwolken, wie man ihn oft im -bayerischen Hochland sieht. Dabei aber sitzt es auf den Wegen gelb und -grünlich und orangerot von Schmetterlingen, wie Blütenfall. - -Die erste Kolonie, die wir passieren, ist San Carlos. Es bedürfte -nicht der Worte des Begleiters, um zu wissen, daß hier Italiener -wohnen. Im nächsten Ort, der Anklänge an die Normandie zeigt, wohnen -Franzosen, bis wir in San Geronimo ankommen, das Schweizern und -Deutschen gehört. Friedliche, saubere Häuser mit großen Blumengärten, -mit Sträuchern und Obstbäumen. Beides kennt der Eingeborene nicht. -Es ist ihm zu mühsam. „Obst kommt nicht“, antwortet er, wenn man ihn -frägt, oder: „Die Heuschrecken fressen es ja doch.“ Aber die Deutschen -und Schweizer pflanzen es, und es gedeiht, trotzdem gerade hier die -Heuschreckenplage besonders groß ist, wie die rings um das Dorf gleich -Wällen aufgestellten Bleche künden, die vor der anmarschierenden Brut -schützen sollen. - -An der weiten grünen Plaza die Kirche. Daneben blütenumrankt das -Pfarrhaus. Der Pater, der seit dem Kriege keinen Deutschen von drüben -sprach und dessen Fragen, wie alles kam, kein Ende nehmen wollten, -blätterte in der Chronik: Vor etwa 60 Jahren, im März 1857, kamen die -ersten Deutschen herüber, 80 Familien aus der Gegend von Mainz, die -das benachbarte Esperanza gründeten, heute eine blühende Stadt. Ein -Jahr später kamen Schweizer aus dem Wallis und legten den Grund zu San -Geronimo. - -Später sitze ich bei alten Kolonisten, die jene Zeit noch als Kinder -erlebten, und lasse mir erzählen, wie hart der Anfang war. Wohl hatte -die Regierung das Land umsonst gegeben. Aber der erste Weizen mußte -mit Hacken und Rechen in den Boden gelegt und mit der Sichel geerntet -werden. An Nahrung gab es nur Fleisch von den benachbarten Estancieros. -„18 Monate hatten wir kein Brot,“ erzählte der alte Kolonist aus -dem Hessischen, „und unmittelbar vor dem Hause konnte man die Rehe -schießen.“ - -Die damals hart und schwer um des Lebens Notdurft ringen mußten, sind -heute müde und alt. Aber sie sind alle reich geworden. Nach deutschen -Begriffen zum Teil Millionäre. - -Noch ist San Geronimo deutsch, aber es gilt einen harten Kampf, es -deutsch zu erhalten. Gibt es auch Familien, in denen noch die Enkel -deutsch sprechen, so doch auch andere, in denen bereits die zweite -Generation nur Spanisch kann. Als Kaufleute sind Argentinier ins -Dorf gekommen, die Peone sind Eingeborene, der Schulunterricht ist -spanisch. Halten die Eltern nicht streng darauf, daß im Hause deutsch -gesprochen wird, so lernen die Kinder nur das ihnen viel leichter -fallende Spanisch. Der Pater klagte mir sein Leid. Er kämpft tapfer -für das Deutschtum und unterhält eine Privatschule, in der in Deutsch -unterrichtet wird. Sie wird immerhin von 140 Knaben besucht, während -die Mädchen deutschen Unterricht von -- man höre und staune! -- -französischen Schwestern erhalten. So gibt es also doch noch Inseln, -denen der Haß fernblieb. - -Die Grundlage des Wohlstandes in San Geronimo wie in allen andern -Kolonien ist der Weizenbau. Heute wird jedoch nach und nach die -Ackerwirtschaft durch reine Viehwirtschaft ersetzt. Eine ganze -Reihe von Gründen sprechen mit: einmal die Erschöpfung des Bodens, -die Unsicherheit des Getreidebaues, bei dem einige schlechte Jahre -mit Trockenheit und Heuschrecken um jeden Gewinn bringen können, -während Viehzucht einen ständigen und sicheren Ertrag gewährt. -Je weniger Getreide gebaut wird, desto weniger lohnt es sich für -Dreschmaschinenunternehmer zu kommen. Mit ihrem Fernbleiben geht der -Körnerbau weiter zurück, und heute baut San Geronimo nicht einmal mehr -so viel Getreide, um den eigenen Bedarf zu decken. - -So sind heute die Bauern zu dem Betrieb der Estancien, zur Viehhaltung, -zurückgekehrt, allerdings einer wesentlich intensiveren, deren -Grundlage die Milchwirtschaft ist. Nötig ist dies ja bereits durch die -viel geringere Bodenfläche, über die die Chacra, das Bauerngut, verfügt. - -Ursprünglich erhielten die Kolonisten von der Regierung nur eine -Konzession, kinderreiche Familien zwei. Diese alten Konzessionen messen -33 Hektar, die neuen 25. Fast alle Kolonisten aber konnten ihren Besitz -durch Kauf erweitern. Es gibt heute Kolonisten mit 20 Konzessionen. -Die Regel aber sind vier bis sieben. Eine Familie kann etwa vier noch -ohne Hilfe bewirtschaften. Die Kinder gehen sämtlich wieder in die -Landwirtschaft. Der Besitz wird unter sie geteilt. Durch Zukauf sucht -man eine allzu weitgehende Verkleinerung der Chacras zu verhindern. - -Auf einer alten Konzession lassen sich zirka 60 Stück Rindvieh halten, -so daß selbst ein kleiner Kolonist über größere Herden verfügt als ein -deutscher Gutsbesitzer. Die Milch wird an Molkereien verkauft, für 6 -bis 7 Centavos das Liter. Es gibt eine genossenschaftliche Molkerei am -Ort, andere liefern nach Rosario oder Santa Fé oder direkt nach Buenos -Aires. Die Magermilch dient der Schweinemast. Mit einer Kaseinfabrik -ist der Anfang landwirtschaftlicher Industrie gemacht. Dazu kommen -Hühnerzucht und Obstbau. - -Infolge dieses intensiven Betriebes sind die Landpreise außerordentlich -hoch. Eine alte Konzession von 33 Hektar kostet 12-14000 Peso. So kommt -diese Gegend für Einwanderer nicht in Frage, höchstens um zu lernen, -oder allenfalls als Pächter. - -Einer der Kolonisten zeigt mir eine seiner Chacras, eine halbe -Autostunde vom Ort. Die fünf Konzessionen, die sie mißt, sind an einen -Italiener, einen ehemaligen Österreicher, verpachtet. Er ist als -Medianero auf halben Gewinnanteil gesetzt. Aus der Milch allein zieht -er als seinen Anteil im Jahr 3000 Peso. Daneben hat er aber auch von -einer halben Konzession 326 Zentner Mais geerntet. - -Ein großer Obst- und Blumengarten umprangt das Haus. Kaum eine -Fruchtart fehlt da: Pfirsiche, Aprikosen, Äpfel und Birnen, von denen -man im allgemeinen behauptet, daß sie hier nicht kämen, Quitten, -Orangen, Mandarinen, Pflaumen, Feigen und selbst Dattelpalmen. Die -meisten Bäume, die dicht voll Früchte hängen, sind 30 bis 40 Jahre -alt, aber in einem Teil des Gartens steht auch eine Hecke dünner, -doch immerhin übermannshoher Stämmchen. Sie ist aus Pfirsichkernen -entsprossen, die im vorigen Jahr in den Boden gelegt, und an -einem und dem andern der ein Jahr alten schmucken Bäumchen hängt -bereits seidenweich und rund ein großer Pfirsich. Wäre nicht die -Heuschreckenplage, das Land wäre das Paradies! - -Auf der andern Seite ist der Corral, in den die Kühe zum Melken -getrieben werden. Er ist besser eingerichtet und sauberer als die -Tambos der Estancien. Die eine Seite nimmt eine offene Halle ein, in -der die Kühe bei schlechtem Wetter gemolken werden. Weiterhin ist eine -Einzäunung für Schweine, und gackernd laufen über den Hof Hunderte von -Hühnern, bei dem billigen Futter und den hohen Eierpreisen -- hier -draußen 50 Centavos das Dutzend -- sicher kein schlechtes Geschäft. - -Es ist ein sonderbares Gefühl, das mich hier beschleicht. Hier ist -Heimat und doch Fremde. Wie eine Figur aus dem „Lederstrumpf“ steht der -alte Pionier mir dem wallenden weißen Bart auf seinem Grund. Er hat ein -Leben hinter sich, wie wir es nur aus Geschichten kennen, aber er hat -reiche Ernte eingebracht. - -Ist dies heute noch möglich? Gibt es noch Teile in der Republik, -in denen es der Fremde zu gleichem Glück und Wohlstand bringen -kann wie jene Deutschen vor zwei Menschenaltern in Santa Fé? Der -Gedanke beschäftigt mich, während wir im Auto zurücksausen durch die -Abendlandschaft, die ganz von Goldstaub flimmert. Die Heuschrecken, -die vom Wege aufschwirren, prallen gegen den Wagen. Eine ägyptische -Plage, und trotzdem das blühende Land! Galt ihretwegen vielleicht einst -Santa Fé für ebenso aussichtslos für Kolonisation, wie man es heute -wegen Klima, Trockenheit und Wassermangel von den noch unerschlossenen -Teilen der Republik wähnt? Jede Mühe und Fährlichkeit scheint es wert, -mitzuhelfen, Raum und Brot für hungernde Menschheit zu schaffen. - - - - -10. Heißes Land. - - Auf dem Paraná. - - -In den Straßen von Santa Fé stand die Glut, körperlich, sichtbar. Man -schritt durch sie hindurch, wie durch greifbare Masse, und am Fuß der -Häuser fehlte auch die kleinste Spur von Schatten. - -Die Hitze stand über allem in der Stadt. Über allem, was man tat -und sprach; es war, als sei alles gelähmt, belastet, betäubt von -diesem schwülen, feuchten Hauch, der bis auf den letzten Tropfen alle -Feuchtigkeit aus dem Körper zu pressen suchte. Und diese Schwüle sprach -wohl auch aus den Worten des deutschen Lehrers, der davon renommierte, -wie anders sie, die Auslandsdeutschen, den Krieg beendet hätten, wenn -sie nur drüben gewesen wären, und wieviel mehr sie im Ausland gelitten -als jene in der Heimat, denen es im Grunde an nichts gefehlt habe. - -Die Nacht brachte keine Kühlung. Die Luft stand im Zimmer wie ein -heißes Ölbad. Sobald man sich niederlegte, fiel die feuchtschwere Luft -als drückende Hitzelast auf die Brust. Wieder aufgestanden und zu -entrinnen versucht. Umsonst. Wie hineingegossen blieb der Körper in der -stickigen Schwüle. - -Nervenaufreizend summten die Moskitos, die immer wieder ihren Weg -durch die Netze fanden. Nur wenn man den schweren starken Ventilator -dicht ans Bett rückte, konnte man sich für Augenblicke das Gefühl der -Kühlung vortäuschen. - -Endlich brach das Unwetter los, das die Luft mit so überreicher -Feuchtigkeit gesättigt hatte. Strömend floß, rann, stürzte das Wasser -vom Himmel. Draußen rieselte und planschte es. Durch das Badezimmer -trat ich aus dem unerträglich heißen Raum ins Freie. Die Hoffnung auf -Kühlung trog. Auch hier war es nicht anders wie im Treibhaus. Schlaflos -verging die Nacht. - -Am frühen Morgen fuhren wir im kleinen Dampfboot über den Strom, über -den Paraná. Wie eine Vision, phantastisch schwül, blieb die Stadt -zurück. Vorbei an ärmlichen Häusern und Hütten, den Vorstädten Santa -Fés, menschlichen Wohnstätten, die nur aus vier Pfählen und einem -Schilfdach bestanden. Überdies war der Strom jetzt über seine Ufer -getreten und hatte die armen, halbnackten Bewohner aus ihren armseligen -Behausungen gejagt. Wie seltsame Fahrzeuge schwammen die Schilfdächer -auf der gelben, trüben Flut. - -Am jenseitigen Ufer baut sich die Stadt Paraná auf steilem Steinhang -mit Türmen und Kuppeln auf. Dahinter ziehen sich die welligen Hügel -der Provinz Entre Rios in unabsehbaren Reihen zum Horizont, nach der -grenzenlos ebenen Eintönigkeit der Pampa ein überraschendes Bild. - -Die steigende Sonne bringt die Glut des vergangenen Tages wieder. -Wie eine Erlösung begrüßt man am Horizont, im Zollhaus auf den -Koffern sitzend, den wie ein stockhohes Haus mit schaumaufwirbelnden -Schaufelrädern rasch näherkommenden Mihanovichdampfer. - -Kühle Kabinen, geräumige Salons und der fächelnde Lufthauch der raschen -Talfahrt. Die Hitze der vergangenen Tage versinkt wie böser Traum. - -Aber über dem ganzen Schiff liegt es wie ein Hauch tropischer -Fremdheit. Es kommt den Paraná herunter von Asuncion, und Paraguayaner -stellen den größten Teil der Passagiere. Gelbe bis dunkelbraune -Gestalten mit tiefschwarzem Haar, und Frauen von seltsam fremdartiger -Schönheit. Den Farmer mit der Pergamenthaut im saloppen Leinenanzug mit -dem offenen Hemd ohne Kragen begleitet das junge Mädchen in schwarzer -Seide, augenscheinlich seine Compañera, die in Paraguay in der Regel an -Stelle der Gattin das Leben des Mannes teilt. - -Alle, die auf diesem Schiff vom Norden herunterkommen, tragen irgendwie -das Merkmal der Hitze. Irgendwie hat sie die blendende, glühende -Sonne gezeichnet. Das gilt von dem zarten, träumerischen, berückend -schönen Mädchen -- fast ist es noch ein Kind -- mit der pfirsichweichen -mattbraunen Haut ebenso wie von jenen unförmig in die Breite gegangenen -Frauen mit dem merkwürdig stechenden, heimtückischen Blick, deren -ganzes Wesen Nichtstun, Lässigkeit, Schwelgen in erotischen Träumen -kennzeichnet, während der Körper Tag für Tag untätig in Hängematten -und auf Pfühlen liegt. Und sie zeichnete auch jene deutsche Frau, die -mißmutig, gequält, verärgert mit dem geschwollenen, entzündeten Fuß, in -den der Sandfloh seine Eier gelegt hatte, nach jahrelangem Aufenthalt -im Norden, enttäuscht und verbittert, verblüht zurückkehrt. - -Die Nacht im Liegestuhl auf dem kühl umhauchten Deck ist ein unerwartet -geschenkter Ruhepunkt zwischen dem qualvoll heißen Santa Fé und Buenos -Aires, das um diese Zeit auch nichts anderes ist als ein Glutofen, von -dem die Zeitungen Temperaturen bis zu 40 Grad und täglich Todesfälle -infolge Hitzschlag melden. - -Ich muß an alle die Kolonisationsprojekte denken, die wir auf der -Estancia durchgesprochen, von der Besiedlung des Chaco, von Misiones, -Formosa und Paraguay. Kenner meinten, die Temperaturen seien dort auch -nicht schlimmer, in gewisser Hinsicht sogar erträglicher als in Santa -Fé oder Buenos Aires. Mag sein, wenn es auch wenig wahrscheinlich -klingt. In jedem Fall ist diese erste große Hitzewelle, die den frisch -aus Europa Kommenden nach so kurzem Aufenthalt überfällt, eine Warnung, -ein Menetekel, nicht unvorsichtig, nicht ohne sorgfältige Prüfung jene -Zonen aufzusuchen, in denen die Sonne als allmächtige, unumschränkte -Herrin mit glühender Peitsche herrscht. - - - - -11. Gespräch über Deutschland mit dem Präsidenten der Argentinischen -Republik. - - Buenos Aires. - - -Im Hafen lag noch die beflaggte „Argentina“, der erste deutsche -Passagierdampfer, der seit Kriegsausbruch in den La Plata eingelaufen -war; die Sirenen, die zu ihrem Willkommen über die Docks gegellt, -waren noch kaum verhallt. Es war ein starker Sympathiebeweis für -Deutschland gewesen, und auch jene Zeitungen, die während des Krieges -auf Deutschland nicht genug Schmähungen hatten häufen können, hatten -freundliche Worte gefunden. - -Die Casa Rosada, der Regierungspalast, flimmerte in der Sonne. Die -rosaroten Wände glühten wie von innen erleuchtet. Hier war man immer -deutschfreundlich und entschlossen, den Krieg zu vermeiden. Auch in -jenen schweren Tagen, als das Ungeschick des deutschen Gesandten -es dem argentinischen Präsidenten fast unmöglich machte, seine -Neutralitätspolitik fortzusetzen. Damals stand Irigoyen fast allein -gegen Volk, Presse und Parlament. Er schaffte es; der ungeheure Wille -des einen Mannes siegte. - -Verständlich, daß ich ihn sehen und sprechen wollte. Es war nicht -leicht; denn natürlich ist er überlaufen, und überdies ist er eine -zurückgezogene Natur. Die deutsche Gesandtschaft hatte es sogar für -vollkommen ausgeschlossen erklärt, diese Unterredung zustandezubringen, -aber das „Argentinische Tageblatt“ machte sie sofort möglich. Kaum -hatte es von meinem Wunsche gehört, so erhielt ich eine Einladung in -das Präsidentenpalais. - -Es war wirklich nicht ganz leicht, bis in das Innerste der Gemächer -vorzudringen, und wir entgingen übermäßig langem Warten nur dadurch, -daß uns ein Vertrauter durch den Eingang des Präsidenten und mittels -des ihm vorbehaltenen Fahrstuhles unmittelbar in das Vorzimmer des -Präsidenten geleitete. - -Als wir bei Irigoyen eintraten, saß er an seinem Schreibtisch, den -mächtigen, fast ungefüge wirkenden Kopf über Schriftstücke gebeugt, -die ihm einer seiner Sekretäre reichte. Als er den Kopf hob, schaute -man in ein durchdringend blickendes Auge, wie ich es vorher nur bei -Thomas Alva Edison gesehen. Eine seltsame Mischung von Güte und -unbeugsamem Willen lag in Gesicht und Erscheinung des Mannes, der, auf -Gehalt, Wohnung im Palast sowie allen Luxus und Prunk verzichtend, -in den einfachsten Verhältnissen lebt, der nur einen Gedanken kennt: -sein Land, und der keinen Augenblick zögert, seinen Willen einer Welt -entgegenzusetzen. - -Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als er jetzt auf uns zuging und -uns in der natürlich höflichen und herzlichen Art des Südamerikaners -begrüßte, dem republikanisches Empfinden und demokratische Form seit -Generationen angeboren ist. - -Man braucht nicht sehr lange mit Irigoyen zu plaudern, um dem -faszinierenden Zauber zu unterliegen, den diese starke Persönlichkeit -ausstrahlt, und man versteht ebensosehr die fanatisierende Wirkung, die -er auf die Massen ausstrahlt, wie die innerliche Überredungskunst, die -schon oft genug aus erbitterten Gegnern ergebene Freunde machte. - -Was an dem Präsidenten der Argentinischen Republik am stärksten wirkt, -ist die gerade Offenheit, mit der er seine Gedanken äußert und seine -Ideen vertritt. Es zeigte sich dies ganz besonders, als wir auf die -argentinische Völkerbundpolitik zu sprechen kamen. Man hatte gerade in -deutsch-argentinischen Kreisen die Meinung geäußert, daß Deutschland -mit seinen Sympathiekundgebungen gegenüber Argentiniens Haltung auf -dem Völkerbundkongreß in Genf zurückhalten solle, da ein allzu großes -Maß von Zustimmung und Sympathie Argentiniens Stellung gegenüber den -Alliierten erschweren müsse. - -Ich äußerte diese Bedenken, aber Irigoyen schüttelte nur den -Kopf: „Unsere Haltung in Genf“, sagte er, „wie auch unsere -Neutralitätspolitik während des Krieges war lediglich bestimmt durch -unsere Interessen als souveräner Staat, durch unsere Auffassung von -einer wirklich gerechten, völkerversöhnenden Politik, sowie durch -unsere Sympathien gegenüber Deutschland. Was Dritte dazu meinen -sollten, ist uns völlig gleichgültig und kann in keiner Weise unsere -Entschlüsse oder unsere Politik beeinflussen.“ - -Im weitern Verlauf des Gespräches entwickelte Irigoyen seine Ideen über -einen wirklichen Völkerbund. Und der sonst so ruhige abgeklärte Mann -ereiferte sich dabei. - -„~Que esperanza!~“ -- rief er aus, „welche Idee, ein Völkerbund, dem -nicht alle Staaten angehören! Wie soll ein solcher Staat den Frieden -garantieren können?“ - -Und er sprach im Anschluß daran von seinen Sympathien für Deutschland, -für das deutsche Volk, und welche Erwartungen er in die deutsche -Zukunft setze. - -Von seiten jener ultrareaktionären extrem monarchistischen -Auslandsdeutschen wird immer wieder betont, wie sehr Deutschland durch -die „Schmach“ seiner Niederlage und der Revolution in der Achtung des -Auslandes gesunken. Und da auch Irigoyen von diesen Kreisen gerne als -Kronzeuge angeführt wird, ergab es sich von selbst, daß das Gespräch -auch diesen Punkt berührte. - -„Unsere Sympathie“, meinte der Präsident, „gilt in erster Linie -dem tüchtigen und arbeitsamen deutschen Volk. Ohne Rücksicht auf -seine Regierungsform. Aber selbstverständlich ist es, daß wir als -Republikaner für eine deutsche Republik doppelte Sympathien empfinden. -Im Kriege muß schließlich immer einer verlieren, und die Niederlage -kann die Bewunderung für das, was Deutschland geleistet, nicht -verringern. Statt an Sympathien zu verlieren, hat das deutsche Volk -durch die Revolution nur gewonnen, und zwar durch die Tatsache, daß -es aus einem derartigen weltgeschichtlichen Zusammenbruch sich aus -Anarchie in die Bahnen einer neuen ruhigen Entwicklung hinaufarbeitete.“ - -„Selbstverständlich ist es,“ fügte Irigoyen hinzu, „daß die Spuren -eines derartigen Umwandlungsprozesses noch nicht verwischt sind und -daß man noch mit einem Dezennium wird rechnen müssen, ehe die deutsche -Republik sich völlig konsolidiert hat. Aber ich habe keinen Zweifel -daran, daß Deutschland sich zu einem großen demokratischen Gemeinwesen -entwickeln wird, in ähnlicher Weise wie die Vereinigten Staaten.“ - -Wir sprachen noch lange über den Krieg, die Revolution, die Blockade -und den Hunger und das Elend, die in ihrem Gefolge einherzogen. Auch -über Versailles und die Wirkungen, die eine Politik heraufbeschwören -muß, die ein Volk durch unerfüllbare Forderungen zur Verzweiflung -treibt. Das Gesicht Irigoyens war sehr ernst, sehr nachdenklich, als -ich von den Konsequenzen sprach, die die Geschehnisse in Europa auch -für die südamerikanischen Republiken haben müßten. - -Es war spät geworden. Durch die weit offenstehenden Fenster sah man, -wie die lehmgelben Wasser des La Plata sich rot zu färben begannen. Es -sah aus, als spüle der Ozean von Osten her Blut an den Strand. - -Ich stand auf; es war Zeit zu gehen. Mehr als Phrase war es, als ich -Irigoyen zum Abschied sagte, daß die Unterredung mit ihm mein stärkster -Eindruck in Südamerika gewesen. „Sie kennen ja jetzt den Weg zu mir,“ -sagte er zum Abschied, „sobald Sie wieder nach Buenos Aires kommen, -vergessen Sie nicht mich wieder aufzusuchen.“ - -Man ist außerordentlich höflich in Südamerika. So höflich, daß man -keineswegs jedes Wort, das im Verlauf eines Gespräches fällt, als bare -Münze nehmen darf. Aber von dem, was Irigoyen über seine Politik und -über Deutschland sagte, blieb nachhaltig das starke Gefühl, daß hier -ein Mann gesprochen, der unbedingt und unbeugsam zu seinen Worten und -Entschlüssen steht. - - - - -12. Nach Patagonien. - - Bahia Blanca. - - -Von der Station Constitucion, dem Bahnhof der Südbahn in Buenos Aires, -aus dessen bretterbudenartiger Halle sonst die Ausflüglerzüge nach -Quilmes und die eleganten Badezüge nach Mar del Plata laufen, fährt -zweimal in der Woche der Neuquenzug, der bis nach Zapala an den Fuß -der Kordillere führt. Die Rio-Negro-Neuquen-Bahn ist die nördlichste -der vier Stichbahnen, die vom Atlantischen Ozean aus nach Patagonien -hineinführen, gleichsam als ein schwacher Versuch, dieses ungeheure -Gebiet zu erschließen. - -[Illustration: Plaza de la Independencia in Santiago. - -Rechts der Hügel Santa Lucia, im Hintergrund die schneebedeckte -Kordillere.] - -[Illustration: Bergarbeiterheim.] - -[Illustration: Salpeteroficina.] - -Patagonien ist für den Europäer im allgemeinen ein Begriff, unter dem -er sich nicht viel vorstellen kann. Bestenfalls hat er ein unklares -Bild von Wüste und Steppe, von winddurchwehter, eisiger Hochfläche, auf -der Indianer und Schafe ein kümmerliches Dasein fristen. Aber auch der -Argentinier der zentralen Provinzen und des Nordens besitzt, soweit er -nicht geschäftliche Verbindungen nach dort unten hat, kaum eine bessere -Kenntnis dieses Teiles seiner Heimat, der sich über nicht weniger -als 18 Breitengrade erstreckt. Die meisten, zu denen ich von meiner -Absicht sprach, Patagonien zu bereisen, meinten erstaunt: „Was wollen -Sie da? Das ist die reine Wüste, höchstens für Schafzucht geeignet. -Im übrigen kommen Sie da bereits bald in den Winter.“ Allerdings wird -in dieses Urteil das Rio-Negro-Gebiet nicht eingeschlossen, das zwar -nominell zu Patagonien gehört, aber einen Begriff für sich bildet, -da die klimatischen und infolge der künstlichen Bewässerung auch die -wirtschaftlichen Verhältnisse völlig andere sind als im mittleren und -südlichen Patagonien. - -Der Zug füllt sich. Estancieros und Chacreros, die nach kurzem Besuch -in der Hauptstadt auf ihre Besitzungen zurückfahren, vor allem aber -Kaufleute, Geschäftsreisende, Aufkäufer und Arbeiter, die zur Alfalfa- -und Obsternte an den Rio Negro fahren. Vom Kupeefenster aus sieht man -den Strom am Zug entlang streichen, und unter all den dunkelfarbigen, -schwarzhaarigen tauchen mit einem Male ein paar blauäugige helle -Blondköpfe auf. Junge Burschen in Lodenanzügen, die ihre Säcke -schleppen. Auf den ersten Blick unverkennbar deutsche Offiziere, die -mit Fahrkarten der Einwanderungsbehörde nach dem Süden fahren, um sich -dort am Rio Negro oder in der Kordillere eine neue Existenz zu gründen. - -Immer wieder stößt man auf das eine schwere Problem: da Frachtraum -und mehr noch Valutanot es nicht ermöglicht, den gewaltigen Überschuß -dieses Landes an Nahrungsmitteln dem hungernden Deutschland zuzuführen, -sollte es da nicht gehen, all denen, die in Deutschland weder Brot noch -Arbeit finden, hier eine neue Heimat zu schaffen? - -Die Reise im Zwischendeck kostet beim heutigen Kurs 5000 Mark, der -Aufenthalt in Buenos Aires selbst bei bescheidensten Ansprüchen 2-3000 -Mark für den einzelnen. Es gehört also ein kleines Vermögen dazu, um -nur herüberzukommen und hier mit nichts anfangen zu können. Und doch! --- Wenn sich hier nur Menschen fänden, die statt zu debattieren und zu -verhandeln rasch und tatkräftig helfen wollten! - -Drei Richtungen stehen sich in der Siedlungs- und Kolonisationsfrage -gegenüber. Jene, die den Einwandererstrom nach dem subtropischen -Norden, in den Chaco, nach Formosa und Misiones, lenken wollen, die -andern, die nur auf die zentralen Provinzen schwören, auf Buenos Aires, -Santa Fé, Cordoba, Entre Rios und allenfalls die Pampa, und schließlich -jene, die nur den Süden gelten lassen. - -Auf eine kurze scharfe, aber leider im allgemeinen zutreffende Formel -gebracht, kann man sagen: Die Herren in Buenos Aires halten stets die -Gegend für die geeignetste zur Kolonisation, in der sie Kampe liegen -haben, die sie entweder anbringen wollen, oder für die sie durch -intensivere Wirtschaft fleißiger Kolonisten Wertsteigerung erhoffen. -Die zentralen Provinzen haben das eine für sich, daß der Einwanderer -auf gutes Land und in Verhältnisse kommt, die den europäischen -verhältnismäßig am ähnlichsten sind. Da hier jedoch der Hektar 300, -400, 500 und mehr Peso kostet, ist es mir unklar, woher die Mittel -hierfür aufgebracht werden sollen. - -Im Norden gibt es viel billiges und auch gutes Land. Aber ob deutsche -Familien dort auf die Dauer die sehr hohen Temperaturen ertragen? - -So bleibt zunächst nur der Süden. - -Der Früchteaufkäufer, der mir gegenüber sitzt, schwärmt davon. Er kauft -für eine Engrosfirma in Buenos Aires ein. Seine Pflücker sind schon -unten; denn die Chacreros verkaufen die Ernte meist auf den Bäumen. -Er zahlt für den Cajon, für die Kiste Pfirsiche, die etwa 180 bis 200 -Stück faßt, zweieinhalb Peso. Mit Pflücklohn, Fracht und sonstigen -Unkosten stellt sich der Cajon auf 6 Peso. Verkauft wird er im -Großhandel für 12 bis 14 Peso. Und bis die Früchte an den Konsumenten -kommen, kosten sie ein bis eineinhalb Peso das Dutzend. „~Muy lindo -negocio~“ -- ein feines Geschäft --, meint schmunzelnd der Händler. - -Draußen zieht erst unter klarem Sternenhimmel und dann bei grauendem -Tag das Land vorbei. Noch öder, noch trostloser, noch flacher, wenn -möglich. Stundenlang nur roher Kamp und der ewige Draht. Die Estancien -müssen weit drinnen im Lande liegen. Kaum daß man ab und zu einen -dunklen Schatten am Horizont sieht. - -Erst hinter Pringles ändert sich das Bild. Sanft ansteigende Hügel, -dann steile Felsen, tief eingeschnittene Flußtäler. Und gleichzeitig -zwischen den Bergen grüne Gärten, Bäume -- man staunt, richtige -Bäume --, die Sierra de la Ventana, die einer Oase gleich die ewig -gleichförmige Landschaft unterbricht. - -Aber nach wenigen Stationen werden die Hügel flacher und verlaufen sich -schließlich wieder in der unendlichen Ebene, graubraun, öde und tot. - -Mit einem Male steht mitten in der Ebene ein Schiff. Schornsteine, -zwei Masten und unterhalb des schwarzen Rumpfes ein leuchtender roter -Streifen. Unvergleichlich phantastisch sieht es aus, bis das Auge -langsam erkennt, daß die Ebene am Horizont ohne erkennbare Grenzlinie -in Schlick, Sumpf und schließlich offenes Wasser übergeht. - -Schiff auf Schiff. Dann die unheimlichen Türme der Getreidesilos: Bahia -Blanca, die Metropole des Südens! - - - - -13. Die Metropole des Südens. - - Bahia Blanca. - - -Die Geschichte mancher Städte des Landes ist nicht anders als in -der Union. Vor achtzig, neunzig Jahren noch ein Indianerfort, vor -einem Menschenalter ein Dorf, heute eine blühende moderne Stadt. Als -typisches Beispiel mag man Bahia Blanca nehmen, aber auch dafür, -wie sehr die Kurve des Erfolges in diesem Lande nicht nur für den -einzelnen, sondern auch für ganze Gemeinwesen auf und ab geht, und wie -auf übersteigerte Hoffnungen und Erwartungen empfindliche Rückschläge -folgen. - -Wenn man die Lage Bahia Blancas auf der Karte ansieht, drängt sich der -Gedanke auf, daß diese Stadt, an einem natürlichen Hafen gelegen, der -gegebene Mittelpunkt des Südens der Republik werden müsse. Orientiert -man sich aber näher, so muß man wie überall die verschiedensten Urteile -hören, die wie in allen Fragen von den größten Erwartungen bis zu dem -pessimistischsten Urteil variieren, daß Bahia Blanca keine Zukunft habe -und der Höhepunkt seiner Entwicklung bereits überschritten sei. - -Es ist nicht leicht, sich in dem Widerstreit der Meinungen ein eigenes -Urteil zu bilden. Sicher ist, daß das Übergewicht von Buenos Aires wie -auf der Entwicklung jeder argentinischen Stadt auch auf der von Bahia -Blanca lastet. Eine Möglichkeit, dieses Übergewicht wenigstens in etwas -zu paralysieren, schien gegeben, als die Regierung der Provinz Buenos -Aires aus der gleichnamigen Landeshauptstadt hinausverlegt werden -sollte, um die bisherige Reibung zwischen den Verwaltungen der Provinz -und des Landes zu verringern. Damals wäre Bahia Blanca die gegebene -Hauptstadt der Provinz Buenos Aires gewesen. Allein den Politikern -schien die Stadt wohl zu langweilig und abgelegen, und so entschloß man -sich, in „La Plata“ in nächster Nähe der Metropole Buenos Aires aus dem -Nichts eine Provinzhauptstadt zu schaffen, die trotz der großen Gelder, -die man an sie wandte, doch nie etwas anderes werden kann als eine -Vorstadt der Landeshauptstadt, und die südliche Metropole mit ihren -völlig anderen Verhältnissen und Bedürfnissen wird nach wie vor vom -Norden aus regiert. - -Unter diesen Umständen ist es verständlich, daß sich in Bahia Blanca -zeitweilig Autonomiebestrebungen geltend machten und der Wunsch, die -Hauptstadt einer eigenen Provinz zu werden, die aus dem Süden der -Provinz Buenos Aires sowie Teilen der Gobernacionen Pampa Central -und Rio Negro bestehen sollte. In der Zeit vor dem Krieg waren -diese Autonomiebestrebungen mehr wirtschaftlicher Art, und man -versuchte durch direkte Schiffahrtslinien vor allem einen Teil des -Auswandererstromes direkt nach Bahia Blanca zu leiten. Der Krieg -jedoch und sein Ende mit seiner zeitweisen Ausschaltung der deutschen -Schiffahrtslinien hat diese Bestrebungen und Hoffnungen auf lange -Zeit zerstört. Der Auswandererstrom geht nach wie vor ausschließlich -nach Buenos Aires, und es ist Zufall, wenn einzelne nach Bahia Blanca -verschlagen werden. - -Bahia Blanca ist nicht weniger langweilig und reizlos als die meisten -argentinischen Städte, und auf den ersten Blick sieht man der Stadt, -die weit vom Meer und den eigentlichen Hafenanlagen abliegt, ihre große -wirtschaftliche Bedeutung nicht an. Die mächtige Plaza im Zentrum, die -ehemals als Corral diente, in den nachts das Vieh vor räuberischen -Überfällen der Indianer in Sicherheit gebracht wurde und auf der noch -bis zum Jahre 1902 die Kühe einer benachbarten Molkerei weideten, ist -heute allerdings durch Palmenalleen und Blumenbeete in einen Garten -verwandelt. Auch sonst gibt sich die Stadtverwaltung die größte Mühe, -Bahia Blanca einen möglichst großstädtischen Anstrich zu verleihen; -dabei streift sie allerdings mitunter die Grenze des Lächerlichen. -In Buenos Aires ist in der Hauptgeschäftsstraße, der „Florida“, von -6 bis 8 Uhr jeder Wagenverkehr verboten, da die enge Straße kaum die -Masse der Fußgänger zu fassen vermag. Entsprechend ist auch hier die -Hauptgeschäftsstraße in der gleichen Zeit ausschließlich für Fußgänger -vorbehalten, obwohl sich die Zahl der Passanten wie der Fuhrwerke -um ein Vielfaches vermehren müßte, ehe von irgendwelchem Gedränge -überhaupt etwas bemerkbar wäre. - -Aber kommt man in der Hauptgeschäftszeit in ein Kontor der großen -Getreide- oder Wollfirmen, so gibt einem das Kommen und Gehen sowie -das unaufhörliche Telephonieren doch zu denken. Es ist der Höhepunkt -der Getreidebörse. Die Preise schwanken von Tag zu Tag, ja von -Stunde zu Stunde, so daß das Geschäft, wie fast alles hier, in hohem -Maße Spekulation ist. Die Getreidehändler stehen daher in ständiger -telephonischer Verbindung mit ihren Aufkäufern in den Zentren der -Getreideproduktion, teilweise haben sie sogar eigene Leitungen. - -Dem Bild, das Zahlen übermitteln, fehlt immer die Anschaulichkeit. -Man muß die Bahnstrecke nach Pringles und Tornquist hinausfahren, um -einen Begriff von den ungeheueren Mengen des produzierten Getreides zu -bekommen. Schnitt und Drusch sind zu Ende, und zu der Station bringen -die zehn-, zwölf- und mehrspännigen Wagen die Säcke angefahren. Hier -werden sie gestapelt und häufen sich zu gewaltigen Bergen. Auf der -ersten Station sieht man staunend die erste Kette von Getreidebergen, -auf der zweiten, auf der dritten und so fort das gleiche Bild. Die -Menge des in den Hafenanlagen angefahrenen Getreides ist so groß, daß -alle Geleise verstopft sind, und die Bahnverwaltungen die Zufuhr bis -auf weiteres gesperrt haben. - -Allein dieses überaus günstige Bild täuscht. Nach sieben mageren Jahren -haben Bahia Blanca und der Süden das erste fette Jahr. Der Feind des -Südens ist die Trockenheit. Im vergangenen Jahr hat es ungewöhnlich -viel geregnet, daher die erstaunlich große Ernte. - -Die Zukunft Bahia Blancas als Getreideexporthafen liegt im Süden -der Provinz Buenos Aires und in der Pampa. Die nähere Umgebung der -Stadt wie alles Land südlich davon ist wenig wertvoll, und ein großes -mißglücktes Kolonisationsunternehmen in dieser Gegend ist ein warnendes -Exempel. - -Der zweite Hauptexportartikel Bahia Blancas, die Wolle, liegt -augenblicklich darnieder. Der Wollpreis sinkt, und Händler und -Produzenten halten zurück. Nach den phantastischen Preisen, die im -Kriege für Wolle gezahlt wurden, ist die Reaktion nur natürlich. -Aber es krampft einem doch das Herz zusammen, wenn man die riesigen -Wollager sieht, die bessere Preise hier abwarten sollen, und an die -stilliegenden Textilfabriken in Deutschland denkt und an den Mangel an -Kleidung. - -Dazu kommt natürlich Vieh. -- In letzter Zeit sind mehrere Frigorificos -gebaut worden, während ein großzügiger Obstexport aus dem Rio-Negro-Tal -mit Marmelade- und Konservenfabriken noch Zukunftsmusik ist. - -Ist der eine Zukunftsfaktor Bahia Blancas die Entwicklung seines -Hinterlands, so ist der andere sein Hafen. Auch hier sind die Ansichten -nicht weniger geteilt. Bahia liegt an einer langsam versandenden und -verschlickenden Bucht. Wenn auch jetzt noch mittlere Ozeandampfer an -den Kais anlegen können, so ist die Frage, welche Kosten es auf die -Dauer machen wird, die Fahrstraße offen zu halten. - -Der Hafen ist landschaftlich nicht weniger trostlos als die ganze -Umgebung der Stadt. Schlick und Morast lassen nicht erkennen, wo das -Land aufhört und das Wasser anfängt. Die Bucht wirkt wie ein brauner -Sumpf. - -Ein Gewirr von Schienensträngen, alle übervoll von getreidebeladenen -Waggons, führt an die Molen. Hier liegt ein Schiff neben dem andern, -alle harren auf Ladung. Aber wie eine ungeheure, zinnengekrönte Festung -türmen sich die Getreidesilos, hoch die Kamine und Masten überragend. - -Die Hafenanlagen sind sämtlich in privaten Händen, die einen in -Ingeniero White gehören der Südbahn, die andern in Puerto Galvan der -Pazifikbahn. - -Die Bahnen englisch. Die Hafenanlagen und Silos englisch. Die Schiffe -an den Molen -- teilweise tragen sie noch deutsche Namen -- unter dem -Union Jack. Nirgends sonst drängt sich die ungeheuere wirtschaftliche -Gewalt Großbritanniens so unerbittlich auf und die tyrannische -Macht, mit der sie das gesamte Transport- und Verkehrswesen ganz -Argentiniens zu Wasser und zu Lande beherrscht. Die Engländer können --- und sie haben es getan -- jedes Unternehmen, das ihnen nicht -paßt, dadurch zugrunde richten, daß sie ihm keine Transportmittel -stellen. Hier liegen die Grenzen deutschen Betätigungsdranges und -Unternehmungsgeistes in Argentinien. - - - - -14. Deutsche Seeleute in Südamerika. - - Bahia Blanca, Puerto Militar. - - -Die Kapitänskajüte der „Seydlitz“ ist die alte geblieben in all ihrer -Traulichkeit und Behaglichkeit mit den vielen Familienbildern an -den Wänden und auf dem Schreibtisch, und doch ist etwas anders. Ein -unheimlich Fremdes strömt von Decke und Wänden, wittert durch Tür -und Bullauge herein -- das Schiff ist tot. Seit mehr als fünf Jahren -liegt es unbeweglich, interniert, an der Kaimauer des argentinischen -Kriegshafens, und wie im Herzen von Führer und Mannschaft im Laufe der -langen Jahre etwas zerriß, so wirken die unerklärlichen Sprünge in -allem Porzellan und Steingut auf dem Schiff, welche alle Toiletten, -alle Badewannen und alle Waschbecken in Stücke splitterten, wie ein -unheimliches äußeres Zeichen dieses Sterbeprozesses eines Schiffes, das -einst ein lebendiges Glied der deutschen Flotte war. - -In langer Reihe liegen die Schiffe hintereinander am Kai untätig. -Die Welt leidet unter dem Mangel an Schiffsraum. Die Überfülle des -Getreides staut sich in den Silos und Elevatoren von Puerto Galvan -und Ingeniero White. Aber trotzdem, und trotzdem längst schon -Frieden, können die Schiffe die Fahrt mit lebenswichtiger Fracht -nach Deutschland, mit Getreide, Fett und Fleisch, die ihnen England -bewilligte, noch immer nicht antreten. - -Die Sonne flimmert auf dem glatten Wasserspiegel des Hafens, der hinter -den riesigen Kaimauern stilliegt wie ein Teich, während auf der andern -Seite die beginnende Flut das lehmgelbe Wasser der Bucht von Bahia -Blanca hochgischtet. - -Der Kapitän erzählt, wie sie vor fünf Jahren einliefen. Die meisten -Schiffe gehörten zu dem Geschwader des Grafen Spee, der sich ein -deutsches Schiff nach dem andern aus dem Stillen Ozean heranholte und -in Hilfs-, Kohlen- und Transportschiffe verwandelte. Die „Seydlitz“ war -Hospitalschiff und machte als solches die Schlachten von Coronel und -Falkland mit. - -Coronel, das ist es, von dem all die deutschen Seeleute in Südamerika -noch leben. Die Augen des Kapitäns leuchten, wenn er erzählt, wie -die Engländer sanken. In zwanzig Minuten war alles vorüber. Dann kam -Falkland. Alle waren dagegen, daß man das englische Geschwader angriff, -vom Grafen Spee angefangen. Aber der Chef des Stabes setzte seinen -Willen durch. Trotzdem wäre vielleicht alles gut gegangen. Allein man -hatte sich in der Magalhãesstraße mit einem englischen Segler, der -Kohlen geladen hatte, zu lange aufgehalten, und inzwischen waren die -beiden Dreadnoughtkreuzer, die die Engländer über den Ozean geschickt, -zu dem britischen Geschwader gestoßen. Einen Tag, bevor die Deutschen -angriffen, waren sie eingetroffen. Einen Tag zu spät! - -Die Internierung war nicht hart, und sie sparte andrerseits den -deutschen Schiffahrtsgesellschaften die Zahlung der andernfalls -gewaltig hohen Liege- und Hafengelder. Trotzdem -- fünf Jahre auf -diesem trostlosen Fleck Erde! - -Puerto Militar liegt am äußersten Ende der Bucht von Bahia Blanca, fast -am offenen Meer. Der argentinische Kriegshafen teilt mit Wilhelmshaven -Öde von Wasser und Land, mit Libau die Weitläufigkeit der Anlage, die -in größtem Maße auf Erweiterung und Neubauten zugeschnitten ist. - -Ein armseliges Pueblo an der Station. Dann führt eine breite Allee zu -den verbotenen Zonen des Kriegshafens. Sein Hauptstück ist das mächtige -Hafenbassin, in dem die gesamte argentinische Kriegsflotte, auch wenn -sie sich verzehnfacht, noch Platz hätte. Auf der einen Seite liegen -ein paar kleine Kreuzer italienischen Ursprungs, auf der andern die -internierten deutschen Schiffe und nach der Ausfahrt zu die beiden -mächtigen Dreadnoughts „Moreno“ und „Rivadavia“, der Kern und der Stolz -der argentinischen Schlachtflotte. - -Trotz der hohen Kampfkraft dieser beiden Schiffe, die auf -nordamerikanischen Werften gebaut und das typische Gepräge -amerikanischer Panzer mit ihren charakteristischen Gittermasten zeigen, -ist der Wert der ganzen argentinischen Kriegsflotte einigermaßen -problematisch. Das kritische Problem ist die Kohlenfrage. Wie man -mir sagte, hat die argentinische Flotte im Kriegsfall für ganze 14 -Tage Feuerungsmaterial. Diese Schwierigkeit wäre jedoch leicht zu -überwinden, wenn die argentinischen Schiffe Ölfeuerung erhielten. -Öl wird ja im Lande selbst, in Comodore Rivadavia und neuerdings -in Neuquen, gebohrt. Aber vielleicht liegt Absicht darin, daß die -Nordamerikaner Argentinien keine Schiffe mit Ölfeuerung bauten. - -An das Hafenbassin stoßen zwei Trockendocks, ein kleineres und -ein gewaltiges, das mir als das größte der Welt bezeichnet wurde. -Jedenfalls können die großen Dreadnoughts hier gedockt werden, und der -Norweger, der augenblicklich darin liegt, verschwindet mit Kamin und -Masten vollständig, als wäre er ein Miniaturschiffchen. - -Neben dem großen Dock erhebt sich die Casa de Bombas, das -Maschinenhaus, das die Anlage zur Entleerung der Docks enthält. -In der Mitte des Gebäudes liegen die Pumpen, in einem viereckigen -Zementschacht von gewaltigen Dimensionen versenkt. Aus den Ecken langen -die mächtigen Rohre gleich Riesenarmen in den Raum hinein zu den mit -Mehrfachexpansionsmaschinen gekuppelten Pumpen. Der Gedanke wirkt fast -unheimlich, wie auf eine Drehung am Schaltrad hin diese Maschinen das -ganze Becken des Trockendocks leer zu saugen vermögen. - -Noch ein paar Werkstätten und Kasernen; dann sind alle -Sehenswürdigkeiten von Puerto Militar erschöpft. Man kann sie bequem in -ein- bis zweistündigem Rundgang erledigen. Und fünf Jahre hier! Fünf -Jahre nutzlosen, untätigen Wartens! - -Der Kapitän fängt meinen Blick auf: „Nein,“ sagt er kopfschüttelnd, -„wir haben es hier im Grunde recht gut gehabt. Wir können nicht klagen. -Vielleicht war es ein Fehler der Kompanie, daß sie die Mannschaft an -Bord behalten wollte. Durch das enge Zusammenleben und die Untätigkeit -ist es natürlich zeitweise zu Reibereien und Disziplinlosigkeit -gekommen. Damals hätten alle Leute leicht lohnende Arbeit beim Hafenbau -gefunden. So sind die meisten der Arbeit entwöhnt. Erst später wurde -Landurlaub gewährt und die Erlaubnis, Arbeit anzunehmen. Heute muß ich -meine Leute zusammenhalten, um genügend Besatzung für die Rückreise zu -haben.“ - -Nur an Stewards, Aufwäschern und dergleichen sei kein Mangel. Eine -Fülle von Rückwanderern meldet sich zu diesen Posten, darunter Leute, -die erst vor wenigen Monaten oder Wochen aus Deutschland hierher -gekommen sind, Enttäuschte, die in Argentinien das Land, wo Milch -und Honig fließt, zu finden hofften und die nun nach den ersten -Schwierigkeiten die Flinte ins Korn werfen. Manche von ihnen, die im -Frühling oder Sommer vergangenen Jahres herüberkamen, haben allerdings -kein schlechtes Geschäft gemacht, trotz der verlorenen Hin- und -Herreise. Ich denke dabei an jenen Paraguaysiedler, der im Frühling -vorigen Jahres herüberkam und jetzt zurückkehrt. Damals hatte er sein -ganzes Geld in Pesos umgewechselt, da er sich in Paraguay ansiedeln -wollte. Aber es war ihm zu heiß und die Arbeit zu schwer. Wenn er jetzt -zu Hause sein letztes Geld wieder in Mark einwechselt, hat er dank -des Valutasturzes, wenigstens in Papier, mehr als er bei der Ausreise -mitnahm. Ein gutes Geschäft! Und er hat nichts gearbeitet und keinen -Cent verdient. - -Wir sehen über die Hafeneinfahrt hinaus, wo die auf und ab tanzenden -Bojen die Fahrrinne anzeigen. Immer kleiner werden sie und -verschwinden, aber in ihrer Verlängerung sieht man fern am Horizont, -scheinbar mitten aus dem Wasser ragend, einen Bau, der wie ein Haufen -zusammengewachsener Leuchttürme wirkt. Es sind die Silos einer -französischen Gesellschaft, die an der offenen See, noch weit über den -Kriegshafen hinaus, große Hafenanlagen und Getreidespeicher baut. - -Zukunftsmusik. Allein wer vermag zu sagen, wie die Produktion eines -Landes wachsen mag, in dem Königreiche noch brachliegen. - - - - -15. Die Insel im Rio Negro. - - Choele Choel. - - -In der Vorhalle ihres Bahnhofes in Bahia Blanca hat die Südbahn -Produkte des Rio-Negro-Tales ausgestellt, Pfirsiche von Faustgröße, -Äpfel und Birnen von noch erheblicheren Maßen, Trauben, Gemüse, Samen -und schließlich Kürbisse und Melonen von geradezu ungeheuerlichem -Umfang. - -Man steigt in den Rio-Negro-Zug, der nur viermal in der Woche fährt, -mit dem Gefühl, in ein Dorado der Fruchtbarkeit und Fülle zu kommen. -Die Bahn geht erst den Rio Colorado entlang, um nach Überschreiten -dieses Flusses eine vollkommen wasserlose Wüste, die früher so -gefürchtete Travesia, zu durchkreuzen und dann das Rio-Negro-Tal bis -nach Neuquen hinauf zu führen. Die Bahn wurde zur Zeit der letzten -Grenzstreitigkeiten mit Chile aus strategischen Gründen gebaut. Ihr -Bau wurde den Deutschen zu äußerst günstigen Bedingungen angeboten; -denn die argentinische Regierung hätte gerne das englische Monopol im -Verkehrswesen gebrochen. Allein in Deutschland war damals nur geringes -Interesse für argentinische Unternehmungen, und es genügte, daß die -interessierten englischen Bahngesellschaften einige abschreckende -Artikel über das Projekt und die ganze Gegend in die Presse brachten, -um auch die wenigen deutschen Kapitalisten, die Interesse gezeigt -hatten, abzuschrecken. Die Bahn wurde dann natürlich von den Engländern -gebaut und sie ist heute dank der Entwicklung des Rio-Negro-Tals ein -glänzendes Geschäft. - -Von dieser Entwicklung ist allerdings zunächst nichts zu sehen; auch -nachdem die Travesia durchkreuzt und der Rio Negro erreicht ist, -wechselt das Landschaftsbild nicht. Die Überraschung wächst, als -sich auch bei der Station Choele Choel, der ältesten Kolonie des -Rio-Negro-Tals, das Bild nicht ändert. Im Norden eine felsige Barranca, -im Süden eng gewelltes Hügelland geben zwar dem durch die ewige öde -Ebene ermüdeten Auge landschaftliche Abwechslung. Aber das Bild der -Dürre und Unfruchtbarkeit ist nicht anders als bisher. - -Aber das Pueblo liegt noch eine gute halbe Stunde von der Station -entfernt, und in rüttelnder Fahrt mahlen die hohen Räder der leichten -Kutsche hügelauf, hügelab durch tiefen Sand. Es liegt am Ufer des Rio -Negro, der sich hier in zwei Arme spaltet, die in weitem Bogen die -gleichnamige große Insel, die eigentliche Kolonie, umschließen. - -Die Insel ist alter historischer Boden. Zur Zeit der Indianerfeldzüge -war sie Hauptquartier, und aus dem Militärlager ging die erste -Kolonie hervor. Mancherlei Schwierigkeiten, vor allem die furchtbaren -Überschwemmungen, unterbrachen und hemmten die Entwicklung. Einen -neuen Abschnitt und Aufschwung bedeutete erst das Kolonistengesetz -von 1904, das die ganze Insel in einzelne Lose von 100 Hektar teilte. -Die Korrektionsarbeiten am oberen Rio Negro, vor allem die Stauanlage -der Cuenca Vidal, haben die Überschwemmungsgefahr auf ein Minimum -beschränkt. - -[Illustration: Am Fuße des Vulkans Ollague.] - -[Illustration: Bergarbeiterhütten in der Kordillere.] - -[Illustration: Arbeit in der Mine.] - -Auf einer Regierungsfähre setzt der Wagen über den Fluß. Dichte -Baumreihen fassen die breit und rasch dahinströmende Flut ein. Aber -sobald die fruchtbare grüne Zone unmittelbar am Fluß durchschritten -ist, erstreckt sich zwischen den am Weg hinlaufenden Drahtzäunen bald -wieder roher Kamp, zum Teil nur mit Gestrüpp und Strauchwerk umstanden, -auf dem man kaum einige Kühe und Schafe sieht. - -Nach vielstündiger Fahrt quer durch die Insel ist der Eindruck nach den -großen Erwartungen, die man hegte, entmutigend. Erst am folgenden Tag, -als ich unter sachkundiger Führung einzelne Chacras mit fruchtschweren -Obstgärten und reichen Alfalfafeldern aufsuchte, änderte sich das Bild. -Es ist hier, wie überall in Argentinien. Der erste Eindruck täuscht -leicht und übertreibt nach der guten oder der schlechten Seite. - -Schuld für dieses Stagnieren der Insel sind die Schieber und -Spekulanten, die es bei der Aufteilung des Landes verstanden haben, -sich einen großen Teil der Lose zu sichern. Nicht gewillt, Arbeit -oder Kapital in den Boden zu stecken, zogen sie, lediglich um der -gesetzlichen Bestimmung zu genügen, einen Drahtzaun um ihr Land und -setzten einen Rancho oder eine Wellblechbaracke darauf, da das Gesetz -die Errichtung eines Hauses fordert. Im übrigen warten sie darauf, -daß die Arbeit der Anlieger den Wert ihres Bodens um ein Vielfaches -steigert, um ihn dann mit hohem Gewinn loszuschlagen. - -Da die wirklichen Ansiedler in der Minderheit und die Spekulanten in -der Mehrheit waren, so verfiel das ohnehin ungenügende Kanalsystem, und -die Insel zeigt heute nur dort fruchtbare reiche Landstrecken, wo die -enger aneinanderwohnenden Kolonisten die Kanäle in Ordnung halten, oder -an den Flußrändern, oder wo mittels motorischer Kraft, in der Regel mit -Hilfe von Windrädern, berieselt wird. - -Nach vierstündiger Fahrt ist die Insel durchquert, und noch einmal geht -es über den Fluß. Wo die Fähre anlegt, sind die Bäume besonders hoch -und dicht, und unter ihrem hohen Dach stehen freundliche, saubere, -weiße Häuser. Es ist die Estancia eines Deutschen. - -Die Geschichte dieses Deutschen, der einer der ältesten Pioniere -des Südens und ein eifriger Anhänger des Rio Negro ist, ist typisch -argentinisch. Als junger Kaufmann kam er herüber, fand eine bescheidene -Anstellung, und erwarb sich in den Freistunden durch Briefmarkenhandel -ein kleines Kapital. Mit diesem führte er die ersten Ansichtskarten -nach Argentinien ein. Hiermit machte er ein Vermögen, das er in einem -großen Briefmarkengeschäft anlegte, das glänzend ging und es ihm -ermöglichte, weite Ländereien aufzukaufen. Er wurde nun Landwirt, -erlitt jedoch mancherlei Rückschläge, bis ihm eine große Überschwemmung -des Rio Colorado, an dem seine Hauptbesitzung lag, Haus und Vieh, -Einrichtung und Gerät wegriß. Er siedelte nach dem Rio Negro über und -schuf dort in wenigen Jahren auf billig erstandenem rohem Kamp eine -blühende, reichen Ertrag abwerfende Estancia. - -Der Besitzer zeigte mir Bilder aus den Anfangsjahren, und es erscheint -fast unglaubhaft, daß diese dürftigen Stämmchen und bescheidenen -Pflanzungen in der kurzen Zeit derart herangewachsen sind. Was den -Besuch so interessant macht, ist die Tatsache, daß hier alle Stadien -der Bewirtschaftung eng nebeneinanderliegen. Ein großer Teil ist noch -roher Kamp. Die erste Arbeit ist das Roden. Mit Axt und Schaufel wird -der Busch beseitigt und dann angezündet. Zum erstenmal geht dann der -Pflug über die schwarzgebrannte Erde. Der gelockerte Boden wird mittels -der automatischen Schaufel verteilt, um ihn zu planieren. An anderer -Stelle sieht man diese von Pferden gezogenen, einfachen, aber hier -unentbehrlichen Maschinen an der Arbeit. Es ist eine Kippschaufel, die -die gelockerte Erde von den Erhöhungen abnimmt, um damit die Senkungen -auszufüllen. - -In den so bereiteten Boden wird im ersten Jahr Mais gesät, im zweiten -Gerste oder Hafer, im dritten bereits Alfalfa, entweder allein oder mit -Getreide, und damit ist die Goldquelle erschlossen. Das Alfalfafeld -bleibt entweder ertragreiche Weide oder wird ohne Neusaat Jahr für Jahr -auf Samen und Futter geerntet. - -Die Wirtschaft beruht auf Vieh und Alfalfa. Aber daneben bieten Obst, -Wein und Gemüse große Aussichten. Unmittelbar am Fluß wachsen selbst -empfindliche Pflanzen ohne künstliche Bewässerung, und hier sind -gewaltige Obst- und Gemüsegärten angelegt, die jedes Jahr vergrößert -werden, Pfirsiche, Äpfel, Birnen, Pflaumen. Trotz der weiten Entfernung -von der Bahn ist der Obstbau lohnend; denn es kommt ja nicht nur der -Versand nach Bahia Blanca und Buenos Aires in Frage, sondern ebenso -die Versorgung Patagoniens mit Obst und Wein. Die Estancia liegt -unmittelbar an der Poststraße nach Valcheta, und ein spekulativer -Unternehmer läßt hier jede Woche ein Fruchtauto laufen. - -Am nächsten Tag traf ich den Mann auf einer benachbarten Obstplantage, -als er gerade seinen Wagen voll Pfirsiche lud. Wie er mir erzählte, -verkauft er die Fruchtlast, die ihn 80 Peso kostete, für 400 Peso. - -Einzelne Gewinne, von denen man hört, sind phantastisch. So wurde eine -Chacra von 200 Hektar zwei Monate vor der Ernte von ihrem Besitzer, -einem in Europa lebenden Spanier, um 75000 Peso verkauft. Aus dem -Alfalfasamen allein schlägt der Käufer im ersten Jahre bereits zum -mindesten die Hälfte des Kaufpreises heraus. Allerdings ist dieses Jahr -die Alfalfaernte besonders gut und sind die Preise besonders hoch. So -plötzlich der Erfolg, so plötzlich kann der Rückschlag kommen. - -Wenn wir abends unter den schattigen Bäumen vor dem reichgedeckten -Tisch sitzen, auf dem alles, Fleisch und Brot, Butter und Obst eigenes -Erzeugnis ist, da mag das Los des Siedlers und Pioniers beneidenswert -erscheinen. Der eilige Besucher wird ja nichts gewahr von der -unendlichen Mühe und Arbeit, um all das zu schaffen, was hier blüht und -gedeiht, und eine einwandfreie Beurteilung der Aussichten wäre nur dann -möglich, wenn man genau die Zahl jener wüßte, die alles einsetzten und -elend zugrunde gingen. - - - - -16. Zwischenspiel. - - Choele Choel. - - -Stundenlange Autofahrt kreuz und quer über die Insel vom frühen Morgen -bis zum späten Nachmittag, bald in Staubwolken gehüllt, bald in Schlamm -steckenbleibend, eine reiche Fülle von Eindrücken, wüste Dürre, -verschlammte Kanäle, überschwemmtes Land, roher buschbestandener Kamp -und wieder samenschwere Alfalfafelder und Obstbäume, zusammenbrechend -unter der Last der Früchte. - -Kleine Pueblos über die Insel verstreut als Kultur- und -Wirtschaftszentren, Zukunftsanlagen, Almacen und Fonda und einige -Schuppen. Aber auch hier betont eine ein Denkmal darstellende Pyramide -aus ungebrannten Ziegeln den Stadtcharakter. - -In der Fonda Chacreros und Händler und lange, schmutzige, -weinbefleckte Tische. An der Wand klebt ein Plakat, daß am Abend ein -Varietésängerpaar große Festvorstellung geben wird. Gegenüber der -Tür die Schenke, an der andern freien Wand ein großer Spiegel mit -Frisiertoilette, Rasiermesser, Kämme, Bürsten; denn die Wirtschaft ist -gleichzeitig Frisiersalon. - -Der Wein, den der Wirt verschenkt, ist Inselprodukt. Die -Salesianerpatres haben neben ihrer Arbeit im Weinberg des Herrn auch -einen irdischen Weinberg aufgetan. Kirche und Schule liegt in ihrer -Hand, und nebenbei haben sie die beste Bodega, wie man hier einen -Winzerbetrieb nennt. - -Dem Salesianerkloster ist auch äußerlich nichts anzumerken. Ein -einstöckiger, schmutziger Ziegelrohbau. Aber durch Zimmer und winklige -Korridore kommt man mit einem Male in einen hochgewölbten Kreuzgang, -ein erstaunlicher Anblick in einem Lande, das nur Wellblech- oder -Lehmbauten kennt. Die Erklärung ist einfach. Einer der beiden -Patres war früher Architekt. Welch seltsames Schicksal mag ihn zum -Salesianermönch gemacht haben! Nun mauert er Jahr für Jahr Gewölbe an -Gewölbe, Kreuzgang, Schlafsaal, Kelterei und Weinkeller. Daneben wird -Jahr für Jahr ein weiteres Stück roher Kamp gerodet und als Weinberg -bestellt. Daneben der Schulunterricht und die geistliche Tätigkeit. - -Wir müssen alles ansehen, Weinberg und Kelter, die zementenen -Gärbottiche und das hohe Steingewölbe mit den großen Lagerfässern, in -ihrer Art einzig im Rio-Negro-Tal. Und schließlich geht’s die enge -Treppe hinunter in den Keller unter dem Kreuzgang. - -Während wir eine Sorte nach der andern probieren müssen, erzählt der -andere Pater ununterbrochen. Über der speckigen, mehr grünlichen als -schwarzen Sutane sitzt ein kugelrunder Kopf, in seiner blühenden Farbe -wie aus Rosenquarz gedrechselt, und alles darunter ist rundlich. - -Ein ferner Klang wie von Geigenspiel streicht durch das Kellergewölbe. -Wir stehen lauschend. „Unser Rennreiter“, meint Pater Rosenquarz. - -Und er erzählt: „Eines Tages kam ein junger Mann und bat um Herberge. -In diesem gastfreien Land ist es allgemein Sitte, jedem, der da -kommt, Herberge und Essen zu gewähren. Es sind Arbeitsuchende oder -Abenteurer oder auch nur Wanderlustige, die in monatelangen oder -jahrelangen Märschen halb Südamerika durchwandern. Ich habe manchen -von ihnen kennengelernt. Einer war dabei, der ganz Brasilien und halb -Argentinien durchwandert hatte. Da er dem Mayordomo, bei dem er um -Herberge gebeten, gefiel, fragte ihn dieser, ob er nicht bleiben und -Arbeit nehmen wolle. Aber ein entrüsteter Ausruf war die Antwort: -‚Was, arbeiten! Ich bin zwei Jahre durch Brasilien gewandert, ohne zu -arbeiten, und ich denke es hier in Argentinien auch nicht anders zu -tun!‘ Trotz dieses vielfachen Mißbrauches der Gastfreundschaft wird -doch der Estanciero jedem, der morgens kommt, Frühstück und Mittagbrot -und jedem, der nachmittags eintrifft, Abendessen und Nachtlager geben.“ - -Solch einer war es auch, der zu den Salesianern gekommen war. -Monatelang war er durch die Republik gewandert und am nächsten Tage -wollte er weiter. Aber im Gespräch stellte es sich heraus, daß er -Rennreiter und als berühmter Jockei durch die ganze Welt gekommen war. -Bei seinem letzten Rennen in Buenos Aires hatte er sich den Kopf so bös -zerschlagen, daß es nichts mehr war mit der Reiterei. Eine gute Stelle -auf einer Estancia, die man ihm verschafft, gab er mir nichts dir -nichts auf und begann ein Wanderleben. - -Aber außer den Pferden hatte er immer noch seine Geige gehabt, und -die hatte er mitgenommen und spielte den Patres darauf vor. Und als -sie sein Spiel hörten, da meinten sie, das wäre eine treffliche -Gelegenheit, um ihren Schülern Musikunterricht zu geben, und auf -ihren Vorschlag blieb der ehemalige Rennreiter als Musiklehrer und -Laienbruder bei den Salesianern. - -Auf unsere Bitten riefen sie den Musikanten zu uns und zum Wein, einen -hohen, schlanken Menschen in billigem Leinenanzug, aber mit Akzent und -Allüren eines Wiener Aristokraten. - -Paris und London, Sidney und New York waren ihm in gleicher Weise -geläufig, und zwischen den Erzählungen von Rennen und Siegen schwirrten -nur so die phantastischsten Zahlen von Gehältern und Gewinnen. Aber -jetzt scheint das alles weit hinter dem noch jungen Mann zu liegen, -und er, ruhig und abgeklärt, als habe es nie etwas anderes gegeben, -als habe er nie etwas anderes erstrebt und gewünscht, als auf einem -weltvergessenen öden Fleckchen einer Insel im Rio Negro mit zwei ein -wenig fetten und schmutzigen, aber vergnügten und tüchtigen Patres zu -sitzen und braunen, wilden Söhnen von Italienern, Spaniern und Indios -Musikunterricht zu geben. - -Wir merkten ihm den Wunsch an, uns vorspielen zu dürfen, und baten ihn -darum. Mit todernstem Gesicht lehnte er sich an den Tisch, und wie er -den Bogen ansetzte, schwand der kranke Ausdruck der Augen -- von dem -Sturz war das Hirn wohl noch immer ein wenig durcheinandergerüttelt --, -und wie er nun spielte, saßen alle lauschend, wir und die Patres und -der Indianerjunge, der den Wein einschenkte. - -Immer leidloser und immer befreiender wurden die Lieder, und man -sah die Mücken nicht mehr, die massenhaft um den brandroten Wein -schwirrten. Und er spielte doch nur Wiener Walzer, Operetten, -„Dorfkinder“ und „Zigeunerprimas“, aber aus dem Spiel schluchzte -himmelhoch und sehnsüchtig der ganze Gegensatz heraus von hier und -dort, von einst und jetzt. - - - - -17. Das Land der Kanäle. - - Allen, Territorium Rio Negro. - - -Ein beinahe unheimlicher Eindruck erfaßt einen, wenn man zum erstenmal -mitten in die Zone intensiver künstlicher Bewässerung kommt. Ein -Schauer streift einen, als sei hier in fast frevelhafter Weise das -Gesetz der Natur überwunden, indem der Mensch das Wetter meistert oder -vielmehr seinen Einfluß ausschaltet und sich in der Bestellung des -Bodens von Regen und Sonnenschein unabhängig macht. Der schlimmste -Feind der argentinischen Landwirtschaft, die Trockenheit, sie, die in -regelmäßigen Abständen Tausende von Existenzen zugrunde gehen ließ, -die Früchte jahrelanger Arbeit in kürzester Frist zerstörte, die das -Korn versengte und das Vieh in Massen mordete: hier ist sie überwunden. -Die Landwirtschaft ist industrialisiert, ist ein maschinenmäßiger -Betrieb geworden, dessen Gedeihen abhängt von dem richtigen Gang des -technischen Apparates, der aber unabhängig ist von den Launen der -Witterung. Ein später Frost kann wohl die Baumblüte zerstören und die -Obsternte gefährden, aber dies ist auch fast das einzige, was dem -Landmann das Wetter noch antun kann. Im übrigen ist der jährliche -Ertrag etwas, was man mit Hilfe der Bewässerung selbst regelt. Der -Landwirt braucht nicht ängstlich zum Himmel schauen, sei es, ob -endlich der ersehnte Regen fällt oder ob der Himmel seine Schleußen -schließt, um von der verregneten Ernte noch etwas zu retten. Es regnet -nur im Winter, wenn es gleichgültig ist, und der Farmer selbst gibt -seinen Pflanzen das an Wasser, was sie brauchen. - -Die steil abfallenden Steinwände des patagonischen Hochlandes, deren -Fels rot zu glühen scheint von der darauf brennenden Sonne, begrenzen -das weite Tal, das eine Kuppel von intensivster unabänderlicher Bläue -überspannt. Wo das Wasser noch nicht hinkam, trostlose Dürre, kaum -daß der Boden ein paar dornige Büsche trägt, und unmittelbar daneben, -soweit die Feuchtigkeit reicht, blühendes Grün. - -Pappeln säumen alle Wege, Pappeln, immer nur Pappeln. Ist in -andern Gegenden der Republik Meilen auf Meilen und Stunden auf -Stunden ermüdender Bahnfahrt Drahtzaun, Windrad und Wassertank das -ewig wiederkehrende Motiv, so ist es hier der hohe schlanke Baum. -Regelmäßig und quadratisch wie alles hier im Lande, ist das ganze -Bewässerungsgebiet in Lose von gleicher Größe geteilt. Kann auch ein -Besitzer mehrere Lose in einer Hand vereinen, so muß doch ein jedes -Los von der Größe von 100 Hektar von öffentlichen Wegen umschlossen -sein. Jeder dieser Wege, von denen der größte, die Hauptverkehrsader -durch die Kolonie, eine Breite von 50 Meter hat, ist mit enggepflanzten -Pappeln eingefaßt. Und jeder Weg auf den Chacras, ja jedes Feld ist -wieder mit diesen Bäumen umstanden. Sie säumen jeden Corral und -jeden Wassergraben. Ihr Zweck ist ein vielfacher. Sie sollen die -Gewalt der vom Hochland herunterbrausenden Staubstürme brechen und -die jungen Pflanzungen schützen, und sie sollen die Böschungen der -Kanäle festigen. Aber daneben reizt auch das rein Praktische zu -ihrer Anpflanzung. Sie geben Holz, ein wertvoller Artikel in diesem -holzarmen Lande. Und als letzten, wenn auch vielleicht nicht einmal -beabsichtigten Vorteil spenden sie Schatten. Stundenlang im Schatten -reiten zu können ist ein Genuß, den man sonst in Argentinien nicht -leicht findet. - -Am stärksten ist der Kontrast zwischen dem leichten frischen Grün -des Bewässerungslandes und der gelben heißen Dürre des übrigen -Bodens unmittelbar an der Mündung des großen, im Bau befindlichen -Regierungskanales bei Almirante Cordero. Einige Kilometer flußaufwärts -von der Vereinigung des Neuquen und des Limay, die zusammen den Rio -Negro bilden, ist mittels eines gewaltigen Staudammes das gesamte -Flußbett abgesperrt. Von hier zweigt der große Regierungskanal ab, der -bis Zorilla oder Chinchinales führen und das gesamte Rio-Negro-Tal auf -eine Länge von 120 bis 150 Kilometer bewässern soll. Dieser Staudamm -soll zugleich das Tal vor den gefährlichen Überschwemmungen schützen, -die es bisher von Zeit zu Zeit verheerten und deren letzte im Jahre -1899 das Städtchen General Roca zerstörte. Vollständig wird der Schutz -vor den Überschwemmungen allerdings erst dann sein, wenn auch der Limay -reguliert ist. Die größte Gefahr ist jedoch wohl heute schon gebannt. - -Ein besonders günstiger Umstand ist das Vorhandensein eines ungeheuren -leeren Felsenkessels unweit des Staudammes, die Cuenca Vidal. Ihre -Steilwände haben ein Fassungsvermögen von über 5 Milliarden Kubikmeter, -so daß selbst die größten Wassermengen zu Zeiten ungewöhnlich großer -Schneeschmelze unschädlich dorthin abgeleitet werden können. - -Almirante Cordero ist heute nichts als eine Barackenstadt für die -am Bau beschäftigten Ingenieure und Arbeiter. Der Anblick ist aber -wesentlich anders als der sonst übliche. Man hat gleich zu Beginn -der Arbeiten Bewässerungskanäle gezogen und Bäume gepflanzt, und -heute liegen die Wellblechbaracken im Schatten eines dichten Haines -hochstämmiger Pappeln. - -Es ist die Zeit des niedersten Wasserstandes, und doch ist es eine -gewaltige Wasserflut, die durch die Schleusen in den unmittelbar vor -dem Staudamm abbiegenden Hauptkanal strömt, genug, um Zehntausende von -Hektaren zu bewässern. Wenige hundert Meter flußaufwärts zweigt ein -breites steiniges Bett ab, das einen natürlichen Ablauf zur Cuenca -Vidal bildet. Man ist augenblicklich noch dabei, das Bett zu vertiefen. -Zwischen dieser Linie und dem Kanal ist ein Streifen Kulturland von -Pappelreihen eingefaßt, und es breiten sich frischer grüner Rasen und -blühende Gärten. Inmitten der sonstigen Steinwüste wirkt dies alles -fast phantastisch, um so mehr als der Übergang zwischen Fruchtbarkeit -und Dürre nicht allmählich erfolgt, sondern plötzlich, wie mit der -Meßschnur gezogen. - -Der Rio Negro fließt dicht am Südrande des Tals entlang, teilweise -fast am Fuße der Steilwände des patagonischen Hochlandes. Im Gegensatz -dazu wird der Kanal am Nordrand des Tales entlang geführt. Mittels -eines Systems von Nebenkanälen, die das Tal durchqueren, soll das -ganze Gebiet mit Wasser versorgt werden. Bisher sind aber nur die -ersten Zonen mit den Kolonien Picasso und Luzinda unter Kultur -genommen. Trotzdem an dem Kanal seit vielen Jahren gebaut wird und -mehr als 12 Millionen Peso dafür ausgegeben sind, schiebt sich die -endliche Fertigstellung von Jahr zu Jahr hinaus, so daß die Bewässerung -der größten Kolonie, General Roca, noch immer durch den alten -Genossenschaftskanal erfolgt, während die weiter flußabwärts liegenden -Gebiete einstweilen vergeblich auf Wasser warten. - -Die Bewässerung erfolgt in der Weise, daß von Nebenkanälen, den -„Secundarios“, durch immer weitere Verzweigungen das Wasser bis zu -jeder einzelnen Chacra geleitet wird. Hier hat der Besitzer durch -ein System von Gräben, den „Acequias“, selbst für die Verteilung des -Wassers zu sorgen. Vorbedingung für die Bewässerung ist die vollkommene -Planierung des Geländes. Darauf wird jeder einzelne von Acequias -umrahmte Abschnitt oder Potrero durch niedrige Dämme in Streifen von -20 Meter Breite eingeteilt. Diese Streifen können nacheinander je nach -Bedarf unter Wasser gesetzt werden, indem man die Acequias staut und -den Damm an der gewünschten Stelle durchsticht. - -Die Schwierigkeit liegt darin, dem Boden die richtige Wassermenge -zuzuführen. Vielfach hat sich durch ein Zuviel der Grundwasserspiegel -in bedenklicher Weise gehoben. Aus solcher Überwässerung mag auch -der allzu große Wassergehalt herrühren und der dadurch bewirkte fade -Geschmack, den man da und dort dem Obst vom Rio Negro vorwirft. An -einzelnen Stellen sind die Folgen noch schwerer, und eine unachtsame, -allzu reichliche Bewässerung hat zu einer vollkommenen Verschlammung -des Bodens geführt, die stellenweise so weit geht, daß man beim -Passieren zu versinken droht. - -Vor einem solchen versumpften Feld mögen einen Bedenken -beschleichen, daß sich die Natur doch nicht ungestraft ins Handwerk -pfuschen läßt. Allein es sind Fehler, die in der Anlage liegen. -Jedes Bewässerungssystem erfordert die gleichzeitige Anlage von -Entwässerungskanälen; bei dem neuen Regierungskanal hat man dies -vorgesehen und auch ein Entwässerungssystem gebaut. - -Der Eindruck, den das Bewässerungsgebiet macht, ist trotz der -technischen Unzulänglichkeit größer als der jedes andern technischen -Werkes. Denn hier greift der Mensch wirksam und erfolgreich in den -Lauf der Natur ein. Er gibt dem Lande nicht nur Wasser, wann er will, -sondern mit der Bewässerung des Tales ändert sich auch das Klima, -und mit diesem und infolge der vom übrigen Argentinien von Grund aus -abweichenden Lebensbedingungen ändert sich wohl auch der Charakter -der hier aufwachsenden Menschen. Die schwüle Hitze, die andere Teile -Argentiniens so unerträglich macht, fehlt hier völlig. Die Nächte sind -auch im Sommer frisch, die Winter kalt. Statt der extensiven Wirtschaft -im übrigen Argentinien herrscht hier intensiver Betrieb. Das Leben hat -hier etwas von der Enge, aber auch von der Behaglichkeit des alten -Deutschland. Ein bitterer Wermutstropfen nur: trotz der Bemühungen -einzelner Deutschargentinier, wie Theodor Alemanns, war es vor dem -Kriege nicht möglich, Interesse für diesen Landstrich zu gewinnen, -der wie kein anderer für deutsche Einwanderung geeignet gewesen -wäre. Heute ist das Land fast durchweg in festen Händen und teuer, -so daß deutsche Einwanderer nur gestützt auf eine kapitalkräftige -Kolonisationsgesellschaft hier die Ansiedelung wagen könnten. - - - - -18. Ritt durch Neuquen. - - Am Neuquenfluß. - - -Der Zug fährt durch eine Wand von Staub. Mehr als die schwarzen -Schleier, die die unendliche Nacht vor die Kupeefenster zieht, sind es -die Staubmassen, die jeden Ausblick hemmen. Wie inmitten einer Sandhose -fährt der Zug. - -Resigniert gibt man den Versuch auf, durch die blinden Scheiben den -Charakter der Landschaft zu erspähen, und läßt auch noch die hölzernen -Rolläden herab, um dem Staub den Eintritt in den Wagen zu wehren. - -Umsonst. Durch die feinsten Ritzen dringt er ein. Fingerdick setzt er -sich auf Polster und Lehne, auf Koffer und Kleider. Von Zeit zu Zeit -macht ein Bediensteter der Bahn den Versuch, mit einem Wedel den Staub -aufzuwischen. Es ist hoffnungslos. Der Zug ertrinkt im Staub. - -Wie sagte der Herr in Bahia Blanca, als er von meiner Reise durch -Neuquen hörte? - -„Was, in diese Wüste wollen Sie?“ - -„Waren Sie denn schon einmal dort?“ war meine Gegenfrage. - -„Nein, aber das weiß man doch!“ - -Das weiß man doch! Ich frage etwas unter meinen Bekannten in Bahia -Blanca herum, wer Neuquen oder auch nur Rio Negro kenne. Das Resultat -war nicht anders als in Buenos Aires. -- Kaum einer. Seltsam, da -handeln die Geschäftsherren mit den ~Frutos del pais~, mit Getreide und -Alfalfa, mit Wolle und Häuten, aber sie haben kein Interesse daran, -das Land kennenzulernen, aus dem sie das beziehen, womit sie sich ein -Vermögen machen. - -Und so bilden sich Urteile nicht aus eigener Anschauung, sondern -gleichsam auf überkommenen Konventionen ruhend, die man nachspricht, -ohne sie nachzuprüfen. „Patagonien -- nur für Schafzucht geeignet“, -„Regierungsland -- wertlos“, „Neuquen -- eine Wüste“. - -Stimmt das Urteil? Auf den Stationen sieht man im schwachen Licht der -Sterne kaum eine Bretterbude, einen Windmotor und Wassertank, dahinter -nichts als zampabestandene Wüste. -- Ich gehe ins Schlafkupee. Auch -hier der Staub. Noch in den Traum folgt er und liegt beim Aufwachen -trocken im Gaumen und knirscht zwischen den Zähnen. - -Die Stationen sind spärlich geworden. Stundenlang fährt der Zug von -einer zur andern. Und nicht einmal für die wenigen fanden sich Namen, -einfach Kilometer soundso. - -Sand, Zampa, Tosca, dorniges Buschwerk, bestenfalls am Horizont ein -paar Hügel und leicht sich wellende Berge. - -Um neun Uhr sind wir in Ramon M. Castro, der letzten Station vor -Zapala, von wo die Reise zu Pferd weitergehen soll. - -[Illustration: Freundliche Marktweiber.] - -[Illustration: Lamaherde.] - -[Illustration: Ein Säugling zu Pferd.] - -[Illustration: In einer bolivianischen Posada.] - -Wie ging uns als Knabe das Herz auf, wenn wir von Wild West lasen. -Heute kann man die Vereinigten Staaten von Ost nach West, von Nord -nach Süd durchfahren, man wird von Wild-West-Romantik nichts -mehr sehen. In Argentinien gibt es sie noch, keine 40 Bahnstunden -von der Hauptstadt entfernt: Städte, die heute aus ein paar -Wellblechbaracken bestehen und deren Entwicklung niemand ahnen kann. -Unbegrenzte Möglichkeiten für den Zähen, Zielbewußten, und königliche, -schrankenlose Freiheit in unbegrenzter Weite. - -Die Häuser, aus denen Ramon M. Castro besteht, lassen sich leicht an -zwei Händen zählen: Außer der Station drei Almacene, ein Franzose, -ein Spanier, ein Pole, eine Fonda, die ein Italiener bewirtschaftet, -die Bretterbude der Polizeistation und einige Lehmranchos. Halt, da -ist noch ein stattliches, zweistöckiges Gebäude, ein Ziegelbau mit -Wellblechdach -- die Schule. Man frägt erstaunt, für wen. Alle Achtung -vor einem Land, das in seinen abgelegensten, menschenärmsten Teilen -noch solche Schulen baut. - -Diese armselige Kampstadt inmitten trostlos heißer Sandwüste ist für -eine weite Umgebung Kultur- und Wirtschaftszentrum. Hierher verkaufen -die wenigen an dem Flusse sitzenden Estancieros wie die auf dem -Regierungsland nomadisierenden Indios ihr Vieh und ihre Felle. Hier -können sie in den Läden alles einkaufen, was sie brauchen, und in der -Kneipe können sie spielen und sich betrinken. Kehrt man nach tagelangen -Ritten in einsamer Wüste und Steppe nach Ramon zurück, so ist es nicht -anders als die Rückkehr aus der Provinz nach Buenos Aires. - -Einstweilen aber kann man es nicht fassen, wie Menschen es in diesem -heißen, sandigen Kessel aushalten. Kein Grün, weder Busch noch Baum. -Nur an der Bahn das Gärtchen des Stationsvorstands, das, von dem Tank -der Südbahn aus mit Wasser versorgt, mit frischem Grün prangt: Tomaten, -Kohl, Pfirsiche, Äpfel, Birnen. - -Sonst kommt alles, was diese Kampstadt zum Leben braucht, mit der Bahn. -Die Preise sind höher als in Buenos Aires. Früchte, die man nur wenige -Bahnstunden weit in Roca zu anderthalb Peso das Hundert kaufen kann, -verkauft der Italiener mit 10 Cent das Stück. Gebrauchsgegenstände, -Stoffe, Kleider, Küchengerät, Messer usw. verkaufen die Almaceneros -mit hundert, zweihundert, ja sogar dreihundert Prozent Aufschlag. Oft -spielt sich das Geschäft in der Weise ab, daß die Indios den Erlös für -Vieh, Felle oder Wolle in einem Tag vertrinken, die Ware auf Kredit -nehmen und wieder ohne einen Cent bares Geld auf ihre einsamen Ranchos -zurückkehren. - -Wir warten die größte Mittagshitze ab, ehe wir abreiten. Mäntel und -Decken -- denn die Nächte sind kalt -- und ein wenig Wäsche ist alles, -was mitkommt. - -Ein breites flaches Tal zwischen sanften Hängen zieht sich nach Norden. -Wir reiten Stunden und Stunden. In großen Abständen kündet eine -weidende Tropilla Pferde oder eine Schaf- und Ziegenherde einen Puesto, -eine kleine Ansiedlung von Indianern. - -Ein ganz ärmlicher Rancho, ein Brunnen, um den Kürbisse wuchern, und -allenfalls noch ein Corral, mit mühsam zusammengesuchtem Gestrüpp -kunstlos eingehegt, das ist alles. Auf engstem Raum hausen unter dem -niedrigen Lehmdach oft mehrere Männer und Frauen und ein Dutzend -Kinder. Wir steigen ab und bitten um Wasser. Mit argentinischer -Höflichkeit wird es gereicht, aber als wir photographieren wollen, gibt -es fast eine böse Szene. Die Señora fürchtet sich vor dem Apparat; -vielleicht glaubt sie sich auch nicht schön genug angezogen. Wir müssen -ohne Aufnahme weiter. - -Von den Hufen unserer galoppierenden Pferde weht der Staub in langen -Fahnen. So geht es Stunde um Stunde, kaum mit kurzen Schritteinlagen. -Es sind billige eingeborene Tiere, klein und unansehnlich; aber -fabelhaft ist, was sie leisten. Sicher wird durch Mischung mit -europäischem Blut der einheimische Schlag größer und ansehnlicher. -Allein geht das nicht auf Kosten von Zähigkeit und Anspruchslosigkeit? -Kein europäisches Pferd könnte bei diesem Futter auch nur entfernt -ähnliches leisten. - -Schon will es dämmern, als sich das Tal verengt. Felskulissen schieben -sich vor. Über den Paßeinschnitt wechselt flüchtendes Wild -- Strauße. -Scharf zeichnen sich für Augenblicke ihre Silhouetten am Horizont ab. - -Die Pferde keuchen den steinigen Pfad empor. Auf der Höhe weitet sich -der Blick. Den Horizont grenzen blaue Berge. - -In wildem Farbentaumel stirbt der Tag. Soweit das Auge reicht, nicht -Mensch noch Tier noch Anzeichen menschlicher Behausung. Ringsum -grenzenlose Einsamkeit. - -Der Galopp der Tiere, der müd und kurz geworden war, wird in der -kühlen Nachtluft wieder raumgreifend. Schweigend galoppieren wir durch -buschbestandene Steppe. Mensch wie Tier hasten dem Ziele zu. - -Aus dem Grunde vor den horizontfernen Bergen, die sich jetzt wie eine -schwarze Wand drohend vor uns aufbauen, kommt ein mattes Blinken wie -von Silber, auf das schwaches Licht fällt -- der Fluß. - -Ohne es zu wissen löst sich aus staubtrockener Kehle ein Schrei: Der -Fluß, Wasser, Leben! Die Pferde rasen ohne Antrieb vorwärts. - -Wie im Traum faßt das Auge die wechselnde Landschaft. Zwischen den -blinkenden Kurven dunkle Flächen von Grün, Gras und Alfalfa, mehr -geahnt als erkannt, Pappeln in Reihen aufmarschiert, die Schatten hoher -Baumgruppen. - -Inmitten der Wüste grünendes Leben, treibende Frucht. - -Wir reiten zwischen Pappelreihen. Dahinter Weingärten, Obst, Früchte. -Unter hohen Bäumen ein großes, weißes Haus, Schuppen, Ställe und -ringsherum Gärten. Eine Oase in der Wüste nimmt uns auf. - -Es ist kein anderer Boden, kein anderes Land als jenes, das wir -durchritten haben, nur daß es der Zauberstab berührt hat, auf den -das ganze Land wartet, um sich in ein Paradies zu wandeln -- die -segenspendenden, lebenschenkenden Fluten künstlicher Bewässerung. - - - - -19. Zukunftsland. - - -Wo der Rio Cayunco in den Neuquen fließt, treten die Berge im weiten -Umkreis zurück und bilden mit ihren steil abfallenden Wänden einen -mächtigen Felskessel. Eingeschlossen von dem toten heißen Gestein -aber, an den Ufern der Flüsse, fruchtbares Land, das nur des Wassers -bedarf, um jede Frucht zu treiben. - -Es ist ein eigen Ding um die Sonne, die hier von einem Himmel von -unendlicher Bläue herunterbrennt und deren Hitze die steinernen Mauern -vielfach widerstrahlen. In wenigen Tagen färbt sie Gesicht und Hände, -den offenen Hals und die bloßen Arme über ein Indianerrot zu einem -tiefen satten Braun. - -Sicherlich steigt hier die Quecksilbersäule auf die gleiche Höhe wie in -Buenos Aires, ja selbst auf die Höhe, die ich im Dezember und Januar im -Norden der Provinz Santa Fé stöhnend erlebte. Aber es ist eine andere -Hitze. Es scheint eine andere Sonne. Die Luft ist in diesem Lande, das -keinen Regen kennt, von einer Trockenheit, Reinheit und Klarheit, daß -die Hitze nur wie ein köstlicher, warmer Hauch empfunden wird. Dazu -sind die Nächte wundervoll frisch, fast kalt. - -Wer hat von diesem Klima Neuquens gehört? Ich habe nur von -unerträglichen Staubstürmen gelesen, und es bedarf wohl geraumer Zeit, -bis man sich klar wird, daß dieses Wohlgefühl des Körpers von einem -Klima herrührt, das dem Ägyptens ähnelt. - -In der trockenen Glut dieses Felskessels reift eine Frucht von -unendlicher Süße. Ich gehe durch die pappelumstandenen Weingärten der -Estancia, die mir Gastfreundschaft gewährt. Schwer hängen grün und blau -und rot die Trauben von den jungen Stöcken. Noch sind erst schüchterne -Versuche gemacht worden, aus ihnen Wein zu keltern. Aber Lage und Boden -müssen ein Produkt geben, das es mit jedem Wein des Rio-Negro-Tales -aufnehmen kann. Anschließend strömen die Obstgärten unter kühlem -Schatten einen betäubenden Duft aus. Die zehnjährigen Pfirsichbäume -hängen übervoll. Hier und da sind besonders schwerbehangene Äste -gestützt oder unter der Last der Früchte heruntergebrochen. Weiterhin -Äpfel und Birnen, Pflaumen, aber auch Feigen. Auch mit Tabak sind die -ersten Anbauversuche erfolgreich gemacht. Der Boden scheint alles zu -tragen, was man in ihn pflanzt. - -Schwierig ist die Verwertung. Zur Station sind zehn Leguas. Trotzdem -werden Früchte nach Bahia Blanca verschickt. Das übrige dient für den -großen Bedarf des Besitzers, seiner Familie und des Gesindes. Für den -Winter wird in großem Maße Trockenobst bereitet, das man in einfacher -Weise in der Sonne dörrt. - -Die Obst- und Weingärten säumen Alfalfafelder, die fast bis an -den Fluß reichen. Unter den Akazienbäumen des Hofes steht die -Reinigungsmaschine, die den Samen von den letzten Unreinigkeiten -befreit. Wie pures Gold rinnen die gelben Körner über die Siebe in die -Benzinkannen, die als Meßgefäße dienen. - -Keuchend bringen die Peone die schweren Säcke angeschleppt. Klappernd -dreht sich die Maschine, und ein kleiner Indianerjunge streicht -vorsichtig den Samen in den Latas, den Kannen, bis zum Rande glatt, -damit das Maß genau stimme, und der Besitzer füllt über ausgebreitetem -Segeltuch den goldenen Samen so sorgfältig in die zum Versand -bestimmten doppelten Säcke, als handle es sich um wirkliches Gold. Für -ihn ist es das auch. Trägt ihm doch jeder Hektar 500 Kilo Samen und -rechnet er aus seinen wenigen hundert Hektaren auf einen Gewinn von -30000 bis 40000 Peso. - -Mit Ausnahme der in der Nähe des Flusses liegenden Alfalfafelder -empfängt das ganze Land Wasser mittels eines Kanals, der zwei Leguas -oberhalb der Estancia vom Fluß abzweigt und durch ein System von -Acequias Alfalfa, Obst und Wein bewässert. - -Die ganze Anlage ist nicht älter als dreizehn Jahre. Um diese Zeit -kam der Besitzer hierher, ein Spanier, der bisher einen Laden in Las -Lajas hatte, kaufte um wenige Peso das wertlose Land und schuf in -unermüdlicher, harter Arbeit das heutige Paradies. - -Das Land ringsum, zum Teil Regierungsland, zum Teil Privatland, ernst -um einen Pappenstiel gekauft, aber unverwertet gelassen, da seine -unfruchtbare Dürre kaum Schafe und Ziegen ernähren würde, unterliegt -denselben Bedingungen. Nur zwei Dinge braucht es, Arbeit und Wasser. - -Wir reiten zum Fluß. Noch brennt die Mittagssonne. Langsam trotten die -Pferde hintereinander auf dem schmalen Pfad durch die Alfalfa. Noch -liegt ein leichter blauer Schimmer der absterbenden Blüte über dem -grünen Feld. Doch die meisten Pflanzen hängen schon schwer unter dem -überreichen Samen. - -Ein breiter Streifen ungenützten Landes trennt das letzte Alfalfafeld -vom Fluß, Überschwemmungsland. Denn noch ist ja der wilde Gebirgsfluß -in keiner Weise reguliert, und Überschwemmungen drohen hier jede -menschliche Arbeit zu vernichten. Sand und Kiesbank, grünumstandene -Lagunen, Schilf, Gras und Buschwerk, durch das sich die Pferde -kaum einen Weg bahnen können und das fast über unseren Köpfen -zusammenschlägt, wechseln miteinander ab. Dann wieder das Kiesbett -eines trockenen Flußarmes und Weiden in kleinen Gruppen. Die Sonne -brennt auf unsere bloßen Arme. Über unsern Häuptern streicht ruhigen -Fluges ein mächtiger Adler. In seinen Fängen windet sich lang -herabhängend eine große Schlange. - -Unsere Pferde saufen im Fluß. Man muß schon ein guter Schwimmer sein, -um über den breiten reißenden Strom das andere Ufer zu gewinnen. -Fast andächtig sehe ich auf die raschfließende Flut. Wie nutzlos -vergeudetes Lebensblut verströmt sie. Nur ein winziger Bruchteil dieses -lebenweckenden Elementes ist ja abgefangen. Statt Hunderte von Hektaren -ließen sich Tausende und Zehntausende bewässern. Wir stehen hier am -Anfang vielfältigen Werdens. - -Vor den Hufen unserer Pferde schwirren immer wieder die Martinetes auf. -Diese schmackhaften, hier nur allzu zahlreichen Vögel sind der einzige -Feind der Kulturen, die weder Dürre noch Heuschrecken, noch Phylloxera -noch irgendeine andere Reben- oder Baumkrankheit kennen. Aber wie der -Weg höher hinaufführt, sandiger und steiniger wird, hören auch sie auf, -und nur ab und zu huscht eine feiste Feldmaus vorüber oder ein putziges -Gürteltier, das eiligst hinter einem Busch Deckung sucht. - -Der Weg führt hoch oben am Rand der Felsmauern entlang, und man sieht -weithin über das Land. Nur spärlich sind die grünen Flächen bebauten -Landes oder die Baumgruppen, die menschliche Wohnung künden. Fast -zufällig sind sie entstanden, indem da oder dort ein unternehmender -Estanciero oder ein etwas weiterblickender Indio einen Kanal vom Fluß -abzweigte. - -Rasch wechseln beim eiligen Reiten Gedanken und Phantasien. Wenn -hier planmäßig gearbeitet würde, wenn das Wasser der Flüsse nicht -nur zu rationeller, groß angelegter Bewässerung genützt, sondern der -regulierte Neuquen gleichzeitig als Transportstraße für den Absatz -der Produkte dieses Landstriches verwendet werden könnte und sein -Gefälle für den Antrieb elektrischer Maschinen, die ein weites Gebiet -mit Licht und Kraft versorgten -- da, das bäumende Pferd wirft mich -fast aus dem Sattel. Grellgelb und schwarz züngelt dicht vor ihm eine -Giftschlange auf. Die Pistole fliegt aus dem Futteral. Aber schon ist -das Biest in einem Erdloch verschwunden. Die Gedanken sind plötzlich -abgerissen. Noch ist hier ja Wüste, Einsamkeit, Weltabgeschiedenheit. -Wer hier als Ansiedler anfängt, läßt weit hinter sich alles, was Kultur -und Zivilisation heißt. In weiter Ferne liegt die Verwirklichung der -Möglichkeiten, die dieses Land birgt, es sei denn, daß zu den beiden, -die Wüste in Garten wandeln sollen, zu Wasser und menschlicher Arbeit, -ein drittes kommt -- das Kapital. - - - - -20. Deutsche Siedler in argentinischer Wildnis. - - Am Cayunco. - - -Die Nebenflüsse des Neuquen vervielfachen die Möglichkeiten -dieses Flusses der Gobernacion gleichen Namens. Wenn auch für -Schiffahrtszwecke infolge des niedrigen Wasserstandes im Sommer nicht -geeignet, so sind die Verhältnisse für künstliche Bewässerung hier -stellenweise noch günstiger als am Hauptfluß. - -Ich reite den Cayunco stromauf. Einige Leguas hinter der Mündung -schließt sich das Tal zu enger Felsschlucht zusammen. Tief unten -springt der Fluß über Felsblöcke. Aber noch hier oben am Wege ist der -Stein seltsam ausgehöhlt, rundgewaschen und glattpoliert, zum Zeichen, -daß manchen Winter übergroße Wassermassen die ganze Schlucht füllten. - -Hinter der Enge öffnet sich ein weites Tal. Auf dem nördlichen Ufer -rücken die Berge bis an den fernen Horizont zurück, während sie sich -auf dem südlichen in sanftgewellte Hügel lösen. - -Von Zeit zu Zeit künden grüne Flächen und Baumgruppen die Puestos von -Indianern, die mit Hilfe primitiver Kanäle einige Hektar unter Kultur -genommen haben. - -Bei einer Ranchogruppe unter besonders hohen dichten Bäumen soll erste -Rast gehalten werden. Allein statt der Indios, die wir um Mate, um -Paraguaytee, angehen wollten, stoßen wir auf Männer, bei denen aller -Sonnenbrand die mitteleuropäische Abkunft nicht verwischen konnte. -Deutsche Laute nehmen den letzten Zweifel. Wir sind in einer deutschen -Siedelung mitten in der Wildnis, an der Grenze der Republik. - -Es sind junge Leute zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die der für -Deutschland ungünstige Ausgang des Krieges aus ihrer Bahn geworfen -hat: aktive Offiziere des Heeres und der Flotte, Marineingenieure, -Staatsbeamte, aber auch Handwerker und Landarbeiter. Da sie nicht über -viel Geld verfügten, blieb ihnen die Qual der Wahl, wo sie das Land -kaufen sollten, erspart. Sie mußten sich mit billigem Regierungsland -begnügen. - -Ich habe einige Tage unter diesen Siedlern gelebt, und ich muß sagen, -einfacher kann man nicht gut leben, aber auch kaum glücklicher und -zukunftsfroher sein. Wohl waren einige Lehmranchos da. Aber da sie noch -von ihren früheren Bewohnern her voll Ungeziefer saßen, nutzte man sie -lediglich als Gepäck- und Geräteschuppen, und alles, einschließlich -der einen Frau, die ihren Gatten in die Wildnis begleitete, schlief im -Freien. - -Es ist ein herrliches Schlafen unter dem freien strahlenden -Sternenhimmel, wenn auch das Aufstehen in der empfindlichen Kühle -nicht ganz leicht ist. Bereits vor fünf Uhr steht alles um das mächtig -flackernde Feuer, auf dem der Siedler vom Küchendienst bereits den -Morgenkaffee bereitete. - -Um fünf Uhr beginnt die Arbeit. Der ehemalige Indianerpuesto, in -dem sich die Siedler zunächst niedergelassen, hatte einen alten -verwahrlosten Kanal. Den galt es zunächst in Ordnung bringen, um -möglichst rasch einige Hektar Gartenland und Weide bewässern zu können. -Dann mußte ein Potrero gebaut werden, der bereits fertig ist, und jetzt -ist man an der Errichtung eines Kolonistenheims, um vor Eintritt der -kalten Jahreszeit unter Dach und Fach zu sein und um vor allem auch für -die übrigen Frauen, die teilweise auf benachbarten Estancien, teilweise -noch in Deutschland sitzen, eine gute warme Unterkunft zu schaffen. - -Steine für den Unterbau liefert eine hinter der Siedelung hochsteigende -Felswand. Lehmboden zum Ziegelbrennen ist zur Genüge da, Kalk hofft man -noch zu finden, und so brauchen nur Holz und Wellblech zugeführt zu -werden. Einer der Siedler ist Architekt, nach dessen Plänen und unter -dessen Leitung gebaut wird. - -Es sind etwa zwanzig Herren, die unter der Leitung zweier -argentinischer Landwirte, eines Kolonisationschefs und eines Capataz, -den Grundstock zu einer Siedelung legen. - -Manche der Siedler stammen aus angesehenen, wohlhabenden Familien, -und sicher war der Sprung in so ganz andere Lebensverhältnisse und -die Gewöhnung an schwere körperliche Arbeit nicht leicht, und das -Zusammenleben so verschiedenartiger Elemente auf so engem Raume mußte -zu Reibungen führen. Aber wie sich alle in der Zwischenzeit ein paar -tüchtige, schwielige Hände zugelegt haben, so hatte ich auch den -Eindruck, daß sich die übergroße Mehrzahl nicht nur mit dem neuen Leben -abgefunden hat, sondern daß sie alle völlig in ihrer Arbeit und in -ihrem Unternehmen aufgehen. - -Es ist ein eigen Ding um die Arbeit auf eigenem Grund und Boden. -Zehnmal so leicht ist sie wie für fremde Rechnung. Die Siedler haben -sich zunächst zu einem Jahr unentgeltlicher gemeinschaftlicher Arbeit -verpflichtet, und sobald wie möglich sollen dann die einzelnen -Familien auf eigenen Losen angesiedelt werden und jede eine gewisse -Anzahl Hektar Bewässerungsland bewirtschaften, während der übrige Kamp -genossenschaftlicher Viehwirtschaft dient. - -Sobald es Abend wird, kommen die einzelnen Gruppen von der Arbeit, die -einen vom Steinetragen, die andern vom Roden, die dritten vom Kanalbau. -Unter den Pappeln und Weiden sitzt man auf den selbstgefertigten -Bänken, ein Stück knusprigen Bratens in der Hand. - -Rasch sinkt die Nacht. Von dem verglimmenden Feuer steigt ein leichter -blauer Rauch. Aus dem Potrero tönt das Läuten der Glocke der Leitstute -der Tropilla, und in das Läuten der Glocke, in das Quaken der Frösche -vom Fluß her und das Zirpen der Grillen und in all die unbestimmbaren -Geräusche der Nacht in der Wildnis klingt immer wieder das Lachen der -jungen Frau. - -Man sitzt und erzählt. Einer hat sich schon zurückgezogen, und aus der -Ferne klingt sein Geigenspiel. Schwermütige Weisen -- wie könnt’ es -anders sein. - -Es war viel Hoffnungsfreude und Zukunftsglaube unter den Siedlern. -Im Geiste stand bereits das Haus, blühte das Feld. Aber als ich nach -Jahresfrist nach Argentinien zurückkehrte, da war die Siedelung -eingegangen, an Kapitalmangel, an Streitigkeiten der Siedler. Sie alle -waren auseinandergeflogen, und ein Teil vegetierte dahin in Elend und -Armut. - - - - -21. Auf dem Cayuncohochland. - - Am Cayunco. - - -Zwischen den beiden Nebenflüssen des Neuquen, dem Cayunco und dem -Agrio, erstreckt sich als Wasserscheide ein mächtiges Hochplateau. -Vom Fluß aus scheinen dessen steil abfallende Wände das Tal wie mit -unübersteigbaren Mauern abzuschließen. Aber wie man mir sagt, führt ein -Reitweg auf die Hochfläche hinauf, und da Hufspuren und vertrockneter -Pferdemist untrügliche Spuren geben, reite ich allein eines Morgens los. - -Endlos dehnt sich der Weg. Die scheinbar so nahen Felsmauern rücken -immer wieder ein Stück in die Ferne. Es zeigt sich, daß oberhalb der -leicht und einfach bewässerbaren Flußufer sich weithin eine zweite -Stufe dehnt, teilweise Ebene, teilweise leicht gewelltes Land, die -nicht minder Frucht und Alfalfa tragen könnten wie das Land am -Fluß, wenn, ja wenn es gelänge, hierhin Wasser zu bringen. Allein -mit den einfachen Mitteln des bisherigen Kanalsystems ist nicht -daran zu denken. Dazu gehörten schon Stauwerke, großzügige Anlagen, -Ingenieurarbeit. - -Zwischen Zampabüschen, die noch bei größter Dürre und absolutem -Wassermangel gedeihen, führt die Hufspur. Der Boden ist reich -an Salpetersalzen. Stellenweise ist er weiß von ausgeschiedenen -Kristallen, und einzelne Pflanzen sind von unten her ganz damit -bedeckt. Die Kristalle kriechen an Wurzeln und Stengeln in die Höhe, so -daß es aussieht, als verwandelten sie sich langsam in steinerne Blumen -des Todes. - -Eine Reihe trockener Flußbetten kreuzt den Weg. Dann schlängelt er -sich längs der Felsen hin, bis eine Schlucht sich auftut und steil und -steinig der Weg sich aufwärts windet. - -Mühsam keucht das Pferd. Auf Meilen sind wir beide die einzigen -Lebewesen. Sind wir’s wirklich? Dort, von dem Felsvorsprung, hebt -sich eine seltsame Silhouette vom Himmel ab, ein seltsam geformter -Stein, ein bizarrer Strauch, oder ist es wirklich ein Guanaco? Beim -Näherkommen zeichnet sich deutlich das braune zottelige Fell ab, der -unwahrscheinlich lange Hals, der lächerlich kleine Kopf des Tieres, -das wie eine tolle Laune des Schöpfers wirkt. In seiner unbeweglichen -Haltung sieht das Tier nicht anders aus wie einer dieser grotesken -Auswüchse der Felsen, die bald Drachen, bald menschliche Köpfe oder -tierische Leiber scheinen. Fast könnte man noch zweifeln, ob es -wirklich ein lebendes Wesen ist. Da bekommt es Wind von dem nahen -Menschen und zieht in eiliger Flucht ab. - -Wie Blut und Feuer brennt in der Sonne der rote Fels. Die Augen -schmerzen, bis der Rand der Hochfläche erreicht ist und das jetzt -wieder alles überwuchernde matte Grün der Büsche wohltuende Ruhe gibt. - -Aber zwischen den Büschen verschwindet der letzte Rest der Hufspur. In -den leichten Senkungen des Hochplateaus versinkt der letzte Richtpunkt -am Horizont. Nach rechts, nach links, nach vorn, nach hinten eine -einzige, gleichförmig eintönige Fläche. Nur Sonne und Kompaß bleiben -als letzte untrügliche Wegweiser. - -In mühsamem Galopp geht es durch das dornige Strauchwerk. In die -grenzenlose Verlassenheit zittert ein Sehnen nach etwas Großem, -Befreiendem, nach einem Ende dieser verzweiflungsvollen Öde. Aber -hinter jede eben überwundene sanfte Hügelkette schiebt sich eine neue. -Mit einem Male, als die Stimme, die zur Umkehr mahnt, schon laut und -vernehmlich geworden war, scheint es, als höben sich Vorhänge, und -von der letzten Kimme aus öffnet sich berauschend weit der Blick ins -Agriotal hinunter. - -Einem Amphitheater gleich öffnet sich die weite Schlucht. Immer weiter -treten Felskulissen zurück, braun und grau und rot, bis über Hänge und -Stufen hinunter tief unten im Grund wie fließendes grünes Licht das -gewundene Band des Agrio aufleuchtet. Nach West und Nordwest aber baut -sich in horizontweiter Ferne unter der leuchtenden Last des ewigen -Schnees der Fels der Kordillere in intensiv blauen und weißen Farben -auf. - -Unbestimmte Sehnsucht ist es, die durch brennend heißen Sand und -Dornbusch bis zu jenen unerreichbar fernen Bergen treibt. Zwischen -Busch und Stein formt sich wieder Hufspur, die durch Schluchten -hindurch langsam wieder abwärts führt zu jener Stufe oberhalb des -Cayuncotals. - -Eben oder nur in sanfter Wellung zieht sich die Terrasse Leguas weit. -Herrenloses Land, unnützes Land, trocken und dürr. Wer hier Wasser -hinbrächte, wer hier Weide und Acker erschlösse, nahrungspendend für -Tausende! - -Vor dem Reiter flüchtende Schaf- und Ziegenherden künden die ersten -Spuren menschlicher Siedelung. Es sind Indianerpuestos unten am Fluß -zwischen Pappeln und Weiden. - -Der Weg führt plötzlich steil und rasch abwärts. Der Fluß rückt dicht -heran. Jetzt trennt nur mehr ein steil abfallender Hang den Pfad von -seinem blauen Spiegel. - -[Illustration: Hörige Indianerinnen im Cocal.] - -[Illustration: Weg im Fluß.] - -[Illustration: Prähistorische Mumien vom Andenhochland.] - -[Illustration: Bolivianischer Friedhof.] - -Der Weg scheint zu Ende. Die Hänge, die voll von Papageienlöchern sind, -lösen Felsen ab, die dicht an den Fluß heranrücken. Zwischen Wasser und -Stein bleibt kaum so viel Platz, daß das Pferd vorsichtig tastend seine -Hufe setzen kann. - -Auf einer Sandbank am Fluß endet der Weg. Kristallklar strömt -die Flut. Durstig trinken Mensch und Tier. Hinter dem über den -Wasserspiegel Gebeugten knirscht der Kies. Ein Mensch ist aus den -Felsen herausgetreten, sonngebräunt, verwildert, mit langem Bart und -Haar. Einen mächtigen Kasten und ein Stativ hält er in den Händen. Weiß -Gott, ein Nivellierapparat! -- Es ist ein Vermessungsingenieur. Seit -Wochen haust er hier in menschenfernster Einsamkeit, häuft meterhohe -Steinpyramiden zu trigonometrischen Punkten und mißt das Land, das -selbst auf den neuesten Regierungskarten nur eine weiße Fläche ist. - -Er führt mich zu dem Indianerpuesto, wo er ißt und schläft. Hier -kredenzt die braunhäutige Señorita den Mate, den in Argentinien -üblichen Paraguaytee. Neben dem alten Indianer, der nicht lesen noch -schreiben kann, der nichts kennt als seine Pferde und Schafe, sitzt als -Gast und Hausgenosse der akademisch gebildete deutsche Ingenieur und -ehemals königlich preußische Staatsbeamte, benutzt zum Trinken dieselbe -Bombilla, das Röhrchen mit einem Sieb am untern Ende, und spricht mit -dem Indio als Caballero zum Caballero. Der in Europa so ganz andere -Verhältnisse gewöhnte Fremde muß immer wieder über die natürliche, -kavaliermäßige Sicherheit staunen, mit der sich auch der einfachste -Ureinwohner dieses Landes bewegt, und über das über alle sozialen -Unterschiede hinwegleitende chevalereske Verhältnis gegenseitiger -Höflichkeit und Achtung zwischen Patron und Peon. - -Wie ich die beiden nebeneinander sitzen sehe, steigt mir eine -Zukunftsvision dieses Staates auf, in dem sich aus den größten -Gegensätzen des Klimas, des Bodens und der Menschen langsam und fast -unmerklich ein neues Land und eine neue Rasse formen. - - - - -Chile - -[Illustration] - - - - -22. Über die Kordillere. - - Los Andes. - - -Von Neuquen führen zwei Wege über die Kordillere der Anden nach Chile, -der eine über San Carlos Barriloche und den Nahuel-Huapi-See, der -andere über San Martin de los Andes, der erstere im Auto, letzterer nur -zu Pferd oder Maultier benutzbar. So groß auch die Lockung war, über -die Schneeberge zu reiten, die ich täglich vor mir sah, so entschloß -ich mich doch, nach Buenos Aires zurückzufahren, um den ersten und -Hauptverkehrsweg zwischen Argentinien und Chile zu benützen und über -den Uspallatapaß mit der transandinen Bahn zuerst nach der Hauptstadt -der chilenischen Republik zu fahren. - -Vierundzwanzigstündige Schnellzugsfahrt bringt nochmals durch die -seit Monaten wohlbekannte argentinische Landschaft. Pampa, flache, -endlos weite unbegrenzte Ebene. Aber je mehr sich mit Tagesgrauen der -Zug der Wein- und Obstzone von Mendoza nähert, desto mehr ändert sich -der Charakter der Landschaft. Die Eindrücke vom Rio Negro und Neuquen -wiederholen sich. Erst spärlich aufmarschierende Pappelreihen, die -ersten Anzeichen künstlicher Bewässerung, dann dichter und dichter -werdend Wein, Obstgärten und Alfalfafelder. - -Mendoza ist das Zentrum des ältesten Wein- und Fruchtgebietes des -Landes, eine friedliche Stadt; gepflasterte Straßen, Baumreihen und -Häuschen, umrankt von Trauben. Hier wechselt die Spurweite, und die -schmalspurige Andenbahn beginnt. - -Von der Landschaft des Rio Negro kommt man in die des Neuquen. Die -Kulturen verlieren sich zwischen Sand und Stein, die Berge, die als -großartiges Panorama den Horizont säumten, rücken heran. Die Schienen -gleiten in Flußtal und Schlucht hinein. Unten rauscht der Mendoza. Hie -und da ist noch ein Kanal für die eine oder andere kleine Estancia mit -wenigen Alfalfafeldern abgezweigt. Dann hört auch das auf. Die letzten -Büsche verschwinden; kein Halm, kein Strauch, keine noch so dürre, -bedürfnislose Distel. Nichts als Stein, nackter Fels; nur wo dem kahlen -Stein die heißen Quellen entspringen, bei Cacheuta, inmitten ödester -Felseinsamkeit mondänstes Leben. - -Bald saust der Zug um scharfe Kurven. Täler verengen und weiten sich. -Graues, schieferartig übereinandergeschobenes Gestein wird heller und -rötet sich zu Sandsteinfarbe. Das letzte Grün verhaucht zwischen den -Schluchten. Neue Felsen, neue öde, grandios einsame Steinhalden. Die -Sonne brennt in den Steinkessel, die Bläue des Himmels vertieft sich. -Im Zug wird es stiller und stiller. Tiefleuchtende Augen sehen voll -stummer Andacht in diese Welt, so unbelebt, so unberührt. Hier ist -Gottes ureigenstes Gebiet. - -Nur das heisere Schnaufen des Zuges und der gellende Sirenenschrei der -Lokomotive durchbrechen die Stille. Weiter und weiter. Als ginge es in -steinernen Urwald hinein, in ein vormenschliches Zeitalter, mit einem -Häuflein Menschen in hochmodernen Wagen. - -Noch stummer, noch unbeweglicher, noch mahnender stehen die Felsen. Ein -Grauen packt uns vor dieser Einsamkeit. Wer ist stärker, sie oder wir? -Stumm stehen die Felsen. Kein Laut löst die Enge. Drei, vier Felsen, -wie in Verzweiflung gerungene Hände, dicht aneinander und übereinander -wachsend, dann wieder ein einziger großer Stein, ein mächtiger Koloß, -ruhend, stark wie ein Gott, der die paar Menschen an sich herankommen -läßt. Als der Zug, bei steilerem Anstieg wieder einmal in die -Zahnradkette eingeschnappt, langsam keuchte, war einer ausgestiegen, -der dann, als die Lokomotive plötzlich wieder anzog, nicht rasch genug -wieder aufspringen konnte. Es gab ein verzweifeltes Rennen, bis der -Zugführer verständigt war und stoppte. Auf den Zügen des italienischen -Auswanderers malte sich das Grauen, als er uns wieder erreichte. - -Scharf geht die Bahnlinie den Fels an. Steil wird die Trasse und -gefährlich. Bald, in wenigen Wochen, in Tagen vielleicht werden -zwischen jenen Felsblöcken die ersten Schneelawinen hinunterrollen. Der -Mensch hat Schutzdächer gebaut, um seine Bahn zu schützen. Wie in einen -Schlund tauchen wir unter das erste. Oder haben sie den Zweck, die -Augen vor der immer großartiger werdenden Schönheit zu schützen? Wenn -ein Schutzdach aufhört, sieht man verwirrt in die flimmernden Lichter. -Die Sonne hat ihren Zenit überschritten. Regenbogenlichter spielen auf -dem Fels. Dahinter die weißen Kuppen der Schneeberge und der bläuliche -Schimmer von Gletschern. Wo sie herunterkommen, verändern sie den Fels. -Rillen werden gewaschen, Blöcke verschoben. Man ahnt, daß auch hier -Kämpfe spielen, der ewig währende, uralte Kampf zwischen Wasser und -Stein. - -Puente del Inca ist der letzte Punkt, bis zu dem die Zivilisation -hochgedrungen. Dann stört nichts mehr die grandiose Monotonie der -Berge. Nur der Schienenstrang, den der Mensch als Fessel über den -Berg gelegt, verbindet menschliches Leben diesseits und jenseits der -Kordillere. Wir sind jetzt in über dreitausend Meter Höhe. Das Blut -pocht in den Schläfen. Der Kopf wird schwer von Wirrnis. - -Aber als der Zug aus dem langen Tunnel heraustritt, der unter -der Paßhöhe der Cumbre durchgestoßen, verwehen alle Spuren der -Bergkrankheit. Nichts als restloses Aufgehen in dieser hinreißenden -Schönheit des Landes. Der Fels fängt an zu opalisieren. Phantastisch -bunte, lichte Farben legen sich über die Hänge: blau, wie Kobalt, -rosenrot, violett, vom zartesten Grün bis zum intensivsten Giftton, -Indigo, Purpur. Wie Pastellmalerei, zart und fein, spinnt sich das Bild -der Farben über den Stein. - -Von der Plattform des letzten Wagens ist es ein einsames Schauen, -als schwebe man in unendlicher Einsamkeit den Fels hinan. Tiefste -Frömmigkeit, wie nur die unmittelbare Todesnot der Schlacht sie -brachte, füllt das Herz. Wenn man hier auf diese Höhe Menschen brächte, -ihnen Nahrung erschließen könnte aus dem toten Stein, welch Geschlecht -müßte hier erwachsen! Ein Geschlecht, das, in unmittelbarer Nähe des -Schöpfers aufgewachsen, in seinem Herzen die starke, reine Flamme -läutern müßte, die Flamme, die, hinuntergetragen in das dunstige, -schlammige Tal, den Frieden bringen müßte den Menschen und Völkern, die -heute einander töten, vernichten, vergiften, die wie Reptilien in eklem -Pfuhl ineinander verschlungen und verbissen liegen. - -Vorbei -- ein neues Schutzdach blendet die Augen. Aber durch die -viereckigen Löcher in seiner Decke fällt in dicken Streifen die Sonne -herein. Wie Lichtpfeiler geleiten sie den Zug, und es ist, als arbeite -sich die Maschine an ihrer Lichtspur aufwärts. - - - - -23. Das Paradies am Pazifik. - - Santiago de Chile. - - -Ist es infolge der monatelangen Gewöhnung an die grenzenlose -Eintönigkeit der Pampa, oder steht das Herz noch unter dem bangen -Eindruck der steinernen Göttlichkeit der Kordillere, daß einen beim -Hineingleiten in die chilenische Landschaft dies grünende, blühende, -früchtetragende Land umfängt wie ein betörend schöner Traum? - -Kaum daß der Zug den Tunnel unter der Höhe der Cumbre passiert hat und -in rasend raschen Windungen auf 2000 Meter Höhe hinuntergeeilt ist, -vorbei an dem indigoblauen Inkasee, dessen Tiefe noch niemand gelotet -hat, kriecht bereits das erste Grün die Steinhänge hinan und weiden -längs des sich aus Schmelzwasser bildenden Flusses Pferde und Rinder. - -Auf das Grün folgt Kaktus in unheimlich fleischigen, dicken, -übermannshohen Stämmen, pfeilgerade ohne Knollen, Früchte und -Blätter zwischen dem Fels emportreibend, dann Felder, Gärten, Bäume, -richtige schattenspendende Bäume, wie Argentinien sie kaum kennt, -die Stationshäuschen von Veranden umgeben, blumenumrankt, und vor -ihnen aufmarschiert in endloser Reihe ein Tisch neben dem andern, -reichbeladen mit Früchten, Trauben, weiß, blau und rot, Äpfel, Birnen, -eine Fülle fremder, absonderlicher Früchte, die der Reisende aus Europa -noch nie gesehen. - -Und der Eindruck eines paradiesisch schönen, phantastisch reichen -Landes bleibt, mag man mit dem Zug weiter nach Westen über Santiago -nach Valparaiso oder nach Süden nach Talca oder gen Norden nach Serena -fahren. Er bleibt auch, wenn das in allen Farben brennende Herbstlaub -von den Bäumen fällt und halbmeterhoch mit Blattgold die Wege deckt. -Überzieht sich auch den einen oder andern Tag der Himmel und strömt -wolkenbruchartig der Winterregen, die lehmigen Straßen in Gießbäche -verwandelnd, so heben sich am nächsten Tag von der intensiven Bläue -des Himmels traumhaft schön in blendender Weiße die bis tief hinab mit -Schnee bedeckten Hänge der Kordillere ab. An ihrem Fuß aber wandelt man -in strahlend warmer Sonne durch Gärten, in denen Rosen blühen, und aus -deren dunklem Grün der satte Goldton reifer Orangen leuchtet. - -Diese Gärten um Santiago! Kein Baum, kein Strauch, keine Pflanze der -Welt scheint in ihnen zu fehlen. Von Kiefern, Pinien und Zedern, von -den Eichen und Buchen unserer deutschen Heimat bis zu Palmen und -Feigenbäumen voll reifer Früchte, bis zu Mandelbäumen und Paltas, -deren Frucht mit Pfeffer und Salz aufgetischt im Herbst bei keiner -chilenischen Mahlzeit fehlt. - -Die Früchte aber, für die das milde Klima Mittelchiles zu warm ist, wie -Äpfel und Birnen, kommen aus dem kälteren Süden, während der Norden -subtropische und tropische Früchte liefert. Darum fehlt auf dem Markt -von Santiago vielleicht keine Frucht und kein Gemüse der Welt. Dazu -kommt über Valparaiso die ganze phantastische Tier- und Pflanzenwelt -des Meeres, außer Fischen jeder Art Krebse, Hummern und Langusten, -kreisrunde, tellergroße Taschenkrebse, eßbare Algen, stachelige -Seeigel, Austern und Pfahlmuscheln. - -In noch weiterem Maße als Argentinien erstreckt sich Chile durch -alle Klimate und Zonen. Nicht nur, daß es sich nach dem Norden um -mehr als vier Breitengrade, etwa 500 Kilometer, weiter dehnt als die -Nachbarrepublik, die langgestreckte Enge des Landes bewirkt auch, daß -jeder Punkt zu Lande wie zu Wasser rasch erreicht werden kann. So kann -man in wenigen Tagen Bahnfahrt von dem völlig regenlosen Norden über -das Zentrum mit seinem Mittelmeerklima in den Süden kommen, wo es, wie -der Argentinier boshaft sagt, „13 Monate im Jahr“ regnet. - -Mittelchile kennt nur Winterregen. Infolgedessen ist Landwirtschaft -im allgemeinen nur mit künstlicher Bewässerung möglich. Aber anders -als in der argentinischen Bewässerungszone, wo die Kanäle und Acequias -das flache Land in planmäßige, langweilige Quadrate teilen, ziehen -sich hier die wasserführenden Gräben an den Hängen der Berge entlang, -und von ihnen dehnen sich abwärts malerisch wuchernde Gärten und -Felder, mit Bäumen und Hecken umstanden, zwischen denen blühende -Schlinggewächse ranken. - -Es ist wohl das Schicksal von Paradiesen, daß sie stets den Wenigen -vorbehalten bleiben. So ist auch Mittelchile, das Millionen sorgenlose -Nahrung geben könnte, Sitz und Besitz weniger Großgrundbesitzer, -die ihre „~fundos~“ mit teilweise noch halbleibeigenen Inquilinos -bewirtschaften. - -Während im argentinischen Bewässerungsland Wasser ein kostbares -Element ist, bei dem mit jedem Tropfen gespart werden muß, strömt -in Chile überall überreich das Wasser von der Kordillere, so daß -hier die Anlage von Bewässerungskanälen im allgemeinen einfacher -und billiger ist. Trotzdem ist noch ein großer Teil des Wassers für -Landwirtschaftszwecke ungenützt, ebenso seine natürliche Kraft. Ein -einziger Fall des Aconcagua, der Salto del Soldado, würde genügen, die -ganze Andenbahn elektrisch zu betreiben. Bei der wachsenden Kohlennot -der Welt liegen hier noch große Möglichkeiten. Chile hat auch das vor -Argentinien voraus, daß es in seinen Kohlenfeldern bei Concepcion über -reiche Schätze verfügt, und lediglich die in letzter Zeit häufigeren -Streiks bewirkten den gefährlichen Kohlenmangel, der den größten Teil -des Bahnverkehrs lahmlegte und jetzt auch die Industrie mit Stillstand -bedroht. - - - - -24. Chilenische Präsidentenwahl. - - Santiago de Chile. - - -Die Santiago einkesselnden Felsen, die sonst in matten Farben von dem -abgetönten Gelb und Braun des Morgens bis zu dem rosigen, dann satten -und schließlich flammenden Rot des Sonnenunterganges leuchten, glühen -und brennen, sind über Nacht weiß geworden. Fast bis ins Tal hinunter -ist der Schnee gekommen, der sonst nur auf den fernen Gipfeln blinkt. -Unten aber in den reichen Quintas rings um die Stadt flammen im Grün -die Goldorangen, und an strahlend klaren Tagen nimmt es diese Stadt an -Schönheit mit der gelobtesten Landschaft Italiens auf. - -Aber bald ziehen sich die Wolkenschleier vor. Es regnet und regnet. -Oben in der Kordillere fällt dichter und immer dichter der Schnee. Die -Nervosität jener, die noch rasch, ehe der Winter voll einsetzt, über -die Anden wollen, steigt; ängstlich wird die Zeitung durchflogen, ob -vielleicht schon die peinliche Nachricht drin steht: „Die Kordillere -ist zu, aber man hofft, sie wieder freizubekommen“ -- eine Hoffnung, -die nur zu oft täuscht. - -Meere verbinden, Berge scheiden! Nie wird einem das Wort klarer, als -wenn man von Europa über Atlantik, Pampa und Kordillere in die zwischen -Pazifik und Anden eingeklemmte Republik reist. Zwischen Amsterdam -und Buenos Aires ist die Ähnlichkeit vielleicht größer als zwischen -letzterem und Santiago. Und der Unterschied zwischen Chilenen und -Argentinier, die doch beide aus dem gleichen Blute stammen -- auch -der indianische Einschlag in Argentinien geht ja auf die chilenischen -Araukaner zurück --, fällt selbst dem ungeschulten Auge des Fremden auf. - -Roosevelt nannte Chile das schönste Land der Welt. Man möchte es -auch das gesegnetste nennen, und es möchte mir wohl wahrscheinlicher -scheinen, daß das verlorengegangene Paradies unter dem milden, blauen -Himmel Mittelchiles lag als in den heute trockenen und dürren Feldern -Mesopotamiens. Wenn irgendwo in der ins Wanken geratenen Welt, so -könnte man in Chile ein befriedetes, glückliches Volk erwarten. Statt -dessen Volk und Land erschüttert von allen Fiebern politischer und -sozialer Erregung. In diesem Land, das so reich ist, daß in einzelnen -seiner Teile Massen von Korn, Kartoffeln und Früchten verderben, steigt -in andern Teilen die Not von Tag zu Tag. In Santiago übertrifft die -Teuerung des Lebens bereits die von Buenos Aires. - -Und die gleichen Wetterzeichen, die der Fremde von Europa her gewöhnt -ist: auch hier Streik und immer wieder Streik. Monatelang setzt die -Arbeit in den Schächten von Concepcion aus, und immer rarer wird die -Kohle. Erinnerung an das Zentraleuropa des Krieges und der Revolution: -die Züge fahren immer unregelmäßiger, immer größer werden die -Verspätungen. Zug auf Zug wird eingestellt. Schon geht seit Monatsfrist -die nach dem Norden führende Bahn nicht mehr. Bis Serena wird von -Santiago aus der Verkehr nur mühsam aufrechterhalten. Doch auch hier -droht völlige Stockung. Aus der Provinz Atacama kommt die Nachricht, -die Nordprovinzen verhungern, weil wegen Kohlenmangel die Stichbahnen -stilliegen, die von den Küstenstädtchen Caldera, Carrizal und Huasco -ins Innere führen. Im Süden aber verfaulen Berge von Kartoffeln. - -Das ist der Boden, auf dem politische Erregung zur Siedehitze erglüht. -Das große Pendel der Wahlbewegung hat zu schwingen begonnen, und -alles, was an politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wünschen -und Hoffnungen im Lande lebt, wird mit hineingerissen in diese eine -Bewegung, von deren Ausgang jede Partei alles hofft und alles fürchtet. - -Um die Pole, Barros Borgoño und Arturo Alessandri, hat das ganze Leben -der chilenischen Republik zu kreisen begonnen. Als ich in den Märztagen -des Jahres 1920 nach Chile kam, da sprach man in den Kreisen, die sehr -viel Geld und sehr viel Einfluß haben, von Arturo Alessandri nur als -von dem „Bolschewisten“ und „Maximalisten“. Man hielt seine Aussicht, -von der Konvention der Allianza als Präsidentschaftskandidat nominiert -zu werden, für recht gering. Als er doch überraschenderweise mit großer -Stimmenmehrheit aufgestellt wurde, da meinte man in denselben Kreisen, -das sei der dümmste Streich, den die Allianza Liberal hätte tun -können; denn jetzt sei die Wahl des Kandidaten der Union Nacional mit -Unterstützung der Konservativen sicher. Heute haben viele der gleichen -Leute sich bereits mit Arturo Alessandri abgefunden, und die ganze -Beurteilung dieses Mannes erinnert etwas an die Tonart der Pariser -Blätter nach der Wiederkehr Napoleons von Elba. Als sein Schiff in den -Hafen von Marseille einlief, schrieb die Pariser Presse: „Der Werwolf -und Tyrann, Napoleon Bonaparte, ist in Frankreich gelandet.“ Langsam -milderte sich dann der Ton, bis es kurz darauf hieß: „Unser geliebter, -gefeierter Kaiser ist an der Spitze seiner Truppen in seine treue -Hauptstadt eingezogen.“ - -Wird Arturo Alessandri ein ähnliches Schicksal haben? Der Fremde, der -in die Politik des Landes nicht eingeweiht ist, vermag nur zu vermuten. -Man sagt ihm, Überraschungen bei der Wahl seien das Gewöhnliche. Erst -in den letzten Tagen, bevor die Wähler zur Urne schreiten, beginne das -Geld und der Stimmenkauf seine Rolle zu spielen. - -Aber andrerseits sieht, wer die politischen und sozialen -Erschütterungen Europas leidend und handelnd miterlebte, in manchem -auch klarer. Fast erschütternd war in Santiago die Ähnlichkeit mit -Berlin, als kurz nach meiner Ankunft der vierundzwanzigstündige -Generalstreik als Demonstration gegen die Verhaftung des radikalen -sozialistischen Studentenführers Gandolfo einsetzte. - -Ich war noch völlig fremd, hatte noch keine Zeitung gelesen, wußte -nicht, um was es sich handelte. Aber das hastige Schließen von -eisernen Rolläden der Geschäfte um die Mittagszeit, diese so plötzlich -überfüllten Straßenbahnen und die nervöse, unruhige Eile, die mit -einem Male das ganze Getriebe der Stadt ergriffen hatte, erinnerte -erschreckend an so manche Tage in Berlin, wenn plötzlich das Gerücht -des Generalstreiks auftauchte und man hastete, noch vor dem letzten -Stadtbahnzug die weit im Vorort gelegene Wohnung zu erreichen. - -Unter südamerikanischer Sonne glühen die politischen Leidenschaften -heißer. Aber es fehlt andrerseits der günstige Boden für -gewaltsame Erschütterungen, den Krieg und Hunger in den Seelen der -mitteleuropäischen Völker bereitete. So muß man hoffen, daß jene recht -behalten, die Unruhe und Umsturz für ausgeschlossen halten. Aber man -darf doch nicht vergessen, daß die chilenische Präsidentenwahl des -Jahres 1920 die erste politische Wahl ist, die einen sozialen Charakter -hat. - -[Illustration: Allerseelen auf dem Friedhof.] - -[Illustration: Indianische Wasserträgerin.] - -[Illustration: Musikanten in Copacabana.] - -[Illustration: Indianertanz.] - -Und noch eines, das man bei all der berechtigten Furcht vor -maximalistischer Agitation nicht vergessen sollte: Maximalismus in -russischem Sinn gedeiht nur, wo Not und Hunger herrschen. Geschieht in -dieser Hinsicht alles, dieses Gespenst zu bannen? Dieser Tage kam ich -mit einem reichen Getreidespekulanten ins Gespräch, und wir sprachen -auch über Maximalismus. Er meinte: „Die eigentlichen Maximalisten -sind wir. Mit 20 und 30 Peso die Tonne Weizen ist uns nicht gedient. -Wir wollen 40, 50, 60. +Wir+ sind Maximalisten. Wir wollen immer das -Maximum.“ Er hielt es für einen Witz und lachte und war sich der -bitteren Wahrheit, die er sprach, nicht bewußt. - - - - -25. Chiles deutscher Süden. - - Temuco. - - -Sollte es möglich sein, Menschen wochenlang in tiefen Schlaf zu -versenken und sie in diesem Zustand über den Ozean zu bringen, sie -würden, in einer der Städte Südchiles erweckt, darauf schwören, -Deutschland nie verlassen zu haben. Die viereckige grüne Plaza ist wohl -etwas fremdartig, aber die Häuser ringsherum sind rein deutsch; alles -ist peinlich sauber, frisch gestrichen, mit blühenden Blumen, in Läden -wie in Gasthäusern deutsche Laute, deutsche Kirche, und über der Schule -sogar die Inschrift: „Vergiß nicht, daß du ein Deutscher bist.“ - -Die heute blühendsten Provinzen des Landes, Valdivia, Llanquihue -und der Süden von Cautin, sind das Werk deutscher Kolonisation. Vor -zwei Menschenaltern begann südlich des Biobioflusses die Frontera, -die Grenze, jenseits der das Gebiet der nur nominell unterworfenen -Araukaner lag. Im Jahre 1850 kamen hierher, wo heute die blühende, -reiche, fast rein deutsche Stadt Valdivia liegt, die ersten dreihundert -Deutschen; weitere folgten, die an den Llanquihuesee und nach Puerto -Montt zogen. - -Die Nachkommen jener ersten Siedler sind heute zum großen Teil -Millionäre -- in Peso, nicht in Mark --, aber das Leben ihrer -Großväter und teilweise noch ihrer Väter muß nach allen Erzählungen, -die man hört, unsäglich hart und entbehrungsreich gewesen sein, wie -es überhaupt das Schicksal aller Kolonisten zu sein scheint, daß die -Früchte erst Kinder und Enkel erben. - -Noch heute ist ein großer Teil der Provinzen Valdivia und Llanquihue -Urwald, und eine neue deutsche Kolonie in diesem abgelegenen Gebiet -würde mit ähnlichen, wenn auch nicht so großen Schwierigkeiten zu -rechnen haben, wie jene ersten deutschen Kolonisten vor siebzig Jahren. -Das Land, das in Kultur genommen werden soll, ist undurchdringlicher -Urwald. Darum ist die erste Arbeit des Siedlers nach der Vermessung die -Herstellung eines Pfades, auf dem er in mühseligem, meist stundenweitem -Marsch im Winter auf unergründlichen, schlammigen Wegen -- denn dann -regnet es wolkenbruchartig Tag für Tag -- sich seine Arbeitsgeräte und -die Nahrung für sich und seine Familie heranschaffen muß. - -Dann geht es an die Arbeit des Holzfällens, die der Ungeübte, Fremde, -ohne Hilfe einheimischer Peone, meist Chiloten von der Insel Chiloé, -kaum bewerkstelligen kann. Aus den Erinnerungen der ersten Ansiedler -ist einiges erhalten. Eine jener alten Ansiedlerfrauen, die als Kind -in den Urwald kam, berichtet, wie sie im Sommer ankamen und wie Vater, -Mutter und ältere Geschwister vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung -sich mit dem Fällen der Baumriesen mühten. Und als dann der Frühling -seinen Abschied nahm, da war das Stücken Lichtung, an dem so unendliche -Arbeit hing, noch jämmerlich klein. - -Ist diese erste Lichtung geschaffen, so wird das übermannshohe Gewirr -von Stämmen, Ästen und Blättern angezündet, sobald die Sonne des -Sommers das Laub gedörrt hat. Allein so eisenhart und fest sind die -Stämme, daß nur Blätter und Zweige verbrennen und selbst die dürren -Äste kaum ankohlen. So müssen Stämme und Äste mit der Axt durchhauen, -aufgeschichtet und neuerdings angezündet werden. Die größten Stämme -bleiben liegen, oder man läßt sie überhaupt stehen. Noch heute sieht -man im Süden überall, selbst an der Bahnstrecke, Felder, zwischen denen -hohe, abgestorbene oder angekohlte Baumstämme in die Luft ragen. - -Teilweise sind es ganze lichte Wälder solcher kahler Stämme, zwischen -denen das Korn wächst, und im ersten Augenblick wähnt man, man führe -durch jene Gegenden Frankreichs, in denen der Regen des beiderseitigen -Trommelfeuers die Wälder getötet. - -Zwischen den Stöcken und Stämmen wird der erste Weizen in den mit der -Hacke aufgeritzten Urwaldboden gestreut. So wird Jahr für Jahr ein -immer größeres Stück unter Kultur genommen, bis langsam nicht nur der -eigene Bedarf für den Lebensunterhalt, sondern auch ein verkaufsfähiger -Überschuß erzeugt wird. - -Einfacher ist die Haltung des Viehs; dieses wird in den Wald -getrieben, wo es sich die Nahrung selbst sucht. Auch die Wohn- und -Arbeitsverhältnisse sind denkbar einfach. Als Wohnung dient ein -Bretterhaus, als Fortbewegungsmittel die Carreta, ein primitiver -zweirädriger Karren, dessen Räder häufig einfach zwei Scheiben -Baumstamm sind. Das Zugtier ist überall der Ochse, der die Carreta -mittels eines Joches primitivster Art zieht, von dem Treiber mit dem -gestachelten Stab des klassischen Altertums gelenkt. - - - - -26. Llanquihue und Magallanes. - - Valparaiso. - - -Das Herz Chiles ist sein Längstal, das sich zwischen Hochkordillere und -Küstenkordillere von Nord nach Süd erstreckt. Hier ist seine Korn- und -Fruchtkammer, hier führt der Hauptverbindungsweg, hier liegen seine -reichsten Städte. - -Bei Puerto Montt hört dieses Tal auf. Hier ist das Meer hereingebrochen -und hat das Tal unter Wasser gesetzt. Die Küstenkordillere hat es in -eine Reihe von Inseln zerlegt, während die Hänge der Hochkordillere -statt auf das fruchtbare Tal zu münden, jetzt von den vielen Golfen und -Kanälen genetzt werden, die sich zwischen Inseln und Festland hinziehen. - -Hier bei Puerto Montt endigt für den Durchschnittschilenen sein Land. -Früher war dies an der Frontera der Fall, bis die deutschen Einwanderer -die Grenze des Kultur- und Machtbezirkes Chiles um einige hundert -Kilometer nach Süden verschoben. - -Chiloé, die nördlichste und größte der dem Festland vorgelagerten -Inseln, ist noch bekannt. Hier führt eine Bahn von Ancud bis Castro, -und vor einer Reihe von Jahren versuchte die Regierung auf Grund eines -großangelegten Kolonisationsplanes die Insel zu kolonisieren. Trotz -der guten Erfahrungen, die mit der deutschen Einwanderung gemacht -waren, fürchtete man doch das allzu starke Überwiegen einer fremden -Nationalität in geschlossener Siedelung und siedelte deshalb auf -Chiloé Deutsche, Engländer, Franzosen und Holländer durcheinander an, -möglichst fremdartige Nationen einander benachbart. Der Erfolg war, daß -die meisten der Kolonisten, die sich gegenseitig weder verstanden noch -helfen konnten, wieder abwanderten. Nur ein paar Deutsche und Holländer -blieben. - -Berühmt ist Chiloé wegen seiner Kartoffeln. Aber man klagt über die -geringe Verwertungsmöglichkeit infolge der hohen Frachten. - -Auf dem gegenüberliegenden Festland aber hört tatsächlich die Welt auf. -Man sagt sich verstandesmäßig, daß die Täler dieses Gebietes wenigstens -in ihrem nördlichen Teile von den blühenden Kolonien am Llanquihue -nicht so sehr verschieden sein können und die gleichen Siedlungen, -die gleichen Kolonisations- und ackerbaulichen Möglichkeiten bieten -müssen, und daß auch in dem weiter südlich gelegenen Gebiet des -Territoriums Magallanes, das klimatisch und landschaftlich norwegischen -Fjords gleicht, infolge seines Holz- und Fischreichtums sich große -Möglichkeiten eröffnen müssen. - -Bei meinem ersten Besuch auf dem Kolonisations- und Einwanderungsamt -in Santiago erkundigte ich mich sofort nach Plänen und Angaben über -dieses Gebiet. Pläne gab es nicht, und im übrigen bekam ich die -verblüffende Antwort: „~sirve para nada~“ (das hat überhaupt keinen -Wert). - -Die fraglichen Gebiete sind durchweg mit altem Hochwald bestanden, zum -Teil mit dem wertvollen Holz der Alerce, eines in Chile einheimischen -Nadelbaums. Die Golfe, Kanäle und Flüsse sind ebenso reich an Fischen -wie an Choros, den Seemuscheln, die überall in Chile gern gegessen und -hochbezahlt werden. Auch die Möglichkeiten für Ackerbau und Viehzucht -können nicht ganz von der Hand gewiesen werden. - -Aber in gewissem Sinne hatte der Beamte doch recht. Das Land ist -wertlos, wenn auch nur gegenwärtig, und zwar um der verwickelten -Besitzverhältnisse willen, die dort unten herrschen. Ich erlebte in der -Folge bald selbst ein schlagendes Beispiel dafür. - -Auf Grund eines Interviews, das in der größten chilenischen Zeitung, -dem „Mercurio“, stand, in dem auch die Rede war von meiner Aufgabe, -die Kolonisationsmöglichkeiten zu studieren, erhielt ich eine ganze -Reihe von Antworten und Zuschriften. Einer derselben, die ganz -besonders verlockend erschien, ging ich nach. Es handelte sich um -eine ganze Halbinsel gegenüber Chiloé in der Größe von 50000 Hektar. -Der Kaufpreis schwankte zwischen 5 und 30 Peso der Hektar. Der -Besitztitel, ein ganzes Buch mit einem Vermögen von Stempeln darauf, -war ordnungsmäßig ausgefertigt. Als ich jedoch die Unterlagen mit -einem Regierungsingenieur, der die Gegend genau kannte, überprüfte, -stellte sich heraus, daß dieses Land zwei Besitzer hatte, die beide -ordnungsgemäße Titel in Händen hatten. Ein neuer Käufer müßte sich also -zum mindesten mit den beiden bisherigen Besitzern auseinandersetzen, -wobei keineswegs ausgeschlossen wäre, daß mit der Zeit nicht noch -weitere Besitzer auftauchten. - -So kam ich dazu, mich mit der Frage der Besitztitel in Südchile näher -zu befassen. Hier liegen die Verhältnisse besonders verwickelt. Wer, -sei es von der Regierung, sei es von Privaten, Land kauft, dessen Titel -nicht ganz einwandfrei und siebenmalsiebenmal geprüft sind, riskiert -einen Rattenkönig von Prozessen mit einem Dutzend plötzlich neu -aufgetauchter Besitzer, die alle Rechte auf sein Land geltend machen. - -Die Eigentumsrechte an diesen Ländereien gehen zum großen Teil noch -auf Konzessionen zurück, die zur Zeit der spanischen Herrschaft an -verdiente Feldherren und Soldaten verliehen wurden. Von den Nachkommen -wurden Teile dieser Gerechtsame weitergegeben, verschenkt, verkauft -und so fort, so daß heute mancher Komplex Dutzende und Hunderte -von Besitzern hat. Um solches Land kaufen zu können, muß es erst -„bereinigt“ werden. Zu diesem Zweck muß ein „Stammbaum“ angelegt -werden, der von der ersten Konzession ausgehend alle weiteren Erben, -Käufer und Besitzer feststellt. Mit allen diesen muß man sich mittels -Abfindung auseinandersetzen, wenn man einen einwandfreien Besitztitel -haben will, und selbst dann ist die Möglichkeit weiterer Komplikation -nicht ganz ausgeschlossen, wenn nicht genaue Kenner der einschlägigen -Verhältnisse die Bereinigung und den Kauf ausführen. - -Vor dem noch unerschlossenen Land im Süden Argentiniens hat das Land -südlich von Puerto Montt den Vorteil, daß es durch Abholzung seiner -wertvollen Wälder sofort Gewinne ermöglicht, die unter günstigen -Verhältnissen bereits in kurzer Zeit den Kaufpreis oder auch ein -Mehrfaches davon wieder hereinbringen. Erforderlich wäre freilich -eine Gesellschaft mit großem Kapital, die Einwanderer herüberbringt, -Wälder abholzt und Werften anlegt, um dort eigene Schiffe zu bauen, -mit denen sie den Abtransport des Holzes und weiterhin Fischfang, -sowie den Transport der Ackerbau- und Viehprodukte aus den inzwischen -angesiedelten Kolonien in eigene Regie nimmt. In den Wäldern ist noch -verwildertes Vieh. Es sind Kohlenlager nachgewiesen. Die Anlage von -Fisch- und andern Seetierkonservenfabriken sind weitere Möglichkeiten. - -Natürlich lassen sich derartige Unternehmungen nur nach genauen und -eingehenden Untersuchungen, zu denen Expeditionen ausgesandt werden -müssen, ins Leben rufen. Aber die Möglichkeit wäre für die reichen -Deutschen Chiles hier wie in den Provinzen Llanquihue und Valdivia -unzweifelhaft gegeben, mittels einiger hunderttausend Peso ihren zur -Auswanderung gezwungenen Landsleuten zukunftsreiche Siedelungsgebiete -zu erschließen. Jetzt leben hier wie vor hundert Jahren nur wenige -armselige Indianer. Vielleicht allerdings auch nicht mehr lange; denn -auch hier sind bereits amerikanische Konzerne dabei, sich diese wie -Königreiche großen Ländereien zu sichern. - - - - -27. Copihue. - - ~Oh Copihue, oh Copihue, - En la paz de la selva dormida - Simbolizas la raza hecha flor.~ - - (Aus „~La Flor Nacional de Copihue~“.) - - Dampfer „Taltal“ im Pazifik. - - -Es sind andere Bäume und sie tragen andere Namen -- ~roble~, ~quila~, -~alerce~ --, die die dichten Wälder Südchiles bilden, aber oft könnte -man doch meinen, es sei deutsches Land, schwermütiger, träumerischer -deutscher Wald. - -In diesem Wald hängt fremdartig wie ein Märchen die Blume, die Chiles -Volk sich als Nationalblume erkor: die Copihue. In dichten Dolden -schlingt sie sich um die Äste und tropft in schweren roten Blüten -herab mit langen, schmalen, purpurnen Kelchen gleich Tropfen heißroten -Blutes, die langsam und schwer aus tödlich getroffenem Herzen sickern. - -War es die Erinnerung an die mit Blut geschriebene Eroberungsgeschichte -ihres Landes, welche die Chilenen diese Blume zur Lieblingsblume -wählen ließ? Oder ist sie dem Andenken des tapferen stolzen Volkes -geweiht, das den Spaniern den zähesten Widerstand in ganz Amerika -entgegenstellte, den sie erst nach unerhörtem Kampfe besiegen konnten, -eigentlich erst nachdem sie seine Kraft durch den Alkohol gebrochen, -und dessen Überreste jetzt einem tragischen Ende entgegengehen? - -Auf dem Marktplatz von Temuco sieht man die ersten Araukaner. In der -sonst so biederen, sauber blanken Stadt wirken die kleinen schwarzen -Gestalten wie ein Faschingsscherz. Der Mann im bunten Poncho, die Frau -mit Stirnbinde, Bänder in den straffen schwarzen Zöpfen, und die ganze -Bluse mit reichem Silberschmuck behängt. Es sind keine schönen Frauen -und Mädchen, aber sie haben märchenhaft kleine, schmale Hände und Füße. - -Auf dem Wege, der von Las Casas hereinführt, begegnet man ihnen in -langen Zügen, wie sie auf uralten Ochsenkarreten, mit Baumstammscheiben -als Rädern, ihr Gemüse und Korn nach der Stadt fahren. Oft der Mann -hoch zu Pferd, die Frau lastenbeladen, mit ihren kleinen Füßen im -Schlamm daneben trippelnd. In den Straßen von Santiago sieht man die -gleichen kleinen Hände, die gleichen Füße, die gleichen Züge, wie sie -der Mann auf dem Pferde hat. Fließt doch ein gut Teil araukanisches -Blut im heutigen chilenischen Volk, und es sind nicht die schlechtesten -Eigenschaften, die die Chilenen der araukanischen Blutmischung danken. - -Sie haben es ihnen schlecht vergolten. Die Araukaner, die eigentlich -nie ganz unterworfen waren, wurden mit List und Gewalt um ihren -Besitz gebracht. Es gab eine Zeit, wo es ein einträglicher Sport war, -Araukaner betrunken zu machen, um ihnen dann in der Trunkenheit um ein -Spottgeld ihr Land abzunehmen. Leider blieben auch die eingewanderten -Deutschen daran nicht unbeteiligt, und mancher deutschchilenische -Millionär in Osorno und Valdivia dankt solch unsauberem Landgeschäft -seiner Vorfahren Besitz und Stellung. - -Endlich besann sich die chilenische Regierung darauf, welch wertvolles -Volkselement sie in den Araukanern besaß. Es wurden Vormunde für -die Indianer eingesetzt und Geschäfte mit den Indianern ohne deren -Zustimmung für ungültig erklärt. Zu spät! Überdies kehrte man sich -vielfach nicht an die gesetzlichen Bestimmungen, und um für alle Fälle -sicher zu sein, überfiel man die Indianer und schlug sie einfach tot. -Die Rasse stirbt. - -Bayerische Kapuziner sind es, die sich ihrer Rettung gewidmet haben. -Draußen in Las Casas ist ihr Stammhaus. Schon sieht man ihre Spuren. -Die Straße, die bisher ausgefahren, voller Löcher, unergründlich war, -wird mit einem Male eben und glatt. Ein sauberer Zaun. Dahinter ein -Blumengarten, dann Kirche und Kloster. - -Ein Pater in wallendem Bart führt uns. Alles ist selbstgebaut, -gezimmert, gemauert, gepflanzt. Die Kirche, der geschnitzte Altar, -selbst die Orgel und ebenso Gemüsegarten, Bienenhaus und Stall. - -Die Indianermission der Kapuziner nimmt unentgeltlich so viele -Araukanerjungen auf, wie sie unterbringen kann. Sie lernen lesen, -schreiben und rechnen und sie lernen vor allem Spanisch. Der Unterricht -ist nicht einfach, denn keiner der Jungen kann etwas anderes als -Mapuche, die Sprache der Eingeborenen. Und es sind sonderbare Klassen; -denn neben Achtjährigen sitzen Achtzehnjährige auf der gleichen Bank. - -Neben dem Schulunterricht geht der Handfertigkeitsunterricht. Einer -der Fratres ist Tischler. Er hat eine große Werkstatt eingerichtet mit -Drehbank, Hobelmaschine und Bandsäge. Bis auf die Eisenteile alles -selbstgebaut. Sein Stolz ist ein deutscher Sauggasmotor, der die -Werkzeugmaschinen und daneben die Dynamomaschine für die Lichtanlage -treibt. - -Andere Knaben werden als Lehrer ausgebildet -- die Indianermission ist -weitverzweigt -- und in der untersten Klasse unterrichtet bereits ein -junger Araukaner. - -Die Patres sind voll Stolz, und sie können es auch sein, auf die -Kulturarbeit, die sie geleistet. Allein ich werde ein Gefühl drückender -Trauer nicht los. Die Klänge der „Copihue“, der Hymne auf die Blume, -die die sterbende araukanische Rasse verkörpert, wehen mir durch den -Sinn. - -In Santiago im Konzertsaal hörte ich sie. Der Komponist dieser echt -chilenischen Musik ist übrigens ein Deutscher, ein ehemaliger Hof- -und Kammersänger, der Commendatore Oberstetter von der Münchener und -Wiesbadener Oper. Der Krieg überraschte ihn in Brasilien. Er schlug -sich tapfer durch ganz Südamerika durch, überall deutsche Musik -hinbringend, und so hat er vielleicht besser deutsche Propaganda -gemacht, als manche vom Auswärtigen Amt betriebene war, die Unsummen -verschlang. - - ~Tu que sabes de sangre vertida, - Tu que viste la lucha potente.~ - - Die du weißt von vergossenem Blute, - Die du sahst den verzweifelten Kampf. - -Der hinreißende Marschrhythmus zuckt mir im Blut, wie ich dem jungen -Araukanerlehrer zum Abschied die Hand drücke. Auch in seinen Adern -brennt noch die Flamme, die seine Vorfahren gegen die spanischen -Feuerschlünde anreiten ließ. Uralte Rhythmen! Sangen sie nicht auch -uns im Blute, als wir bei Gorlice stürmten, als wir über die Berge am -Isonzo in Italien einbrachen, als die letzte tragische Schlacht in -Frankreich anhob? - -Künstliche Züchtung hat das ursprüngliche Blutrot der Copihue in -fleckenloses Weiß gewandelt -- die Reste der Araukaner haben ihren -Frieden mit den Eroberern gemacht. Die Überlebenden gehen langsam in -der Rasse des Siegers auf. Die Copihue der schweigenden Wälder weiß von -keinen furchtbaren Schlachten mehr zu erzählen. - - - - -28. Längs der Küste nach Nordchile. - - Dampfer „Taltal“ im Pazifik. - - -Die täglich wachsende Teuerung der Lebenshaltung bezeichnet den Weg -vom Süden Chiles nach dem Norden des Landes. Im regnerischen Süden -Überfülle an Frucht, so groß, daß jedes Jahr gewaltige Mengen nutzlos -verfaulen. Im regenlosen Norden absoluter Mangel, so daß jeder Zentner -Mehl, jeder Sack Kartoffeln, jeder Korb Äpfel vom Süden nach dem Norden -geschafft werden muß. - -Allein trotzdem liegt das wirtschaftliche Schwergewicht des -Landes im Norden. Hier dehnen sich in trostlos dürrer Pampa die -Salpeterlager, auf deren Ausbeute der Reichtum, ja überhaupt die ganze -Finanzwirtschaft des Landes beruht. - -Meinen ursprünglichen Plan, auf dem Landweg nach Antofagasta zu -fahren, konnte ich nicht ausführen, denn seit einiger Zeit fährt die -Longitudinalbahn wegen Kohlenmangel nicht mehr. Der große Streik im -Kohlenrevier von Concepcion nötigte die Eisenbahnverwaltung, Zug um Zug -einzustellen, und man kann froh sein, noch gute Zugverbindung auf der -verkehrsreichen Strecke nach Valparaiso zu finden, wo der Dampfer nach -Antofagasta bestiegen werden soll. - -Nach Überschreitung der Küstenkordillere führt die Bahn plötzlich -ans Meer, und an den reichen Villen des Seebades Viña del Mar -vorbeigleitend baut sich unmittelbar das Panorama Valparaisos -überwältigend auf. Die Stadt scheint zwischen dem blauen Pazifik und -den steilen Felsen kaum Platz zu haben, und so klettert Haus um Haus -terrassenförmig die Felsen hoch. Einige Straßen sind asphaltiert, -andere muß man bergmäßig über Geröll und Gerinne ersteigen, und -an Regentagen mögen sie sich in wahre Sturzbäche wandeln, wie die -Sandsacksicherungen vor den Fenstern an der Rückseite der gegen den -Fels gelehnten Häuser zeigen. - -Valparaiso ist nichts als Hafen, Stadt am Meer, im Meere fast. -Stadt der Reeder, Stadt der Großkaufleute. Mochte im Weltkrieg, -als der Verkehr durch die Magalhãesstraße aufgehört hatte und die -Nordamerikaner den Panamakanal gesperrt hielten, hier auch vieles tot -gelegen haben, heute ist es auf der offenen Reede, deren unbeweglicher -Bläue man an stillen Tagen nicht ansieht, wie gefährlich hier der -„Norder“ wüten kann, voll von kommenden und gehenden Schiffen. Fast -jede Woche geht einer der großen Passagierdampfer durch den Panamakanal -nach Europa oder den Vereinigten Staaten, und außerdem gibt es einige -chilenische Dampfergesellschaften für den Lokalverkehr. - -Die Zeiten sind gut für die Dampfergesellschaften. Der „Taltal“, der -kleine schmucke Dampfer, von dessen Heck die chilenische Flagge weht -und dessen tadellose Sauberkeit überrascht, liegt mit vielstündiger -Verspätung noch immer im Hafen, als längst der volle Mond, einer -riesigen Bogenlampe gleich, über der Bucht hochgezogen war. Kisten auf -Kisten, Faß auf Faß, Alfalfabund auf Alfalfabund, und noch immer ist -die Hauptladung noch nicht eingenommen, liegt in großen Prahmen wartend -längsseits des Schiffes: einige hundert Kühe und Ochsen, die nach -Antofagasta sollen. - -Bei so viel Ladung bleibt für die Menschen kein Platz. Freilich die -erste Kajüte mit bequemen Kabinen, Rauch- und Damensalon ist kaum -halb voll. Aber die Zwischendecker werden von Fracht und Vieh immer -enger zusammengepreßt. In dem Raume, der sonst bei jedem Schiff als -Zwischendeck dient, steht in langen Reihen Ochse an Ochse, und immer -mehr kommen vom Kran hochgezogen brüllend und strampelnd durch die -Ladeluke in den Raum hinunter. Auf- und übereinander drängen sich die -Tiere, die Ladeluke wird noch voll gestellt, und von den Peonen mit -ihren Frauen und Kindern, die sich unten ein warmes Plätzchen sichern -wollten, muß eins nach dem andern aufs offene Deck wandern, wo bereits -eine Schicht Männer, Frauen und Kinder so enggedrängt aneinanderliegt, -daß man kaum den Fuß dazwischen setzen kann. Auf dem breiten, -bequemen Promenadedeck der ersten Kajüte schlendern ein paar einsame -Nordamerikaner auf und ab. - -Wie eine hohe Festungsmauer, die jedem Fremdling den Weg wehren will, -baut sich die Küstenkordillere längs des Meeres auf, steil, steinig -und unfruchtbar. Ein unfruchtbares, unzugängliches Land von Fels und -Stein täuscht sie vor, und die Überraschung der ersten Spanier muß groß -gewesen sein, hinter dieser Küstenmauer das frucht- und blütenreiche -Längstal zu entdecken. - -Allerdings wird diese reiche Vegetation immer spärlicher, je weiter man -nach Norden kommt. In Coquimbo, wo der Dampfer am nächsten Tag gegen -Abend einläuft, scheint das reiche Mittelchile im Elquital noch einen -Ausläufer zu entsenden. Zwar die Felsen sind hier nicht weniger steinig -drohend und laufen längs des Kammes in so scharfe Zacken aus, daß -diese fast Baumwuchs vortäuschen. Allein die Dutzende von Booten mit -Früchten, die ein Wettrudern nach dem Schiff veranstalten, zeigen an, -wie gesegnet das Elquital ist. - -Im Handumdrehen wimmelt das ganze Deck. Früchte werden ausgebreitet, -unter den Zwischendeckern werden ganze Speiseanstalten aufgetan, aus -großen Kesseln wird Hühnersuppe verteilt, einen Peso der Teller, -gierig gekauft von den Zwischendeckern, deren Verpflegung nur dünne -Bohnensuppe bildet. Dazu Früchte, Früchte in großen Mengen, Früchte, -die man nicht kennt, die wie Mischung von Zitrone und Melone schmecken, -oder mehr wie Gurke oder Kürbis. - -Früchte und Überfluß an Lebensmitteln zum letztenmal. Am nächsten Tag -in Taltal kommt kein Boot. Die kurzen, staubigen Straßen des kleinen -Städtchens enden nur zu bald in Stein und Wüste. Dankt doch dieses -selbst seine ganze Existenz nur dem Salpeter, der im Hinterland -gefunden wird. - -[Illustration: Copacabana am Titicacasee.] - -[Illustration: Kirche auf dem Ruinenfeld von Tiahuanacu. - -(Aus den Steinen der uralten Tempelbauten errichtet.)] - -Wüste von Stein, Sand, Geröll. Gut paßt dazu der ölige Schimmer von -vergossenem Petroleum, der vor dem Städtchen auf dem Wasser schwimmt. -Die meisten Dampfer entnehmen hier den großen Tanks nordamerikanischer -Petroleumfirmen den flüssigen Brennstoff für ihre Kessel. Zwischen -Felsspalten führt die Röhrenleitung zum Strand, läuft auf schmutzigem -Eisensteg ins Meer hinaus, um in dicke Schläuche zu münden, die auf -Flößen schwimmend in Windungen wie eine riesige schmutzige Seeschlange -sich längsseits des Schiffes schlängeln. - -Wie eine Zwingburg haben die Yankees die riesigen Tanks vor Taltal -aufgepflanzt, dessen Salpeterwerke bisher in deutschem Besitz waren. -Eine von den drei großen Gesellschaften ist drauf und dran, in -Yankeehände überzugehen. Oben im Rauchsalon auf dem Promenadedeck -sitzen die Nordamerikaner beieinander, die in der ersten Kajüte -dominieren. Abgerissene Worte wehen durch den Raum: „Wir kriegen das -ganze Salpetergeschäft noch in die Hand.“ - -Vorn auf dem Deck liegen eng gedrängt und schlechter untergebracht -als das Vieh die ursprünglichen Herren des Landes, die eingeborenen -Chilenen, gute, willige Arbeiter von Haus aus. - -In dem engen Gang, der an der Maschine vorbei zur Kajüte führt, hockt -eine Reihe Peone beisammen und saugt gierig den Duft der Speisen, die -an ihnen vorbei in die erste Kajüte getragen werden. Da tritt zu den -teilnahmslos Kauernden einer im schmutzigen Poncho, lang und hager, -struppiger Stoppelbart. Unruhige Augen stechen unter einer blauen -Schirmmütze hervor. Er redet heftig, eindringlich, mit eindrucksvollen -Gesten. Bald hat sich ein dichter Kranz um ihn gebildet; in die bisher -teilnahmslos blickenden Augen kommt Leben. Und es ist, als laufe ein -Funke durch all die Reihen abgearbeiteter, abgerissener Männer, ein -gefährlicher, aber auch leuchtender, strahlender Funke. -- In der -aufkommenden See stampft und schlingert schwer das kleine Schiff. -Oben im Rauchsalon trennt man sich von flaschenbedecktem Tisch. Ein -behagliches „Good Night“ verweht in der Luft. - - - - -29. Die Salpeterstadt. - - Antofagasta. - - -Der erste Eindruck: Stadt und Hafen haben an dieser Stelle keine -Existenzberechtigung! Eine offene Reede, gegen den Strand zu schwarze -Klippen, über die schäumend weiße Brecher toben. Man wird ausgebootet -wie fast in allen chilenischen Häfen, fährt an Prahmen und Leichtern -vorbei, die voll besetzt sind mit Pelikanen und Möwen, passiert -die Klippen und sieht sich plötzlich umgeben von Rudeln spielender -Seehunde, die so dicht das Boot streifen, daß es fast kentert. - -Auf dem engen Raum zwischen Meer und Berg führen breite, schnurgerade -Straßen senkrecht gegen den Fels. Von der See sieht es aus, als liefen -Sturmkolonnen die steinernen Wälle an. Mit einem Blick übersieht man -Stadt und Straßen. Es ist ein sonderbarer Anblick, wie saubere, breit -asphaltierte Wege plötzlich enden, und dann kommt nichts als glatte, -steile, sonnendurchglühte Steinwand. - -Wo heute eine moderne europäisch-amerikanische Stadt mit 65000 -Einwohnern steht, lebten vor fünfzig Jahren nur ein paar indianische -Fischer. Man bedarf keines Reiseführers, um zu wissen, in welch hohem -Maße das alles künstliche Schöpfung ist, einzig und allein auf dem -kostbaren Gut beruhend, das die trostlose Wüste des Hinterlandes -liefert: dem Salpeter. - -„~Te Ratanpuro~“, „~Te Dulcinea~“, in haushohen Lettern sind Reklamen -auf die steilen Felswände gekalkt wie ein Wahrzeichen für diese Stadt, -die nichts kennt als Geschäft, Geschäft und wieder Geschäft. Wenn man -aus dem Süden des Landes kommt, möchte man zweifeln, daß diese so ganz -andersartige Stadt auch zu Chile gehört. Sie wirkt vielmehr wie eine -der Städte im Süden der Union, denen die Mischung von angelsächsischer -und hispano-amerikanischer Kultur ihr charakteristisches Gepräge gibt. - -Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn man die Straßen durchwandert. -Angelsächsische Sauberkeit und Akkuratesse, aber auch angelsächsische -Langeweile und Eintönigkeit. Straßen und Läden, wie sie ebensogut -in jeder Londoner Vorstadt stehen könnten. Die blumen- und -palmenumstandene Plaza, die in keiner mittel- oder südamerikanischen -Stadt fehlen darf, wirkt hier fast fremdartig, als gehöre sie nicht -zwischen diese sauberen, langweiligen Straßen, in denen sich ein -englisches Geschäftsschild an das andere reiht. - -Die Deutschen, die in Süd- und auch in Mittelchile im Wirtschaftsleben -des Landes eine so maßgebende Rolle spielen, treten hier gegenüber -den Angelsachsen völlig zurück. Dagegen nehmen die Slawen eine -hervorragende Rolle ein, und zwar vor allem Südslawen ehemals -österreichischer Nationalität. Kroaten, Dalmatiner, daneben Serben -und Montenegriner. Eine Reihe großer Firmen und Salpeteroficinen sind -in ihren Händen. Darüber hinaus aber sind sie durch die ganze Pampa -Salitrera bis an die bolivianische Grenze vor allem als Wirte und -Hoteliers verstreut. - -Gerade diese Slawen an der Westküste Südamerikas haben im Weltkrieg -sehr bald, größtenteils von seinem Beginn an, eine feindliche Haltung -gegen den Staat angenommen, dem sie offiziell angehörten. Sie richteten -ein eigenes jugoslawisches Paßbüro ein, und noch heute stößt man als -Deutscher im Verkehr mit ihnen auf einige Schwierigkeiten, wenn sich -auch ihr ganzer Haß noch immer gegen das entschwundene Österreich und -gegen -- Italien richtet. - -Antofagasta ist bolivianischer Freihafen. Hier ist eine bolivianische -Zollbehörde, und der Import und Export Boliviens geht zollfrei über -diesen chilenischen Hafen. Dies ist das einzige, was Bolivien von der -einst ihm gehörenden Stadt und der ganzen reichen Provinz Antofagasta -geblieben ist. - -Chile dagegen ist billig genug zu dieser Stadt gekommen, die ihr heute -allein an Zöllen täglich 180 Peso Gold einbringt. Als Bolivien einen -Ausfuhrzoll auf den von Chilenen auf seinem Territorium ausgebeuteten -Salpeter legte, landete Chile im Jahre 1879 kurzerhand 200 Soldaten, -die die bolivianischen Behörden vertrieben und die Stadt in Besitz -nahmen. Damit wäre der Kampf um die Provinz Antofagasta eigentlich -erledigt gewesen, wenn nicht Peru eingegriffen hätte und auf die Seite -Boliviens getreten wäre. Dieses Eingreifen kostete die Peruaner, -nachdem sie bei Iquique und Tacna geschlagen und die Chilenen in -ihre Hauptstadt Lima einmarschiert waren, die Provinzen Tarapaca -und Tacna-Arica. Erstere ist wertvolles Salpeterland, letztere eine -wichtige strategische Position. Seitdem ist das Verhältnis zwischen -Peru und Chile ähnlich wie das Frankreichs zu Deutschland, und -Tacna-Arica wird vielleicht in Südamerika eine ähnliche Rolle spielen -wie Elsaß-Lothringen in Europa. - -Antofagasta ist eine Männerstadt und eine Stadt, in die man nur geht, -um Geld zu machen. Einige Kinos und Kneipen bestreiten die kulturelle -und Vergnügungsseite des Lebens. Kein Bad am Strand, kein Segelsport. -Meer wie Fels scheinen gleicherweise unwirtlich. Kein Spaziergang, kein -Garten, und fast wirkt es wie ein grotesker Witz, wenn man auf dem -Felsen über dem kümmerlichen, fast nur angedeuteten Garten der Quinta -Corrizo, eine Wegestunde von der Stadt entfernt, liest: „Schönster -Ausflugsort Antofagastas.“ Nach einigen Tagen Aufenthalt verläßt man -gern diese Stadt und vergißt dabei ganz, daß sie Zehntausenden, die -in der trostlosen Pampa ein einsames Leben führen, Verkörperung alles -Luxus, alles Vergnügens, aller Kultur ist. - - - - -30. La Pampa Salitrera. - - Peineta. - - -Gesellschaft zur Erforschung der Wüste (~Compañía Exploradora del -Desierto~) nannte sich die erste Salpeterkompanie, die im Jahre 1866 -von der bolivianischen Regierung eine Konzession auf fünf Quadratleguas -erhielt. -- Desierto! Wüste! der Name paßt besser als das -euphemistische „Pampa“. Wer die argentinische Pampa kennt, denkt bei -diesem Namen doch auch im ungünstigsten Falle mindestens an Steppe, die -genügsamen Schafen Nahrung bietet. Die chilenische Pampa aber ist Wüste -im reinsten Sinne des Wortes, ein Grauen von Öde und Unfruchtbarkeit. - -Man ist mitten in ihr, sobald man den Bannkreis der Stadt Antofagasta -und ihren hochgelegenen Friedhof verlassen, dessen Boden aus Zement -besteht, zwischen dem einige kümmerliche Bäume hochgepflegt werden. -Eine steile Rampe den Berg hinauf -- zwei Lokomotiven mühen sich -schnaufend --, und noch ein letzter Blick auf das blaue Meer, und dann -ist man in einer Rinne von Schutt und Geröll. - -Eine Landschaft von trostloser Öde, der selbst die Grandiosität der Öde -fehlt. Nicht der winzigste Halm, nicht das leiseste Grün. Nicht das -mindeste Insekt, nicht der armseligste Wurm könnte hier leben. Es ist -nicht einmal starrer, festgewachsener Fels, der die Landschaft bildet. -Alles scheint Geröll, Schutt, Staub, Schmutz! - -Es ist jetzt Winter. Aber man sieht Tropenanzüge und weiße Kleider, und -die stechende Sonne erinnert an qualvoll heiße Tage im sommerlichen -Buenos Aires. Wie muß es hier im Sommer sein! Und keinen Schutz vor der -Sonne als das brennend glühende Wellblechdach. Zu beiden Seiten des -Bahndammes schwärzlicher Staub, als hätte die Lokomotive hundert und -mehr Meter breit das Land verrußt, dann Sand in hellerer Färbung bis zu -den brüchigen Bergen, die, mehr und mehr zurücktretend, eine weite, öde -Hochebene öffnen. - -Die Berge, bald ferner, bald näher, das ist der einzige Wechsel -in der Melodie von Monotonie, die die längs des Zuges stehenden -Telegraphenstangen und Wellblechbaracken der Streckenarbeiter singen. -Eine niederdrückende Landschaft. Jeder Vergleich für sie fehlt. Am -ehesten gewinnt man eine Vorstellung von ihr, wenn man sich die Schutt- -und Schlackenhalden der Industriereviere ohne Abwechslung unabsehbar -aneinandergereiht denkt. - -Wer von Salpeterfeldern liest, denkt leicht an weißschimmernde, -glänzende Fläche -- ich selbst erinnere mich, solche Beschreibung -gelesen zu haben --, aber nur in den seltensten Fällen ist der Caliche, -das Mineral, aus dem der Salpeter gewonnen wird, so hochprozentig, 50 -bis 70 Prozent, daß es im weißen Glanz schimmert, und so bleibt der -Charakter der Landschaft schmutzig-eintönig, auch als der Zug jetzt -mitten durch die Salpeterregion fährt. - -Jede Wüste hat ihre Oasen, auch die Salpeterwüste kennt sie. Allein -es sind künstliche, von Menschenhand geschaffene. Statt Palmen -Essen, statt blauer Lagunen und Teiche die dampfenden offenen -Kessel, in denen der Caliche kocht, statt weißer, kühler Häuser die -öden Wellblechcampamentos der Arbeiter. Kaum ein wenig Grün im Hofe -des Administratorhauses. Das sind die Oasen der Salpeterwüste, die -„Oficinas“, wie sie genannt werden. - -Am Horizont, bald näher, bald ferner, tauchen sie jetzt immer -zahlreicher auf. Es sind die Forts, die der Mensch in die Wüste gebaut -hat. Dazwischen ein Schlachtfeld aufgerissenen, durch Pulver und -Dynamit zerstörten Bodens, dem das kostbare Mineral entnommen wird. -Geleise, Rampen, Feldbahnen, rauchende Lokomotiven und stöhnende Mulas -vor schwerbeladenen Karren. Aber alles weit verstreut in der Wüste, in -einer braungelben Öde, über die sengend und blendend die Sonne brennt. - -Ab und zu hält der Zug, wo eine Zweigbahn zu einer Oficina führt. Da -steht eine Wellblechbaracke als Station. Aber es gibt auch größere -Stationen, wo eine ganze Zeile Häuser steht. Das sind die Städte der -Pampa. Hier gibt es „Hotels“, „Restaurants“, Kinos, Läden und vor -allem Kneipen, in denen der Arbeiter seinen Wochenlohn verspielen -und vertrinken kann. Es sind buntgestrichene Häuser -- aus Wellblech -natürlich -- mit pompösen Namen, die in der öden, durchglühten Wüste -wie grell geschminkte, alternde Dirnen erscheinen. Und man weiß nicht, -was erschütternder wirkt: ihr Anblick oder der der Gräber, die man -nicht allzu selten längs der Bahn sieht, Gräber, wie im Felde: ein -flacher Hügel mit einfachem Holzkreuz und davor ein Strohkranz oder ein -Radreifen, wenn es nur etwas Rundes ist. - -An beiden vorbei aber rollen Tag für Tag die Züge, die endlos -langen Züge mit den schweren Säcken -- so schwer, daß ein Mann sie -keuchend gerade tragen kann -- voll des weißglänzenden Minerals, dem -die Chilenen bisher Steuerfreiheit und glückliche Aktienbesitzer -in Valparaiso, New York, Paris oder London ein verschwenderisches, -sorgenloses Leben verdankten. - - - - -31. Oficina. - - Peineta. - - -Seltsam, daß im Süden wie im Norden Chiles die Landschaft an die -Schlachtfelder in Frankreich erinnert. Gleicht der Süden mit seinen -verkohlten Baumstümpfen zwischen den Feldern Gegenden, in denen nach -mörderischer Schlacht neues Leben erblühte, so ähnelt die Salpeterwüste -des Nordens jenen unglücklichen Landstrichen von Ypern und an der -Somme, in denen der Eisenhagel die Eingeweide der Erde um und um wühlte. - -Calichera, Salpeterfeld! -- Heißer Stein, heiße Arbeit! Ein halbes bis -ein Meter tief liegt der Caliche, das kostbare Mineral, unter taubem, -wertlosem Gestein. Sprenglöcher werden gebohrt, mühsame, wochenlange -Arbeit mit Schlegel und Eisen, mit selbstbereitetem Schwarzpulver -gefüllt -- Salpeter gibt es ja genug, Schwefel liefern die nahen -Schwefelfabriken, Kohle die Bahn -- und gesprengt. Die hohen, schwarzen -Rauchwolken inmitten all der Sprengtrichter vollenden den Eindruck des -Schlachtfelds. - -In den heißen Kesseln der Sprengtrichter, die sich bald -schützengrabenartig aneinanderreihen, geht die harte Arbeit des -Losbrechens und Zerkleinerns des Caliche weiter. Das Mineral ähnelt in -Form und Farbe dem es deckenden Stein. Der Laie vermag einen vom andern -nicht zu unterscheiden, und auch der Aufseher bedarf der brennenden -Lunte, um den Salpetergehalt des zu brechenden Minerals zu prüfen. - -Ist es hoch salpeterhaltig, so brennt der Stein mit heller, sprühender -Flamme, während der geringwertige kaum trübglimmende Funken gibt. - -Hart poltert der gebrochene Stein in die von Mulas gezogenen -Karreten. Im Galopp zur Rampe. Von da mit der Kleinbahn zur Oficina, -der Salpeterfabrik. Jede Oficina baut sich auf wie eine Burg. Auf -ihren Zinnen stürzt der Caliche aus den Kipploris in die Brecher und -Mühlen, die ihn zerkleinern und mahlen, bis ihn ein Förderwerk in -die „Cachuchas“ leitet. Cachuchas sind rechteckige, offene Kessel, -wie riesige Badewannen, die, von Heizschlangen durchzogen, in langen -Reihen aufmarschieren. Einige frisch gefüllt, kaum daß aus der -Steinschicht die ersten unheimlichen Dämpfe aufsteigen, andere in -vollem, brodelndem Kochen, schwadenumwallt. Bisweilen ist alles in -beizenden Qualm und Rauch gehüllt, durch den man halbnackte Gestalten -mit langen Eisenstangen in den Händen springen sieht. Manch einer fiel -unvorsichtig ausgleitend in die siedende Brühe. Längs der Bahn sind -genug Gräber. - -In kochendem Sud löst sich der Salpeter aus dem Stein. Die wertvolle -Lösung wird in die „Chulladores“ geleitet, während der schlammige -Rückstand, der „Ripio“, durch geöffnete Bodenklappen in Loren fällt, -die ihn auf die Halde führen. Doch auch der Ripio ist nicht wertlos. Er -enthält noch Jod, und vor allem Wasser, das man ablaufen läßt und in -grünlich-schmutzigen Becken sammelt. - -Wasser! Das ist ja die große Not in der Salpeterwüste. Der Prozeß -erfordert viel Flüssigkeit, und jeder Tropfen kommt meilenweit in -langen Rohrleitungen von der Kordillere her. Die Tonne Wasser kostet -anderthalb Peso, und ein mittelgroßes Werk verbraucht im Monat für -14000 Peso Wasser. So sucht man im ganzen Arbeitsprozeß Wasser zu -sparen, und auch im Campamento ist der Wasserbedarf kontingentiert. -Heiße Wüste und Wasserknappheit! - -In den Chulladores setzen sich Fremdkörper aus der Flüssigkeit ab, -und die konzentrierte Lösung wird in die Bateas geleitet. Die Bateas -sehen aus wie die Klärbecken eines Wasserwerkes, offene, eiserne -Tanks, quadratisch aneinandergereiht. Hier kristallisiert in zwei bis -drei Tagen der Salpeter aus. Und jetzt erst bekommt er seine schöne -glänzend weiße Farbe. Die Tanks voll fertigem Salpeter glitzern gleich -Schatzkammern märchenhafter Schätze. Am Fuß der Bateas waten die -Arbeiter, die den Salpeter in Säcke füllen, wie in silbernem Schnee. - -Schätze! Sie zahlen nicht nur den ganzen teueren Apparat in der Wüste, -wo der Unterhalt jedes Menschen drei, jedes Tieres sechs Peso pro Tag -kostet, sie zahlen nicht nur die Steuern des Landes, sie geben auch -reichen Überschuß. - -Eine Oficina produziert im Monat 70000 Quintal (zu 46 Kilogramm), -die Provinz Antofagasta allein 3,5 Millionen. Wie Kraken wandern -die Oficinen über das Land, reißen den Boden auf und lassen wild -zerfleischtes Land zurück. So geht es Jahrzehnt um Jahrzehnt. Die noch -jungfräuliche Calichera aber ist noch unabsehbar, auf unbegrenzte -Zukunft deckt sie den Weltbedarf. Auf dem Salpeter beruht Chiles -Existenz; aber eine Gefahr steigt unheilvoll am Horizont auf: die -fortschreitende Vervollkommnung in der Gewinnung künstlichen Salpeters; -sie droht Chiles Weltmonopol zu zerstören und damit die Wirtschaft des -Landes schwer zu schädigen. - - - - -32. Pampinos. - - Calama. - - -Wir standen unter der Tür des Administratorhauses und sahen auf das -Werk. Seine Lichterreihen bauten sich terrassenförmig auf, und darüber -hoben sich vom sternklaren Nachthimmel die rauchenden Essen ab. - -„Wie ein Schiff“, meinte nachdenklich der Administrator. - -„Ja, wie ein Schiff.“ Ich mußte an die lange frauenlose Männerrunde der -Beamten und Ingenieure denken, die immer die gleiche blieb, die nie -wechselte. Immer die gleichen Gesichter, immer die gleichen Arbeiten, -und kaum einmal im Jahr ein paar Tage Urlaub nach Antofagasta. - -„Der Unterschied ist nur der,“ fuhr der Leiter des Werkes fort --- er war vor dem Kriege als Kapitän zur See gefahren, und das -Kriegsschicksal hatte ihn in die Pampa verschlagen --, „ein Schiff legt -an, ein Schiff wechselt Ladung und Passagiere; wir aber, wir liegen -ewig am gleichen Fleck im Ozean vor Anker.“ Das Werk lag jetzt wirklich -wie ein phantastisches Schiff in der Wüstennacht. Unendlichkeit von -Wüste und Himmel, gleich ewig, gleich drückend, gleich grausam. - -„Noch ein paar Jahre als Pampino, dann --.“ Wir gingen zum Whisky -zurück ins Haus. - -Pampino, Pampabewohner, es ist ein eigener Menschenschlag. Allein, -wenn sich Werkleiter und Beamte auch dazu rechnen, wenn man ihn -wirklich und echt kennenlernen will, den „Pampino“, muß man ins -Campamento, ins Arbeiterlager, gehen. - -Ich habe als Student im Industrierevier gearbeitet, vor dem Hochofen, -im Stahlwerk, im Walzwerk, und dieses Land von Ruß und Feuer, von -Schlackenhalden und Essen schien mir seitdem das grauenvollste, die -Arbeit als Hüttenarbeiter die schwerste und freudloseste. -- Es war -ein Irrtum. Die Salpeterpampa ist schlimmer. Wohl gibt es auch in -europäischen Kohlen- und Eisenrevieren Arbeiterkasernen. Aber oft -sind es freundliche Häuser mit Gärtchen. Es gibt doch Bäume, andere -Häuser als Wellblechbaracken, andere Menschen als die täglichen -Arbeitskameraden. Man kann in die Stadt gehen oder schließlich an -Sonntagen auch ins Freie, ins Grüne. - -Das Campamento -- zwei Reihen Wellblechbuden, eine wie die andere, -primitiv aus Blechtafeln zusammengesetzt. Vorne ein Wohnraum, dann -durch eine kaum mannshohe Zwischenwand abgetrennt ein Schlafraum, -dahinter ein Hof, gleichzeitig Küche, Vorratsraum, Rumpelkammer und -alles übrige. Freilich, man kann die Unterkunft primitiv halten in -diesem Landstrich. Es regnet ja nie. Aber das Wellblech gibt auch in -gleicher Weise der sengenden Glut des Tages wie der beißenden Kälte der -Nacht Zutritt. - -Campamento und Werkleitung, das ist Todfeindschaft. Wie die Dinge -liegen, künden auf den ersten Blick die schweren, eisernen Gitter, -die doppelten Läden und die eisernen Querbalken, die in wenigen -Augenblicken Verwalterhaus und Beamtenwohnungen in starke Festungen -verwandeln können. Und dann ist gar nicht weit die Carabinerostation, -zu der eine direkte Telephonleitung führt. - -Dem Salpeter dankt Chile seinen Reichtum, aber auch die Verschärfung -seiner sozialen Frage. Gewiß, der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit -durchzieht die ganze Welt. Er muß auch in der Pampa zum Ausdruck -kommen, ob aber in dieser scharfen, erbitterten Form? Man hört von -gestürmten Oficinen, von erschlagenen Werkleitern, von Plünderungen, -aber andrerseits auch von Gewalttaten gegen streikende Arbeiter, von -ganzen Belegschaften, die von den Carabineros einfach in die Wüste -getrieben wurden. In die Wüste, in der kein Halm wächst, in der kein -Tröpfchen Wasser zu haben ist, wo die Sonne erbarmungslos sticht. - -Man sagt mir, der Arbeiter verdient gut. Aber was sind 8, 10 oder -selbst 12 Peso im Tag für die Arbeit und das Leben, das er führen muß? -Dabei braucht ein Mann für das nackte Leben im Tag zweieinhalb bis -drei Peso. Und alles, was der Arbeiter und seine Familie benötigt an -Nahrung, Kleidung, Hausgerät, muß er in der Pulperia, der Werkkantine, -kaufen, und die Werkleitung setzt die Preise fest. - -Jede Oficina gibt ihr eigenes Geld aus, aus Kautschuk geprägte Fichas. -Sie hinterlegt dafür eine gleichwertige Summe in Bankbilletten bei der -Nationalbank. Das Kautschukgeld ist handlich und praktisch, aber auch -sein sonstiger Zweck liegt auf der Hand. Es hat nur in der Salpeterzone -Kurswert. Und dann: „Wenn die Arbeiter die Kasse stürmen,“ meinte -der Zahlmeister zu mir, „so ist eben nicht viel verloren; die -betreffenden Fichas werden dann einfach für wertlos erklärt.“ Zu -ihrer Charakterisierung genügt schließlich, daß ihre Abschaffung ein -Programmpunkt der radikalen Partei ist, die jetzt mit dem neugewählten -Präsidenten Arturo Alessandri in Chile zum erstenmal zur Herrschaft -gelangt. - -Von manchen Werken wird allerlei an Wohlfahrtseinrichtungen getan. Man -legt Plazas an, läßt Musikkapellen spielen, richtet Kinos ein. Aber -ich habe auch Werke gesehen, in denen der Eintritt ins Kino für den -Arbeiter einen Peso kostet, so daß die Werkleitung auch noch mit ihrer -Wohlfahrtseinrichtung ein fettes Geschäft macht. Aber auch selbst wenn -es wirkliche Wohlfahrtseinrichtungen sind, es bleibt ein Almosen. -- - -„Wenn die Regierung, die so viel an den Salpeterabgaben verdient, -wenigstens darauf dringen wollte, daß die Werke hygienische, -menschenwürdige Unterkunft schüfen!“ meinte der Unterbeamte, mit dem -ich durch das Campamento ging. „In einem solchen Raum schlafen, wohnen -und essen oft zehn Menschen zusammen.“ - -Bezeichnend für die bisherigen politischen Verhältnisse in Chile ist, -daß die Arbeiter wohl das Wahlrecht haben, daß aber die Ausübung des -Wahlrechts sehr erschwert ist, da sie dazu nach Antofagasta fahren -müssen, fünf bis acht Stunden Bahnfahrt. Und da nur täglich ein Zug -fährt, bedeutet das einen Lohnausfall von zwei bis drei Tagen, ganz -abgesehen von den teueren Reisekosten. - -Die Sonne brennt durch die Scheiben des Zuges. Die Wüste flimmert. Der -Speisewagenkellner bringt Beefsteak mit Spiegelei, Preis 3,60 Peso. -Die Frau, die es bestellt hat, trägt unter ihrem ärmlichen Kleid kein -Hemd. Ihr gegenüber sitzt eine Bolivianerin in bunten Tüchern mit einem -Säugling. Wie sie das Kleid abhebt, um den Säugling zu stillen, tropft -von der braunen Brust langsam ein schwerer weißer Tropfen zu Boden. - - - - -33. Unter Vulkanen. - - Ollague (chilenisch-bolivianische Grenze). - - -Von den Felsmauern herab, die oben blank von Eis sind, kollert ein -brauner Stein, stürzend, sich türmend, ein Strom von Stein. Rasend -rasch kommt er näher, füllt das Tal, prallt an den Bahndamm, staut sich -zu beiden Seiten. Wir fahren mitten hindurch. - -Lava! Bräunlich-schwarze, graue Lava. Hochgetürmt, daß der Zug fast -darin versinkt. So frisch sieht sie aus, als sei sie eben erst vom Berg -herabgeflossen, und ist doch hundert, tausend, vielleicht viele tausend -Jahre alt. - -Zone der Vulkane. Die weißen Schleier, die um die Spitzen der Berge -hängen, sind nicht Wölkchen, die sich an ihren Zacken gefangen. Es ist -Rauch, Wasser- und Schwefeldampf, der aus den Kratern steigt. Wie der -Zug weiterfährt, sieht man durchs Glas deutlich, wie es aus runden und -ovalen Kratermäulern weiß und gelb in die Höhe schießt. - -[Illustration: Die heilige Jungfrau vom See in Copacabana.] - -[Illustration: Ein frischer Trunk.] - -[Illustration: Bepackter Hochlandesel.] - -Wir sind in der Werkstatt der Erde. Tief unter dem Boden, über den -wir eilen, ruhen die Kräfte, die diesen Kontinent schufen, veränderten -und verändern werden. Sah es nicht unten im Archipel südlich von -Puerto Montt aus, als sei hier die See in das chilenische Längstal -hineingebrochen und habe es in einen langen Meeresarm verwandelt und -die ragenden Kuppen der Küstenkordillere in Tausende von Inseln? - -Hier oben im Norden aber, wo der Salpeter quadratkilometerweit das Land -bedeckt, möchte man glauben, als habe das ganze Land sich aus dem Meer -gehoben, aus dessen verdunsteten Wassermengen das Seesalz zurückblieb, -das stellenweise in blinkender dicker Kruste den steinigen Fels -überzieht. - -Aber schon die Salpetergegend war 1000 Meter, 1500 Meter hoch, Calama, -wo die großen Salzseen sind, 2000, und die letzte Station, an der der -Zug vorbeieilte, trug die Zahl 3223 Meter. - -So wäre ganz Südamerika einst am Grunde des Meeres gelegen? Doch nein! -Lag nicht östlich des Kontinents Atlantis, der sagenhafte versunkene -Erdteil? Vielleicht war er nichts anderes als die Fortsetzung der -argentinischen Pampas, und als sich in unvordenklichen Zeiten die -chilenische und peruanische Küste aus den Fluten des Pazifik hob, da -versank im Osten die weite Ebene in den Wassern des Atlantik, so daß -sich der ganze Kontinent um seine Achse drehte wie der Balken einer -ungeheuren Wage. - -Die Berge beiderseits der Bahn sind rot und blau, in bunten Streifen -gefärbt. Wie Hermelinbesatz zieht sich über scharfe Kämme und Grate der -ewige Schnee, und darüber die weißen und gelblichen Wolken wie eine -Warnung: Wir sind immer da, wenn wir auch zu schlafen scheinen, wir -ewigen Kräfte, die wir die Welt wandeln und zerstören. - -4000 Meter, fast Montblanchöhe! Die Luft von einer unwahrscheinlichen -Klarheit und Durchsichtigkeit. Man meint Hunderte von Kilometern weit -zu sehen und glaubt noch an den fernsten Hängen die kleinste Einzelheit -erkennen zu können. - -Wunderlich rot färbt sich der Boden. Ein ganz satter, warmer Ton. Erst -beim Näherkommen sieht man, daß es nicht Fels noch Stein, sondern eine -niedrige fleischige Pflanze ist, eine Art Fetthenne, die meilenweit -über den nackten Stein kriecht. - -Dann aber wird mit einem Schlag alles schneeweiß, glitzernd, -kristallklar zu beiden Seiten der Bahn bis an den Fuß der Vulkane. -Mitten hindurch fährt der Zug wie über einen gefrorenen See. Ein -unheimliches Gefühl; denn an einzelnen Stellen sieht man noch dunkle -Flut zwischen dem glitzernden Weiß. - -Und das alles wie unter einer Kuppel von intensivstem Blau. Es ist, als -hätten sich die vulkanischen Kräfte hier auf dem Dache der Welt einen -Tempel gebaut, daß die Menschheit dahin wallfahre und sich in Demut -beuge vor den ewigen Gewalten. - -Aber nein, das Weiße ist Borax. Millionenwerte liegen hier. Man braucht -sie nur aufzulesen, und weiterhin sieht man inmitten des glitzernden -Weiß Schlote und Wellblechbaracken: die Boraxwerke von Cebollar, in -denen das wertvolle Material für den Versand eingesotten wird. Seit -Jahren wird hier gearbeitet und in die Welt hinausverschickt. Aber das -Tischtuch, das hier die Natur über die Erde gebreitet, ist kaum kleiner -geworden. - -Und weiterhin ist der Boden gelb; es ist Schwefel. Und gleichfalls -braucht es nicht mehr als die Mühe des Losbrechens. Grünlich gelbe -Dämpfe wallen um die viereckigen Blöcke der Schwefelöfen, aus denen das -goldgelbe Mineral fließt, Tränen in die Augen treibend und die Kehle -würgend. Aber dem, der es fand und von der Erde hob, lauteres Gold in -die Taschen. - -Geld machen, Geld, Geld! Wie wird sich erst in absehbarer Zeit die -göttliche Felseinsamkeit bevölkern mit Essen und Öfen, wenn erst -weitere Schienenstränge die Kordillere durchziehen; denn die Bahn ist -hier alles. Ohne sie blieben die weiten, großen Schätze der einsamen -Erde tot. Über dem Vulkan aber steht Tag und Nacht, als stumme Warnung, -die Rauchwolke. - -Als Chile noch unter den Meeresfluten lag, soll das heute kalte und -rauhe Andenhochplateau jenseits der Kordillerenkette ein paradiesisch -schönes, tropisches Land gewesen sein, die Wiege der amerikanischen -Völker. Uralte Ruinen künden, daß hier einst Weltstädte standen. Was -mag aus diesem Gebiet hier werden, wenn sich die unheimlichen Kräfte -wiederum regen, wenn neuerdings Kontinente versinken, Kontinente -erstehen? - -Auf der einsamen, im Weltmeer verlorenen Osterinsel steht eine -ungeheuere Steinstatue mit traurig ergebenem Gesicht, nach Norden -blickend. Als einst die Achse des Kontinents sich drehte und Atlantis -versank, da errichteten seine entsetzten Bewohner, die das Meer über -sich hereinbrechen sahen, auf der höchsten Höhe diese Statue, wie um -den Zorn der Götter zu besänftigen, und als einziges Denkmal einer -versunkenen Welt blieb sie von der Flut verschont. - -Mag es so sein oder nicht. Die Mythe ist schön, und als in Ollague -der erste Aimara an den Zug herantrat, um Llareta zu verkaufen, -die als Brennmaterial dienenden torfigen harzreichen Polster einer -Schirmblütlerpflanze, die er in unsäglich harter Arbeit in eisiger -Felseinsamkeit gesammelt, da glaubte ich in den Zügen dieses Sprossen -eines vielgeprüften Volkes die gleichen Züge trauriger und stummer -Resignation zu lesen. - - - - -Bolivien - -[Illustration] - - - - -34. Das Land Bolivars. - - La Paz. - - -Sie wollen nach Bolivien? Und gar, um dort Einwanderungs- und -Kolonisationsmöglichkeiten zu studieren? Nein, das lohnt wirklich nicht -die Mühe. Minen, ja; wenn Sie Minengeschäfte machen wollen. Aber sonst, -nichts als unfruchtbare Hochfläche oder fieberschwangere Tropen. Nein, -es lohnt wirklich nicht die Mühe! - -Das war das Urteil über Bolivien in Buenos Aires, und in Santiago -lautete es nicht anders. Wenn so geurteilt wird, geschieht es nicht -einmal so sehr aus Böswilligkeit als aus Unkenntnis. Was weiß man im -allgemeinen von Bolivien? Ein Land im Herzen Südamerikas, ohne Küste, -mit der Hauptstadt La Paz. Das ist so ziemlich alles. Vielleicht gibt -es wenig Länder, die gleich unbekannt und die kennenzulernen doch -derart der Mühe wert, wie dieses Land, das nach seinem Befreier Bolivar -den Namen wählte. - -Freilich, es war immer Stiefkind. Schon zur Kolonialzeit. Damals -gehörte es als Alto Peru zum Vizekönigreich Peru. Allein obgleich -die Metropole Lima nicht gar so fern war, blieb es doch Hinterland, -Provinz, hinterste Provinz. - -Und später, nach seiner Befreiung, hatte es auf allen Seiten neidische -Nachbarn. Kein Staat an seinen Grenzen, mit dem es nicht einmal Krieg -geführt, der ihm nicht einmal eine Provinz abgenommen hätte. Und als -ihm gar Chile im Salpeterkrieg seine Küste entriß, wurde es völlig von -der Welt abgeschlossen. Seine Waren gingen nicht mehr als bolivianische -in die Welt, sondern je nach dem Verschiffungshafen als peruanische -oder chilenische oder brasilianische. Und alle seine Nachbarn bauten -gleicherweise eine unsichtbare chinesische Mauer um das abgeschiedene -Hochland; alle machten es gleicherweise schlecht, wie es noch heute -geschieht. Denn jeder hatte ein Interesse daran, daß nicht etwa fremdes -Kapital oder Einwanderer weiter zögen in das Land der Andenhochfläche. -Und so blieb es bis zu einem gewissen Grade, hätten nicht seine -Minenschätze die Fremden ins Land gelockt -- ein Tibet im Herzen -Südamerikas. - -Der Zug fährt über das Altiplano, das vielgeschmähte Andenhochplateau. -Eine steinige breite Fläche wie eine ungeheure Tischplatte. Am Horizont -verschwimmende braune Schatten, die Ketten der Kordillere. Wessen Herz -gesund, der merkt an nichts, daß wir hier 4000 Meter über dem Meere -sind. - -Auf den ersten Blick sieht es freilich unwirtlich genug aus. Aber bald -entdeckt man da und dort weite gelbe Flächen: Gerste, Kartoffeln, und -selbst wo scheinbar nur Wüste und Steppe, ist der Boden doch überall -bedeckt mit einem spärlichen Grün. Spärlich, aber doch immerhin genug, -daß große Rinder-, Schaf-, Esel- und Lamaherden auf ihnen ihre Nahrung -finden. - -Und Bolivien ist schließlich nicht nur Hochland und Gummizone. Zwischen -den Schneeketten der Kordillere und der fieberheißen Gummigegend an -den Rios Beni und Mamoré erstrecken sich je nach der Höhenlage alle -Klimate. Keine Pflanze, die hier nicht wächst, von den harten Gräsern -arktischer Region bis zu der wuchernden Pracht der Tropen. Kein -Mineral, das fehlt, von Eisen, Kupfer, Zinn und Gold in den Bergen bis -zu Petroleum in den Niederungen. - -Aber der größte Teil seiner Schätze liegt ungehoben. Keine -Verkehrsmittel. Dazu die politischen Verhältnisse. - -Bis vor etwa 20 Jahren das übliche Bild jener hispano-amerikanischen -Republiken um den Äquator herum. Revolutionen und Revolten in stetem -Wechsel. In den achtzig Jahren staatlicher Unabhängigkeit mehr als -dreißig provisorische Regierungen, d. h. alle zweieinhalb Jahr -bemächtigte sich ein anderer Parteiführer der Macht im Staate. - -Seit der letzten liberalen Revolution im Jahre 1899 Ruhe und -Aufschwung, bis auch die Liberale Partei den gleichen Fehlern erlag, -die sie ehemals bekämpfte: Korruption, Machtmißbrauch, Wahlmache und -Günstlingswirtschaft, so daß am 12. Juli 1920 die Republikanische -Partei der liberalen Epoche in unblutigem Staatsstreich ein -unrühmliches Ende bereiten konnte. - -In mancher Hinsicht ist dieses Land noch so weit zurück, daß ihm -gegenüber Argentinien und Chile als hochentwickelte moderne Staaten -erscheinen. Das gilt vor allem von seinen sozialen Verhältnissen. -Wenigstens in der Landwirtschaft ist das Arbeitsverhältnis noch rein -mittelalterlich-feudal. Der Landarbeiter ist Höriger, Kolone, der Hand- -und Spanndienste zu leisten hat. - -Aber vielleicht ist es kaum anders möglich in einem Lande, wo eine -winzige weiße Oberschicht über zwei Millionen Indianer herrscht, die -weder lesen noch schreiben können, und -- den einen Vorteil hat diese -Zurückgebliebenheit: daß es in Bolivien keine soziale Frage gibt und -daß dieses Land bisher in der Hauptsache verschont geblieben ist von -Arbeiterschwierigkeiten, Streiks usw., unter denen seine entwickelteren -Nachbarländer ständig zu leiden haben. - -Eines allerdings wird notwendig sein: diese teilweise noch halbwilden -indianischen Massen langsam zu erziehen und heranzubilden und -gleichzeitig dem bisher ihnen gegenüber beliebten Ausbeutungssystem ein -Ende zu machen. Sonst droht Bolivien zwar nicht die soziale Revolution --- die in Argentinien und Chile immerhin schon zur Diskussion steht ---, sondern etwas viel Schlimmeres: der blutige, erbarmungslose -Indianeraufstand! - - -35. Markt in La Paz. - - La Paz. - - -Markt. -- Willst du eine fremde Stadt, ein fremdes Land kennenlernen, -geh dorthin. Am gesammeltesten findest du dort noch alte Sitten, -Trachten und Gebräuche. - -Markt in La Paz. Man muß weit in den Orient fahren, um die gleiche -Fremdartigkeit, die gleiche Farbenfreudigkeit zu finden. Aimaras vom -Hochland in bunten Ponchos mit unbewegten, harten Gesichtern wie aus -Coopers „Lederstrumpf“. Leute aus den Yungas, den Tälern des Innern, -in kurzen Leinenpumphosen und Filzhüten mit riesenbreitem Rand, aber -einem Puppenhutköpfchen. Cholas, Indianermischlinge, mit schwefelgelben -Strohhüten und bunten Seidentüchern. Das erstemal ist man ganz -benommen von der Buntheit der Farben, in die sich Männer wie Frauen, -Indios wie Mischlinge kleiden. Dunkelviolette Überwürfe zu orangenen -Röcken, oder indigoblaue zu purpurroten, grellgrüne zu leuchtend -gelben. Ponchos in allen Farben gestreift. Dazu jede zweite Frau mit -einem Säugling in buntgewürfelten Tüchern auf den Rücken gebunden, oder -ihm ungestört und offen die Brust reichend, während sie verkauft. Und -zwischen dem Menschenschwarm Esel- und Lamakarawanen, die vom Alto, dem -Andenhochplateau, oder aus den Yungastälern die Lebensmittel in die -Hauptstadt bringen. - -Denkbar einfach spielt sich das Marktgeschäft ab. Es gibt zwar -eine Markthalle, ähnlich dem Basar des Orients, allein sie faßt -nicht den zehnten Teil der Verkäufer, und so sitzt die Mehrzahl in -den umliegenden Straßen einfach auf dem Boden, vor sich die Ware -ausbreitend. - -Bunt wechseln hier alle Erzeugnisse der kalten, gemäßigten und heißen -Zone miteinander ab. Fällt doch das Andenhochplateau mit seinen fast -4000 Meter Höhe dicht bei La Paz steil zu subtropischen und tropischen -Gebieten ab. So liegen Gerste und Kartoffeln vom Hochland dicht -neben Apfelsinen, Mandarinen und Ananas aus den Yungas, Äpfel neben -Zuckerrohr und Kaffee, in gleicher Weise Produkte aus der Umgebung von -La Paz. - -Die ersten Male steht die einkaufende Europäerin hilflos vor der Menge -von Gemüsen und Früchten, die ihr völlig unbekannt sind. Zunächst -einmal die zirka 200 Kartoffelarten, die es hier in der Heimat -der Kartoffel gibt, dazu die Chunos, auf Eis und in der Sonne zu -Steinhärte getrocknete Knollen, die, dann wieder in Wasser geweicht, -das Lieblingsgericht der Indios bilden, die Tuntas, durchs Wasser -gezogene und an der Sonne getrocknete Kartoffeln, und dergleichen mehr. -Eine Delikatesse, auch für Europäer, sind die Ocas, die in gefrorenem -Zustand zusammen mit Miel de Caña, dem Saft des Zuckerrohrs, gegessen -werden. Dazu die Fülle fremder Früchte, deren Königin die Chirimoya -ist, eine mitunter kindskopfgroße Frucht mit herrlich süßem, weißem -Fleisch. - -Wie mit Gemüse und Frucht ist es mit Fleisch; denn auch alle inneren -Teile, wie Kaldaunen, Magenwände und dergleichen, was in Deutschland -Anrecht der Hunde beim Schlachten ist, liegt hier aus, und Stier- und -Hammelhoden sind beispielsweise gesuchte Leckerbissen. - -Besonders Sonntags, dem Hauptmarkttag, flammt und leuchtet die ganze -Calle Recreo in buntesten Farben. Die Indias und Cholas, auf den -Boden gekauert, blühen in ihren weiten, bunten Röcken und Tüchern -gleich farbigen Blumen aus dem Boden. Zwischen goldenen Orangen, -blassen Limonen, gelben Bananen liegt in bunten Lappen ein schreiender -Säugling. Dazwischen gackern Hühner, schnattern Enten und blähen sich -Truthähne, während die vollgepackten Lamas mit unglaublich dummen und -arroganten Mienen durch die Menge schieben. - -In einem unterscheiden sich die Marktfrauen von La Paz wohl von -allen der Welt. Man kann alles nachprüfen, alles anfassen und -dann weitergehen, ohne etwas zu kaufen, und man wird doch kein -unfreundliches Wort hören. Überhaupt spielt sich das ganze Geschäft -sehr eigenartig ab. Feste Preise gibt es nicht. Die Eingeborenen -fordern zunächst so viel, wie sie meinen, daß der Gringo, der -Ausländer, dumm genug ist zu bezahlen. Das ist in andern Ländern -ähnlich, aber eine bolivianische Spezialität mag sein, daß der Weiße, -wenn das Geschäft nicht anders zustande kommt, sich einfach die Ware -nimmt und bezahlt, was er für angemessen hält. Nur in den wenigsten -Fällen wird der Indianer dagegen aufzumucken wagen. - -Er ist es ja auch nicht anders gewöhnt. Bereits am Eingang der Stadt -erwarten die Zwischenhändler, meist Cholos, die Indianerkarawanen -und nehmen ihnen ihre Lasten ab zu Preisen, die sie selbst ziemlich -einseitig und willkürlich festsetzen. Auch der Weiße, der von den -Indios ganze Lasten kauft, Gerste, Futter oder Brennmaterial, macht das -Geschäft meist derart, daß er zunächst durch sein Dienstpersonal die -Lasttiere, Esel oder Lamas in seinen Hof treiben und abladen läßt. Wenn -er dann den Preis bietet, großes Jammern des Indianers, der aber doch -meist zufrieden abtrollt, wenn man ihm noch ein paar Centavos für Coca -drauflegt. Mitunter helfen allerdings ein paar Fußtritte nach. - -An diese ganz anderen sozialen Verhältnisse muß man sich überhaupt erst -gewöhnen. Vielleicht muß man sehr weit nach Afrika hineingehen, um noch -diese Unterwürfigkeit des Farbigen dem Weißen gegenüber anzutreffen. -Selbstverständlich, daß kein Weißer etwas trägt. Kauft man nur die -geringste Kleinigkeit auf dem Markt, so ist man von einem halben -Dutzend Indianerbuben umdrängt, die das Paket tragen wollen. Sollte -aber gerade keiner Lust dazu haben, und der Weiße sieht sich suchend -um, so mahnt ein eingeborener Polizist mit ein paar sanften Püffen den -nächstbesten Indio an seine Pflicht dem Weißen gegenüber. Der Begriff -„Blanco“, „Weißer“ ist dabei übrigens nicht wie in den Südstaaten der -Union eine Rasse, sondern ein sozialer Begriff. Auch der Mischling und -der Indio haben auf das gleiche Vorrecht Anspruch, wenn sie zu Stellung -und Vermögen gekommen. - -Mitunter kann man es auf dem Markt auch erleben, daß ein paar -Polizisten mit Besen erscheinen, sich die nächsten Indios aufgreifen, -den Widerstrebenden die Besen in die Hand drücken und sie erst einmal -unter Aufsicht der Polizei den Platz kehren lassen, ehe die armen -Betroffenen ihren beabsichtigten Geschäften weiter nachgehen können. - -„Mamita“ oder auch „niña, niñita“ -- „Mütterchen“ oder auch wohl -„Schönes Kind“ -- schallt es den über den Markt gehenden Europäerinnen -entgegen. Fleisch, Früchte, Bauerntöpfe, bunte Tücher werden -entgegengewinkt. Es ist ein fröhliches, buntes Bild unter dem leuchtend -klaren Himmel von La Paz, und man könnte fast vergessen, daß hinter -der fröhlichen Fassade ein armseliges, gedrücktes Volk steht, und im -Hintergrund all dieser Unterwürfigkeit und sklavenhafter Demut lauert -das eine -- Haß gegen den weißen Herrn. - - - - -36. Gebirgsreise in Bolivien. - - Pongo. - - -Noch immer ist die Wand der Cumbre in meinem Rücken. Wie der Weg -sich auch schlängelt, bleibt sie und sperrt den Horizont, ungeheuer, -unheimlich und so steil, daß man jetzt kaum versteht, wie diesen -senkrechten Fels überhaupt ein Weg hinunterführen kann, gangbar für -Mensch und Tier. - -4600 Meter! Selbst wenn man aus dem 3600 Meter hohen La Paz kommt, -ist der Marsch über die Höhe anstrengend genug. Jetzt sind bereits -wieder 3800 Meter erreicht, und nach dem kahlen, nackten Fels der -Kordillerenhöhe mit den letzten Schneeresten des Winters fängt bereits -wieder das erste Grün am Wege an. - -Es dämmert. Die Wand der Cumbre wächst zusammen mit den sich ballenden -Nebelwolken und steigt ins Unendliche auf. Schwache, weiße Wölkchen, -die an ihr hochziehen, entzünden sich am Abendhimmel und glühen wie -irrlichternde rosenrote Flächen auf. - -Tief unten rauscht der Fluß, den die Gletscher schufen. Immer schwärzer -wird die Tiefe, daß bald nur mehr Rauschen aus undurchdringlichem -Dämmern dringt. - -Wie in einen Schlund rutscht man den steilen Weg hinunter. Bizarre -Felsen am Wege türmen und häufen sich, täuschen Häuser vor. Und -dazwischen wirkliche Reste verfallener Mauern und Häuser, daß man nicht -mehr weiß, was Schein, was Wirklichkeit ist. - -Aber jetzt Hundegebell. Lagernde Tiere und Menschen am Wege. Diese -Mauern sind wirklich, sind bewohnte Häuser -- die Posada. - -Ein langgestreckter, niederer Bau. Ein fensterloses Zimmer neben dem -andern, auf der andern Seite des Hofes ein Strohdach, unter das die -Tiere bei Regen untertreten können. Das ist die Posada, staatlich -konzessioniertes Wirtshaus, Relaisstelle, der Posthalterstation aus der -Urgroßväterzeit noch am meisten vergleichbar. Es ist die übliche, vom -Staat vorgesehene Unterkunftsstätte in jenen Gegenden, in denen es kein -anderes Verkehrsmittel gibt als das Maultier. - -Im ersten Augenblick mutet es seltsam und fast unbegreiflich an, daß in -nächster Nähe der Hauptstadt des Landes, die mit nicht weniger als drei -Bahnen mit dem Pazifik verbunden ist, ein weites, reiches, kommerziell -und wirtschaftlich überaus wichtiges Gebiet liegt, für das es keine -andere Verkehrsmöglichkeit gibt als eine kostspielige und anstrengende -Maultierreise. - -So mögen wohl -- wie lange ist es her -- die Poststraßen der Alpen, -über den Gotthard und Brenner, ausgesehen haben, als noch keine -Postkutschen fuhren, Maultierkolonne hinter Maultierkolonne. - -Denn die Yungas sind ja keine abgelegene, ferne Region, in die man etwa -eine Expedition unternehmen müßte, nein, es ist das Gebiet, das La Paz, -Oruro und den ganzen Minendistrikt mit Bananen, Orangen, Zitronen, -Kaffee und vor allem mit Coca versorgt, dem unentbehrlichen Stimulans -des Hochlandindianers. - -[Illustration: Indianerprozession in Copacabana.] - -[Illustration: Eingeborne vom Rio Beni.] - -[Illustration: Indianerin am Webstuhl. - -Nach einer von Jakob v. Tschudi veröffentlichten Zeichnung eines -Indianers.] - -Karawane geht hinter Karawane, Maultiere und dann wieder Esel, -struppige kleine Hochlandsesel mit langhängendem Zottelfell. Mit -Früchten und Coca aus den Yungas, mit Gerste und Fleisch vom Hochland -und mit Ware jeder Art von La Paz. Und dazwischen, spärlich allerdings, -Reisende. Am seltsamsten wohl jene Dame, die ich unterwegs traf. Sie -selbst, mit der ältesten Tochter hinter sich, auf dem Maultier; mit ihr -der indianische Diener, ein Kind vor sich im Sattel und auf dem Rücken -noch einen Säugling. - -Kein angenehmes Reisen. Und so reist denn auch kaum jemand in den -Yungas außer jenen indianischen Frachtführern und etwa der eine oder -andere Fincabesitzer, der einmal im Jahr mit oder ohne Familie auf -kurze Zeit auf sein Gut kommt, um nach dem Rechten zu sehen. Der -Bolivianer reist ja überhaupt nicht gern, und wenn schon, dann eher -nach Europa als in sein eigenes Land. - -Schwierig, anstrengend und teuer, das war der sich immer wiederholende -Refrain, wenn ich mich nach den Reisemöglichkeiten abseits der Bahn -erkundigte. - -Vor allem teuer! „Sie brauchen ein bis zwei Reittiere für sich, -mindestens ein Packtier und ein Tier für den Führer, der gleichzeitig -als Arriero die Tiere versorgt.“ Wie oft habe ich das gehört. Da kämen -allerdings leicht bald 1000 Peso für eine kurze Reise heraus. - -So geht’s freilich nicht. Und so habe ich auf Packtier und Führer -verzichtet und bin allein losgeritten, das Nötigste in den Packtaschen, -wie ich es von so manchen einsamen Ritten im Balkan und in Mexiko her -gewohnt war. - -Der Hof der Posada ist schon voll fremder Tiere. Eine Jagdgesellschaft, -ein Minenbesitzer und ein paar Goldsucher haben bereits ihre Tiere -eingestellt. Es gibt Beißen und Schlagen, bis jedes Tier sein Futter -hat. - -Futter! Da denkt man freilich an das, was erfahrene Yungasreisende in -La Paz erzählten. Ein Tercio Cebada, ein Büschel Gerste auf dem Halm, -kostet einen Peso. Mindestens drei bis vier Tercios braucht man, um -sein Tier satt zu kriegen. - -Da ist das Futter für den Menschen billiger, das ein siebenjähriger -Junge bringt -- gleichzeitig Kellner, Hausdiener und Pferdeknecht, kurz -der einzige dienstbare Geist im Hause. Suppe und Fleisch, derartig mit -Aji, dem einheimischen Pfeffer, gewürzt, daß Mund und Gaumen brennen -wie Feuer. Ein Ungar müßte seine Freude daran haben; denn gegen Aji ist -der magyarische Paprika die reinste Süßrahmbutter. - -Der Junge klagt beweglich, er sei Waise und sein ganzes Gehalt bestehe -in Schlägen, bis er ein entsprechendes Trinkgeld erhalten hat. Dann -richtet er das Zimmer für die Nacht her, indem er das schmutzige -Tischtuch fortnimmt. Sonst braucht er vor etwaigen diebischen -Gästen nichts zu sichern; denn außer dem wackligen Tisch und einem -dreibeinigen Hocker steht im Zimmer nichts als das leere Bettgestell, -ein Rahmen auf vier Pfosten und darauf ein paar Riemen gespannt. Das -Lager ist hart, die Nacht kalt. Schlafsack, Decke und Mantel genügen -kaum. Draußen wiehern die Mulas. Ein Tier hat sich losgerissen und -galoppiert über den Hof. - -Ich trete noch einmal unter die Tür. Eine schmale Mondsichel steht -am Himmel, und die Cumbre ragt in sie hinein. Und es ist wie scheues -Wundern, daß ich noch vor wenigen Stunden auf jener senkrechten Wand -stand und in eine unbegreifliche, märchenhafte Eis- und Felswelt sah. - - - - -37. An einem Tag aus Nordland in die Tropen. - - Bella Vista. - - -Welch ein Kontinent! Immer neue Überraschungen und neue Szenen. -Verblüffte schon in Chile das nahe Nebeneinander der verschiedensten -klimatischen Zonen, so ist das nichts gegen Bolivien. Hier ist es die -reine Hexerei. Hier ist Kälte und Hitze, Nordland und Tropen dicht -beieinander. Mit einem Sprung etwa von Nordrußland nach den Kanarischen -Inseln, weiß Gott, mit +einem+ Sprung. Nicht etwa derart, daß man von -vereinzelten eisstarrenden Höhengipfeln ins warme Tal hinunterstiege. -Das kann man in Italien auch haben. Nein, in Bolivien liegen zwei -gewaltige Gebiete, das eine kaum kleiner als Deutschland, das andere so -groß wie Bayern, dicht beieinander. Wand an Wand kann man sagen: das -Altiplano und die Yungas. - -Die Wand der Kordillere, die beide voneinander scheidet, ist bei La Paz -so schmal, daß man sie in einem Tag übersteigt, und kaum daß man von -Pongo abwärts zieht, sieht man mit Verblüffung, wie das kümmerliche -kurze Gras, das den genügsamen Lamas kaum dürftige Nahrung bietet, sich -unversehens in kurzes Buschwerk wandelt. Schon geht man in niederem -Wald. Saftiges Grün, bunte Blätter, wucherndes Schlingwerk und darüber -wie Märchenvögel blaue, violette und rote Blüten. - -Aber noch phantastischer ist der Wechsel, wenn man in San Felipe, -trotzdem man hier schon auf 2000 Meter und einiges hinabgestiegen ist, -die bequeme Karawanenstraße nach Coripata und Chulumani verläßt und -nochmals aufsteigt auf die steilen Hänge, die zu beiden Seiten Weg und -Fluß begleiten. - -Nochmals hinauf auf 3600 Meter. Aber diesmal in steiler Steigung. Fast -muß sich das Maultier ständig um sich selber drehen, wie es jetzt -mühsam die engen Windungen der sich den Berg hinanwindenden Spirale -aufwärtskriecht. - -Der Gipfel des Berges ragt in die Wolken. Bald ist man mitten drin -im Nebel, man sieht nichts mehr und erkennt nur an den niedriger und -kümmerlicher werdenden Bäumen, wie langsam wir steigen. - -Eine Steigung, die nie enden will. Und immer schlechter der Weg, die -reinsten Treppen mit ausgetretenen, ungleich hohen Stufen. Dazu regnet -es jetzt. Schon dicke Tropfen. Der wasserdichte Gummimantel ist nicht -lange mehr wasserdicht. Bald dringt die Feuchtigkeit bis auf die Haut. - -Die Höhe ist endlich erreicht. Fast unmittelbar fällt sie jenseits des -schmalen Grates wieder ab. - -Man glaubt, falsch geritten zu sein; denn der Weg ist kaum mehr als -Geröll und Steinbruch, den der strömende Regen in die reinsten Grotten -mit Wasserfällen verwandelt. Aber die Indios, die tropfnaß mit ihren -Tieren an der andern Seite aufsteigen, nicken auf die Frage nach dem -Wege. - -Also hinunter, das Tier am Zügel! Ein Springen von Stein zu Stein, -die Mula bald vorsichtig tastend, bald fast auf der Kruppe rutschend -hinterher. Dazu Wasser, Wasser in Strömen. Aber sobald man bis auf die -Haut naß ist, wird man vergnügt, denn nässer kann man nun nicht mehr -werden. - -Und wie könnte man auch verdrießlich sein, wo sich das Blattwerk immer -phantastischer um einen rankt, Fächer, Teller, Schwerter, Grün in allen -Schattierungen. Hunderte von Bäumen, die man nicht kennt. Und alles -umrankt und verwoben durch schlingende, wuchernde Lianen. - -Ab und zu erscheint der Berg gespalten, und den Einschnitt hinunter -stürzt aus hundert Meter Höhe ein sprühweiß gischtender Wasserfall. - -Langsam vertropft der Regen. Aus dem Grün hört man seltsames Rascheln, -und fremde, bunte Vögel fliegen über den Weg, glitzernd farbige -Schmetterlinge folgen. - -Aber das Wunderbarste ist doch, wie jetzt Regen und Wolken weichen, und -wie man nun, sobald die Bäume den Blick freigeben, das Land sieht, in -das man hinabsteigt. - -Gewiß, es gibt Landschaften von gewaltigerer Schönheit und auch von -größerer Fremdartigkeit, aber es passiert einem kaum, daß man sie nicht -längst im Bilde sah, ehe man sie wirklich betritt. Allein, wer sah je -Bilder von den Yungas. Nicht einmal in La Paz gab es dergleichen. - -So aber ist die Landschaft: Man denke sich den Schwarzwald oder den -Wiener Wald. Waldberge. Aber Waldberge, die vom Tal aus tausend, -zweitausend und mehr Meter ansteigen. Ungeheuere Kuppen, und von der -Sohle bis zur Spitze mit dem gleichen, fremdartig, tropisch anmutenden -Wald bedeckt. - -Berge wie Lebewesen, unheimliche, fremdartige Lebewesen. Man sieht -keine Felswände, Schründe oder Klippen, nur Wald, Wald. Was jenseits -von ihm an Fels, Schnee und Eis der Kordillere sonst sichtbar sein mag, -decken die Wolken. - -Das Unheimlichste aber ist der Fuß der Berge. Unten, ganz unten muß -ein Fluß fließen. Man sieht ihn nicht. So eng stoßen die Berge im -Tal zusammen. Man sieht nur die Krümmungslinien, in denen die steil -abfallenden und dennoch grünen Wände sich begegnen. Man möchte meinen, -daß unten hinein kein Sonnenstrahl dringe und dort düster feuchte, -dunstige Tümpel voll vorsintflutlichem Gewürm sein mögen. - -All diese Wälder sind Urwald. Unbetretbarer, nie betretener -jungfräulicher Wald. Er ist beiderseits des Weges durch und durch -undurchdringlich. Man ist mitten drin und übersieht ihn doch von -Höhenwegen aus. Steht ihm gleichsam Aug in Aug gegenüber. Der Mensch -und der Wald. Seit Stunden, seit den Indianern auf der Höhe, kreuzt -niemand mehr meinen Weg. - -Es gibt nur den einen unfehlbaren Weg durch den Wald, unfehlbar, denn -es gibt nicht eine Abzweigung. Und jeder muß die vorgeschriebene -Tagesreise machen. Denn vor Tagesende gibt es kein Haus, nicht die -geringste menschliche Spur. Ein endlos langer Tag durch Wald. - -Ein vorspringender Rücken ist es, der das erste einsame Haus trägt. -Bella Vista. Hier ist der Wald gerodet, hellgrüne Pflanzungen, Mais, -Bananen, Zitronen, Orangen. Zu gleicher Zeit tragen die Orangenbäume -brautweiße Blüten und vollsaftige, goldene Früchte. Gelbe Zitronen und -Limas in dunkelgrünem Laub. An der Banane aber schält sich aus riesiger -violetter Blüte die vieltraubige Frucht. - -Der Regen hat aufgehört, die Wolken haben sich verzogen. Man sieht -weithin talabwärts in das wellige, hügelige Grün. Nur an einzelnen -Stellen ist es sonderbar rot gefärbt. Tief orangerote, kreisrunde -Flecken unterbrechen das zarte Grün, gleichsam als durchbrächen -ungeheuere Giftpilze den Waldboden. - -Es sind Ceibas, Wollbäume, Bäume ohne Blätter, nur dicht bedeckt mit -den orangefarbigen Blüten. Dicht vor den Häusern, auf die ich zureite, -steht solch ein Baum, und wie zum Willkommen wirft ein Windstoß seine -Blüten auf mich herab, während beiderseits des Weges Orangeblüten, -schneeige und rosige Pfirsichblüten schimmern und goldene und gelbe -Früchte glühen. - - - - -38. Was die Yungas erzeugen. - - Coroico. - - -Auf steiniger, isolierter Kuppe liegt das Städtchen über 1700 Meter -hoch, und man übersieht von ihm weithin das Gewirr der am Fuß des -Berges mündenden Täler. Das dunkle Grün der Wälder hat sich unten an -den Ufern der Flüsse, deren Spiegel sich hier schon auf 1000 Meter -senkt, in lichte Farben gewandelt. Zuckerrohr, deren dichte Wedel wie -niederer Palmenwald wirken. - -Unten im Städtchen ist Markt. Markt?, möchte man fragen. Wozu? Wenn -irgendwo, kann hier der Landmann erzeugen, was er braucht. Trägt ihm -sein Feld doch alle Nahrungs- und Genußmittel, gibt es doch Holz in -überreichen Mengen, Baumwolle und alle Faser- und Textilpflanzen, sogar -Farbpflanzen, während der Boden Ton und Schiefer enthält. - -Gestern abend schon sind vom Alto die Hochlandsindianer mit ihren -Maultieren und Eseln in die Stadt gekommen, stumm und ernst hinter -ihren hochbeladenen Tieren. Und heute sieht man auf allen Wegen die -Yungeños dem Pueblo zuströmen, Menschen der gleichen Rasse, die -das mildere Klima doch so ganz anders formte. Neben dem ernsten, -schweigsamen Aimara vom Hochland mit seinen harten Zügen wirkt der -Yungeño frauenhaft weich, wozu allerdings viel das reiche, tief den -Rücken hinunterfallende Haar beitragen mag, das im Nacken ein Band -zusammenhält. - -Aus den großen Bündeln, die die Indianer des Alto vor sich liegen -haben, schälen sich, in Heu verpackt, Korn, Gerste, Kartoffeln und -Fleisch, das in seiner trockenen, braunen Steifheit mehr wie Leder -erscheint als wie ein Nahrungsmittel. Und die Yungeños kaufen, kaufen, -daß am Mittag bereits fast der ganze Markt leer ist. Es ist eine -merkwürdige wirtschaftliche Erscheinung. Der Yungeño pflanzt wohl -seine Banane, die sein hauptsächlichstes Nahrungsmittel darstellt, -und vielleicht auch noch etwas Juca und Racacha, dicke, wurzelartige -Knollen. Aber was er darüber hinaus braucht an Fleisch, Brot und -Kartoffeln, kauft er vom Hochland, und für die Städter, denen die -Banane nicht als Nahrungs- sondern als Genußmittel dient, kommt fast -der ganze Lebensbedarf vom Alto herunter. - -Was der Yungeño erzeugt, ist Luxus: Früchte, Kaffee, Alkohol (nicht -zum Brennen, sondern zum Trinken) und Coca. Letztere Pflanze, deren -getrocknete Blätter in ganz Bolivien, Peru und Nordargentinien als -Nervenstimulans gekaut werden und ohne die der bolivianische Indianer -nicht leben kann, sind das A und O aller Yungaskultur. - -Der Gewinn, den die Coca abwirft, ist so hoch, daß da, wo der Boden -einigermaßen geeignet ist, ihr Anbau jede andere Kultur verdrängt. -Es gibt indianische Kleinbauern, die auf ihrem Grund und Boden nicht -einmal die für den Lebensunterhalt wichtigsten Pflanzen, nicht -einmal ein paar Bananen bauen, sondern die alles, bis auf das letzte -Fleckchen, mit Coca bestellen und den gesamten Lebensunterhalt in der -Stadt kaufen. Und die Einnahme aus dem Cocaverkauf ist so hoch -- -mitunter selbst für den Kleinbauern, der nicht mehr als ein paar Hektar -bestellt, bis zu 9000 Peso --, daß er unbedenklich die durch die Fracht -enorm hohen Preise für alle Lebensmittel, die höher sind als in La Paz, -zahlen kann. - -Freilich nötig wäre es nicht, selbst bei intensivster Coca-, Kaffee- -und Rohrzuckerkultur nicht, daß das Alto die Yungas ernährt; denn -von den weiten Yungas ist erst ein winziger Teil kultiviert, und -oberhalb der Cocafelder und Bananenpflanzungen sind die Berge noch alle -bedeckt mit undurchdringlichen Wäldern, an deren Stelle sich Weizen- -und Gerstenfelder dehnen könnten, mehr als ausreichend, die ganze -Yungasbevölkerung zu ernähren, und endlose Weiden für Viehherden, die -die Hauptstadt des Landes mit Butter zu versorgen vermöchten, statt, -wie es heute geschieht, sie mit hohen Kosten aus Peru oder Chile kommen -zu lassen. - -Wenn man nach dem Grund frägt, immer die gleiche Antwort: „~falta de -brazos~“, „Mangel an Arbeitskräften“, und so sind die Yungasprovinzen, -die sich wie eine köstliche Blume an die Hänge des Hochlandes -schmiegen, heute fast nichts als Parasiten. Was sie erzeugen, ist -Luxus, schlimmer noch -- Gift. Über die Coca kann man ja zweierlei -Meinung sein; sicher ist, daß der seit unzähligen Generationen daran -gewöhnte Indianer nicht ohne sie leben kann. Aber auch aus dem -Zuckerrohr wird nicht Zucker gewonnen -- und Zucker braucht das Land; -denn heute wird er noch zu hohen Preisen aus Peru und Argentinien -eingeführt --, sondern lediglich Alkohol, vierziggradiger Alkohol, der -bei den Indianern unverdünnt das Hauptgetränk für Mann und Frau bei -ihren Festlichkeiten ist. - - - - -39. Eine Yungasfinca. - - Coripata. - - -Die beiden Goldsucher aus Pongo waren vor mir hergeritten. Sie wollten -den Rio Peri nach dem gelben Metall absuchen. Als ich an den Fluß -herunterkam, fand ich noch die Spuren ihres Lagers; sie selbst waren -schon fort. Sie hatten wohl nichts gefunden, oder die Moskitos hatten -sie vertrieben, wie mir ein vorbeireitender Administrator einer Finca -erzählte. - -Auf den Höhen merkt man übrigens nichts von Moskitos, und trotzdem -ich Moskitonetz und Schleier mitführte, hatte ich noch für keines von -beiden Verwendung. - -Dagegen war es doch schon recht heiß. Ich war ziemlich spät von Coroico -abgereist, und das ganze Yungasgebiet kennt keinen ebenen Weg. Ständig -geht es auf und ab bei stärkster Steigung, und selbst wo eine Straße am -halben Hang entlang führt, geht sie in Kurven auf und nieder. - -Coroico, Coripata, Chulumani, das ist das Herz der Yungas. Hier sind -alle Hänge entwaldet. Es gibt keinen Baum mehr, alles Banane, Kaffee, -Coca, alles gleich schattenlos. - -So kam mir die Finca halbwegs nach Coripata gerade recht, um während -der größten Mittagsglut kurze Rast zu machen. Aber als ich mit dem -Administrator ins Gespräch kam, stellte sich heraus, daß er drei Jahre -in Weimar auf einer landwirtschaftlichen Schule gelernt hat. Seit den -sechs Jahren, die er wieder zurück und in den Yungas ist, war ich der -erste Deutsche, den er gesprochen. So lud er mich zum Bleiben, und ich -nahm gerne an. - -Die bolivianische Finca hat mit der argentinischen Estancia die -Ausdehnung gemein. Zehntausende von Hektaren sind die Regel. Allerdings -sind hiervon stets kaum ein paar hundert, oft kaum ein paar Dutzend -Hektar bewirtschaftet. Alles übrige liegt brach, unerforscht, und die -Grenzen kennt der Besitzer in der Regel selbst nicht. - -Die Hacienda, der Komplex der Wohn- und Wirtschaftsgebäude, ist noch -wesentlich einfacher als in Argentinien. Lebt in Argentinien der Patron -kaum ein paar Wochen und Monate auf seiner Estancia, so kommt er in den -bolivianischen Yungas kaum einmal im Jahr auf wenige Tage hinaus, oft -nur alle paar Jahre. Der Administrator aber ist ein schlecht bezahlter -Angestellter, für den ein einfaches Lehmhaus aus luftgetrockneten -Ziegeln mit Wellblechdach genügen muß. - -Dieses Haus mit einem Schuppen für die Coca und dem mit Schiefer -ausgelegten Hof, in dem die Coca getrocknet wird, ist eigentlich alles: -Irgendwelche landwirtschaftlichen Maschinen oder Geräte, totes oder -lebendes Inventar gibt es nicht. Das Maultier für den Administrator, -wenn es hoch kommt, eine Kuh, das ist alles. Das Arbeitsgerät bringen -die Peone selbst mit; es besteht nur in Hacke und Schaufel. Eines fehlt -freilich nicht, auf keiner Finca. Das ist die Kirche, und sie ist stets -der stolzeste Bau, massiv aufgeführt mit Glockenturm und Glocken; denn -der bolivianische Indio ist in erster Linie ein treuer Sohn der Kirche, -und was er irgend erspart, führt er außer dem Alkohol zunächst dem -Pfarrer zu, den er reichlich mit Geschenken regaliert. Jede Messe auf -einer Finca bringt dem Geistlichen nie unter einigen hundert Peso an -Gebühren und Geschenken ein. - -Rings um die Finca herum liegen in kleinen Bananenpflanzungen die -rohgebauten, niederen Lehmhütten der Kolonen, der Hörigen. Jede -Finca verfügt ja über ihre bestimmte Zahl höriger Indianerfamilien, -die zur Arbeit für den Patron verpflichtet sind, und der Wert jedes -Grundbesitzes richtet sich auch nach der Zahl der auf ihm ansässigen -Kolonen. Man kauft und verkauft eine Finca nicht nach Hektaren oder -Quadratleguas, sondern nach der Zahl der Kolonen, und im allgemeinen -wertet jede Kolonenfamilie tausend Peso. - -In rein mittelalterlich-feudaler Weise spielt sich auch die Arbeit -auf der Finca ab. Jeder Kolone ist verpflichtet, zwei, drei oder vier -Tage, je nach der althergebrachten Gewohnheit, für den Grundherrn zu -arbeiten. Diese Arbeit ist nicht nur völlig unentlohnt, der Kolone -muß auch noch Arbeitsgerät und Arbeitstiere selbst stellen. Er ist -ferner zu unentgeltlichem Dienst im Hause des Patrons verpflichtet. -Jede Kolonenschaft stellt allwöchentlich einen oder mehrere Pongos -als Hausdiener. Ebenso wählt sich der Patron, beziehungsweise der -Administrator aus der Reihe der Frauen und Mädchen allwöchentlich -eine Mitani als Haus- und Küchenmädchen. Verreist er, will er etwas -besorgen lassen, in der Stadt etwas kaufen oder verkaufen, so stellen -die Kolonen so viele Apiris, wie er benötigt, um ihn auf ihren Mulas zu -begleiten oder die Besorgungen zu erledigen. - -Als Entgelt für diese Dienste erhalten die Kolonen Land zugewiesen, das -sie in ihrer freien Zeit bebauen. Jeder Indianer hat denn auch seine -Bananenpflanzung, von der er in der Hauptsache lebt, sein Cocal, sein -Cocafeld, dessen Erträgnisse seine sonstigen Bedürfnisse decken müssen. - -Am nächsten Morgen in aller Frühe hatte ich Gelegenheit, den ganzen -Betrieb kennenzulernen. Es war Frontag, und der Hilacata, der Kazike -oder Aufseher der Indianer, trat mit den Kolonen auf dem Hofe an. Dann -ging’s zur Arbeit, Männer und Frauen getrennt. - -Wir gingen erst zu den Männern, denen die schwere Arbeit obliegt. Es -galt, neues Land für ein Cocal zu roden. Büsche und Bäume, die den Hang -deckten, waren bereits abgebrannt, und jetzt waren die etwa dreißig -Indios in langer Reihe dabei, mit Hacke und Schaufel die Wurzelstöcke -zu entfernen. Langsam arbeitete sich die braune Kette den Berg hinauf. -Vor ihnen stand in buntem Poncho, das fast meterlange Messer im Gürtel -und das schwarzglänzende Haar bis auf die Hüften herabhängend, der -Hilacata. - -An anderer Stelle waren die Frauen dabei, im Cocal das Unkraut zu -jäten. Auch hier ein Hilacata-Stellvertreter als Aufseher. - -Am Abend saßen der Administrator und ich auf der luftigen Veranda -beisammen. Hinter dem scharfen Bergrücken, zu dessen beiden Seiten -Coripata wie ein Raubvogelnest klebt, verflammte der Abend. Aus dem -dunklen Laub des Gartens heraus sah man das Leuchten der Orangen. -Dahinter ließen gleich müden Pferden die Bananen ihre früchteschweren -Köpfe hängen. Von den Indianerhütten her klang monoton eine Rohrflöte. - -„Ständiger Ärger mit dem Pack!“ - -„Nun, ich glaube, jeder europäische Gutsbesitzer würde blaß vor Neid -über solch billige Arbeitskraft. Entlassung geht ja nicht gut, wenn -jeder Arbeiter seine tausend Peso wertet, und Lohnabzug gibt’s auch -nicht. Was machen Sie denn, wenn die Leute widersätzlich sind oder -faul?“ - -Er sah erstaunt auf. „Aber dafür hat man doch die Peitsche!“ - -„Die Peitsche?“ - -„Aber natürlich, glauben Sie denn, es ginge anders? Selbstverständlich -habe auch ich eine, oder vielmehr zwei, eine dicke für die Männer und -eine dünne für die Frauen.“ - -Ich mußte wohl ein sehr ungläubiges Gesicht gemacht haben. Denn er -meinte: „Wenn Sie es nicht glauben, kann ich ja einen auspeitschen. Ein -Grund findet sich immer.“ - -Ich dankte. Aber am nächsten Tag frug ich in Coripata den -Munizipalsekretär, wie es eigentlich mit dem Recht der Fincabesitzer -wäre, ihre Kolonen zu schlagen. - -„Ein Recht“, meinte er, „besteht selbstverständlich nicht. Aber kein -Richter oder Polizeipräfekt wird etwas dagegen einzuwenden haben, -wenn ein Patron oder Administrator seine Indianer schlägt, in mäßigen -Grenzen natürlich. Aber ab und zu muß der Indianer seine Prügel haben, -damit er nicht verdirbt.“ - - - - -40. Der Gastfreund. - - Irupana. - - -Das Zimmer war das übliche, vier bis fünf Meter im Quadrat, -weißgetünchte Wände, lehmgestampfter Fußboden, ohne Fenster, nur durch -die Tür Licht und Luft erhaltend. - -Wir saßen beim Abendessen, wir, d. h. der Hausherr und Gastgeber, -mein Reisekamerad und ich. Die Frau des Hauses, eine Chola, den -geschwefelten Strohhut auf den straffen, schwarzen, langen Zöpfen, die -nackten Beine hellbraun und schlank, aß wie üblich nicht mit, sondern -bediente die Männer. Von dem, was wir übrigließen, fütterte sie die -Kinder, die, zwei- und vierjährig, vergnügt und halbnackt auf dem Boden -herumkrochen, um dann selbst den Rest stehend in einer Ecke zu sich zu -nehmen. - -Mein Reisekamerad hatte mich mitgenommen, d. h. die Kameradschaft war -recht kurz. Wir waren eine Strecke zusammen geritten, waren zusammen in -den Regen gekommen und hatten uns dann gemeinsam in einer Chacra an den -dort überreichlich wuchernden Orangen gestärkt, nachdem wir vergeblich -nach dem Besitzer gerufen. - -Aber solche kurze Bekanntschaft genügt hier zu Gastfreundschaft. Es -ist das Merkwürdige, daß es hier in einsamer Gegend am Ende jeder -Tagereise eine Posada gibt. Aber in Ortschaften fehlt oft genug -jede Unterkunftsmöglichkeit. Wozu auch? Wer hierher kommt, hat -selbstverständlich seine Geschäftsfreunde oder sonstigen Bekannten, -bei denen er nächtigt, wie umgekehrt sie bei ihm, und andere Reisende -gibt es nicht. Wohl hatte ich einen Empfehlungsbrief von der Regierung -an alle Behörden. Aber von allen Behörden war augenblicklich niemand -da, und so wäre ich fast in peinliche Verlegenheit gekommen, da die -Nacht schon hereinbrach, wenn nicht mein Reisekamerad mich zu seinem -„Compadre“ mitgenommen hätte, der ihm Gastfreundschaft gewährte. Dies -geschah mit der größten Selbstverständlichkeit und natürlichsten -Liebenswürdigkeit, und in der gleichen Weise nahm mich der Compadre -auf, als kennten wir uns seit Jahren und als wäre es gar nicht anders -denkbar. - -[Illustration: Millunisee mit Huaina Potosi.] - -[Illustration: Gipfelgrat des Huaina Potosi.] - -[Illustration: Am Fuße der Eiswand des Huaina Potosi.] - -Die junge Cholafrau war ein selten zartes, schlankes Geschöpf mit -feinem braunem Gesicht, und es wirkte merkwürdig, wie sie demütig, -sklavenhaft an der Wand lehnte und den Rest der Suppe löffelte, -während wir um den Tisch vor vollen Fleischschüsseln und gefüllten -Biergläsern saßen. Aber das ist nun einmal Landesbrauch. - -Nach Tisch gingen wir ins Café an der Plaza: ein kleines Zimmer, -Stühle und Tische, augenscheinlich aus den verschiedensten Häusern -zusammengeliehen, ein Billard und in der Ecke auf einigen über Kisten -gelegten Brettern die Bar. Es gab nur Schnaps; denn die Frachtführer -hatten seit langem aus La Paz kein Bier gebracht. Aber gleichwohl war -der Raum übervoll, und es mußte wohl ein sehr gutes Geschäft sein; -Ausstattung und Betrieb waren mehr als wildwestartig primitiv und der -Besitzer Schenk- und Zahlkellner wie Barkeeper in einer Person. - -Als wir heimgingen, zerbrach ich mir schier den Kopf, wie wohl die -Unterbringung für die Nacht sein sollte; denn ich wußte, daß das -Haus aus einem einzigen Raum bestand, an den sich nach rückwärts nur -ein offenes Dach anschloß, unter dem gekocht wurde. Allein unsere -Gastfreunde schienen keine Schwierigkeit zu sehen. Als wir zurückkamen, -lagen die Kinder schon schlafend auf der Bank, und uns beiden wurde, -als sei es gar nicht anders denkbar, das einzige Bett als Schlafstätte -angeboten. Natürlich lehnten wir ab. Aber es bedurfte erst eines -endlosen Hin- und Herparlamentierens, bis sich unsere Wirte endlich -fügten und die Frau des Hauses die Kinder von der Bank wieder ins -Bett legte. Während wir auf Schaffellen auf dem Boden unser Lager -bereiteten, legte sie mit größter Ungeniertheit Rock und Bluse ab, -schlüpfte zu den Kindern, ihr Gatte dazu, und bald hörte man nichts als -tiefe ruhige Atemzüge. - -Die Luft war stickig; denn die Tür war fest geschlossen. Dazu machte -sich bald das übliche Ungeziefer bemerkbar, trotzdem ich meinen -Schlafsack so voll Insektenpulver geschüttet hatte, daß ich selbst kaum -schnaufen konnte. - -Mein Reisekamerad wachte auf, und so kamen wir ins Gespräch, flüsternd, -während vom Bett in der Ecke her das Atmen der Familie zu uns -herüberdrang. - -Mir war schon unterwegs das eigenartige Braun und der scharfe Schnitt -der Züge meines Reisekameraden aufgefallen, und so fragte ich ihn, -woher er stamme. - -„Araber, aus Damaskus; nach dem ersten Balkankrieg kam ich herüber.“ - -Ich mußte plötzlich daran denken, wie ich in den Dezembertagen jenes -unglücklichen Krieges vor dem verzweifelten Angriff der Bulgaren auf -Tschataldscha bei dem Ritt an die Front unweit Derkeskoj jenem frisch -aus Damaskus eingetroffenen Araberregiment begegnete, das sich in -Aussehen und Haltung so sehr von den bei Kirkilisse geschlagenen und -nach der Tschataldschalinie zurückflutenden Türkentruppen unterschied. - -Ich fragte ihn, ob er jenem Regiment angehört, und als er bejahte, -folgte Erinnerung auf Erinnerung an jene Zeit und Gedankenaustausch -über das, was dann kam, den Weltkrieg, den Zusammenbruch, den Sturz des -Kalifats und das Sinken des Halbmondes. - -Es war eine seltsame Unterhaltung, die sich in dem engen, finsteren, -schwülen Zimmer entspann, während vom Bett her jetzt lautes Schnarchen -herüberdrang und das unruhige Hin- und Herwerfen der von Ungeziefer -geplagten Kinder. - -„Ich gehe jetzt bald wieder hinüber“, meinte der Reisekamerad. - -„Wohin?“ fragte ich. „In Konstantinopel sind die Engländer, in -Kleinasien Griechen und Italiener, in Syrien die Franzosen.“ - -„Allah wird es wenden...“ Er brach ab. Aber es war, als füllte sich -plötzlich das Zimmer mit einer unheimlichen, die Wände sprengenden -Kraft, und als dröhnten in der Ferne Trommeln und wieherten Rosse. - -Als ich am nächsten Morgen bei grauendem Tag weiterritt, war es -unmöglich, den liebenswürdigen Wirten Bezahlung aufzudrängen. So hing -ich wenigstens der Kleinsten eine Holzperlenkette um den Hals, die ich -vorsorglich in mein Gepäck getan. - -Dann reichte ich dem Araber die Hand. Wir wußten, daß wir beide -dasselbe dachten, und so brauchte es zum Abschied nur das eine Wort -„Inschallah! -- Gott gebe es!“ - - - - -41. Auf einer Zuckerrohrplantage. - - Cañamina. - - -Im hochgelegenen Irupana war es kühl gewesen, wie an einem bewölkten -Frühlingstag in Deutschland. Aber hat man den Paß hinter sich, ist -stundenlang über den sanft sich senkenden Rücken geritten und hat den -Abstieg in scharfen Serpentinen zum Bett des Rio de La Paz hinunter -vollendet, eines bei La Paz entspringenden Quellflusses des Beni, so -wird es wärmer und wärmer. Ab und zu sieht man zwischen Büschen, an -deren Stelle mehr und mehr Palmen treten, den Fluß heraufschimmern, -ausgegossen zwischen die steilen Felsmauern wie flüssiges Blei. Das -erstemal erschrickt man, wenn man dieses zwei- bis dreihundert Meter -breite, mattfarbene Band erblickt, -- wie soll man da hinüberkommen? -Aber bald sieht man, daß es das sandige, steinige Flußbett ist, das der -Fluß nur in einzelnen schmalen Linien durchzieht. - -Es wird schwül wie in einem Gewächshaus. Seltsame Pflanzen schießen zu -beiden Seiten des Weges hoch. Haushohe Kakteen von einem weißlichen, -verwitterten Graugrün, die aufeinandergetürmt sind wie Reste -zerbrochener Säulen oder wie unheimliche, schlanke Monolithe. Von ihren -Stacheln hängt ein seltsames fahlgrünes Moos herunter, das auch alle -andern Bäume und Pflanzen zu überziehen beginnt, eine Wucherpflanze, -zäh wie Draht, die auf alle Äste und Zweige klettert, das letzte Grün -der Bäume erstickend, bis von den gebeugten, sterbenden Stämmen gleich -Greisenbärten nur mehr das tückische Moos hängt, und sie, bis ins Mark -zerfressen, zusammenbrechen. - -Unten im steinigen Flußbett aber glüht und brennt die Sonne zwischen -den hohen Felsmauern wie in einem Feuerofen. - -Sorgfältig die Spuren zwischen den Steinen lesend, sucht und findet man -die Furt. Bis über den Bauch geht dem Tier die schmutzig braune Flut. - -Jenseits mündet ein Tal. Zwischen Urwaldrankwerk führt ein schmaler -Pfad. Bald darauf ein Bananenhain und Bambusrohrhütten. Vor einer der -Hütten hockt eine alte Negerin, vom Halse herunter hängt ein Kropf, -nein, ein Dutzend Kröpfe, in der schlaffen Haut liegen sie wie Bälle -in einem Netz. Ein junges Weib neben ihr platt auf dem Bauch, die -straffen Brüste vor sich ausgebreitet und an jeder einen Bengel säugend. - -Es sind Neger, die hier arbeiten, des Fiebers wegen, das den Indianer -gleich dem Weißen angreift. Hier beginnt die königreichgroße Finca des -Sindicato Industrial, die erste Finca des Syndikats „Miguillo“. Der -Weg zur Hacienda führt durch eine Allee von Sisalagaven, ungeheuern -Pflanzen, die ihre harten, scharfen, spitzen Blätter wie Schwerter über -den Weg strecken, so daß es schwierig erscheint, unverletzt dazwischen -durchzukommen. - -Von hier an beginnt das lichte Grün des Zuckerrohrs, sich in der Ferne -wie eine unendlich frische, saftige Wiese von der dunklen Tönung des -Waldes abzuheben. - -Kreuz und quer über den Fluß, bis das Tal sich weitet, die Hügel -zurücktreten und mitten im lichtesten Grün zwischen Palmen und -Orangenbäumen die blanken Wellblechdächer der Hacienda Cañamina, des -Hauptsitzes des Syndikats, in der Sonne blinken. - -Wo sengende Sonne und Wasser im Überfluß zusammenkommen, da wächst die -Caña, das Zuckerrohr. So viel Wasser braucht die Pflanze, daß selbst -der reichliche Regen hier in den Yungas nicht ausreicht und zwischen -den Reihen der bambusartigen Stauden ständig die Fluten künstlicher -Bewässerung rinnen müssen, welche die von den Bergen herunterstürzenden -Gießbäche speisen. - -Einundeinhalbes Jahr braucht das Zuckerrohr bis zur Reife, bis die -Neger oder Indianer tagtäglich mit ihren meterlangen, schweren, breiten -Messern in die Cañaverales, die Zuckerrohrfelder, hinausziehen, um das -Rohr zu schneiden. - -Harte Arbeit; denn glühend sticht die Sonne, und unermüdlich -umschwirren die Arbeiter Schwärme bissiger Moskitos. Aber immer gibt es -Ruhepausen, in denen das süße Rohr eifrig geschält und gelutscht wird. -Da sieht man überall die schmatzenden, kauenden Gruppen die dicken -Stengel zerbeißen, und aus den Mundwinkeln trieft der schwere süße Saft. - -Bald geht man über schwankendes Gewirr hochgehäufter Rohre, bis die -Mulas kommen, um sie zur Mühle zu schaffen. - -Auch für die Mühle ist der hundert Meter hoch herabstürzende Gießbach -belebende und treibende Kraft, der in enge Röhre eingezwängt zum -Peltonrad hinunterschießt, um die Trapiche, das Walzwerk, zu treiben, -zwischen dem die Caña bis auf den letzten Tropfen ausgepreßt wird. - -Während sich das trocken ausgelaugte Rohr in hohen Haufen stapelt, um -später als Feuerungsmaterial unter den Kesseln zu dienen, rinnt der -Huarapu, der durch die Trapiche ausgepreßte Saft, in große Bottiche, -in denen er sich zum Most wandelt, bis auf mancherlei Umwegen durch -Destillation und Rektifikation als Endprodukt der Alkohol gewonnen ist. - -Auch hier ist es nicht Zucker, der aus der Caña erzeugt wird; Alkohol -bringt mehr Geld. Er bringt viel Geld. Die Lata zu 20 Liter wird zu 43 -Peso verkauft, mitunter steigt der Preis bis auf 75 Peso. Ein Hektar -mit Caña bestellt, produziert etwa 130 Latas Alkohol. Es muß ein -glänzendes Geschäft sein. - -Der Administrator ist auch sehr zufrieden und er denkt daran, den -Betrieb zu vervielfachen. Der Alkoholbedarf im Land nimmt auch ständig -zu. Der Administrator ist ein außerordentlich liebenswürdiger Wirt, -und so unterlasse ich denn, daran zu erinnern, daß ein ganzes ehemals -gesundes, kräftiges Volk langsam am Alkohol zugrunde geht. - - - - -42. Weg im Fluß. - - Tirata. - - -Das Wasser stieg höher und höher. Jetzt reicht es schon über den Gurt. -Aber schlimmer war noch die rasende Gewalt, mit der es zwischen den -Granitblöcken einherschoß. Schwer kämpfte das Tier. Jetzt glitt es, -sank. Schon fühlte ich seinen Kopf neben dem meinen, schwamm frei im -Strom. - -Aber als, statt zu versinken, der Maultierkopf noch immer an meinem -Gesicht schnupperte, erwachte ich langsam aus dem Traum. Schaukelnd lag -ich in der zwischen einem Eukalyptus und einer Kaktee ausgespannten -Hängematte, und „Jutta“, meine Maultierstute, die ich neben dem -Lager angebunden hatte, stieß mich ärgerlich mit dem Kopfe, da sie -augenscheinlich ihre abendliche Ration aufgefressen hatte und mehr -haben wollte. - -Über mir glitzerte am tiefdunklen Nachthimmel die ganze Überfülle des -südlichen Sternhimmels, und langsam kam die Erinnerung zurück. - -„Reiten Sie auf keinen Fall allein durch den Fluß. Sie kennen die -Furten nicht, und dann: wir sind schon weit in der Jahreszeit, von -einem Tag auf den andern können die Wasser kommen.“ - -So hatte der Administrator von Cañamina dringend abgeraten. Aber ich -hatte mir nun einmal in den Kopf gesetzt, den Weg über den Rio de La -Paz zu nehmen, der eigentlich gar kein Weg ist, sondern ein Wandern -im Flußbett mit hundertfältigem Kreuzen des Flusses, und stellenweise -führt der Weg überhaupt mitten im Fluß, weil rechts und links nichts -ist als steile Felsmauern. - -Beim Abreiten von Cañamina sah es auch wenig verlockend aus. Der Himmel -überzog sich. Es fing an zu tröpfeln, und wir kamen ziemlich durchnäßt -nach Miguillo. Hier fing es in der Nacht aber erst richtig an, und ich -verstand, warum man hier nicht „Regenzeit“ sagt, sondern „Zeit der -Wasser“, und nicht „Es regnet“, sondern „Wasser fällt“. - -Da es aber am nächsten Morgen besser wurde, ritt ich, noch in der -Dunkelheit, los. Es wurde rasch hell, als ich an den Fluß kam. Allein -von der Spur, von der sie in Miguillo gesprochen, war bald nichts mehr -zu sehen; sie verlor sich völlig zwischen den Steinen. - -Also aufs Geratewohl los, und wenn steil an das Flußbett herantretende -Felsen zum Kreuzen des Flusses zwangen, sorgfältig Breite, Tiefe und -Stärke der Strömung geschätzt, und hinein ins Wasser. Ärgerlich nur, -daß die Fluten des Flusses, der allerdings auch den ganzen Dreck und -Unrat der Hauptstadt mit sich führt, unter dem schmutzigen Braun nie -erkennen ließen, was sich unter den Wogen und Wirbeln verbergen mochte. - -Das erstemal ging es ganz gut, wenn ich auch bis über die Knie ins -Wasser kam. Aber dann wurde ich leichtsinnig, und beim Passieren einer -nicht ganz unbedenklich scheinenden Stelle gerieten wir bis über den -Sattel unter das gurgelnde Wasser. Einen Augenblick schien es, als -sollte das Maultier seinen Halt verlieren und als würden wir beide von -der Strömung fortgerissen. Aber dann faßte das starke Tier wieder Fuß -und arbeitete sich mit ungeheuerer Anstrengung ans Ufer. Tropfnaß waren -wir, doch es war wenigstens nur beim Schrecken geblieben. - -Aber als die Mula dann auch noch in einer langgestreckten sandigen -Mulde einmal bis zum Gurt in Schlamm einbrach und ich sie nur durch -raschestes Abspringen wieder herausbrachte, wurde ich vorsichtiger: -ich suchte die Spur, bis ich sie fand, und hielt mich von da an -ängstlich an die wenigen Merkmale zwischen den Steinen: ab und zu die -Spur eines Hufeisens oder eines nackten Fußes. Da aber auch Wind und -Wasser stellenweise sonderbare Zeichen in den Sand gegraben hatten, die -menschlicher oder tierischer Spur täuschend ähnlich sahen, segnete ich -die Verdauung der Mulas und Esel, deren „Tierisches, allzu Tierisches“, -von Zeit zu Zeit freudig begrüßt, unverkennbare Beweise bildete, daß -ich mich auf dem richtigen Weg befand. - -So war ich in zwölfstündigem ununterbrochenem Ritt nach Ornuni gelangt, -der ersten Tagesstation, d. h. ganz Ornuni besteht nur aus einer -windigen schiefen Bambushütte, in der zwei alte Indianerinnen hausen. -Aber es gibt hier wenigstens frisches Wasser, ab und zu Futter und -einige Bäume, die bei Unwetter bescheidenen Schutz gewähren, und so -ist der Platz zum Übernachten immer noch besser als das steile, kahle, -steinige Flußbett. - -Am nächsten Morgen ging’s früh wieder heraus; denn die Tagesstrecke -war wieder lang, und das Schwierigste stand noch bevor: die Angosturas, -die Felsengen. - -Das Flußbett wird enger und enger. Immer häufiger geht es in ständigem -Zickzack kreuz und quer durchs Wasser. Aber der Pfad, der unter den -Felsmauern hinläuft, wird immer schmaler, bis er sich völlig im Wasser -verliert. - -Man steht vor einem Schlund. Zwischen senkrechten Felswänden, die zum -Himmel ragen, rauscht unheimlich gurgelnd und wirbelnd der Bergfluß -herab. Es hilft nichts. Der Weg führt im Fluß, hinein ins Wasser. - -Ich habe keine Ahnung, führt der Pfad im Wasser am rechten, am linken -Ufer, in der Mitte, geht es erst links, dann rechts? Es hilft nichts... -hinein! - -Bis an die Bügel, bis an die Knie, bis zum halben Oberschenkel steigt -die Flut. Unheimlich gurgelt und rauscht es. Mit aller Macht kämpft das -Tier gegen den Strom. In Windungen führt die Klamm. Man sieht nichts -als die alles einschließenden Felsmauern, und unter sich die reißende, -schmutzige Flut. - -So ging es hintereinander durch drei Schluchten. Dazwischen schwer -passierbare Engen, wo man auf und ab über Granitblöcke und Felsgeröll -klettern mußte. Kurz vor meiner Reise las ich den Roman eines -bolivianischen Autors, Alcides Arguetas, in dem dieser Weg im Fluß -die Hauptrolle spielt und seine Passage als gefährlichstes Abenteuer -hingestellt wird. Freilich, wenn die Wasser fallen und wenn von -den Felsen herunter die „Mazamorra“ hereinbricht, der gefährliche -Bergrutsch, dann mag es eine verteufelte Lage sein in den Angosturas, -in denen man gefangen ist wie in einem unentrinnbaren, tückischen Käfig. - -Und trotzdem die Sonne schien, war auch ich im Grunde recht froh, als -ich die letzte Enge passiert hatte und am Horizont des sich weitenden -Tals das stark leuchtende Grün von Tirata vor mir sah, der ersten Finca -am Fluß. - - - - -43. Die Seele des Indio. - - La Paz. - - -Allerseelen. Die Glocken läuten. Übervoll sind die Kirchen. Man ist -fromm und gut katholisch in Bolivien. In der Mitte auf den Bänken -die Frauen und Mädchen der „Weißen“, olivbraun, im dunklen, den Kopf -einhüllenden Manto, die sonst auf dem Prado flirtenden Augen auf das -Gebetbuch gesenkt. - -Die Orgel erklingt. In Seide und Gold eifert von der Kanzel der -Priester: „Denkt der Verstorbenen, betet für ihre Seelen!“ Ja, ja, es -sind die Malquis, die Toten, die wiederkommen und in ihre alten Körper -schlüpfen, wenn man an sie denkt, unsichtbar zwar, aber darum nicht -weniger wirklich. Sie sind mächtige Geister jetzt, die schützen und -strafen können. Man darf ihrer nicht vergessen. Auch der Priester sagt -es. - -Es ist ein großes Fest, das für die Toten. Seit acht Tagen ist der -Markt übervoll, weit über die Straßen hinaus gequollen, die er -gewöhnlich füllt. Zu den Gemüsen und Früchten, die sonst feilgeboten -werden, zu den Ocas, Tuntas und Chunos, zu den Bananen, Orangen und -Limonen, zu den Ananas, Paltas und Datteln, zu dem Charqui, dem -getrockneten Hammelfleisch, und dem Aji, dem brennend scharfen roten -Pfeffer, sind noch als Votivgegenstände hinzugekommen die goldbemalten, -nackten Holzpuppen, weiß natürlich, mit hellblondem Haar, Lamas und -Puppen aus Teig. Vor allem aber sind Kuchen aufgebaut, über das -Pflaster ausgebreitet, Kuchen in Hunderten von Arten und Formen, runde -und eckige, Kringel und Brezeln. Ein europäischer Weihnachtsmarkt ist -armselig dagegen. - -Es wogt von roten, grünen, blauen, orangenen und violetten Ponchos und -Sayas, den bunten Überwürfen der Männer und Frauen. Und die Indianer -kaufen und kaufen. Der Indianer, der sonst für einen „Bob“ stundenweit -die schwerste Last schleppt, der für ein Zehncentavostück als -Draufgabe eine Viertelstunde lang in der demütigsten, jämmerlichsten -Weise betteln und winseln kann, wirft heute mit den Fünf- und -Zehnpesoscheinen nur so um sich. Er, der sonst armseliger vegetiert als -ein Hund, lebt und arbeitet ja nur für seine Feste. Um wenige Tage zu -schlemmen und zu prassen, darbt er ein Jahr lang. - -Mit riesigen Körben kommen die Indianer und kaufen, kaufen, bis die -Behälter übervoll sind und sie zu zweit, zu dritt und viert schleppen -müssen. Aber man muß sich gut vorsehen. Die Toten kommen ja wieder, -nehmen Gestalt an, essen und trinken mit. Sie sind tüchtige Esser und -wackere Zecher, die Toten. - -Wenn man feiert in Bolivien, tut man es nicht unter einer Woche. Am -Tage vor Allerheiligen geht man zuerst auf den Friedhof, und erst sechs -Tage danach verklingt die letzte Rohrflöte. - -Natürlich ist das Fest auf dem Friedhof. Dort wohnen ja die Toten, -und man muß zu ihnen kommen. Ist es entheiligend, zwischen Gräbern zu -schmausen, zu zechen und zu tanzen? Ach nein, höchstens fremdartig -für ungewohnte Augen; denn die Toten, der verstorbene Vater, der -verschiedene Gatte, das tote Schwesterchen sitzen ja mitten darunter, -essen und trinken mit, lachen, scherzen und freuen sich mit den -Lebenden. - -Ein lebensgefährliches Gedränge herrscht vor dem Friedhof, der hoch -über der Stadt liegt und einen Blick auf das Eis- und Felspanorama -der Anden bietet, der sich mit dem schönsten in der Welt messen kann. -Auto auf Auto rattert heran. Wo kommen sie nur alle her? Und in ihnen -leuchtet es in bunten Farben. Was sonst barfüßig, lastenschleppend -über das holperige Pflaster trottet oder von früh bis spät auf dem -Markt oder in den kleinen Kramläden auf dem Boden hockt, kommt heute -im Auto daher. Besonders die Cholas, die Mischlingsfrauen, prangen -in ihrem ganzen Staat. Seidene Tücher über weit abstehenden, kurzen -Brokatröcken, graue oder lichtgelbe elegante Schnürstiefel, die bis -über die halbe Wade reichen, die Ohrläppchen heruntergezogen von den -schweren Perlengehängen. Auch die Indianerinnen, die sonst von Schmutz -starren, sind heute in neuen, bunten Tüchern. Es flimmert, leuchtet und -flammt in allen Farben. - -Kaum kann die Kette der Schutzleute vor dem Gittertor des Friedhofes -die Masse bändigen. Man ist zivilisiert in La Paz und duldet die -tollsten Orgien nicht auf dem Friedhof. So trifft man eine Auswahl -unter denen, die hineindürfen. - -Diese Glücklichen lassen sich zwischen den Gräbern nieder. Erst ein -Gebet, dann werden die Körbe ausgepackt. Wie riesige farbige Blumen -sehen die kauenden, schmausenden Frauen in ihren bauschigen Röcken -zwischen den niederen Miniaturgewölben auf den Gräbern aus. - -Das andere Volk aber lagert sich rings um den Friedhof. Er wäre ja auch -viel zu klein, all die Tausende aufzunehmen. Bis weithin an den Rand -der Puna, der Hochfläche, leuchtet es bunt wie Frühlingsblumen in den -Wiesen und in den Gerstenfeldern. - -In zwei in spitzem Winkel aufeinanderstoßenden Reihen sitzen sie, -auf der einen Seite die Männer, auf der andern die Frauen. In der -Mitte zwischen den Vorräten die einladenden nächsten Angehörigen -der Verstorbenen. Eine alte Frau teilt aus. Sie häuft die Teller: -Kuchen, Früchte, Zuckerrohr. Die bereits Bedachten warten mit dem -Teller auf den Knien, bis alle versehen sind. Dann ein Gebet und ein -Kreuzschlagen, und mit einem Ruck werden als erste die Schnapsgläser -geleert, die zwischen Kuchen und Früchten standen. - -Ja, Schnaps! Das ist ja das Wichtigste. In mächtigen Blechkannen wurde -er heraufgeschleppt. Und ein Mädchen steht auf, macht die Runde mit -solch einem Blechtopf und schenkt immer wieder ein. - -Lallen und Rufen, Schwelgen und Lallen, und dazwischen das monotone -Murmeln von Gebeten. Bis irgendwo die erste Flöte erklingt, und der -erste Tanzrhythmus anhebt. Einer steht auf: „Unser Toter war fröhlich -in seinem Leben, und er will, daß auch wir es sind.“ Das ist das -Zeichen zum Tanz. Freilich die hauptstädtische Polizei schließt früh -die Friedhofstore. So zieht sich der zweite Teil des Festes immer mehr -auf die Felder, die Umgebung und in die Häuser zurück. - -Hier aber tönen jetzt in der Dämmerung überall die Rohrflöten zu -den großen Trommeln. Und wer es hat, leistet sich noch ein paar -Blechinstrumente dazu. - -Inkamusik! Uralte Melodie. Sie kennt nicht mehr als fünf Noten. Es ist -ein monotoner, aber unheimlich aufreizender Klang. Ein Rhythmus, der -das Blut peitscht. - -Sie tanzen. Ein einförmiges Stampfen und wildes Drehen. Die Röcke -fliegen. Die Köpfe schaukeln im Takt. Nicht Ordnung noch Regel -gibt es bei diesem Tanz. Da tanzen Mann und Weib, erhitzen sich -immer mehr, greifen sich, fassen sich bei den Händen, wirbeln eng -aneinandergepreßt. Da tanzt ein Mann allein oder eine Frau. Oder einer -greift sich zwei Frauen oder ein Mädchen zwei Männer. - -Die Nacht fällt. Unermüdlich quäkt die Rohrflöte, dröhnt die Trommel. -Das Blut brennt, die Leiber taumeln. Aus dem lehmgestampften Hof -schwankt ein Paar hinaus. Männer werfen Mädchen zwischen den grünen -Halmen der jungen Gerste zu Boden. „~Ya bailó~“, „sie tanzte schon“, -sagt man von dem Mädchen, das seine Jungfernschaft verlor. Es ist -keine Schande, im Gegenteil. Es ist Bestimmung und Wunsch der Toten. -Tod fordert Zeugung. Die Flöte quäkt. So sproßt aus dem Fest der Toten -neues, junges Leben. - - - - -44. Indianerwallfahrt. - - Copacabana (bolivianisch-peruanische Grenze). - - -Sobald der Dampfer die Enge von Tiquina hinter sich hat, beginnt der -Tag zu sinken. Wie eine dunkle Masse hebt sich bald über die Flut die -Sonneninsel des Titicacasees, deren Zacken eben noch scharfe Konturen -in den Horizont schnitten. - -Dämmer und Nebel weben. Es ist, als stiegen Gestalten aus dem See, -dessen Inseln und Ufer Sitz und Wiege der Urvölker des Kontinents -waren. Seine Wasser spülen an die Kaimauern der längst versunkenen -Metropole Tiahuanacu. Von der Sonneninsel aus traten die Inkas ihren -Eroberungszug an. Schatten vergangener Zeiten umwallen das Schiff. Das -Herz klopft lauter. - -Plötzlich erklingen Glocken hell und stark. Der volle Mond steigt auf, -die Nebel versinken, die Schatten zerreißen. Unmittelbar aus dem See -erheben sich steile Felsen, dazwischen öffnet sich ein weites Tal, aus -dem die Glocken tönen. Licht schimmert. - -Copacabana, die Wallfahrtskirche, die als kostbaren Schatz die „heilige -Jungfrau vom See“ birgt, nimmt jetzt den Platz ein, wo ehemals -Inkapriester opferten. Die Glocken klingen lauter, der Spuk versinkt. - -[Illustration: Westwand des Illampu.] - -[Illustration: Indianerdorf in der Puna.] - -[Illustration: Nordostflanke des Illimani.] - -Wie ein mächtiger Tempel hebt sich der kuppelreiche Bau über die sich -tief duckenden niederen Lehmhütten. Eine sauber gepflasterte Straße -führt mitten hindurch. Plötzlich treten die Häuser zurück, ein -weiter Platz öffnet sich. Hinter zinnenreichen Mauern liegt die Kirche. -Geheimnisvolle Feuer flackern an ihrem Fuß. In dem ungewissen Dämmer -erscheint der Bau wie eine phantastisch-gewaltige Burg. - -Die Feuer vor der Kirche sind Garküchen, die köstlichen heißen Kaffee -schenken. Die darumhockenden Indianerinnen weisen den Weg in die -Pilgerhäuser, wo die gastfreien Padres den Wallfahrern kostenfreie -Unterkunft gewähren. - -Copacabana weist dieses Jahr nicht den sonst üblichen Massenbesuch -auf. Der Dampfer war fast leer. Mitfahrer erzählen mir, daß sich in -früheren Jahren die Passagiere Kopf an Kopf drängten. Revolution, -Indianerunruhen, Kriegsdrohung mögen die Ursache sein, und -vielleicht nicht zum mindesten die Verdoppelung der Tarife durch die -Dampfergesellschaft. Teuerung auch hier. - -Aber man genießt den Zauber dieses Ortes, der sich an landschaftlicher -Schönheit mit den berühmtesten Wallfahrtsstätten des alten Kontinents -messen kann, vielleicht noch mehr, wenn nicht alle Plätze von Menschen -überfüllt sind. Und die Kirche wird trotz des geringeren Besuches -nicht leer. Unermüdlich ertönt hier die Huldigung an die Jungfrau. -Blumengeschmückt hebt sie sich auf ihrem Tragsessel über die Menge, im -Blumenschmuck prangt die ganze Kirche. Das Braun und Gold der alten -Altäre verschwindet völlig unter Rosen und andern Blumen. - -Andächtig liegt die Menge auf den Knien, Indios und Cholas in bunter -Anzahl. Dazwischen die Frauen, die ihre Kinder vom Rücken herabgenommen -und vor sich gelegt haben. Die grellen Farben der Ponchos und -Frauentücher leuchten wie bunte Flammen. Die Orgel tönt. Unermüdlich -geht der Gesang: „Heilige Jungfrau Maria, Mutter Gottes, bitt für uns.“ - -Hinter der Kirche träumt der stille Frieden des Konvents. Die Inkablume -läßt ihre roten Glocken hängen. Ein Brunnen rauscht. - -Vor dem Tor hockt noch immer der zerlumpte Bettler, der sich, wenn -jetzt der Tag zur Neige geht, enger in seinen zerrissenen Poncho -wickelt. - -Der Weihrauchduft hängt noch in den Kleidern, die Hymnen klingen nach -im Ohr, als ich den Hügel hinansteige. Einen intensiven Goldglanz -breitet die sinkende Sonne über die Landschaft. Wie sie jetzt in den -See taucht, färbt sich seine Flut blutrot. Ein glühendes Kohlenbecken, -liegt der See zwischen den Felsen. Krieg, Krieg, ruft das flackernde -Rot, aber da tönen von unten herauf wieder Glocken. Das allzu grelle -Licht verblaßt zu sanftem Rosa, und in stillem Frieden verscheidet der -Tag. -- - - * * * * * - -In seinem bekannten Werke über Südamerika bringt Jakob von Tschudi -die Nachbildung einer Darstellung einer Prozession zur Ehre der -Muttergottes von Copacabana. Die Originalzeichnung rührt von einem -einheimischen indianischen Künstler her, und sie ist so eigenartig in -ihrer naiven und doch bezeichnenden Schilderung, daß ich die Leser -meines Buches mit ihr bekannt mache. - - - - -45. Indianeraufstand. - - Copacabana. - - -Das Maschinengewehrfeuer war verhallt, die Revolution hatte gesiegt. -Bewaffnete Aufständische an allen Straßenecken, die Gefängnisse voll -von Ministern und Beamten der gestürzten Partei. Auf der Plaza von La -Paz wollte das Viva-Rufen auf die neuen Machthaber kein Ende nehmen. - -Aber mit sinkendem Tag legte sich der Jubel. Gerüchte rannten durch die -Stadt, Gespenster. Begegnende tauschten hastige Worte: Was werden die -Indios machen? - -Die Indianer! Gewiß, die neue Revolutionsregierung hatte sich ja auch -an sie gewandt. Recht und Freiheit allen Unterdrückten! Aber man -konnte nie wissen. Auch als Bundesgenossen konnten sie gefährlich -werden. War es nicht in der Revolution der neunziger Jahre, als die -Konservativen gestürzt wurden? Damals hatte man die Hochlandsindianer -bewaffnet; aber schließlich kannten sie weder Freund noch Feind, nur -noch Blancos, Weiße, gegen die jahrhundertelang gebändigter Haß endlich -Rachemöglichkeit fand. Eine ganze Schwadron, die sich, von den Indios -gejagt, in eine Kirche geflüchtet, wurde dort abgeschlachtet, daß -Fliesen und Pfeiler im Blut schwammen.... - -Die Nacht verging ohne Störung; -- auch die folgenden Tage. Aber die -Gerüchte blieben. Auf der Puna, dem Andenhochland, waren die Indianer -aufgestanden. - -In graubrauner Monotonie dehnt sich die grandios-traurige -Unendlichkeit des Hochplateaus. Auf den Stationen Militär, Gendarmen, -Gefangene. Es sind nur einige Fincas, heißt es, auf denen die -Indianer sich empörten, die Gutshäuser angezündet und die Verwalter -niedergemetzelt haben. Man wird mit ihnen bald fertig sein. -- - -Hinter der Kühle des Kreuzgangs des Klosters am See, den blutrot die -Inkablume umrankt, liegt das Zimmer des Priors. Wir sitzen beisammen -und plaudern. Neben der Bettstatt steht ein Gewehr. Auch in den Zellen -der Mönche sah ich die Waffe. - -„Warum?“ - -„Man kann nie wissen“..., über das kluge, faltenreiche Gesicht huscht -kaum merkbares Lächeln, „-- freilich, die Jungfrau von Copacabana ist -unser bester Schutz. An sie werden sich die Indianer nicht wagen. Aber -immerhin -- es ist besser so.“ - -Die heilige Jungfrau von Copacabana ist mehrere hundert Jahre alt. Die -ersten bekehrten Indianer schufen sie. Vielleicht wollen sie kommen, -sich ihr Eigentum wiederzuholen. - -Längs des gegenüberliegenden Seeufers dehnen sich kilometer-, meilen-, -königreichweit die Fincas Goytias. Ein typisch amerikanisches -Schicksal: vom indianischen Maultiertreiber brachte er es zum -vielfachen Millionär und einflußreichsten Manne im Staat. Heute liegen -die Fenster seines Palastes in La Paz in Scherben. Er selbst ist -landflüchtig. - -Die Hörigen auf seinen Gütern, die er mehr bedrückte als jeder Weiße, -trotzdem er oder vielleicht weil er eines Stammes, einer Rasse -mit ihnen ist, witterten Freiheit. Sie standen auf und schlugen -ihre Sklavenhalter nieder. Die Revolution hatte doch Freiheit und -Gerechtigkeit gebracht! - -Aber keine Revolution kann an den Grundlagen ändern, auf denen dieser -Staat ruht. Es ist die harte Herrschaft über die Masse der Farbigen, -die eine kleine Schicht ausübt, die sich Blancos nennt, in deren -Adern aber viel Indianerblut fließt. Und so schickt auch die neue -revolutionäre Regierung Truppen gegen die Empörer, muß es tun, um ihrer -eigenen Existenz und Sicherheit willen. - -Die Truppen tun ihre Arbeit wie immer. Kurz, blutig, grausam. Sie tun -es, obwohl ihre Haut die gleiche Farbe aufweist, ihre Züge den gleichen -Schnitt wie jene, auf die sie ihre Maschinengewehre richten, sie tun -es, obwohl sie selbst auf eisig kalter, winddurchbrauster Puna auf dem -Lehmboden armseliger Hütten das Leben empfingen und aufwuchsen. - -Gefangene überall, an allen Stationen, auch in La Paz. Offen werden -sie über den Markt geführt. Die grauen Uniformen säumen die bunten -Ponchos ein, aber die Gesichter sind dieselben. Eigentlich ist es nur -eine dünne Decke, die die Herrschaft der „Weißen“ trägt, fatalistischer -Glaube an die Macht der Blancos und die Uneinigkeit der Ureinwohner. - -In dem Bündel eines der Indianer, das dieser heimlich fortzuwerfen -versuchte, fand man noch einen mit Chunos zusammengekochten -menschlichen Arm. - -Es ist ein uralter, unerbittlicher Haß, der sich unter sklavischen -Formen verbirgt und der unter der Decke glüht. - - - - -46. Der amerikanische Himalaja. - - La Paz. - - -Eines schönen Tages wird nach Bolivien ein findiger Yankee kommen, -dessen Sinnen nicht nur auf Minen und Bergwerke, auf Kupfer und -Zinn eingestellt ist, wie es bisher bei allen seinen Landsleuten -war, sondern der auch einen Blick für die unendliche Schönheit der -Landschaft übrig hat. Er wird zu seiner Überraschung finden, daß -dieses von Fremden und Touristen noch kaum berührte Land dicht -aneinanderreiht: eine Eis- und Bergwelt, gegen die die Schweizer Berge -klein und ärmlich erscheinen, die Tropenwunder Indiens und die gesunde, -trockene Hitze Ägyptens. Und dieses alles ist von New York aus -- sind -erst einmal die Verbindungen ausgebaut -- nicht schwerer erreichbar -als Europa. Dann werden sich dort, wo bisher nur ärmliche Indios ihre -Lamas trieben, Kurhäuser, Hotels und Sanatorien erheben. In weniger als -Tagesfrist wird man im bequemen, bald zu heizenden, bald zu kühlenden -Aussichtswagen durch alle Klimate der Welt fahren können, und auf die -bisher unersteigbaren Eisberge werden bequeme Bergbahnen leichten -Zutritt ermöglichen. - -Doch halt! Eine Schwierigkeit vergaß ich, eine Sperre, die die Natur -zog und die vielleicht doch verhindert, daß hier auf dem Dache -Südamerikas einmal der bevorzugteste Luftkurort der New Yorker -„Upper Ten“ ersteht. Die bolivianische Hochebene, von der aus die -Bergwände gen Himmel streben und von der schluchtartig abstürzende -Täler unmittelbar in die subtropischen und tropischen Provinzen -hinunterführen, liegt 4000 Meter hoch. Nur ein ganz gesundes Herz -vermag diese Höhe zu ertragen, und selbst den Gesunden, Kräftigen fällt -in der ersten Zeit oft genug die Soroche, die Bergkrankheit, an. Obwohl -ich selbst ohne allzu fühlbare Beschwerden von Antofagasta aus diese -Höhe erreichte, so bekam ich doch die ganze Gewalt der Bergkrankheit zu -spüren, als ich allzu leichtsinnig bereits am ersten Tag auf den Vulkan -Ollague zu klettern versuchte. Von seinem Krater trieb mich in 5000 -Meter Höhe die Soroche zurück. - -Später lernte ich auch die 5000-Meter-Zone ohne Atemnot und -Herzbeklemmung erreichen. Allein die Beschwerden und Schwierigkeiten -der dünnen Luft steigen im quadratischen Verhältnis mit jedem Meter -weiterer Höhe, und so ist noch ein weiter Schritt von den 5000 bis zu -den 6000 und 6600 Meter Höhe, die die Eisspitzen des bolivianischen -Bergmassivs erreichen und überschreiten. - -Hierin und in dem Mangel jeglicher alpiner Hilfsmittel, in dem Fehlen -von Schutzhütten und Stützpunkten, in der Unmöglichkeit, Führer oder -Träger zu beschaffen, liegt der Grund, daß die ganze Bergwelt der -bolivianischen Fels- und Eisriesen bis heute so gut wie unerschlossen -ist; der Anfang zu einer alpinen Erforschung wurde erst vor einigen -Jahren gemacht. - -Ein Unternehmen wie die geplante Besteigung des Mount Everest -beschäftigte monatelang die ganze Welt. Aufsätze und Bilder von -dieser Expedition gingen, trotzdem sie nicht zum Ziele kam, durch die -Presse aller Länder. Von den erfolgreichen, kaum weniger schwierigen -Versuchen aber, die ein paar junge, unternehmende Deutsche an die -Eroberung der Eisspitzen des „amerikanischen Himalajas“ wagten, ist -kaum über Bolivien hinaus Kunde gedrungen. - -Vier Deutsche, Adolf Schulz, Rudolf Dienst, Eduard Overlack und Bengel, -waren es, die während des Krieges auf dem 6405 Meter hohen Illimani die -deutsche Fahne aufpflanzten. Rudolf Dienst und Lohse bezwangen außerdem -den um ein weniges niedrigeren, aber noch schwerer ersteigbaren Huaina -Potosi, während sich den Anstrengungen des unermüdlichen Rudolf Dienst -im Verein mit Schulz schließlich selbst der höchste Berg Boliviens, der -Illampu, beugen mußte, an dessen steilen Eiswänden im Jahre 1898 der -englische Bergsteiger Sir Martin Conway gescheitert war. - -Monatelang hatte ich in La Paz von meinem Häuschen aus, das wie ein -Nest am Berghang hing, das Massiv des Illimani vor mir. Ich sah es -morgens in dem intensiven Rot des Rosenquarzes aufleuchten und sah es -über das schimmernde Weiß seiner Schneefelder und Gletscher und über -den Purpur des Abendglühens bis in die tiefen Schatten der blauen -Stunde verdämmern. Einmal umritt ich in tagelangem Ritt das ungeheuere -Massiv dieses Bergblockes und erlebte, zwischen Palmen und Bananen -reitend, das Märchenwunder, aus blauem und grauem Felsgetürm die -blendend weiße Eisspitze des Berges in den tiefblauen Himmel stoßen zu -sehen. - -[Illustration: Bergwerk in der bolivianischen Kordillere.] - -[Illustration: Mazamorra.] - -[Illustration: Der Morro bei Arica.] - -[Illustration: Südbrasilianische Kolonisten.] - -Um einen Begriff von den Schwierigkeiten der Besteigung des Illimani -zu bekommen, muß man sich klarmachen, daß die indianischen Träger -in blinder Gespensterfurcht vor den Berggeistern sich weigerten, -die Gletscher zu betreten, daß Decken, Schlafsäcke und Lebensmittel -unter der Firngrenze zurückgelassen werden mußten. Ohne genügende -Mäntel, nur mit dem nötigsten Proviant wurde die Eisregion angegangen, -nachts hockten die Bergsteiger frierend auf dem blanken Eis, tagsüber -erklommen sie die Felsgrate und schleppten obendrein die schwere -Fahnenstange mit der deutschen Flagge in der eiskalten, dünnen Luft. - -Dabei empfingen die kühnen Besteiger, als sie nach ungeheueren -Anstrengungen und Mühen schließlich wieder heruntergestiegen waren, -zunächst nur Angriffe, Hohn und Spott. Es war mitten im Krieg, und man -war um diese Zeit in Bolivien nicht sehr deutschfreundlich. - -Die Behauptung der Bergsteiger, den Illimani bezwungen zu haben, -wurde zunächst glatt als Lüge abgetan. Man suchte den Gipfel des -Berges nach der angeblich dort aufgepflanzten Fahne ab, und als -man sie nicht entdeckte, wurde von der Geographischen Gesellschaft -von La Paz ein Dokument aufgesetzt, das das Nichtvorhandensein der -Fahne feststellte und die Behauptung von der Ersteigung als unwahr -zurückwies. Dieses Dokument sollte gerade im Observatorium der Jesuiten -unterzeichnet werden, da stürzte einer der Herren, der nochmals mit -dem großen Teleskop die Bergspitze abgesucht hatte, aufgeregt in das -Beratungszimmer und schreckte die dort Versammelten mit dem Rufe: „Die -Fahne ist da!“ Die Beleuchtungsverhältnisse hatten sich geändert, und -tatsächlich konnte man deutlich die Flagge sehen. - -Nun brach aber erst recht ein Sturm der Empörung aus, und unter -Führung der alliiertenfreundlichen Presse entrüstete sich das ganze -Land, daß man gewagt habe, die deutsche Fahne auf dem bolivianischen -Berg aufzupflanzen. - -Wochenlang dauerten diese Schmähungen und Angriffe. Die kühnen -Bergsteiger ließen sich dadurch nicht anfechten. Es kam ihnen nicht auf -den Ruhm, sondern lediglich auf die alpine Leistung an, und sie gingen -darum nur noch unauffälliger an die weiteren Erstbesteigungen, die sie -vorhatten. In der Folge wurde der unersteigbar scheinende Grat des -Huaina Potosi bezwungen und endlich auch der höchste Gipfel Boliviens, -der 6617 Meter hohe Illampu. - -Diese letzte Besteigung war die kühnste von allen. Nach den ersten -abgeschlagenen Versuchen, die Spitze zu erreichen, kehrten die beiden -Männer, Dienst und Schulz, erschöpft in das letzte Lager zurück, das -in einer Eishöhle aufgeschlagen war. Der Proviant war bis auf geringe -Reste verzehrt. Die Träger, Bergarbeiter, konnten in ihrem Bergwerk -nicht länger entbehrt werden, und man hatte sie mit den Decken und -Schlafsäcken hinuntergehen lassen müssen. Die beiden gaben trotzdem den -Versuch nicht auf. Da man noch eine Nachtrast im Eis ohne die Gefahr -des Erfrierens nicht wagen durfte, ruhten sie den Tag über in der Sonne -aus und gingen daran, mit Anbruch der Nacht beim Scheine des Mondes -die Eisspitze zu erklettern. Nachdem sie Tag und Nacht geklettert, -erreichten sie um 4 Uhr nachmittags in rasendem, eisigem Sturm die -Spitze. Mit frosterstarrten Händen pflanzen sie eine kleine Fahne auf -und müssen dann eilen, wieder hinunterzukommen. Vor sich haben sie -keinerlei Stützpunkte mehr. Die Träger sind schon unten im Bergwerk. Da -Gefahr besteht, daß sie in ihrem erschöpften Zustand den ganzen, auf -dem Anstieg eingeschlagenen Weg nicht mehr leisten können, beschließen -sie, auf gut Glück eine neue kürzere Linie zu versuchen, durch den -großen Eisschlund, der sich zwischen dem Illampu und seinem 6560 Meter -hohen Zwillingsgipfel Ancohuma auftut. Das Wagnis ist ungeheuerlich. -Ist auf dieser Linie der Abstieg unmöglich, so fehlt den Erschöpften -die Kraft, umzukehren und die Anstiegslinie wieder zu erreichen. Allein -das tollkühne Wagnis gelang, und in etwa elf Stunden führten sie den -Abstieg aus von den 6600 Metern des Gipfels bis zu 3260 Meter, wo das -rettende Bergwerk sie aufnahm. - - - - -47. Mazamorra. - - Arica. - - -Arme Mädel gibt’s, so unglückliche gibt’s... (~Hay pobres mujeres, hay -tan desgraciadas!~) Mit Begeisterung sangen die Soldaten im Kupee, aber -was dann folgte, konnte ich nicht verstehen, so laut kicherten die -Indianermädel; es mußte wohl sehr unpassend sein, denn sie wurden rot, -soweit das bei ihrer braunen Haut überhaupt möglich war, und stolz und -triumphierend sahen sich die Soldaten um und fingen das schöne Lied -immer wieder von vorne an. - -Allein mit einemmal stockten sie mitten im Vers, es gab einen -furchtbaren Ruck, alles purzelte durcheinander, der Zug stand. Die -Gleise entlang liefen Leute, bauten einen Apparat auf, warfen einen -Draht über die Telegraphenleitung und fingen an zu telegraphieren. - -Ich stieg aus und ging nach vorn. Sehr weit über die Lokomotive hinaus -kam ich nicht. Eine Mazamorra war heruntergebrochen. Ein unheimliches -Bild: ein breiter, wandernder Strom zähen Lehmes, der sich die Hänge -herunterwälzte. Fast sah es aus wie eine Heerschar von Ameisen oder -wimmelnden Würmern, endlos, unaufhaltsam, unabsehbar. - -Arbeiter kamen angelaufen, Scharen von Indianern, Spaten und Hacken -über den Schultern, telegraphisch heraufgerufen von La Paz, das -man noch unten im Grunde im Abendlicht verdämmern sah. Sie gruben -und hackten, zogen Kanäle, daß das Wasser abfloß, und stauten den -erhärtenden Schlamm beiderseits der Schienen. Ein Aufseher probierte, -um den Weg abzukürzen, über die Morastdecke zu kommen; bis über die -Knie sank er ein. Der Schlamm wollte ihn nicht wieder freigeben, wie -mit Fesseln hielt er ihn gebunden. Grauenhaft, wenn einen auf einsamem -Ritt in engem Tal die Mazamorra überfällt... - -Am folgenden Morgen passierten wir fröstelnd die dichtverschneite -chilenisch-bolivianische Grenze. Dann ging’s hinunter in rasender -Fahrt, eine Spirale hinunter, in die brennend heiße Wüstenzone der -Provinz Tacna. - -Sand, Stein, Staub. Nackter Fels, glühend, in sengender Sonne. Keine -Pflanze, kein Tier und im Gegensatz zu den Salpeterprovinzen weiter im -Süden auch kein Mineral. Tacna ist das Symbol der Unfruchtbarkeit, und -dennoch kämpften drei Nationen blutig um den Besitz dieser Provinz, -heute noch streiten sie sich darum. Noch war keine Einigkeit um ihre -endgültige Zugehörigkeit zu erzielen, und jeden Augenblick kann neu der -Krieg ausbrechen, der die kaum zur Ruhe gekommene Wirtschaft dieser -jungen, unruhigen Länder wieder auf Jahrzehnte vernichten würde. -- -Mazamorra. - -In Arica, der Hafenstadt der Provinz, wächst ein bißchen Grün, auf das -man sehr stolz ist, und das blauende Meer hilft mit, die Trostlosigkeit -der Landschaft zu überwinden. Vom Dampfer aus sieht man noch lange den -Morro, den Steilfels, den die Chilenen im Pazifikkriege stürmten. - -„Um des Morro willen, um des chilenischen Blutes willen, das diesen -Fels gefärbt, können wir Tacna und Arica niemals wieder aufgeben“, -hatten mir die Chilenen gesagt. - -„Von diesem Fels“, erzählten mir die Peruaner, „stürzten die Chilenen -die Gefangenen ins Meer hinunter. Diese Schmach wird erst gesühnt sein, -wenn das rot-weiß-rote Banner Perus wieder über dem Morro flattert.“ - -Wer den Weltkrieg mitgemacht, kann nur traurig die Achseln zucken, kein -Volk lernt vom andern. - -Die schwarzen, feinen Striche der Langrohrkanonen heben sich noch -lange vom klaren Himmel ab. Der Südchilene, der unverkennbar die -Spuren deutschen Blutes im Antlitz trägt, streckt den hageren Arm -aus und zeigt seiner Frau den Fels; als sechzehnjähriger Junge hat -er ihn mitgestürmt. Die Frau an seiner Seite ist klein, zierlich, -gazellenhaft, mit der pfirsichweichen, bronzebraunen Haut der -Peruanerin. Um sie herum auf der auf dem Deck ausgebreiteten Matratze -spielen drei blonde Kinder. - -Auch die Frau an meiner anderen Seite ist bildschön. Einen Mann hat sie -nicht, nur zwei schwarzlockige, schmutzige Kinder. Die Matratzenlager -der beiden Familien pressen mein Feldbett so eng zusammen, daß kaum -Raum daneben bleibt. Übervoll ist das Deck. Hier sagt man nicht -„Zwischendeck“, geschweige denn „Dritte Klasse“, sondern einfach -„Deck“. Die Schiffsgesellschaft gibt nicht mehr als das Recht, sich -irgendwo auf dem Deck einen Platz zu suchen und dazu mittags und abends -einen Löffel Bohnen. Dafür verlangt sie, für die Strecke von Arica nach -Valparaiso, 85 chilenische Peso. Für den Gegenwert in Mark fuhr man im -Frieden von Hamburg dorthin erster Klasse. - -Ich fahre mit auf „Deck“ mitten unter den Rottos, den chilenischen -Salpeterarbeitern. Es ist der beste Weg, sie kennenzulernen und zu -erfahren, welche Strömungen die Massen bewegen. Immerhin, auf die Dauer -ist das Vergnügen zweifelhaft. Wir fahren fast acht Tage, der Dampfer -schlingert stark, alles ist seekrank. Auch alles übrige wird auf Deck -erledigt. Meine Nachbarin, die ohne Mann, ist so seekrank, daß sie -sich kaum rühren kann. So bleibt mir als Kavalier und schon im eigenen -Interesse nichts anderes übrig, als ihr beizustehen. Dazu gehört auch, -das Töpfchen über Bord zu gießen. Unter uns ist die erste Klasse. -Manchmal weht der Wind stark schiffwärts. Dann werden die da unten von -meiner Tätigkeit nicht sehr erbaut sein. Macht nichts, in der ersten -Klasse können sie auch einmal etwas abbekommen. - -Oben auf Deck ist alles rot, sozialistisch, maximalistisch. Man lebt -nicht umsonst jahrelang in der Hölle der Salpeteroficinen. Sobald der -Dampfer auf der Reede eines Hafens hält und es mit der Seekrankheit -etwas besser geworden ist, wird eifrig diskutiert: Für und gegen -Alessandri. Oder es wird gesungen, mit wahrer Inbrunst und Andacht. -Die Frauen singen mit. Mitschiffs liegt neben ihrem Mann ein starkes, -breithüftiges Weib. Die mächtigen Schenkel deckt nur ein dünner -Rock. Sie hält ein schmutziges, abgegriffenes Heftchen in der Hand -und sie läßt keine Strophe aus. Zu ihren Füßen spielt der Säugling. -Als er zu schreien anfängt, knöpft sie die Bluse auf, legt die -starken, gelblichbraunen Brüste frei und zieht, ohne die Stellung zu -verändern, den Säugling heran, daß er daran liegt wie ein kleines Tier. -Keinen Augenblick stockt dabei ihr Gesang, und in dem langgedehnten -„~Socialiii-sta~“ liegt unendliche Hingegebenheit und inbrünstige -Hoffnung. - -Mit dieser Hoffnung und Inbrunst sahen sie Alessandri den -Präsidentenstuhl besteigen. Noch trägt ihn dieser Glaube. Wird er ihn -sich bewahren können? - -Am Tage nach der Landung in Valparaiso bin ich in Santiago bei -Alessandri im Präsidentschaftspalais. Er ist derselbe geblieben, der er -als Kandidat des Volkes war. Ich wohne einer öffentlichen Audienz bei. -Hunderte von Anliegen muß er in einem Nachmittag erledigen. Dabei liegt -schon ein voller Arbeitstag auf ihm. Man merkt ihm weder Ermüdung noch -Nervosität an; zu der ärmlichen Frau im zerrissenen Rock spricht er in -gleicher Weise wie zum hohen Beamten. - -„Sind noch viele Besucher da?“ fragt er den Adjutanten. - -„Der ganze Saal ist voll.“ - -Aber Alessandri findet doch noch eine halbe Stunde für mich. Ich gehe -von ihm mit dem gleichen Eindruck, den ich schon vor Monaten hatte, -als er noch ein von allen besitzenden und führenden Schichten der -Gesellschaft heftig befehdeter „Bolschewist“ war. - -Die Aufgabe, die er sich gestellt, ist fast übermenschlich. Sie -ist: einer kurzsichtigen, zäh an ihren Vorrechten festhaltenden -oligarchischen Adelsclique soziale Reformen und Zugeständnisse -rechtzeitig abzuringen, um zu vermeiden, was sonst unvermeidlich -scheint: die Mazamorra, die anarchische, blutige, soziale Revolution. - - - - -Uruguay - -[Illustration] - - - - -48. Karneval in Montevideo. - - Montevideo. - - -„Es gibt drei vollkommene Dinge in der Welt,“ meinte der Brasilianer, -„die englische Flotte, das deutsche Heer und den Karneval in -Montevideo.“ - -Wir standen auf dem Oberdeck der „Ciudad de Montevideo“. Pechschwarz -waren Meer und Himmel, über die die Lichtzeilen der flammenden Straßen -von Buenos Aires wie leuchtende Perlenschnüre auf schwarzen Samt gelegt -waren. - -Vorn am Bug rauschte das Wasser. Es dauerte eine Weile, bis ich -antwortete. „Gibt? -- Gab!“ - -„Nun ja,“ meinte er, „es ist lange her, daß ich drüben war, vielleicht -wird ‚es gab‘ auch noch einmal für die beiden anderen gelten.“ - -Es waren nicht allzuviel Passagiere an Deck. „Noch vor ein paar -Jahren“, sagte mein Gegenüber, „mußte man sich um die Faschingszeit -viele Tage vorher einen Platz sichern; aber heute bei den Preisen und -den Paßschwierigkeiten merkt man den Ausfall.“ - -Aber am folgenden Abend auf der Plaza de Independencia war im -treibenden Menschenstrom kaum durchzukommen. In der Mitte des Platzes -blendete der Brunnen mit den wasserspeienden Seetieren, von tausend -Glühbirnen überkuppelt. Und weiterhin die Avenidas auf und ab, Wappen, -Girlanden, Ketten farbiger Glühbirnen von Haus zu Haus über die Straßen -gespannt. - -Vierzigtausend Peso hatte diese Illumination der Stadt gekostet. -Vierzigtausend uruguaysche Goldpeso! Und darunter zog auf und ab -die endlose Kette der Wagen, Reiter und Autos, Kostüme, Masken, -phantastische Aufbauten, das unablässige Spiel von Dutzenden von -Musikkapellen und das Kreischen der Frauen und Mädchen. - -Knöcheltief watet man in Konfetti und Papierschlangen, mit Parfüm und -Wasser bespritzt, einer zweifelhaften Errungenschaft südamerikanischen -Karnevals, und man sieht dem Bemühen dieser Massen zu, sich krampfhaft -zu amüsieren; denn im Grunde ist dieser südamerikanische Fastnachtsspuk -unglaublich langweilig. Das geht nun schon Tage so, und dauert noch -viele Tage, denn wenn der Südamerikaner feiert, dann feiert er -gründlich, womit freilich nicht gesagt ist, daß er selten feiert, und -so beginnen Umzüge und Bälle bereits vor Faschingsonntag und dauern -lange über Aschermittwoch hinaus. - -Um nichts zu versäumen, fangen die großen Maskenbälle erst um -Mitternacht an, um die Stunde, zu der der Korso auf den Straßen -endet. Auch auf diesen Bällen ist es nicht viel lustiger als auf der -Straße, und ich gehe bald gelangweilt aus dem Teatro Solis, dessen -Maskenbälle etwa den Münchener Bal parés im Deutschen Theater oder den -Gürzenich-Festen in Köln entsprechen sollen. - -Freilich eins kommt hinzu, der Fasching fällt auf der anderen Seite -des Ozeans in den Sommer, ausgerechnet in die Hundstage, und auch die -schönste Winterlandschaft, die man im Teatro Solis aufgebaut hatte, -konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Thermometer über dreißig -Grad zeigte. - -Man hängt drüben merkwürdig zäh an Traditionen, wo man solche hat, -und so muß auch das ganze Faschingstreiben sich in den glühheißen -Straßen des Stadtinnern abspielen, statt draußen an der See, auf den -wunderbaren Strandpromenaden, die Montevideo zu einer der reizvollsten -südamerikanischen Metropolen machen. - -Im Gegensatz zu Buenos Aires, das die Lehmflut des La Plata von der -offenen See scheidet, liegt Montevideo am, fast möchte man sagen im, -freien Meer. Ein sanft ansteigender Rücken schiebt sich in den Ozean -vor, auf dem die Stadt errichtet ist, und von mancher Straßenkreuzung -hat man gleichzeitig nach drei Seiten den Blick auf das strahlende -Blau, das, -- mit dem Himmel sich verschmelzend, wie ein Kuppelhorizont -die Stadt einschließt. - -Montevideo ist nur die Hauptstadt der kleinsten der südamerikanischen -Republiken, allein es ist gleichzeitig Weltbad, und darum die -Anstrengung, seinen Fasching, seine Sommerfeste, seine Spielsäle zu -Attraktionen für den ganzen Kontinent auszubauen. - -Unmittelbar an die innere Stadt, an das eigentliche Geschäftsviertel -grenzen denn auch die ersten Badehotels und Strandpromenaden; -wunderhübsche große Gärten, weite Strecken feinen gelben Sandes mit -Badehütten und mit Hunderten von Männern und Frauen in farbigen -Badekostümen wechseln ab mit malerischen Felspartien, auf denen ein -Einsamer in zerlumpter Kleidung nach Austern und Seemuscheln scharrt. - -Wenn der offizielle Fasching auch noch im Stadtinnern tobt, so ist der -inoffizielle doch schon an den Strand vorgedrungen, und in Pocitos, dem -eleganten Badestrand, flaniert der Strom jener, die sich von der misera -plebs zu trennen wünschen. - -Man ist hier demokratisch in Südamerika, trotz aller Oligarchie und -trotz aller Grenzen, die übermäßiger Reichtum aufrichtet. Aber da -die Form gewahrt werden muß, kosten beispielsweise Strandkorb und -Badekabine zu Füßen der Milliardärhotels von Pocitos und Carasco -auch nur die gleichen zehn Cent wie auf dem Volksstrand von Ramires, -und um sich zu separieren, bleibt den Reichen nichts anderes übrig, -als die Badeorte immer weiter hinaus zu verlegen. Wer den weiten Weg -nicht scheut, kann dort mit den hochgezüchteten Frauen aller Nationen -baden und für die kurze Spanne am Strande als ihren Kreisen sich -zugehörig wähnen. Denn um dort auch nur kurze Zeit zu wohnen, reicht -mitteleuropäische Valuta nicht aus; das einfachste Zimmer ist nicht -unter 20 Goldpeso für den Tag zu haben. - -Die hell erleuchteten Fenster der Spiel- und Ballsäle werfen -glitzernden Widerschein auf die pechschwarze Flut. Die breite, jetzt -leere Autostraße schimmert violett, und der Schein der Bogenlampen -sticht wie mit Dolchen in unergründliche Tiefen. - -In der Stadt fahren noch die letzten buntgeschmückten Autos durch -die Felder bunten Papiers. Die Masken drängen in die Ballsäle. Die -Zeitungsjungen kommen angelaufen und schreien die ersten Ausgaben aus: -„Blutiger Karneval in Buenos Aires. Die Höllenmaschinen im Ballsaal. -Dutzende von Verwundeten.“ - -Noch druckfeuchtes Zeitungspapier gleitet aus achtloser Hand zu dem -Wust von Papierschlangen und Konfetti, das die Straßenkehrer mit -stumpfer Gleichgültigkeit zu großen Haufen zusammenfegen. - - - - -49. Quer durch Uruguay. - - Rivera. - - -Nach durchfahrener Nacht war der Schnellzug von Montevideo nach -Rivera an der Nordgrenze der Republik Uruguay immer leerer geworden. -Trotzdem seit einigen Jahren die ununterbrochene Bahnlinie von -Montevideo wie von Buenos Aires nach Rio de Janeiro fertig ist, gibt es -zwischen den Hauptstädten der drei Staaten doch keinen durchlaufenden -internationalen Verkehr. Frachten und Passagiere nehmen den Seeweg, -der unverhältnismäßig rascher und billiger ist, von der größeren -Annehmlichkeit ganz zu schweigen. - -So gab es, nachdem wir Rio Negro und Tacuarembo passiert haben, nur -geringen Lokalverkehr: Estancieros, Gauchos und Händler, die ein paar -Stationen weit fuhren. Da man mir trotz eines anderthalbjährigen -Aufenthalts in Südamerika und trotz aller Anpassung an die Landessitten -den Gringo, den Fremden, doch immer noch ansah und solche auf dieser -Strecke selten sein mochten, suchte jeder der Neuankömmlinge Anknüpfung -und Gespräch. Es war immer die gleiche Frage, ob ich nicht von einem -Frigorifico käme, um Vieh zu kaufen. Auch in Uruguay haben magere -Jahre den fetten zu folgen begonnen. Die Viehpreise, die während des -Weltkriegs schwindelnde Höhen erklettert, sind auf die Hälfte gefallen; -und die Frigorificos, die großen Fleischgefrieranstalten, haben seit -einiger Zeit die Käufe ganz eingestellt. Mit einiger Ungeduld wartet -man auf dem Lande auf die Käufer. - -Von den Viehpreisen glitt dann mit großer Regelmäßigkeit das -Gespräch über die allgemeine wirtschaftliche Lage zu den politischen -Verhältnissen im Lande hinüber. Draußen zog die Unendlichkeit der Pampa -an den staubigen Scheiben vorüber. Seit ein paar Stationen hatte die -endlose Steppe angefangen sich leicht zu wellen. Man sah Buschwerk und -hie und da Bäume, ein bisher wie auch in der ganzen argentinischen -Pampa nie erlebter Anblick. Im übrigen sind ja Argentinien und Uruguay -nach Landschaft und Bevölkerung eine Einheit, wie ursprünglich -die kleine Republik am Uruguay auch politisch ein Bestandteil der -größeren Schwester am La Plata war. Aber die Rivalität Brasiliens -machte sie zu einem selbständigen Pufferstaat, der in der Sorge, -seine Selbständigkeit wieder zu verlieren, vor dem stammverwandten -Nachbar Anlehnung an die große Republik im Norden sucht. An einer -Kleinigkeit fällt diese politische Einstellung auf: man reitet in -Uruguay nicht den argentinischen Sattel, sondern den brasilianischen, -einen silberbeschlagenen Bocksattel mit darüber gelegter Schabracke aus -schwarzem Schaffell. Wer weiß, welche Rolle der Sattel im Leben der -Einheimischen spielt, wird auf solche Kleinigkeiten achten. - -Aber diesmal sprachen wir nicht von der Animosität gegenüber -Argentinien. Die Wahlen und der im Zusammenhang mit ihnen drohende -Generalstreik waren erst seit kurzem vorüber, und die innerpolitischen -Probleme beherrschten noch restlos die Gemüter. Mein Gegenüber -erleichterte sich das Herz durch Schmähungen gegen die „Colorados“, die -sich an der Macht behauptet hatten. - -„Nun haben wir die deutschen Schiffe“, meinte er, „und könnten eine -eigene nationale Dampferlinie damit einrichten, aber die unfähige -Regierung weiß nichts damit anzufangen. Zuerst haben wir keine Kohle -und, wenn wir Kohle haben, ist niemand da, der die Schiffe fahren kann. -Es ist ein Skandal!“ - -„Sie sind also ein Blanco?“ -- so heißt die andere, bei den Wahlen -unterlegene Partei --, warf ich ein. - -„Ich bin weder ein Blanco noch ein Colorado“, war die Antwort, „die -einen sind nicht besser als die andern.“ - -Der Schaffner war zu uns getreten und mischte sich in das Gespräch: „Es -ist ganz einerlei, wen man wählt, die Mißwirtschaft ist unter allen -Parteien die gleiche.“ - -Wie verloren stand das Vieh auf der Weide. In weiten Abständen -voneinander spärliche menschliche Behausungen. Land und Bewegungsraum -noch für Millionen. Hier bedarf es keines der Probleme, unter denen -Europa sich zerfleischt. Wie reich ist dieses Land, niemand muß hier -Not noch Sorge kennen. - -Ich nahm das Gespräch wieder auf: „Aber wer wird denn aufräumen mit der -Mißwirtschaft? Wer wird’s denn ändern?“ - -Der Schaffner stand vor mir, breit und massig, sehr adrett in peinlich -sauberer Uniform, sehr honett und sehr bürgerlich. - -„Wer es ändern wird, Herr“, er sprach sehr langsam, jedes Wort -betonend, „wer es ändern wird? Die Bolschewiken werden es ändern!“ - -Das Wort stand einen Augenblick im Raum, ihn ganz erfüllend, unheimlich -und unheilschwanger. Dann ging der Schaffner weiter, sehr ruhig, sehr -honett und sehr bürgerlich. Mein Gegenüber sah aus dem Fenster. Auf -der nächsten Station stieg er aus. Ein deutscher Farmer stieg an seine -Stelle. Laut und lärmend begrüßte er in mir den Landsmann. Er hatte ein -prachtvoll frisches, offenes Gesicht. - -„Sollen nur recht viele rüberkommen aus Deutschland,“ meinte er, „zu -kaufen ist ja allerdings schwer, aber zu pachten gibt es Land genug. -Gutes Land, und billig.“ Er wies aus dem Fenster. „Hier die Chacra -können Sie gleich pachten. Sollen nur recht viele kommen!“ - -Und er erzählte von dem Käse, den er nach Rivera brachte, und von dem -Geschäft, das damit zu machen ist. - -Wir liefen in Rivera ein. Die übliche Station, das übliche -Bahnhofspublikum. Nur die angelsächsischen Gesichter der Angestellten -des nordamerikanischen Frigorifico und ihrer Frauen brachten -eine fremde Note hinein. Die Schatten standen kurz und schwarz -auf grellweißem heißem Sand. Sonne, Wohlleben, Lebenlassen. Die -Frigorificos kaufen wieder Vieh. - - - - -Brasilien - -[Illustration] - - - - -50. Abend in Santa Anna. - - Santa Anna do Livramento. - - -Die Grenze führt mitten durch die Stadt. Es ist nur eine einzige, aber -die eine Hälfte heißt Rivera, die andere Santa Anna do Livramento, und -beide scheidet eine unsichtbare Mauer. Der Wagen, der in müdem Trott -durch die sonnenheiße Stadt einen verzerrten Schatten nachschleift, -hält. Im Türrahmen eines weißen Hauses lümmelt ein Neger mit -Beamtenmütze. Grenzkontrolle. - -Auch Brasilien hat angefangen, seine Grenzen zu sperren. Man braucht -alle möglichen Visa und Zeugnisse. Der deutsche Konsulatsbeamte in -Buenos Aires wollte mir unbedingt einen neuen Paß ausstellen. Ich -wollte nicht; denn das kostet 56 Peso. - -„Dann gebe ich Ihnen kein Visum.“ Er war sehr förmlich. - -„Danke, brauche ich nicht.“ - -„Aber dann gibt Ihnen das brasilianische Konsulat auch keines.“ Er war -sichtlich empört. - -„Doch, wetten?“ - -Er wandte sich ab. Ich konnte froh sein, ohne Rüge fortzukommen. - -Ich ging zum brasilianischen Konsulat und schickte dem Generalkonsul -meine Karte hinein. Es war ein reichlich verfetteter, reichlich -schwarzer Brasilianer. Hier unter den Argentiniern fällt einem der -Rassenunterschied zwischen den beiden Völkern stärker auf. - -Wir plauderten. Die Unterhaltung war sehr angeregt, über Brasilien, die -beste Reiseroute, meine nächsten Pläne. Dann zeigte ich meinen Paß. - -„Der genügt doch?“ - -„Selbstverständlich.“ Er sah gar nicht hinein. „Morgen können Sie das -Visum holen.“ - -Mir liegt wenig daran, recht zu behalten. So schenkte ich mir einen -zweiten Gang aufs Konsulat, um dem Beamten den trotzdem vidierten -Paß zu zeigen. Vielleicht tue ich dem Mann auch unrecht, vielleicht -haben die deutschen Konsulate Weisung, nach Möglichkeit Paß- und -Visumgebühren einzunehmen. Schön, aber manchmal fällt es einem schwer, -den Ausdruck „Wurzerei“ zurückzuhalten, besonders wenn sich dies -Verfahren gegen frisch Herübergekommene wendet, die sich nicht zu -helfen wissen und für die zehn oder zwanzig Peso ein Vermögen bedeuten. -So traf ich später in Brasilien einen jungen Deutschen, der nach -Argentinien ausgewandert war. Er fand keine rechte Arbeit und wollte -nach Brasilien. Aber das deutsche Konsulat gab ihm kein Visum, da der -Paß nicht auch für Brasilien ausgestellt war. Er mußte sich einen neuen -Paß ausstellen lassen. Das kostete ihm seinen letzten Notpfennig. - -Inzwischen war der Neger bei meinem Wagen angelangt und begann die -Koffer abzuladen. Drinnen saß ein zweiter, nicht viel hellerer -Brasilianer hinter einem Tisch. Er sah mich und dann meine Koffer an -und nickte. Die Neger begannen das Gepäck wieder hinauszuschleppen. -Ich wollte meinen Paß ziehen, aber er winkte nur zur Tür. Die Störung -seiner Siesta hatte ihm augenscheinlich bereits lange genug gedauert. - -Als das Pferd wieder anzog, war ich eigentlich etwas enttäuscht. Also -auch das brasilianische Visum wäre überflüssig gewesen und das neue -Impfzeugnis dazu, das ich mir in Buenos Aires besorgt hatte, nachdem -ich mich zuletzt noch in dem chilenischen Hafen Arica hatte impfen -lassen müssen. - -Eigentlich ist es lächerlich. Kommt man zur See in Rio oder Santos -an, so braucht man alle möglichen Führungszeugnisse und Atteste, auf -dem Landwege aber wird nicht einmal nach einem Paß gefragt. Dabei ist -Montevideo eine offene Einfallspforte, denn die Republik Uruguay kennt -noch keinerlei Paßzwang. - -„Wir sind sehr freiheitlich und sehr demokratisch“, hatte mir der -uruguayische Konsul in Buenos Aires stolz gesagt. - -Nach Passieren Dutzender von Grenzen bin ich über den Nutzen von -Paßkontrollen ein wenig skeptisch geworden. Ich glaube nicht, daß durch -sie unerwünschte Elemente tatsächlich wirksam ferngehalten werden; -es kommt nur auf eine Belästigung der Harmlosen heraus. Aber die -Einnahmequelle für den Staat dürfte nicht unerheblich sein, und so wird -es einstweilen bei der Notwendigkeit von Pässen bleiben. - -Der Weg zum Bahnhof, am andern Ende der Stadt, dehnte sich. Die -niederen Häuser standen in übermäßig breiten Straßen so weit -auseinander, daß es nicht den mindesten Schatten gab. Dazu ging es -hügelauf, hügelab. Aber wenn man aus dem völlig flachen Argentinien -kommt, ist schon das Sensation, und auf den Hügeln, die die Stadt -säumen, stand sogar ein wenig Wald. - -Aber die weite Fahrt war vergeblich. Der Zug ging erst am andern -Morgen. Nicht einmal mein Gepäck konnte ich nach São Paulo aufgeben. -Ich hatte es vorausschicken wollen, um, von ihm nicht beschwert, -nur mit ein wenig Handgepäck zu reisen. Im Staate Santa Catharina -hatte es eine Überschwemmung gegeben. Der Regen hatte den Bahnkörper -weggerissen. Wann er wieder hergestellt sein würde? Ein Achselzucken. -Man kann mit Booten passieren, meinte ein dritter. - -„Überhaupt, es gibt nur Karten bis zur Landesgrenze“, erklärte der -Stationsvorstand. -- - -Brasilien ist Bundesstaat; man merkt erst, wenn man im Innern reist, -wie sehr sich die einzelnen Staaten voneinander abschließen und wie -stark die Rivalitäten zwischen ihnen sind. - -Das Hotel war eine Bretterbude. Es gab ein besseres, aber ich wollte -landesüblich reisen. Ich mochte wohl als der vornehmste Gast gelten; -so erhielt ich das letzte Fremdenzimmer in der Reihe. Um dorthin zu -gelangen, mußte man durch alle andern hindurch. In dem ersten lagen ein -paar Gauchos gestiefelt und gespornt auf den Betten, im zweiten saß -eine Familie mit kleinen Kindern zu Tisch, im dritten stand ein junges -Weib mit aufgelösten Haaren mitten im Raum. Das Haar war ein wenig -fett, aber lockig und von einem ins Blaue spielenden Schwarz. Es fiel -in Ringeln um ein ebenmäßiges, olivbraunes Gesicht. Wie zwei lebendige, -verwunderte Fragen standen dunkle Augen darin. Daneben lag hinter -einer löcherigen Tapetenwand mein Zimmer. Ich stieß die Fensterläden -auf, um die schwüle stickige Luft hinauszulassen. -- - -Nach dem Abendessen bummelte ich noch ein wenig durch die nachtdunkle -Stadt; vor allem wollte ich eine Gelegenheit für ein alltägliches, -unvermeidliches Bedürfnis suchen; in solch kleinen Orten haben nur -die vornehmsten Häuser ein eigenes Lokal dafür. Eine stockdunkle -Straße war gerade geeignet. Zur Seite schien, ein wenig tiefer, eine -buschbestandene Wiese zu liegen. Ich wollte schon hinabspringen, -als ich plötzlich anhielt und erst mit dem Stock sondierte. Er fand -keinen Grund. Ich warf einen Stein und hörte erst nach einer Weile ein -klatschendes Aufschlagen. Es war ein Sumpf. Die Straße fiel in steilem -Sturz jäh dahin ab. Ich überlegte, wie ich wohl wieder herausgekommen -wäre. -- - -Später traf ich den Spanier, den ich auf der Station kennengelernt. Wir -bummelten über die Plaza. Aus dem Café drang Musik. Das Kino warf einen -frechen Lichtkegel auf die Straße. Einen Augenblick glaubte ich das -olivbraune Profil meiner Nachbarin zu sehen. Dann spazierten wir wieder -unter den dunklen Bäumen. - -„Ach, Sie sind Deutscher!“ rief er aus, „ich hielt Sie für einen -Engländer.“ -- Mit einemmal war er wie ausgewechselt. „~Muy amigos los -alemanes!~“ Er schloß mich in die Arme. - -„Die Deutschen sind unsere Freunde! Wen sollten wir sonst haben? Die -Engländer? Die Franzosen? Die alle wollen nur etwas von uns, aber die -Deutschen -- Und schließlich werden die Deutschen doch noch siegen.“ - -Um uns flanierte eine müßige Menge. - -„Sehen Sie nur die Leute hier; hier und überall. Aber die Deutschen -arbeiten. Ein Volk, das arbeitet, kann nicht zugrunde gehen, nie!“ - -Die zerfetzten Töne des letzten Operettenschlagers aus Rio wehten vom -Café her über die Plaza. - - - - -51. Deutschbrasilianer. - - Santa Maria. - - -Gaucholand -- die südliche Hälfte von Rio Grande do Sul, des -südlichsten Staates der brasilianischen Union, ist damit gemeint. Die -Brasilianer selbst nennen sie so, halb verächtlich, halb anerkennend. -In jedem Fall heißt es etwas Fremdes. Gaucho, Pampa, das ist -argentinisch, nicht brasilianisch. Und argentinisch ist fremd, fast -feindlich. - -Auch in Brasilien gibt es unendliche Flächen, unzählbare Herden, aber -das ist im Innern, in Matto Grosso, in Gegenden, die dem Brasilianer -in Rio oder São Paulo fremder sind als Europa. Brasilien heißt Urwald, -Plantage, Reis und Baumwollfeld, Kaffeepflanzung. - -In Kurven schmiegt sich die Bahnlinie den Hängen an. Es ist ein -Paktieren mit der Landschaft. In Argentinien ist der schnurgerade -Schienenstrang darüber gelegt wie ein Befehl. In Brasilien fehlt die -grandiose Eintönigkeit der Pampa. Diese kahlen, grasbewachsenen Hügel -sind eigentlich nur langweilig. - -Gaucholand, Uruguay und Zentralargentinien, das ist geographisch eine -Einheit. Ihre Vereinigung der gegebene Zielpunkt imperialistischer -Politik am La Plata, zumal Gaucholand sich auch ethnographisch -assimilieren ließe, denn hier fehlt das Negerblut, das der Bevölkerung -der nördlichen brasilianischen Staaten seinen Stempel aufdrückt. -Und selbst die Sprache zeigt Ähnlichkeit. Das Portugiesisch, das -man hier spricht, ist dem Spanischen viel verwandter als das in -Bahia oder Pernambuco gesprochene. In jedem Fall -- sollte je die -argentinisch-brasilianische Rivalität um die südamerikanische -Vorherrschaft in einem Krieg zum Ausbruch kommen, hier werden die -ersten Entscheidungen fallen. - -Argentinien hat Tanks in England bestellt. Nein, schnellfahrende -Panzerautos wären das Richtige auf diesem Gelände, dessen feste -Grasnarbe überall gute Fahrbahn bietet. -- Auf der Bank mir gegenüber -sitzen Soldaten. Groß, blond, die deutsche Abstammung ist unverkennbar. -Es sind Söhne deutscher Kolonisten aus dem Urwald. - -Das kompliziert das Problem. Die dem Zentral- und Nordbrasilianer -eigentlich wesensfremden Estancieros und Gauchos, die Viehzüchter und -Viehhirten, bilden hier das nationale Element. Die Urwaldbevölkerung, -die Kolonisten, die als eingesessene Bauern das wirtschaftliche -Rückgrat von Rio Grande wie von Paraná und Santa Catharina bedeuten, -sind fremdstämmig, sind deutschen, italienischen, polnischen, -skandinavischen Ursprungs. - -In welcher Richtung wird dieses zähkonservative Bauerntum politischen -Einfluß nehmen, wenn es einmal zum Bewußtsein seiner Macht gelangt? --- Die Vereinigten Staaten von Brasilien, wie sie offiziell heißen, -sind kein organisches Gebilde. Wenig Gemeinsamkeit besteht zwischen -dem tropischen, fieberheißen Norden mit seiner Negerbevölkerung -und dem gemäßigten Süden, in dem infolge des Fehlens der früheren -Sklaven und der starken europäischen, insbesondere auch deutschen -Einwanderung eine ganz andere Rasse im Entstehen ist. Immer wieder -reiben sich die Rivalitäten aneinander, immer wieder tauchen Gerüchte -auf, die von den Loslösungsbestrebungen der Südstaaten erzählen. Es -wäre nicht verwunderlich, wenn in den drei Südstaaten, die kulturell -wie wirtschaftlich weitaus am höchsten stehen, das Gefühl entstände: -wozu sollen wir mit unserer Arbeit, unsern Steuern die lethargischen -Nordstaaten mit finanzieren und die Hauptlast der Bundesfinanzen -tragen? Vielleicht liegt hierin mit ein Grund dafür, daß die Regierung -in Rio de Janeiro die jetzt von Europa herüberkommenden Einwanderer -möglichst nach den Staaten Bahia und Pernambuco zu lenken sucht. -- - -Kurz vor Santa Maria stieg ein Bauernbursch ein, so blond, so -urwüchsig, so deutsch, daß ich ihn anreden mußte. Man hätte meinen -können, er sei unmittelbar auf einer Station in der holsteinschen -Marsch oder der Lüneburger Heide eingestiegen. Und nicht anders -antwortete er, kurz, wortkarg, in keiner Weise Überraschung oder -Freude äußernd, hier einen Landsmann zu treffen. Wie anders hatte doch -vor wenigen Tagen der deutsche Pächter im nördlichen Uruguay auf ein -deutsches Gesicht reagiert. - -Aber hier ist deutsch ja das Alltägliche, das Normale. Die Pampa, -das Gaucholand ist zu Ende, und die Waldberge haben begonnen. Ihre -Bewohner sind Deutsche. Seit drei Generationen in Brasilien ansässig, -aber immer noch Deutsche. Oft genug sprechen sie nicht ein einziges -Wort portugiesisch, und ich habe öfters in Bahn oder Hotel für -Deutschbrasilianer den Dolmetsch machen müssen. - -Vor 60, 80 Jahren kamen die Großeltern der heutigen Generation als -Siedler in den Urwald. Der reichte damals bis an die Küste. Und dort in -der Gegend des heutigen Porto Alegre, Blumenau und Joinville fingen sie -an. Meile für Meile haben sie mit der Axt den dichten Wald geschlagen. -An seiner Stelle stehen heute große Städte, dicht besiedelte -Dorfgemeinschaften, intensiv bebautes Feld. Die Kinder und Enkel wurden -reich. Das einst wertlose Land wertet heute nach Zehntausenden von -Milreis. - -Die zuerst durch die Einsamkeit des Urwalds und den Mangel an -Verkehrsmitteln bedingte Isolierung der fremden Siedler blieb bestehen, -auch als von Urwaldeinsamkeit längst keine Rede mehr war und ein -dichtes Bahn- und Straßennetz die einstige Wildnis durchzog. Die -Brasilianer taten nichts, die Kolonisten zu assimilieren. Sie schließen -auch die Kinder und Enkel der Einwanderer nach Möglichkeit von Politik -und Anteilnahme an der Regierung aus, stören sie aber nicht in ihrem -eigenen kulturellen Leben. So entstanden völkische Fremdkörper, -Sprachinseln, nicht anders als die von Maria Theresia im ungarischen -Banat angelegten deutschen Kolonien. Die deutschen Kolonisten bauten -und unterhielten, nachdem sie die Anfangsschwierigkeiten überwunden -hatten, ihre eigenen Schulen und Kirchen, sehr prunkvoll mitunter, -stellten Lehrer und Pfarrer an und schlossen sich in sozialer Hinsicht -ganz von den angestammten Bevölkerungselementen ab. Auf ihren Dörfern -duldeten und dulden sie keine „Fremden“, wie sie die Brasilianer -nennen, nicht einmal als Wirt oder Kaufmann, und wo sie stark genug und -genügend viele das volle politische Bürgerrecht erlangt haben, dringen -sie auch auf deutschstämmige lokale Behörden. Aber damit erschöpft -sich, auch in den ältesten Kolonien, das politische Interesse. -Dorfkirchturmspolitik. - -So beruht denn auch alles Gerede und Geschreibe von einer großdeutschen -Politik in Südbrasilien auf einer völligen Verkennung der wirklichen -Verhältnisse. Ich glaube, die Deutschbrasilianer dachten in ihrer Masse -nicht im entferntesten an eine politische Verbindung mit dem alten -Mutterboden, und von einer eventuellen Annektion von Südbrasilien durch -das Deutsche Reich wären sie, ganz abgesehen von der Unmöglichkeit -einer derartigen Angliederung, am allerwenigsten entzückt gewesen. -So hat alles, was darüber geschrieben und gesprochen wurde, nur dazu -gedient, böses Blut zu machen, die Feinde des Deutschen Reiches zu -mehren, und es hat letzten Endes nicht wenig dazu mitgewirkt, daß -Brasilien so rasch und willig in die Reihe unserer Gegner im Weltkrieg -eingetreten ist. - -Die Deutschbrasilianer sind Zwitterwesen. Sie sind keine Brasilianer -im Sinne wie etwa die Deutschchilenen Chilenen sind, deren flammendes -chilenisches Nationalgefühl mit dem der reinblütigen, alteingesessenen -Nachkommen der spanischen Conquistadoren und araukanischen Indianer -wetteifert. Aber sie sind noch viel weniger Deutsche. Sie hängen an der -alten Heimat aus Tradition und aus einer sentimentalen Liebe heraus. -Die wenigsten von ihnen würden dort überhaupt leben mögen oder können. -Bei der großen Unbildung der Urwalddeutschen machen sich diese von -den Verhältnissen in Deutschland, besonders nach der großen Wandlung -des Krieges, kein auch nur entfernt richtiges Bild. Wie schlecht -sie teilweise über die Lage in Europa unterrichtet sind, erfuhr ich -erschreckend und doch wieder rührend durch die erstaunlich naive Frage -eines Urwaldkolonisten, der mir folgendes sagte: - -„Sagen Sie, Sie kommen doch jetzt aus Deutschland? Ist es wirklich -wahr, was die Zeitungen hier immer wieder schreiben, daß Deutschland im -Krieg verspielt hat?“ - -So konnte denn auch ein Aufstand der Deutschbrasilianer während des -Weltkrieges zugunsten Deutschlands ernsthaft nicht in Frage kommen. -Und wenn auch eine Weile die Möglichkeit bestand, daß die deutschen -Bauern aus São Leopoldo bewaffnet nach Porto Alegre, der Hauptstadt des -Staates Rio Grande do Sul, marschierten, so doch nicht im Interesse -Deutschlands, sondern nur um die deutschen Landsleute dort vor den -Ausschreitungen des Mobs zu schützen. - -Die deutschen Kolonisten in diesem südlichsten Staat Brasiliens sind -keine Brasilianer, aber sie sind Rio Grandenser oder vielmehr San -Leopoldiner, oder Novo Hamburger, oder wie ihre Kolonie-Gemeinde heißen -mag. Zäh wurzeln sie auf der Scholle, die sie dem Urwald abgerungen -haben. - -So gering ihr politischer Einfluß, so groß ist ihr wirtschaftlicher. -Ihre Arbeitskraft und ihre wirtschaftliche Tüchtigkeit ist dem -eingeborenen Element gegenüber so groß, daß sie dieses selbst auf -seinem eigensten Gebiet, der Pampa, zurückzudrängen beginnen. Eine -ganze Reihe deutscher Bauern hat angefangen, auch in der Pampa Land zu -kaufen, um dort rationelle Viehzucht und Milchwirtschaft zu treiben. -Ebenso sind die industriellen Betriebe in den Städten wie die Export- -und Importhäuser zu einem großen Teil in den Händen von Deutschen. - -Für die brasilianische Regierung besteht die große Schwierigkeit, -sich dieses wirtschaftlich so außerordentlich wertvolle Element -einzugliedern. Daß es auf dem nach der Kriegserklärung an Deutschland -eingeschlagenen Weg der gewaltsamen Unterdrückung nicht geht, hat man -bald eingesehen. Damals wurden deutsche Schulen, deutsche Zeitungen, -deutsche Sprache überhaupt verboten. Allein dieses Verbot war, -besonders was die Sprache anbelangt, von vornherein undurchführbar. -Und andrerseits war es der Regierung selbst nicht so ernst damit; -sie bemühte sich, die Deutschen gegen Ausschreitungen zu schützen. -Schließlich hing alles von den lokalen Verhältnissen ab. Und während -mancherorts die Deutschen böse Tage mitmachten, hat an anderer Stelle -mancher Brasilianer, der sich abfällig über die Deutschen zu äußern -gewagt hatte, ungesühnt seine gehörigen Prügel bezogen. - -Nach dem Krieg wurden auch offiziell alle Beschränkungen aufgehoben, -dagegen wurde die Bestimmung eingeführt, daß in den deutschen Schulen -auch portugiesisch unterrichtet werden muß. Ich habe einmal einer -Unterrichtsstunde in einer Urwaldschule angewohnt. Es war Rechenstunde, -und der Lehrer stellte seine Fragen erst auf deutsch, dann auf -portugiesisch. Allein da die Kinder zu Hause nur deutsch hören, und die -Lehrer oft genug selbst nur mangelhaft portugiesisch sprechen, kann bei -diesem Unterricht nicht viel herauskommen. - -Eine wirksame Assimilierung der deutschen, ebenso der fast -gleichstarken italienischen Kolonisten würde nur bei Vermischung durch -Heiraten untereinander eintreten. Allein gerade in dieser Hinsicht -schließen sich die Deutschen streng ab. Wie sie auf ihren Festen und -gesellschaftlichen Veranstaltungen keine Brasilianer dulden, heiraten -sie auch nur untereinander. Die Ehe mit dem brasilianischen Element ist -verpönt; wie die wenigen vorliegenden Erfahrungen zeigen, übrigens mit -Recht. Die brasilianische Frau stellt an den Mann Ansprüche, denen der -kühler veranlagte Deutsche ohne Gesundheitsschädigung auf die Dauer -nicht zu entsprechen vermag. - -Trotzdem werden natürlich mit der Zeit, wenn nicht dauernd starker -Zuzug kommt, deutsche Sprache und Kultur immer mehr verlorengehen, -schon weil sich die starken klimatischen Einflüsse mit der Zeit -geltend machen müssen. Wie diese auf die Dauer wirken, ist eine noch -umstrittene Frage. Wenn die Deutschbrasilianer auch durchweg einen -gesunden kräftigen Eindruck machen, so wird von ärztlicher Seite doch -behauptet, daß sich bereits gewisse Entartungserscheinungen zu zeigen -beginnen. Was besonders auffällt, sind die schlechten Zähne, denen -man allerdings in ganz Südamerika begegnet. Die besser Bemittelten -zeigen ähnlich den Nordamerikanern den Mund voll Goldplomben, während -die Ärmeren bereits in jungen Jahren nur mehr bräunliche Stummeln -haben. In jedem Fall besteht die Gefahr einer gewissen Inzucht; aus -diesem Grund sind Reichsdeutsche bei den töchterreichen Kolonisten als -Schwiegersöhne sehr beliebt, da sie -- wie man dort sagt -- „besseres -Blut“ haben. -- - -In São Pedro steigt eine Negerin ein. Sie trägt schreiend bunten -Kattun, lange Ohrgehänge, ihr Nacken ist wie aus Holzkohle geschnitten. -Die Fülle ihrer Leiblichkeit droht durch die engen Wagenfenster aus -dem Kupee zu quellen. Sie setzt sich unmittelbar neben die blonden, -schlanken Soldaten. Beide sind gleichberechtigte Staatsbürger ein und -desselben Landes. - - - - -52. Kolonisten und Kolonien in Rio Grande. - - Santo Angelo. - - -Im Hotel „Stadt Hamburg“ hatten mich und meinen Reisekameraden die -Wanzen gemeinsam fast aufgefressen. Das verbindet immer. Nun kamen wir -im Zug zufällig wieder zusammen. Wir plauderten daher bereits als alte -Bekannte miteinander. - -Das Hotel „Stadt Hamburg“ war übrigens geeignet, meine bisherigen -guten Ansichten über das Deutschbrasilianertum wieder aufzuheben. Im -Vertrauen auf deutsche Sauberkeit hatte ich mich zu Bett gelegt. Sehr -lange dauerte es nicht. Dann hatten mich die Wanzen derart zugerichtet, -daß ich trotz aller Müdigkeit wieder aufwachte. Der Lokalaugenschein -beim Kerzenlicht veranlaßte mich, das Schlachtfeld zu räumen. Ich zog -mich an, um mich draußen auf den ziegelsteingepflasterten Hof zu legen. -Einen neidischen Blick warf ich noch auf meinen fest schnarchenden -Schlafgenossen. Die fettesten Wanzen krochen ihm übers Gesicht, daß es -eine Lust war; er wachte aber davon nicht auf. - -Ich hatte diese Gleichgültigkeit und Immunität gegen Ungeziefer trotz -all meiner Reisen auf dem Balkan, in Galizien, Rußland und Polen noch -immer nicht erreicht, und so jagten mich auf dem Hofe die Moskitos -alsbald wieder hoch. Ich ging zurück ins Zimmer, um das Moskitonetz -zu holen, das ich erst von Wanzen säubern mußte. Als ich glücklich -soweit war und in das Netz eingewickelt auf den Fliesen lag, ging ein -derartiger Platzregen los, daß ich schleunigst wieder ins Haus mußte. -Mein Reisekamerad schnarchte immer noch unentwegt. - -Im Zug erzählte er mir dann, daß man in ganz Südbrasilien kaum ein -Haus finde, einerlei welcher Nationalität sein Besitzer, das nicht -verwanzt sei; nach meinen späteren Erfahrungen mußte ich ihm darin -recht geben. In dieser Hinsicht haben die Deutschen von der Lethargie -der Einheimischen angenommen; schließlich ist es auch zum Verzweifeln, -wenn keine noch so gründliche Säuberung hilft. Ist ein Haus glücklich -ungezieferfrei, so ziehen die lieben Tiere nach wenigen Tagen aus dem -Nachbarhaus wieder ein. - -Mein Reisekamerad war vor dreiviertel Jahren eingewandert. Er war -ein junger Bursch, der seine vier Jahre im Feld gewesen war und dann -hinüberging, ohne jemand zu kennen, ohne von dem fremden Land viel mehr -zu wissen, als daß dort Deutsche wohnen. Bei ihnen dachte er Arbeit und -Brot zu finden. - -Aber beinahe wäre er dabei verhungert. Die deutsch-brasilianischen -Kolonisten sind wie alle Bauern gegen Fremde mißtrauisch und gegen -deutsche Landsleute sind sie es ganz besonders. Die „Deutschländer“ -gelten bei ihnen als arbeitsscheu und anspruchsvoll; es ist schwer zu -sagen, wer schuld daran ist, einzelne Bauernfänger und Schwindler, -die sich kurz nach Kriegsende in den deutschen Kolonien herumtrieben, -sich als Kriegsteilnehmer ausgaben und die teilnahmsvolle Gutmütigkeit -der Deutschbrasilianer für sich ausnützten, oder die deutschnationale -Propaganda, die drüben mit allen Mitteln gegen das heutige Deutschland -und insbesondere seine Arbeiter hetzt. - -Genug, der junge Einwanderer zog vergeblich von Hof zu Hof, überall -abgewiesen, bis er schließlich am Ende seiner Kräfte und seiner Mittel -Arbeit und Unterkommen fand. Von da an war er gesichert; denn sein -erster Arbeitgeber empfahl ihn weiter, und so zieht er jetzt, immer an -Hand von Empfehlungen, von einer Kolonie zur andern. - -An sich wäre Arbeit genug vorhanden, so daß es nicht erst einer -Empfehlung bedürfen sollte, um sie zu bekommen. Am liebsten arbeitet -allerdings der deutschbrasilianische Kolonist nur mit seinen -Familienmitgliedern. Wenn von einem besonders reichen Bauern die Rede -ist, so kann man oft genug hören: ja der, der hat auch fünfzehn Kinder! - -Kinder sind hier eben noch Segen, auch im wirtschaftlichen Sinne. Jedes -Kind mehr bedeutet bereits nach kurzer Zeit eine wertvolle kostenlose -Arbeitskraft. Volkswirtschaftler, die die Ursache für Kinderreichtum -oder Kinderbeschränkung ausschließlich in wirtschaftlichen Gründen -suchen, werden in Südbrasilien die volle Bestätigung ihrer Theorie -finden; denn hier ist Kinderreichtum die Regel. Familien mit einem -Dutzend Kinder sind nichts Seltenes, und auch solche mit 15, 16 und 18 -Kindern kommen häufig genug vor. - -Aus diesem Grund zahlt der deutschbrasilianische Bauer auch ungern -und nur möglichst niedrige Löhne, wenn er schon fremde bezahlte -Arbeitskräfte beschäftigen muß. Bei freier Unterkunft und Verpflegung -gibt es nicht mehr als 2 bis 2½ Milreis für den Tag. Um bei diesen -Löhnen und den hohen Kosten, die Bahnfahrt und Hotel ausmachen, das -zum Ankauf eigenen Landes erforderliche Kapital in absehbarer Zeit -zu ersparen, muß man schon die eiserne Energie meines Reisekameraden -haben, der mir voll Stolz erzählte, daß er noch niemals auch nur einen -einzigen Centavo für Tabak oder Bier ausgegeben habe. - -Inzwischen waren wir in Cruz Alta von der Hauptlinie abgezweigt und -hielten nun in Ijuhy. Von der hochgelegenen Station sah man auf dem -nächsten Hügel die sanft ansteigende breite Straße mit den sauberen -Häusern, auf dem höchsten Punkt die große Kirche. Vor wenigen Jahren -war noch alles Urwald. - -Von hier aus wird von Pionierbataillonen die Bahn gegen das angrenzende -argentinische Misiones vorgetrieben. Die bisher fertiggestellte Strecke -bis Santo Angelo wird noch von Militär betrieben. Aus diesem Grund -müssen wir jetzt nochmals umsteigen, trotzdem der Zug auf dem gleichen -Geleise weiterfährt. - -In den Wagen sind jetzt lediglich Deutschbrasilianer, alles Landsucher, -Landkäufer, Neusiedler. - -In Neuland fahren wir ein, als der Zug endlich mit sinkendem Tag sich -wieder in Bewegung setzt. Links und rechts der Bahn kaum gerodeter -Urwald, dazwischen gestreut schmale Parzellen von Mais und Tabak. - -Von hier bis an den Grenzfluß Rio Uruguay ist noch jungfräuliches -Land, die letzten Ländereien, über die Rio Grande do Sul verfügt. -Kurz vor dem Krieg wurden hier noch deutsche Einwanderer angesiedelt, -mit allen Vorteilen, welche die „Immigração“ gewährt. Heute hat man -die Einwanderung gesperrt, d. h. nicht offiziell, nicht formell. Wer -einwandern will, erhält Land zu den gleichen Bedingungen wie die -Eingeborenen auch, nur Vorteile und Vergünstigungen werden nicht mehr -gewährt. - -Rio Grande will das noch verfügbare Land für seine eigenen Landeskinder -vorbehalten. In erster Linie sind dies die deutsch-brasilianischen -und italienisch-brasilianischen Kolonisten; diese brauchen viel Land. -Der väterliche Hof wird ja nicht unter die Kinder geteilt oder einer -erbt ihn und die andern ziehen in die Stadt, sondern jeder Sohn erhält -zur Hochzeit einen Besitz mindestens in der Größe des väterlichen. Zu -diesem Zweck kaufen die Bauern frühzeitig in den frisch vermessenen -Urwaldgebieten Lose für ihre Kinder, auf denen diese nicht anders -anfangen, als es ihre Eltern getan, es sei denn der väterliche -Wohlstand bereits so groß, daß den Nachkommen unter Kultur stehende -Kolonien aus zweiter Hand gekauft werden können. - -Im ganzen Wagen -- es ist ein großer, durchgehender amerikanischer -Wagen -- hört man nur von Landpreisen und von Bodenbeschaffenheit -sprechen, von Gegenden, wo noch Land zu haben und von den -Bedingungen, zu denen es abgegeben wird. Dazwischen reden die Frauen -untereinander leise von der Wirtschaft, von Schweinen und Mais. Man -hört unverfälschte schwäbische, hessische und norddeutsche Mundart. -Aus Bündeln wird gute alte deutsche Wurst geholt und Kuchen, wie ihn -die Bauernfrauen in Deutschland auch backen. Es ist ein eigentümlicher -Eindruck, deutsche Bauernschaft um sich zu haben, die in immer dichter -werdenden Urwald hineinfährt. - -Bald wird es allerdings so dunkel, daß der Mais wie die Wellen -eines geheimnisvollen Wassers den Bahndamm umspült und die alten -lianenumrankten Bäume sich wie Gespenster über ihn neigen. Schließlich -hockt alles auf harten Bänken und schläft, bis der jähe Ruck in Santo -Angelo uns weckt. - -Unergründliche Nacht und unergründlicher Schmutz. Wir fragen nach der -Witwe Schirach, die man uns als Quartiermutter empfohlen. In der Ferne -schimmern ein paar ungewisse Lichter. Sie weist man uns. Wir schultern -den Rucksack und treten den Marsch an, der eine Expedition durch Sumpf -und Schlamm ist. - - - - -53. Kolonisten im Urwald. - - Guarany. - - -Wir ritten die Linie entlang. Linien heißen die breiten Straßen, die -schnurgerade durch den Urwald führen und von denen die Nebenwege -abzweigen, an denen die Kolonien liegen. - -Die Linien sind die Hauptverkehrsadern der Kolonien. Alle Augenblicke -begegnet uns denn auch ein Wagen, ein Reiter oder ein Viehtrieb. Erst -nach ein paar Stunden Reiten wird es einsamer. - -An den Linien liegen die Venden, ferner die Schulen, dann Brauerei- -und Limonadefabriken, Schneide- und Mahlmühlen und was man sonst -noch hier an kleingewerblichen Betrieben braucht, sowie die -bevorzugten Kolonielose: manche Musterwirtschaft, aber auch mancher -heruntergekommene Betrieb, in denen ein paar Polen oder ein Weißer mit -einer Farbigen in einer Hütte hausen, die nicht mehr als gerade das zum -Leben Nötige anbauen. - -Beiderseits der Linie Mais. Dann Tabak, der mit Maniok wechselt, -und wieder Mais. Mais ist die Hauptfrucht, die wichtigste Nahrung -für Mensch und Vieh. Aus ihm bäckt der Kolonist sein Brot. Erst der -Wohlhabende nimmt Weizen dazu. Weizen ist hier Luxus. Für seinen Anbau -ist es bereits zu heiß. Er muß von der Serra, dem kalten Hochland, -hergeschafft oder aus Argentinien importiert werden. - -Um die Häuser steht Obst, vor allem Pfirsich, der ähnlich wie in -Argentinien auf diesem Boden gleich Unkraut wuchert und bereits im -ersten oder zweiten Jahr Frucht trägt, Yerba -- Bäume, deren Blätter -den Mate-Tee liefern, und wo Italiener siedeln, eine Weinlaube oder -Weinberg. - -Die Häuser selbst sind fast sämtlich aus Holz, von hübschen soliden -Bauten bis zu einfachsten Bretterbuden. Daneben ein Schuppen für die -geerntete Frucht und ein Pferch für das Vieh. - -Je länger wir reiten, desto häufiger unterbrechen Waldpartien die -Felder, und schließlich geht’s eine ganze Strecke lang durch -ungerodeten Urwald. Lianenverfilzt schließen die alten Bäume gleich -Mauern beiderseits die Straße ein. Es sind noch nicht kultivierte -Kolonielose, deren Besitzer auf die Konjunktur warten, um sie mit -hohem Nutzen weiterzuverkaufen. Wo eine neue Staatskolonie vermessen -wird, macht sich alsbald die Spekulation breit. Wenn auch dem Gesetz -nach jeder Bodenwucher vermieden und Land nur an jene abgegeben werden -soll, die es tatsächlich bebauen, so ist doch unvermeidlich, daß der -und jener, von den Koloniechefs und Vermessungsingenieuren angefangen, -durch Mittelsmänner eine größere Anzahl von Losen in seine Hand bringt, -die er erst zum Verkauf stellt, wenn alles Land in der Gegend vergeben -und durch die Arbeit der Kolonisten auf den Nachbargrundstücken ein -erheblicher Wertzuwachs eingetreten ist. - -Eine Pforte in der Mauer steht offen. Ein schmaler Weg führt in den -Wald. Ein schmales Spitzgewölbe aus Zweigen und Blättern. Grünliches -Dämmern. Treibhausluft. Hintereinander gehen die Pferde. - -Wo sich der Weg senkt, öffnet sich eine Lichtung. An den Hängen liegen -noch geschlagene Stämme. Verkohlte Stumpen, zwischen denen sich -handhoch Asche breitet, zeigen, daß hier frische „Roce“ gemacht wurde. -Unten im Grunde steht zwischen hochtreibendem Mais an einem kleinen -Wässerlein eine einfache Bretterhütte: der Anfang einer Kolonie. Es ist -vollendete Urwaldeinsamkeit, aber lange nicht gleich der, in der Väter -und Großväter der heutigen Deutschbrasilianer anfingen. Ein kurzer Ritt -bringt bis an die Linie, nur ein paar Stunden sind bis zur nächsten -Venda und nicht mehr als zwei Tagereisen bis an die Bahn. Man kann -leicht und billig alles kaufen und heranschaffen, was nötig: Gerät und -Lebensmittel, Nägel und Bretter. Und Freunde und Nachbarn sind nicht -weit, die einem im Notfall helfen können. - -Trotzdem bleibt genug an Einsamkeit und Härte des Lebens. Die Frau -kommt uns aus der Küche entgegen. Die Küche ist ein offenes Feuer -zwischen zwei Feldsteinen. Darüber hängt ein Kessel. Das ist alles. - -Sie nötigt uns ins Haus. Es ist einfach aus Brettern -zusammengeschlagen, vielleicht fünf Meter im Geviert. Eine Bettstatt -und ein Tisch mit einigen Hockern, selbstgezimmert, bilden das ganze -Mobiliar. - -Das Haus stellt ein Minimum an Wohnung dar, und trotzdem ist es ein -Palast gegen die Anfangszeit, als man in einer Laubhütte hauste und bei -jedem Regen im Wasser lag. - -Der Anfang, das war das Schlimmste; damals, als erst ein Pfad durch den -Wald geschlagen werden mußte, um auf den eigenen Grund zu kommen, und -dann das Roden begann. Bis Breschen für Luft und Licht hineingeschlagen -sind, steckt der Urwald voll Moskitos und Schlangen, von anderem -Ungeziefer nicht zu reden. Dann heißt es mit dem Fäustel das Unterholz -buschen, darnach werden die großen Bäume geschlagen. Nach ein paar -Wochen, wenn alles gut trocken, wird angezündet. - -In den durch die Asche gedüngten Urwaldboden, der frischen Roce, wird -der erste Mais gesät. Zwischen den Stumpen und halbverkohlten Stämmen -werden reihenweise mit dem Stock Löcher gestoßen. Ein paar Maiskörner -in ein jedes hinein, und nach ein paar Wochen steht der Mais bereits -mannshoch. Hat man im September Roce gemacht, im Oktober gepflanzt, so -kann man im März die erste Ernte einbringen. - -Der Kolonist kommt aus der Roce herunter und begrüßt uns. Er erzählt, -daß er von der ersten Ernte immerhin bereits 35 Sack verkaufte. Für den -Sack 5 bis 6 Milreis. Aber das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste -ist, daß man jetzt nicht mehr von gekauften Nahrungsmitteln leben muß, -daß man seinen eigenen Bedarf selbst baut und daß man jetzt daran gehen -kann, sich Vieh zu halten. - -Bisher hatte man nur ein Pferd oder Maultier, das im Wald weidete. -Jetzt kann man sich Schweine kaufen und damit vor allem die eintönige -Nahrung aufbessern, die bisher nur aus Mais und schwarzen Bohnen -bestand. - -Dicht neben dem Haus ist ein Pferch, in dem bereits ein paar Dutzend -schwarzstruppiger Borstentiere grunzen. Schweinehaltung ist die große -landwirtschaftliche Industrie in ganz Rio Grande. Jeder Kolonist, der -nur ein wenig Glück mit ihnen hat, wird seinen Mais nicht verkaufen, -sondern damit Schweine großziehen. Das Wichtigste an ihnen ist das -Fett, das ausgelassen und in Blechbüchsen in die Hafenstädte verkauft -wird. Was übrigbleibt, ißt man selbst oder verkauft es an die Nachbarn; -denn hat man’s erst, so lebt man auch üppig. - -Aber das dauert noch ein paar Jahre, und bis dahin heißt’s harte, -schwielentreibende Arbeit. Auf dem Fußboden spielen die Kinder. Es sind -im zweiten Ehejahr bereits ihrer zwei. Pro Jahr ein Kind. Auch Wald und -Urwaldboden strotzen ja von Fruchtbarkeit. - -Im Dach sind Löcher. Der Kolonist folgt unserm Blick. „Ja, das muß ich -auch noch machen. Man kommt kaum zu allem.“ Im Urwald heißt es alles -selbst machen, alles selbst können. - -Die Frau bringt das Essen: schwarze Bohnen, Brot und etwas -ausgelassenes Schweinefett. Wie wir abreiten, gehen die beiden zusammen -in die Roce. Das Ein- und das Zweijährige bleiben allein zuhause. Die -Schweine grunzen im Pferch. - -Die Sonne steht hoch. Mann und Weib jäten nebeneinander im jungen Mais. -Mann und Weib allein im Wald und nur aufeinander angewiesen. Es ist wie -bei der Erschaffung der Erde. - - - - -54. Schirachs Erfolg. - - Guarany. - - -Mein Freund in Guarany war der Tischlermeister. Er war fast seit -Gründung der Kolonie dort und kannte alle Kolonisten in der -Umgebung. Er hatte den nötigen Lokalstolz, um nicht zu ruhen, bis -ich alles gesehen. Das war recht interessant, aber auch ein wenig -strapaziös; denn diese Ritte und Besuche gingen nicht ohne erheblichen -Alkoholkonsum ab. Lag eine Venda an der Linie, so gehörte es -selbstverständlich zum Geschäft, daß man abstieg und einen Schnaps -nahm, und gar wenn mein Besuch einer Brauerei oder Schnapsfabrik galt; -ich war froh, wenn wir einmal eine Limonadefabrik besuchten. - -Diese vielen gewerblichen Kleinbetriebe sind ein besonderes Merkmal -der deutschen Kolonien in Südbrasilien und ein Zeichen für die -Rührigkeit der Siedler. Es wird dort eine Menge handwerksmäßig -betrieben, wie z. B. Brauerei oder Brennerei, was wir längst nur -mehr als Industrie- und Großbetrieb kennen. Man staunt, wie einfach -man alles erzeugen kann. Eine Sudpfanne und ein Gärbottich, und die -Brauerei ist fertig. Oder ein einfachster Destillationsapparat für -die Brennerei oder ein, zwei Maschinen für die Limonadefabrik. Die -Produkte dieser Kleingewerbsbetriebe im Urwald stehen recht hoch im -Preis, für die Flasche Bier ein bis zwei Milreis. Aber nicht nur die -Kleingewerbetreibenden dieser Art werden reich durch das Geschäft, -sie beziehen auch Maschinen und Rohstoffe aus den Hafenstädten zu -phantastischen Preisen. Ein Limonadefabrikant nannte mir die Preise, -die er für Fruchtessenzen bezahlen muß. Darnach verdient das deutsche -Exporthaus in Porto Alegre, von dem er bezieht, daran einige hundert -Prozent. - -Diese gewaltigen Zwischen- und Unternehmergewinne trägt der Kolonist, -ebenso den Riesenverdienst des Handels, der jeden Gebrauchsgegenstand -übermäßig verteuert. Trotzdem kommt auch der Siedler zu Wohlstand, -selbst Reichtum, wenn er sich nur einigermaßen daran hält; so fruchtbar -ist das Land. - -„Wenn Sie sehen wollen, was wir in ein paar Jahren aus einem Stück -Urwald machen können, müssen Sie unbedingt einmal zu Schirach hinaus“, -sagte der Tischler. - -So ritten wir eines Morgens los. Gegen Mittag waren wir auf der -Schirachschen Kolonie. Sie lag in einem schmalen Tal, das von der Linie -abzweigte. Unten bildete ein Bach die Grenze, dann ging es 250 Meter -lang am sanften Hang hoch. Das Ganze war ein Kilometer lang, es war -nur eine kleine Kolonie. - -Aber jeder Fleck war ausgenützt. Zuerst kamen 400 Meter Pferch, in dem -23 Stück Rindvieh und 3 Pferde weideten. Zwischen den Grasenden standen -noch die langsam verwitternden Stumpen der gefällten Urwaldbäume, und -die verhältnismäßig kleine Weide genügt für den Sommer vollkommen; im -Winter kommt noch ein Zuschuß von Salzcaña hinzu, die als Viehfutter -regelmäßig angebaut wird. - -Neben dem Weideplatz lag das Haus mit Schuppen, Scheune und -Schweinestallungen. Davor Rasen, Blumen und dahinter ein großer -Obstgarten. Der Boden lag voll von Pfirsichen, die der letzte Wind -heruntergeschüttelt. Aber auch Birnen und Äpfel fehlten ebensowenig wie -ein Bananengebüsch und eine große dichte Weinlaube, unter deren dichtem -Blätterdach man herrlich kühl ging, während einem die reifen blauen -Trauben nach Art des Schlaraffenlands in den Mund hingen. - -Das Haus war, was selten ist, ein Ziegelbau mit Fachwerk; sauber und -fest. Der Besitzer kam uns von der Veranda entgegen. Er konnte sich -jetzt schon ab und zu ein Mußestündchen leisten. Mit Ausnahme von etwa -fünf Hektar Wald, den er zur Deckung seines Holzbedarfs stehenließ, war -alles gerodet und angebaut. Mais, Tabak, Maniok, Reis, Zuckerrohr -- -nichts fehlte. Wir liefen uns in der heißen Mittagssonne müde, bis wir -alles angesehen hatten. - -Man hört so oft, daß nur Landwirte es wagen sollten, in Übersee als -Kolonist anzufangen, allein ich habe viel Nichtlandwirte drüben -angetroffen, die es als Kolonisten zu etwas gebracht. Auch Schirach -war Fabrikarbeiter gewesen, nicht einmal jung, 34 Jahre, desgleichen -seine Frau. An Kapital hatte er ein Conto -- das sind 1000 Milreis --, -nach heutigem Geldwert etwa 10000 Mark, mitgebracht. Dafür hatte er das -Haus gebaut. Er wollte sich gleich ein behagliches Heim schaffen. An -Betriebskapital blieb ihm also nichts übrig. Heute, nach acht Jahren, -wertet seine Kolonie etwa 14 Contos, mit totem und lebendem Inventar -etwa 22. Sein jährlicher Reingewinn beträgt, abgesehen von dem sehr -reichlichen Leben, das ihm seine Kolonie bietet, mindestens ein Conto. -Unter Umständen können die Erträge auch viel höher sein. Beispielsweise -kann ein Mann im Jahr auf einem halben Hektar 20000 Tabakpflanzen -anbauen. Sie werden im Frühjahr gepflanzt, im Spätsommer wird geerntet. -Bei einem guten Jahr gibt das einen Ertrag von zwei Contos. - -Schirach sagte uns nicht, was er an seinem Tabak verdiente. Aber er -zeigte uns die Stangen, an denen büschelweise die breiten Blätter -zum Trocknen hingen, und die schwarzen Rollen fertigen Tabaks -- -die Kolonisten bereiten meist selbst ihren Tabak. Er besteht aus -festgedrehten, ein wenig fettigglänzenden Rollen, die wie große -Blutwürste aussehen. Sich daraus eine Zigarette zu drehen, ist keine -Kleinigkeit. Erst schneidet man wie bei einer Wurst eine Scheibe ab, -dreht und zerdrückt sie zwischen den Händen, rollt und zerkleinert dann -den Tabak und wickelt ihn schließlich in ein trockenes Maisblatt ein. - -Es liegt ein besonderer Reiz darin, sich seinen gesamten Lebensbedarf -selbst herzustellen. Es kommt nichts auf den Tisch, was nicht auf -eigenem Grund und Boden gewachsen, und als wir uns zum Essen setzten, -war alles eigenes Erzeugnis, bis zu dem selbstgekelterten Wein und dem -Zucker zum Kaffee. - -Wir saßen in patriarchalischer Weise mit den drei hübschen Mägden und -dem schwarzen Knecht zu Tisch. Schirachs hatten keine Kinder, und ihr -Wohlstand schlägt eigentlich aller Theorie ins Gesicht, daß es nur der -Kolonist mit vielen Kindern zu etwas bringt. - -„Ach, wenn wir Kinder hätten!“ meinte die Frau. Sie war Ungarin, gleich -ihrem Mann, und noch immer hübsch. - -Als wir nach Tisch bei Wein und Zigaretten in Schaukelstühlen auf der -Veranda lagen, mußte ich unwillkürlich daran denken, wie sich wohl das -Leben dieses Mannes gestaltet hätte, wäre er als ungelernter Arbeiter -in der Heimat geblieben. Er hätte es wohl nicht über den besitzlosen -Proletarier gebracht. - -Trotzdem er jetzt einen wohlhabenden Bauer vorstellt, war er noch immer -Sozialist. Er konnte sich nicht genug von den Vorgängen in Europa seit -dem Kriege erzählen lassen. Eine starke Unruhe war in ihm. „Ich hätte -wohl drüben sein mögen!“ - -„Ach Gott!“ fiel die Frau ein, „denken Sie nur, er will alles -verkaufen, und wieder woanders neu anfangen, jetzt, wo wir uns endlich -etwas leichter tun können!“ - -„Ja, es freut mich nicht mehr“; er schaute gelangweilt über seine -herrlich stehenden Felder. „Wenn ich jemand finde, der sie mir gut -abkauft, gebe ich meine Kolonie gleich her. Vielleicht gehe ich auch -wieder nach Europa zurück.“ - -Ich mußte an die Tausende denken, die über den Ozean ziehen, die hier -im Urwald unter schwersten Entbehrungen neu anfangen und denen ein -Besitz wie der Schirachsche wie ein fast unerreichbares Ideal in der -Ferne vorschwebt. - -„Na, vielleicht überlegen Sie es sich noch,“ sagte ich ihm zum -Abschied, „das Land hier scheint mir dem Tüchtigen doch noch immer die -besseren Chancen zu geben.“ - -Ehe ich heimritt, machte ich noch seinem Nachbar einen kurzen Besuch. -Er hatte gleichzeitig mit Schirach angefangen, aber es noch immer -zu nichts gebracht, trotzdem er zwei große Söhne hat. Er schimpfte -auf das Land und erzählte dann von seiner Zeit als Potsdamer Garde -du Corps. Es war ganz augenscheinlich, daß er auf seine ehemaligen -Unteroffizierstressen auf dem weißen Kragen auch heute noch immer -stolzer war als auf seinen Hof und Feld und auf all seine Freiheit und -Selbständigkeit als brasilianischer Bauer. - - - - -55. Brasilianische Landgesellschaften. - - Porto da União. - - -Noch bei Morgengrauen fuhren wir bei Marcelino Ramos über den Fluß, -der hier flußauf Rio Pelotas, flußab Rio Uruguay heißt. Dann ging’s -quer durch Santa Catharina, fast einen Tag lang im Tal des Rio do Peixe -entlang. - -Die Bahn war erst seit kurzem wieder hergestellt, nachdem der Fluß den -Damm unterspült und einen Personenzug von den Schienen heruntergeholt -hatte. Reißend sah er noch immer aus, aber es war eine herrliche Fahrt -an den tobenden, in Fällen und Stromschnellen sich überstürzenden -Wassern entlang, die fast schmerzhaft blinkten und glänzten, sobald die -Sonne auf ihnen lag. - -Beiderseits des Flusses Wald. Wald in unendlicher Ausdehnung. -Größtenteils brasilianische Koniferen. Mit ihren hohen, geraden -Stämmen, die nur an der Spitze einen Kranz horizontal abstehender, -spärlich mit Nadeln besetzter Äste tragen, sehen sie aus wie riesige -Regenschirme, in deren Bezug ein Sturmwind bös gewütet hat. - -An allen Bahnstationen Schneidemühlen und mächtige Stapel von Blockholz -und Brettern. Aber so dicht stand der Wald noch, daß man sich fragte, -woher denn all dies Holz eigentlich stamme. - -An dieses Tal grenzen die Ländereien der wichtigsten brasilianischen -Kolonisationsgesellschaft, der Kompanie Hacker. Und alsbald liegen in -allen Waggons die Prospekte und Pläne dieser Kompanie, die zum Kauf -ihrer Ländereien einladen. - -Überall in Südbrasilien, in Hotels, auf den Bahnen trifft man die -Propaganda dieser Landgesellschaften, und man begegnet so vielen ihrer -Agenten, daß man sich fragt: „Woher nehmen diese Gesellschaften all -das Geld nur allein für ihre Propaganda; wie teuer muß der Kolonist -schließlich das Land bezahlen, oder wie billig muß der Kompanie -seinerzeit die Konzession zu stehen gekommen sein!“ - -Die Frage der Einwanderung ist nicht zu trennen von der der -Landgesellschaften, insbesondere da bei weiterem Anschwellen des -Einwandererstromes die Kolonisation der brasilianischen Staaten -keineswegs reicht, alle Landsuchenden mit geeigneten Ländereien zu -versorgen. Dazu kommt ein anderes. Die am günstigsten gelegenen -Ländereien an den Bahnen und Strömen sind zu einem großen Teil in den -Händen von Kolonisationsgesellschaften, die sich häufig diese Komplexe -sicherten, als sie durch einen mit ihnen liierten einheimischen -Politiker von bevorstehenden Bahnkonzessionen erfuhren. - -Es ist der Fall möglich, daß der kapitalkräftige Siedler vorteilhafter -ein teueres Los bei einer Landgesellschaft erwirbt, als Land vom -Staate zu geringerem Preis. Der Anteil der Transportkosten ist sehr -groß. Der Sack Mais in Kolonien an der Bahn, mit kurzen Frachten zu -den Hauptabsatzgebieten, ist beispielsweise etwa 11 Milreis wert, bei -schlechteren Verkehrsverhältnissen kann er bis zu 7 Milreis und weniger -heruntergehen, während in tagereisenweit von der Bahn abgelegenen -Urwaldkolonien mit obendrein schlechten Wegverhältnissen der Händler -dem Kolonisten nicht mehr als 2 Milreis für den Sack bietet. - -Man braucht nicht lange in Brasilien zu reisen, um von den -verschiedensten Seiten die widersprechendsten Urteile über ein und -dieselbe Gesellschaft zu hören. Nach dem einen sind ihre Leiter -sämtlich die gemeinsten Betrüger und Blutsauger, nach dem andern -sind sie die reinen Wohltätigkeitsanstalten, und die Einwanderer -können gar nichts besseres tun, als sich ihnen sofort und blindlings -anzuvertrauen. Man wird ja sehr rasch lernen, ungerechte Erbitterung -und Verärgerung auf der einen wie Interessenverknüpfung auf der andern -Seite zu erkennen. Allein trotzdem ist nichts schwerer, als sich über -die Qualitäten der einzelnen Gesellschaften ein zutreffendes Bild zu -machen. - -Die Preisunterschiede zwischen den Ländereien der -Kolonisationsgesellschaften und des Staates sind sehr erheblich. -Während staatliche Kolonielose von 25 Hektar in Paraná für 350 Milreis -zu haben sind, und selbst in Rio Grande mit seinen hohen Landpreisen -Staatskolonien nicht mehr als 1000, allerhöchstens 1500 Milreis kosten, -muß man an Kolonisationsgesellschaften 2-3000 zahlen, es sei denn, daß -es sich um Kolonien in ganz abgelegenen Gegenden handelt, wo schon Land -für 5-800 Milreis zu haben ist. - -An Kosten hat die Landgesellschaft im allgemeinen nur die für -Vermessung und Wege hineingesteckt. Die in den Prospekten enthaltenen -Angaben über Kirche, Schule usw. bleiben allzu häufig nur auf dem -Papier. - -Im Gegensatz zu den Staatskolonien wird aber streng auf Trennung -von Nationalität und Konfession geachtet. Brasilien sucht gleich -allen andern südamerikanischen Staaten in seinen neuen Kolonien -möglichst die verschiedenen Nationalitäten zu mischen, allerdings -überall mit dem gleichen Mißerfolg -- national geschlossene Kolonien -kommen wirtschaftlich stets rascher voran. Dagegen halten die auf -rein privatwirtschaftlicher Grundlage basierenden Privatkolonien -größtenteils auf Scheidung. So hat zum Beispiel die Hackergesellschaft -nicht nur streng voneinander geschiedene Kolonien für Deutsche -und für Italiener, sondern auch Kolonien für protestantische und -katholische Deutsche. Ebenso wie in Südchile ist ja die Gegnerschaft -der beiden Konfessionen gerade unter den deutschstämmigen Elementen -unvergleichlich größer als in Europa. Wo man auf möglichst alle -Landinteressenten spekuliert, wie es bei neuen, abgelegenen Kolonien -geschieht, legt man wenigstens die verschiedenen Nationen auseinander. -So siedelt beispielsweise die Petri-Meiersche Kolonisationsgesellschaft -in ihrer neuen großen Kolonie Affonso am Paraná im Nordteil nur -Italiener, im Südteil nur Deutsche an. Für beide Nationen ist auch von -vorneherein ein eigener Stadt- und Hafenplatz vorgesehen. In dieser -Kolonie hat sich übrigens ein Teil der mit der „Argentina“ in Buenos -Aires eingetroffenen deutsch-ostafrikanischen Pflanzer angesiedelt. - -Das Haupttätigkeitsfeld der Kolonisationsgesellschaften liegt in -Santa Catharina und Paraná, teilweise auch in São Paulo. Neuerdings -wird eine wachsende Propaganda für Matto Grosso gemacht. Nach den -Prospekten ist Land und Klima überall herrlich, und viele mögen -auch zufriedenstellende Käufe gemacht haben. Die Rio Grandenser -Bauern kaufen z. B. viel von Kolonisationsgesellschaften. Allein -für Unerfahrene bestehen doch große Gefahren. Es gibt gewissenlose -Landgesellschaften, deren Geschäft hauptsächlich darin besteht, den -Käufer um die Anzahlung zu bringen. Das verkaufte Land liegt dann -entweder in einer Fiebergegend, oder hat keinen Absatz. Der Käufer muß -es aufgeben, und die Anzahlung, meist ein Drittel des Kaufpreises, -verfällt. - -Überhaupt ist in bezug auf Fieber die größte Vorsicht geboten. Von -Kolonisten wurde mir gegenüber beweglich geklagt, daß ihnen selbst eine -so alte und renommierte Kolonisationsgesellschaft wie die Hanseatische -Fieberland verkauft habe. Auch Hacker erlebte mit Fieberland ein böses -Fiasko. Er hatte eine riesige Konzession am Paraná-Panema erworben. -Aber das Fieber wütete dort so schlimm, daß bereits der größte Teil -der Vermessungskolonne hinsiechte und sich nur ein kleiner Teil retten -konnte. - -Mit mir im Kupee saß ein junger Rio Grandenser Bauer, der sich auf -der Staatskolonie Cruz Machado Land ansehen wollte. Hatten es ihm die -lockenden Prospekte angetan, oder war er anderer Einwirkung erlegen, -jedenfalls sah ich ihn in Capinsal, der ersten Hackerkolonie, mit einem -andern Herrn aussteigen und Richtung landeinwärts nehmen. - -So mag wohl etwas daran sein an der Mahnung an die Landsuchenden, die -in allen Prospekten wiederkehrt, doch ja auch bis zu der empfohlenen -Kolonie zu fahren und sich nicht etwa unterwegs von dem Agenten einer -anderen Landgesellschaft beschwätzen zu lassen, um bei ihr sich Land -anzusehen und zu kaufen. - -Diese Mahnung sollten Einwanderer weitergehend dahin auslegen, -überhaupt zunächst von keiner Landgesellschaft Land zu kaufen, ehe -sie es nicht auf Grund eigener Erfahrungen über Bodenkultur- und -Absatzverhältnisse zu beurteilen vermögen. - - - - -56. Fahrt auf dem Iguassu. - - Porto Almede. - - -Wir standen am Ufer des Iguassu und warteten auf die Barkasse. Jeden -Augenblick glaubte ich das Puffen des Motors zu hören und hoffte das -Boot an der nächsten Flußbiegung auftauchen zu sehen, aber dann war es -wieder nichts. - -„Manchmal wird es 5 Uhr, bis sie kommt“, tröstete Karl. - -Karl war bisher Kellner in einem deutschen Hotel von Porto da União -gewesen und ging jetzt daran, sich selbständig zu machen. Er hatte sich -ein paar tausend Milreis erspart und erborgt. Mit denen wollte er eine -Venda in Cruz Machado aufmachen. - -„Gibt es denn dort noch keine?“ fragte ich. - -„Doch, schon drei, aber es wird schon noch für eine vierte etwas zu -verdienen geben. Die Kolonie wächst.“ - -Karls Vertrauen stand in krassem Gegensatz zu allem, was man mir in der -Stadt gesagt. - -„Was, Sie wollen nach Cruz Machado?“ hatte der Wirt gemeint, als er von -meiner Absicht gehört. „Das hat gar keinen Wert. Cruz Machado taugt -nichts.“ - -„Der Boden ist schlecht“, sagte der Besitzer der größten Venda. „Alle -Einwanderer, die dorthin gehen, kommen wieder zurück. Es ist ein -Verbrechen, Einwanderer nach Cruz Machado zu bringen.“ - -Auch der sehr verständige Arzt meinte, es gebe so viele Kenner dieser -neuen Staatskolonie in Porto da União, daß ich hier alle Auskünfte viel -besser einziehen könnte als draußen im Wald. - -Cruz Machado ist gegenwärtig die bedeutendste brasilianische -Bundeskolonie, in die ein großer Teil der in Rio eintreffenden -Einwanderer geleitet wird. Ich bestand also auf meiner Absicht. - -„Wozu wollen Sie dahin? Der Beauftragte des deutschen -Reichswanderungsamtes selbst, der vor einigen Monaten hier war, ist -auch nicht hingefahren. Außerdem können Sie jetzt gar nicht hin. Die -Wege sind aufgeweicht. Es gehen keine Autos.“ - -„Ich werde schon hinkommen.“ - -„Und wenn; Sie werden nichts anderes sehen, als wir Ihnen gesagt haben. -Was haben Sie dann?“ - -„Dann habe ich mit eigenen Augen gesehen.“ - -Man war etwas beleidigt, und ich stand jetzt mit Karl am Iguassu. Es -war wirklich nicht so leicht, nach Cruz Machado zu kommen. Bis Porto -Almede ging gelegentlich ein Motorboot, aber von da war es noch eine -tüchtige Strecke ins Land. - -„Wie weit?“ - -„Oh, so 30 bis 40 Kilometer.“ - -„Sie reiten einen Tag.“ - -„70 Kilometer mindestens“, meinte ein Dritter. - -Auskünfte über Weglängen sind im ganzen Innern Südamerikas immer sehr -unbestimmt. - -Wir warteten; die Barkasse kam nicht. Wir hatten um 11 Uhr ein wenig -gefrühstückt und rannten dann eilig an den Fluß hinunter. Jetzt brannte -brasilianische Sommersonne mit größter Kraft. - -Neben uns im Gras glühten mächtige Eisenstücke in der Sonne, -Maschinenteile, Zahnräder, ein Zylinder, ein in zwei Teile zerlegtes -Schwungrad. - -„Für die Papierfabrik“, sagte Karl. - -„Wann wird die gebaut?“ - -Er zuckte die Achseln. - -„Die Sachen liegen schon ein Jahr da.“ Sie waren rot von Rost. - -[Illustration: Deutsche Siedlung in Brasilien.] - -[Illustration: Maispflanzung.] - -[Illustration: Die ersten Anfänge einer Siedlung.] - -Papierfabriken fehlen in ganz Südamerika. Das ist sehr sonderbar. Es -gibt, vor allem in Brasilien, Holz und Wasserkraft dicht beieinander in -beliebigen Mengen, dazu Zeitungen, die einen Papierbedarf haben, größer -als die größte deutsche Zeitung, aber das Papier kommt so gut wie alles -von Übersee, viel aus Nordamerika, einiges aus Europa. - -Vor uns floß der Iguassu, ruhig, breit, mächtig. Sein Wasser war fast -so grau wie Buschwerk, Sumpf und Schlingpflanzen, die seine Ufer -säumten. Nur die Stelle, wo das Motorboot anlegen sollte, war etwas -ausgehauen. Am andern Ufer, gerade uns gegenüber, warfen riesige Palmen -ein leise zitterndes Spiegelbild. - -Die Barkasse kam noch immer nicht. Es war sehr heiß. Ich warf die -Kleider ab. - -„Lieber nicht“, meinte Karl. - -„Warum?“ - -Ich war schon im Wasser. Es war lau, aber doch herrlich erfrischend. -Ich vergaß das Boot und schwamm, bis ich weit über Strommitte war. - -Dicht neben mir kräuselte sich die Flut. Etwas sich Windendes, -Schillerndes. Eine Wasserschlange. Ich erschrak und machte einen Bogen. -Außerdem fiel mir ein, daß ich vergessen hatte, nach Alligatoren zu -fragen. Überhaupt die Barkasse. Es war Zeit umzukehren. - -Ich wendete. Karl war nicht mehr zu sehen. Die Strömung war viel -stärker gewesen, als ich geschätzt, und ich war weit stromab getrieben. -So gut es ging, holte ich gegen den Strom auf, aber ich kam doch gut -ein Kilometer weiter flußab ans Ufer. Vor einem Steilhang lagerte sich -ein schier undurchdringliches Gewirr von Wasserpflanzen. Glücklich kam -ich heraus und trabte zu meinen Kleidern. Als ich da war, legte eben -die Barkasse an. - -Bereits wenige Kilometer hinter der Stadt traten die Waldberge bis -dicht an den Fluß heran, hohe, dichtbewaldete Kuppen. Nur ab und zu -sieht man ein Stück Hang gerodet. Daneben liegt zwischen Mais, Wein und -Pfirsichbäumen ein Haus. Eine einfache Bretterhütte, aber herrlicher -gelegen als die schönsten Villen an mondänen Plätzen. - -Die Kolonisten, die hier am Ufer wohnen, haben beste Absatzgelegenheit -auf billigem Wasserwege nach Porto da União. So wundert man sich, daß -noch nicht mehr Boden urbar gemacht ist. Allein das Land an beiden -Ufern gehört Kolonisationsgesellschaften. Sie haben es nicht sehr nötig -zu verkaufen, von Porto da União soll eine Bahn Iguassu abwärts gebaut -werden. Dann verdoppeln sich die Preise. - -Diese Bahn ist nötig; denn der Iguassu ist nur bis Porto Almede -schiffbar; dann beginnen die Stromschnellen: ein Krescendo von über -Felsen stürzenden Wassern, bis sie ihren Höhepunkt in den Fällen von -Santa Maria erreichen, kurz vor der Mündung des Flusses in den Paraná -in einer Phantasie tosender Wassermengen. - -Die Iguassufälle sind ein Weltwunder. Sie sind die größten der -Welt. An Höhe und Wassermenge übertreffen sie noch den Niagara und -die Viktoriafälle des Sambesi. Die Energiemenge, die da verstäubt, -genügte für ganz Südamerika; aber bisher ist noch nicht die -bescheidenste Pferdekraft gewonnen. Die Fälle liegen mitten im -feuchtheißen, tropischen Urwald, Tausende von Kilometern von den -industriellen Mittelpunkten der angrenzenden Länder Brasilien und -Argentinien entfernt. Brasilien lenkt planmäßig seine Kolonisation -Iguassu abwärts, und auch die projektierte Bahn von Porto da União -bis an die Flußmündung soll der Erschließung dieser Region dienen, -deren Wichtigkeit in absehbarer Zukunft vielleicht nicht hoch genug -veranschlagt werden kann. In dem Augenblick, in dem der eine der -beiden Besitzer der Fälle, Argentinien oder Brasilien, auch nur -die bescheidenste Anlage an den Iguassufällen schafft, wird die -Erschließung der Fälle in raschestes Tempo geraten, da dann Rivalität -und Eifersucht auch den andern Staat zu fieberhaften Anstrengungen -und großen Unternehmungen treiben werden. Aber bis heute blieb’s bei -Studienkommissionen. -- - -Ab und zu legte das Motorboot an. Der Neger zog es dann mit einem -langen Bootshaken unter die traumhaft überhängenden Weiden und Palmen, -zwischen denen weiße und rote Blumen leuchteten und flammten wie eine -Schar rastender bunter Vögel. Es ist nicht viel Verkehr flußab. Der -bedeutendere geht stromauf: Mais, Schweine, Hühner, Eier und Früchte -von den Kolonien in die Stadt. - -Trotz der raschen Fahrt wurde es fast Abend, bis wir nach Porto -Almede kamen. Die Waldhänge waren etwas stärker gelichtet, ein paar -rote Dächer im Grün, das war der ganze Hafen. Hinter dem letzten Haus -schien ein Strich über den Fluß gezogen, von da ab war das ruhige Grün -des Stromes unruhig, gekräuselt, mit weißen Flecken durchsetzt: die -Schnellen. - -Das Motorboot, das nur selten verkehrt, fuhr am übernächsten Tag wieder -nach Porto da União. Bis dahin mußte ich nach Cruz Machado und wieder -zurück sein. Zunächst schien es allerdings hoffnungslos; denn, wo ich -auch um ein Pferd oder Maultier anfragte, erhielt ich abschlägigen -Bescheid. - - - - -57. Auf brasilianischer Bundeskolonie. - - Cruz Machado. - - -Wenn sich auf hoher See die großen Passagierdampfer begegnen, auf der -einen Seite die Dampfer der Hoffnung, die sich neigen von den an die -Reling drängenden Menschen, jubelnd, tücherschwenkend, von denen jeder -einzelne eine Welt von Erwartung und Zukunftsglauben in sich trägt, auf -der andern Seite die stillen Schiffe der Rückkehrenden, so hat solches -Zusammentreffen immer etwas von dem Begegnen der Züge im Felde an sich. -Die einen, die frisch an die Front fahren, laut und lärmend, voll -Hoffnung, unbekümmerten Mutes und Leichtsinns, und die andern mit den -roten Kreuzen und den stillen blassen Männern, beschattet vom harten -Ernst bitterer Enttäuschung, aber auch starrer Entschlossenheit. Jeder -Dampfer, der in die Heimat zurückkehrt, trägt unsichtbar solch rotes -Kreuz, und jeder, der auf ihm fährt, die Narben der Enttäuschung, sei -es sichtbar im Antlitz, sei es unsichtbar in der Seele. Auch jene, die -die alte Heimat nur zeitweise aufsuchen, die nicht klagen können, auch -jene, die erfolggekrönt zurückkehren. Irgendwie war es doch anders, -bitterer, schwerer, zum mindesten anders. Und fast alle führte der Weg -von der großen Hoffnung über die große Enttäuschung, zum schließlichen -Erfolg, oder zum stillen Sich-Bescheiden, oder zum Zusammenbruch, aus -dem nur das nackte Leben in die alte Heimat zurückgerettet wurde. - -Wenn die Schiffe aus der Heimat drüben einlaufen, in der Bai von Rio, -deren berauschender Zauber selbst Menschen trunken macht, die schon -satt sind von der Schönheit der Welt, oder in dem Silberstrom, dessen -braune Unendlichkeit grandios trostloser Wüste gleicht, aus der Buenos -Aires gleich einer Fata Morgana aufsteigt, so zittert die Luft von all -der ausströmenden Hoffnung und Erwartung. Jeder ist ein heimlicher -König, auf den all die Reichtümer, die da am Strande ausgebreitet -liegen, nur warten, daß er sie aufnehme. - -Es soll niemand die Hoffnung genommen werden, der hinüberfahren will -in das Land der Hoffnung. Aber ich sah doch Menschen, die bei der -Landung die Welt in die Tasche steckten, die in der Einwandererbank -der Hauptstadt noch den Kopf hochhielten, die in den verflohten, -verwanzten Einwandererschuppen im Innern bereits klagten und dann -im Urwald nach kurzer Zeit die Axt hinwarfen und wegliefen, um -irgendwo unterzutauchen, oder andere, die in der Stadt am La Plata -nur allzu rasch den Weg vom „Kaiserhof“ über den „Deutschen Bund“ zum -Nachtquartier auf den Freitreppen des Colontheaters fanden. - -Was ich in der neuen brasilianischen Staatskolonie Cruz Machado -an Einwanderern vor mir sah, waren eben der Hundertsatz an Zähen, -Energischen, die sich nicht abhalten ließen, den Weg ins Neue, in neue -Heimat, auf jungfräulichem Boden zu versuchen. Der Weg ist nicht leicht. - -Es ist unendlich schwer, eine solch junge, eben erst im Entstehen -begriffene Kolonie zu beschreiben. Sie ist so, wie sie der einzelne -Einwanderer als Vorstellung im Herzen trägt. Nur auf das Hoffen, -Wünschen und Glauben kommt es an. Es ist ja nichts gegeben; alles -existiert nur im Herzen, in der Phantasie. Auch Cruz Machado muß erst -von der Summe der Willensenergien derer, die in ihr arbeiten wollen, -geschaffen werden. - -Die Auspizien sind gut. Das Einwandererhaus ist übervoll, und täglich -kommen neue Familien an, voll Hoffen und Glauben. Die Kolonieverwaltung -hat es übernommen, jeder Einwandererfamilie ein Haus auf ihrem, von ihr -selbst gewählten Los zu bauen. - -Hier beginnt die erste Schwierigkeit. Die Verwaltung kommt nicht nach. -Der Andrang ist im Augenblick so groß, daß die Häuser nicht rasch genug -gebaut werden können. So ist der Einwandererschuppen übervoll. Rechts -eine Reihe Pritschen, links eine Reihe Pritschen. Darauf Männlein, -Weiblein und Kinder in buntem Wechsel. Die Betten sind verwanzt, der -Schuppen ist heiß, in den schmalen Gängen zwischen den Pritschen -wimmelt es von Kindern. Zank und Streit ist nahe bei der Hand, wenn so -viele Menschen so dicht beieinander wohnen. Die Neuankommenden nehmen -wieder Platz weg. Die Unzufriedenheit der bereits Unzufriedenen trübt -auch ihre Laune. - -Da mag es nicht immer leicht sein, das Bild der Kolonie so froh -und schön im Herzen zu tragen, wie es eben nötig ist, wenn man -vorwärtskommen will. - -Der brasilianische Staat übernimmt nicht nur die freie Beförderung -der Einwanderer und ihres Gepäcks vom brasilianischen Hafen bis auf -die Kolonie einschließlich Verpflegung (freie Überfahrt wurde in -beschränkter Anzahl gewährt, ist aber gegenwärtig beinahe unmöglich zu -erlangen) auf der Reise und in den Einwandererhäusern, er stundet auch -die übrigens sehr niedrigen Sätze für Kolonielose und Häuser. Außerdem -werden den Einwanderern ein Vierteljahr lang Lebensmittelkredite in -Höhe von einem Milreis für jedes Familienmitglied gewährt, die durch -Wegarbeiten abverdient werden müssen. Da auch Samen und Arbeitsgerät -von der Kolonieverwaltung geliefert werden, ist theoretisch die -Ansiedelung auf einer brasilianischen Staatskolonie ohne jedes Kapital -mit Ausnahme des für die Überfahrt nötigen möglich. In der Praxis gibt -es natürlich einige Schwierigkeiten, da doch für eine ganze Reihe von -Bedürfnissen Geld erforderlich ist, und auch die Lebensmittelkredite zu -völliger Sättigung bei der schweren Arbeit kaum ausreichen. - -„Wir haben unsern Koffer verkauft,“ jammert mir die Frau, die vor dem -Einwandererschuppen gerade ihre Sachen wäscht, „jetzt weiß ich nicht -mehr, wohin mit den Sachen.“ - -„Und ich hab ihm Stiefel gegeben, dem Kerl“, fügt eine andere Frau -hinzu und weint. „Keiner wollt’ was geben dafür.“ Sie halten zusammen, -all die Schmeißfliegen, die den Mangel nutzend in jeder neuen Kolonie -die Einwanderer umkreisen und ihnen für wahre Schandpreise ihre Sachen -abnehmen. Aber nur durch Verkauf können sich viele Herübergekommene das -nötige Bargeld verschaffen. - -Die beiden Frauen weinen laut auf, als sie mir erzählen, was sie alles -verkaufen mußten. Andere kommen hinzu und bringen andere Klagen vor. -Jammern steckt an. Das ist das Gefährliche. - -Sicher ist manche Klage berechtigt, und jeder, der Südamerika -kennt, weiß, daß die zweifelsohne guten und praktisch durchdachten -Einwanderermaßnahmen des brasilianischen Staates oft genug von -Durchstechereien der untern Behörden durchkreuzt werden können. -So erscheint mir glaubhaft, daß gewisse Beamte der Immigração -auf Einwanderer, solange sie noch im Einwandererhaus auf der -Blumeninsel bei Rio sind, einen Druck ausüben, sich auf Fazendas, auf -Kaffeeplantagen, zu verdingen, statt auf eine Staatskolonie zu gehen. -Die Kaffeefazendeiros brauchen dringend Arbeitskräfte, und wer will -sagen, ob nicht der oder jener Beamte eine empfängliche Hand hat? - -Aber auch in Cruz Machado selbst gab es mancherlei Klagen. Die -Werkzeuge und der Samen würden in schlechtem Zustand und unvollständig -geliefert. Der Lohn für die Wegearbeit werde nicht voll ausbezahlt, und -dergleichen mehr. Klagen über Klagen von den einen, dann aber wieder -Zufriedenheit und frohes Glück in den Augen bei andern, die sich schon -durch die ersten Schwierigkeiten durchgebissen, denen der Mais schon -Früchte trägt, die sich bald ein Schwein kaufen können, und die, wenn -sie abends arbeitsmüde vor ihrer Hütte sitzen, im Geiste Wohlstand und -Reichtum zwischen der frisch gemachten Roce emporsprießen sehen. - -Auf der Kolonieverwaltung sah ich die Karten ein. Das ganze zur -Verfügung gestellte, vermessene Land ist bis auf ein Zipfelchen -vergeben. Doch sind bereits Vermessungskolonnen unterwegs, um weitere -große Urwaldstrecken für Kolonisationszwecke zu vermessen. Urwald, -nichts als Urwald, doch in nicht allzu ferner Zeit aller Voraussicht -nach blühende, reiche Landstriche. Ich sah Kolonien, die fünf Jahre -bestehen, nette kleine Dörfchen inmitten wogender, früchteschwerer -Felder, zehn Jahre alte Kolonien, in denen es Vorangekommene schon -zu kleinen landwirtschaftlichen Industrien brachten, wo schon ein -Kirchturm zwischen Essen gen Himmel ragt. Und dann die großen, reichen -Städte in Rio Grande, das große Vorbild und das Symbol der Hoffnung -allen, die jetzt mit dem Einwandererbündel auf der Blumeninsel landen. - - - - -58. Kaffeefazendas. - - São Paulo. - - -Von dem feuchtheißen, ehemals so fieberschwangeren Santos führt in -steiler Kurve die Bahn durch tropischen Urwald hinauf auf das kühle -und gesunde Paulistaner Hochland, und hier, fast unter dem Wendekreis, -liegt in 800 Meter Höhe São Paulo, die Hauptstadt des gleichnamigen -Staates, die nur hinter der Bundesmetropole Rio de Janeiro an Größe -und Einwohnerzahl zurücksteht, sie aber übertrifft an Rührigkeit und -Energie ihrer Bewohner und an wirtschaftlicher Bedeutung. - -Diese große, europäisch anmutende Stadt mit ihren breiten Boulevards, -großen öffentlichen Palästen, großen Theatern ist ebenso wie der Hafen -Santos und wie der ganze Staat São Paulo, der mit Minas Geraes zusammen -den brasilianischen Bund regiert, eine Schöpfung des Kaffees. - -Der Kaffee baute diese breiten Straßen, dieses dichte Bahnnetz, diese -reichen Paläste und prächtigen öffentlichen Gebäude. Er zahlt die -Seidenkleider und Florstrümpfe der Frauen und die Autos und mancherlei -Passionen der Männer. Vom Kaffee lebt nicht nur der Staat São Paulo, -von ihm lebt in der Hauptsache der gesamte brasilianische Bund. Er -ist Hauptexportartikel, wirtschaftliches Rückgrat des ganzen Landes. -Auch in der gegenwärtigen Krise richten sich aller Augen hoffend auf -diesen Artikel, in dem die große südamerikanische Republik ein gewisses -Weltmonopol hat. Wie wird die Ernte werden? Wie werden sich die Preise -gestalten? Wird es den Valorisationskäufen der Regierung gelingen, die -Preise so weit zu heben, daß trotz des erschreckenden Valutasturzes die -Handelsbilanz des Bundes nicht allzu ungünstig abschneidet? - -Abgesehen von den Verhältnissen auf dem Weltmarkt ist für São Paulos -Kaffeebau zweierlei nötig: die Erschließung neuen Plantagenbodens und -die ständige Zufuhr von Arbeitskräften. - -Fährt man von São Paulo aus westwärts und nordwestwärts, so kommt man -über Land, das ehemals Kaffeeboden war, das aber jahrzehntelanger -Anbau der braunen Bohnen so ausgelaugt hat, daß man zu andern -Kulturen überzugehen gezwungen war. So müssen sich die parademäßig -aufmarschierten Reihen der Kaffeebäume immer weiter nach Westen -schieben, wo ein Stück jungfräulichen Urwalds nach dem andern zu fallen -hat, damit die Kaffeeproduktion auf der Höhe erhalten werden kann. - -Noch ist der unerschlossene brasilianische Urwald groß, schier -unermeßlich. Darum droht hier noch keine Gefahr. Anders aber steht -es mit den Arbeitskräften. Der eingeborene Brasilianer arbeitet -in den Kaffeefazendas nicht oder nur sehr ungern -- er wird seine -Gründe haben --, und auch frisch Herübergekommene bleiben nur in -Ausnahmefällen als Arbeiter auf den Plantagen, so daß die Fazendeiros, -die Plantagenbesitzer, ständigen Bedarf an Arbeitskräften haben, den -sie aus den Einwanderern decken: Portugiesen, Spaniern, Italienern -und neuerdings auch Deutschen. Der Bedarf danach ist groß. Als ich -in São Paulo auf der Immigração weilte, waren dort nicht weniger als -20000 Arbeitskräfte als verlangt angemeldet. Bei einer derart großen -und derart lebenswichtigen Nachfrage mag es immerhin vorkommen, daß -Bestechung eine Rolle spielt und daß von Einwanderungsbeamten ein -unzulässiger Druck auf die Einwanderer ausgeübt wird, um sie auf die -Fazendas zu bringen. Der Gerechtigkeit halber muß jedoch anerkannt -werden, daß von seiten der zentralen Einwanderungsbehörde sehr -energisch gegen solche Mißbräuche eingeschritten wird, sobald sie zu -ihrer Kenntnis gelangen. - -Das Leben und die Arbeit auf den Kaffeefazendas wird sehr verschieden -beurteilt: von dem einen als sicherer Aufstieg zu eigenem Besitz, -von dem andern als reine Sklaverei. Zweifelsohne ist die Arbeit -dort schwer, und das Leben niemals leicht. Die Temperatur in den -Kaffeefazendas ist hoch. Das Land ist kahl. Die mannshohen Kaffeebäume -geben keinen Schatten. Es gilt, sie das ganze Jahr über unkrautfrei zu -halten. Das ist nicht leicht, denn das Unkraut wuchert üppig. Man muß -sich schon fest daranhalten, wenn man 3-4000 Bäume im Jahr rein halten -will. Und diese Arbeit ist herzlich schlecht bezahlt, etwa 160 Milreis -im Jahr für 1000 Bäume. Da ist es gut, wenn man eine recht zahlreiche -Familie hat, die tüchtig mithilft. - -Das Pflücken des Kaffees macht extra Arbeit, die allerdings auch extra -bezahlt wird: für den Sack zu hundert Liter werden 2 Milreis gezahlt. -Eine Familie zu sechs Personen vermag 1400 Sack zu ernten. - -Zu diesem Barlohn tritt noch freie Wohnung und freies Holz. Außerdem -wird in der Regel die Erlaubnis erteilt, zwischen den Kaffeebäumen eine -Reihe Mais und zwei Reihen Bohnen zu ziehen, mitunter wird auch noch -sonstiges Pflanzland gegeben, so daß sich die Fazendaarbeiter Hühner -und Schweine halten können. - -Unter solchen Bedingungen haben zahlreiche Einwandererfamilien es dahin -gebracht, sich nach einer Reihe von Jahren erst Land zu pachten und -später kleine Kaffeeplantagen zu kaufen und auf eigene Rechnung zu -bewirtschaften. Aber äußerste Sparsamkeit in den ersten Jahren gehört -dazu und Verzicht auf alle Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten. -Außerdem darf man nicht krank werden; ein Unglücksfall kann alles -ruinieren, und man darf nicht auf eine Fazenda kommen, wo der Besitzer -für die Lebensmittel, die jeder besitzlose Arbeiter für den Anfang -auf Kredit nehmen muß, Wucherpreise verlangt. Sonst ist die Gefahr der -Schuldenwirtschaft gegeben, die leicht zu einer Schuldknechtschaft -werden kann. - -Als ich in São Paulo auf dem deutschen Konsulat war, traf ich dort -einen Mann und eine Frau, die von einer Kaffeefazenda in die Stadt -geflohen waren. Der Fazendeiro hielt sie über den Kontrakt hinaus auf -der Fazenda unter geradezu grauenhaften Verhältnissen. Als sich der -Mann dagegen auflehnte und fort wollte, ließ der Plantagenbesitzer ihn -niederschlagen und sperrte ihn in den Schweinestall. Mit einem andern -dort arbeitenden Deutschen floh daraufhin die Frau, um die Hilfe des -Konsulats anzurufen. - -Solche Fälle mögen selten sein. Der geflohene Mann sagte mir selbst, -daß er seit vielen Jahren auf Fazendas arbeite und daß er solche -Verhältnisse bisher nie angetroffen habe. Allein, mögen sie auch noch -so selten sein, Vorsicht tut doch bei jedem Vertragabschluß not. -Wesentlich bessere Bedingungen würden sich erzielen lassen, wenn es -gelänge, für die deutschen Einwanderer Tarifverträge durchzusetzen -und eine Organisation zu schaffen, die dafür sorgt, daß solche -Ausnahmefälle von Brutalitäten und Übergriffen nicht mehr vorkommen -oder daß wenigstens ihre Ahndung auf dem Fuße folgt. Gar so schwer -könnte das nicht sein; denn Brasilien lebt vom Kaffee, und ohne Zufuhr -von Arbeitern für die Fazendas müßte es wirtschaftlich zusammenbrechen. - - - - -59. Die Großstadt der Tropen. - - Rio de Janeiro. - - -„Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und -zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit.“ - -Wenn der Dampfer in die Bai von Rio de Janeiro einläuft, vorbei an -den umgischteten Kaimauern der alten Forts und unter dem Schatten der -unheimlichen Felssäule des „Zuckerhuts“, schaut man den Berg, auf den -der Satan den Erlöser führte, um ihn zu versuchen. Wenigstens machen -die Brasilianer Anspruch darauf, daß der Corcovado, die steil über -Stadt und Bucht ragende Felsklippe, der Berg sei, von dem das vierte -Kapitel des Matthäus-Evangeliums erzählt. - -Es läßt sich gegen diese Legende wenig einwenden; denn der Versucher -hätte in ganz Palästina, ja in der ganzen Alten Welt keinen Fels -finden können, zu dessen Füßen so überreich alle Herrlichkeit der Welt -ausgebreitet ist. - -Brasiliens Hauptstadt ist vielleicht die schönste Stadt der Erde. Das -ist so bekannt und so oft geschildert, daß es müßig wäre, darüber noch -ein Wort zu verlieren. Mehr noch, man sollte gar nicht erst versuchen, -ihre Schönheit zu schildern; denn sie ist derart, daß sie über Maß und -Beschreibung hinausgeht. Wenn man über die grünen, palmenbestandenen, -in Blüten brennenden Hügel streift, die wie vielfach gereihte -Perlenschnüre Stadt und Bai umgrenzen, geht das Maß des Schönen selbst -über das hinaus, was die Augen aufzunehmen vermögen. Ins Extrem -überschlagend möchte man ausrufen: „Ja, weiß der Himmel, Rio ist schön; -aber das weiß ich nun schon. Laßt mich in Dreiteufelsnamen in Ruhe, ich -kann nicht mehr.“ - -Wenn irgendwo, braucht man in Rio Zeit und Muße, um die Schönheit -zu genießen, die dort auf den Beschauer einstürmt. Denn sie ist -immer da, ob die über die Bucht gespannte, schmerzhaft blaue Kuppel -wolkenlos ist und alle Farben an Leuchtkraft miteinander wetteifern, -oder ob die aus schwarzen Wellen und weißem Gischt ansteigenden, mit -allen Tropengewächsen überwucherten Felsen in mystisch-geheimnisvolle -Nebel sich verlieren. Mag man über die Hügel wandern oder die Bucht -durchkreuzen, die endlosen Praias, die Strandpromenaden, im Auto oder -in der Elektrischen entlang fahren, auf den Corcovado steigen oder auf -den Zuckerhut, die Schönheit wird nie weniger. Immer eine neue Bucht, -eine neue Klippe, aus Palmen und Blüten wachsend, immer ein neuer -Ausblick. Geht die Sonne auf, brennen Bucht und Berge in dem tiefsten -Rot einer ungeheueren Feuersbrunst. Senkt sich die Nacht, so laufen -vielfache Lichterreihen jede Strandzeile entlang, jeden Hügel hinauf. -Die Berge stehen wie phantastische Schatten am Himmel, bis auf den -unheimlichsten, den Pão d’Assucar, der aus den Lichterkränzen aufsteigt -wie die gespenstische Vision eines riesenhaften Symbols altheidnischer -Phallusfeste. - -Wenn ich jemand beneide, so sind es jene portugiesischen Seefahrer, -die, als erste in die Bucht einlaufend, die ganze Tropenwelt um die -blaue Bucht noch in ursprünglicher, unberührter Herrlichkeit antrafen. - -Das heißt jedoch nicht, daß Rio als Stadt nicht auch seine schönen -Teile hätte. Keineswegs will ich mir das boshafte argentinische Wort zu -eigen machen, das von Rio, wie überhaupt von ganz Brasilien behauptet: -„~La naturaleza todo, los brasileros nada~“; das heißt, daß alles die -Natur geschaffen, die Brasilianer nichts. - -Freilich, die Stadt ist entstanden und gewachsen wie alle -südamerikanischen Städte. Wahllos und unorganisch wurden Häuser und -Straßen über Hügel und Täler geworfen. Aber einen großen Vorzug hat sie -vor fast allen übrigen Seestädten, die Lage des Hafens. - -Freilich der mächtige Eindruck eines modernen Hafens soll nicht -geleugnet werden, der immer gleich bleibt, mochte man an einem -Nebeltag die Elbe hochfahren und in vergangenen Tagen den Mastenwald -des Hamburger Hafens vor sich sehen, oder auf der Themse unter Tower -Bridge hindurchgleiten, oder in den Hudson einlaufen zwischen Docks, -Riesenschiffen und den phantastischen Wolkenkratzern New Yorks. Aber -immer schließt doch der Hafen die eigentliche Stadt vom Wasser und der -freien See ab, bleibt kein Platz für Bäder und Strandpromenaden. Rio -dagegen stößt mit seinem Zentrum, mit seiner City, in breiter Front an -die offene Bucht, und der Hafen, Arsenale, Docks und Werften, alles was -raucht, qualmt und lärmt, ist nach hinten verlegt, tiefer in die Bucht -hinein, gleichsam an die Rückseite der Stadt. Was man beim Einlaufen -von der Stadt zunächst vor sich sieht, wirkt wie ein Palast, wie ein -Garten. - -[Illustration: Bai von Rio de Janeiro, vom Gipfel des Corcovado aus. - -In der Mitte der „Zuckerhut“.] - -[Illustration: Auf dem Marsch durch den Urwald.] - -[Illustration: Blumeninsel bei Rio de Janeiro.] - -Diesen Teil der Stadt so auszubauen, daß er den Vergleich mit jeder -Hauptstadt der Welt aushält, hat die Brasilianer ein Vermögen gekostet, -so viel, daß die Unzufriedenheit in den einzelnen Staaten, vor allem in -denen des Nordens, groß wurde, weil so viel an den Prunk der Hauptstadt -gehängt wurde, während es für ihre Bedürfnisse an Geld mangelte. - -Wie Buenos Aires war die City von Rio ursprünglich ein Winkelwerk -kleiner Gassen. Eine Bresche wurde hindurchgeschlagen, von einer Bucht -zur andern, ein mächtiger Durchlaß für Luft und Licht, der den frischen -Seewind bis ins Zentrum trägt. Die so entstandene Avenida Rio Branco -grenzt auf der einen Seite an die Kais und die Hafenanlagen, auf der -andern an die Praia, den freien Strand, die breiten palmenbepflanzten -und beetumsäumten promenadeartigen Straßenzüge, die viele Kilometer -weit die Buchten entlang führen. - -Auf diesen Promenaden, sowie in den Straßen, die auf sie münden, sieht -man am frühen Morgen ein eigenartiges Bild: Männlein und Weiblein -wandern da, nur mit dem Badeanzug, höchstens noch mit Bademantel oder -Badetuch bekleidet, an den Strand. Eine Badeanstalt in unserm Sinn gibt -es in ganz Rio nicht; jeder badet, wo er gerade Lust hat, und an der -Stelle, die seiner Wohnung am nächsten. In bestimmten Abständen führen -Treppen oder schräge Rampen ins Wasser hinunter. Dieser Badebrauch -beschränkt sich keineswegs auf die unteren Schichten. Auch die Damen -der Gesellschaft baden hier, und man kann des Morgens häufig Damen -sehen, die im Badeanzug ihr eigenes Auto an den Strand hinunterlenken. - -Autos sieht man überhaupt in ungeheuerer Menge, kaum viel weniger -als in New York oder Chicago. Pferde dagegen ziehen höchstens noch -einen Leichenwagen. Nichts macht einen merkwürdigeren Eindruck als so -ein schimmelbespannter Leichenwagen, hinter dem eine endlose Kette -vielepferdestarker Automobile im langsamsten Tempo dahinschleicht. - -Ja, die Stadt ist reich, und sie zeigt und verschwendet ihren -Reichtum, sie, die kostbarste Blüte eines reichen Landes. Es war -für sie keine Kleinigkeit, nicht nur zur schönen, sondern auch zur -gesunden Stadt zu werden. Ursprünglich war Rio de Janeiro eines der -schlimmsten Fiebernester an der brasilianischen Küste. So schlimm, daß -zeitweise die Schiffe sich scheuten, es anzulaufen -- man erzählte von -Schiffsbesatzungen, die bis auf den letzten Mann dahingesiecht waren ---, so schlimm, daß die brasilianischen Kaiser ihre Residenz aus dem -Fiebersumpf heraus in die Berge verlegten, wo sie in Petropolis sich -eine eigene Stadt bauten. - -Heute aber ist Rio so gesund wie nur irgendeine Stadt der Welt. Hier, -wo es bei einer Lage zwischen Wasser und Wald von Moskitos wimmeln -müßte, kann man nachts im Freien ohne Moskitonetz schlafen. - -Nur eines ist geblieben von den Lasten des Klimas: die Hitze. Kräuselt -kein Wind die Wasser der Buchten, liegen sie da wie flüssiges Blei, -dann lastet auch Tag und Nacht unerträglicher Druck auf allen -Straßen, und man hebt sich morgens nicht erfrischt und müde von dem -schweißnassen Lager. - -Alles, was Geld hat, kann bis zu einem gewissen Grad auch der Hitze -entfliehen. Man kann nach Leme oder Copacabana hinausziehen, wo die -mächtigen Wellen des Atlantik an den Strand spülen, oder man kann -auf den Bergen und Hügeln seinen Wohnsitz nehmen, die heute schon -zahlreiche elektrische und Zahnradbahnen mit der Stadt an der Bucht -verbinden. -- - -Es ist ein oft wiederholtes Phantasiebild, die City von New York -oder Berlin in fünfzig oder hundert Jahren aufzuzeigen. Aber die -Phantasie beschränkt sich bei diesem Bild auf die Übereinanderhäufung -von Stockwerken und Verkehrsmitteln. Eine solche Phantasie auf Rio -übertragen, böte ganz andere Möglichkeiten. Rio kann nicht nur die -schönste, sondern auch die phantastischste und großartigste Stadt der -Welt werden und gleichzeitig das wundervollste und eleganteste Seebad. - -Es ist ja nur eine Frage des Ausbaus der Verkehrsmittel, um die ganzen -Wohnviertel auf die frischen kühlen Berghügel zu verlegen, so daß am -Hafen nur die Geschäftshäuser bleiben, die durch künstliche Kühlung -und Ventilation vor der Hitze geschützt werden. Schnelle Verbindungen, -in Tunneln laufende elektrische Schnellzüge würden an die Bucht, -Badestrand und den offenen Ozean führen, so daß man von der Wohnung -ebenso rasch zum Bad wie zur Geschäftsstadt gelangen könnte. - -Wie heute schon eine Seilbahn freischwebend Hunderte von Metern weit -auf den Zuckerhut führt, so ließen sich alle die einzelnen Bergkuppen -miteinander verbinden, und auf einem zentral gelegenen würde eine -Vergnügungsstadt mit Theatern, Kinos und Tanzpalästen sein. - -Wer weiß, vielleicht! - - - - -60. Die Blumeninsel. - - Rio de Janeiro. - - -Tief innen in der Bucht von Rio de Janeiro, mehr als eine Stunde -Motorbootfahrt von den Hafenkais, liegt die „~Ilha das flores~“, -die Blumeninsel. Irgendwo versunken ist der Lärm des Hafens, das -Kreischen der Krane, das Rasseln der Ketten, das Hämmern der Werften -und Werkstätten, aber auch das Brausen der über die breiten Aveniden -und Promenaden der Weltstadt sich drängenden Massen und der jagenden -Autos. Eine einsame Insel in märchenstiller Bucht. Flache Dächer unter -ragenden Palmen, die sich spiegeln in unwahrscheinlich blauer Flut. - -Man könnte meinen, irgendein menschenscheuer Sonderling habe sich hier -seine Zuflucht gebaut, oder die weitgestreckten Hallen bergen ein -Sanatorium, eine Erholungsstätte für Menschen, die in vollkommener -Stille und Einsamkeit kranke Nerven kräftigen wollen. - -Auf diese Insel hat die brasilianische Regierung das Einwandererhotel -verlegt, jene Stätte, die für die ersten Tage nach der Ankunft alle -gastlich aufnimmt, die in Brasilien eine neue Heimat suchen. Es ist, -als wolle man den Neuankömmlingen gleich das Schönste zeigen, was -dieses an Schönheiten reiche Land bietet, als wolle man ihnen hier auf -dieser stillen schönen Insel erst Muße gewähren, sich hineinzufinden -in diese so ganz andere fremde tropische Welt, die jetzt das neue -Vaterland werden soll. Als sollten sie hier erst noch einmal Kräfte -schöpfen und Mut fassen, ehe sie hinausgeschleudert werden in einen -unerbittlich harten Lebenskampf unter sengender Sonne. Wenige Tage -hier in beschaulicher Muße, dann gehen die Transporte weiter, nach São -Paulo, Santa Catharina und Paraná, wo blühende Kolonien aneifern und -die Möglichkeiten aufzeigen, die der jungfräuliche Urwaldboden birgt, -oder ins Innere des Landes, in jene unermeßliche, noch unerschlossene -Steppe von Matto Grosso, in die Berge von Minas Geraes oder auch in -den fieberheißen Norden von Bahia und Pernambuco. Wenige Tage der -Ruhe und letzte reifliche Wahl; denn der einmal getroffene Entscheid -ist nach viele Tage langer Fahrt am Bestimmungsort nur schwer noch zu -ändern. Einmal nur gewährt die Einwanderungsbehörde freie Reise, freie -Gepäckbeförderung und freien Unterhalt. Einmal an der selbstgewählten -Arbeitsstätte heißt es, sich selbst weiterhelfen, wenn der Einwanderer -nicht das findet, was er erhofft und erwartet. - -Es ist gerade ein Dampfer des Brasilianischen Lloyd eingetroffen, -der aus Hamburg viele Hunderte deutscher Freifahrer herüberbrachte, -jene Glücklichen, denen es nach endlosen Laufereien, Plackereien -und Scherereien mit Konsulaten und Behörden möglich war, die freie -Überfahrt zu erlangen, die der brasilianische Staat für dreitausend -deutsche Auswanderer auswarf. - -Glückliche? -- Heute sind sie es noch. Man sieht nur strahlende, -leuchtende Gesichter. Auf dem Anlegeplatz spielen Kinder, im Wasser -tummeln sich Schwimmer, deren weiße Leiber wie in durchsichtigen -blauen Kristall gefaßtes Elfenbein wirken, in der offenen Wandelhalle -unter den Palmen sitzen behaglich und zufrieden Männer und Frauen. Die -Motorboote, die heute abgehen sollten, um die Einwanderer zur Stadt zu -bringen, von wo mit Bahn und Schiff die Reise weitergehen sollte, sind -nicht gekommen. Die Abreise ist um einen Tag verschoben worden. Man hat -alles gepackt, alles erledigt, nun hat man noch einmal vierundzwanzig -Stunden süßen Nichtstuns, noch einmal Frist auf der stillen Insel, ehe -der Kampf beginnt. - -Die wenigsten wissen, daß es ein Kampf ist, der ihrer harrt, zum -mindesten wissen sie nicht, wie unerbittlich und hart er ist. Die -schöne, üppige Insel in der von kühlen Winden umfächelten Bucht -verführt dazu, alles ein wenig zu schön und zu leicht zu nehmen. Ich -plaudere mit den nächsten. Als mein Name fällt, sammelt sich ein rasch -wachsender Kreis um mich. Kaum einer unter den Einwanderern, der ihn -nicht kennt, der nicht den einen oder andern der Aufsätze las, die ich -seit anderthalb Jahren aus Südamerika geschrieben. Fast alle tragen ja -schon seit Jahren den Plan in sich, jenseits des Ozeans sich eine neue -Heimat zu suchen, und so haben sie gierig alles gelesen, was über die -Länder geschrieben wurde, in die sie ziehen wollten. - -Frage über Frage: Die meisten wollen das wiederholt hören, was sie -sich zurechtgelegt haben über die Gegend, die Arbeit und Lebensweise, -die sie sich aussuchten. Sie wollen das Bild bestätigt sehen, das sie -gläubig hoffend im Herzen tragen. Es wird Enttäuschungen geben -- für -alle. Manche, die sie überwinden, werden nach schwerem Anfang den Weg -zu Glück und Wohlstand finden, aber auch manche werden elend zugrunde -gehen, wie ich so viele zugrunde gehen sah! - -Das Land, der ganze Erdteil ist reich, unermeßlich. Aber nicht umsonst -blüht und wuchert und treibt es aus ihm in tropischer Fülle. Wer die -Schätze heben will, zahlt hohen Preis mit Jahren voll Mühe und Arbeit, -häufig mit Gesundheit und Leben. - -Eine aufsteigende Welt! Man mag Südamerika durchziehen, wo man will, -durch die argentinische Pampa, über die chilenische Kordillere, durch -die bolivianische Puna oder den brasilianischen Urwald, überall wird -sich der Gedanke aufdrängen, daß hier eine neue machtvolle Welt in -der Bildung begriffen ist, eine Welt, die gestützt auf überreiche -natürliche Hilfsmittel einmal darangehen wird, sich ihren Platz als -ausschlaggebender Faktor im weltpolitischen und weltwirtschaftlichen -Ringen zu sichern. Eine gewaltige Welle rasend schneller Entwicklung -wird einmal auf diesem jungen und noch immer so wenig bekannten -Kontinent sich erheben, und sie wird alle hochtragen, die den rechten -Augenblick erfassen. - -Freilich, auf den rechten Augenblick kommt es an; denn auf diesem seit -Jahrzehnten durch Krieg, Revolution, Parteistreitigkeiten, Anarchie und -Diktatur erschütterten Erdteil geht in raschem Wechsel die Entwicklung -auf und ab, und ehe der große jähe Anstieg anhebt, mag mancher, der -hoffnungsfreudig und arbeitswillig hinauszog, in den Wellentälern -niedergehender Konjunktur, wirtschaftlicher Depression, politischen -Streites und sozialer Unruhen begraben werden. - -Aber einmal kommt der Aufstieg. Und während vielleicht einmal die -Alte Welt zugrunde geht und versinkt, wird eines Tages neben Yankees, -Mongolen und Russen die aus indianischem und europäischem Blut in der -Bildung begriffene südamerikanische Rasse in die Geschichte eintreten. -Von Europa aus nahmen die Schiffe der Konquistadoren ihren Weg, um die -durch uralte Kultur dekadenten Reiche der Azteken und Inkas zu stürzen. -Vielleicht geht einmal die Geschichte den umgekehrten Weg. - - - - -Register. - - - Administrator, landwirtschaftlicher, in Bolivien 203-207. 214. 215. - - Agrio, Fluß 125. 128. - - Aimara 180. 186. 200. - - Alemann, Dr. Theodor 110. - - Alerce, Nadelbaum 150. - - Alessandri, Arturo, Präsident der Republik Chile 143. 175. 239. 240. - - Alfalfa 49. 59. 99. 100. 118. 119. - - Alkohol aus Zuckerrohr 202. 214. 215. - - Allerseelen, in Bolivien 219-223. - - Almirante Cordero 107. 108. - - Altiplano 184. 195. 230. - - Ancohuma 235. - - Antofagasta, Stadt und Provinz 162. 163. 164. 165. 166. - - Araukaner 146. 153. 154. 155. - - Arbeiter, hörige 204. 205. - - Arendatario 49. - - „Argentina“, Dampfer 75. 285. - - Argentinien 248. 258. 259. 291; - Klima 72. 73. 74. 75. 110. 117; - Kriegsflotte 92; - Kriegshafen 92. 93; - Landschaft 47. 67. 256; - Pachtverträge 48. 49; - politische Stellung 77-79; - Siedlungsgebiete 47. 50. 75. 82. 83. - - Argentinisches Tageblatt 43. 76. - - Arica 237. - - Auswanderer 16 ff. 82. 86. 293. 294. - - - Badeleben, in Montevideo 245. 246; - in Rio 305. - - Bahia 22. 26. 27. - - Bahia Blanca 84-89. 91. - - Beni, Fluß 184. 211. - - Bergkrankheit 231. - - Bergsteiger, deutsche 232 ff. - - Besitztitel auf Land, in Argentinien 50. 51; - in Chile 150. 151. - - Bewässerung, in Argentinien 97. 98. 105. 106. 107-110. 119. 133; - in Chile 139. 140. - - Blancos 5. 189. 190. 219. 227. 229; - in Uruguay 249. - - Blumenau 261. - - Blumeninsel, bei Rio 297. 308. - - Bolivien 5; - Arbeiter 185. 204. 205; - Bau des Landes 195. 196; - Bergwelt 230 ff.; - Einwanderung 183; - Freihafen 164; - Geschichte 183. 184. 185; - Produkte 184. 185. 187. 200; s. a. Indianer. - - Bolschewisten 239. 240. 249. - - Bombilla 129. - - Borax 178. - - Brasilien 23. 25. 29. 248. 253. 256. 258. 259. 260. 291; - Einwanderung 270. 273. 295. 296; - Kaffeebau 298. 301; - Siedlungsgebiete 309; - Siedlungspolitik 264. 284; - Süden 23. 260. 261. - - Buenos Aires, Stadt 31. 35. 39. 85. 243. 245. 247. 293; - Provinz 41. 75. 82. 85. - - - Cabañas 56. - - Cacheuta, Badeort 134. - - Calama 177. - - Caliche, Salpetermineral 167. 169. 170. 171. - - Campamento 171. 173. - - Caña s. Zuckerrohr. - - Casa Rosada. Regierungspalast in Buenos Aires 76. - - Cayunco, Fluß 116. 122. 125. - - Cebollar 178. - - Ceiba (Wollbaum) 199. - - Chaco, Gobernacion 44. 50. 75. 82. - - Chacra 69. - - Chile, Bedeutung des Salpeters 171. 174; - Deutsche 152. 163. 164. 262; - Klima 139; - Krieg mit Bolivien und Peru 164. 165. - - Chiloé, Insel 146. 149. - - Chirimoya, Frucht 188. - - Choele Choel, Insel und Station 96. 97. 101. - - Cholos, Mischlinge 186. 188. 189. 207. 208. 221. - - Chubut, Gobernacion 45. 50. - - Chulumani 196. 203. - - Coca 189. 192. 193. 201. 202. 204. 205. - - Cocal 205. 206. - - „Colorado“, in Uruguay 248. 249. - - Comodore Rivadavia 55. 92. - - Concepcion 140. 142. 157. - - Conway, Sir Martin 232. - - Copacabana 224. 225. 228. - - Copihue, chilenische Nationalblume und Hymne 153 ff. - - Coquimbo 160. - - Corcovado, Berg 302. - - Cordoba, Provinz 82. - - Coripata 196. 203. 206. 207. - - Coroico 199. 203. - - Coronel, Seeschlacht 91. - - Cruz Machado 286. 287. 288. 292. 293. 294. 296. - - Cuenca Vidal, Staubecken 96. 107. 108. 109. - - Cumbre, in Bolivien 191. 195; - in Chile 136. 137. - - - Deutschbrasilianer 23, s. a. Kolonisten. - - Deutschchilenen 152. 262. - - Deutscher Volksbund in Argentinien 45. - - „Deutschländer“, in Brasilien 268. - - Deutschtum, in Argentinien 68. - - Dienst, Rudolf 232. 234. - - Drahtzäune, in Argentinien 58. - - - Einwanderung, in Argentinien 54. 110; - Aussichten 43. 44. 45. 46. 49. 52; - Bestimmungen 40-42; - in Brasilien 282. 283. - - Engländer, in Argentinien 89. 95. - - Ensenada 60. 61. 62. - - Entre Rios, Provinz 82. 83. - - Esperanza 67. - - Estancia 47. 48. 55. 56. 57. 60. 203. 204. - - Estanciero 48. 49. 59. 60. - - - Falklandinseln, Seeschlacht 91. - - Fichas 174. - - Fieber, in Brasilien 285. 286. 297. 306. - - Finca, in Bolivien 203 ff. - - Formosa, Gobernacion 75. 82. - - Franzosen, in Argentinien 94. - - Frigorificos, Kühlhäuser 56. 88. 247. 250. - - Frontera 145. 148. - - - Gastfreundschaft, in Argentinien 102. 103; - in Bolivien 207-211. - - Gaucho 48. 55. 61. 259. - - Gaucholand 258. 259. 260. - - General Roca, Stadt 107. 109. - - Getreide, in Argentinien 54. 69. 87. 88. 99; - in Brasilien 272. - - Grundbesitz, in Argentinien 47. 48. 49. 69. 70; - in Chile 140. 150. 151. - - Guanaco 127. - - - Hacienda 203. - - Hacker, Kompanie, Kolonisationsgesellschaft 282. 284. 286. - - Hanseatische Kolonisationsgesellschaft 285. - - Heuschrecken 67. 69. 71. - - Hirsch, Baron, Kolonisationsgesellschaft 51. - - Hochland, bolivianisches (s. Altiplano, Puna); - patagonisches 106. 108. 125-128; - Paulistaner 297. - - Huaina Potosi, Besteigung 232. 234. - - - Iguassu, Fluß 286. 288. 289; - Wasserfälle 55. 290; - Ausnutzung 290. 291. - - Ilha das Flores s. Blumeninsel. - - Illampu, Besteigung 232. 234. 235. - - Illimani, Besteigung 232. 233. - - Immigração, Behörde 270. 296. 299. - - Indianer 5; - in Bolivien 185. 186. 189. 190. 200. 201. 204. 207. 219. 220. 221. - 227. 229; - Gespensterfurcht 233; - Musik 223; - Tanz 222. 223; - in Chile s. Araukaner. - - Indianermission, in Chile 155. 156. - - Ingeniero White 89. 90. - - Inkas 224. 312. - - Inkasee 137. - - Joinville 261. - - Irigoyen, Präsident der Argentinischen Republik 76 ff. - - Irupana 207. 211. - - Italiener, in Argentinien 59. 67; - in Brasilien, s. Kolonisten. - - Jungfrau, die heilige, vom See 224. 225. 226. 228. - - - Kaffeebau, in Brasilien 298. 299. 300. - - Kaffeefazendas 296. 297 ff. 300. 301; - Arbeiter 299. 300. - - Kakteen 35. 137. 212. - - Kampstadt, in Patagonien 113. 114. - - Kapuziner, bayerische 155. 156. - - Kartoffeln 149; - in Bolivien 187. - - Kinderreichtum, der Kolonisten 268. 269. 275. - - Kleinbetriebe, gewerbliche 276. 277. - - Kohlen, in Chile 140. 142. 152. - - Kolonie, Anfänge einer, in Argentinien 98; - in Brasilien 273-276; - in Chile 146-148. 149. - - Kolonien, deutsche, in Argentinien 67 ff. 98. 99. 100; - in Brasilien 265. 266. 267. 268. 270. 271. 272. 290; - in Chile 145 ff. 149; - in Patagonien 122-125. - - Kolonisationsgebiete, in Argentinien 75. 82. 83; - in Brasilien 271 ff. 309. - - Kolonisationsgesellschaften, in Argentinien 51. 52. 53; - in Brasilien 282. 283. 284. 285. 290. - - Kolonisten, deutsche, in Brasilien 259. 260. 261. 262. 263; - italienische, in Brasilien 265. 270. 272. 285. - - Koniferen, brasilianische 282. - - Kordillere 128. 133. 141. 148. 179. 184. 191. 195; - Fahrt über 134-137. - - Küstenkordillere, in Chile 148. 158. 159. 177. - - - Lamas 184. 187. 188. 189. 195. - - Landeinteilung, in Argentinien 106. - - Landpreise, in Argentinien 70. 83. 100; - in Brasilien 284; - in Chile 150. - - Landwirtschaft in Argentinien 54. 59. 60. 69. 70. 105 ff.; - in Brasilien 272. 278; - in Chile 139. - - La Paz 6. 183. 191. 192. 195. 232; - Friedhof 221; - Markt 186-190. 219. 220. - - La Plata, Provinzhauptstadt 85. - - La-Plata-Strom 30. 35. 245. 293. - - Las Casas 154. 155. - - Lasso 61. - - Limay, Fluß 107. - - „Linien“ 271. - - Llanquihue, Provinz und See 145. 146. 149. 152. - - - Mais 272. 274. 283. - - Malqui 219. - - Mamoré, Fluß 184. - - Mapuche 155. - - Mar del Plata 80. - - Mate 129. 272. - - Matto Grosso 258. 285. 309. - - „Maximalisten“ 145. - - Mazamorra 218. 236. 240. - - Medianero 48. 49. - - Mendoza, Stadt 133; - Fluß 134. - - Minas Geraes 298. 309. - - Misiones, Gobernacion 45. 50. 75. 82. 269. - - Mondmutter 11. - - Montevideo 30. 245. 247; - Karneval 243 ff. - - Morro, bei Arica 237. - - - Nahuel-Huapi-See 133. - - Neger, in Bolivien 212. 213; - in Brasilien 253. 254. 259. 260. 266. - - Neuquen, Fluß und Gobernacion 50. 80. 95. 107. 111. 112. 116. 117. - 121. 125; - Petroleumquellen 92. - - Nordamerikaner, in Chile 152. 161. - - - Oberstetter, Komponist 156. - - Obst, in Bolivien 188. 192. 199. 219; - in Brasilien 23. 24. 26. 272. 278; - in Chile 138. 139. 160. - - Obstbau, in Argentinien 67. 70. 88. 95. 99. 100. 109. 117. 118. - - Oficina (Salpeterwerk) 161. 165. 167. 168. 169. 170. 171. 172. 173. - 174; - Arbeitsverhältnis 173-175. - - Ollague, Vulkan und Ort 180. 231. - - Oruro 187. 192. - - Osterinsel 179. - - Overlack, Eduard 232. - - - Palta, Frucht 138. 219. - - Pampa 44. 73. 82. 248. 258. 260. 264; - in Argentinien 166; - chilenische 166. - - Pampa Salitrera 164. 165 ff. 173. - - Pampinos 172. 173. - - Pão d’Assucar s. Zuckerhut. - - Pappeln 106. 107. 133. - - Paraguay 32. 50. 51. 74. 75. - - Paraguaytee, s. Mate. - - Paraná, Fluß, Stadt, Staat 73. 74. 259. 284. 285. - - Patagonien 44. 80. 81. 112. - - Pernambuco 21. - - Petri-Meier, Kompanie, Kolonisationsgesellschaft 285. - - Petroleumquellen, in Argentinien 55. 92. - - Petropolis 306. - - Pfirsich 70. 71. 83. 118. 272. 278. - - Pocitos, Badeort 245. 246. - - Porto Alegre 261. 263. - - Porto Almede 288. 290. 291. - - Porto da União 287. 290. 291. 292. - - Posada, in Bolivien 192. 194. 208. - - Potrero 56. 58. - - Puerto Galvan 89. 90. - - Puerto Militar 90. 91. 92. 93. - - Puerto Montt 146. 148. 152. 177. - - Puna 222. 227. 228. - - - Ramires 246. - - Ramon M. Castro, Station 112. 113. 114. - - Regierungsland, in Argentinien 47. 50; - in Brasilien 284. 286. 287. 293 ff. - - Reichswanderungsamt 287. - - Rio Colorado 95. - - Rio de Janeiro, Bai und Stadt 23. 27. 247. 293. 297. 302 ff. 305; - Einwandererhotel 308 f.; - gesundheitliche Verhältnisse 306; - Umbau 305. 307. - - Rio de La Paz 211. 216. - - Rio do Peixe 281. - - Rio Grande do Sul 258. 259. 270. 274. 284. 297. - - Rio Negro, Fluß und Gobernacion 50. 80. 81. 95. 96. 107. 108. 111. - - Rio Pelotas 281. 282. - - Rio Uruguay 270. 281. - - Rivera 247. 250. - - Roce 273. 274. - - - Salesianermönche 101. 102. - - Salpeter 126. 157. 177; - Fabriken s. Oficina; - künstlicher 172; - Lager s. Caliche. - - Salto del Soldado, Wasserfall 140. - - San Geronimo, Kolonie 67. 68. 69. - - St. Pauls Rock 15. 16. - - Santa Anna do Livramento 253. - - Santa Catharina 259. 281. 285. - - Santa Cruz, Gobernacion 50. - - Santa Fé, Stadt und Provinz 44. 72. 73. 75. 82. 117. - - Santiago (Chile) 138. 140. 141. 142. - - Santo Angelo 269. 271. - - Santos 23. 27. 297. 298. - - São Paulo, Stadt und Staat 285. 297. 298. 299. - - Schulen, deutsche, in Argentinien 68; - in Brasilien 264. 265. - - Schulz, Adolf 232. 234. - - „Seydlitz“, Dampfer 90-94. - - Sisalagave 213. - - Slawen 163. 164. - - Sonneninsel 224. - - Sonnentor 11. - - Soroche s. Bergkrankheit. - - Spee, Graf 91. - - Südamerika, Reichtum 311; - Urgeschichte 177. 179. 180. 224; - Zukunft 3-6. - - - Tabak 118. 272. 279. - - Tacna, Provinz 165. 236. - - Taltal 160. 161. - - Tarapaca, Provinz 165. - - Tiahuanacu 6. 11. 224. - - Tirata 219. - - Titicacasee 224. - - Transandine Bahn 133-137. - - Tschudi, Jakob von 226. - - - Uruguay 245. 247. 248. 255. 258. - - Uspallatapaß 133. - - - Valdivia, Stadt und Provinz 145. 146. 152. - - Valparaiso 138. 158. - - Vereinigte Staaten von Brasilien 259. 260. - - Viehzucht, in Argentinien 48. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 69. 71; - Zeichnen der Tiere 64; - in Uruguay 247. 248. - - Viña del Mar 158. - - Vulkane, in Chile 176. 177. - - - Wald, in Argentinien 57; - in Bolivien 198. 201; - in Brasilien 273. 274. 282. 299; - in Chile 146. 150. 152. 153. - - Weinbau, in Argentinien 101. 102. 117. 118; - in Brasilien 272. - - Weiße s. Blancos. - - Wolle 88. - - - Yerba s. Mate. - - Yungas 186. 187. 192. 193. 195. 197. 198. 201. 202. 203. 213; - Produkte 200. - - - Zapala 80. 112. - - „Zuckerhut“, Berg bei Rio 302. 303. 307. - - Zuckerrohr 200. 202. 213. 214. 215. - - - - -Druck von F. A. Brockhaus, Leipzig. - - -[Illustration: Sonderkarte zu - -Colin Ross, - -Südamerika] - - - - -Reisen und Abenteuer - - -[Illustration: Reisen und Abenteuer] - -Illustrierte Volks- und Jugendbücher berühmter Weltreisenden und -Entdecker. - -[Illustration: Reisen und Abenteuer] - -Jeder Band in sich abgeschlossen und einzeln käuflich. - -Bisher erschienen: - - Bd. 1. Sven Hedin, Abenteuer in Tibet. - Bd. 2. Sven Hedin, Transhimalaja (Neue Abenteuer in Tibet). - Bd. 3. Kapitän Scott, Letzte Fahrt (Scotts Tagebuch). - Bd. 4. Georg Schweinfurth, Im Herzen von Afrika. - Bd. 5. Henry M. Stanley, Wie ich Livingstone fand. - Bd. 6. Kapitän Scott, Letzte Fahrt (Die Abenteuer der Gefährten). - Bd. 7. Sven Hedin, Durch Asiens Wüsten. - Bd. 8. Sven Hedin, Zu Land nach Indien. - Bd. 9. A. E. Nordenskiöld, Die Umsegelung Asiens und Europas. - Bd. 10. Henry M. Stanley, Im dunkelsten Afrika. - Bd. 11. Georg Wegener, Erinnerungen eines Weltreisenden. - Bd. 12. Gustav Nachtigal, Sahara und Sudan. - Bd. 13. Ernest Shackleton, Im sechsten Erdteil. - Bd. 14. Walter v. Rummel, Sonnenländer. - Bd. 15. W. H. Gilder, Der Untergang der Jeannette-Expedition. - Bd. 16. Slatin Pascha, Feuer und Schwert im Sudan. - Bd. 17. Ejnar Mikkelsen, Ein arktischer Robinson. - Bd. 18. Henry M. Stanley, Mein erster Weg zum Kongo. - -Weitere Bände in Vorbereitung. - - -Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig. - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Südamerika, by Colin Ross - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÜDAMERIKA *** - -***** This file should be named 61073-0.txt or 61073-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/1/0/7/61073/ - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. 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Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. 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Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - http://www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/61073-0.zip b/old/61073-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index f2a1116..0000000 --- a/old/61073-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/61073-h.zip b/old/61073-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 074ee95..0000000 --- a/old/61073-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/61073-h/61073-h.htm b/old/61073-h/61073-h.htm deleted file mode 100644 index 468c6a5..0000000 --- a/old/61073-h/61073-h.htm +++ /dev/null @@ -1,12077 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - <head> - <meta http-equiv="Content-Type" content="text/html;charset=utf-8" /> - <meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> - <title> - The Project Gutenberg eBook of Südamerika die aufsteigende Welt, by Colin Ross. - </title> - <link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> - <style type="text/css"> - -body { - margin-left: 10%; 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You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Südamerika - die aufsteigende Welt - -Author: Colin Ross - -Release Date: January 1, 2020 [EBook #61073] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÜDAMERIKA *** - - - - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> - -<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von -1922 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische -Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und -altertümliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert, -sofern die Verständlichkeit des Textes dadurch nicht beeinträchtigt -wird. Rechtschreibvarianten wurden nicht vereinheitlicht, wenn diese im -Text mehrmals auftreten.</p> - -<p class="p0">Die Überschrift des 1. Kapitels (‚<a href="#Deutsche_Auswanderer_im_Atlantik_1">Deutsche Auswanderer -im Atlantik‘</a>) fehlt im Original und wurde vom Bearbeiter anhand -des Inhaltsverzeichnisses eingefügt. Das Original wurde in einer -Frakturschrift gedruckt, in welcher die Großbuchstaben ‚I‘ und ‚J‘ -nicht unterscheidbar sind; dementsprechend wurden im <a href="#Register">Register</a> -Begriffe mit diesen Anfangsbuchstaben gemeinsam aufgeführt. In der -vorliegenden Ausgabe wurden, den heutigen Gewohnheiten entsprechend, -die Begriffe den Anfangsbuchstaben gemäß getrennt angegeben.</p> - -<p class="p0">Einige Abbildungen wurden zwischen die Absätze -verschoben und zum Teil sinngemäß gruppiert, um den Textfluss nicht zu -beeinträchtigen.</p> - -<p class="p0">Passagen in <span class="antiqua">Antiquaschrift</span> -werden im vorliegenden Text kursiv dargestellt. <span class="nohtml">Abhängig -von der im jeweiligen Lesegerät installierten -Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em> -gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl -serifenlos als auch gesperrt erscheinen.</span></p> - -<p class="p0 showebook">Die <a href="#p12_karte">Übersichtskarte</a> -am Anfang sowie die <a href="#p319_karte">Sonderkarte</a> am Ende des -Buches wurden der Übersichtlichkeit halber in vergrößerten Ausschnitten -nochmals wiedergegeben.</p> - -<p class="p0 showebook">Das Umschlagbild wurde vom Bearbeiter auf Grundlage -des Original-Einbandes geschaffen und in die Public Domain eingebracht. -Ein Urheberrecht wird nicht geltend gemacht. Das Bild darf von -jedermann unbeschränkt genutzt werden.</p> - -</div> - -<div class="figcenter break-before"> - <a id="frontispiz" name="frontispiz"> - <img src="images/frontispiz.jpg" - alt="" /></a> - <p class="caption">La Paz, mit dem Illimani im Hintergrund.</p> - <p class="s6 center mbot2 mtop-0_5 ebhide"><a href="images/frontispiz_gross.jpg">❏<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p class="s2 center mtop3 sans break-before"><b>COLIN ROSS</b></p> - -<h1>Südamerika<br /> -<span class="s5">die aufsteigende</span><br /> -<span class="s5">Welt</span></h1> - -<p class="center s3 sans"><b>MIT 54 ABBILDUNGEN</b><br /> -<b>UND 2 KARTEN</b></p> - -<div class="figcenter"> - <a id="signet" name="signet"> - <img class="w4_5em mtop3 padtop1" src="images/signet.jpg" alt="Verlagssignet" /></a> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="zier" name="zier"> - <img class="w25em mtop1" src="images/zier.jpg" alt="Verzierung" /></a> -</div> - -<p class="s3 center sans"><b>LEIPZIG, F · A · BROCKHAUS</b><br /> -<b>1922</b></p> - -<p class="s5 center padtop5 break-before">Copyright 1922 by -F. A. Brockhaus, Leipzig.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_3" id="Seite_3">[S. 3]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Vorwort">Vorwort.</h2> - -</div> - -<div class="poetry-right s5"> - <div class="poetry2"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.</div> - <div class="verse s5 mleft9">Goethe, Faust.</div> - </div> - </div> -</div> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d" name="initial_d"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>er Wunsch, Pionierdienste zu leisten, Neuland zu finden, mitzuhelfen, -Brot und Lebensmöglichkeiten für die Tausende zu erschließen, denen -Krieg und Revolution sie genommen, war die Triebfeder zu dieser -Reise. Vielleicht auch ein wenig Müdigkeit und Enttäuschung, daß nach -furchtbarer seelischer und körperlicher Aufregung und Anstrengung -während vier Kriegsjahren auch die Revolution fast alle Blütenträume -welken ließ, die reiner Enthusiasmus nach ihrem Aufflammen von ihr -erhofft hatte.</p> - -<p>Neue Ufer! Zweimaliger Besuch in den Vereinigten Staaten und in Mexiko -in der Vorkriegszeit hatte gelehrt, daß die Neue Welt längst im -gleichen Pulsschlag mit der Alten Welt lebte und daß die unbegrenzten -Möglichkeiten einer Begrenzung entgegengingen, die auch ohne Teilnahme -am Weltkrieg schwere soziale Erschütterungen im Gefolge haben mußte. -Aber Südamerika, Brasilien, Argentinien, Chile: mußte nicht hier -Neuland in unbegrenzter Ausdehnung sein? Lockte nicht an diesen Ufern -ein neuer Tag?</p> - -<p>Der erste Eindruck überwältigte. Fülle, Reichtum, Gedeihen, unbegrenzte -Möglichkeiten und scheinbare Unberührtheit von all den Problemen, die -die Alte Welt<span class="pagenum"><a name="Seite_4" id="Seite_4">[S. 4]</a></span> zerfleischen. Es war ein Irrtum. Je länger man in diesem -Kontinent reist, desto mehr wird man durchdrungen von der Einheit der -Menschheit von heute. Gewiß, man kann sich auf eine weltferne Estancia -setzen, man kann sich in ein unbekanntes Kordillerennest flüchten, aber -das Bibelwort bleibt bestehn: „Und flöhe ich an die äußersten Meere....“</p> - -<p>Gewiß, es gibt hier noch unbestellten wertvollen Ackerboden, -königreichgroß. Es gibt noch unabgeholzte Wälder von unermeßlichem -Wert. Es gibt Mineralschätze in unbegrenzter Menge. Es gibt -Möglichkeiten, industrieller, kaufmännischer, selbst künstlerischer und -literarischer Art, wie sie die Alte Welt nicht bietet. Sicher kann der -Gewandte, der Energische, der Skrupellose raschen Reichtum erwerben. -Aber neue Ufer, ein neuer Tag?</p> - -<p>Fast scheinen sich die Verhältnisse zu verschieben, wie sich im Süden -die Sternbilder am Himmel umkehren, und die Alte Welt erscheint als die -neue, die Neue die alte. Wer an den politischen und wirtschaftlichen -und sozialen Formen hängt, die Krieg und Revolution gewandelt, wird in -der Neuen Welt noch alles finden, dem er nachtrauert. In Südamerika -gibt es noch herrschende, bevorzugte Klassen, dort gibt es noch den -Herrn-im-Hause-Standpunkt und gibt es rücksichtslose Ausbeutung -wirtschaftlich Schwacher.</p> - -<p>Aber genau wie die politischen Ideen der großen Französischen -Revolution einst den Atlantik übersprangen und in Südamerika zum -Freiheitskampf und zur Abschüttelung der spanischen Herrschaft führten, -genau so dringen jetzt die sozialen Ideen des Abendlands bis in die -fernste<span class="pagenum"><a name="Seite_5" id="Seite_5">[S. 5]</a></span> Pampa und bis in das verborgenste Indianerdorf, trotz aller -Absperrungsversuche, trotz aller „<span class="antiqua">leyes de residencia</span>“, trotz -aller Bemühungen, „bolschewistische Elemente“ fernzuhalten.</p> - -<p>Eine große Gefahr bedroht diesen Kontinent, der so überreich ist an -Schätzen, daß jeder einzelne seiner Bewohner ein sorgenloses Leben -führen könnte. Wie damals die Abschüttelung des spanischen Jochs -unter dem Einfluß der Ideen der Französischen Revolution jahre- und -jahrzehntelange Unruhen, Chaos und Anarchie in jenen Ländern zur Folge -hatte, die für „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ noch in keiner -Weise reif waren, genau so liegt heute die Gefahr vor, daß sich die -soziale Entwicklung überschlägt. Es handelt sich zu einem großen Teil -um Volkselemente, die weder lesen noch schreiben können, um Indianer -und Halbindianer, um wirtschaftlich und sozial unterdrückte Klassen, -die bisher in einer Art patriarchalischer Abhängigkeit, ja in halber -Leibeigenschaft gehalten wurden. Rationale Momente und Rassengefühle -wirken mit.</p> - -<p>Eine täglich wachsende, in Ländern natürlichen Überflusses -doppelt verbitternd wirkende Teuerung kann den Anstoß geben zu -einem plötzlichen Ausbruch sozialer Erschütterungen, die sonst -unwahrscheinlich erscheinen mögen. Überall dasselbe: Streik in -Argentinien, Streik in Chile, Streik in Bolivien. Auch dieses letztere -Land, in dem bisher eine kleine, weiße Herrenschicht fast unumschränkt -über die indianische Urbevölkerung herrschte, hat sich vor wenigen -Monaten genötigt gesehen, Paßzwang einzuführen, und wenige Tage nach -meiner Ankunft in seiner<span class="pagenum"><a name="Seite_6" id="Seite_6">[S. 6]</a></span> Hauptstadt La Paz brach der Streik der -staatlichen Telegraphenbeamten aus.</p> - -<p>Wetterleuchten! Vielleicht ist das Unwetter, das Europa durchtobt, -hier noch fern, jahrzehntefern. Vielleicht helfen hier der natürliche -Reichtum, die geringe Bevölkerungsdichte soziale Probleme überwinden, -unter denen das Abendland konvulsivisch zuckt. Vielleicht auch bricht -hier der Sturm doppelt furchtbar los. Es gibt Beispiele in Südamerika. -Der Boden ist blutgetränkt.</p> - -<p>Es ist schwer zu prophezeien, schwer zu raten. Schätze liegen brach. -Aber wer sie heben will, darf nicht vergessen, daß er in Länder des -Hochkapitalismus kommt. Eigenes Kapital ist das A und das O. Soziale -Gesetzgebung, soziale Fürsorge gibt es nicht, oder sie stecken in -den Kinderschuhen. Jeder steht allein da und ist nur auf sich selbst -angewiesen. Aber auf das Heute kann ein ganz anderes Morgen folgen.</p> - -<p>Unweit von La Paz liegt in Tiahuanacu eine uralte Stätte menschlicher -Kultur, eine Weltstadt, die nach der Sage vor mehr als zehn -Jahrtausenden blühte. Kulturen blühen und vergehen. Aus alten -Kontinenten wandeln sich neue, und neue werden alt. Vielen mögen die -neuen Ufer die neue Heimat werden, den neuen Tag aber wird nur erleben, -wer ihn in seinem Herzen bereitet.</p> - -<p class="mtop2">Berlin, März 1922.</p> - -<p class="right mright1"><b>Colin Roß.</b></p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_7" id="Seite_7">[S. 7]</a></span></p> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Inhalt">Inhalt.</h2> - -</div> - -<table summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="s5" colspan="2"> - - </td> - <td class="s5"> - <div class="right">Seite</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td colspan="2"> - Vorwort - </td> - <td> - <div class="right"><a href="#Vorwort">3</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - <td class="s4 padtop1"> - <a href="#UEber_den_Atlantik">Über den Atlantik.</a> - </td> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">1.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Deutsche Auswanderer im Atlantik - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Deutsche_Auswanderer_im_Atlantik_1">15</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">2.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Längs der Küste Brasiliens - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Laengs_der_Kueste_Brasiliens_2">21</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">3.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Das unbekannte gelobte Land - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_unbekannte_gelobte_Land_3">27</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - <td class="s4 padtop1"> - <a href="#Argentinien">Argentinien.</a> - </td> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">4.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Die Stadt am La Plata - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Stadt_am_La_Plata_4">35</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">5.</div> - </td> - <td class="hang_1"> - Einwanderung nach Argentinien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Einwanderung_nach_Argentinien_5">40</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">6.</div> - </td> - <td class="hang_1"> - Die Landfrage - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Landfrage_6">47</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">7.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Die großen Estancien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_grossen_Estancien_7">54</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">8.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - <span class="antiqua">Sigue Vaca!</span> - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Sigue_Vaca_8">60</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">9.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Deutsche Kolonien in Santa Fé - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Deutsche_Kolonien_in_Santa_Fe_9">66</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">10.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Heißes Land - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Heisses_Land_10">72</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">11.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Gespräch über Deutschland mit dem Präsidenten der - Argentinischen Republik - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Gespraech_ueber_Deutschland_mit_dem_Praesidenten_der_Argentinischen_11">75</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">12.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Nach Patagonien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Nach_Patagonien_12">80</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">13.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Die Metropole des Südens - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Metropole_des_Suedens_13">84</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">14.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Deutsche Seeleute in Südamerika - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Deutsche_Seeleute_in_Suedamerika_14">90</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">15.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Die Insel im Rio Negro - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Insel_im_Rio_Negro_15">95</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">16.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Zwischenspiel - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zwischenspiel_16">101</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">17.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Das Land der Kanäle - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Land_der_Kanaele_17">105</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> -<span class="pagenum"><a name="Seite_8" id="Seite_8">[S. 8]</a></span> - <div class="right vat">18.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Ritt durch Neuquen - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Ritt_durch_Neuquen_18">111</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">19.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Zukunftsland - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Zukunftsland_19">116</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">20.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Deutsche Siedler in argentinischer Wildnis - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Deutsche_Siedler_in_argentinischer_Wildnis_20">121</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">21.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Auf dem Cayuncohochland - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Auf_dem_Cayuncohochland_21">125</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - <td class="s4 padtop1"> - <a href="#Chile">Chile.</a> - </td> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">22.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Über die Kordillere - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#UEber_die_Kordillere_22">133</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">23.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Das Paradies am Pazifik - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Paradies_am_Pazifik_23">137</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">24.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Chilenische Präsidentenwahl - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Chilenische_Praesidentenwahl_24">140</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">25.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Chiles deutscher Süden - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Chiles_deutscher_Sueden_25">145</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">26.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Llanquihue und Magallanes - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Llanquihue_und_Magallanes_26">148</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">27.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Copihue - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Copihue_27">153</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">28.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Längs der Küste nach Nordchile - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Laengs_der_Kueste_nach_Nordchile_28">157</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">29.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Die Salpeterstadt - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Salpeterstadt_29">162</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">30.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - La Pampa Salitrera - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#La_Pampa_Salitrera_30">165</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">31.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Oficina - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Oficina_31">169</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">32.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Pampinos - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Pampinos_32">172</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">33.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Unter Vulkanen - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Unter_Vulkanen_33">176</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - <td class="s4 padtop1"> - <a href="#Bolivien">Bolivien.</a> - </td> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">34.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Das Land Bolivars - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Das_Land_Bolivars_34">183</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">35.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Markt in La Paz - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Markt_in_La_Paz_35">186</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">36.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Gebirgsreise in Bolivien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Gebirgsreise_in_Bolivien_36">191</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">37.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - An einem Tag aus Nordland in die Tropen - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#An_einem_Tag_aus_Nordland_in_die_Tropen_37">195</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">38.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Was die Yungas erzeugen - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Was_die_Yungas_erzeugen_38">199</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">39.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Eine Yungasfinca - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Eine_Yungasfinca_39">202</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">40.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Der Gastfreund - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_Gastfreund_40">207</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">41.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Auf einer Zuckerrohrplantage - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Auf_einer_Zuckerrohrplantage_41">211</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">42.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Weg im Fluß - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Weg_im_Fluss_42">215</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">43.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Die Seele des Indio - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Seele_des_Indio_43">219</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">44.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Indianerwallfahrt - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Indianerwallfahrt_44">224</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td> -<span class="pagenum"><a name="Seite_9" id="Seite_9">[S. 9]</a></span> - <div class="right vat">45.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Indianeraufstand - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Indianeraufstand_45">227</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">46.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Der amerikanische Himalaja - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Der_amerikanische_Himalaja_46">230</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">47.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Mazamorra - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Mazamorra_47">235</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - <td class="s4 padtop1"> - <a href="#Uruguay">Uruguay.</a> - </td> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">48.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Karneval in Montevideo - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Karneval_in_Montevideo_48">243</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">49.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Quer durch Uruguay - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Quer_durch_Uruguay_49">247</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - <td class="s4 padtop1"> - <a href="#Brasilien">Brasilien.</a> - </td> - <td class="s4 padtop1"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">50.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Abend in Santa Anna - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Abend_in_Santa_Anna_50">253</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">51.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Deutschbrasilianer - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Deutschbrasilianer_51">258</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">52.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Kolonisten und Kolonien in Rio Grande - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Kolonisten_und_Kolonien_in_Rio_Grande_52">266</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">53.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Kolonisten im Urwald - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Kolonisten_im_Urwald_53">271</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">54.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Schirachs Erfolg - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Schirachs_Erfolg_54">276</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">55.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Brasilianische Landgesellschaften - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Brasilianische_Landgesellschaften_55">281</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">56.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Fahrt auf dem Iguassu - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Fahrt_auf_dem_Iguassu_56">286</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">57.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Auf brasilianischer Bundeskolonie - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Auf_brasilianischer_Bundeskolonie_57">292</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">58.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Kaffeefazendas - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Kaffeefazendas_58">297</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">59.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Die Großstadt der Tropen - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Grossstadt_der_Tropen_59">302</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="vat"> - <div class="right">60.</div> - </td> - <td class="hang_1 vat"> - Die Blumeninsel - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#Die_Blumeninsel_60">308</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop1" colspan="2"> - Register - </td> - <td> - <div class="right"><a href="#Register">313</a></div> - </td> - </tr> -</table> - -<p class="s2 center mtop1">Abbildungen.</p> - -<table summary="Abbildungsverzeichnis"> - <tr> - <td class="s5"> - - </td> - <td class="s5"> - <div class="right">Seite</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - La Paz, mit dem Illimani im Hintergrund - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#frontispiz">Titelbild</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Siedlung in Patagonien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p16_abb1">16</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Lehmrancho - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p16_abb2">16</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Patagonische Landschaft - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p17_abb1">17</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Ansiedlerfrau - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p17_abb2">17</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Wappen von Argentinien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p33_wappen_argentinien">33</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Das Tal des Rio Cayunco - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p64_abb">64</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Inkasee - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p65_abb">65</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_10" id="Seite_10">[S. 10]</a></span> - Plaza de la Independencia in Santiago - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p80_abb">80</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Bergarbeiterheim - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p81_abb1">81</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Salpeteroficina - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p81_abb2">81</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Am Fuße des Vulkans Ollague - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p96_abb">96</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Bergarbeiterhütten in der Kordillere - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p97_abb1">97</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Arbeit in der Mine - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p97_abb2">97</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Freundliche Marktweiber - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p112_abb1">112</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Lamaherde - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p112_abb2">112</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Ein Säugling zu Pferd - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p113_abb1">113</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - In einer bolivianischen Posada - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p113_abb2">113</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Hörige Indianerinnen im Cocal - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p128_abb1">128</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Weg im Fluß - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p128_abb2">128</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Prähistorische Mumien vom Andenhochland - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p129_abb1">129</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Bolivianischer Friedhof - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p129_abb2">129</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Wappen von Chile - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p131_wappen_chile">131</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Allerseelen auf dem Friedhof - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p144_abb1">144</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Indianische Wasserträgerin - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p144_abb2">144</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Musikanten in Copacabana - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p145_abb1">145</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Indianertanz - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p145_abb2">145</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Copacabana am Titicacasee - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p160_abb">160</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Kirche auf dem Ruinenfeld von Tiahuanacu - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p161_abb">161</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Die heilige Jungfrau vom See in Copacabana - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p176_abb">176</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Ein frischer Trunk - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p177_abb1">177</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Bepackter Hochlandsesel - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p177_abb2">177</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Wappen von Bolivien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p181_wappen_bolivien">181</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Indianerprozession in Copacabana. Nach einer von Jakob - v. Tschudi veröffentlichten Zeichnung eines Indianers - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p192_abb">192</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Eingeborene vom Rio Beni - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p193_abb1">193</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Indianerin am Webstuhl - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p193_abb2">193</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Millunisee mit Huaina Potosi - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p208_abb">208</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Gipfelgrat des Huaina Potosi - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p209_abb1">209</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Am Fuße der Eiswand des Huaina Potosi - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p209_abb2">209</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> -<span class="pagenum"><a name="Seite_11" id="Seite_11">[S. 11]</a></span> - Westwand des Illampu - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p224_abb">224</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Indianerdorf in der Puna - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p225_abb1">225</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Nordostflanke des Illimani - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p225_abb2">225</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Bergwerk in der bolivianischen Kordillere - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p232_abb1">232</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Mazamorra - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p232_abb2">232</a> </div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Der Morro bei Arica - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p233_abb1">233</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Südbrasilianische Kolonisten - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p233_abb2">233</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Wappen von Uruguay - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p241_wappen_uruguay">241</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Wappen von Brasilien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p251_wappen_brasilien">251</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Deutsche Siedlung in Brasilien - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p288_abb">288</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Maispflanzung - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p289_abb1">289</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Die ersten Anfänge einer Siedlung - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p289_abb2">289</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Bai von Rio de Janeiro, vom Gipfel des Corcovado aus - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p304_abb">304</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Auf dem Marsch durch den Urwald - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p305_abb1">305</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Blumeninsel bei Rio de Janeiro - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p305_abb2">305</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 padtop1"> - Übersichtskarte von Südamerika - </td> - <td class="padtop1"> - <div class="right"><a href="#p12_karte">12</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="hang_1 vat"> - Sonderkarte - </td> - <td class="vab"> - <div class="right"><a href="#p319_karte">319</a></div> - </td> - </tr> -</table> - -<hr class="r5" /> - -<p class="p0 s5">Umschlag und Einbanddecke sind von Maler Kurt Eduard Beck in Leipzig -nach Motiven gezeichnet, die aus dem von Professor <span class="antiqua">Dr.</span> Posnansky -geleiteten Museum in La Paz stammen. Die Figur in der Mitte des -Umschlags ist Pachaimama, die Mondmutter. Die Figur auf dem Einband ist -dem uralten monolithischen Sonnentor von Tiahuanacu entnommen.</p> - -<p class="s1 center padtop1"><b>*</b></p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p12_karte" name="p12_karte"> - <img src="images/p12_karte.jpg" - alt="" /></a> - <p class="s6 center mbot2 mtop-0_5 ebhide"><a href="images/p12_karte_gross.jpg">❏<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter showebook"> - <a id="p12_karte_a" name="p12_karte_a"> - <img class="mtop1" src="images/p12_karte_a.jpg" alt="" /></a> - <p class="s5 center no-break-before">[Kartenausschnitt, oberer Teil]</p> -</div> - -<div class="figcenter showebook"> - <a id="p12_karte_b" name="p12_karte_b"> - <img class="mtop1" src="images/p12_karte_b.jpg" alt="" /></a> - <p class="s5 center no-break-before">[Kartenausschnitt, unterer Teil]</p> -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_15" id="Seite_15">[S. 15]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="UEber_den_Atlantik">Über den Atlantik.</h2> - -</div> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Deutsche_Auswanderer_im_Atlantik_1">1. Deutsche -Auswanderer im Atlantik</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">An Bord S. S. Frisia in Höhe von St. -Pauls Rock.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_o" name="initial_o"> - <img class="h3em" src="images/initial_o.jpg" alt="O" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">O</span>hne die Flügel zu rühren, einem Kampfeindecker gleich, zog der erste -landkündende Albatros seine Kreise über dem Schiff. Dann stachen -schwarze Zacken aus dem horizontweiten Blau: St. Pauls Rock. Seit -Tagen, seit wir die Kapverdischen Inseln passiert, das erste Land. -Land? Ein Fels, eine Felsnadel! Mitten im Ozean steigt sie senkrecht -aus kilometertiefer See.</p> - -<p>Schnurgerade hält der Dampfer auf die Nadel zu, als wolle er sie -rammen. Im letzten Augenblick biegt er fast im rechten Winkel ab. -Eine Rakete steigt zischend hoch, gleichzeitig heult die Dampfsirene. -Schwärme von Wasservögeln schwirren auf.</p> - -<p>An der Reling drängen sich die Fahrgäste. Einer erzählt: „Dutzende von -Schiffen stranden jedes Jahr an dem Fels.“ Ein anderer: „Bei den Möwen -haust ein alter Mann mit seiner Tochter.“</p> - -<p>Wer bereits mehr als vierzehn Tage auf menschenüberladenem Schiff -fahren mußte, dem erscheint solch Los fast beneidenswert. Drangvolle -Enge in allen Klassen,<span class="pagenum"><a name="Seite_16" id="Seite_16">[S. 16]</a></span> das letzte Plätzchen besetzt. Gute Konjunktur -für den Holländischen Lloyd. Unten im Zwischendeck aber stauen -sich Männer, Frauen und Kinder, fast Leib an Leib. Wie in einen -Ameisenhaufen sieht man vom Kajütsdeck hinunter. Blonde Köpfe, deutsche -Gesichter, deutsche Laute. Das rückwärtige Zwischendeck ist fast ganz -von Deutschen besetzt. Mancher ist darunter, der vor dem Krieg erster -Klasse fuhr. Heute fahren in der ersten Klasse neben den Ausländern -fast nur solche Deutsche, die ein Auslandsguthaben von dem Jammer der -deutschen Valuta unabhängig macht. Ja, wir sind arm geworden.</p> - -<div class="poetry-container s5"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse">„Ich kann den Blick nicht von euch - wenden — — —.“</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Immer wieder kommen mir die alten Verse in den Sinn. Das Rad der -Weltgeschichte ist zurückgedreht. Wir exportieren wieder Menschen. -Man könnte meinen, in die vierziger und fünfziger Jahre des vorigen -Jahrhunderts zurückversetzt zu sein, in denen der breite Strom -deutscher Auswanderer über den Ozean zog, um mit seinem Blut und -Schweiß fremde Kulturen zu düngen.</p> - -<p>Die Möwen bleiben zurück. Langsam verdämmert der einsame Fels. -Entschlossene, sehnsüchtige, zukunftsbange Blicke hängen daran. Manch -einer wird in der Woge fremden Volkstums, dessen Art und Sprache er -nicht kennt, einsam sein, wie der imaginäre Alte auf dem Riff. All -die ehemaligen Offiziere und Seeleute, all die wurzellos gewordene -Intelligenz, sie sollen jetzt mit ihren körperliche Arbeit ungewohnten -Händen die Konkurrenz mit den auf primitiver Kulturstufe stehenden -italienischen und spanischen Auswanderern und Saisonarbeitern -aufnehmen.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p16_abb1" name="p16_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p16_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Siedlung in Patagonien.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p16_abb2" name="p16_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p16_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Lehmrancho.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p17_abb1" name="p17_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p17_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Patagonische Landschaft.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p17_abb2" name="p17_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p17_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Ansiedlerfrau.</p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_17" id="Seite_17">[S. 17]</a></span></p> - -<p>Die alten, erfahrenen Argentinier und Brasilianer, die jetzt in ihre -überseeische Heimat zurückkehren, schütteln den Kopf: „Wer durchhält, -mag vorankommen, aber neunzig Prozent von dem, was jetzt hinüberfährt, -geht zugrunde.“</p> - -<p>Die auf das fremde Land, als auf die letzte Karte, alles gesetzt haben, -lassen sich nicht irremachen. „So schlecht wird es nicht sein; zum -mindesten: wir werden unter den restlichen zehn Prozent sein.“</p> - -<p>Sie lassen sich nicht unterkriegen. Heute schon gar nicht. Heute geht’s -über den Äquator. Taufe gibt es nicht mehr. Sie paßt auch nicht mehr in -unsere Zeiten. Und dann, die zahllosen fremden Nationen, die auf dem -Schiff fahren! Die Gelegenheit zu Reibungen wäre zu groß. Aber seine -eigene Feier läßt sich das Zwischendeck nicht nehmen.</p> - -<p>Die scharfe Linie, die Meer und Himmel schied, ist verschwunden. -Das Auge sieht in eine einzige, fast greifbare Finsternis. Nur die -weißen Schaumkronen, die der Bug des Schiffes aufreißt, leuchten in -gespenstiger Blässe über den schwarzen Wellen.</p> - -<p>Aus dem Zwischendeck tönen Geigen und Mandolinen. Unter dem Sonnensegel -brütet noch die Hitze des Tages. Um die kleine, improvisierte Bühne -ist eine Reihe Liegestühle aufgestellt: die vornehmen Parkettplätze. -Dahinter sieht man in dem ungewissen Licht der wenigen elektrischen -Lampen nur eine ununterscheidbare Menge von Köpfen. Ein groteskes Bild.</p> - -<p>Ein Wiener Vorstadtsänger macht den Conférencier. Ein U-Bootkommandant -hält die Äquatorrede. Dann wechseln Vorträge, Kuplets und Mimik. Und -unermüdlich<span class="pagenum"><a name="Seite_18" id="Seite_18">[S. 18]</a></span> fiedelt die <span class="antiqua">ad hoc</span> zusammengestellte Kapelle. -Ohne Proben, ohne Noten spielt sie, was Conférencier und Vortragende -verlangen. Ein ungarischer Zigeuner macht den Kapellmeister. Die -brennende Zigarre kommt ihm nicht aus dem Munde, während er mit Verve -den Bogen führt und mit dem ganzen Körper den Takt angibt. Neben ihm -geigen brav und ernst die eben erst aus dem Kadettenkorps ausgetretenen -Söhne der adligen Offizierswitwe, die in Deutschland Hab und Gut -verkaufte, um in Paraguay für sich und ihre Jungen eine neue Existenz -zu suchen. „Was soll ich anders tun,“ meint sie, „seit Jahrhunderten -gab es in meiner und meines Mannes Familie nur Offiziere.“</p> - -<p>Ein neuer Redner ist auf das Podium getreten. Das Lachen und Scherzen -ist verstummt. In lautlose Stille fallen die Worte: „Wir wollen die -Heimat im Herzen tragen, immer und immer.“ Dann fiedeln die Geigen: -„Muß i denn, muß i denn...“ und „In der Heimat, in der Heimat...“ Eine -Saite reißt und gibt wehen Klang.</p> - -<p>Auf dem Achterdeck ist Ball der Kajütspassagiere. Vorn im Schatten -des Windsegels stellen die fünf französischen Kokotten bei Sekt -plastische Gruppen mit ein paar internationalen Schiebergestalten, die -zwischen Argentinien und Deutschland hin- und herfahren wie unsere -kleinen deutschen Schieber zwischen Köln und Berlin. Die andere Seite -des Tanzplatzes säumen die Portugiesen und Spanier, dann kommen die -Deutschen, und ganz hinten am Heck sitzen steif und aufrecht, gleich -Vögeln auf einer Stange, vier belgische Schwestern; ihnen gegenüber -lehnt unbeweglich an der Reling die schlanke Asketengestalt eines -portugiesischen Priesters.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_19" id="Seite_19">[S. 19]</a></span></p> - -<p>Dazwischen wird getanzt: Tango, Onestep, Foxtrott. „Lulu, Lulu!“ tönt -es von den Sekttischen, und Lulu tanzt. Das seidendünne, meergrüne -Fähnchen reicht knapp bis zum Knie. Weiß leuchten die nackten Arme und -florbestrumpften Beine.</p> - -<p>Ich pendle zwischen der höllischen und himmlischen Seite hin und her. -Wie die hochzischende Rakete anzeigt, daß wir die Linie passieren, -plaudere ich gerade mit den Schwestern. „Ein doppeltes Fest“, meint -die Blasse, Sanfte.... „Wieso?“ — „Nun, Äquatorüberschreitung und -Jahrestag des Waffenstillstandes.“ — „Den feiern wir nicht.“ Ein -Abgrund tut sich auf zwischen mir und den sanften Schwestern. Brüsk -wende ich mich ab.</p> - -<p>Richtig, heut ist der elfte. Ein Jahr liegt das zurück. Nein, ein -Jahrhundert, eine unmeßbare Zeit! Wie mag es in Deutschland aussehen? -Wie ist dort der Neunte verlaufen? Keine Nachricht dringt zu uns. Die -englischen Funksprüche wissen nur von Fußballwettspielen zu erzählen, -von dem Besuch des spanischen Königs in England und des Prinzen von -Wales in Kanada, von dem Flug des Basutohäuptlings über die City, aber -nichts von Deutschland, höchstens daß der hohe Rat der Alliierten -beschlossen, daß wir die bei Scapa Flow versenkten Schiffe ersetzen -sollen.</p> - -<p>Noch immer tanzt Lulu. Die Treppe herauf schiebt sich die Fettmasse -des Levantiners, der sich immer im Zwischendeck herumtreibt und wie -ein Mädchenhändler aussieht. Plötzlich bricht der Tanz ab. Die Paare -drängen an die Reling. Lulu gleitet und fällt dem Levantiner in die -Arme. Am Horizont loht eine Flamme auf. Ein Leucht<span class="pagenum"><a name="Seite_20" id="Seite_20">[S. 20]</a></span>zeichen? Ein -brennendes Schiff? Erst langsam erkennt man. Es ist der Mond. Wie Blut -und Feuer hebt sich seine volle Scheibe über die schwarze See.</p> - -<p>Der Tanz geht weiter. Die Stewards bringen neuen Sekt. Abgerissene -Strophen wehen über Deck. Worte in allen Sprachen: „<span class="antiqua">Dis donc, -quand</span>... Zweihundert Prozent... <span class="antiqua">terenos</span>... <span class="antiqua">I bet -you</span>...“ Nur das Zwischendeck ist leer und still. Die Schiffsordnung -hat alle unter Deck gejagt. In der schwülen, brütenden Hitze liegen -hier schweißgebadet Hunderte von Männern und Frauen, enggeschichtet -auf Stellagen neben- und übereinander. Fanatische Hoffnung auf bessere -Zukunft läßt sie alles ertragen. Was wird sich erfüllen?</p> - -<p>Das Firmament hat sich aufgeklärt. Ein neuer Sternenhimmel wölbt sich -über uns, beängstigend in seiner strahlenden Fremdheit. Eine neue Welt, -ein neues Leben für jeden, der jetzt die alte Heimat verläßt. Er steht -allein. Wird ihn das machtlos gewordene Vaterland schützen können? Nur -allein in seiner eigenen Brust ruhen seines Schicksals Wurzeln.</p> - -<p>Ich suche in den Sternen zu lesen. Wie ihr Widerschein funkelt es im -Kielwasser des Schiffes. Meeresleuchten! Von der Schraube hochgewirbelt -steigen leuchtende Ballen an die Oberfläche, glühen auf und erlöschen -wieder: Unsere Hoffnungen, unsere Wünsche, unser Leben!</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_21" id="Seite_21">[S. 21]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Laengs_der_Kueste_Brasiliens_2">2. Längs der -Küste Brasiliens.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">An Bord S. S. Frisia, Bahia.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_e" name="initial_e"> - <img class="h3em" src="images/initial_e.jpg" alt="E" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">E</span>he noch der Dampfer den ersten amerikanischen Hafen anlief, wurde die -Tote, die die Grippe im Zwischendeck gefordert, ins Meer versenkt. -Es gab kein großes Aufheben, kaum daß der Dampfer einen Augenblick -stoppte. Ein Geistlicher und ein Schiffsoffizier. Nur die alte -verkümmerte Frau im blauen Umschlagtuch, die immer neben dem Mädchen in -dem billigen Liegestuhl lag, stand noch dabei und starrte aufs Meer. Es -war zwei Uhr nachts, als die Leiche auf dem Wasser aufschlug.</p> - -<p>„Armes, ausgehungertes Volk!“ meinte am nächsten Morgen der -argentinische Reisende auf der Reede von Pernambuco, „auf jeder Reise -sterben ein paar.“ Mitleidig zuckte er die Achseln und ging nach -dem Heck, wo gerade der dicke Holländer die Haiangel richtete. Ein -Haufen Fahrgäste sah neugierig zu, wie er ein mächtiges Stück Fleisch -an dem starken Eisenhaken befestigte. Kaum konnte der Steward sich -durchwinden, der den Eimer mit den morgendlichen Brot- und Speiseresten -über Bord schüttete. Man hat sich mit der Zeit ja daran gewöhnt, allein -es gibt einem doch immer wieder einen Stich. Wie viele Menschen könnten -in Deutschland davon leben!</p> - -<p>Eine Regenböe fegte über Deck und färbte das Wasser schwarz. Weiß -gischtete an der Mole die Brandung hoch. Mühsam kämpfte sich das Boot -mit Arzt und Hafen<span class="pagenum"><a name="Seite_22" id="Seite_22">[S. 22]</a></span>kommandant hindurch. Drei Reisende stiegen ein, -einer aus; Ladung wurde weder genommen noch gelöscht. Lohnte das -Anlegen überhaupt? Der junge Deutsche, der auf seine Baumwollpflanzung -in Parahyba fuhr, nannte es einen Wechsel auf die Zukunft. Stadt und -Hafen stünde eine rasche Entwicklung bevor.</p> - -<p>Wir fuhren weiter, ohne die Haie, die uns der Holländer versprochen. -Dafür sahen wir am Nachmittag Wale. Wir mußten in eine ganze Herde -hineingeraten sein; denn stundenlang sah man rings um das Schiff -die breiten schwarzen Rücken auftauchen und das Wasser in Fontänen -hochsprudeln. Wie mit Pastellfarben war dahinter die ferne Küste an den -Horizont hingehaucht.</p> - -<p>Am nächsten Abend liefen wir Bahia an. Eine flimmernde lichterfunkelnde -Wand, baute sich über der tiefschwarzen Bucht die Stadt auf, in deren -Gärten die köstlichsten Früchte des früchtereichen Landes wachsen, in -deren Straßen aber Fieber und Seuchen nie erlöschen. Einer zähflüssigen -Masse von Öl und Teer gleich, schien sich das träge flutende Wasser um -den Schiffskörper zu legen. Langsam und immer langsamer fuhren wir, bis -die Maschine stoppte und die Ankerketten rasselten.</p> - -<p>Wie wir jetzt hielten, streckte die Stadt, die wie im Fieber zu uns -herüberglühte, ihre feuchtwarme Hand über die Bai und sandte uns einen -Atemzug schwüler, heißer Luft. Wir Nordländer lagen nach Kühlung -lechzend an Deck; im Speisesaal aber, dessen dumpfe Luft wie glühender -Brodem durch die Deckfenster hochstieg, saßen unangefochten von der -Hitze die Brasilianer beisammen. Lachen, Singen, Gläserklingen, -dazwischen Reden und<span class="pagenum"><a name="Seite_23" id="Seite_23">[S. 23]</a></span> immer wieder Reden. Die Brasilianer feierten den -<span class="antiqua">Quinze de Novembro</span>, den Gedenktag der Ausrufung ihrer Republik. -Durch die Fenster trinken sie uns zu. Gleich den Portugiesen haben sie -uns vom ersten Tag an keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie gegen -Deutschland und gegen die Deutschen keinerlei Haß fühlten, sondern mit -ihnen in der Abneigung gegen Engländer und Yankees durchaus einig waren.</p> - -<p>„Aber euere Teilnahme am Krieg?“</p> - -<p>„Nun, das war eine Sache, mit der die Völker nichts zu tun hatten, ein -Geschäft, das einige unserer Politiker mit England und den Vereinigten -Staaten machten.“</p> - -<p>Die Brasilianer sind wie alle Lateinamerikaner eine höfliche Nation, -und man wird auf Stimmungen und Meinungen einiger Mitreisender kein -allzu großes Gewicht legen dürfen; aber auch die Deutschbrasilianer auf -dem Schiff hatten nur günstige Nachrichten.</p> - -<p>Die Zahl der Deutschen, die Rio oder Santos zum Ziel haben, ist -nicht klein. Einstweilen sind es nur Rückwanderer, die Besitz oder -Stellung drüben haben. Aber neue Einwanderer werden folgen. Und der -Kaffeepflanzer aus Santos, mit dem ich über die Aussichten sprach, -meinte, der fruchtbare Süden biete auch den Kapitallosen gute -Möglichkeiten zu raschem Aufstieg.</p> - -<p>Ja, fruchtbar muß dieses Land sein. Als am nächsten Morgen die gelbe -Quarantäneflagge am Fockmast niederging, wimmelte es rings um das -Schiff von Booten, überladen mit Früchten: Bananen, rot und gelb, in -dichten Trauben, und dreimal so groß wie jene kümmerlichen Früchte, -die jetzt in Deutschland verkauft werden. Orangen,<span class="pagenum"><a name="Seite_24" id="Seite_24">[S. 24]</a></span> noch grün oder nur -mit leichtem gelben Anflug — es ist hier ja erst Frühling —, aber -faustgroß und größer Kokosnüsse und Ananas.</p> - -<p>Zwischendeck und Kajüte kaufen und kaufen. Korb um Korb wird -hochgezogen. Bald sieht es zwischen den Ladebäumen aus wie ein -Fruchtladen. Die Hauptmannsfrau sitzt mit ihren drei Kindern inmitten -von Bananen und Ananas. Der Wiener Komiker kommt die Arme voll Orangen -von der Reling. Ein anderer schleppt Ananas in Büscheln. Hier trinkt -einer eine Kokosnuß aus, und dort schiebt in stummem Staunen ein -dreijähriger Blondkopf mit heiligem Ernst eine Banane in den Mund.</p> - -<p>Allein die reiche, bunte Fülle will nicht recht zu den ärmlichen, -blassen und schmalen Gesichtern passen. Wie anders sehen die -strotzenden Bronzeleiber der Neger in den Booten aus, deren glänzende -Haut über straff gespannten Muskeln Früchten gleich durch die -zerrissenen weißen Hemden leuchtet.</p> - -<p>Sie haben auch keinen Anteil an der Fülle dieser reichen Welt, mögen -die deutschen Zwischendecker in der ersten Freude noch so sehr über -ihre Verhältnisse kaufen. Sind die süßen Schätze auch spottbillig, -für uns macht die Valuta sie teuer. Solange diese sich nicht ändert, -bleiben wir Parias, ausgeschlossen von den Schätzen der Erde.</p> - -<p>Die Valuta ist das große Problem, nicht nur der Sorge, sondern auch -der Spekulation. Kaum sind die ersten Zeitungen an Bord, so sitzen -sämtliche Herren über dem Studium der Kurse. Eine erregte Debatte -entspinnt sich und eine komplizierte Rechnerei. Wie stand der<span class="pagenum"><a name="Seite_25" id="Seite_25">[S. 25]</a></span> Milreis -im Frieden? Wie jetzt? Wo und wann kauft man am besten? Wie steht der -Dollar, das Pfund Sterling, der Frank und die Lira? Sie haben alle im -Verhältnis zur Vorkriegszeit keinen besonderen Stand gegenüber dem -Milreis Brasiliens. Die Valuta dieser südamerikanischen Staaten, die -man bei uns vor dem Kriege gern nicht für voll nahm, ist gewaltig in -die Höhe geschnellt. Wird das bleiben? Stehen wir hier am Anfang einer -Entwicklung, wie sie die Vereinigten Staaten durchliefen?</p> - -<p>Lustig flattert über unsern Köpfen die Flagge Brasiliens mit der gelben -Weltkugel im grünen Feld. Ein wenig phantastisch scheint sie und ein -wenig anmaßend, aber vielleicht ist sie nur prophetisch. Wochenlang -fahren wir an der Küste dieses Landes entlang, von dem kaum erst der -zehnte Teil der Kultur erschlossen ist.</p> - -<p>In unser Gespräch tönt das Rasseln des Dampfkranes. Die farbigen -Gentlemen der hiesigen Lloydagentur lassen krachend die Kisten in die -Leichter hinunterpoltern.</p> - -<p>„Donnerwetter, das sind doch meine Kisten“ — der ehemalige Flieger -springt plötzlich auf. Er nimmt sein Geld in Form von Bijouteriewaren -mit hinüber und ist in Sorge, ob er auch alles richtig hinüberbekommt. -Oder er sitzt und rechnet und rechnet, was ihn jedes einzelne Stück -kostet und wieviel er dafür verlangen kann.</p> - -<p>„Unter zweihundert Prozent Verdienst mache ich überhaupt kein -Geschäft,“ meinte der argentinische Kaufmann zu ihm, der nun schon zum -zweiten Male zum Einkauf nach Deutschland fuhr. Es liegt ein Hauch von -Spekulation über dem ganzen Schiff, wie man ihn früher nicht kannte; -denn jeder führt irgendeine Ware bei sich, mit<span class="pagenum"><a name="Seite_26" id="Seite_26">[S. 26]</a></span> der er phantastische -Geschäfte zu machen hofft: Bijouterien oder Stahlwaren, Rasierapparate -oder Ferngläser.</p> - -<p>Der Bankbeamte, der aus dem Krieg nach Buenos Aires zurückkehrt, zieht -eine goldene Uhr an kostbarer Kette. — „Die hätte ich mir sonst auch -nicht gekauft.“ — Aber wer weiß, wie die Verhältnisse drüben liegen, -was gebraucht wird und woran Überfluß herrscht. Die wenigen, die -Bescheid wissen, schweigen oder renommieren.</p> - -<p>Das Gespräch schläft ein. Die Hitze lähmt jede Tätigkeit. Unter dem -Sonnensegel ballt sich die Glut fast körperlich. Die weißen Häuser -Bahias mit ihren stolzen Säulenhallen und Terrassen blenden über dem -trägen, unbewegten Wasser.</p> - -<p>Endlich heult die Sirene. Aber noch immer kommen Boote. Der Koch -nimmt noch Proviant ein. Mächtige Körbe mit Eiern werden hochgehißt, -gewaltige Stücke Fleisch und Kisten mit Fischen. Mitten über Deck -platzt eine, und eine silberne Flut stürzt herunter. Es sind Exemplare -von Haigröße dabei. Ihre lebenden Brüder tummeln sich um das Schiff.</p> - -<p>An der Reling steht die alte, abgehärmte Frau im blauen Umschlagtuch -und starrt aufs Meer.</p> - -<p>Wieder heult die Sirene. Immer noch nehmen wir Früchte ein. Überall -Stapel von Ananas. Auf allen Tischen und Bänken steht angeschnitten -die süße Frucht. Einen Augenblick ekelt es mich fast vor dem schweren -Fruchtduft, der gleich einem fremdartigen, betäubenden Parfum das ganze -Schiff durchzieht.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_27" id="Seite_27">[S. 27]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Das_unbekannte_gelobte_Land_3">3. Das unbekannte -gelobte Land.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Buenos Aires.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d2" name="initial_d2"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie Fahrt dahin führte an allen Herrlichkeiten der Erde vorbei. Nach -der grotesken Schönheit der spanischen Häfen, nach Lissabon und den -Kapverdischen Inseln, nach tropischen Nächten unter dem Äquator, in -denen Mond und Wolken Bilder von verzehrender Schönheit auf See und -Himmel malten, nach sonnendurchglühten Tagen, an denen der Ozean in -fast schmerzlicher Bläue leuchtete, nach Nächten, in denen das Meer -phosphoreszierend flammte, als fahre das Schiff durch einen See voll -brennender Eisberge, und in denen das Kielwasser sich in einen Strom -intensivsten grünen Lichtes wandelte, breitete viele Tage lang die -brasilianische Küste ihre schwüle, lockende Pracht aus. Nach Bahias -Früchteparadies baute Rio mit seinen Felsen, Bergen und Buchten eine -Wunderlandschaft auf.</p> - -<p>Aber als wir Santos’ liebliche Bucht verlassen hatten und die Brandung -von São Vicente verrauscht war, die gegen brennend bunte Gärten spült, -verblaßten des Himmels und des Meeres Bläue. Eisengrau rollten in -schwerer Dünung die Wellen. Nach lastender Hitze wurde es frisch und -abends bald empfindlich kühl, als runde sich die Reise zum Kreislauf -und kehrten wir in die rauhe, kalte Nordsee zurück.</p> - -<p>Und wie See und Himmel wandelte sich die Stimmung der Passagiere. Statt -satter Behaglichkeit, statt wohligem<span class="pagenum"><a name="Seite_28" id="Seite_28">[S. 28]</a></span> Nichtstun und siegessicherem -Optimismus breitet sich eine fiebernde Nervosität aus, die mehr -und mehr das ganze Schiff erfüllt. Riefen in Santos übermütige -Zwischendecker den am Kai wartenden Landsleuten zu: „Wie lange -dauert’s, bis man hier Millionär wird?“, so mehren sich jetzt die -sorgenden, ernsten Gesichter.</p> - -<p>In der Kajüte nicht minder. Nur wenige kehren ja in sichere, -wohlbekannte Verhältnisse zurück. Auch die drüben Stellung und Besitz -haben, fragen sich: wie werden wir unser Geschäft vorfinden. — Wer -kennt denn dieses Land, in dem Hunderttausende in der Heimat das Land -der Verheißung sehen? Der Krieg soll es von Grund auf gewandelt, die -Preise phantastisch in die Höhe geschnellt haben.</p> - -<p>Immer häufiger bilden sich Gruppen, die sich über Preise unterhalten. -Der englische Reiseführer von 1914 nennt zwei Pfund für den Tag als -unterste Grenze. Der Bankbeamte erzählt, daß er vor dem Krieg mit 200 -Peso, etwa 800 Mark, im Monat für Wohnung und Essen auskam. Aber jetzt? -Wie wird es werden? Wie weit wird die mitgenommene Barschaft reichen? -Und wie viele sind auf dem Schiff, die drüben alles verkauften! Nun -sind’s fünfzig- oder hunderttausend Mark, die für Land- und Viehkauf -reichen sollen. Oft aber noch viel, viel weniger. Und dabei fällt und -fällt die Mark.</p> - -<p>Aber dafür hat man ja Waren mitgenommen. Die lange Reise und manche -Bowle in den Mondnächten hat die Zungen gelöst. Pläne wurden -geschmiedet, Verbindungen geknüpft. Soll man schmuggeln oder nicht? -In den Kabinen beginnt ein großes Packen. Geheimnisvolle<span class="pagenum"><a name="Seite_29" id="Seite_29">[S. 29]</a></span> Zinkkisten -tauchen auf. Bijouterien und Goldwaren werden in Wäsche und Stiefeln -versteckt, Brillanten in Kleidungsstücke eingenäht.</p> - -<p>Wo ist die Zeit, da Lulu tanzte und man Nächte auf Deck verträumte? -Lulu ist übrigens nicht mehr an Bord. In Rio flog sie in großer Ekstase -ihrem sie sehnsüchtig erwartenden Amigo in die Arme. Aber die Frau -im blauen Umschlagtuch, deren Tochter man vor Pernambuco ins Meer -senkte, ist noch da und liegt auf ihrem Stuhl und starrt ins Meer. Ein -Stockwerk höher, in der ersten Klasse, werden die Augen der alten Dame, -die zu ihrem einzigen Sohne fährt, den sie zwölf Jahre lang nicht sah, -immer fiebriger. Und in der zweiten Klasse geht der aus portugiesischer -Kriegsgefangenschaft heimkehrende Ingenieur immer unruhiger auf Deck -auf und ab. Ein Jahr war er in Portugiesisch-Ostafrika, und gerade -wollte er seine Familie nachkommen lassen, als der Krieg ausbrach, der -ihn in Gefangenschaft auf die Azoren führte. Die ganze Zeit war er ohne -Nachricht von seiner Frau. Er kann es nicht mehr sehen, das Meer, auf -das er all die Jahre hindurch von seiner Insel aus sehnsüchtig starrte. -Und die hilflose Achtzigjährige, die zu ihren Kindern nach Argentinien -zurückkehrt, von denen der Krieg sie trennte! Und das Geschwisterpaar, -das 1913 auf ein Jahr nach Deutschland in Pension geschickt worden war -und das jetzt im Zwischendeck zurückkehren muß. Und all die Frauen, die -der Krieg von ihren Männern trennte. Welche Tragödien auch hier!</p> - -<p>Das erste Land, das sich nach Brasiliens Palmenbergen am Horizont -zeigt, ist flach, öde, wüstengelb.<span class="pagenum"><a name="Seite_30" id="Seite_30">[S. 30]</a></span> Oasenhaft heben sich von Zeit zu -Zeit Baumgruppen über die Sanddünen.</p> - -<p>Auf einmal eilt das Schiff. Um neun Uhr abends sollten wir in -Montevideo sein, am nächsten Mittag in Buenos Aires. Pünktlich laufen -wir die Hauptstadt Uruguays an. Wie auf Schnüren gezogene leuchtende -Perlen sind die Lichterreihen der linealgeraden Straßen über den -Nachthimmel gespannt. Die Blinkfeuer der Hafeneinfahrt zwinkern rot -und grün. Der viele Stock hohe Lokaldampfer nach Buenos Aires liegt -am Kai wie ein festlich flimmerndes Haus. Das Knattern der unzähligen -eleganten Automobile hört sich an wie Gewehrfeuer.</p> - -<p>Argentinische Zeitungen kommen an Bord. Alles stürzt sich darüber her -und studiert die Preise. Gott sei Dank, was man hörte, war maßlos -übertrieben. Aber anderes ist teuer genug. Der Flieger geht strahlend -auf und ab.</p> - -<p>„An meinen Bijouterien verdiene ich glatt 10000 Peso.“</p> - -<p>„Und der Zoll?“</p> - -<p>„Oh, die sind so gut versteckt, da müßte der Beamte schon sehr genau -suchen — —.“</p> - -<p>Die Offizierswitwe mit den beiden Söhnen hat bereits ein erstaunlich -billiges Angebot für Haus und Land in Paraguay. Die Stimmung geht hoch.</p> - -<p>Am nächsten Morgen sind wir mitten im La Plata. La Plata, Silberstrom! -Der Name klingt wie Hohn; denn in schmutzigem Lehmgelb wälzen sich -seine trägen Wogen. Gelbe, einförmige Wüste, soweit das Auge reicht. -Fast wirkt der Anblick bereits wieder schön in seiner gran<span class="pagenum"><a name="Seite_31" id="Seite_31">[S. 31]</a></span>diosen -Eintönigkeit. Am Horizont stehen Schiffe, flach auf die Wüstenplatte -gestellt. Merkwürdig unwirklich sehen sie aus.</p> - -<p>Das Land, das jetzt zur Linken auftaucht, paßt zum Fluß, es ist flach, -öde, reizlos. Aber noch öder, noch reizloser könnte es erscheinen, -es würde doch mit den gleichen sehnsüchtig erwartungsvollen Blicken -verschlungen. Es ist ja das Land der Verheißung, die Erlösung aus all -dem Leid, aus all dem Jammer in der Heimat.</p> - -<p>Buenos Aires sticht mit Kaminen, Türmen und Kuppeln über den Horizont. -Am Bug ballt sich die Masse der Auswanderer. Rasch wächst die Stadt. -Eine flüchtige Ähnlichkeit mit New York, ein schüchterner Versuch zu -Wolkenkratzern. Der Jachthafen mit Dutzenden der elegantesten Jachten. -Dann im Hafen Schiff an Schiff, endlose Kais lang.</p> - -<p>Ärztliche Untersuchung und Paßrevision. Dann darf man von Bord. Jetzt -noch die zollamtliche Untersuchung. Der Flieger verhandelt aufgeregt -mit einem Gepäckträger. Koffer auf Koffer rollt an. Immer wieder -greifen die geübten Hände der Zollbeamten tief in Kisten und Koffer. -Der ehemalige Fliegeroffizier hat einen Teil seiner Sachen schon -durch, aber nun zieht der Beamte ein Bündel Uhrketten aus einem Paar -Damenhandschuhe.</p> - -<p>„Was ist das?“ — und nun kommt Stück für Stück ans Tageslicht. Er -bekommt einen puterroten Kopf. Tapfer hält sich die junge Frau.</p> - -<p>Auf Schmuggel steht Beschlagnahme der Ware und hohe Geldstrafe, -bei großen Beträgen Gefängnis. Weiß Gott, da wird der Herr vom -Tisch <span class="antiqua">vis-à-vis</span> abgeführt.<span class="pagenum"><a name="Seite_32" id="Seite_32">[S. 32]</a></span> Er hatte Brillanten in der Weste -eingenäht. Eine Dame soll ihn angezeigt haben.</p> - -<p>Sicher erhoffte Telegramme sind ausgeblieben. Über Paraguay hört man -bereits im Zollamt nur Ungünstiges. Luftschlösser stürzen ein. Und die -Traumstadt der Verheißung ist, wenn man sie betritt, auch nicht anders -wie jede Weltstadt: eine gewaltige Mühle, die die Masse der Menschen -zerreibt, um den wenigen Zähen, Auserwählten den Aufstieg zu unerhörter -Macht freizugeben.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_33" id="Seite_33">[S. 33]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Argentinien">Argentinien</h2> - -<div class="figcenter"> - <a id="p33_wappen_argentinien" name="p33_wappen_argentinien"> - <img class="mtop2 w10em" src="images/p33_wappen_argentinien.jpg" - alt="Wappen von Argentinien" /></a> -</div> - -</div> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_34" id="Seite_34">[S. 34]</a><br /><a name="Seite_35" id="Seite_35">[S. 35]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Die_Stadt_am_La_Plata_4">4. Die Stadt am -La Plata.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Buenos Aires.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d3" name="initial_d3"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>raußen im Land blühen jetzt die Kakteen. Wenn man mit einer der -zahllosen Elektrischen hinausfährt und wenn nach den eleganten Straßen -auch die Zone der Vorstädte mit ihren niedriger und ärmer werdenden -Häusern zurückbleibt, bis nur mehr der durch Steppe, Sumpf und Busch -führende Damm der Bahn der einzige Bindestrang mit der zurückgelassenen -Zivilisation ist, dann ranken Kakteen zu beiden Seiten des Weges, -seltsame, fleischig-wulstige Pflanzen. Wie Tiere ihre Jungen auf dem -Rücken tragen, so haben sie ihre Triebe angesetzt, und dazwischen -treibt der staubgraue Leib eine Blüte von seltsam flammender Schönheit, -die auf dem häßlichen Pflanzenkörper so fremd anmutet, als hätte sich -ein leuchtender Schmetterling auf ihn gesetzt.</p> - -<p>Ist dies das Bild der Stadt, in der ich jetzt lebe? Sicher ist es -ein krasser, willkürlicher Vergleich, und doch drängte er sich mir -auf, als ich zum ersten Male von dem Turm der Pasaje Guemes über die -Stadt blickte. Wie trostlos öde ist der Boden, aus dem diese Stadt -erwuchs! Jede, aber auch jede angeborene Schönheit hat ihr die Natur -versagt. Der Fluß, dessen unerhörte Breite ein Meer vortäuscht, ist, -von hier oben gesehen, nichts als ein braunes ödes Feld. So träge steht -die Masse der lehmschweren Flut, daß der Unwissende von hier nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_36" id="Seite_36">[S. 36]</a></span> -unterscheiden könnte, ist es Morast oder Wüste oder Wasser. Und nicht -anders ist das Land, in das sich die Stadt mählich verliert. Keine -blauen Berge am Horizont, keine fernen Wälder, nichts, auf dem das Auge -friedlich ruhen, kein Punkt, nach dem die Sehnsucht schweifen könnte.</p> - -<p>Unten am Fuß des Gebäudes aber ziehen elegante Straßen, dehnen sich -Plätze voll Palmen und blühenden Blumen. Die Plaza und Avenida de -Mayo, Plaza San Martin, der Palermo-Park mit seinen Teichen, Rasen und -Hainen: alles ist künstlich geschaffen, ist einer Wüste abgerungen. Und -alle diese Plätze, Gärten, öffentlichen Gebäude und reichen privaten -Villen und Residenzen sind gebaut aus dem Erlös der Produkte dieses so -trostlos öde scheinenden Landes. Dieses Land hat die Palmen gepflanzt -und die Autos der Männer wie den Schmuck der Frauen bezahlt. Es allein -ermöglicht die Einfuhr aller dieser wahnsinnig teueren Luxusartikel -aus allen Ländern der Erde, die die Lager und Läden der Stadt füllen. -Wie reich und vollsaftig muß dieses Land sein, das eine solche Blüte -treiben konnte, aus dem in phantastischer Üppigkeit eine Hauptstadt -erwachsen konnte, in der ein Viertel der Bewohner des ganzen Landes -lebt, deren überreicher Luxus Zweck und Ziel aller Arbeit auf den -fernen Estancias und Chacras, auf den Ranchos und Quintas zu sein -scheint!</p> - -<p>Eine Kakteenblüte voll fremdartiger Schönheit? — Nein, der Vergleich -stimmt doch in keiner Weise! Dazu ist diese Stadt zu nüchtern, zu -europäisch, zu amerikanisch. Ja, amerikanisch, das ist der Grundton, -und es bedürfte<span class="pagenum"><a name="Seite_37" id="Seite_37">[S. 37]</a></span> nicht der Ansätze zu Wolkenkratzern, um an New York -zu erinnern. Aber da unten die Plaza de Mayo könnte ebensogut in -irgendeiner mexikanischen oder brasilianischen Stadt liegen, und die -Avenida erinnert durchaus an einen Pariser Boulevard, ihre Läden an -Oxford Street in London und die umliegenden Straßen an die Berliner -Friedrichsstadt. Selbst in der Vorstadt ähnelt an einer Stelle die -Wellblecharchitektur dem Rande von Chicago, während an anderer Stelle -die auf Pfählen im Sumpf errichteten Bretterbuden einer polnischen oder -wolhynischen Landstadt gleichen. Jede Nation mag hier Anklänge an ihr -Heimatland finden.</p> - -<p>Unten in der Avenida rollen in sechsfacher Reihe die Autos, Wagen -an Wagen; wie bei marschierender Truppe Leib an Leib gepreßt, zieht -es sich wie ein stählernes endloses Band, wie ein grau und gelb und -schwarz lackiertes Trottoir roulant hin, das alles, was Geld und Macht -und Ansehen hat, hin- und herträgt zwischen den die Straße gleich -mächtigen Querriegeln begrenzenden Gebäuden, dem Regierungspalast und -dem Kongreß. In den beängstigend engen Straßen aber, die beiderseits -der Avenida wie schmale Rillen in die viereckigen Häuserblöcke -eingeschnitten sind, drängt sich der Strom der Autos, Wagen und -Fußgänger so dicht, daß sie von hier oben kaum belebt erscheinen.</p> - -<p>Ist es anders als in der Fifth Avenue oder in den Steinschluchten -um Woolworth oder Bankers Trust Building in New York City? Wer dem -Pulsschlag lauscht, dem Pochen des Herzens, das in jeder Stadt schlägt, -wird den Unterschied finden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_38" id="Seite_38">[S. 38]</a></span></p> - -<p>Hier fehlt der eine harte Klang, der das ganze Leben der Union -durchzittert, der Rhythmus Dollar, Dollar, Dollar, der in den -Riesenturbinen von Niagarafalls nicht anders pulst als in dem Blut -der Tausende von Girls in weißen Blusen, die nach Geschäftsschluß die -Straßen füllen als springlebendiger, weicher, warmer Strom.</p> - -<p>Hier fehlt die harte Geste, das Vorwärtsdrängen, Zurückstoßen. Schon an -der Art, wie sich der Straßenverkehr abspielt, wird es erkennbar, an -der graziösen Leichtigkeit, mit der der elegante schlanke Schutzmann -in dunkelblauer Uniform und blauem Tuchhelm mit seinem schneeweißen -Gummiknüppel in weißbehandschuhter Hand den Strom der Autos lenkt. An -der Höflichkeit und Liebenswürdigkeit der Menge wird es deutlich, die -sich ohne Lärm, ohne Zwischenfall, ohne Schelten in den lächerlich -engen Straßen bewegt, auf deren Bürgersteigen nicht zwei Personen -nebeneinander gehen können.</p> - -<p>Sicher spielt in den geschäftlichen Kreisen von Buenos Aires Geld keine -geringere Rolle als in andern Handelsmetropolen, sicher wird hier -im Verhältnis nicht weniger umgesetzt und verdient als in New York -oder London, aber die Brutalität des Geldmachens fehlt hier. Man lebt -leichter, verdient leichter und gönnt auch dem Nächsten seinen Teil, so -daß die Geste auch des Geschäftsmannes hier liebenswürdige Höflichkeit -bleibt.</p> - -<p>Und weiter erkennt man bei näherem Zusehen, daß diese scheinbar so -amerikanische oder europäische Stadt im Grunde ganz etwas anderes ist: -durch und durch argentinisch; mag dies auch in dem noch unorganischen -Stadtbild nicht deutlich werden, wo ein moderner englischer<span class="pagenum"><a name="Seite_39" id="Seite_39">[S. 39]</a></span> -Geschäftsbau neben einem altspanischen Hause mit blumenumranktem -Innenhof steht.</p> - -<p>Buenos Aires ist eine Stadt, die ins Maßlose, Unbegrenzte strebt. Im -Zentrum, das für zwanzig- oder zweihunderttausend Menschen gedacht und -gebaut wurde, muß sich heute der Verkehr einer Menschenmasse von zwei -Millionen abspielen. Darum hat man alle neuen Straßen in zehnfacher -Breite angelegt. Kilometerweit hinaus führen breite Avenidas, die heute -nur ärmliche, ebenerdige Häuser oder Buden und Hütten säumen, die aber -vielleicht schon in zehn Jahren elegantes Leben füllt.</p> - -<p>Diese Stadt will wachsen. Auch die City will heraus aus ihrer Enge. Und -darum hat man im Zentrum ganze Reihen von Häuserblöcken niedergerissen -und daraus die Plaza und Avenida de Mayo geschaffen. Darum sollen auch -weitere Straßenreihen fallen. Die Ansätze dazu sind schon da. Bis die -ganze innere Stadt mit einem Netz breiter Diagonalen durchzogen ist, -die Luft, Licht und Raum schenken.</p> - -<p>Städte sind Lebewesen, die wachsen, blühen und sterben. Drüben jenseits -des lehmigen Wassers des La Plata und des blauen des Atlantik liegen -Städte, in deren verwahrlosten Straßen der Menschenstrom kreist wie -schweres schwarzes Blut in kranken Adern, deren Häuserfassaden die -Spuren durchlebter Fieberschauer tragen oder die Anzeichen kommender. -Nirgends empfindet man so stark wie in dieser jungen, so namenlos -jungen Stadt, wie krank Europa ist, wie krank und unheilschwanger!</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_40" id="Seite_40">[S. 40]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Einwanderung_nach_Argentinien_5">5. Einwanderung -nach Argentinien.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Mariano Saavedra.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d4" name="initial_d4"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie große Halle von Retiro, dem Bahnhof des Central Argentino, liegt im -milchigen Licht der Bogenlampen. Gepäckträger umringen das vorfahrende -Auto. Der Chauffeur fährt nach Taxe. Im Handumdrehen ist das Gepäck -aufgegeben. Die Erlangung der Schlafwagenkarten kostet einen Gang ins -Reisebureau, keine Bestechung, kein Schmieren, kein Aufgeld.</p> - -<p>Ein leerer Bahnsteig, keine Menschenmenge, die sich vor der Sperre -staut. Wagen, in denen jeder bequem Platz hat, sauber, geräumig; auch -die zweite Klasse, die unserer dritten und vierten entspricht. In dem -sonst so unsozialen Argentinien kennt man nur zwei Wagenklassen.</p> - -<p>Mächtige Autobusse fahren vor dem Bahnhof vor. Eine bunte -Menschenmenge, Männer, Frauen und Kinder, drängt heraus. -Lastwagen, hochbeladen mit Gepäck, folgen. Es sind die Wagen der -Einwanderungsbehörde. Die freie Beförderung zu den Bahnhöfen und weiter -bis zur gewählten Arbeitsstelle, mag sie auch am äußersten Zipfel der -Republik liegen, gehört zu den Vergünstigungen, die die Regierung -Einwanderern gewährt.</p> - -<p>Diese Vergünstigungen sind nicht unerheblich. Schon der Empfang -ist besser als beispielsweise in den Vereinigten Staaten, trotz -aller Vorsichts- und Kontrollmaßnahmen, die die argentinische -Regierung zur Fernhaltung bolschewistischer Elemente immer mehr -verschärft. Argentinien<span class="pagenum"><a name="Seite_41" id="Seite_41">[S. 41]</a></span> kennt kein Ellis Island, keine von aller -Welt abgeschlossene Einwandererinsel, wo die Einwanderer jeder -Willkür brutaler Beamten wehrlos ausgesetzt sind. Ist die ärztliche -Untersuchung vorüber, der im übrigen die Passagiere der ersten -Klasse ebenso unterworfen sind wie die Zwischendecker, und sind die -Papiere geprüft, so kann jeder Einwanderer gehen, wohin er will, -falls er es nicht vorzieht, ins Einwandererhotel zu ziehen. Es liegt -unmittelbar am Kai. Ein hoher, heller Bau, luftig und reinlich wie -ein Lazarett mit seinen fliesenbedeckten Böden und kachelbekleideten -Wänden. Irgendwelchen Luxus gibt es natürlich nicht, und alles ist auf -Massenbetrieb eingestellt. Allein gegenüber dem Schmutz, der Enge und -Stickluft des Zwischendecks ist es ein Dorado. Was der Einwanderer -braucht, ist da: Bäder, Hospital, ein Arbeitsvermittlungsamt, Post, -Telegraph und vor allem eine Geldwechselstelle der Nationalbank, in der -kostenlos fremde Währung eingewechselt wird; bei dem großen Aufschlag, -den die Wechsler in der Stadt nehmen, ein gewaltiger Vorteil. Und -vor dem Haus ein herrlicher Garten, mit Palmen und blühenden Blumen, -der dem Einwanderer eindringlich vor Augen führt, in welch reiches, -fruchtbares Land er gekommen.</p> - -<p>Nach dem Gesetz steht den Einwanderern und ihren Familien fünftägige -freie Unterkunft und Verpflegung zu. Das Gesetz wird sehr großzügig -gehandhabt, und die Fälle sind häufig, daß Einwandererfamilien nicht -nur Tage, sondern Wochen über die gesetzliche Frist hinaus kostenlosen -Aufenthalt gewährt bekommen. In den Provinzen, in die sich der -Einwanderer begibt, wird er gleichfalls zunächst frei untergebracht und -verpflegt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_42" id="Seite_42">[S. 42]</a></span></p> - -<p>Dieses Anrecht steht jedem Reisenden der zweiten und der dritten Klasse -zu, der sich einen entsprechenden Vermerk in seine Papiere eintragen -läßt. Es sollte niemand versäumen; denn es ist keinerlei Verpflichtung -eingeschlossen. Wer auf das Einwandererhotel verzichtet, wird doch -unter Umständen gern die freie Bahnfahrt und Gepäckbeförderung für sich -und seine Familie in Anspruch nehmen. Bei den teueren Bahntarifen und -den weiten Entfernungen handelt es sich mitunter um sehr erhebliche -Beträge.</p> - -<p>Weiter aber sorgt der Staat für die Einwanderer nicht, und alle -Anpreisungen von Kolonisations- und Landgesellschaften über -kostenlose oder billige Zuweisung von Regierungsland usw. sind -nur mit größter Vorsicht aufzufassen. Das gilt auch von dem -sogenannten Heimstättengesetz, der <span class="antiqua">Ley del Hogar</span>, auf das die -Auswanderungsgesellschaften mit Vorliebe hinweisen. Dieses Gesetz, -das die Ansiedelung auf Regierungsland vorsieht, ist zwar vom Kongreß -genehmigt und auch amtlich veröffentlicht worden, ist aber noch nicht -in Kraft getreten, da die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen noch -nicht erlassen sind. Wann und ob sie überhaupt erlassen werden? — -<span class="antiqua">Quien sabe!</span></p> - -<p>Das Einwandererhotel und die Fürsorge für die Einwanderer kostet die -argentinische Regierung jährlich je nach der Stärke des Zustroms -eine halbe bis etwa zwei Millionen Peso (etwa 900000 bis 3600000 -Goldmark). Es hat Zeiten gegeben, in denen Argentinien freie Überfahrt -gewährte und ein weitverzweigtes Agentennetz in Europa unterhielt, -um Einwanderer zu bekommen. Es hat das jetzt nicht mehr nötig; denn -Argentinien ist heute das bevorzugteste Einwanderungsland, und -lediglich die hohen<span class="pagenum"><a name="Seite_43" id="Seite_43">[S. 43]</a></span> Überfahrtspreise und die Valutaverhältnisse -begrenzen die Zahl.</p> - -<p>Der Zug fährt durch die Nacht. Die hellen Straßenzeilen der Hauptstadt -und die dunkle Fläche des La Plata bleiben zurück. Der Zug eilt durch -weites, weites, ebenes Feld. Stoppelfelder auf Stoppelfelder, von den -hohen Mieten des abgeernteten Getreides wie von Zwingburgen beherrscht. -Dann Mais, eine im blassen Mondschein goldig schimmernde Fläche, -endlos, unübersehbar.</p> - -<p>In der Morgenfrühe passieren wir Rosario und dann wieder endlos weites -Land: Mais, Stoppelfeld und unendliche Weide. Zwischen kilometerlangen -Drahtzäunen Weideflächen, Stunde auf Stunde. Um die Station ein paar -Häuser, und dann nichts als selten und spärlich ein Rancho zwischen -Bambusstauden, eine Chacra, eine baumumstandene Estancia.</p> - -<p>Vor mir liegt eine Nummer des „Argentinischen Tageblattes“ — -nebenbei gesagt die rührigste und bestgeleitete deutsche Zeitung des -lateinischen Amerika — mit einer Umfrage über die Möglichkeiten -deutscher Einwanderung und Kolonisation. Führende Persönlichkeiten der -deutschen Kolonie haben sich darin ausgesprochen. Während ich durch die -menschenleere fruchtbare Weite sause, lese ich: „Argentinien ist auf -eine große deutsche Einwanderung nicht vorbereitet, und alljährlich -können nur ein paar tausend Einwanderer in Betracht kommen.“ Ein -anderer, ein Bankdirektor, schreibt: „Selbst wenn jährlich nur 4000 -bis 5000 unserer Landsleute einwandern, so ist das schon viel.“ Oder -ein dritter, ein Großkaufmann: „Die wichtigste Aufgabe der deutschen -Kolonie, so glaube<span class="pagenum"><a name="Seite_44" id="Seite_44">[S. 44]</a></span> ich, sollte sein, die Auswanderung aus der Heimat -<em class="gesperrt">nicht</em> zu fördern.“ Nachdem er davon gesprochen, wie die -Auswanderungslust einzudämmen sei, schließt er: „Damit könnte auch -in wirksamer Weise das Deutschtum in Argentinien und in der Heimat -gefördert und geschützt werden.“</p> - -<p>Draußen nichts als Mais, Weide und Vieh. Und das sind die -menschenreichsten Provinzen: Buenos Aires und Santa Fé, in denen die -Bevölkerungszahl noch nach Millionen und Hunderttausenden zählt. -Weiterhin, in der Pampa, in Patagonien und im Chaco, da zählt man -nach Zehntausenden und Tausenden. Nach Klima und Fruchtbarkeit kann -Argentinien 300 Millionen Menschen ernähren, und nun soll es nur knapp -für ein paar Tausend Einwanderer Existenzmöglichkeiten bieten!</p> - -<p>Ich lese weiter: Ablehnung auf Ablehnung. Aber da schreibt auch einer, -der nur als „Selfmademan“ zeichnet: „Alles, was bei dem gegenwärtigen -Stand des Weltverkehrs von Deutschland hierher auswandern kann, vermag -Argentinien aufzunehmen und mit seinen Erwerbsgelegenheiten dauernd -festzuhalten. Keine Auswandererzahl ist zu groß, als daß sie nicht in -den Rahmen unserer Volkswirtschaft eingepaßt werden könnte.“</p> - -<p>Wer hat nun recht? Im allgemeinen ist die deutsche Kolonie für -möglichste Einschränkung der Einwanderung, und es wird mir von -allen Seiten nahegelegt, durch möglichst wahrheitsgetreue, d. h. -pessimistische, Schilderungen mitzuhelfen, Einwanderer abzuhalten. Nun -ist sicher richtig: Je weniger Illusionen der Einwanderer mitbringt, -desto besser, und die Arbeit ist im allgemeinen wohl härter und die -Anfangsschwierigkeiten sind größer,<span class="pagenum"><a name="Seite_45" id="Seite_45">[S. 45]</a></span> als man sich in Deutschland -vorstellt. Aber mit dem bloßen Abraten ist nichts getan. Man kann -ja nicht von Auswanderungslust sprechen, sondern nur von einer -Auswanderungsnot. Und es wäre auch nicht wahrheitsgetreu, wollte man -nur warnen und abraten. Es gibt hier Möglichkeiten, und zwar sehr -erhebliche, zu Wohlstand und Reichtum zu kommen, nur ist der Weg hart, -und nur ein zäher Wille kommt durch. Aber seinen Lebensunterhalt, -und der ist im Verhältnis zu Deutschland reichlich, kann sich jeder -erwerben, der guten Willens ist, wenn er ein heißes Klima und -mancherlei Unzuträglichkeiten mit in Kauf nehmen will.</p> - -<p>Es handelt sich nicht darum zu warnen, sondern zu helfen. Hier ist der -Deutsche Volksbund in Argentinien mit gutem Beispiel vorangegangen, der -eine Beratungsstelle und Stellenvermittlung für deutsche Einwanderer -geschaffen hat. (Im deutschen Vereinshaus, Buenos Aires, Calle San -Martin 439.) Schon Hunderten deutschsprechender Einwanderer ist hier -kostenlos Arbeit und Stellung nachgewiesen worden. Da der Bund in -allen größeren Plätzen Ortsgruppen unterhält, ist es ihm ein leichtes, -sich nicht nur über den Arbeitsmarkt zu orientieren, sondern auch über -die Zuverlässigkeit der Arbeitgeber. Nur so kann vermieden werden, -daß Einwanderer, wie es bereits geschehen ist, in völlig unhaltbare -Verhältnisse nach Misiones oder Chubut geschickt werden, von wo -sie nach einigen Monaten elend, abgerissen und verbittert wieder -zurückkamen. Über jeden Einwanderer wird genau Buch geführt, so daß mit -der Zeit wertvolles Material über die Einwandererbewegung gesammelt -wird. In der<span class="pagenum"><a name="Seite_46" id="Seite_46">[S. 46]</a></span> gleichen Richtung arbeitet auch der Verein zum Schutz -germanischer Einwanderung und der deutsch-argentinische Zentralverband.</p> - -<p>Wer nach Argentinien auswandern will, muß sich klar machen, daß -er in Verhältnisse kommt, die von Grund aus neu sind, und daß er -unabhängig von Beruf und Vorbildung zu jeder Arbeit und Unternehmung -bereit sein muß. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Aussichten -für Kaufleute und geistige Arbeiter jeder Art schlecht, die für -Handwerker und Industriearbeiter gut sind. Aber das eine wie das andere -ist nebensächlich gegenüber dem Zentralproblem: die Kolonisation -und Ansiedlung im größten Maßstabe. Argentinien ist ein Agrarland -mit extensiver Wirtschaft. Geht man dazu über, den Betrieb intensiv -zu gestalten, so lassen sich unbegrenzte Mengen von Ackerbauern und -Farmern unterbringen, und ein wachsender Bedarf für industrielle, -kaufmännische und geistige Arbeit wird geschaffen.</p> - -<p>Was jetzt von Deutschland herüberkommt, läßt sich noch eine -Weile in der bisherigen Weise unterbringen. Wächst jedoch der -Einwandererstrom, ohne daß die Kolonisationsfrage gelöst ist, so muß es -zur Proletarisierung der deutschen Einwanderer kommen. Den deutschen -Einwanderern bieten sich unbegrenzte Möglichkeiten, aber erst dann, -wenn die sehr schwierige hauptsächlichste Vorbedingung erfüllt ist: die -Beschaffung von Land, Land und nochmals Land!</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_47" id="Seite_47">[S. 47]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Die_Landfrage_6">6. Die Landfrage.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Mariano Saavedra.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_w" name="initial_w"> - <img class="h3em" src="images/initial_w.jpg" alt="W" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">W</span>ir reiten über den Kamp. Endlose Weite. Wie weiße, braune und schwarze -Tupfen steht das Rindvieh im Grün des Alfalfafeldes. Weiterhin Pferde -in Rudeln, dann Schafe gleich Lämmerwölkchen über den grünen Horizont -ziehend. Kein Baum, kein Strauch, kein Haus. Nur die Drahtzäune, die -den Kamp in einzelne Potreros teilen, laufen unermüdlich neben uns her, -und ab und zu passieren wir ein klapperndes Windrad, das Wasser in die -Viehtränken pumpt.</p> - -<p>Man könnte in menschenleerer Öde sich verlassen glauben, kündete nicht -der dunkle Schatten am Horizont die Estancia mit ihren Hainen und -Gärten, Landhäusern und Wirtschaftsbauten. Dort die Estancia mit ihrem -Schloß, in dem der Besitzer in der Regel kaum ein paar Wochen im Jahr -weilt, und hier am Weg ein paar zerfallene Lehmmauern, die Reste eines -Pächterhauses: das ist das Landproblem Argentiniens.</p> - -<p>Argentinien ist das Land des Großgrundbesitzes. Seit den Zeiten des -Diktators Rosas (geb. 1793, gest. 1877) haben die Regierungen ihren -Günstlingen, verdienten Parteigängern, Generälen und Staatsmännern -gewaltige Landkomplexe überlassen, Ländereien von der Größe eines -Fürstentums wurden verschenkt oder zu lächerlich niederen Preisen -verkauft. Heute ist die ganze Republik mit Ausnahme der augenblicklich -wertlosen oder geringwertigen Regierungsländereien im äußersten Norden -und Süden<span class="pagenum"><a name="Seite_48" id="Seite_48">[S. 48]</a></span> und des wenig zahlreichen mittel- und kleinbäuerlichen -Besitzes in den Händen einer geringen Zahl von Großestancieros und -Landgesellschaften. Komplexe von 100 und 200 Hektar, also etwa von -der Größe eines deutschen Ritterguts, sind hier ein winzig kleiner -Besitz. Man zählt nach Quadratleguas, einem Flächenmaß gleich 25 -Quadratkilometern, und Estancien von 50, 75 und 100 Quadratleguas sind -keine Seltenheit.</p> - -<p>Diese gewaltigen Ländereien dienen lediglich der Viehzucht, und zwar -einer Viehzucht extensivster Art. Weder der einheimische Landbesitzer, -der Estanciero, noch der eingeborene Landarbeiter, der Gaucho, hat -irgend Sinn und Neigung für Ackerbau. Da sich der reiche Argentinier -nur ungern von seinem Land trennt und er andrerseits die gewaltige -Wertsteigerung nicht missen will, die in dem Umreißen des rohen Kamps -und seiner zeitweisen Bestellung liegen, verfiel man in diesem Land -auf das eigenartige Pachtsystem des Medianero. Der Besitzer stellt -Land, Vieh, Gerät und Samen einem Medianero, einem Pächter, zur -Verfügung, der dafür so viel Land bestellt, wie er mit seiner Familie -bewirtschaften kann. In den Ertrag teilen sich Pächter und Besitzer zu -gleichen Teilen. Derartige Pachtverträge werden jedoch nur auf kurze -Zeit, auf drei bis fünf Jahre, oft auch nur für ein Jahr abgeschlossen. -Ist die Zeit abgelaufen, so muß der Pächter im wahren Sinne des Wortes -sein Dach abreißen und dahin ziehen, wo er wieder Pacht findet. Dem -Estanciero liegt ja nichts daran, dauernd Korn zu bauen. Er will -lediglich den Boden seines Kampf verbessern und bessere Weide für -sein Vieh bekommen. Darum legt er in der Regel dem<span class="pagenum"><a name="Seite_49" id="Seite_49">[S. 49]</a></span> Pächter die -Verpflichtung auf, im letzten Jahr des Pachtvertrages Alfalfa zu bauen, -eine Luzernekleeart, die das vornehmste Futter für Großvieh hierzulande -ist.</p> - -<p>Der Pächter hat also seinerseits gar kein Interesse daran, es sich -irgendwie gemütlich zu machen. Inmitten der Öde des Kamps steht sein -Rancho, eine Lehmhütte mit Wellblechdach, das der Kolonist mit sich -führt. Er pflanzt keinen Baum, kaum Gemüse, und ist zu einem elenden -Nomadenleben verdammt, falls es ihm nicht gelingt, sich so viel zu -ersparen, daß er zum Arendatario, zum Pächter mit eigenem Vieh und -Gerät, und schließlich zum Besitzer auf eigener Scholle aufzusteigen -vermag.</p> - -<p>Es ist ein brutales System, das seinen Zweck, den Wert des Landes zu -steigern, zwar erfüllt — ein mit Alfalfa bestandener Kamp kostet 100 -Prozent mehr als ein roher —, das aber in keiner Weise für deutsche -Einwanderer in Frage kommt. Was der ins Land kommende Deutsche erhofft, -ist Seßhaftigkeit auf eigener Scholle, die er mit der Zeit durch seiner -Hände Arbeit erwerben kann.</p> - -<p>Nichts ist aber schwerer als das. Die Schwierigkeiten liegen in den -hohen Landpreisen, in der Wertlosigkeit der deutschen Valuta und in der -Unsicherheit des Besitztitels.</p> - -<p>Drei Wege führen zum Besitz von Grund und Boden: Kauf von privater -Seite, Erwerb von Regierungsland oder von Ländereien einer -Kolonisationsgesellschaft. Der erste Weg scheidet für die Besitzer von -Markguthaben aus. Selbst für kleine Kampe sind bei dem derzeitigen -Stand der deutschen Valuta Guthaben erforderlich, über die selbst der -wohlhabende deutsche Einwanderer nicht verfügt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_50" id="Seite_50">[S. 50]</a></span></p> - -<p>Nun zum Regierungsland. Das ist die vielumstrittene Frage. Einmal, gibt -es überhaupt noch Regierungsland, das für Kolonisation in Frage kommt, -zum andern, wie steht es mit der Übertragung der Besitztitel?</p> - -<p>Regierungsland gibt es sowohl in den nördlichen Territorien, in -Misiones und im Chaco, als auch im Süden, in Rio Negro, Neuquen, Chubut -und Santa Cruz. Die allgemeine Ansicht geht dahin, daß beide Gebiete -für Kolonisation nicht in Frage kommen. Der Norden sei zu heiß, der -Süden nur für Schafzucht geeignet. Nach den Temperaturen, die ich -bisher in den Provinzen Buenos Aires und Santa Fé erlebte und die -bis an 40 Grad reichen, möchte ich der ersten Ansicht beipflichten. -Allein ich habe hier stets gefunden, daß man selbst sehen muß, und die -Kenntnis der Porteños, der Bewohner von Buenos Aires, von den äußeren -Gebieten des Landes geht in der Regel nicht sehr weit.</p> - -<p>Was die Besitztitel betrifft, so wird immer wieder über die -Schwierigkeit geklagt, solche zu erlangen. Die Regierung gibt wohl -Land zu billigen Preisen ab, allein ohne Besitztitel. Mitunter sitzen -Leute zehn, fünfzehn und mehr Jahre auf ihrem Kamp, dessen Wert sich -inzwischen durch ihre Arbeit verfünffacht und verzehnfacht hat, und -können keine ordentlichen Besitztitel erhalten.</p> - -<p>Auf der Fahrt hierher erzählte mir ein Deutscher, der in eine -Zuckerfabrik des Nordens auf Arbeit fuhr, seine Geschichte. Ihm war in -Paraguay Regierungsland zu günstigen Bedingungen übertragen. Nachdem er -sein ganzes Kapital hineingesteckt und ein paar Jahre darauf fleißig -gearbeitet hatte, meldete sich eine argentinische<span class="pagenum"><a name="Seite_51" id="Seite_51">[S. 51]</a></span> Landgesellschaft als -Besitzerin und wies rechtskräftige Titel vor. Alle Reklamationen der -deutschen diplomatischen Vertretung blieben fruchtlos. Der Mann mußte -sein Vieh verkaufen und Grund und Boden verlassen. Ich habe denselben -Vorgang nicht einmal, sondern wohl ein dutzendmal gehört, nicht nur aus -Paraguay, sondern auch aus Argentinien. Ich kann ihre Wahrheit nicht -nachprüfen, allein die Häufigkeit, mit der man sie hört, macht stutzig. -Der einzelne, ohne genügend Kapital, ohne Rückhalt und vor allem ohne -Verbindungen und „<span class="antiqua">amigos</span>“ kann sich jedenfalls nicht genug -vorsehen, ehe er sein Geld in Land anlegt.</p> - -<p>Bleibt die Vermittlung der Kolonisationsgesellschaften. Die -Mehrzahl arbeitet auf kapitalistischer Grundlage, andere auf -genossenschaftlicher oder wie die des Baron Hirsch auf gemeinnütziger -Basis. Nicht alle bestehenden Kolonisationsgesellschaften haben -sich immer einwandfrei betätigt. Es sind Fälle vorgekommen, daß sie -an Kolonisten Land gaben, das so mit Hypotheken überlastet war, -daß die Käufer es nicht halten konnten. Von den Gesellschaften, -die sich neu in Deutschland gebildet haben, sind ein Teil reine -Schwindelunternehmungen, denen es lediglich auf Gimpelfang ankommt. -Andere verfügen wohl über guten Willen, aber nicht über die -erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Verbindungen. Daß in ihrem -Vorstand Männer sitzen, die früher einmal in Argentinien waren, genügt -nicht. Vor allem darf man nicht vergessen, daß zwischen Buenos Aires -und dem Land ein himmelweiter Unterschied ist. Man kann jahrelang -in der Hauptstadt sitzen, ohne vom Kamp etwas zu verstehen.<span class="pagenum"><a name="Seite_52" id="Seite_52">[S. 52]</a></span> Dabei -mag von solch grotesken Fällen ganz abgesehen werden, daß sich hier -bei amtlichen Stellen als Vertreter deutscher „Siedelungs- und -Kolonisationsunternehmungen“ Herren meldeten, mit der Absicht, Land zu -kaufen, die weder von Argentinien, noch von Landwirtschaft, noch von -der spanischen Sprache eine Ahnung hatten.</p> - -<p>Es ist bedauerlich, daß durch solche Schwindelunternehmungen der -Gedanke der Kolonisationsgesellschaft diskreditiert wird und unter -Umständen auch gutfundierte und gutgeleitete Gesellschaften zu leiden -haben; denn dieser Gedanke stellt den einzigen Weg dar, eine große -deutsche Einwanderung gut unterzubringen. Vorbedingung ist jedoch, daß -deutsches und argentinisches Kapital zusammenarbeitet, unter enger -Fühlungnahme mit den beiden Regierungen und unter Ausschaltung von -Spekulationsgewinnen.</p> - -<p>Der gegebene Mittler wäre das deutsch-argentinische Kapital, das bei -gutem Willen ohne Schwierigkeiten über die erforderlichen Mittel -verfügen würde, um selbst sehr großzügige Siedelungsunternehmungen -zu finanzieren. Seit Ende 1919 ist auch die Frage einer -Siedelungsaktiengesellschaft erörtert worden. Kommissionen haben -getagt. Es ist jedoch nichts dabei herausgekommen. Nach den Äußerungen -des Direktors der Überseeischen Bank hätten alle Berechnungen ergeben, -daß nicht einmal eine bescheidene Verzinsung der aufgewendeten -Kapitalien zu erwarten sei. Ich kann diese Behauptung noch nicht -nachprüfen. Wenn aber das betreffende Komitee weiter einstimmig zu der -Ansicht kam, daß mit einem derartigen Unternehmen den Einwanderern -selbst kaum ein Dienst erwiesen würde, so wird man stutzig.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_53" id="Seite_53">[S. 53]</a></span></p> - -<p>Bei dem großen Mehrwert, den eine großzügige Kolonisation für alle -Beteiligten bedeuten würde, kann man sich des Gedankens nicht erwehren, -daß einigen, und gerade den kapitalkräftigsten, Mitgliedern der -deutschen Kolonie die Einwanderung aus der Heimat unsympathisch ist. -Man hört mitunter die Meinung, daß sie die sozialistische Gesinnung -deutscher Kolonisten fürchten. Vielfach sollen sie auch schlechte -Erfahrungen mit deutschen Arbeitern gemacht haben.</p> - -<p>Deutsches Kapital, das wohl verfügbar wäre — denn nach menschlichem -Ermessen gibt es für mitteleuropäische Gelder kaum eine sicherere -Anlage als in argentinischem Grund und Boden —, kann sich nur in -Form von Maschinen, Werkzeug und Waren beteiligen. Schon aus diesem -Grunde bedarf es der Mitwirkung argentinischer Firmen. Sperrt sich das -deutsch-argentinische Kapital noch länger, so wird rein argentinisches -Kapital die Sache machen, ja, es wird sogar behauptet, daß -Ententekapital darauf lauere, sich der deutschen Einwanderung als eines -guten Spekulationsobjekts zu bemächtigen, was nicht so unwahrscheinlich -ist.</p> - -<p>Ein derartiges Siedelungsunternehmen müßte als Kolonisations- -und Handelsunternehmung gegründet werden, um die aus Deutschland -gelieferten Waren in eigener Regie veräußern zu können und andrerseits -die auf der Kolonie erzeugten Produkte direkt nach Deutschland zu -liefern. Es müßte weiterhin versuchen, Einfluß auf die Verschiffung -der Einwanderer zu nehmen, wenn es nicht eigene Schiffe erwirbt. -Im Anschluß daran ließe sich die Frage der Verpflanzung deutscher -Industrien nach Argentinien lösen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_54" id="Seite_54">[S. 54]</a></span></p> - -<p>Es muß etwas geschehen, womöglich ehe eine deutsche Masseneinwanderung -hier eintrifft. Darum ist es Zeit zu einem lauten, weithin -vernehmlichen Caveant Consules! Was die deutschen Einwanderer brauchen, -ist nicht Warnung und Rat und bestenfalls Arbeitsvermittlung, sondern -die rasche Beschaffung von billigem Land.</p> - -<p>Auch der argentinische Staat sollte daran interessiert sein. -Eine planmäßig geförderte und systematisch geleitete deutsche -Einwanderung würde nicht nur dem Lande eine Fülle wertvollster -Kräfte zuführen, sondern eine gerechte und großzügige Lösung der -Landfrage würde der argentinischen Republik das schaffen, was ihr -noch fehlt: einen gesunden und kräftigen Bauern- und Mittelstand, -und damit die beste Sicherung gegen die sozialen Gefahren, die die -gegenwärtige Besitzverteilung des Landes und die Latifundienwirtschaft -unheilschwanger in sich bergen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Die_grossen_Estancien_7">7. Die großen Estancien.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Estancia „La Louisa“.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_k" name="initial_k"> - <img class="h3em" src="images/initial_k.jpg" alt="K" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">K</span>ein anderes Land läßt sich auf solch kurze, einfache Formel bringen -wie die Republik zwischen dem La Plata und den Kordilleren: Argentinien -ist sein Vieh und sein Korn.</p> - -<p>Allerdings galt diese Formel nicht immer, wie sie auch für die -Zukunft kaum Geltung behalten wird. Man denke, vor ein bis zwei -Menschenaltern gab es in dem Viehland Argentinien nichts, was der -heutigen Viehzucht gleichkam, und noch vor vierzig Jahren führte der -heute größte<span class="pagenum"><a name="Seite_55" id="Seite_55">[S. 55]</a></span> Getreideexporteur der Welt für den eigenen Bedarf Weizen -ein, und so wird auch der fortschreitende Übergang der argentinischen -Landwirtschaft zum intensiven Landbau das zukünftige Bild ändern, -ganz abgesehen von den industriellen Möglichkeiten, die die Ölquellen -von Comodore Rivadavia, die Wasserfälle des Iguassu und die noch -unerforschten Mineralschätze der Anden bergen mögen.</p> - -<p>Vieh und Korn! Seit etwa anderthalb Jahrzehnten fing das Getreide an, -in den Ausfuhrziffern in die Vorhand zu kommen. Allein trotzdem ist -Argentinien noch auf lange Zeit in erster Linie ein viehzüchtendes -und kein ackerbautreibendes Land, da die gesamte Struktur der -landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse durchaus auf der Viehzucht -beruht und den Ackerbau, wenigstens was die großen Estancien -anbetrifft, gleichsam nur als einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb -erscheinen läßt.</p> - -<p>Die großen Estancien umfassen den weitaus besten und bedeutendsten -Teil des anbaufähigen Landes. Von dem Willen ihrer Besitzer, der -Estancieros, hängt es ab, ob und zu welchen Bedingungen Land zu -Kolonisationszwecken verfügbar wird und in welcher Weise sich die -argentinische Landwirtschaft entwickelt.</p> - -<p>Ihre Grundlage sind eine unbegrenzte und schier unendliche Weidefläche, -eine Fläche Land, die Deutschland, England, Frankreich und Italien an -Ausdehnung übertrifft, und — die acht Kühe und der eine Stier, die die -Spanier im Jahre 1553 hierher brachten. Heute ziehen nicht mehr riesige -Herden, von halbwilden Hirten, den Gauchos, getrieben, in wochen- und -monatelanger<span class="pagenum"><a name="Seite_56" id="Seite_56">[S. 56]</a></span> Wanderung auf der Suche nach frischer Weide über die -Pampa, die Steppe, das Vieh wird in kleinen Herden in Potreros gehalten -und über jedes einzelne Stück genau Buch geführt. Aber dem eingeborenen -Volkselement, das von der Viehwirtschaft lebt, Herr und Knecht, haftet -noch immer die ritterliche Großzügigkeit des Nomaden an, der ohne -schwere körperliche Arbeit von dem natürlichen Überfluß seiner Herde -lebt.</p> - -<p>Ohne Dung und Pflege erneuert das jungfräuliche Land seine Säfte. Auf -ihm wächst und vermischt sich das Vieh, ungehütet Sommer und Winter -im Freien. Selbst die Mühe des Melkens und der Butterbereitung ist -den meisten der Besitzer zu groß. Sie erübrigt sich auch, da der -Gewinn ohnehin überreichlich ist und der Besitzer sich damit begnügen -kann, das schlachtreife Vieh, einerlei ob Ochsen oder Kühe, an die -Frigorificos, die Schlacht- und Kühlhäuser, zu verkaufen.</p> - -<p>Dies ist das Bild der argentinischen Viehwirtschaft von heute. Es -wird nicht das von morgen sein; denn schon sind die Anzeichen einer -weitgehenden Intensivierung überall zu sehen. Von zwei Seiten geht sie -aus: einmal von den Cabañas, jenen Estancien, in denen hochwertige -Rassen zu Zuchtzwecken gezogen werden und in denen man das Vieh in -modernen Stallanlagen hält, und dann von jenen Estancien, in denen -weitsichtigere, energischere oder auch nur ökonomischer denkende -Unternehmer (meistens Ausländer) zu Milchwirtschaft, Butter- und -Käsebereitung und zu sonstiger landwirtschaftlicher Industrie -übergegangen sind.</p> - -<p>Aber einstweilen beruht noch die große Mehrzahl der<span class="pagenum"><a name="Seite_57" id="Seite_57">[S. 57]</a></span> Estancien auf der -reinen Zucht von Schlachtvieh. Und auf großen Estancien kann es einem -geschehen, daß man weder Butter noch Milch bekommt. —</p> - -<p>Die Mittagssonne brennt auf das Land. Vor Hitze flimmert der Horizont, -und in eiligem Galopp auf müden Pferden streben Capataze und Peone, die -seit frühem Morgen unterwegs sind, der Estancia zu, der Schatteninsel -im Sonnenmeer. Der dichte Hain von Eukalyptus und Paraiso wirkt wie -ein Schutzdach vor der sengenden Sonne, die die Temperatur bis auf -40 Grad hinauftreibt. In ihm verstreut liegen das Haus des Mayordomo -und das Wirtschaftsgebäude. Hier ruhen auch, mit Stricken an den -Eukalyptusbäumen angebunden, die wertvollen Zuchtstiere, wahre -Musterexemplare potenzierter Männlichkeit, die nur nachts zu den Kühen, -die sie decken sollen, gelassen werden. Das Vieh draußen steht müde und -apathisch um die Wasserbehälter, in die die klappernden Windräder Tag -und Nacht frisches Wasser pumpen, oder es drängt sich, soweit Platz -ist, in dichten Haufen im Schatten der wenigen Bäume, die als Alleen -die zur Estancia führenden Wege einfassen, oder die an der Stelle einer -ehemaligen Kolonistensiedelung blieben, als einziges Zeichen, daß hier -einstmals ein Rancho stand.</p> - -<p>Einst kannte dieses Land ja nicht einen einzigen Baum. Als die Spanier -hierherkamen, gab es nichts als eine einzige unermeßliche Ebene, ein -Meer von Steppe.</p> - -<p>In all den Jahrhunderten, die seitdem verstrichen, sind keine Wälder -gepflanzt worden. Nur um die Wohnhäuser der Estancieros setzte -man einige Eukalyptus- und Paraisobäume, und es sind schon sehr -moderne, gutgeleitete<span class="pagenum"><a name="Seite_58" id="Seite_58">[S. 58]</a></span> Estancien, in den systematisch Baumreihen und -Buschgruppen als Sonnen- und Windschutz angelegt sind.</p> - -<p>Statt Busch und Baum aber hat die fortschreitende Zivilisation der -ehemals freien Pampa den Drahtzaun gebracht. Jenes Gesetz — ich -weiß nicht mehr, aus welchem Jahre —, das die Einzäunung jedes -Besitzes forderte, wurde die Grundlage der heutigen argentinischen -Viehwirtschaft. Es machte dem freien Umherschweifen der Herden und -ihrer wahllosen Vermischung ein Ende und ermöglichte damit erst eine -systematische Aufzucht von Rassevieh.</p> - -<p>So segensreich dieses Gesetz auch war, ist es der Anlaß, daß das ganze -Land mit Draht durchzogen wurde, und man kann schon von einer Manie -des Einzäunens sprechen. So scheiden sich beispielsweise die Provinzen -durch Draht voneinander, die Bahngesellschaften sind verpflichtet, -ihre Linien durch Draht einzuhegen, und jeder einzelne Besitz ist, -wie gesagt, durch Draht geteilt. Millionenwerte stecken in diesen -Drahtzäunen; denn das Meter Drahtzaun stellt sich auf einen Peso, und -nach Angabe der Zollbehörde sind in dreißig Jahren etwa eineinhalb -Millionen Tonnen Stacheldraht eingeführt worden.</p> - -<p>Aber die Abgrenzungen durch Draht in sogenannte „Potreros“ ermöglichen -erst eine rationelle Weide und Mästung des Viehs und auch eine genaue -Kenntnis des Standes der Herden. Eine Anzahl Potreros untersteht dem -Capataz, einem Vorarbeiter. Jeden Tag muß er die Umzäunung abreiten, um -zu sehen, ob die Drähte fest genug gespannt sind, und er kontrolliert, -ob die Windräder laufen und in den Behältern genug Wasser ist, ob die<span class="pagenum"><a name="Seite_59" id="Seite_59">[S. 59]</a></span> -Weiden ausreichen, oder ob man noch ein paar Stück Vieh mehr halten -kann, und ob sich kein Unkraut ausbreitet, das frisch gekaufte Herden -an ihren Hufen eingeschleppt haben können.</p> - -<p>Die Normalweidepflanze ist die Alfalfa. An Stelle des ursprünglichen -harten Steppengrases waren mit der Zeit weichere Grasarten getreten. -Aber der gewaltige Aufschwung der argentinischen Viehzucht rührt von -der Einführung der Alfalfa genannten Kleeart her. Während auf dem -rohen Kamp bestenfalls ein Stück Großvieh auf zwei Hektar gerechnet -werden kann, zählt man bei Alfalfaweide zwei bis vier Stück Vieh auf -einen Hektar. Der ungeheuere Vorteil der Alfalfa liegt darin, daß ihre -Wurzeln auf der Suche nach Wasser acht bis zehn Meter tief in den Boden -hinabkriechen und dabei wasserundurchlässige Tonschichten durchdringen, -so daß dieser Klee auf einem Boden gedeiht, auf dem sonst nichts -wächst. Nur wegen der Anpflanzung von Alfalfa verpachtet, wie schon -erwähnt, der Estanciero zeitweise Teile seines Kamps an Kolonisten, -die nach Ablauf ihres Pachtvertrages den Boden mit Alfalfa bestellt -zurückliefern müssen. Im allgemeinen kann man dann für ein Alfalfafeld -zehn bis zwanzig Jahre rechnen, bis der Boden neu umbrochen werden muß.</p> - -<p>Die Großzügigkeit des Estancieros und nicht minder die Lethargie des -Kreolen sind es, die den bisherigen Charakter der argentinischen -Landwirtschaft bestimmen. Man hat intensive Arbeit nicht nötig, und -bei den geringen Anforderungen, die der Eingeborene sowohl wie der -eingewanderte italienische Landarbeiter an Komfort und<span class="pagenum"><a name="Seite_60" id="Seite_60">[S. 60]</a></span> Lebenshaltung -stellen, während der Estanciero den größten Teil des Jahres in der -Hauptstadt verbringt, ist das Land, das ein Garten sein könnte, -überwiegend noch Weide.</p> - -<p>Kaum daß um die Estancia ein Pfirsichhain und ein paar Gemüsebeete -angelegt sind. Aber trotzdem drängt die ganze Entwicklung -argentinischer Landwirtschaft auf die Einführung intensiver -Bewirtschaftung und gibt damit dem europäischen Einwanderer ganz andere -Möglichkeiten in die Hand als heute. Waren ehemals die Felle das -einzige, was der Estanciero von seiner Herde verwertete — das Fleisch -blieb liegen, ein Fraß für Geier und Jaguare —, so ist es heute das -Fleisch, und morgen werden es ganz allgemein Milch und Butter sein und -eine eingehende Nutzung landwirtschaftlicher Industrie jeder Art.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Sigue_Vaca_8">8. <span class="antiqua">Sigue -Vaca!</span></h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Estancia „La Louisa“.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_s" name="initial_s"> - <img class="h3em" src="images/initial_s.jpg" alt="S" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">S</span>eit Wochen regnet es nicht. Der Boden ist trocken wie Zunder. Auf den -Pfosten der Potrerozäune sitzen in regelmäßigen Abständen graugepudert -die Habichte. Von den Hufen des Pferdes weht der Staub gleich -gewaltiger Rauchfahne nach rückwärts. Aber sie ist wie ein dürftiges -Fähnchen gegenüber der riesigen Wolke, die über den Horizont zieht. -Breit und massig steigt sie gen Himmel.</p> - -<p>Es ist eine Herde frisch gekauften Viehs, die zur Verteilung in die -Ensenada getrieben wird. Dort sollen die aus dem Norden kommenden -Rinder nach ihrer Qualität<span class="pagenum"><a name="Seite_61" id="Seite_61">[S. 61]</a></span> in kleine Herden geteilt werden. Ist dies -geschehen, so wartet ihrer noch Bad und Impfung. Dies und Kastrieren, -Markieren und Schneiden der Hörner ist neben der täglichen Kontrolle -des Viehs, der Zäune, Pumpen und Tanks die Arbeit der Capataze und -Peone, der Viehhirten der Estancia.</p> - -<p>Es ist Arbeit, die ihr Vorgänger, der Gaucho, nicht kannte; er hätte -auch für die modernen Hilfsmittel der Ensenada nur ein verächtliches -Lächeln gehabt. Er hatte nichts als sein Pferd und seinen Lasso. -Wollte in früheren Zeiten ein Estanciero zwecks Zählung oder Verkaufs -seine Herde zusammentreiben, so geschah es auf freiem Feld, höchstens -daß ein Pfosten den Platz bezeichnete, an den sich das Vieh mit der -Zeit gewöhnte, so daß es willig mitzog, wenn die Gauchos es in dieser -Richtung trieben. Aber seine Trennung und Absonderung geschah nur durch -lebendige Gassen von Pferden und Reitern, die es oft genug durchbrach. -Zum Markieren oder Kastrieren aber mußte jedes einzelne Stück mit dem -Lasso gefangen und geworfen werden.</p> - -<p>Heute ist der Lasso, jedenfalls auf modernen Estancien in den zentralen -Provinzen, mehr ein Dekorationsstück, das aus Tradition noch am Sattel -hängt. Wenigstens erlebte ich es, als ich vom galoppierenden Pferd aus -den Lasso versuchte und natürlich fehlwarf, daß auch der unterweisende -Peon bei Pferd wie Kuh und Schaf keinen besseren Erfolg hatte.</p> - -<p>Die Ensenada hat den Lasso überflüssig gemacht. Ein weiter Corral, -ein festumzäunter Platz, in den das Vieh getrieben wird. Auf die -erste Abteilung, den Vorhof<span class="pagenum"><a name="Seite_62" id="Seite_62">[S. 62]</a></span> gleichsam, folgt eine zweite, die sich -trichterförmig verengt und schließlich in einen engen Schlauch -ausläuft, in dem zwischen schrägen festen Wänden kaum ein Stück Vieh -Platz hat. Durch Fallgatter und Türen kann man bequem, ohne Anstrengung -und Gefahr, jedes einzelne Stück in verschiedene Unterabteilungen, die -auf den Gang münden, leiten.</p> - -<p>Mit dumpfem Brüllen hat sich inzwischen die wandelnde Staubwolke dem -Eingangstor der Ensenada genähert. Der voranreitende Peon zieht an -einem Strick eine klappernde Lata, eine große leere Blechbüchse, hinter -sich her. Willig folgt ihm die Herde. Versuchen einige Ungebärdige -rechts oder links auszubrechen, so treiben die begleitenden Peone mit -lautem Geschrei und geschwungener Peitsche sie auf den Weg zurück.</p> - -<p>Der Corral ist voll. Die Staubwolke steht und steigt gerade gen -Himmel. Unruhig schiebt und drängt sich die Herde hin und her. Das -dumpfe Brüllen ist allgemein geworden. Aufreizend durchzittert es die -Luft, die so dick voll Staub ist, daß man alles nur in ungewissen, -verschwommenen Formen sieht. Von den Peonen sind einige abgesessen und -haben zu beiden Seiten des Schlauchs Posto gefaßt. Die andern reiten an.</p> - -<p>Lust faßt mich, mitzutun. Mit geschwungener Peitsche und lautem -Geschrei gibt es ein Preschen auf die Rinder. Unwillig setzt sich ein -Teil in Bewegung und drängt in die Trichter. Andere wollen nicht, -brechen aus, gehen die Reiter an. Es gibt ein wildes, heißes Reiten. -Immer wieder im Galopp um die Herde herum und mit Gewalt in sie -hineingeprescht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_63" id="Seite_63">[S. 63]</a></span></p> - -<p>„<span class="antiqua">Sigue vaca!</span>“ „<span class="antiqua">Vamos!</span>“ „<span class="antiqua">Sigue, sigue!</span>“ und -dazwischen ein indianerartiges Aufheulen in hohen Fisteltönen. -Donnerwetter, trotz der Ensenada ist es harte Arbeit. Die Kehle ist -heiser vom Schreien, Gesicht und Arme sind schwarz von Staub. Die -braune Haut der Peone sieht sich an wie altes, brüchiges Leder.</p> - -<p>Endlich haben wir einen Schub im Trichter. Das Tor wird geschlossen. -Drinnen bleiben zwei berittene Peone und treiben die Rinder, die immer -wieder umzukehren versuchen, in den Schlauch.</p> - -<p>Der nächste Schub und der übernächste! Je weniger Vieh im ersten Corral -bleibt, desto ungebärdiger wird es. Es sind ja jene Widerspenstigen, -die bisher immer wieder auszubrechen verstanden, die übrigblieben und -die nun hineingetrieben werden müssen.</p> - -<p>„<span class="antiqua">Sigue, sigue vaca!</span>“ Die Kehle gibt nur mehr ein heiseres -Brüllen her. Mund und Lunge sitzen voll Staub. Es ist ein -eigentümliches Gefühl, in diese Masse Rinderhäupter hineinzureiten. -Langsam schiebt sie sich vor, bis eines ausbricht und die ganze -Herde kehrtzumachen droht. Da heißt es, sofort den Widerspenstigen -zurückzutreiben.</p> - -<p>Ein mächtiger Stier trottet vor mir zwischen den Kühen her. Zornig und -tückisch schielt er, als empfinde er das Unwürdige seiner Situation. -Plötzlich dreht er und will zurück. Eine Wendung mit dem Pferd, und -die Last des angaloppierenden Pferdes prallt dem Stier in die Flanken, -während gleichzeitig die schwere Peitsche ihm über den Rücken saust.</p> - -<p>Die Brust des Pferdes ist Waffe und Werkzeug. Mit ihr reitet man das -Vieh an, wie das Pferd auch gewöhnt<span class="pagenum"><a name="Seite_64" id="Seite_64">[S. 64]</a></span> ist, mit der Brust die Tore -der Umzäunung zu öffnen. Bewundernswert ist die Ruhe der Tiere. -Für den Neuling ist es ein unheimliches Gefühl, so mitten zwischen -den Hörnerspitzen einer unruhig drängenden Rinderherde zu reiten, -aber willig sprengt das Pferd immer wieder von neuem gegen jedes -widerspenstige Rind. Es ist ein heißes, hartes, aber auch schönes, -ritterliches Arbeiten. In der Luft liegt etwas von der Aufregung, Lust -und Gefahr eines siegreichen stürmischen Schlachttages.</p> - -<p>Ein anderes Bild: Eine Herde frisch eingetroffener Pferde jagt über den -Kamp. Im Galopp geht es zur nächsten Ensenada. Sie müssen gezeichnet -werden.</p> - -<p>Es ist Sitte und Gesetz von jenen Zeiten her, als das Land noch keine -Drahtzäune kannte, daß jedes Stück Vieh die Marke seines Besitzers, die -gesetzlich eingetragen ist, führen muß. Diese Marke ist etwas Ähnliches -wie bei uns ein Wappen und wird auch auf dem Briefbogen geführt. -Wird ein Stück Vieh verkauft, so wird die Marke umgekehrt über die -erste Markierung eingebrannt, zum Zeichen, daß der Besitzer das Pferd -rechtmäßig verkaufte, und daneben wird das Zeichen des neuen Besitzers -aufgeprägt.</p> - -<p>Die Pferde stehen jetzt hintereinander im Schlauch, das vorderste -zwischen zwei Gattern vorne und hinten eingepreßt. Von einer Plattform -aus kann man ihm bequem mittels der Schlaufe der Peitsche eine -bändigende Fessel über die Nüstern legen. Inzwischen glüht an dem -kleinen Knochenfeuer, das mit Fett zu hellerer Flamme angefacht wird, -das Brandeisen.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p64_abb" name="p64_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p64_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Das Tal des Rio Cayunco.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p65_abb" name="p65_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p65_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Inkasee.</p> -</div> - -<p>Ruhig steht das gefesselte Pferd. Der Peon setzt ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_65" id="Seite_65">[S. 65]</a></span> das Eisen auf -den Schenkel. Jetzt spürt das Tier die Hitze. Wild schlägt es mit -den Hufen gegen die Bretterwände und versucht, sich mit gewaltigem -Ruck zur Seite zu werfen. Umsonst, schon hat sich der glühende Stahl -unerbittlich in sein Fleisch gebissen. Das Gatter öffnet sich. -Verzweifelt sich schüttelnd, stürmt es ins Freie. Das nächste!</p> - -<p>Für besonders ungebärdige Tiere, vor allem für Stiere, dient eine -Art Holzklammer, welche die Tiere so zusammenpreßt, daß sie ganz -widerstandslos werden. Eine ähnliche Vorrichtung benutzt man zum -Festklemmen des Kopfes, um die Hörnerspitzen kappen zu können.</p> - -<p>Eine besondere Einrichtung erfordert das Baden, dem alle aus dem Norden -kommenden Tiere unterworfen werden müssen, da sie durchweg mit Zecken -behaftet sind. Die Anlage ähnelt der Ensenada. Nur endet der Schlauch -in einem engen Kanal, der mit desinfizierender Lösung gefüllt ist. -Langsam trotten die Rinder den engen Gang vor. „<span class="antiqua">Vamos! Sigue vaca, -sigue!</span>“ Mit den Peitschenstielen treiben die Peone die Unheil -witternden Rinder an. Jetzt steht das erste vor dem Kanal und stutzt. -Aber schon hat es den Fuß auf die schräge Zementbahn gesetzt. Und -damit ist sein Schicksal besiegelt. Es saust die steile Bahn hinunter -und schlägt auf dem hochspritzenden Wasser auf. Ängstliches Brüllen, -verzweifelt starrende Augen, aber ein mit langer eiserner Gabel -bewaffneter Peon faßt die Hörner und taucht unerbittlich den Kopf in -die dunkle Flut.</p> - -<p>Rind auf Rind passiert. Will eines absolut nicht vor, so genügt ein -rascher Griff, der ihm den Schwanz bricht, um es vorzutreiben.</p> - -<p>Dazwischen traben die Kälber. Sie sind die Wider<span class="pagenum"><a name="Seite_66" id="Seite_66">[S. 66]</a></span>spenstigsten. Oft -gelingt es ihnen, sich umzudrehen. Dann müssen sie rückwärts schreitend -ins Bad getrieben werden. Oder zwei purzeln übereinander, geraten -gleichzeitig mit einem ausgewachsenen Rind ins Bad und kommen unter -dessen Füße; dann gibt es aufreibende Arbeit, sie vor dem Ertrinken zu -bewahren.</p> - -<p>Am Ende des Bades führt eine Rampe in zwei zementierte Einzäunungen, -aus denen die kostbare Flüssigkeit wieder ins Bad zurückfließen kann. -Hier steht zitternd und tropfend das verängstigte Vieh, während von der -andern Seite das aufreizende „<span class="antiqua">Sigue vaca!</span>“ klingt und die Peone -einen neuen Schub Rinder in den Trichter treiben.</p> - -<p>Es ist spät geworden, als ich mich verabschiede. Schon ist der die Luft -füllende Staub golden von der sinkenden Sonne.</p> - -<p>„<span class="antiqua">Buenas noches, caballeros!</span>“ Mit vollendeter Ritterlichkeit -ziehen die braunen Gestalten, von denen mehr als einer aussieht wie -ein Strolch, die Hüte und schütteln mir kavaliermäßig die Hand. Es ist -wohl nicht nur das alte stolze Indianerblut in jedem von ihnen, sondern -auch ihre ritterliche, reiterliche Tätigkeit, die ihnen nur das Leben -im Sattel, die Arbeit mit Peitsche, Lasso und Messer als die einzig -manneswürdige erscheinen läßt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Deutsche_Kolonien_in_Santa_Fe_9">9. Deutsche -Kolonien in Santa Fé.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">San Geronimo.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d5" name="initial_d5"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>er leichte Fordwagen jagt hüpfend und stoßend über die löchrige -Straße, die sich neben den Drahtzäunen hinzieht. Zwischen den kleinen -Weiden, auf denen<span class="pagenum"><a name="Seite_67" id="Seite_67">[S. 67]</a></span> das Vieh enger beisammen steht, Felder mit Korn -und Mais. Der Charakter der Landschaft wird fast norddeutsch. Darüber -ein blauer Himmel mit getürmten Haufenwolken, wie man ihn oft im -bayerischen Hochland sieht. Dabei aber sitzt es auf den Wegen gelb und -grünlich und orangerot von Schmetterlingen, wie Blütenfall.</p> - -<p>Die erste Kolonie, die wir passieren, ist San Carlos. Es bedürfte -nicht der Worte des Begleiters, um zu wissen, daß hier Italiener -wohnen. Im nächsten Ort, der Anklänge an die Normandie zeigt, wohnen -Franzosen, bis wir in San Geronimo ankommen, das Schweizern und -Deutschen gehört. Friedliche, saubere Häuser mit großen Blumengärten, -mit Sträuchern und Obstbäumen. Beides kennt der Eingeborene nicht. -Es ist ihm zu mühsam. „Obst kommt nicht“, antwortet er, wenn man ihn -frägt, oder: „Die Heuschrecken fressen es ja doch.“ Aber die Deutschen -und Schweizer pflanzen es, und es gedeiht, trotzdem gerade hier die -Heuschreckenplage besonders groß ist, wie die rings um das Dorf gleich -Wällen aufgestellten Bleche künden, die vor der anmarschierenden Brut -schützen sollen.</p> - -<p>An der weiten grünen Plaza die Kirche. Daneben blütenumrankt das -Pfarrhaus. Der Pater, der seit dem Kriege keinen Deutschen von drüben -sprach und dessen Fragen, wie alles kam, kein Ende nehmen wollten, -blätterte in der Chronik: Vor etwa 60 Jahren, im März 1857, kamen die -ersten Deutschen herüber, 80 Familien aus der Gegend von Mainz, die -das benachbarte Esperanza gründeten, heute eine blühende Stadt. Ein -Jahr später kamen Schweizer aus dem Wallis und legten den Grund zu San -Geronimo.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_68" id="Seite_68">[S. 68]</a></span></p> - -<p>Später sitze ich bei alten Kolonisten, die jene Zeit noch als Kinder -erlebten, und lasse mir erzählen, wie hart der Anfang war. Wohl hatte -die Regierung das Land umsonst gegeben. Aber der erste Weizen mußte -mit Hacken und Rechen in den Boden gelegt und mit der Sichel geerntet -werden. An Nahrung gab es nur Fleisch von den benachbarten Estancieros. -„18 Monate hatten wir kein Brot,“ erzählte der alte Kolonist aus -dem Hessischen, „und unmittelbar vor dem Hause konnte man die Rehe -schießen.“</p> - -<p>Die damals hart und schwer um des Lebens Notdurft ringen mußten, sind -heute müde und alt. Aber sie sind alle reich geworden. Nach deutschen -Begriffen zum Teil Millionäre.</p> - -<p>Noch ist San Geronimo deutsch, aber es gilt einen harten Kampf, es -deutsch zu erhalten. Gibt es auch Familien, in denen noch die Enkel -deutsch sprechen, so doch auch andere, in denen bereits die zweite -Generation nur Spanisch kann. Als Kaufleute sind Argentinier ins -Dorf gekommen, die Peone sind Eingeborene, der Schulunterricht ist -spanisch. Halten die Eltern nicht streng darauf, daß im Hause deutsch -gesprochen wird, so lernen die Kinder nur das ihnen viel leichter -fallende Spanisch. Der Pater klagte mir sein Leid. Er kämpft tapfer -für das Deutschtum und unterhält eine Privatschule, in der in Deutsch -unterrichtet wird. Sie wird immerhin von 140 Knaben besucht, während -die Mädchen deutschen Unterricht von — man höre und staune! — -französischen Schwestern erhalten. So gibt es also doch noch Inseln, -denen der Haß fernblieb.</p> - -<p>Die Grundlage des Wohlstandes in San Geronimo<span class="pagenum"><a name="Seite_69" id="Seite_69">[S. 69]</a></span> wie in allen andern -Kolonien ist der Weizenbau. Heute wird jedoch nach und nach die -Ackerwirtschaft durch reine Viehwirtschaft ersetzt. Eine ganze -Reihe von Gründen sprechen mit: einmal die Erschöpfung des Bodens, -die Unsicherheit des Getreidebaues, bei dem einige schlechte Jahre -mit Trockenheit und Heuschrecken um jeden Gewinn bringen können, -während Viehzucht einen ständigen und sicheren Ertrag gewährt. -Je weniger Getreide gebaut wird, desto weniger lohnt es sich für -Dreschmaschinenunternehmer zu kommen. Mit ihrem Fernbleiben geht der -Körnerbau weiter zurück, und heute baut San Geronimo nicht einmal mehr -so viel Getreide, um den eigenen Bedarf zu decken.</p> - -<p>So sind heute die Bauern zu dem Betrieb der Estancien, zur Viehhaltung, -zurückgekehrt, allerdings einer wesentlich intensiveren, deren -Grundlage die Milchwirtschaft ist. Nötig ist dies ja bereits durch die -viel geringere Bodenfläche, über die die Chacra, das Bauerngut, verfügt.</p> - -<p>Ursprünglich erhielten die Kolonisten von der Regierung nur eine -Konzession, kinderreiche Familien zwei. Diese alten Konzessionen messen -33 Hektar, die neuen 25. Fast alle Kolonisten aber konnten ihren Besitz -durch Kauf erweitern. Es gibt heute Kolonisten mit 20 Konzessionen. -Die Regel aber sind vier bis sieben. Eine Familie kann etwa vier noch -ohne Hilfe bewirtschaften. Die Kinder gehen sämtlich wieder in die -Landwirtschaft. Der Besitz wird unter sie geteilt. Durch Zukauf sucht -man eine allzu weitgehende Verkleinerung der Chacras zu verhindern.</p> - -<p>Auf einer alten Konzession lassen sich zirka 60 Stück Rindvieh halten, -so daß selbst ein kleiner Kolonist über<span class="pagenum"><a name="Seite_70" id="Seite_70">[S. 70]</a></span> größere Herden verfügt als ein -deutscher Gutsbesitzer. Die Milch wird an Molkereien verkauft, für 6 -bis 7 Centavos das Liter. Es gibt eine genossenschaftliche Molkerei am -Ort, andere liefern nach Rosario oder Santa Fé oder direkt nach Buenos -Aires. Die Magermilch dient der Schweinemast. Mit einer Kaseinfabrik -ist der Anfang landwirtschaftlicher Industrie gemacht. Dazu kommen -Hühnerzucht und Obstbau.</p> - -<p>Infolge dieses intensiven Betriebes sind die Landpreise außerordentlich -hoch. Eine alte Konzession von 33 Hektar kostet 12–14000 Peso. So kommt -diese Gegend für Einwanderer nicht in Frage, höchstens um zu lernen, -oder allenfalls als Pächter.</p> - -<p>Einer der Kolonisten zeigt mir eine seiner Chacras, eine halbe -Autostunde vom Ort. Die fünf Konzessionen, die sie mißt, sind an einen -Italiener, einen ehemaligen Österreicher, verpachtet. Er ist als -Medianero auf halben Gewinnanteil gesetzt. Aus der Milch allein zieht -er als seinen Anteil im Jahr 3000 Peso. Daneben hat er aber auch von -einer halben Konzession 326 Zentner Mais geerntet.</p> - -<p>Ein großer Obst- und Blumengarten umprangt das Haus. Kaum eine -Fruchtart fehlt da: Pfirsiche, Aprikosen, Äpfel und Birnen, von denen -man im allgemeinen behauptet, daß sie hier nicht kämen, Quitten, -Orangen, Mandarinen, Pflaumen, Feigen und selbst Dattelpalmen. Die -meisten Bäume, die dicht voll Früchte hängen, sind 30 bis 40 Jahre -alt, aber in einem Teil des Gartens steht auch eine Hecke dünner, -doch immerhin übermannshoher Stämmchen. Sie ist aus Pfirsichkernen -entsprossen, die im vorigen Jahr in den Boden gelegt, und an -einem<span class="pagenum"><a name="Seite_71" id="Seite_71">[S. 71]</a></span> und dem andern der ein Jahr alten schmucken Bäumchen hängt -bereits seidenweich und rund ein großer Pfirsich. Wäre nicht die -Heuschreckenplage, das Land wäre das Paradies!</p> - -<p>Auf der andern Seite ist der Corral, in den die Kühe zum Melken -getrieben werden. Er ist besser eingerichtet und sauberer als die -Tambos der Estancien. Die eine Seite nimmt eine offene Halle ein, in -der die Kühe bei schlechtem Wetter gemolken werden. Weiterhin ist eine -Einzäunung für Schweine, und gackernd laufen über den Hof Hunderte von -Hühnern, bei dem billigen Futter und den hohen Eierpreisen — hier -draußen 50 Centavos das Dutzend — sicher kein schlechtes Geschäft.</p> - -<p>Es ist ein sonderbares Gefühl, das mich hier beschleicht. Hier ist -Heimat und doch Fremde. Wie eine Figur aus dem „Lederstrumpf“ steht der -alte Pionier mir dem wallenden weißen Bart auf seinem Grund. Er hat ein -Leben hinter sich, wie wir es nur aus Geschichten kennen, aber er hat -reiche Ernte eingebracht.</p> - -<p>Ist dies heute noch möglich? Gibt es noch Teile in der Republik, -in denen es der Fremde zu gleichem Glück und Wohlstand bringen -kann wie jene Deutschen vor zwei Menschenaltern in Santa Fé? Der -Gedanke beschäftigt mich, während wir im Auto zurücksausen durch die -Abendlandschaft, die ganz von Goldstaub flimmert. Die Heuschrecken, -die vom Wege aufschwirren, prallen gegen den Wagen. Eine ägyptische -Plage, und trotzdem das blühende Land! Galt ihretwegen vielleicht einst -Santa Fé für ebenso aussichtslos für Kolonisation, wie man es heute -wegen Klima, Trockenheit und Wassermangel von den<span class="pagenum"><a name="Seite_72" id="Seite_72">[S. 72]</a></span> noch unerschlossenen -Teilen der Republik wähnt? Jede Mühe und Fährlichkeit scheint es wert, -mitzuhelfen, Raum und Brot für hungernde Menschheit zu schaffen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Heisses_Land_10">10. Heißes Land.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Auf dem Paraná.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_i_j" name="initial_i_j"> - <img class="h3em" src="images/initial_i_j.jpg" alt="I" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">I</span>n den Straßen von Santa Fé stand die Glut, körperlich, sichtbar. Man -schritt durch sie hindurch, wie durch greifbare Masse, und am Fuß der -Häuser fehlte auch die kleinste Spur von Schatten.</p> - -<p>Die Hitze stand über allem in der Stadt. Über allem, was man tat -und sprach; es war, als sei alles gelähmt, belastet, betäubt von -diesem schwülen, feuchten Hauch, der bis auf den letzten Tropfen alle -Feuchtigkeit aus dem Körper zu pressen suchte. Und diese Schwüle sprach -wohl auch aus den Worten des deutschen Lehrers, der davon renommierte, -wie anders sie, die Auslandsdeutschen, den Krieg beendet hätten, wenn -sie nur drüben gewesen wären, und wieviel mehr sie im Ausland gelitten -als jene in der Heimat, denen es im Grunde an nichts gefehlt habe.</p> - -<p>Die Nacht brachte keine Kühlung. Die Luft stand im Zimmer wie ein -heißes Ölbad. Sobald man sich niederlegte, fiel die feuchtschwere Luft -als drückende Hitzelast auf die Brust. Wieder aufgestanden und zu -entrinnen versucht. Umsonst. Wie hineingegossen blieb der Körper in der -stickigen Schwüle.</p> - -<p>Nervenaufreizend summten die Moskitos, die immer wieder ihren Weg -durch die Netze fanden. Nur wenn man den schweren starken Ventilator -dicht ans Bett rückte,<span class="pagenum"><a name="Seite_73" id="Seite_73">[S. 73]</a></span> konnte man sich für Augenblicke das Gefühl der -Kühlung vortäuschen.</p> - -<p>Endlich brach das Unwetter los, das die Luft mit so überreicher -Feuchtigkeit gesättigt hatte. Strömend floß, rann, stürzte das Wasser -vom Himmel. Draußen rieselte und planschte es. Durch das Badezimmer -trat ich aus dem unerträglich heißen Raum ins Freie. Die Hoffnung auf -Kühlung trog. Auch hier war es nicht anders wie im Treibhaus. Schlaflos -verging die Nacht.</p> - -<p>Am frühen Morgen fuhren wir im kleinen Dampfboot über den Strom, über -den Paraná. Wie eine Vision, phantastisch schwül, blieb die Stadt -zurück. Vorbei an ärmlichen Häusern und Hütten, den Vorstädten Santa -Fés, menschlichen Wohnstätten, die nur aus vier Pfählen und einem -Schilfdach bestanden. Überdies war der Strom jetzt über seine Ufer -getreten und hatte die armen, halbnackten Bewohner aus ihren armseligen -Behausungen gejagt. Wie seltsame Fahrzeuge schwammen die Schilfdächer -auf der gelben, trüben Flut.</p> - -<p>Am jenseitigen Ufer baut sich die Stadt Paraná auf steilem Steinhang -mit Türmen und Kuppeln auf. Dahinter ziehen sich die welligen Hügel -der Provinz Entre Rios in unabsehbaren Reihen zum Horizont, nach der -grenzenlos ebenen Eintönigkeit der Pampa ein überraschendes Bild.</p> - -<p>Die steigende Sonne bringt die Glut des vergangenen Tages wieder. -Wie eine Erlösung begrüßt man am Horizont, im Zollhaus auf den -Koffern sitzend, den wie ein stockhohes Haus mit schaumaufwirbelnden -Schaufelrädern rasch näherkommenden Mihanovichdampfer.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_74" id="Seite_74">[S. 74]</a></span></p> - -<p>Kühle Kabinen, geräumige Salons und der fächelnde Lufthauch der raschen -Talfahrt. Die Hitze der vergangenen Tage versinkt wie böser Traum.</p> - -<p>Aber über dem ganzen Schiff liegt es wie ein Hauch tropischer -Fremdheit. Es kommt den Paraná herunter von Asuncion, und Paraguayaner -stellen den größten Teil der Passagiere. Gelbe bis dunkelbraune -Gestalten mit tiefschwarzem Haar, und Frauen von seltsam fremdartiger -Schönheit. Den Farmer mit der Pergamenthaut im saloppen Leinenanzug mit -dem offenen Hemd ohne Kragen begleitet das junge Mädchen in schwarzer -Seide, augenscheinlich seine Compañera, die in Paraguay in der Regel an -Stelle der Gattin das Leben des Mannes teilt.</p> - -<p>Alle, die auf diesem Schiff vom Norden herunterkommen, tragen irgendwie -das Merkmal der Hitze. Irgendwie hat sie die blendende, glühende -Sonne gezeichnet. Das gilt von dem zarten, träumerischen, berückend -schönen Mädchen — fast ist es noch ein Kind — mit der pfirsichweichen -mattbraunen Haut ebenso wie von jenen unförmig in die Breite gegangenen -Frauen mit dem merkwürdig stechenden, heimtückischen Blick, deren -ganzes Wesen Nichtstun, Lässigkeit, Schwelgen in erotischen Träumen -kennzeichnet, während der Körper Tag für Tag untätig in Hängematten -und auf Pfühlen liegt. Und sie zeichnete auch jene deutsche Frau, die -mißmutig, gequält, verärgert mit dem geschwollenen, entzündeten Fuß, in -den der Sandfloh seine Eier gelegt hatte, nach jahrelangem Aufenthalt -im Norden, enttäuscht und verbittert, verblüht zurückkehrt.</p> - -<p>Die Nacht im Liegestuhl auf dem kühl umhauchten Deck ist ein unerwartet -geschenkter Ruhepunkt zwischen<span class="pagenum"><a name="Seite_75" id="Seite_75">[S. 75]</a></span> dem qualvoll heißen Santa Fé und Buenos -Aires, das um diese Zeit auch nichts anderes ist als ein Glutofen, von -dem die Zeitungen Temperaturen bis zu 40 Grad und täglich Todesfälle -infolge Hitzschlag melden.</p> - -<p>Ich muß an alle die Kolonisationsprojekte denken, die wir auf der -Estancia durchgesprochen, von der Besiedlung des Chaco, von Misiones, -Formosa und Paraguay. Kenner meinten, die Temperaturen seien dort auch -nicht schlimmer, in gewisser Hinsicht sogar erträglicher als in Santa -Fé oder Buenos Aires. Mag sein, wenn es auch wenig wahrscheinlich -klingt. In jedem Fall ist diese erste große Hitzewelle, die den frisch -aus Europa Kommenden nach so kurzem Aufenthalt überfällt, eine Warnung, -ein Menetekel, nicht unvorsichtig, nicht ohne sorgfältige Prüfung jene -Zonen aufzusuchen, in denen die Sonne als allmächtige, unumschränkte -Herrin mit glühender Peitsche herrscht.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Gespraech_ueber_Deutschland_mit_dem_Praesidenten_der_Argentinischen_11">11. -Gespräch über Deutschland mit dem Präsidenten der Argentinischen -Republik.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Buenos Aires.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_i_j2" name="initial_i_j2"> - <img class="h3em" src="images/initial_i_j.jpg" alt="I" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">I</span>m Hafen lag noch die beflaggte „Argentina“, der erste deutsche -Passagierdampfer, der seit Kriegsausbruch in den La Plata eingelaufen -war; die Sirenen, die zu ihrem Willkommen über die Docks gegellt, -waren noch kaum verhallt. Es war ein starker Sympathiebeweis für -Deutschland gewesen, und auch jene Zeitungen, die während des<span class="pagenum"><a name="Seite_76" id="Seite_76">[S. 76]</a></span> Krieges -auf Deutschland nicht genug Schmähungen hatten häufen können, hatten -freundliche Worte gefunden.</p> - -<p>Die Casa Rosada, der Regierungspalast, flimmerte in der Sonne. Die -rosaroten Wände glühten wie von innen erleuchtet. Hier war man immer -deutschfreundlich und entschlossen, den Krieg zu vermeiden. Auch in -jenen schweren Tagen, als das Ungeschick des deutschen Gesandten -es dem argentinischen Präsidenten fast unmöglich machte, seine -Neutralitätspolitik fortzusetzen. Damals stand Irigoyen fast allein -gegen Volk, Presse und Parlament. Er schaffte es; der ungeheure Wille -des einen Mannes siegte.</p> - -<p>Verständlich, daß ich ihn sehen und sprechen wollte. Es war nicht -leicht; denn natürlich ist er überlaufen, und überdies ist er eine -zurückgezogene Natur. Die deutsche Gesandtschaft hatte es sogar für -vollkommen ausgeschlossen erklärt, diese Unterredung zustandezubringen, -aber das „Argentinische Tageblatt“ machte sie sofort möglich. Kaum -hatte es von meinem Wunsche gehört, so erhielt ich eine Einladung in -das Präsidentenpalais.</p> - -<p>Es war wirklich nicht ganz leicht, bis in das Innerste der Gemächer -vorzudringen, und wir entgingen übermäßig langem Warten nur dadurch, -daß uns ein Vertrauter durch den Eingang des Präsidenten und mittels -des ihm vorbehaltenen Fahrstuhles unmittelbar in das Vorzimmer des -Präsidenten geleitete.</p> - -<p>Als wir bei Irigoyen eintraten, saß er an seinem Schreibtisch, den -mächtigen, fast ungefüge wirkenden Kopf über Schriftstücke gebeugt, -die ihm einer seiner Sekretäre reichte. Als er den Kopf hob, schaute -man in ein durchdringend blickendes Auge, wie ich es vorher nur bei<span class="pagenum"><a name="Seite_77" id="Seite_77">[S. 77]</a></span> -Thomas Alva Edison gesehen. Eine seltsame Mischung von Güte und -unbeugsamem Willen lag in Gesicht und Erscheinung des Mannes, der, auf -Gehalt, Wohnung im Palast sowie allen Luxus und Prunk verzichtend, -in den einfachsten Verhältnissen lebt, der nur einen Gedanken kennt: -sein Land, und der keinen Augenblick zögert, seinen Willen einer Welt -entgegenzusetzen.</p> - -<p>Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als er jetzt auf uns zuging und -uns in der natürlich höflichen und herzlichen Art des Südamerikaners -begrüßte, dem republikanisches Empfinden und demokratische Form seit -Generationen angeboren ist.</p> - -<p>Man braucht nicht sehr lange mit Irigoyen zu plaudern, um dem -faszinierenden Zauber zu unterliegen, den diese starke Persönlichkeit -ausstrahlt, und man versteht ebensosehr die fanatisierende Wirkung, die -er auf die Massen ausstrahlt, wie die innerliche Überredungskunst, die -schon oft genug aus erbitterten Gegnern ergebene Freunde machte.</p> - -<p>Was an dem Präsidenten der Argentinischen Republik am stärksten wirkt, -ist die gerade Offenheit, mit der er seine Gedanken äußert und seine -Ideen vertritt. Es zeigte sich dies ganz besonders, als wir auf die -argentinische Völkerbundpolitik zu sprechen kamen. Man hatte gerade in -deutsch-argentinischen Kreisen die Meinung geäußert, daß Deutschland -mit seinen Sympathiekundgebungen gegenüber Argentiniens Haltung auf -dem Völkerbundkongreß in Genf zurückhalten solle, da ein allzu großes -Maß von Zustimmung und Sympathie Argentiniens Stellung gegenüber den -Alliierten erschweren müsse.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_78" id="Seite_78">[S. 78]</a></span></p> - -<p>Ich äußerte diese Bedenken, aber Irigoyen schüttelte nur den -Kopf: „Unsere Haltung in Genf“, sagte er, „wie auch unsere -Neutralitätspolitik während des Krieges war lediglich bestimmt durch -unsere Interessen als souveräner Staat, durch unsere Auffassung von -einer wirklich gerechten, völkerversöhnenden Politik, sowie durch -unsere Sympathien gegenüber Deutschland. Was Dritte dazu meinen -sollten, ist uns völlig gleichgültig und kann in keiner Weise unsere -Entschlüsse oder unsere Politik beeinflussen.“</p> - -<p>Im weitern Verlauf des Gespräches entwickelte Irigoyen seine Ideen über -einen wirklichen Völkerbund. Und der sonst so ruhige abgeklärte Mann -ereiferte sich dabei.</p> - -<p>„<span class="antiqua">Que esperanza!</span>“ — rief er aus, „welche Idee, ein Völkerbund, -dem nicht alle Staaten angehören! Wie soll ein solcher Staat den -Frieden garantieren können?“</p> - -<p>Und er sprach im Anschluß daran von seinen Sympathien für Deutschland, -für das deutsche Volk, und welche Erwartungen er in die deutsche -Zukunft setze.</p> - -<p>Von seiten jener ultrareaktionären extrem monarchistischen -Auslandsdeutschen wird immer wieder betont, wie sehr Deutschland durch -die „Schmach“ seiner Niederlage und der Revolution in der Achtung des -Auslandes gesunken. Und da auch Irigoyen von diesen Kreisen gerne als -Kronzeuge angeführt wird, ergab es sich von selbst, daß das Gespräch -auch diesen Punkt berührte.</p> - -<p>„Unsere Sympathie“, meinte der Präsident, „gilt in erster Linie -dem tüchtigen und arbeitsamen deutschen Volk. Ohne Rücksicht auf -seine Regierungsform. Aber selbstverständlich ist es, daß wir als -Republikaner für eine<span class="pagenum"><a name="Seite_79" id="Seite_79">[S. 79]</a></span> deutsche Republik doppelte Sympathien empfinden. -Im Kriege muß schließlich immer einer verlieren, und die Niederlage -kann die Bewunderung für das, was Deutschland geleistet, nicht -verringern. Statt an Sympathien zu verlieren, hat das deutsche Volk -durch die Revolution nur gewonnen, und zwar durch die Tatsache, daß -es aus einem derartigen weltgeschichtlichen Zusammenbruch sich aus -Anarchie in die Bahnen einer neuen ruhigen Entwicklung hinaufarbeitete.“</p> - -<p>„Selbstverständlich ist es,“ fügte Irigoyen hinzu, „daß die Spuren -eines derartigen Umwandlungsprozesses noch nicht verwischt sind und -daß man noch mit einem Dezennium wird rechnen müssen, ehe die deutsche -Republik sich völlig konsolidiert hat. Aber ich habe keinen Zweifel -daran, daß Deutschland sich zu einem großen demokratischen Gemeinwesen -entwickeln wird, in ähnlicher Weise wie die Vereinigten Staaten.“</p> - -<p>Wir sprachen noch lange über den Krieg, die Revolution, die Blockade -und den Hunger und das Elend, die in ihrem Gefolge einherzogen. Auch -über Versailles und die Wirkungen, die eine Politik heraufbeschwören -muß, die ein Volk durch unerfüllbare Forderungen zur Verzweiflung -treibt. Das Gesicht Irigoyens war sehr ernst, sehr nachdenklich, als -ich von den Konsequenzen sprach, die die Geschehnisse in Europa auch -für die südamerikanischen Republiken haben müßten.</p> - -<p>Es war spät geworden. Durch die weit offenstehenden Fenster sah man, -wie die lehmgelben Wasser des La Plata sich rot zu färben begannen. Es -sah aus, als spüle der Ozean von Osten her Blut an den Strand.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_80" id="Seite_80">[S. 80]</a></span></p> - -<p>Ich stand auf; es war Zeit zu gehen. Mehr als Phrase war es, als ich -Irigoyen zum Abschied sagte, daß die Unterredung mit ihm mein stärkster -Eindruck in Südamerika gewesen. „Sie kennen ja jetzt den Weg zu mir,“ -sagte er zum Abschied, „sobald Sie wieder nach Buenos Aires kommen, -vergessen Sie nicht mich wieder aufzusuchen.“</p> - -<p>Man ist außerordentlich höflich in Südamerika. So höflich, daß man -keineswegs jedes Wort, das im Verlauf eines Gespräches fällt, als bare -Münze nehmen darf. Aber von dem, was Irigoyen über seine Politik und -über Deutschland sagte, blieb nachhaltig das starke Gefühl, daß hier -ein Mann gesprochen, der unbedingt und unbeugsam zu seinen Worten und -Entschlüssen steht.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Nach_Patagonien_12">12. Nach Patagonien.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Bahia Blanca.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_v" name="initial_v"> - <img class="h3em" src="images/initial_v.jpg" alt="V" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">V</span>on der Station Constitucion, dem Bahnhof der Südbahn in Buenos Aires, -aus dessen bretterbudenartiger Halle sonst die Ausflüglerzüge nach -Quilmes und die eleganten Badezüge nach Mar del Plata laufen, fährt -zweimal in der Woche der Neuquenzug, der bis nach Zapala an den Fuß -der Kordillere führt. Die Rio-Negro-Neuquen-Bahn ist die nördlichste -der vier Stichbahnen, die vom Atlantischen Ozean aus nach Patagonien -hineinführen, gleichsam als ein schwacher Versuch, dieses ungeheure -Gebiet zu erschließen.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p80_abb" name="p80_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p80_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Plaza de la Independencia in Santiago.<br /> - <span class="s5">Rechts der Hügel Santa Lucia, im Hintergrund die - schneebedeckte Kordillere.</span></p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p81_abb1" name="p81_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p81_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Bergarbeiterheim.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p81_abb2" name="p81_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p81_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Salpeteroficina.</p> -</div> - -<p>Patagonien ist für den Europäer im allgemeinen ein Begriff, unter dem -er sich nicht viel vorstellen kann. Besten<span class="pagenum"><a name="Seite_81" id="Seite_81">[S. 81]</a></span>falls hat er ein unklares -Bild von Wüste und Steppe, von winddurchwehter, eisiger Hochfläche, auf -der Indianer und Schafe ein kümmerliches Dasein fristen. Aber auch der -Argentinier der zentralen Provinzen und des Nordens besitzt, soweit er -nicht geschäftliche Verbindungen nach dort unten hat, kaum eine bessere -Kenntnis dieses Teiles seiner Heimat, der sich über nicht weniger -als 18 Breitengrade erstreckt. Die meisten, zu denen ich von meiner -Absicht sprach, Patagonien zu bereisen, meinten erstaunt: „Was wollen -Sie da? Das ist die reine Wüste, höchstens für Schafzucht geeignet. -Im übrigen kommen Sie da bereits bald in den Winter.“ Allerdings wird -in dieses Urteil das Rio-Negro-Gebiet nicht eingeschlossen, das zwar -nominell zu Patagonien gehört, aber einen Begriff für sich bildet, -da die klimatischen und infolge der künstlichen Bewässerung auch die -wirtschaftlichen Verhältnisse völlig andere sind als im mittleren und -südlichen Patagonien.</p> - -<p>Der Zug füllt sich. Estancieros und Chacreros, die nach kurzem Besuch -in der Hauptstadt auf ihre Besitzungen zurückfahren, vor allem aber -Kaufleute, Geschäftsreisende, Aufkäufer und Arbeiter, die zur Alfalfa- -und Obsternte an den Rio Negro fahren. Vom Kupeefenster aus sieht man -den Strom am Zug entlang streichen, und unter all den dunkelfarbigen, -schwarzhaarigen tauchen mit einem Male ein paar blauäugige helle -Blondköpfe auf. Junge Burschen in Lodenanzügen, die ihre Säcke -schleppen. Auf den ersten Blick unverkennbar deutsche Offiziere, die -mit Fahrkarten der Einwanderungsbehörde nach dem Süden fahren, um sich -dort am Rio Negro oder in der Kordillere eine neue Existenz zu gründen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_82" id="Seite_82">[S. 82]</a></span></p> - -<p>Immer wieder stößt man auf das eine schwere Problem: da Frachtraum -und mehr noch Valutanot es nicht ermöglicht, den gewaltigen Überschuß -dieses Landes an Nahrungsmitteln dem hungernden Deutschland zuzuführen, -sollte es da nicht gehen, all denen, die in Deutschland weder Brot noch -Arbeit finden, hier eine neue Heimat zu schaffen?</p> - -<p>Die Reise im Zwischendeck kostet beim heutigen Kurs 5000 Mark, der -Aufenthalt in Buenos Aires selbst bei bescheidensten Ansprüchen 2–3000 -Mark für den einzelnen. Es gehört also ein kleines Vermögen dazu, um -nur herüberzukommen und hier mit nichts anfangen zu können. Und doch! -— Wenn sich hier nur Menschen fänden, die statt zu debattieren und zu -verhandeln rasch und tatkräftig helfen wollten!</p> - -<p>Drei Richtungen stehen sich in der Siedlungs- und Kolonisationsfrage -gegenüber. Jene, die den Einwandererstrom nach dem subtropischen -Norden, in den Chaco, nach Formosa und Misiones, lenken wollen, die -andern, die nur auf die zentralen Provinzen schwören, auf Buenos Aires, -Santa Fé, Cordoba, Entre Rios und allenfalls die Pampa, und schließlich -jene, die nur den Süden gelten lassen.</p> - -<p>Auf eine kurze scharfe, aber leider im allgemeinen zutreffende Formel -gebracht, kann man sagen: Die Herren in Buenos Aires halten stets die -Gegend für die geeignetste zur Kolonisation, in der sie Kampe liegen -haben, die sie entweder anbringen wollen, oder für die sie durch -intensivere Wirtschaft fleißiger Kolonisten Wertsteigerung erhoffen. -Die zentralen Provinzen haben das eine für sich,<span class="pagenum"><a name="Seite_83" id="Seite_83">[S. 83]</a></span> daß der Einwanderer -auf gutes Land und in Verhältnisse kommt, die den europäischen -verhältnismäßig am ähnlichsten sind. Da hier jedoch der Hektar 300, -400, 500 und mehr Peso kostet, ist es mir unklar, woher die Mittel -hierfür aufgebracht werden sollen.</p> - -<p>Im Norden gibt es viel billiges und auch gutes Land. Aber ob deutsche -Familien dort auf die Dauer die sehr hohen Temperaturen ertragen?</p> - -<p>So bleibt zunächst nur der Süden.</p> - -<p>Der Früchteaufkäufer, der mir gegenüber sitzt, schwärmt davon. Er kauft -für eine Engrosfirma in Buenos Aires ein. Seine Pflücker sind schon -unten; denn die Chacreros verkaufen die Ernte meist auf den Bäumen. -Er zahlt für den Cajon, für die Kiste Pfirsiche, die etwa 180 bis 200 -Stück faßt, zweieinhalb Peso. Mit Pflücklohn, Fracht und sonstigen -Unkosten stellt sich der Cajon auf 6 Peso. Verkauft wird er im -Großhandel für 12 bis 14 Peso. Und bis die Früchte an den Konsumenten -kommen, kosten sie ein bis eineinhalb Peso das Dutzend. „<span class="antiqua">Muy lindo -negocio</span>“ — ein feines Geschäft —, meint schmunzelnd der Händler.</p> - -<p>Draußen zieht erst unter klarem Sternenhimmel und dann bei grauendem -Tag das Land vorbei. Noch öder, noch trostloser, noch flacher, wenn -möglich. Stundenlang nur roher Kamp und der ewige Draht. Die Estancien -müssen weit drinnen im Lande liegen. Kaum daß man ab und zu einen -dunklen Schatten am Horizont sieht.</p> - -<p>Erst hinter Pringles ändert sich das Bild. Sanft ansteigende Hügel, -dann steile Felsen, tief eingeschnittene Flußtäler. Und gleichzeitig -zwischen den Bergen grüne<span class="pagenum"><a name="Seite_84" id="Seite_84">[S. 84]</a></span> Gärten, Bäume — man staunt, richtige -Bäume —, die Sierra de la Ventana, die einer Oase gleich die ewig -gleichförmige Landschaft unterbricht.</p> - -<p>Aber nach wenigen Stationen werden die Hügel flacher und verlaufen sich -schließlich wieder in der unendlichen Ebene, graubraun, öde und tot.</p> - -<p>Mit einem Male steht mitten in der Ebene ein Schiff. Schornsteine, -zwei Masten und unterhalb des schwarzen Rumpfes ein leuchtender roter -Streifen. Unvergleichlich phantastisch sieht es aus, bis das Auge -langsam erkennt, daß die Ebene am Horizont ohne erkennbare Grenzlinie -in Schlick, Sumpf und schließlich offenes Wasser übergeht.</p> - -<p>Schiff auf Schiff. Dann die unheimlichen Türme der Getreidesilos: Bahia -Blanca, die Metropole des Südens!</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Die_Metropole_des_Suedens_13">13. Die Metropole -des Südens.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Bahia Blanca.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d6" name="initial_d6"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie Geschichte mancher Städte des Landes ist nicht anders als in -der Union. Vor achtzig, neunzig Jahren noch ein Indianerfort, vor -einem Menschenalter ein Dorf, heute eine blühende moderne Stadt. Als -typisches Beispiel mag man Bahia Blanca nehmen, aber auch dafür, -wie sehr die Kurve des Erfolges in diesem Lande nicht nur für den -einzelnen, sondern auch für ganze Gemeinwesen auf und ab geht, und wie -auf übersteigerte Hoffnungen und Erwartungen empfindliche Rückschläge -folgen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_85" id="Seite_85">[S. 85]</a></span></p> - -<p>Wenn man die Lage Bahia Blancas auf der Karte ansieht, drängt sich der -Gedanke auf, daß diese Stadt, an einem natürlichen Hafen gelegen, der -gegebene Mittelpunkt des Südens der Republik werden müsse. Orientiert -man sich aber näher, so muß man wie überall die verschiedensten Urteile -hören, die wie in allen Fragen von den größten Erwartungen bis zu dem -pessimistischsten Urteil variieren, daß Bahia Blanca keine Zukunft habe -und der Höhepunkt seiner Entwicklung bereits überschritten sei.</p> - -<p>Es ist nicht leicht, sich in dem Widerstreit der Meinungen ein eigenes -Urteil zu bilden. Sicher ist, daß das Übergewicht von Buenos Aires wie -auf der Entwicklung jeder argentinischen Stadt auch auf der von Bahia -Blanca lastet. Eine Möglichkeit, dieses Übergewicht wenigstens in etwas -zu paralysieren, schien gegeben, als die Regierung der Provinz Buenos -Aires aus der gleichnamigen Landeshauptstadt hinausverlegt werden -sollte, um die bisherige Reibung zwischen den Verwaltungen der Provinz -und des Landes zu verringern. Damals wäre Bahia Blanca die gegebene -Hauptstadt der Provinz Buenos Aires gewesen. Allein den Politikern -schien die Stadt wohl zu langweilig und abgelegen, und so entschloß man -sich, in „La Plata“ in nächster Nähe der Metropole Buenos Aires aus dem -Nichts eine Provinzhauptstadt zu schaffen, die trotz der großen Gelder, -die man an sie wandte, doch nie etwas anderes werden kann als eine -Vorstadt der Landeshauptstadt, und die südliche Metropole mit ihren -völlig anderen Verhältnissen und Bedürfnissen wird nach wie vor vom -Norden aus regiert.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_86" id="Seite_86">[S. 86]</a></span></p> - -<p>Unter diesen Umständen ist es verständlich, daß sich in Bahia Blanca -zeitweilig Autonomiebestrebungen geltend machten und der Wunsch, die -Hauptstadt einer eigenen Provinz zu werden, die aus dem Süden der -Provinz Buenos Aires sowie Teilen der Gobernacionen Pampa Central -und Rio Negro bestehen sollte. In der Zeit vor dem Krieg waren -diese Autonomiebestrebungen mehr wirtschaftlicher Art, und man -versuchte durch direkte Schiffahrtslinien vor allem einen Teil des -Auswandererstromes direkt nach Bahia Blanca zu leiten. Der Krieg -jedoch und sein Ende mit seiner zeitweisen Ausschaltung der deutschen -Schiffahrtslinien hat diese Bestrebungen und Hoffnungen auf lange -Zeit zerstört. Der Auswandererstrom geht nach wie vor ausschließlich -nach Buenos Aires, und es ist Zufall, wenn einzelne nach Bahia Blanca -verschlagen werden.</p> - -<p>Bahia Blanca ist nicht weniger langweilig und reizlos als die meisten -argentinischen Städte, und auf den ersten Blick sieht man der Stadt, -die weit vom Meer und den eigentlichen Hafenanlagen abliegt, ihre große -wirtschaftliche Bedeutung nicht an. Die mächtige Plaza im Zentrum, die -ehemals als Corral diente, in den nachts das Vieh vor räuberischen -Überfällen der Indianer in Sicherheit gebracht wurde und auf der noch -bis zum Jahre 1902 die Kühe einer benachbarten Molkerei weideten, ist -heute allerdings durch Palmenalleen und Blumenbeete in einen Garten -verwandelt. Auch sonst gibt sich die Stadtverwaltung die größte Mühe, -Bahia Blanca einen möglichst großstädtischen Anstrich zu verleihen; -dabei streift sie allerdings mitunter die Grenze des Lächerlichen. -In Buenos<span class="pagenum"><a name="Seite_87" id="Seite_87">[S. 87]</a></span> Aires ist in der Hauptgeschäftsstraße, der „Florida“, von -6 bis 8 Uhr jeder Wagenverkehr verboten, da die enge Straße kaum die -Masse der Fußgänger zu fassen vermag. Entsprechend ist auch hier die -Hauptgeschäftsstraße in der gleichen Zeit ausschließlich für Fußgänger -vorbehalten, obwohl sich die Zahl der Passanten wie der Fuhrwerke -um ein Vielfaches vermehren müßte, ehe von irgendwelchem Gedränge -überhaupt etwas bemerkbar wäre.</p> - -<p>Aber kommt man in der Hauptgeschäftszeit in ein Kontor der großen -Getreide- oder Wollfirmen, so gibt einem das Kommen und Gehen sowie -das unaufhörliche Telephonieren doch zu denken. Es ist der Höhepunkt -der Getreidebörse. Die Preise schwanken von Tag zu Tag, ja von -Stunde zu Stunde, so daß das Geschäft, wie fast alles hier, in hohem -Maße Spekulation ist. Die Getreidehändler stehen daher in ständiger -telephonischer Verbindung mit ihren Aufkäufern in den Zentren der -Getreideproduktion, teilweise haben sie sogar eigene Leitungen.</p> - -<p>Dem Bild, das Zahlen übermitteln, fehlt immer die Anschaulichkeit. -Man muß die Bahnstrecke nach Pringles und Tornquist hinausfahren, um -einen Begriff von den ungeheueren Mengen des produzierten Getreides zu -bekommen. Schnitt und Drusch sind zu Ende, und zu der Station bringen -die zehn-, zwölf- und mehrspännigen Wagen die Säcke angefahren. Hier -werden sie gestapelt und häufen sich zu gewaltigen Bergen. Auf der -ersten Station sieht man staunend die erste Kette von Getreidebergen, -auf der zweiten, auf der dritten und so fort das gleiche Bild. Die -Menge des in den Hafenanlagen angefahrenen Getreides ist so groß, daß -alle Geleise verstopft<span class="pagenum"><a name="Seite_88" id="Seite_88">[S. 88]</a></span> sind, und die Bahnverwaltungen die Zufuhr bis -auf weiteres gesperrt haben.</p> - -<p>Allein dieses überaus günstige Bild täuscht. Nach sieben mageren Jahren -haben Bahia Blanca und der Süden das erste fette Jahr. Der Feind des -Südens ist die Trockenheit. Im vergangenen Jahr hat es ungewöhnlich -viel geregnet, daher die erstaunlich große Ernte.</p> - -<p>Die Zukunft Bahia Blancas als Getreideexporthafen liegt im Süden -der Provinz Buenos Aires und in der Pampa. Die nähere Umgebung der -Stadt wie alles Land südlich davon ist wenig wertvoll, und ein großes -mißglücktes Kolonisationsunternehmen in dieser Gegend ist ein warnendes -Exempel.</p> - -<p>Der zweite Hauptexportartikel Bahia Blancas, die Wolle, liegt -augenblicklich darnieder. Der Wollpreis sinkt, und Händler und -Produzenten halten zurück. Nach den phantastischen Preisen, die im -Kriege für Wolle gezahlt wurden, ist die Reaktion nur natürlich. -Aber es krampft einem doch das Herz zusammen, wenn man die riesigen -Wollager sieht, die bessere Preise hier abwarten sollen, und an die -stilliegenden Textilfabriken in Deutschland denkt und an den Mangel an -Kleidung.</p> - -<p>Dazu kommt natürlich Vieh. — In letzter Zeit sind mehrere Frigorificos -gebaut worden, während ein großzügiger Obstexport aus dem Rio-Negro-Tal -mit Marmelade- und Konservenfabriken noch Zukunftsmusik ist.</p> - -<p>Ist der eine Zukunftsfaktor Bahia Blancas die Entwicklung seines -Hinterlands, so ist der andere sein Hafen. Auch hier sind die Ansichten -nicht weniger geteilt. Bahia liegt an einer langsam versandenden und -verschlickenden<span class="pagenum"><a name="Seite_89" id="Seite_89">[S. 89]</a></span> Bucht. Wenn auch jetzt noch mittlere Ozeandampfer an -den Kais anlegen können, so ist die Frage, welche Kosten es auf die -Dauer machen wird, die Fahrstraße offen zu halten.</p> - -<p>Der Hafen ist landschaftlich nicht weniger trostlos als die ganze -Umgebung der Stadt. Schlick und Morast lassen nicht erkennen, wo das -Land aufhört und das Wasser anfängt. Die Bucht wirkt wie ein brauner -Sumpf.</p> - -<p>Ein Gewirr von Schienensträngen, alle übervoll von getreidebeladenen -Waggons, führt an die Molen. Hier liegt ein Schiff neben dem andern, -alle harren auf Ladung. Aber wie eine ungeheure, zinnengekrönte Festung -türmen sich die Getreidesilos, hoch die Kamine und Masten überragend.</p> - -<p>Die Hafenanlagen sind sämtlich in privaten Händen, die einen in -Ingeniero White gehören der Südbahn, die andern in Puerto Galvan der -Pazifikbahn.</p> - -<p>Die Bahnen englisch. Die Hafenanlagen und Silos englisch. Die Schiffe -an den Molen — teilweise tragen sie noch deutsche Namen — unter dem -Union Jack. Nirgends sonst drängt sich die ungeheuere wirtschaftliche -Gewalt Großbritanniens so unerbittlich auf und die tyrannische -Macht, mit der sie das gesamte Transport- und Verkehrswesen ganz -Argentiniens zu Wasser und zu Lande beherrscht. Die Engländer können -— und sie haben es getan — jedes Unternehmen, das ihnen nicht -paßt, dadurch zugrunde richten, daß sie ihm keine Transportmittel -stellen. Hier liegen die Grenzen deutschen Betätigungsdranges und -Unternehmungsgeistes in Argentinien.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_90" id="Seite_90">[S. 90]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Deutsche_Seeleute_in_Suedamerika_14">14. Deutsche -Seeleute in Südamerika.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Bahia Blanca, Puerto Militar.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d7" name="initial_d7"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie Kapitänskajüte der „Seydlitz“ ist die alte geblieben in all ihrer -Traulichkeit und Behaglichkeit mit den vielen Familienbildern an -den Wänden und auf dem Schreibtisch, und doch ist etwas anders. Ein -unheimlich Fremdes strömt von Decke und Wänden, wittert durch Tür -und Bullauge herein — das Schiff ist tot. Seit mehr als fünf Jahren -liegt es unbeweglich, interniert, an der Kaimauer des argentinischen -Kriegshafens, und wie im Herzen von Führer und Mannschaft im Laufe der -langen Jahre etwas zerriß, so wirken die unerklärlichen Sprünge in -allem Porzellan und Steingut auf dem Schiff, welche alle Toiletten, -alle Badewannen und alle Waschbecken in Stücke splitterten, wie ein -unheimliches äußeres Zeichen dieses Sterbeprozesses eines Schiffes, das -einst ein lebendiges Glied der deutschen Flotte war.</p> - -<p>In langer Reihe liegen die Schiffe hintereinander am Kai untätig. -Die Welt leidet unter dem Mangel an Schiffsraum. Die Überfülle des -Getreides staut sich in den Silos und Elevatoren von Puerto Galvan -und Ingeniero White. Aber trotzdem, und trotzdem längst schon -Frieden, können die Schiffe die Fahrt mit lebenswichtiger Fracht -nach Deutschland, mit Getreide, Fett und Fleisch, die ihnen England -bewilligte, noch immer nicht antreten.</p> - -<p>Die Sonne flimmert auf dem glatten Wasserspiegel des Hafens, der hinter -den riesigen Kaimauern stilliegt wie ein Teich, während auf der andern -Seite die be<span class="pagenum"><a name="Seite_91" id="Seite_91">[S. 91]</a></span>ginnende Flut das lehmgelbe Wasser der Bucht von Bahia -Blanca hochgischtet.</p> - -<p>Der Kapitän erzählt, wie sie vor fünf Jahren einliefen. Die meisten -Schiffe gehörten zu dem Geschwader des Grafen Spee, der sich ein -deutsches Schiff nach dem andern aus dem Stillen Ozean heranholte und -in Hilfs-, Kohlen- und Transportschiffe verwandelte. Die „Seydlitz“ war -Hospitalschiff und machte als solches die Schlachten von Coronel und -Falkland mit.</p> - -<p>Coronel, das ist es, von dem all die deutschen Seeleute in Südamerika -noch leben. Die Augen des Kapitäns leuchten, wenn er erzählt, wie -die Engländer sanken. In zwanzig Minuten war alles vorüber. Dann kam -Falkland. Alle waren dagegen, daß man das englische Geschwader angriff, -vom Grafen Spee angefangen. Aber der Chef des Stabes setzte seinen -Willen durch. Trotzdem wäre vielleicht alles gut gegangen. Allein man -hatte sich in der Magalhãesstraße mit einem englischen Segler, der -Kohlen geladen hatte, zu lange aufgehalten, und inzwischen waren die -beiden Dreadnoughtkreuzer, die die Engländer über den Ozean geschickt, -zu dem britischen Geschwader gestoßen. Einen Tag, bevor die Deutschen -angriffen, waren sie eingetroffen. Einen Tag zu spät!</p> - -<p>Die Internierung war nicht hart, und sie sparte andrerseits den -deutschen Schiffahrtsgesellschaften die Zahlung der andernfalls -gewaltig hohen Liege- und Hafengelder. Trotzdem — fünf Jahre auf -diesem trostlosen Fleck Erde!</p> - -<p>Puerto Militar liegt am äußersten Ende der Bucht von Bahia Blanca, fast -am offenen Meer. Der argentinische Kriegshafen teilt mit Wilhelmshaven -Öde von<span class="pagenum"><a name="Seite_92" id="Seite_92">[S. 92]</a></span> Wasser und Land, mit Libau die Weitläufigkeit der Anlage, die -in größtem Maße auf Erweiterung und Neubauten zugeschnitten ist.</p> - -<p>Ein armseliges Pueblo an der Station. Dann führt eine breite Allee zu -den verbotenen Zonen des Kriegshafens. Sein Hauptstück ist das mächtige -Hafenbassin, in dem die gesamte argentinische Kriegsflotte, auch wenn -sie sich verzehnfacht, noch Platz hätte. Auf der einen Seite liegen -ein paar kleine Kreuzer italienischen Ursprungs, auf der andern die -internierten deutschen Schiffe und nach der Ausfahrt zu die beiden -mächtigen Dreadnoughts „Moreno“ und „Rivadavia“, der Kern und der Stolz -der argentinischen Schlachtflotte.</p> - -<p>Trotz der hohen Kampfkraft dieser beiden Schiffe, die auf -nordamerikanischen Werften gebaut und das typische Gepräge -amerikanischer Panzer mit ihren charakteristischen Gittermasten zeigen, -ist der Wert der ganzen argentinischen Kriegsflotte einigermaßen -problematisch. Das kritische Problem ist die Kohlenfrage. Wie man -mir sagte, hat die argentinische Flotte im Kriegsfall für ganze 14 -Tage Feuerungsmaterial. Diese Schwierigkeit wäre jedoch leicht zu -überwinden, wenn die argentinischen Schiffe Ölfeuerung erhielten. -Öl wird ja im Lande selbst, in Comodore Rivadavia und neuerdings -in Neuquen, gebohrt. Aber vielleicht liegt Absicht darin, daß die -Nordamerikaner Argentinien keine Schiffe mit Ölfeuerung bauten.</p> - -<p>An das Hafenbassin stoßen zwei Trockendocks, ein kleineres und -ein gewaltiges, das mir als das größte der Welt bezeichnet wurde. -Jedenfalls können die großen Dreadnoughts hier gedockt werden, und der -Norweger, der<span class="pagenum"><a name="Seite_93" id="Seite_93">[S. 93]</a></span> augenblicklich darin liegt, verschwindet mit Kamin und -Masten vollständig, als wäre er ein Miniaturschiffchen.</p> - -<p>Neben dem großen Dock erhebt sich die Casa de Bombas, das -Maschinenhaus, das die Anlage zur Entleerung der Docks enthält. -In der Mitte des Gebäudes liegen die Pumpen, in einem viereckigen -Zementschacht von gewaltigen Dimensionen versenkt. Aus den Ecken langen -die mächtigen Rohre gleich Riesenarmen in den Raum hinein zu den mit -Mehrfachexpansionsmaschinen gekuppelten Pumpen. Der Gedanke wirkt fast -unheimlich, wie auf eine Drehung am Schaltrad hin diese Maschinen das -ganze Becken des Trockendocks leer zu saugen vermögen.</p> - -<p>Noch ein paar Werkstätten und Kasernen; dann sind alle -Sehenswürdigkeiten von Puerto Militar erschöpft. Man kann sie bequem in -ein- bis zweistündigem Rundgang erledigen. Und fünf Jahre hier! Fünf -Jahre nutzlosen, untätigen Wartens!</p> - -<p>Der Kapitän fängt meinen Blick auf: „Nein,“ sagt er kopfschüttelnd, -„wir haben es hier im Grunde recht gut gehabt. Wir können nicht klagen. -Vielleicht war es ein Fehler der Kompanie, daß sie die Mannschaft an -Bord behalten wollte. Durch das enge Zusammenleben und die Untätigkeit -ist es natürlich zeitweise zu Reibereien und Disziplinlosigkeit -gekommen. Damals hätten alle Leute leicht lohnende Arbeit beim Hafenbau -gefunden. So sind die meisten der Arbeit entwöhnt. Erst später wurde -Landurlaub gewährt und die Erlaubnis, Arbeit anzunehmen. Heute muß ich -meine Leute zusammenhalten, um genügend Besatzung für die Rückreise zu -haben.“</p> - -<p>Nur an Stewards, Aufwäschern und dergleichen sei<span class="pagenum"><a name="Seite_94" id="Seite_94">[S. 94]</a></span> kein Mangel. Eine -Fülle von Rückwanderern meldet sich zu diesen Posten, darunter Leute, -die erst vor wenigen Monaten oder Wochen aus Deutschland hierher -gekommen sind, Enttäuschte, die in Argentinien das Land, wo Milch -und Honig fließt, zu finden hofften und die nun nach den ersten -Schwierigkeiten die Flinte ins Korn werfen. Manche von ihnen, die im -Frühling oder Sommer vergangenen Jahres herüberkamen, haben allerdings -kein schlechtes Geschäft gemacht, trotz der verlorenen Hin- und -Herreise. Ich denke dabei an jenen Paraguaysiedler, der im Frühling -vorigen Jahres herüberkam und jetzt zurückkehrt. Damals hatte er sein -ganzes Geld in Pesos umgewechselt, da er sich in Paraguay ansiedeln -wollte. Aber es war ihm zu heiß und die Arbeit zu schwer. Wenn er jetzt -zu Hause sein letztes Geld wieder in Mark einwechselt, hat er dank -des Valutasturzes, wenigstens in Papier, mehr als er bei der Ausreise -mitnahm. Ein gutes Geschäft! Und er hat nichts gearbeitet und keinen -Cent verdient.</p> - -<p>Wir sehen über die Hafeneinfahrt hinaus, wo die auf und ab tanzenden -Bojen die Fahrrinne anzeigen. Immer kleiner werden sie und -verschwinden, aber in ihrer Verlängerung sieht man fern am Horizont, -scheinbar mitten aus dem Wasser ragend, einen Bau, der wie ein Haufen -zusammengewachsener Leuchttürme wirkt. Es sind die Silos einer -französischen Gesellschaft, die an der offenen See, noch weit über den -Kriegshafen hinaus, große Hafenanlagen und Getreidespeicher baut.</p> - -<p>Zukunftsmusik. Allein wer vermag zu sagen, wie die Produktion eines -Landes wachsen mag, in dem Königreiche noch brachliegen.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_95" id="Seite_95">[S. 95]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Die_Insel_im_Rio_Negro_15">15. Die Insel im -Rio Negro.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Choele Choel.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_i_j3" name="initial_i_j3"> - <img class="h3em" src="images/initial_i_j.jpg" alt="I" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">I</span>n der Vorhalle ihres Bahnhofes in Bahia Blanca hat die Südbahn -Produkte des Rio-Negro-Tales ausgestellt, Pfirsiche von Faustgröße, -Äpfel und Birnen von noch erheblicheren Maßen, Trauben, Gemüse, Samen -und schließlich Kürbisse und Melonen von geradezu ungeheuerlichem -Umfang.</p> - -<p>Man steigt in den Rio-Negro-Zug, der nur viermal in der Woche fährt, -mit dem Gefühl, in ein Dorado der Fruchtbarkeit und Fülle zu kommen. -Die Bahn geht erst den Rio Colorado entlang, um nach Überschreiten -dieses Flusses eine vollkommen wasserlose Wüste, die früher so -gefürchtete Travesia, zu durchkreuzen und dann das Rio-Negro-Tal bis -nach Neuquen hinauf zu führen. Die Bahn wurde zur Zeit der letzten -Grenzstreitigkeiten mit Chile aus strategischen Gründen gebaut. Ihr -Bau wurde den Deutschen zu äußerst günstigen Bedingungen angeboten; -denn die argentinische Regierung hätte gerne das englische Monopol im -Verkehrswesen gebrochen. Allein in Deutschland war damals nur geringes -Interesse für argentinische Unternehmungen, und es genügte, daß die -interessierten englischen Bahngesellschaften einige abschreckende -Artikel über das Projekt und die ganze Gegend in die Presse brachten, -um auch die wenigen deutschen Kapitalisten, die Interesse gezeigt -hatten, abzuschrecken. Die Bahn wurde dann natürlich von den Engländern -gebaut und sie ist<span class="pagenum"><a name="Seite_96" id="Seite_96">[S. 96]</a></span> heute dank der Entwicklung des Rio-Negro-Tals ein -glänzendes Geschäft.</p> - -<p>Von dieser Entwicklung ist allerdings zunächst nichts zu sehen; auch -nachdem die Travesia durchkreuzt und der Rio Negro erreicht ist, -wechselt das Landschaftsbild nicht. Die Überraschung wächst, als -sich auch bei der Station Choele Choel, der ältesten Kolonie des -Rio-Negro-Tals, das Bild nicht ändert. Im Norden eine felsige Barranca, -im Süden eng gewelltes Hügelland geben zwar dem durch die ewige öde -Ebene ermüdeten Auge landschaftliche Abwechslung. Aber das Bild der -Dürre und Unfruchtbarkeit ist nicht anders als bisher.</p> - -<p>Aber das Pueblo liegt noch eine gute halbe Stunde von der Station -entfernt, und in rüttelnder Fahrt mahlen die hohen Räder der leichten -Kutsche hügelauf, hügelab durch tiefen Sand. Es liegt am Ufer des Rio -Negro, der sich hier in zwei Arme spaltet, die in weitem Bogen die -gleichnamige große Insel, die eigentliche Kolonie, umschließen.</p> - -<p>Die Insel ist alter historischer Boden. Zur Zeit der Indianerfeldzüge -war sie Hauptquartier, und aus dem Militärlager ging die erste -Kolonie hervor. Mancherlei Schwierigkeiten, vor allem die furchtbaren -Überschwemmungen, unterbrachen und hemmten die Entwicklung. Einen -neuen Abschnitt und Aufschwung bedeutete erst das Kolonistengesetz -von 1904, das die ganze Insel in einzelne Lose von 100 Hektar teilte. -Die Korrektionsarbeiten am oberen Rio Negro, vor allem die Stauanlage -der Cuenca Vidal, haben die Überschwemmungsgefahr auf ein Minimum -beschränkt.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p96_abb" name="p96_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p96_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Am Fuße des Vulkans Ollague.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p97_abb1" name="p97_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p97_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Bergarbeiterhütten in der Kordillere.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p97_abb2" name="p97_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p97_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Arbeit in der Mine.</p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_97" id="Seite_97">[S. 97]</a></span></p> - -<p>Auf einer Regierungsfähre setzt der Wagen über den Fluß. Dichte -Baumreihen fassen die breit und rasch dahinströmende Flut ein. Aber -sobald die fruchtbare grüne Zone unmittelbar am Fluß durchschritten -ist, erstreckt sich zwischen den am Weg hinlaufenden Drahtzäunen bald -wieder roher Kamp, zum Teil nur mit Gestrüpp und Strauchwerk umstanden, -auf dem man kaum einige Kühe und Schafe sieht.</p> - -<p>Nach vielstündiger Fahrt quer durch die Insel ist der Eindruck nach den -großen Erwartungen, die man hegte, entmutigend. Erst am folgenden Tag, -als ich unter sachkundiger Führung einzelne Chacras mit fruchtschweren -Obstgärten und reichen Alfalfafeldern aufsuchte, änderte sich das Bild. -Es ist hier, wie überall in Argentinien. Der erste Eindruck täuscht -leicht und übertreibt nach der guten oder der schlechten Seite.</p> - -<p>Schuld für dieses Stagnieren der Insel sind die Schieber und -Spekulanten, die es bei der Aufteilung des Landes verstanden haben, -sich einen großen Teil der Lose zu sichern. Nicht gewillt, Arbeit -oder Kapital in den Boden zu stecken, zogen sie, lediglich um der -gesetzlichen Bestimmung zu genügen, einen Drahtzaun um ihr Land und -setzten einen Rancho oder eine Wellblechbaracke darauf, da das Gesetz -die Errichtung eines Hauses fordert. Im übrigen warten sie darauf, -daß die Arbeit der Anlieger den Wert ihres Bodens um ein Vielfaches -steigert, um ihn dann mit hohem Gewinn loszuschlagen.</p> - -<p>Da die wirklichen Ansiedler in der Minderheit und die Spekulanten in -der Mehrheit waren, so verfiel das ohnehin ungenügende Kanalsystem, und -die Insel zeigt heute<span class="pagenum"><a name="Seite_98" id="Seite_98">[S. 98]</a></span> nur dort fruchtbare reiche Landstrecken, wo die -enger aneinanderwohnenden Kolonisten die Kanäle in Ordnung halten, oder -an den Flußrändern, oder wo mittels motorischer Kraft, in der Regel mit -Hilfe von Windrädern, berieselt wird.</p> - -<p>Nach vierstündiger Fahrt ist die Insel durchquert, und noch einmal geht -es über den Fluß. Wo die Fähre anlegt, sind die Bäume besonders hoch -und dicht, und unter ihrem hohen Dach stehen freundliche, saubere, -weiße Häuser. Es ist die Estancia eines Deutschen.</p> - -<p>Die Geschichte dieses Deutschen, der einer der ältesten Pioniere -des Südens und ein eifriger Anhänger des Rio Negro ist, ist typisch -argentinisch. Als junger Kaufmann kam er herüber, fand eine bescheidene -Anstellung, und erwarb sich in den Freistunden durch Briefmarkenhandel -ein kleines Kapital. Mit diesem führte er die ersten Ansichtskarten -nach Argentinien ein. Hiermit machte er ein Vermögen, das er in einem -großen Briefmarkengeschäft anlegte, das glänzend ging und es ihm -ermöglichte, weite Ländereien aufzukaufen. Er wurde nun Landwirt, -erlitt jedoch mancherlei Rückschläge, bis ihm eine große Überschwemmung -des Rio Colorado, an dem seine Hauptbesitzung lag, Haus und Vieh, -Einrichtung und Gerät wegriß. Er siedelte nach dem Rio Negro über und -schuf dort in wenigen Jahren auf billig erstandenem rohem Kamp eine -blühende, reichen Ertrag abwerfende Estancia.</p> - -<p>Der Besitzer zeigte mir Bilder aus den Anfangsjahren, und es erscheint -fast unglaubhaft, daß diese dürftigen Stämmchen und bescheidenen -Pflanzungen in der kurzen Zeit derart herangewachsen sind. Was den -Besuch so<span class="pagenum"><a name="Seite_99" id="Seite_99">[S. 99]</a></span> interessant macht, ist die Tatsache, daß hier alle Stadien -der Bewirtschaftung eng nebeneinanderliegen. Ein großer Teil ist noch -roher Kamp. Die erste Arbeit ist das Roden. Mit Axt und Schaufel wird -der Busch beseitigt und dann angezündet. Zum erstenmal geht dann der -Pflug über die schwarzgebrannte Erde. Der gelockerte Boden wird mittels -der automatischen Schaufel verteilt, um ihn zu planieren. An anderer -Stelle sieht man diese von Pferden gezogenen, einfachen, aber hier -unentbehrlichen Maschinen an der Arbeit. Es ist eine Kippschaufel, die -die gelockerte Erde von den Erhöhungen abnimmt, um damit die Senkungen -auszufüllen.</p> - -<p>In den so bereiteten Boden wird im ersten Jahr Mais gesät, im zweiten -Gerste oder Hafer, im dritten bereits Alfalfa, entweder allein oder mit -Getreide, und damit ist die Goldquelle erschlossen. Das Alfalfafeld -bleibt entweder ertragreiche Weide oder wird ohne Neusaat Jahr für Jahr -auf Samen und Futter geerntet.</p> - -<p>Die Wirtschaft beruht auf Vieh und Alfalfa. Aber daneben bieten Obst, -Wein und Gemüse große Aussichten. Unmittelbar am Fluß wachsen selbst -empfindliche Pflanzen ohne künstliche Bewässerung, und hier sind -gewaltige Obst- und Gemüsegärten angelegt, die jedes Jahr vergrößert -werden, Pfirsiche, Äpfel, Birnen, Pflaumen. Trotz der weiten Entfernung -von der Bahn ist der Obstbau lohnend; denn es kommt ja nicht nur der -Versand nach Bahia Blanca und Buenos Aires in Frage, sondern ebenso -die Versorgung Patagoniens mit Obst und Wein. Die Estancia liegt -unmittelbar an der Poststraße nach Valcheta, und ein spekulativer -Unternehmer läßt hier jede Woche ein Fruchtauto laufen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_100" id="Seite_100">[S. 100]</a></span></p> - -<p>Am nächsten Tag traf ich den Mann auf einer benachbarten Obstplantage, -als er gerade seinen Wagen voll Pfirsiche lud. Wie er mir erzählte, -verkauft er die Fruchtlast, die ihn 80 Peso kostete, für 400 Peso.</p> - -<p>Einzelne Gewinne, von denen man hört, sind phantastisch. So wurde eine -Chacra von 200 Hektar zwei Monate vor der Ernte von ihrem Besitzer, -einem in Europa lebenden Spanier, um 75000 Peso verkauft. Aus dem -Alfalfasamen allein schlägt der Käufer im ersten Jahre bereits zum -mindesten die Hälfte des Kaufpreises heraus. Allerdings ist dieses Jahr -die Alfalfaernte besonders gut und sind die Preise besonders hoch. So -plötzlich der Erfolg, so plötzlich kann der Rückschlag kommen.</p> - -<p>Wenn wir abends unter den schattigen Bäumen vor dem reichgedeckten -Tisch sitzen, auf dem alles, Fleisch und Brot, Butter und Obst eigenes -Erzeugnis ist, da mag das Los des Siedlers und Pioniers beneidenswert -erscheinen. Der eilige Besucher wird ja nichts gewahr von der -unendlichen Mühe und Arbeit, um all das zu schaffen, was hier blüht und -gedeiht, und eine einwandfreie Beurteilung der Aussichten wäre nur dann -möglich, wenn man genau die Zahl jener wüßte, die alles einsetzten und -elend zugrunde gingen.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_101" id="Seite_101">[S. 101]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Zwischenspiel_16">16. Zwischenspiel.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Choele Choel.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_s2" name="initial_s2"> - <img class="h3em" src="images/initial_s.jpg" alt="S" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">S</span>tundenlange Autofahrt kreuz und quer über die Insel vom frühen Morgen -bis zum späten Nachmittag, bald in Staubwolken gehüllt, bald in Schlamm -steckenbleibend, eine reiche Fülle von Eindrücken, wüste Dürre, -verschlammte Kanäle, überschwemmtes Land, roher buschbestandener Kamp -und wieder samenschwere Alfalfafelder und Obstbäume, zusammenbrechend -unter der Last der Früchte.</p> - -<p>Kleine Pueblos über die Insel verstreut als Kultur- und -Wirtschaftszentren, Zukunftsanlagen, Almacen und Fonda und einige -Schuppen. Aber auch hier betont eine ein Denkmal darstellende Pyramide -aus ungebrannten Ziegeln den Stadtcharakter.</p> - -<p>In der Fonda Chacreros und Händler und lange, schmutzige, -weinbefleckte Tische. An der Wand klebt ein Plakat, daß am Abend ein -Varietésängerpaar große Festvorstellung geben wird. Gegenüber der -Tür die Schenke, an der andern freien Wand ein großer Spiegel mit -Frisiertoilette, Rasiermesser, Kämme, Bürsten; denn die Wirtschaft ist -gleichzeitig Frisiersalon.</p> - -<p>Der Wein, den der Wirt verschenkt, ist Inselprodukt. Die -Salesianerpatres haben neben ihrer Arbeit im Weinberg des Herrn auch -einen irdischen Weinberg aufgetan. Kirche und Schule liegt in ihrer -Hand, und nebenbei<span class="pagenum"><a name="Seite_102" id="Seite_102">[S. 102]</a></span> haben sie die beste Bodega, wie man hier einen -Winzerbetrieb nennt.</p> - -<p>Dem Salesianerkloster ist auch äußerlich nichts anzumerken. Ein -einstöckiger, schmutziger Ziegelrohbau. Aber durch Zimmer und winklige -Korridore kommt man mit einem Male in einen hochgewölbten Kreuzgang, -ein erstaunlicher Anblick in einem Lande, das nur Wellblech- oder -Lehmbauten kennt. Die Erklärung ist einfach. Einer der beiden -Patres war früher Architekt. Welch seltsames Schicksal mag ihn zum -Salesianermönch gemacht haben! Nun mauert er Jahr für Jahr Gewölbe an -Gewölbe, Kreuzgang, Schlafsaal, Kelterei und Weinkeller. Daneben wird -Jahr für Jahr ein weiteres Stück roher Kamp gerodet und als Weinberg -bestellt. Daneben der Schulunterricht und die geistliche Tätigkeit.</p> - -<p>Wir müssen alles ansehen, Weinberg und Kelter, die zementenen -Gärbottiche und das hohe Steingewölbe mit den großen Lagerfässern, in -ihrer Art einzig im Rio-Negro-Tal. Und schließlich geht’s die enge -Treppe hinunter in den Keller unter dem Kreuzgang.</p> - -<p>Während wir eine Sorte nach der andern probieren müssen, erzählt der -andere Pater ununterbrochen. Über der speckigen, mehr grünlichen als -schwarzen Sutane sitzt ein kugelrunder Kopf, in seiner blühenden Farbe -wie aus Rosenquarz gedrechselt, und alles darunter ist rundlich.</p> - -<p>Ein ferner Klang wie von Geigenspiel streicht durch das Kellergewölbe. -Wir stehen lauschend. „Unser Rennreiter“, meint Pater Rosenquarz.</p> - -<p>Und er erzählt: „Eines Tages kam ein junger Mann und bat um Herberge. -In diesem gastfreien Land ist es<span class="pagenum"><a name="Seite_103" id="Seite_103">[S. 103]</a></span> allgemein Sitte, jedem, der da -kommt, Herberge und Essen zu gewähren. Es sind Arbeitsuchende oder -Abenteurer oder auch nur Wanderlustige, die in monatelangen oder -jahrelangen Märschen halb Südamerika durchwandern. Ich habe manchen -von ihnen kennengelernt. Einer war dabei, der ganz Brasilien und halb -Argentinien durchwandert hatte. Da er dem Mayordomo, bei dem er um -Herberge gebeten, gefiel, fragte ihn dieser, ob er nicht bleiben und -Arbeit nehmen wolle. Aber ein entrüsteter Ausruf war die Antwort: -‚Was, arbeiten! Ich bin zwei Jahre durch Brasilien gewandert, ohne zu -arbeiten, und ich denke es hier in Argentinien auch nicht anders zu -tun!‘ Trotz dieses vielfachen Mißbrauches der Gastfreundschaft wird -doch der Estanciero jedem, der morgens kommt, Frühstück und Mittagbrot -und jedem, der nachmittags eintrifft, Abendessen und Nachtlager geben.“</p> - -<p>Solch einer war es auch, der zu den Salesianern gekommen war. -Monatelang war er durch die Republik gewandert und am nächsten Tage -wollte er weiter. Aber im Gespräch stellte es sich heraus, daß er -Rennreiter und als berühmter Jockei durch die ganze Welt gekommen war. -Bei seinem letzten Rennen in Buenos Aires hatte er sich den Kopf so bös -zerschlagen, daß es nichts mehr war mit der Reiterei. Eine gute Stelle -auf einer Estancia, die man ihm verschafft, gab er mir nichts dir -nichts auf und begann ein Wanderleben.</p> - -<p>Aber außer den Pferden hatte er immer noch seine Geige gehabt, und -die hatte er mitgenommen und spielte den Patres darauf vor. Und als -sie sein Spiel hörten, da meinten sie, das wäre eine treffliche -Gelegenheit, um<span class="pagenum"><a name="Seite_104" id="Seite_104">[S. 104]</a></span> ihren Schülern Musikunterricht zu geben, und auf -ihren Vorschlag blieb der ehemalige Rennreiter als Musiklehrer und -Laienbruder bei den Salesianern.</p> - -<p>Auf unsere Bitten riefen sie den Musikanten zu uns und zum Wein, einen -hohen, schlanken Menschen in billigem Leinenanzug, aber mit Akzent und -Allüren eines Wiener Aristokraten.</p> - -<p>Paris und London, Sidney und New York waren ihm in gleicher Weise -geläufig, und zwischen den Erzählungen von Rennen und Siegen schwirrten -nur so die phantastischsten Zahlen von Gehältern und Gewinnen. Aber -jetzt scheint das alles weit hinter dem noch jungen Mann zu liegen, -und er, ruhig und abgeklärt, als habe es nie etwas anderes gegeben, -als habe er nie etwas anderes erstrebt und gewünscht, als auf einem -weltvergessenen öden Fleckchen einer Insel im Rio Negro mit zwei ein -wenig fetten und schmutzigen, aber vergnügten und tüchtigen Patres zu -sitzen und braunen, wilden Söhnen von Italienern, Spaniern und Indios -Musikunterricht zu geben.</p> - -<p>Wir merkten ihm den Wunsch an, uns vorspielen zu dürfen, und baten ihn -darum. Mit todernstem Gesicht lehnte er sich an den Tisch, und wie er -den Bogen ansetzte, schwand der kranke Ausdruck der Augen — von dem -Sturz war das Hirn wohl noch immer ein wenig durcheinandergerüttelt —, -und wie er nun spielte, saßen alle lauschend, wir und die Patres und -der Indianerjunge, der den Wein einschenkte.</p> - -<p>Immer leidloser und immer befreiender wurden die Lieder, und man -sah die Mücken nicht mehr, die massenhaft um den brandroten Wein -schwirrten. Und er spielte<span class="pagenum"><a name="Seite_105" id="Seite_105">[S. 105]</a></span> doch nur Wiener Walzer, Operetten, -„Dorfkinder“ und „Zigeunerprimas“, aber aus dem Spiel schluchzte -himmelhoch und sehnsüchtig der ganze Gegensatz heraus von hier und -dort, von einst und jetzt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Das_Land_der_Kanaele_17">17. Das Land der -Kanäle.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Allen, Territorium Rio Negro.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_e2" name="initial_e2"> - <img class="h3em" src="images/initial_e.jpg" alt="E" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">E</span>in beinahe unheimlicher Eindruck erfaßt einen, wenn man zum erstenmal -mitten in die Zone intensiver künstlicher Bewässerung kommt. Ein -Schauer streift einen, als sei hier in fast frevelhafter Weise das -Gesetz der Natur überwunden, indem der Mensch das Wetter meistert oder -vielmehr seinen Einfluß ausschaltet und sich in der Bestellung des -Bodens von Regen und Sonnenschein unabhängig macht. Der schlimmste -Feind der argentinischen Landwirtschaft, die Trockenheit, sie, die in -regelmäßigen Abständen Tausende von Existenzen zugrunde gehen ließ, -die Früchte jahrelanger Arbeit in kürzester Frist zerstörte, die das -Korn versengte und das Vieh in Massen mordete: hier ist sie überwunden. -Die Landwirtschaft ist industrialisiert, ist ein maschinenmäßiger -Betrieb geworden, dessen Gedeihen abhängt von dem richtigen Gang des -technischen Apparates, der aber unabhängig ist von den Launen der -Witterung. Ein später Frost kann wohl die Baumblüte zerstören und die -Obsternte gefährden, aber dies ist auch fast das einzige, was dem -Landmann das Wetter noch antun kann. Im übrigen ist der jährliche -Ertrag etwas, was man mit Hilfe der Bewässerung selbst regelt. Der -Landwirt braucht nicht ängstlich zum Himmel schauen,<span class="pagenum"><a name="Seite_106" id="Seite_106">[S. 106]</a></span> sei es, ob -endlich der ersehnte Regen fällt oder ob der Himmel seine Schleußen -schließt, um von der verregneten Ernte noch etwas zu retten. Es regnet -nur im Winter, wenn es gleichgültig ist, und der Farmer selbst gibt -seinen Pflanzen das an Wasser, was sie brauchen.</p> - -<p>Die steil abfallenden Steinwände des patagonischen Hochlandes, deren -Fels rot zu glühen scheint von der darauf brennenden Sonne, begrenzen -das weite Tal, das eine Kuppel von intensivster unabänderlicher Bläue -überspannt. Wo das Wasser noch nicht hinkam, trostlose Dürre, kaum -daß der Boden ein paar dornige Büsche trägt, und unmittelbar daneben, -soweit die Feuchtigkeit reicht, blühendes Grün.</p> - -<p>Pappeln säumen alle Wege, Pappeln, immer nur Pappeln. Ist in -andern Gegenden der Republik Meilen auf Meilen und Stunden auf -Stunden ermüdender Bahnfahrt Drahtzaun, Windrad und Wassertank das -ewig wiederkehrende Motiv, so ist es hier der hohe schlanke Baum. -Regelmäßig und quadratisch wie alles hier im Lande, ist das ganze -Bewässerungsgebiet in Lose von gleicher Größe geteilt. Kann auch ein -Besitzer mehrere Lose in einer Hand vereinen, so muß doch ein jedes -Los von der Größe von 100 Hektar von öffentlichen Wegen umschlossen -sein. Jeder dieser Wege, von denen der größte, die Hauptverkehrsader -durch die Kolonie, eine Breite von 50 Meter hat, ist mit enggepflanzten -Pappeln eingefaßt. Und jeder Weg auf den Chacras, ja jedes Feld ist -wieder mit diesen Bäumen umstanden. Sie säumen jeden Corral und -jeden Wassergraben. Ihr Zweck ist ein vielfacher. Sie sollen die -Gewalt der vom Hochland herunterbrausenden<span class="pagenum"><a name="Seite_107" id="Seite_107">[S. 107]</a></span> Staubstürme brechen und -die jungen Pflanzungen schützen, und sie sollen die Böschungen der -Kanäle festigen. Aber daneben reizt auch das rein Praktische zu -ihrer Anpflanzung. Sie geben Holz, ein wertvoller Artikel in diesem -holzarmen Lande. Und als letzten, wenn auch vielleicht nicht einmal -beabsichtigten Vorteil spenden sie Schatten. Stundenlang im Schatten -reiten zu können ist ein Genuß, den man sonst in Argentinien nicht -leicht findet.</p> - -<p>Am stärksten ist der Kontrast zwischen dem leichten frischen Grün -des Bewässerungslandes und der gelben heißen Dürre des übrigen -Bodens unmittelbar an der Mündung des großen, im Bau befindlichen -Regierungskanales bei Almirante Cordero. Einige Kilometer flußaufwärts -von der Vereinigung des Neuquen und des Limay, die zusammen den Rio -Negro bilden, ist mittels eines gewaltigen Staudammes das gesamte -Flußbett abgesperrt. Von hier zweigt der große Regierungskanal ab, der -bis Zorilla oder Chinchinales führen und das gesamte Rio-Negro-Tal auf -eine Länge von 120 bis 150 Kilometer bewässern soll. Dieser Staudamm -soll zugleich das Tal vor den gefährlichen Überschwemmungen schützen, -die es bisher von Zeit zu Zeit verheerten und deren letzte im Jahre -1899 das Städtchen General Roca zerstörte. Vollständig wird der Schutz -vor den Überschwemmungen allerdings erst dann sein, wenn auch der Limay -reguliert ist. Die größte Gefahr ist jedoch wohl heute schon gebannt.</p> - -<p>Ein besonders günstiger Umstand ist das Vorhandensein eines ungeheuren -leeren Felsenkessels unweit des Staudammes, die Cuenca Vidal. Ihre -Steilwände haben ein Fassungsvermögen von über 5 Milliarden Kubikmeter, -so<span class="pagenum"><a name="Seite_108" id="Seite_108">[S. 108]</a></span> daß selbst die größten Wassermengen zu Zeiten ungewöhnlich großer -Schneeschmelze unschädlich dorthin abgeleitet werden können.</p> - -<p>Almirante Cordero ist heute nichts als eine Barackenstadt für die -am Bau beschäftigten Ingenieure und Arbeiter. Der Anblick ist aber -wesentlich anders als der sonst übliche. Man hat gleich zu Beginn -der Arbeiten Bewässerungskanäle gezogen und Bäume gepflanzt, und -heute liegen die Wellblechbaracken im Schatten eines dichten Haines -hochstämmiger Pappeln.</p> - -<p>Es ist die Zeit des niedersten Wasserstandes, und doch ist es eine -gewaltige Wasserflut, die durch die Schleusen in den unmittelbar vor -dem Staudamm abbiegenden Hauptkanal strömt, genug, um Zehntausende von -Hektaren zu bewässern. Wenige hundert Meter flußaufwärts zweigt ein -breites steiniges Bett ab, das einen natürlichen Ablauf zur Cuenca -Vidal bildet. Man ist augenblicklich noch dabei, das Bett zu vertiefen. -Zwischen dieser Linie und dem Kanal ist ein Streifen Kulturland von -Pappelreihen eingefaßt, und es breiten sich frischer grüner Rasen und -blühende Gärten. Inmitten der sonstigen Steinwüste wirkt dies alles -fast phantastisch, um so mehr als der Übergang zwischen Fruchtbarkeit -und Dürre nicht allmählich erfolgt, sondern plötzlich, wie mit der -Meßschnur gezogen.</p> - -<p>Der Rio Negro fließt dicht am Südrande des Tals entlang, teilweise -fast am Fuße der Steilwände des patagonischen Hochlandes. Im Gegensatz -dazu wird der Kanal am Nordrand des Tales entlang geführt. Mittels -eines Systems von Nebenkanälen, die das Tal durchqueren, soll das -ganze Gebiet mit Wasser versorgt werden. Bisher<span class="pagenum"><a name="Seite_109" id="Seite_109">[S. 109]</a></span> sind aber nur die -ersten Zonen mit den Kolonien Picasso und Luzinda unter Kultur -genommen. Trotzdem an dem Kanal seit vielen Jahren gebaut wird und -mehr als 12 Millionen Peso dafür ausgegeben sind, schiebt sich die -endliche Fertigstellung von Jahr zu Jahr hinaus, so daß die Bewässerung -der größten Kolonie, General Roca, noch immer durch den alten -Genossenschaftskanal erfolgt, während die weiter flußabwärts liegenden -Gebiete einstweilen vergeblich auf Wasser warten.</p> - -<p>Die Bewässerung erfolgt in der Weise, daß von Nebenkanälen, den -„Secundarios“, durch immer weitere Verzweigungen das Wasser bis zu -jeder einzelnen Chacra geleitet wird. Hier hat der Besitzer durch -ein System von Gräben, den „Acequias“, selbst für die Verteilung des -Wassers zu sorgen. Vorbedingung für die Bewässerung ist die vollkommene -Planierung des Geländes. Darauf wird jeder einzelne von Acequias -umrahmte Abschnitt oder Potrero durch niedrige Dämme in Streifen von -20 Meter Breite eingeteilt. Diese Streifen können nacheinander je nach -Bedarf unter Wasser gesetzt werden, indem man die Acequias staut und -den Damm an der gewünschten Stelle durchsticht.</p> - -<p>Die Schwierigkeit liegt darin, dem Boden die richtige Wassermenge -zuzuführen. Vielfach hat sich durch ein Zuviel der Grundwasserspiegel -in bedenklicher Weise gehoben. Aus solcher Überwässerung mag auch -der allzu große Wassergehalt herrühren und der dadurch bewirkte fade -Geschmack, den man da und dort dem Obst vom Rio Negro vorwirft. An -einzelnen Stellen sind die Folgen noch schwerer, und eine unachtsame, -allzu reichliche Bewässerung<span class="pagenum"><a name="Seite_110" id="Seite_110">[S. 110]</a></span> hat zu einer vollkommenen Verschlammung -des Bodens geführt, die stellenweise so weit geht, daß man beim -Passieren zu versinken droht.</p> - -<p>Vor einem solchen versumpften Feld mögen einen Bedenken -beschleichen, daß sich die Natur doch nicht ungestraft ins Handwerk -pfuschen läßt. Allein es sind Fehler, die in der Anlage liegen. -Jedes Bewässerungssystem erfordert die gleichzeitige Anlage von -Entwässerungskanälen; bei dem neuen Regierungskanal hat man dies -vorgesehen und auch ein Entwässerungssystem gebaut.</p> - -<p>Der Eindruck, den das Bewässerungsgebiet macht, ist trotz der -technischen Unzulänglichkeit größer als der jedes andern technischen -Werkes. Denn hier greift der Mensch wirksam und erfolgreich in den -Lauf der Natur ein. Er gibt dem Lande nicht nur Wasser, wann er will, -sondern mit der Bewässerung des Tales ändert sich auch das Klima, -und mit diesem und infolge der vom übrigen Argentinien von Grund aus -abweichenden Lebensbedingungen ändert sich wohl auch der Charakter -der hier aufwachsenden Menschen. Die schwüle Hitze, die andere Teile -Argentiniens so unerträglich macht, fehlt hier völlig. Die Nächte sind -auch im Sommer frisch, die Winter kalt. Statt der extensiven Wirtschaft -im übrigen Argentinien herrscht hier intensiver Betrieb. Das Leben hat -hier etwas von der Enge, aber auch von der Behaglichkeit des alten -Deutschland. Ein bitterer Wermutstropfen nur: trotz der Bemühungen -einzelner Deutschargentinier, wie Theodor Alemanns, war es vor dem -Kriege nicht möglich, Interesse für diesen Landstrich zu gewinnen, -der wie kein anderer für deutsche Einwanderung geeignet gewesen -wäre. Heute ist<span class="pagenum"><a name="Seite_111" id="Seite_111">[S. 111]</a></span> das Land fast durchweg in festen Händen und teuer, -so daß deutsche Einwanderer nur gestützt auf eine kapitalkräftige -Kolonisationsgesellschaft hier die Ansiedelung wagen könnten.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Ritt_durch_Neuquen_18">18. Ritt durch Neuquen.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Am Neuquenfluß.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d8" name="initial_d8"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>er Zug fährt durch eine Wand von Staub. Mehr als die schwarzen -Schleier, die die unendliche Nacht vor die Kupeefenster zieht, sind es -die Staubmassen, die jeden Ausblick hemmen. Wie inmitten einer Sandhose -fährt der Zug.</p> - -<p>Resigniert gibt man den Versuch auf, durch die blinden Scheiben den -Charakter der Landschaft zu erspähen, und läßt auch noch die hölzernen -Rolläden herab, um dem Staub den Eintritt in den Wagen zu wehren.</p> - -<p>Umsonst. Durch die feinsten Ritzen dringt er ein. Fingerdick setzt er -sich auf Polster und Lehne, auf Koffer und Kleider. Von Zeit zu Zeit -macht ein Bediensteter der Bahn den Versuch, mit einem Wedel den Staub -aufzuwischen. Es ist hoffnungslos. Der Zug ertrinkt im Staub.</p> - -<p>Wie sagte der Herr in Bahia Blanca, als er von meiner Reise durch -Neuquen hörte?</p> - -<p>„Was, in diese Wüste wollen Sie?“</p> - -<p>„Waren Sie denn schon einmal dort?“ war meine Gegenfrage.</p> - -<p>„Nein, aber das weiß man doch!“</p> - -<p>Das weiß man doch! Ich frage etwas unter meinen Bekannten in Bahia -Blanca herum, wer Neuquen oder auch nur Rio Negro kenne. Das Resultat -war nicht anders<span class="pagenum"><a name="Seite_112" id="Seite_112">[S. 112]</a></span> als in Buenos Aires. — Kaum einer. Seltsam, da -handeln die Geschäftsherren mit den <span class="antiqua">Frutos del pais</span>, mit -Getreide und Alfalfa, mit Wolle und Häuten, aber sie haben kein -Interesse daran, das Land kennenzulernen, aus dem sie das beziehen, -womit sie sich ein Vermögen machen.</p> - -<p>Und so bilden sich Urteile nicht aus eigener Anschauung, sondern -gleichsam auf überkommenen Konventionen ruhend, die man nachspricht, -ohne sie nachzuprüfen. „Patagonien — nur für Schafzucht geeignet“, -„Regierungsland — wertlos“, „Neuquen — eine Wüste“.</p> - -<p>Stimmt das Urteil? Auf den Stationen sieht man im schwachen Licht der -Sterne kaum eine Bretterbude, einen Windmotor und Wassertank, dahinter -nichts als zampabestandene Wüste. — Ich gehe ins Schlafkupee. Auch -hier der Staub. Noch in den Traum folgt er und liegt beim Aufwachen -trocken im Gaumen und knirscht zwischen den Zähnen.</p> - -<p>Die Stationen sind spärlich geworden. Stundenlang fährt der Zug von -einer zur andern. Und nicht einmal für die wenigen fanden sich Namen, -einfach Kilometer soundso.</p> - -<p>Sand, Zampa, Tosca, dorniges Buschwerk, bestenfalls am Horizont ein -paar Hügel und leicht sich wellende Berge.</p> - -<p>Um neun Uhr sind wir in Ramon M. Castro, der letzten Station vor -Zapala, von wo die Reise zu Pferd weitergehen soll.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p112_abb1" name="p112_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p112_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Freundliche Marktweiber.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p112_abb2" name="p112_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p112_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Lamaherde.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p113_abb1" name="p113_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p113_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Ein Säugling zu Pferd.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p113_abb2" name="p113_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p113_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">In einer bolivianischen Posada.</p> -</div> - -<p>Wie ging uns als Knabe das Herz auf, wenn wir von Wild West lasen. -Heute kann man die Vereinigten Staaten von Ost nach West, von Nord -nach Süd durch<span class="pagenum"><a name="Seite_113" id="Seite_113">[S. 113]</a></span>fahren, man wird von Wild-West-Romantik nichts -mehr sehen. In Argentinien gibt es sie noch, keine 40 Bahnstunden -von der Hauptstadt entfernt: Städte, die heute aus ein paar -Wellblechbaracken bestehen und deren Entwicklung niemand ahnen kann. -Unbegrenzte Möglichkeiten für den Zähen, Zielbewußten, und königliche, -schrankenlose Freiheit in unbegrenzter Weite.</p> - -<p>Die Häuser, aus denen Ramon M. Castro besteht, lassen sich leicht an -zwei Händen zählen: Außer der Station drei Almacene, ein Franzose, -ein Spanier, ein Pole, eine Fonda, die ein Italiener bewirtschaftet, -die Bretterbude der Polizeistation und einige Lehmranchos. Halt, da -ist noch ein stattliches, zweistöckiges Gebäude, ein Ziegelbau mit -Wellblechdach — die Schule. Man frägt erstaunt, für wen. Alle Achtung -vor einem Land, das in seinen abgelegensten, menschenärmsten Teilen -noch solche Schulen baut.</p> - -<p>Diese armselige Kampstadt inmitten trostlos heißer Sandwüste ist für -eine weite Umgebung Kultur- und Wirtschaftszentrum. Hierher verkaufen -die wenigen an dem Flusse sitzenden Estancieros wie die auf dem -Regierungsland nomadisierenden Indios ihr Vieh und ihre Felle. Hier -können sie in den Läden alles einkaufen, was sie brauchen, und in der -Kneipe können sie spielen und sich betrinken. Kehrt man nach tagelangen -Ritten in einsamer Wüste und Steppe nach Ramon zurück, so ist es nicht -anders als die Rückkehr aus der Provinz nach Buenos Aires.</p> - -<p>Einstweilen aber kann man es nicht fassen, wie Menschen es in diesem -heißen, sandigen Kessel aushalten. Kein<span class="pagenum"><a name="Seite_114" id="Seite_114">[S. 114]</a></span> Grün, weder Busch noch Baum. -Nur an der Bahn das Gärtchen des Stationsvorstands, das, von dem Tank -der Südbahn aus mit Wasser versorgt, mit frischem Grün prangt: Tomaten, -Kohl, Pfirsiche, Äpfel, Birnen.</p> - -<p>Sonst kommt alles, was diese Kampstadt zum Leben braucht, mit der Bahn. -Die Preise sind höher als in Buenos Aires. Früchte, die man nur wenige -Bahnstunden weit in Roca zu anderthalb Peso das Hundert kaufen kann, -verkauft der Italiener mit 10 Cent das Stück. Gebrauchsgegenstände, -Stoffe, Kleider, Küchengerät, Messer usw. verkaufen die Almaceneros -mit hundert, zweihundert, ja sogar dreihundert Prozent Aufschlag. Oft -spielt sich das Geschäft in der Weise ab, daß die Indios den Erlös für -Vieh, Felle oder Wolle in einem Tag vertrinken, die Ware auf Kredit -nehmen und wieder ohne einen Cent bares Geld auf ihre einsamen Ranchos -zurückkehren.</p> - -<p>Wir warten die größte Mittagshitze ab, ehe wir abreiten. Mäntel und -Decken — denn die Nächte sind kalt — und ein wenig Wäsche ist alles, -was mitkommt.</p> - -<p>Ein breites flaches Tal zwischen sanften Hängen zieht sich nach Norden. -Wir reiten Stunden und Stunden. In großen Abständen kündet eine -weidende Tropilla Pferde oder eine Schaf- und Ziegenherde einen Puesto, -eine kleine Ansiedlung von Indianern.</p> - -<p>Ein ganz ärmlicher Rancho, ein Brunnen, um den Kürbisse wuchern, und -allenfalls noch ein Corral, mit mühsam zusammengesuchtem Gestrüpp -kunstlos eingehegt, das ist alles. Auf engstem Raum hausen unter dem -niedrigen Lehmdach oft mehrere Männer und Frauen und ein<span class="pagenum"><a name="Seite_115" id="Seite_115">[S. 115]</a></span> Dutzend -Kinder. Wir steigen ab und bitten um Wasser. Mit argentinischer -Höflichkeit wird es gereicht, aber als wir photographieren wollen, gibt -es fast eine böse Szene. Die Señora fürchtet sich vor dem Apparat; -vielleicht glaubt sie sich auch nicht schön genug angezogen. Wir müssen -ohne Aufnahme weiter.</p> - -<p>Von den Hufen unserer galoppierenden Pferde weht der Staub in langen -Fahnen. So geht es Stunde um Stunde, kaum mit kurzen Schritteinlagen. -Es sind billige eingeborene Tiere, klein und unansehnlich; aber -fabelhaft ist, was sie leisten. Sicher wird durch Mischung mit -europäischem Blut der einheimische Schlag größer und ansehnlicher. -Allein geht das nicht auf Kosten von Zähigkeit und Anspruchslosigkeit? -Kein europäisches Pferd könnte bei diesem Futter auch nur entfernt -ähnliches leisten.</p> - -<p>Schon will es dämmern, als sich das Tal verengt. Felskulissen schieben -sich vor. Über den Paßeinschnitt wechselt flüchtendes Wild — Strauße. -Scharf zeichnen sich für Augenblicke ihre Silhouetten am Horizont ab.</p> - -<p>Die Pferde keuchen den steinigen Pfad empor. Auf der Höhe weitet sich -der Blick. Den Horizont grenzen blaue Berge.</p> - -<p>In wildem Farbentaumel stirbt der Tag. Soweit das Auge reicht, nicht -Mensch noch Tier noch Anzeichen menschlicher Behausung. Ringsum -grenzenlose Einsamkeit.</p> - -<p>Der Galopp der Tiere, der müd und kurz geworden war, wird in der -kühlen Nachtluft wieder raumgreifend. Schweigend galoppieren wir durch -buschbestandene Steppe. Mensch wie Tier hasten dem Ziele zu.</p> - -<p>Aus dem Grunde vor den horizontfernen Bergen, die<span class="pagenum"><a name="Seite_116" id="Seite_116">[S. 116]</a></span> sich jetzt wie eine -schwarze Wand drohend vor uns aufbauen, kommt ein mattes Blinken wie -von Silber, auf das schwaches Licht fällt — der Fluß.</p> - -<p>Ohne es zu wissen löst sich aus staubtrockener Kehle ein Schrei: Der -Fluß, Wasser, Leben! Die Pferde rasen ohne Antrieb vorwärts.</p> - -<p>Wie im Traum faßt das Auge die wechselnde Landschaft. Zwischen den -blinkenden Kurven dunkle Flächen von Grün, Gras und Alfalfa, mehr -geahnt als erkannt, Pappeln in Reihen aufmarschiert, die Schatten hoher -Baumgruppen.</p> - -<p>Inmitten der Wüste grünendes Leben, treibende Frucht.</p> - -<p>Wir reiten zwischen Pappelreihen. Dahinter Weingärten, Obst, Früchte. -Unter hohen Bäumen ein großes, weißes Haus, Schuppen, Ställe und -ringsherum Gärten. Eine Oase in der Wüste nimmt uns auf.</p> - -<p>Es ist kein anderer Boden, kein anderes Land als jenes, das wir -durchritten haben, nur daß es der Zauberstab berührt hat, auf den -das ganze Land wartet, um sich in ein Paradies zu wandeln — die -segenspendenden, lebenschenkenden Fluten künstlicher Bewässerung.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Zukunftsland_19">19. Zukunftsland.</h3> - -</div> - -<div class="dc"> - <a id="initial_w2" name="initial_w2"> - <img class="h3em" src="images/initial_w.jpg" alt="W" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">W</span>o der Rio Cayunco in den Neuquen fließt, treten die Berge im weiten -Umkreis zurück und bilden mit ihren steil abfallenden Wänden einen -mächtigen Felskessel.<span class="pagenum"><a name="Seite_117" id="Seite_117">[S. 117]</a></span> Eingeschlossen von dem toten heißen Gestein -aber, an den Ufern der Flüsse, fruchtbares Land, das nur des Wassers -bedarf, um jede Frucht zu treiben.</p> - -<p>Es ist ein eigen Ding um die Sonne, die hier von einem Himmel von -unendlicher Bläue herunterbrennt und deren Hitze die steinernen Mauern -vielfach widerstrahlen. In wenigen Tagen färbt sie Gesicht und Hände, -den offenen Hals und die bloßen Arme über ein Indianerrot zu einem -tiefen satten Braun.</p> - -<p>Sicherlich steigt hier die Quecksilbersäule auf die gleiche Höhe wie in -Buenos Aires, ja selbst auf die Höhe, die ich im Dezember und Januar im -Norden der Provinz Santa Fé stöhnend erlebte. Aber es ist eine andere -Hitze. Es scheint eine andere Sonne. Die Luft ist in diesem Lande, das -keinen Regen kennt, von einer Trockenheit, Reinheit und Klarheit, daß -die Hitze nur wie ein köstlicher, warmer Hauch empfunden wird. Dazu -sind die Nächte wundervoll frisch, fast kalt.</p> - -<p>Wer hat von diesem Klima Neuquens gehört? Ich habe nur von -unerträglichen Staubstürmen gelesen, und es bedarf wohl geraumer Zeit, -bis man sich klar wird, daß dieses Wohlgefühl des Körpers von einem -Klima herrührt, das dem Ägyptens ähnelt.</p> - -<p>In der trockenen Glut dieses Felskessels reift eine Frucht von -unendlicher Süße. Ich gehe durch die pappelumstandenen Weingärten der -Estancia, die mir Gastfreundschaft gewährt. Schwer hängen grün und blau -und rot die Trauben von den jungen Stöcken. Noch sind erst schüchterne -Versuche gemacht worden, aus ihnen Wein zu keltern. Aber Lage und Boden -müssen ein Produkt<span class="pagenum"><a name="Seite_118" id="Seite_118">[S. 118]</a></span> geben, das es mit jedem Wein des Rio-Negro-Tales -aufnehmen kann. Anschließend strömen die Obstgärten unter kühlem -Schatten einen betäubenden Duft aus. Die zehnjährigen Pfirsichbäume -hängen übervoll. Hier und da sind besonders schwerbehangene Äste -gestützt oder unter der Last der Früchte heruntergebrochen. Weiterhin -Äpfel und Birnen, Pflaumen, aber auch Feigen. Auch mit Tabak sind die -ersten Anbauversuche erfolgreich gemacht. Der Boden scheint alles zu -tragen, was man in ihn pflanzt.</p> - -<p>Schwierig ist die Verwertung. Zur Station sind zehn Leguas. Trotzdem -werden Früchte nach Bahia Blanca verschickt. Das übrige dient für den -großen Bedarf des Besitzers, seiner Familie und des Gesindes. Für den -Winter wird in großem Maße Trockenobst bereitet, das man in einfacher -Weise in der Sonne dörrt.</p> - -<p>Die Obst- und Weingärten säumen Alfalfafelder, die fast bis an -den Fluß reichen. Unter den Akazienbäumen des Hofes steht die -Reinigungsmaschine, die den Samen von den letzten Unreinigkeiten -befreit. Wie pures Gold rinnen die gelben Körner über die Siebe in die -Benzinkannen, die als Meßgefäße dienen.</p> - -<p>Keuchend bringen die Peone die schweren Säcke angeschleppt. Klappernd -dreht sich die Maschine, und ein kleiner Indianerjunge streicht -vorsichtig den Samen in den Latas, den Kannen, bis zum Rande glatt, -damit das Maß genau stimme, und der Besitzer füllt über ausgebreitetem -Segeltuch den goldenen Samen so sorgfältig in die zum Versand -bestimmten doppelten Säcke, als handle es sich um wirkliches Gold. Für -ihn ist es das auch. Trägt ihm doch jeder Hektar 500 Kilo Samen und -rechnet er aus seinen<span class="pagenum"><a name="Seite_119" id="Seite_119">[S. 119]</a></span> wenigen hundert Hektaren auf einen Gewinn von -30000 bis 40000 Peso.</p> - -<p>Mit Ausnahme der in der Nähe des Flusses liegenden Alfalfafelder -empfängt das ganze Land Wasser mittels eines Kanals, der zwei Leguas -oberhalb der Estancia vom Fluß abzweigt und durch ein System von -Acequias Alfalfa, Obst und Wein bewässert.</p> - -<p>Die ganze Anlage ist nicht älter als dreizehn Jahre. Um diese Zeit -kam der Besitzer hierher, ein Spanier, der bisher einen Laden in Las -Lajas hatte, kaufte um wenige Peso das wertlose Land und schuf in -unermüdlicher, harter Arbeit das heutige Paradies.</p> - -<p>Das Land ringsum, zum Teil Regierungsland, zum Teil Privatland, ernst -um einen Pappenstiel gekauft, aber unverwertet gelassen, da seine -unfruchtbare Dürre kaum Schafe und Ziegen ernähren würde, unterliegt -denselben Bedingungen. Nur zwei Dinge braucht es, Arbeit und Wasser.</p> - -<p>Wir reiten zum Fluß. Noch brennt die Mittagssonne. Langsam trotten die -Pferde hintereinander auf dem schmalen Pfad durch die Alfalfa. Noch -liegt ein leichter blauer Schimmer der absterbenden Blüte über dem -grünen Feld. Doch die meisten Pflanzen hängen schon schwer unter dem -überreichen Samen.</p> - -<p>Ein breiter Streifen ungenützten Landes trennt das letzte Alfalfafeld -vom Fluß, Überschwemmungsland. Denn noch ist ja der wilde Gebirgsfluß -in keiner Weise reguliert, und Überschwemmungen drohen hier jede -menschliche Arbeit zu vernichten. Sand und Kiesbank, grünumstandene -Lagunen, Schilf, Gras und Buschwerk, durch das sich die<span class="pagenum"><a name="Seite_120" id="Seite_120">[S. 120]</a></span> Pferde -kaum einen Weg bahnen können und das fast über unseren Köpfen -zusammenschlägt, wechseln miteinander ab. Dann wieder das Kiesbett -eines trockenen Flußarmes und Weiden in kleinen Gruppen. Die Sonne -brennt auf unsere bloßen Arme. Über unsern Häuptern streicht ruhigen -Fluges ein mächtiger Adler. In seinen Fängen windet sich lang -herabhängend eine große Schlange.</p> - -<p>Unsere Pferde saufen im Fluß. Man muß schon ein guter Schwimmer sein, -um über den breiten reißenden Strom das andere Ufer zu gewinnen. -Fast andächtig sehe ich auf die raschfließende Flut. Wie nutzlos -vergeudetes Lebensblut verströmt sie. Nur ein winziger Bruchteil dieses -lebenweckenden Elementes ist ja abgefangen. Statt Hunderte von Hektaren -ließen sich Tausende und Zehntausende bewässern. Wir stehen hier am -Anfang vielfältigen Werdens.</p> - -<p>Vor den Hufen unserer Pferde schwirren immer wieder die Martinetes auf. -Diese schmackhaften, hier nur allzu zahlreichen Vögel sind der einzige -Feind der Kulturen, die weder Dürre noch Heuschrecken, noch Phylloxera -noch irgendeine andere Reben- oder Baumkrankheit kennen. Aber wie der -Weg höher hinaufführt, sandiger und steiniger wird, hören auch sie auf, -und nur ab und zu huscht eine feiste Feldmaus vorüber oder ein putziges -Gürteltier, das eiligst hinter einem Busch Deckung sucht.</p> - -<p>Der Weg führt hoch oben am Rand der Felsmauern entlang, und man sieht -weithin über das Land. Nur spärlich sind die grünen Flächen bebauten -Landes oder die Baumgruppen, die menschliche Wohnung künden. Fast -zufällig sind sie entstanden, indem da oder dort ein unter<span class="pagenum"><a name="Seite_121" id="Seite_121">[S. 121]</a></span>nehmender -Estanciero oder ein etwas weiterblickender Indio einen Kanal vom Fluß -abzweigte.</p> - -<p>Rasch wechseln beim eiligen Reiten Gedanken und Phantasien. Wenn -hier planmäßig gearbeitet würde, wenn das Wasser der Flüsse nicht -nur zu rationeller, groß angelegter Bewässerung genützt, sondern der -regulierte Neuquen gleichzeitig als Transportstraße für den Absatz -der Produkte dieses Landstriches verwendet werden könnte und sein -Gefälle für den Antrieb elektrischer Maschinen, die ein weites Gebiet -mit Licht und Kraft versorgten — da, das bäumende Pferd wirft mich -fast aus dem Sattel. Grellgelb und schwarz züngelt dicht vor ihm eine -Giftschlange auf. Die Pistole fliegt aus dem Futteral. Aber schon ist -das Biest in einem Erdloch verschwunden. Die Gedanken sind plötzlich -abgerissen. Noch ist hier ja Wüste, Einsamkeit, Weltabgeschiedenheit. -Wer hier als Ansiedler anfängt, läßt weit hinter sich alles, was Kultur -und Zivilisation heißt. In weiter Ferne liegt die Verwirklichung der -Möglichkeiten, die dieses Land birgt, es sei denn, daß zu den beiden, -die Wüste in Garten wandeln sollen, zu Wasser und menschlicher Arbeit, -ein drittes kommt — das Kapital.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Deutsche_Siedler_in_argentinischer_Wildnis_20">20. -Deutsche Siedler in argentinischer Wildnis.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Am Cayunco.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d9" name="initial_d9"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie Nebenflüsse des Neuquen vervielfachen die Möglichkeiten -dieses Flusses der Gobernacion gleichen Namens. Wenn auch für -Schiffahrtszwecke infolge des<span class="pagenum"><a name="Seite_122" id="Seite_122">[S. 122]</a></span> niedrigen Wasserstandes im Sommer nicht -geeignet, so sind die Verhältnisse für künstliche Bewässerung hier -stellenweise noch günstiger als am Hauptfluß.</p> - -<p>Ich reite den Cayunco stromauf. Einige Leguas hinter der Mündung -schließt sich das Tal zu enger Felsschlucht zusammen. Tief unten -springt der Fluß über Felsblöcke. Aber noch hier oben am Wege ist der -Stein seltsam ausgehöhlt, rundgewaschen und glattpoliert, zum Zeichen, -daß manchen Winter übergroße Wassermassen die ganze Schlucht füllten.</p> - -<p>Hinter der Enge öffnet sich ein weites Tal. Auf dem nördlichen Ufer -rücken die Berge bis an den fernen Horizont zurück, während sie sich -auf dem südlichen in sanftgewellte Hügel lösen.</p> - -<p>Von Zeit zu Zeit künden grüne Flächen und Baumgruppen die Puestos von -Indianern, die mit Hilfe primitiver Kanäle einige Hektar unter Kultur -genommen haben.</p> - -<p>Bei einer Ranchogruppe unter besonders hohen dichten Bäumen soll erste -Rast gehalten werden. Allein statt der Indios, die wir um Mate, um -Paraguaytee, angehen wollten, stoßen wir auf Männer, bei denen aller -Sonnenbrand die mitteleuropäische Abkunft nicht verwischen konnte. -Deutsche Laute nehmen den letzten Zweifel. Wir sind in einer deutschen -Siedelung mitten in der Wildnis, an der Grenze der Republik.</p> - -<p>Es sind junge Leute zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die der für -Deutschland ungünstige Ausgang des Krieges aus ihrer Bahn geworfen -hat: aktive Offiziere des Heeres und der Flotte, Marineingenieure, -Staats<span class="pagenum"><a name="Seite_123" id="Seite_123">[S. 123]</a></span>beamte, aber auch Handwerker und Landarbeiter. Da sie nicht über -viel Geld verfügten, blieb ihnen die Qual der Wahl, wo sie das Land -kaufen sollten, erspart. Sie mußten sich mit billigem Regierungsland -begnügen.</p> - -<p>Ich habe einige Tage unter diesen Siedlern gelebt, und ich muß sagen, -einfacher kann man nicht gut leben, aber auch kaum glücklicher und -zukunftsfroher sein. Wohl waren einige Lehmranchos da. Aber da sie noch -von ihren früheren Bewohnern her voll Ungeziefer saßen, nutzte man sie -lediglich als Gepäck- und Geräteschuppen, und alles, einschließlich -der einen Frau, die ihren Gatten in die Wildnis begleitete, schlief im -Freien.</p> - -<p>Es ist ein herrliches Schlafen unter dem freien strahlenden -Sternenhimmel, wenn auch das Aufstehen in der empfindlichen Kühle -nicht ganz leicht ist. Bereits vor fünf Uhr steht alles um das mächtig -flackernde Feuer, auf dem der Siedler vom Küchendienst bereits den -Morgenkaffee bereitete.</p> - -<p>Um fünf Uhr beginnt die Arbeit. Der ehemalige Indianerpuesto, in -dem sich die Siedler zunächst niedergelassen, hatte einen alten -verwahrlosten Kanal. Den galt es zunächst in Ordnung bringen, um -möglichst rasch einige Hektar Gartenland und Weide bewässern zu können. -Dann mußte ein Potrero gebaut werden, der bereits fertig ist, und jetzt -ist man an der Errichtung eines Kolonistenheims, um vor Eintritt der -kalten Jahreszeit unter Dach und Fach zu sein und um vor allem auch für -die übrigen Frauen, die teilweise auf benachbarten Estancien, teilweise -noch in Deutschland sitzen, eine gute warme Unterkunft zu schaffen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_124" id="Seite_124">[S. 124]</a></span></p> - -<p>Steine für den Unterbau liefert eine hinter der Siedelung hochsteigende -Felswand. Lehmboden zum Ziegelbrennen ist zur Genüge da, Kalk hofft man -noch zu finden, und so brauchen nur Holz und Wellblech zugeführt zu -werden. Einer der Siedler ist Architekt, nach dessen Plänen und unter -dessen Leitung gebaut wird.</p> - -<p>Es sind etwa zwanzig Herren, die unter der Leitung zweier -argentinischer Landwirte, eines Kolonisationschefs und eines Capataz, -den Grundstock zu einer Siedelung legen.</p> - -<p>Manche der Siedler stammen aus angesehenen, wohlhabenden Familien, -und sicher war der Sprung in so ganz andere Lebensverhältnisse und -die Gewöhnung an schwere körperliche Arbeit nicht leicht, und das -Zusammenleben so verschiedenartiger Elemente auf so engem Raume mußte -zu Reibungen führen. Aber wie sich alle in der Zwischenzeit ein paar -tüchtige, schwielige Hände zugelegt haben, so hatte ich auch den -Eindruck, daß sich die übergroße Mehrzahl nicht nur mit dem neuen Leben -abgefunden hat, sondern daß sie alle völlig in ihrer Arbeit und in -ihrem Unternehmen aufgehen.</p> - -<p>Es ist ein eigen Ding um die Arbeit auf eigenem Grund und Boden. -Zehnmal so leicht ist sie wie für fremde Rechnung. Die Siedler haben -sich zunächst zu einem Jahr unentgeltlicher gemeinschaftlicher Arbeit -verpflichtet, und sobald wie möglich sollen dann die einzelnen -Familien auf eigenen Losen angesiedelt werden und jede eine gewisse -Anzahl Hektar Bewässerungsland bewirtschaften, während der übrige Kamp -genossenschaftlicher Viehwirtschaft dient.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_125" id="Seite_125">[S. 125]</a></span></p> - -<p>Sobald es Abend wird, kommen die einzelnen Gruppen von der Arbeit, die -einen vom Steinetragen, die andern vom Roden, die dritten vom Kanalbau. -Unter den Pappeln und Weiden sitzt man auf den selbstgefertigten -Bänken, ein Stück knusprigen Bratens in der Hand.</p> - -<p>Rasch sinkt die Nacht. Von dem verglimmenden Feuer steigt ein leichter -blauer Rauch. Aus dem Potrero tönt das Läuten der Glocke der Leitstute -der Tropilla, und in das Läuten der Glocke, in das Quaken der Frösche -vom Fluß her und das Zirpen der Grillen und in all die unbestimmbaren -Geräusche der Nacht in der Wildnis klingt immer wieder das Lachen der -jungen Frau.</p> - -<p>Man sitzt und erzählt. Einer hat sich schon zurückgezogen, und aus der -Ferne klingt sein Geigenspiel. Schwermütige Weisen — wie könnt’ es -anders sein.</p> - -<p>Es war viel Hoffnungsfreude und Zukunftsglaube unter den Siedlern. -Im Geiste stand bereits das Haus, blühte das Feld. Aber als ich nach -Jahresfrist nach Argentinien zurückkehrte, da war die Siedelung -eingegangen, an Kapitalmangel, an Streitigkeiten der Siedler. Sie alle -waren auseinandergeflogen, und ein Teil vegetierte dahin in Elend und -Armut.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Auf_dem_Cayuncohochland_21">21. Auf dem -Cayuncohochland.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Am Cayunco.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_z" name="initial_z"> - <img class="h3em" src="images/initial_z.jpg" alt="Z" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">Z</span>wischen den beiden Nebenflüssen des Neuquen, dem Cayunco und dem -Agrio, erstreckt sich als Wasserscheide ein mächtiges Hochplateau. -Vom Fluß aus scheinen<span class="pagenum"><a name="Seite_126" id="Seite_126">[S. 126]</a></span> dessen steil abfallende Wände das Tal wie mit -unübersteigbaren Mauern abzuschließen. Aber wie man mir sagt, führt ein -Reitweg auf die Hochfläche hinauf, und da Hufspuren und vertrockneter -Pferdemist untrügliche Spuren geben, reite ich allein eines Morgens los.</p> - -<p>Endlos dehnt sich der Weg. Die scheinbar so nahen Felsmauern rücken -immer wieder ein Stück in die Ferne. Es zeigt sich, daß oberhalb der -leicht und einfach bewässerbaren Flußufer sich weithin eine zweite -Stufe dehnt, teilweise Ebene, teilweise leicht gewelltes Land, die -nicht minder Frucht und Alfalfa tragen könnten wie das Land am -Fluß, wenn, ja wenn es gelänge, hierhin Wasser zu bringen. Allein -mit den einfachen Mitteln des bisherigen Kanalsystems ist nicht -daran zu denken. Dazu gehörten schon Stauwerke, großzügige Anlagen, -Ingenieurarbeit.</p> - -<p>Zwischen Zampabüschen, die noch bei größter Dürre und absolutem -Wassermangel gedeihen, führt die Hufspur. Der Boden ist reich -an Salpetersalzen. Stellenweise ist er weiß von ausgeschiedenen -Kristallen, und einzelne Pflanzen sind von unten her ganz damit -bedeckt. Die Kristalle kriechen an Wurzeln und Stengeln in die Höhe, so -daß es aussieht, als verwandelten sie sich langsam in steinerne Blumen -des Todes.</p> - -<p>Eine Reihe trockener Flußbetten kreuzt den Weg. Dann schlängelt er -sich längs der Felsen hin, bis eine Schlucht sich auftut und steil und -steinig der Weg sich aufwärts windet.</p> - -<p>Mühsam keucht das Pferd. Auf Meilen sind wir beide die einzigen -Lebewesen. Sind wir’s wirklich? Dort,<span class="pagenum"><a name="Seite_127" id="Seite_127">[S. 127]</a></span> von dem Felsvorsprung, hebt -sich eine seltsame Silhouette vom Himmel ab, ein seltsam geformter -Stein, ein bizarrer Strauch, oder ist es wirklich ein Guanaco? Beim -Näherkommen zeichnet sich deutlich das braune zottelige Fell ab, der -unwahrscheinlich lange Hals, der lächerlich kleine Kopf des Tieres, -das wie eine tolle Laune des Schöpfers wirkt. In seiner unbeweglichen -Haltung sieht das Tier nicht anders aus wie einer dieser grotesken -Auswüchse der Felsen, die bald Drachen, bald menschliche Köpfe oder -tierische Leiber scheinen. Fast könnte man noch zweifeln, ob es -wirklich ein lebendes Wesen ist. Da bekommt es Wind von dem nahen -Menschen und zieht in eiliger Flucht ab.</p> - -<p>Wie Blut und Feuer brennt in der Sonne der rote Fels. Die Augen -schmerzen, bis der Rand der Hochfläche erreicht ist und das jetzt -wieder alles überwuchernde matte Grün der Büsche wohltuende Ruhe gibt.</p> - -<p>Aber zwischen den Büschen verschwindet der letzte Rest der Hufspur. In -den leichten Senkungen des Hochplateaus versinkt der letzte Richtpunkt -am Horizont. Nach rechts, nach links, nach vorn, nach hinten eine -einzige, gleichförmig eintönige Fläche. Nur Sonne und Kompaß bleiben -als letzte untrügliche Wegweiser.</p> - -<p>In mühsamem Galopp geht es durch das dornige Strauchwerk. In die -grenzenlose Verlassenheit zittert ein Sehnen nach etwas Großem, -Befreiendem, nach einem Ende dieser verzweiflungsvollen Öde. Aber -hinter jede eben überwundene sanfte Hügelkette schiebt sich eine neue. -Mit einem Male, als die Stimme, die zur Umkehr mahnt, schon laut und -vernehmlich geworden war, scheint es,<span class="pagenum"><a name="Seite_128" id="Seite_128">[S. 128]</a></span> als höben sich Vorhänge, und -von der letzten Kimme aus öffnet sich berauschend weit der Blick ins -Agriotal hinunter.</p> - -<p>Einem Amphitheater gleich öffnet sich die weite Schlucht. Immer weiter -treten Felskulissen zurück, braun und grau und rot, bis über Hänge und -Stufen hinunter tief unten im Grund wie fließendes grünes Licht das -gewundene Band des Agrio aufleuchtet. Nach West und Nordwest aber baut -sich in horizontweiter Ferne unter der leuchtenden Last des ewigen -Schnees der Fels der Kordillere in intensiv blauen und weißen Farben -auf.</p> - -<p>Unbestimmte Sehnsucht ist es, die durch brennend heißen Sand und -Dornbusch bis zu jenen unerreichbar fernen Bergen treibt. Zwischen -Busch und Stein formt sich wieder Hufspur, die durch Schluchten -hindurch langsam wieder abwärts führt zu jener Stufe oberhalb des -Cayuncotals.</p> - -<p>Eben oder nur in sanfter Wellung zieht sich die Terrasse Leguas weit. -Herrenloses Land, unnützes Land, trocken und dürr. Wer hier Wasser -hinbrächte, wer hier Weide und Acker erschlösse, nahrungspendend für -Tausende!</p> - -<p>Vor dem Reiter flüchtende Schaf- und Ziegenherden künden die ersten -Spuren menschlicher Siedelung. Es sind Indianerpuestos unten am Fluß -zwischen Pappeln und Weiden.</p> - -<p>Der Weg führt plötzlich steil und rasch abwärts. Der Fluß rückt dicht -heran. Jetzt trennt nur mehr ein steil abfallender Hang den Pfad von -seinem blauen Spiegel.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p128_abb1" name="p128_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p128_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Hörige Indianerinnen im Cocal.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p128_abb2" name="p128_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p128_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Weg im Fluß.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p129_abb1" name="p129_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p129_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Prähistorische Mumien vom Andenhochland.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p129_abb2" name="p129_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p129_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Bolivianischer Friedhof.</p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_129" id="Seite_129">[S. 129]</a></span></p> - -<p>Der Weg scheint zu Ende. Die Hänge, die voll von Papageienlöchern sind, -lösen Felsen ab, die dicht an den Fluß heranrücken. Zwischen Wasser und -Stein bleibt kaum so viel Platz, daß das Pferd vorsichtig tastend seine -Hufe setzen kann.</p> - -<p>Auf einer Sandbank am Fluß endet der Weg. Kristallklar strömt -die Flut. Durstig trinken Mensch und Tier. Hinter dem über den -Wasserspiegel Gebeugten knirscht der Kies. Ein Mensch ist aus den -Felsen herausgetreten, sonngebräunt, verwildert, mit langem Bart und -Haar. Einen mächtigen Kasten und ein Stativ hält er in den Händen. Weiß -Gott, ein Nivellierapparat! — Es ist ein Vermessungsingenieur. Seit -Wochen haust er hier in menschenfernster Einsamkeit, häuft meterhohe -Steinpyramiden zu trigonometrischen Punkten und mißt das Land, das -selbst auf den neuesten Regierungskarten nur eine weiße Fläche ist.</p> - -<p>Er führt mich zu dem Indianerpuesto, wo er ißt und schläft. Hier -kredenzt die braunhäutige Señorita den Mate, den in Argentinien -üblichen Paraguaytee. Neben dem alten Indianer, der nicht lesen noch -schreiben kann, der nichts kennt als seine Pferde und Schafe, sitzt als -Gast und Hausgenosse der akademisch gebildete deutsche Ingenieur und -ehemals königlich preußische Staatsbeamte, benutzt zum Trinken dieselbe -Bombilla, das Röhrchen mit einem Sieb am untern Ende, und spricht mit -dem Indio als Caballero zum Caballero. Der in Europa so ganz andere -Verhältnisse gewöhnte Fremde muß immer wieder über die natürliche, -kavaliermäßige Sicherheit staunen, mit der sich auch der einfachste -Ureinwohner dieses Landes bewegt,<span class="pagenum"><a name="Seite_130" id="Seite_130">[S. 130]</a></span> und über das über alle sozialen -Unterschiede hinwegleitende chevalereske Verhältnis gegenseitiger -Höflichkeit und Achtung zwischen Patron und Peon.</p> - -<p>Wie ich die beiden nebeneinander sitzen sehe, steigt mir eine -Zukunftsvision dieses Staates auf, in dem sich aus den größten -Gegensätzen des Klimas, des Bodens und der Menschen langsam und fast -unmerklich ein neues Land und eine neue Rasse formen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_131" id="Seite_131">[S. 131]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Chile">Chile</h2> - -<div class="figcenter"> - <a id="p131_wappen_chile" name="p131_wappen_chile"> - <img class="mtop2 w10em" src="images/p131_wappen_chile.jpg" - alt="Wappen von Chile" /></a> -</div> - -</div> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_132" id="Seite_132">[S. 132]</a><br /><a name="Seite_133" id="Seite_133">[S. 133]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="UEber_die_Kordillere_22">22. Über die Kordillere.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Los Andes.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_v2" name="initial_v2"> - <img class="h3em" src="images/initial_v.jpg" alt="V" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">V</span>on Neuquen führen zwei Wege über die Kordillere der Anden nach Chile, -der eine über San Carlos Barriloche und den Nahuel-Huapi-See, der -andere über San Martin de los Andes, der erstere im Auto, letzterer nur -zu Pferd oder Maultier benutzbar. So groß auch die Lockung war, über -die Schneeberge zu reiten, die ich täglich vor mir sah, so entschloß -ich mich doch, nach Buenos Aires zurückzufahren, um den ersten und -Hauptverkehrsweg zwischen Argentinien und Chile zu benützen und über -den Uspallatapaß mit der transandinen Bahn zuerst nach der Hauptstadt -der chilenischen Republik zu fahren.</p> - -<p>Vierundzwanzigstündige Schnellzugsfahrt bringt nochmals durch die -seit Monaten wohlbekannte argentinische Landschaft. Pampa, flache, -endlos weite unbegrenzte Ebene. Aber je mehr sich mit Tagesgrauen der -Zug der Wein- und Obstzone von Mendoza nähert, desto mehr ändert sich -der Charakter der Landschaft. Die Eindrücke vom Rio Negro und Neuquen -wiederholen sich. Erst spärlich aufmarschierende Pappelreihen, die -ersten Anzeichen künstlicher Bewässerung, dann dichter und dichter -werdend Wein, Obstgärten und Alfalfafelder.</p> - -<p>Mendoza ist das Zentrum des ältesten Wein- und Fruchtgebietes des -Landes, eine friedliche Stadt; gepflasterte Straßen, Baumreihen und -Häuschen, umrankt von Trauben. Hier wechselt die Spurweite, und die -schmalspurige Andenbahn beginnt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_134" id="Seite_134">[S. 134]</a></span></p> - -<p>Von der Landschaft des Rio Negro kommt man in die des Neuquen. Die -Kulturen verlieren sich zwischen Sand und Stein, die Berge, die als -großartiges Panorama den Horizont säumten, rücken heran. Die Schienen -gleiten in Flußtal und Schlucht hinein. Unten rauscht der Mendoza. Hie -und da ist noch ein Kanal für die eine oder andere kleine Estancia mit -wenigen Alfalfafeldern abgezweigt. Dann hört auch das auf. Die letzten -Büsche verschwinden; kein Halm, kein Strauch, keine noch so dürre, -bedürfnislose Distel. Nichts als Stein, nackter Fels; nur wo dem kahlen -Stein die heißen Quellen entspringen, bei Cacheuta, inmitten ödester -Felseinsamkeit mondänstes Leben.</p> - -<p>Bald saust der Zug um scharfe Kurven. Täler verengen und weiten sich. -Graues, schieferartig übereinandergeschobenes Gestein wird heller und -rötet sich zu Sandsteinfarbe. Das letzte Grün verhaucht zwischen den -Schluchten. Neue Felsen, neue öde, grandios einsame Steinhalden. Die -Sonne brennt in den Steinkessel, die Bläue des Himmels vertieft sich. -Im Zug wird es stiller und stiller. Tiefleuchtende Augen sehen voll -stummer Andacht in diese Welt, so unbelebt, so unberührt. Hier ist -Gottes ureigenstes Gebiet.</p> - -<p>Nur das heisere Schnaufen des Zuges und der gellende Sirenenschrei der -Lokomotive durchbrechen die Stille. Weiter und weiter. Als ginge es in -steinernen Urwald hinein, in ein vormenschliches Zeitalter, mit einem -Häuflein Menschen in hochmodernen Wagen.</p> - -<p>Noch stummer, noch unbeweglicher, noch mahnender stehen die Felsen. Ein -Grauen packt uns vor dieser Ein<span class="pagenum"><a name="Seite_135" id="Seite_135">[S. 135]</a></span>samkeit. Wer ist stärker, sie oder wir? -Stumm stehen die Felsen. Kein Laut löst die Enge. Drei, vier Felsen, -wie in Verzweiflung gerungene Hände, dicht aneinander und übereinander -wachsend, dann wieder ein einziger großer Stein, ein mächtiger Koloß, -ruhend, stark wie ein Gott, der die paar Menschen an sich herankommen -läßt. Als der Zug, bei steilerem Anstieg wieder einmal in die -Zahnradkette eingeschnappt, langsam keuchte, war einer ausgestiegen, -der dann, als die Lokomotive plötzlich wieder anzog, nicht rasch genug -wieder aufspringen konnte. Es gab ein verzweifeltes Rennen, bis der -Zugführer verständigt war und stoppte. Auf den Zügen des italienischen -Auswanderers malte sich das Grauen, als er uns wieder erreichte.</p> - -<p>Scharf geht die Bahnlinie den Fels an. Steil wird die Trasse und -gefährlich. Bald, in wenigen Wochen, in Tagen vielleicht werden -zwischen jenen Felsblöcken die ersten Schneelawinen hinunterrollen. Der -Mensch hat Schutzdächer gebaut, um seine Bahn zu schützen. Wie in einen -Schlund tauchen wir unter das erste. Oder haben sie den Zweck, die -Augen vor der immer großartiger werdenden Schönheit zu schützen? Wenn -ein Schutzdach aufhört, sieht man verwirrt in die flimmernden Lichter. -Die Sonne hat ihren Zenit überschritten. Regenbogenlichter spielen auf -dem Fels. Dahinter die weißen Kuppen der Schneeberge und der bläuliche -Schimmer von Gletschern. Wo sie herunterkommen, verändern sie den Fels. -Rillen werden gewaschen, Blöcke verschoben. Man ahnt, daß auch hier -Kämpfe spielen, der ewig währende, uralte Kampf zwischen Wasser und -Stein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_136" id="Seite_136">[S. 136]</a></span></p> - -<p>Puente del Inca ist der letzte Punkt, bis zu dem die Zivilisation -hochgedrungen. Dann stört nichts mehr die grandiose Monotonie der -Berge. Nur der Schienenstrang, den der Mensch als Fessel über den -Berg gelegt, verbindet menschliches Leben diesseits und jenseits der -Kordillere. Wir sind jetzt in über dreitausend Meter Höhe. Das Blut -pocht in den Schläfen. Der Kopf wird schwer von Wirrnis.</p> - -<p>Aber als der Zug aus dem langen Tunnel heraustritt, der unter -der Paßhöhe der Cumbre durchgestoßen, verwehen alle Spuren der -Bergkrankheit. Nichts als restloses Aufgehen in dieser hinreißenden -Schönheit des Landes. Der Fels fängt an zu opalisieren. Phantastisch -bunte, lichte Farben legen sich über die Hänge: blau, wie Kobalt, -rosenrot, violett, vom zartesten Grün bis zum intensivsten Giftton, -Indigo, Purpur. Wie Pastellmalerei, zart und fein, spinnt sich das Bild -der Farben über den Stein.</p> - -<p>Von der Plattform des letzten Wagens ist es ein einsames Schauen, -als schwebe man in unendlicher Einsamkeit den Fels hinan. Tiefste -Frömmigkeit, wie nur die unmittelbare Todesnot der Schlacht sie -brachte, füllt das Herz. Wenn man hier auf diese Höhe Menschen brächte, -ihnen Nahrung erschließen könnte aus dem toten Stein, welch Geschlecht -müßte hier erwachsen! Ein Geschlecht, das, in unmittelbarer Nähe des -Schöpfers aufgewachsen, in seinem Herzen die starke, reine Flamme -läutern müßte, die Flamme, die, hinuntergetragen in das dunstige, -schlammige Tal, den Frieden bringen müßte den Menschen und Völkern, die -heute einander töten, vernichten, vergiften, die wie Reptilien in eklem -Pfuhl ineinander verschlungen und verbissen liegen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_137" id="Seite_137">[S. 137]</a></span></p> - -<p>Vorbei — ein neues Schutzdach blendet die Augen. Aber durch die -viereckigen Löcher in seiner Decke fällt in dicken Streifen die Sonne -herein. Wie Lichtpfeiler geleiten sie den Zug, und es ist, als arbeite -sich die Maschine an ihrer Lichtspur aufwärts.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Das_Paradies_am_Pazifik_23">23. Das Paradies am -Pazifik.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Santiago de Chile.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_i_j4" name="initial_i_j4"> - <img class="h3em" src="images/initial_i_j.jpg" alt="I" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">I</span>st es infolge der monatelangen Gewöhnung an die grenzenlose -Eintönigkeit der Pampa, oder steht das Herz noch unter dem bangen -Eindruck der steinernen Göttlichkeit der Kordillere, daß einen beim -Hineingleiten in die chilenische Landschaft dies grünende, blühende, -früchtetragende Land umfängt wie ein betörend schöner Traum?</p> - -<p>Kaum daß der Zug den Tunnel unter der Höhe der Cumbre passiert hat und -in rasend raschen Windungen auf 2000 Meter Höhe hinuntergeeilt ist, -vorbei an dem indigoblauen Inkasee, dessen Tiefe noch niemand gelotet -hat, kriecht bereits das erste Grün die Steinhänge hinan und weiden -längs des sich aus Schmelzwasser bildenden Flusses Pferde und Rinder.</p> - -<p>Auf das Grün folgt Kaktus in unheimlich fleischigen, dicken, -übermannshohen Stämmen, pfeilgerade ohne Knollen, Früchte und -Blätter zwischen dem Fels emportreibend, dann Felder, Gärten, Bäume, -richtige schattenspendende Bäume, wie Argentinien sie kaum kennt, -die Stationshäuschen von Veranden umgeben, blumenumrankt, und vor -ihnen aufmarschiert in endloser Reihe ein<span class="pagenum"><a name="Seite_138" id="Seite_138">[S. 138]</a></span> Tisch neben dem andern, -reichbeladen mit Früchten, Trauben, weiß, blau und rot, Äpfel, Birnen, -eine Fülle fremder, absonderlicher Früchte, die der Reisende aus Europa -noch nie gesehen.</p> - -<p>Und der Eindruck eines paradiesisch schönen, phantastisch reichen -Landes bleibt, mag man mit dem Zug weiter nach Westen über Santiago -nach Valparaiso oder nach Süden nach Talca oder gen Norden nach Serena -fahren. Er bleibt auch, wenn das in allen Farben brennende Herbstlaub -von den Bäumen fällt und halbmeterhoch mit Blattgold die Wege deckt. -Überzieht sich auch den einen oder andern Tag der Himmel und strömt -wolkenbruchartig der Winterregen, die lehmigen Straßen in Gießbäche -verwandelnd, so heben sich am nächsten Tag von der intensiven Bläue -des Himmels traumhaft schön in blendender Weiße die bis tief hinab mit -Schnee bedeckten Hänge der Kordillere ab. An ihrem Fuß aber wandelt man -in strahlend warmer Sonne durch Gärten, in denen Rosen blühen, und aus -deren dunklem Grün der satte Goldton reifer Orangen leuchtet.</p> - -<p>Diese Gärten um Santiago! Kein Baum, kein Strauch, keine Pflanze der -Welt scheint in ihnen zu fehlen. Von Kiefern, Pinien und Zedern, von -den Eichen und Buchen unserer deutschen Heimat bis zu Palmen und -Feigenbäumen voll reifer Früchte, bis zu Mandelbäumen und Paltas, -deren Frucht mit Pfeffer und Salz aufgetischt im Herbst bei keiner -chilenischen Mahlzeit fehlt.</p> - -<p>Die Früchte aber, für die das milde Klima Mittelchiles zu warm ist, wie -Äpfel und Birnen, kommen aus dem kälteren Süden, während der Norden -subtropische<span class="pagenum"><a name="Seite_139" id="Seite_139">[S. 139]</a></span> und tropische Früchte liefert. Darum fehlt auf dem Markt -von Santiago vielleicht keine Frucht und kein Gemüse der Welt. Dazu -kommt über Valparaiso die ganze phantastische Tier- und Pflanzenwelt -des Meeres, außer Fischen jeder Art Krebse, Hummern und Langusten, -kreisrunde, tellergroße Taschenkrebse, eßbare Algen, stachelige -Seeigel, Austern und Pfahlmuscheln.</p> - -<p>In noch weiterem Maße als Argentinien erstreckt sich Chile durch -alle Klimate und Zonen. Nicht nur, daß es sich nach dem Norden um -mehr als vier Breitengrade, etwa 500 Kilometer, weiter dehnt als die -Nachbarrepublik, die langgestreckte Enge des Landes bewirkt auch, daß -jeder Punkt zu Lande wie zu Wasser rasch erreicht werden kann. So kann -man in wenigen Tagen Bahnfahrt von dem völlig regenlosen Norden über -das Zentrum mit seinem Mittelmeerklima in den Süden kommen, wo es, wie -der Argentinier boshaft sagt, „13 Monate im Jahr“ regnet.</p> - -<p>Mittelchile kennt nur Winterregen. Infolgedessen ist Landwirtschaft -im allgemeinen nur mit künstlicher Bewässerung möglich. Aber anders -als in der argentinischen Bewässerungszone, wo die Kanäle und Acequias -das flache Land in planmäßige, langweilige Quadrate teilen, ziehen -sich hier die wasserführenden Gräben an den Hängen der Berge entlang, -und von ihnen dehnen sich abwärts malerisch wuchernde Gärten und -Felder, mit Bäumen und Hecken umstanden, zwischen denen blühende -Schlinggewächse ranken.</p> - -<p>Es ist wohl das Schicksal von Paradiesen, daß sie stets den Wenigen -vorbehalten bleiben. So ist auch<span class="pagenum"><a name="Seite_140" id="Seite_140">[S. 140]</a></span> Mittelchile, das Millionen sorgenlose -Nahrung geben könnte, Sitz und Besitz weniger Großgrundbesitzer, die -ihre „<span class="antiqua">fundos</span>“ mit teilweise noch halbleibeigenen Inquilinos -bewirtschaften.</p> - -<p>Während im argentinischen Bewässerungsland Wasser ein kostbares -Element ist, bei dem mit jedem Tropfen gespart werden muß, strömt -in Chile überall überreich das Wasser von der Kordillere, so daß -hier die Anlage von Bewässerungskanälen im allgemeinen einfacher -und billiger ist. Trotzdem ist noch ein großer Teil des Wassers für -Landwirtschaftszwecke ungenützt, ebenso seine natürliche Kraft. Ein -einziger Fall des Aconcagua, der Salto del Soldado, würde genügen, die -ganze Andenbahn elektrisch zu betreiben. Bei der wachsenden Kohlennot -der Welt liegen hier noch große Möglichkeiten. Chile hat auch das vor -Argentinien voraus, daß es in seinen Kohlenfeldern bei Concepcion über -reiche Schätze verfügt, und lediglich die in letzter Zeit häufigeren -Streiks bewirkten den gefährlichen Kohlenmangel, der den größten Teil -des Bahnverkehrs lahmlegte und jetzt auch die Industrie mit Stillstand -bedroht.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Chilenische_Praesidentenwahl_24">24. Chilenische -Präsidentenwahl.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Santiago de Chile.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d10" name="initial_d10"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie Santiago einkesselnden Felsen, die sonst in matten Farben von dem -abgetönten Gelb und Braun des Morgens bis zu dem rosigen, dann satten -und schließlich flammenden Rot des Sonnenunterganges leuchten, glühen -und brennen, sind über Nacht weiß geworden. Fast bis ins<span class="pagenum"><a name="Seite_141" id="Seite_141">[S. 141]</a></span> Tal hinunter -ist der Schnee gekommen, der sonst nur auf den fernen Gipfeln blinkt. -Unten aber in den reichen Quintas rings um die Stadt flammen im Grün -die Goldorangen, und an strahlend klaren Tagen nimmt es diese Stadt an -Schönheit mit der gelobtesten Landschaft Italiens auf.</p> - -<p>Aber bald ziehen sich die Wolkenschleier vor. Es regnet und regnet. -Oben in der Kordillere fällt dichter und immer dichter der Schnee. Die -Nervosität jener, die noch rasch, ehe der Winter voll einsetzt, über -die Anden wollen, steigt; ängstlich wird die Zeitung durchflogen, ob -vielleicht schon die peinliche Nachricht drin steht: „Die Kordillere -ist zu, aber man hofft, sie wieder freizubekommen“ — eine Hoffnung, -die nur zu oft täuscht.</p> - -<p>Meere verbinden, Berge scheiden! Nie wird einem das Wort klarer, als -wenn man von Europa über Atlantik, Pampa und Kordillere in die zwischen -Pazifik und Anden eingeklemmte Republik reist. Zwischen Amsterdam -und Buenos Aires ist die Ähnlichkeit vielleicht größer als zwischen -letzterem und Santiago. Und der Unterschied zwischen Chilenen und -Argentinier, die doch beide aus dem gleichen Blute stammen — auch -der indianische Einschlag in Argentinien geht ja auf die chilenischen -Araukaner zurück —, fällt selbst dem ungeschulten Auge des Fremden auf.</p> - -<p>Roosevelt nannte Chile das schönste Land der Welt. Man möchte es -auch das gesegnetste nennen, und es möchte mir wohl wahrscheinlicher -scheinen, daß das verlorengegangene Paradies unter dem milden, blauen -Himmel Mittelchiles lag als in den heute trockenen und<span class="pagenum"><a name="Seite_142" id="Seite_142">[S. 142]</a></span> dürren Feldern -Mesopotamiens. Wenn irgendwo in der ins Wanken geratenen Welt, so -könnte man in Chile ein befriedetes, glückliches Volk erwarten. Statt -dessen Volk und Land erschüttert von allen Fiebern politischer und -sozialer Erregung. In diesem Land, das so reich ist, daß in einzelnen -seiner Teile Massen von Korn, Kartoffeln und Früchten verderben, steigt -in andern Teilen die Not von Tag zu Tag. In Santiago übertrifft die -Teuerung des Lebens bereits die von Buenos Aires.</p> - -<p>Und die gleichen Wetterzeichen, die der Fremde von Europa her gewöhnt -ist: auch hier Streik und immer wieder Streik. Monatelang setzt die -Arbeit in den Schächten von Concepcion aus, und immer rarer wird die -Kohle. Erinnerung an das Zentraleuropa des Krieges und der Revolution: -die Züge fahren immer unregelmäßiger, immer größer werden die -Verspätungen. Zug auf Zug wird eingestellt. Schon geht seit Monatsfrist -die nach dem Norden führende Bahn nicht mehr. Bis Serena wird von -Santiago aus der Verkehr nur mühsam aufrechterhalten. Doch auch hier -droht völlige Stockung. Aus der Provinz Atacama kommt die Nachricht, -die Nordprovinzen verhungern, weil wegen Kohlenmangel die Stichbahnen -stilliegen, die von den Küstenstädtchen Caldera, Carrizal und Huasco -ins Innere führen. Im Süden aber verfaulen Berge von Kartoffeln.</p> - -<p>Das ist der Boden, auf dem politische Erregung zur Siedehitze erglüht. -Das große Pendel der Wahlbewegung hat zu schwingen begonnen, und -alles, was an politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wünschen -und Hoffnungen im Lande lebt, wird mit hineingerissen in diese eine -Be<span class="pagenum"><a name="Seite_143" id="Seite_143">[S. 143]</a></span>wegung, von deren Ausgang jede Partei alles hofft und alles fürchtet.</p> - -<p>Um die Pole, Barros Borgoño und Arturo Alessandri, hat das ganze Leben -der chilenischen Republik zu kreisen begonnen. Als ich in den Märztagen -des Jahres 1920 nach Chile kam, da sprach man in den Kreisen, die sehr -viel Geld und sehr viel Einfluß haben, von Arturo Alessandri nur als -von dem „Bolschewisten“ und „Maximalisten“. Man hielt seine Aussicht, -von der Konvention der Allianza als Präsidentschaftskandidat nominiert -zu werden, für recht gering. Als er doch überraschenderweise mit großer -Stimmenmehrheit aufgestellt wurde, da meinte man in denselben Kreisen, -das sei der dümmste Streich, den die Allianza Liberal hätte tun -können; denn jetzt sei die Wahl des Kandidaten der Union Nacional mit -Unterstützung der Konservativen sicher. Heute haben viele der gleichen -Leute sich bereits mit Arturo Alessandri abgefunden, und die ganze -Beurteilung dieses Mannes erinnert etwas an die Tonart der Pariser -Blätter nach der Wiederkehr Napoleons von Elba. Als sein Schiff in den -Hafen von Marseille einlief, schrieb die Pariser Presse: „Der Werwolf -und Tyrann, Napoleon Bonaparte, ist in Frankreich gelandet.“ Langsam -milderte sich dann der Ton, bis es kurz darauf hieß: „Unser geliebter, -gefeierter Kaiser ist an der Spitze seiner Truppen in seine treue -Hauptstadt eingezogen.“</p> - -<p>Wird Arturo Alessandri ein ähnliches Schicksal haben? Der Fremde, der -in die Politik des Landes nicht eingeweiht ist, vermag nur zu vermuten. -Man sagt ihm, Überraschungen bei der Wahl seien das Gewöhnliche.<span class="pagenum"><a name="Seite_144" id="Seite_144">[S. 144]</a></span> Erst -in den letzten Tagen, bevor die Wähler zur Urne schreiten, beginne das -Geld und der Stimmenkauf seine Rolle zu spielen.</p> - -<p>Aber andrerseits sieht, wer die politischen und sozialen -Erschütterungen Europas leidend und handelnd miterlebte, in manchem -auch klarer. Fast erschütternd war in Santiago die Ähnlichkeit mit -Berlin, als kurz nach meiner Ankunft der vierundzwanzigstündige -Generalstreik als Demonstration gegen die Verhaftung des radikalen -sozialistischen Studentenführers Gandolfo einsetzte.</p> - -<p>Ich war noch völlig fremd, hatte noch keine Zeitung gelesen, wußte -nicht, um was es sich handelte. Aber das hastige Schließen von -eisernen Rolläden der Geschäfte um die Mittagszeit, diese so plötzlich -überfüllten Straßenbahnen und die nervöse, unruhige Eile, die mit -einem Male das ganze Getriebe der Stadt ergriffen hatte, erinnerte -erschreckend an so manche Tage in Berlin, wenn plötzlich das Gerücht -des Generalstreiks auftauchte und man hastete, noch vor dem letzten -Stadtbahnzug die weit im Vorort gelegene Wohnung zu erreichen.</p> - -<p>Unter südamerikanischer Sonne glühen die politischen Leidenschaften -heißer. Aber es fehlt andrerseits der günstige Boden für -gewaltsame Erschütterungen, den Krieg und Hunger in den Seelen der -mitteleuropäischen Völker bereitete. So muß man hoffen, daß jene recht -behalten, die Unruhe und Umsturz für ausgeschlossen halten. Aber man -darf doch nicht vergessen, daß die chilenische Präsidentenwahl des -Jahres 1920 die erste politische Wahl ist, die einen sozialen Charakter -hat.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p144_abb1" name="p144_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p144_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Allerseelen auf dem Friedhof.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p144_abb2" name="p144_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p144_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Indianische Wasserträgerin.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p145_abb1" name="p145_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p145_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Musikanten in Copacabana.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p145_abb2" name="p145_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p145_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Indianertanz.</p> -</div> - -<p>Und noch eines, das man bei all der berechtigten<span class="pagenum"><a name="Seite_145" id="Seite_145">[S. 145]</a></span> Furcht vor -maximalistischer Agitation nicht vergessen sollte: Maximalismus in -russischem Sinn gedeiht nur, wo Not und Hunger herrschen. Geschieht in -dieser Hinsicht alles, dieses Gespenst zu bannen? Dieser Tage kam ich -mit einem reichen Getreidespekulanten ins Gespräch, und wir sprachen -auch über Maximalismus. Er meinte: „Die eigentlichen Maximalisten -sind wir. Mit 20 und 30 Peso die Tonne Weizen ist uns nicht gedient. -Wir wollen 40, 50, 60. <em class="gesperrt">Wir</em> sind Maximalisten. Wir wollen immer -das Maximum.“ Er hielt es für einen Witz und lachte und war sich der -bitteren Wahrheit, die er sprach, nicht bewußt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Chiles_deutscher_Sueden_25">25. Chiles deutscher -Süden.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Temuco.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_s3" name="initial_s3"> - <img class="h3em" src="images/initial_s.jpg" alt="S" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">S</span>ollte es möglich sein, Menschen wochenlang in tiefen Schlaf zu -versenken und sie in diesem Zustand über den Ozean zu bringen, sie -würden, in einer der Städte Südchiles erweckt, darauf schwören, -Deutschland nie verlassen zu haben. Die viereckige grüne Plaza ist wohl -etwas fremdartig, aber die Häuser ringsherum sind rein deutsch; alles -ist peinlich sauber, frisch gestrichen, mit blühenden Blumen, in Läden -wie in Gasthäusern deutsche Laute, deutsche Kirche, und über der Schule -sogar die Inschrift: „Vergiß nicht, daß du ein Deutscher bist.“</p> - -<p>Die heute blühendsten Provinzen des Landes, Valdivia, Llanquihue -und der Süden von Cautin, sind das Werk deutscher Kolonisation. Vor -zwei Menschenaltern begann südlich des Biobioflusses die Frontera, -die Grenze,<span class="pagenum"><a name="Seite_146" id="Seite_146">[S. 146]</a></span> jenseits der das Gebiet der nur nominell unterworfenen -Araukaner lag. Im Jahre 1850 kamen hierher, wo heute die blühende, -reiche, fast rein deutsche Stadt Valdivia liegt, die ersten dreihundert -Deutschen; weitere folgten, die an den Llanquihuesee und nach Puerto -Montt zogen.</p> - -<p>Die Nachkommen jener ersten Siedler sind heute zum großen Teil -Millionäre — in Peso, nicht in Mark —, aber das Leben ihrer -Großväter und teilweise noch ihrer Väter muß nach allen Erzählungen, -die man hört, unsäglich hart und entbehrungsreich gewesen sein, wie -es überhaupt das Schicksal aller Kolonisten zu sein scheint, daß die -Früchte erst Kinder und Enkel erben.</p> - -<p>Noch heute ist ein großer Teil der Provinzen Valdivia und Llanquihue -Urwald, und eine neue deutsche Kolonie in diesem abgelegenen Gebiet -würde mit ähnlichen, wenn auch nicht so großen Schwierigkeiten zu -rechnen haben, wie jene ersten deutschen Kolonisten vor siebzig Jahren. -Das Land, das in Kultur genommen werden soll, ist undurchdringlicher -Urwald. Darum ist die erste Arbeit des Siedlers nach der Vermessung die -Herstellung eines Pfades, auf dem er in mühseligem, meist stundenweitem -Marsch im Winter auf unergründlichen, schlammigen Wegen — denn dann -regnet es wolkenbruchartig Tag für Tag — sich seine Arbeitsgeräte und -die Nahrung für sich und seine Familie heranschaffen muß.</p> - -<p>Dann geht es an die Arbeit des Holzfällens, die der Ungeübte, Fremde, -ohne Hilfe einheimischer Peone, meist Chiloten von der Insel Chiloé, -kaum bewerkstelligen kann. Aus den Erinnerungen der ersten Ansiedler -ist einiges erhalten. Eine jener alten Ansiedlerfrauen, die als Kind -in<span class="pagenum"><a name="Seite_147" id="Seite_147">[S. 147]</a></span> den Urwald kam, berichtet, wie sie im Sommer ankamen und wie Vater, -Mutter und ältere Geschwister vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung -sich mit dem Fällen der Baumriesen mühten. Und als dann der Frühling -seinen Abschied nahm, da war das Stücken Lichtung, an dem so unendliche -Arbeit hing, noch jämmerlich klein.</p> - -<p>Ist diese erste Lichtung geschaffen, so wird das übermannshohe Gewirr -von Stämmen, Ästen und Blättern angezündet, sobald die Sonne des -Sommers das Laub gedörrt hat. Allein so eisenhart und fest sind die -Stämme, daß nur Blätter und Zweige verbrennen und selbst die dürren -Äste kaum ankohlen. So müssen Stämme und Äste mit der Axt durchhauen, -aufgeschichtet und neuerdings angezündet werden. Die größten Stämme -bleiben liegen, oder man läßt sie überhaupt stehen. Noch heute sieht -man im Süden überall, selbst an der Bahnstrecke, Felder, zwischen denen -hohe, abgestorbene oder angekohlte Baumstämme in die Luft ragen.</p> - -<p>Teilweise sind es ganze lichte Wälder solcher kahler Stämme, zwischen -denen das Korn wächst, und im ersten Augenblick wähnt man, man führe -durch jene Gegenden Frankreichs, in denen der Regen des beiderseitigen -Trommelfeuers die Wälder getötet.</p> - -<p>Zwischen den Stöcken und Stämmen wird der erste Weizen in den mit der -Hacke aufgeritzten Urwaldboden gestreut. So wird Jahr für Jahr ein -immer größeres Stück unter Kultur genommen, bis langsam nicht nur der -eigene Bedarf für den Lebensunterhalt, sondern auch ein verkaufsfähiger -Überschuß erzeugt wird.</p> - -<p>Einfacher ist die Haltung des Viehs; dieses wird in<span class="pagenum"><a name="Seite_148" id="Seite_148">[S. 148]</a></span> den Wald -getrieben, wo es sich die Nahrung selbst sucht. Auch die Wohn- und -Arbeitsverhältnisse sind denkbar einfach. Als Wohnung dient ein -Bretterhaus, als Fortbewegungsmittel die Carreta, ein primitiver -zweirädriger Karren, dessen Räder häufig einfach zwei Scheiben -Baumstamm sind. Das Zugtier ist überall der Ochse, der die Carreta -mittels eines Joches primitivster Art zieht, von dem Treiber mit dem -gestachelten Stab des klassischen Altertums gelenkt.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Llanquihue_und_Magallanes_26">26. Llanquihue -und Magallanes.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Valparaiso.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d11" name="initial_d11"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>as Herz Chiles ist sein Längstal, das sich zwischen Hochkordillere und -Küstenkordillere von Nord nach Süd erstreckt. Hier ist seine Korn- und -Fruchtkammer, hier führt der Hauptverbindungsweg, hier liegen seine -reichsten Städte.</p> - -<p>Bei Puerto Montt hört dieses Tal auf. Hier ist das Meer hereingebrochen -und hat das Tal unter Wasser gesetzt. Die Küstenkordillere hat es in -eine Reihe von Inseln zerlegt, während die Hänge der Hochkordillere -statt auf das fruchtbare Tal zu münden, jetzt von den vielen Golfen und -Kanälen genetzt werden, die sich zwischen Inseln und Festland hinziehen.</p> - -<p>Hier bei Puerto Montt endigt für den Durchschnittschilenen sein Land. -Früher war dies an der Frontera der Fall, bis die deutschen Einwanderer -die Grenze des Kultur- und Machtbezirkes Chiles um einige hundert -Kilometer nach Süden verschoben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_149" id="Seite_149">[S. 149]</a></span></p> - -<p>Chiloé, die nördlichste und größte der dem Festland vorgelagerten -Inseln, ist noch bekannt. Hier führt eine Bahn von Ancud bis Castro, -und vor einer Reihe von Jahren versuchte die Regierung auf Grund eines -großangelegten Kolonisationsplanes die Insel zu kolonisieren. Trotz -der guten Erfahrungen, die mit der deutschen Einwanderung gemacht -waren, fürchtete man doch das allzu starke Überwiegen einer fremden -Nationalität in geschlossener Siedelung und siedelte deshalb auf -Chiloé Deutsche, Engländer, Franzosen und Holländer durcheinander an, -möglichst fremdartige Nationen einander benachbart. Der Erfolg war, daß -die meisten der Kolonisten, die sich gegenseitig weder verstanden noch -helfen konnten, wieder abwanderten. Nur ein paar Deutsche und Holländer -blieben.</p> - -<p>Berühmt ist Chiloé wegen seiner Kartoffeln. Aber man klagt über die -geringe Verwertungsmöglichkeit infolge der hohen Frachten.</p> - -<p>Auf dem gegenüberliegenden Festland aber hört tatsächlich die Welt auf. -Man sagt sich verstandesmäßig, daß die Täler dieses Gebietes wenigstens -in ihrem nördlichen Teile von den blühenden Kolonien am Llanquihue -nicht so sehr verschieden sein können und die gleichen Siedlungen, -die gleichen Kolonisations- und ackerbaulichen Möglichkeiten bieten -müssen, und daß auch in dem weiter südlich gelegenen Gebiet des -Territoriums Magallanes, das klimatisch und landschaftlich norwegischen -Fjords gleicht, infolge seines Holz- und Fischreichtums sich große -Möglichkeiten eröffnen müssen.</p> - -<p>Bei meinem ersten Besuch auf dem Kolonisations-<span class="pagenum"><a name="Seite_150" id="Seite_150">[S. 150]</a></span> und Einwanderungsamt -in Santiago erkundigte ich mich sofort nach Plänen und Angaben über -dieses Gebiet. Pläne gab es nicht, und im übrigen bekam ich die -verblüffende Antwort: „<span class="antiqua">sirve para nada</span>“ (das hat überhaupt -keinen Wert).</p> - -<p>Die fraglichen Gebiete sind durchweg mit altem Hochwald bestanden, zum -Teil mit dem wertvollen Holz der Alerce, eines in Chile einheimischen -Nadelbaums. Die Golfe, Kanäle und Flüsse sind ebenso reich an Fischen -wie an Choros, den Seemuscheln, die überall in Chile gern gegessen und -hochbezahlt werden. Auch die Möglichkeiten für Ackerbau und Viehzucht -können nicht ganz von der Hand gewiesen werden.</p> - -<p>Aber in gewissem Sinne hatte der Beamte doch recht. Das Land ist -wertlos, wenn auch nur gegenwärtig, und zwar um der verwickelten -Besitzverhältnisse willen, die dort unten herrschen. Ich erlebte in der -Folge bald selbst ein schlagendes Beispiel dafür.</p> - -<p>Auf Grund eines Interviews, das in der größten chilenischen Zeitung, -dem „Mercurio“, stand, in dem auch die Rede war von meiner Aufgabe, -die Kolonisationsmöglichkeiten zu studieren, erhielt ich eine ganze -Reihe von Antworten und Zuschriften. Einer derselben, die ganz -besonders verlockend erschien, ging ich nach. Es handelte sich um -eine ganze Halbinsel gegenüber Chiloé in der Größe von 50000 Hektar. -Der Kaufpreis schwankte zwischen 5 und 30 Peso der Hektar. Der -Besitztitel, ein ganzes Buch mit einem Vermögen von Stempeln darauf, -war ordnungsmäßig ausgefertigt. Als ich jedoch die Unterlagen mit -einem Regierungsingenieur, der die Ge<span class="pagenum"><a name="Seite_151" id="Seite_151">[S. 151]</a></span>gend genau kannte, überprüfte, -stellte sich heraus, daß dieses Land zwei Besitzer hatte, die beide -ordnungsgemäße Titel in Händen hatten. Ein neuer Käufer müßte sich also -zum mindesten mit den beiden bisherigen Besitzern auseinandersetzen, -wobei keineswegs ausgeschlossen wäre, daß mit der Zeit nicht noch -weitere Besitzer auftauchten.</p> - -<p>So kam ich dazu, mich mit der Frage der Besitztitel in Südchile näher -zu befassen. Hier liegen die Verhältnisse besonders verwickelt. Wer, -sei es von der Regierung, sei es von Privaten, Land kauft, dessen Titel -nicht ganz einwandfrei und siebenmalsiebenmal geprüft sind, riskiert -einen Rattenkönig von Prozessen mit einem Dutzend plötzlich neu -aufgetauchter Besitzer, die alle Rechte auf sein Land geltend machen.</p> - -<p>Die Eigentumsrechte an diesen Ländereien gehen zum großen Teil noch -auf Konzessionen zurück, die zur Zeit der spanischen Herrschaft an -verdiente Feldherren und Soldaten verliehen wurden. Von den Nachkommen -wurden Teile dieser Gerechtsame weitergegeben, verschenkt, verkauft -und so fort, so daß heute mancher Komplex Dutzende und Hunderte -von Besitzern hat. Um solches Land kaufen zu können, muß es erst -„bereinigt“ werden. Zu diesem Zweck muß ein „Stammbaum“ angelegt -werden, der von der ersten Konzession ausgehend alle weiteren Erben, -Käufer und Besitzer feststellt. Mit allen diesen muß man sich mittels -Abfindung auseinandersetzen, wenn man einen einwandfreien Besitztitel -haben will, und selbst dann ist die Möglichkeit weiterer Komplikation -nicht ganz ausgeschlossen, wenn nicht genaue Kenner der einschlägigen -Verhältnisse die Bereinigung und den Kauf ausführen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_152" id="Seite_152">[S. 152]</a></span></p> - -<p>Vor dem noch unerschlossenen Land im Süden Argentiniens hat das Land -südlich von Puerto Montt den Vorteil, daß es durch Abholzung seiner -wertvollen Wälder sofort Gewinne ermöglicht, die unter günstigen -Verhältnissen bereits in kurzer Zeit den Kaufpreis oder auch ein -Mehrfaches davon wieder hereinbringen. Erforderlich wäre freilich -eine Gesellschaft mit großem Kapital, die Einwanderer herüberbringt, -Wälder abholzt und Werften anlegt, um dort eigene Schiffe zu bauen, -mit denen sie den Abtransport des Holzes und weiterhin Fischfang, -sowie den Transport der Ackerbau- und Viehprodukte aus den inzwischen -angesiedelten Kolonien in eigene Regie nimmt. In den Wäldern ist noch -verwildertes Vieh. Es sind Kohlenlager nachgewiesen. Die Anlage von -Fisch- und andern Seetierkonservenfabriken sind weitere Möglichkeiten.</p> - -<p>Natürlich lassen sich derartige Unternehmungen nur nach genauen und -eingehenden Untersuchungen, zu denen Expeditionen ausgesandt werden -müssen, ins Leben rufen. Aber die Möglichkeit wäre für die reichen -Deutschen Chiles hier wie in den Provinzen Llanquihue und Valdivia -unzweifelhaft gegeben, mittels einiger hunderttausend Peso ihren zur -Auswanderung gezwungenen Landsleuten zukunftsreiche Siedelungsgebiete -zu erschließen. Jetzt leben hier wie vor hundert Jahren nur wenige -armselige Indianer. Vielleicht allerdings auch nicht mehr lange; denn -auch hier sind bereits amerikanische Konzerne dabei, sich diese wie -Königreiche großen Ländereien zu sichern.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_153" id="Seite_153">[S. 153]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Copihue_27">27. Copihue.</h3> - -</div> - -<div class="poetry-right s5"> - <div class="poetry2"> - <div class="stanza"> - <div class="verse antiqua">Oh Copihue, oh Copihue,</div> - <div class="verse antiqua">En la paz de la selva dormida</div> - <div class="verse antiqua">Simbolizas la raza hecha flor.</div> - <div class="verse">(Aus „<span class="antiqua">La Flor Nacional de Copihue</span>“.)</div> - </div> - </div> -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Dampfer „Taltal“ im Pazifik.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_e3" name="initial_e3"> - <img class="h3em" src="images/initial_e.jpg" alt="E" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">E</span>s sind andere Bäume und sie tragen andere Namen — <span class="antiqua">roble</span>, -<span class="antiqua">quila</span>, <span class="antiqua">alerce</span> —, die die dichten Wälder Südchiles -bilden, aber oft könnte man doch meinen, es sei deutsches Land, -schwermütiger, träumerischer deutscher Wald.</p> - -<p>In diesem Wald hängt fremdartig wie ein Märchen die Blume, die Chiles -Volk sich als Nationalblume erkor: die Copihue. In dichten Dolden -schlingt sie sich um die Äste und tropft in schweren roten Blüten -herab mit langen, schmalen, purpurnen Kelchen gleich Tropfen heißroten -Blutes, die langsam und schwer aus tödlich getroffenem Herzen sickern.</p> - -<p>War es die Erinnerung an die mit Blut geschriebene Eroberungsgeschichte -ihres Landes, welche die Chilenen diese Blume zur Lieblingsblume -wählen ließ? Oder ist sie dem Andenken des tapferen stolzen Volkes -geweiht, das den Spaniern den zähesten Widerstand in ganz Amerika -entgegenstellte, den sie erst nach unerhörtem Kampfe besiegen konnten, -eigentlich erst nachdem sie seine Kraft durch den Alkohol gebrochen, -und dessen Überreste jetzt einem tragischen Ende entgegengehen?</p> - -<p>Auf dem Marktplatz von Temuco sieht man die ersten Araukaner. In der -sonst so biederen, sauber blanken Stadt wirken die kleinen schwarzen -Gestalten wie ein<span class="pagenum"><a name="Seite_154" id="Seite_154">[S. 154]</a></span> Faschingsscherz. Der Mann im bunten Poncho, die Frau -mit Stirnbinde, Bänder in den straffen schwarzen Zöpfen, und die ganze -Bluse mit reichem Silberschmuck behängt. Es sind keine schönen Frauen -und Mädchen, aber sie haben märchenhaft kleine, schmale Hände und Füße.</p> - -<p>Auf dem Wege, der von Las Casas hereinführt, begegnet man ihnen in -langen Zügen, wie sie auf uralten Ochsenkarreten, mit Baumstammscheiben -als Rädern, ihr Gemüse und Korn nach der Stadt fahren. Oft der Mann -hoch zu Pferd, die Frau lastenbeladen, mit ihren kleinen Füßen im -Schlamm daneben trippelnd. In den Straßen von Santiago sieht man die -gleichen kleinen Hände, die gleichen Füße, die gleichen Züge, wie sie -der Mann auf dem Pferde hat. Fließt doch ein gut Teil araukanisches -Blut im heutigen chilenischen Volk, und es sind nicht die schlechtesten -Eigenschaften, die die Chilenen der araukanischen Blutmischung danken.</p> - -<p>Sie haben es ihnen schlecht vergolten. Die Araukaner, die eigentlich -nie ganz unterworfen waren, wurden mit List und Gewalt um ihren -Besitz gebracht. Es gab eine Zeit, wo es ein einträglicher Sport war, -Araukaner betrunken zu machen, um ihnen dann in der Trunkenheit um ein -Spottgeld ihr Land abzunehmen. Leider blieben auch die eingewanderten -Deutschen daran nicht unbeteiligt, und mancher deutschchilenische -Millionär in Osorno und Valdivia dankt solch unsauberem Landgeschäft -seiner Vorfahren Besitz und Stellung.</p> - -<p>Endlich besann sich die chilenische Regierung darauf, welch wertvolles -Volkselement sie in den Araukanern besaß. Es wurden Vormunde für -die Indianer einge<span class="pagenum"><a name="Seite_155" id="Seite_155">[S. 155]</a></span>setzt und Geschäfte mit den Indianern ohne deren -Zustimmung für ungültig erklärt. Zu spät! Überdies kehrte man sich -vielfach nicht an die gesetzlichen Bestimmungen, und um für alle Fälle -sicher zu sein, überfiel man die Indianer und schlug sie einfach tot. -Die Rasse stirbt.</p> - -<p>Bayerische Kapuziner sind es, die sich ihrer Rettung gewidmet haben. -Draußen in Las Casas ist ihr Stammhaus. Schon sieht man ihre Spuren. -Die Straße, die bisher ausgefahren, voller Löcher, unergründlich war, -wird mit einem Male eben und glatt. Ein sauberer Zaun. Dahinter ein -Blumengarten, dann Kirche und Kloster.</p> - -<p>Ein Pater in wallendem Bart führt uns. Alles ist selbstgebaut, -gezimmert, gemauert, gepflanzt. Die Kirche, der geschnitzte Altar, -selbst die Orgel und ebenso Gemüsegarten, Bienenhaus und Stall.</p> - -<p>Die Indianermission der Kapuziner nimmt unentgeltlich so viele -Araukanerjungen auf, wie sie unterbringen kann. Sie lernen lesen, -schreiben und rechnen und sie lernen vor allem Spanisch. Der Unterricht -ist nicht einfach, denn keiner der Jungen kann etwas anderes als -Mapuche, die Sprache der Eingeborenen. Und es sind sonderbare Klassen; -denn neben Achtjährigen sitzen Achtzehnjährige auf der gleichen Bank.</p> - -<p>Neben dem Schulunterricht geht der Handfertigkeitsunterricht. Einer -der Fratres ist Tischler. Er hat eine große Werkstatt eingerichtet mit -Drehbank, Hobelmaschine und Bandsäge. Bis auf die Eisenteile alles -selbstgebaut. Sein Stolz ist ein deutscher Sauggasmotor, der die -Werkzeugmaschinen und daneben die Dynamomaschine für die Lichtanlage -treibt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_156" id="Seite_156">[S. 156]</a></span></p> - -<p>Andere Knaben werden als Lehrer ausgebildet — die Indianermission ist -weitverzweigt — und in der untersten Klasse unterrichtet bereits ein -junger Araukaner.</p> - -<p>Die Patres sind voll Stolz, und sie können es auch sein, auf die -Kulturarbeit, die sie geleistet. Allein ich werde ein Gefühl drückender -Trauer nicht los. Die Klänge der „Copihue“, der Hymne auf die Blume, -die die sterbende araukanische Rasse verkörpert, wehen mir durch den -Sinn.</p> - -<p>In Santiago im Konzertsaal hörte ich sie. Der Komponist dieser echt -chilenischen Musik ist übrigens ein Deutscher, ein ehemaliger Hof- -und Kammersänger, der Commendatore Oberstetter von der Münchener und -Wiesbadener Oper. Der Krieg überraschte ihn in Brasilien. Er schlug -sich tapfer durch ganz Südamerika durch, überall deutsche Musik -hinbringend, und so hat er vielleicht besser deutsche Propaganda -gemacht, als manche vom Auswärtigen Amt betriebene war, die Unsummen -verschlang.</p> - -<div class="poetry-container s5"> - <div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse antiqua">Tu que sabes de sangre vertida,</div> - <div class="verse antiqua">Tu que viste la lucha potente.</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse">Die du weißt von vergossenem Blute,</div> - <div class="verse">Die du sahst den verzweifelten Kampf.</div> - </div> - </div> -</div> - -<p>Der hinreißende Marschrhythmus zuckt mir im Blut, wie ich dem jungen -Araukanerlehrer zum Abschied die Hand drücke. Auch in seinen Adern -brennt noch die Flamme, die seine Vorfahren gegen die spanischen -Feuerschlünde anreiten ließ. Uralte Rhythmen! Sangen sie nicht auch -uns im Blute, als wir bei Gorlice stürmten, als wir über die Berge am -Isonzo in Italien einbrachen, als die letzte tragische Schlacht in -Frankreich anhob?</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_157" id="Seite_157">[S. 157]</a></span></p> - -<p>Künstliche Züchtung hat das ursprüngliche Blutrot der Copihue in -fleckenloses Weiß gewandelt — die Reste der Araukaner haben ihren -Frieden mit den Eroberern gemacht. Die Überlebenden gehen langsam in -der Rasse des Siegers auf. Die Copihue der schweigenden Wälder weiß von -keinen furchtbaren Schlachten mehr zu erzählen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Laengs_der_Kueste_nach_Nordchile_28">28. Längs der -Küste nach Nordchile.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Dampfer „Taltal“ im Pazifik.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d12" name="initial_d12"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie täglich wachsende Teuerung der Lebenshaltung bezeichnet den Weg -vom Süden Chiles nach dem Norden des Landes. Im regnerischen Süden -Überfülle an Frucht, so groß, daß jedes Jahr gewaltige Mengen nutzlos -verfaulen. Im regenlosen Norden absoluter Mangel, so daß jeder Zentner -Mehl, jeder Sack Kartoffeln, jeder Korb Äpfel vom Süden nach dem Norden -geschafft werden muß.</p> - -<p>Allein trotzdem liegt das wirtschaftliche Schwergewicht des -Landes im Norden. Hier dehnen sich in trostlos dürrer Pampa die -Salpeterlager, auf deren Ausbeute der Reichtum, ja überhaupt die ganze -Finanzwirtschaft des Landes beruht.</p> - -<p>Meinen ursprünglichen Plan, auf dem Landweg nach Antofagasta zu -fahren, konnte ich nicht ausführen, denn seit einiger Zeit fährt die -Longitudinalbahn wegen Kohlenmangel nicht mehr. Der große Streik im -Kohlenrevier von Concepcion nötigte die Eisenbahnverwaltung, Zug um Zug -einzustellen, und man kann froh sein, noch gute<span class="pagenum"><a name="Seite_158" id="Seite_158">[S. 158]</a></span> Zugverbindung auf der -verkehrsreichen Strecke nach Valparaiso zu finden, wo der Dampfer nach -Antofagasta bestiegen werden soll.</p> - -<p>Nach Überschreitung der Küstenkordillere führt die Bahn plötzlich -ans Meer, und an den reichen Villen des Seebades Viña del Mar -vorbeigleitend baut sich unmittelbar das Panorama Valparaisos -überwältigend auf. Die Stadt scheint zwischen dem blauen Pazifik und -den steilen Felsen kaum Platz zu haben, und so klettert Haus um Haus -terrassenförmig die Felsen hoch. Einige Straßen sind asphaltiert, -andere muß man bergmäßig über Geröll und Gerinne ersteigen, und -an Regentagen mögen sie sich in wahre Sturzbäche wandeln, wie die -Sandsacksicherungen vor den Fenstern an der Rückseite der gegen den -Fels gelehnten Häuser zeigen.</p> - -<p>Valparaiso ist nichts als Hafen, Stadt am Meer, im Meere fast. -Stadt der Reeder, Stadt der Großkaufleute. Mochte im Weltkrieg, -als der Verkehr durch die Magalhãesstraße aufgehört hatte und die -Nordamerikaner den Panamakanal gesperrt hielten, hier auch vieles tot -gelegen haben, heute ist es auf der offenen Reede, deren unbeweglicher -Bläue man an stillen Tagen nicht ansieht, wie gefährlich hier der -„Norder“ wüten kann, voll von kommenden und gehenden Schiffen. Fast -jede Woche geht einer der großen Passagierdampfer durch den Panamakanal -nach Europa oder den Vereinigten Staaten, und außerdem gibt es einige -chilenische Dampfergesellschaften für den Lokalverkehr.</p> - -<p>Die Zeiten sind gut für die Dampfergesellschaften. Der „Taltal“, der -kleine schmucke Dampfer, von dessen<span class="pagenum"><a name="Seite_159" id="Seite_159">[S. 159]</a></span> Heck die chilenische Flagge weht -und dessen tadellose Sauberkeit überrascht, liegt mit vielstündiger -Verspätung noch immer im Hafen, als längst der volle Mond, einer -riesigen Bogenlampe gleich, über der Bucht hochgezogen war. Kisten auf -Kisten, Faß auf Faß, Alfalfabund auf Alfalfabund, und noch immer ist -die Hauptladung noch nicht eingenommen, liegt in großen Prahmen wartend -längsseits des Schiffes: einige hundert Kühe und Ochsen, die nach -Antofagasta sollen.</p> - -<p>Bei so viel Ladung bleibt für die Menschen kein Platz. Freilich die -erste Kajüte mit bequemen Kabinen, Rauch- und Damensalon ist kaum -halb voll. Aber die Zwischendecker werden von Fracht und Vieh immer -enger zusammengepreßt. In dem Raume, der sonst bei jedem Schiff als -Zwischendeck dient, steht in langen Reihen Ochse an Ochse, und immer -mehr kommen vom Kran hochgezogen brüllend und strampelnd durch die -Ladeluke in den Raum hinunter. Auf- und übereinander drängen sich die -Tiere, die Ladeluke wird noch voll gestellt, und von den Peonen mit -ihren Frauen und Kindern, die sich unten ein warmes Plätzchen sichern -wollten, muß eins nach dem andern aufs offene Deck wandern, wo bereits -eine Schicht Männer, Frauen und Kinder so enggedrängt aneinanderliegt, -daß man kaum den Fuß dazwischen setzen kann. Auf dem breiten, -bequemen Promenadedeck der ersten Kajüte schlendern ein paar einsame -Nordamerikaner auf und ab.</p> - -<p>Wie eine hohe Festungsmauer, die jedem Fremdling den Weg wehren will, -baut sich die Küstenkordillere längs des Meeres auf, steil, steinig -und unfruchtbar. Ein<span class="pagenum"><a name="Seite_160" id="Seite_160">[S. 160]</a></span> unfruchtbares, unzugängliches Land von Fels und -Stein täuscht sie vor, und die Überraschung der ersten Spanier muß groß -gewesen sein, hinter dieser Küstenmauer das frucht- und blütenreiche -Längstal zu entdecken.</p> - -<p>Allerdings wird diese reiche Vegetation immer spärlicher, je weiter man -nach Norden kommt. In Coquimbo, wo der Dampfer am nächsten Tag gegen -Abend einläuft, scheint das reiche Mittelchile im Elquital noch einen -Ausläufer zu entsenden. Zwar die Felsen sind hier nicht weniger steinig -drohend und laufen längs des Kammes in so scharfe Zacken aus, daß -diese fast Baumwuchs vortäuschen. Allein die Dutzende von Booten mit -Früchten, die ein Wettrudern nach dem Schiff veranstalten, zeigen an, -wie gesegnet das Elquital ist.</p> - -<p>Im Handumdrehen wimmelt das ganze Deck. Früchte werden ausgebreitet, -unter den Zwischendeckern werden ganze Speiseanstalten aufgetan, aus -großen Kesseln wird Hühnersuppe verteilt, einen Peso der Teller, -gierig gekauft von den Zwischendeckern, deren Verpflegung nur dünne -Bohnensuppe bildet. Dazu Früchte, Früchte in großen Mengen, Früchte, -die man nicht kennt, die wie Mischung von Zitrone und Melone schmecken, -oder mehr wie Gurke oder Kürbis.</p> - -<p>Früchte und Überfluß an Lebensmitteln zum letztenmal. Am nächsten Tag -in Taltal kommt kein Boot. Die kurzen, staubigen Straßen des kleinen -Städtchens enden nur zu bald in Stein und Wüste. Dankt doch dieses -selbst seine ganze Existenz nur dem Salpeter, der im Hinterland -gefunden wird.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p160_abb" name="p160_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p160_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Copacabana am Titicacasee.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p161_abb" name="p161_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p161_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Kirche auf dem Ruinenfeld von Tiahuanacu.<br /> - <span class="s5">(Aus den Steinen der uralten Tempelbauten errichtet.)</span></p> -</div> - -<p>Wüste von Stein, Sand, Geröll. Gut paßt dazu der<span class="pagenum"><a name="Seite_161" id="Seite_161">[S. 161]</a></span> ölige Schimmer von -vergossenem Petroleum, der vor dem Städtchen auf dem Wasser schwimmt. -Die meisten Dampfer entnehmen hier den großen Tanks nordamerikanischer -Petroleumfirmen den flüssigen Brennstoff für ihre Kessel. Zwischen -Felsspalten führt die Röhrenleitung zum Strand, läuft auf schmutzigem -Eisensteg ins Meer hinaus, um in dicke Schläuche zu münden, die auf -Flößen schwimmend in Windungen wie eine riesige schmutzige Seeschlange -sich längsseits des Schiffes schlängeln.</p> - -<p>Wie eine Zwingburg haben die Yankees die riesigen Tanks vor Taltal -aufgepflanzt, dessen Salpeterwerke bisher in deutschem Besitz waren. -Eine von den drei großen Gesellschaften ist drauf und dran, in -Yankeehände überzugehen. Oben im Rauchsalon auf dem Promenadedeck -sitzen die Nordamerikaner beieinander, die in der ersten Kajüte -dominieren. Abgerissene Worte wehen durch den Raum: „Wir kriegen das -ganze Salpetergeschäft noch in die Hand.“</p> - -<p>Vorn auf dem Deck liegen eng gedrängt und schlechter untergebracht -als das Vieh die ursprünglichen Herren des Landes, die eingeborenen -Chilenen, gute, willige Arbeiter von Haus aus.</p> - -<p>In dem engen Gang, der an der Maschine vorbei zur Kajüte führt, hockt -eine Reihe Peone beisammen und saugt gierig den Duft der Speisen, die -an ihnen vorbei in die erste Kajüte getragen werden. Da tritt zu den -teilnahmslos Kauernden einer im schmutzigen Poncho, lang und hager, -struppiger Stoppelbart. Unruhige Augen stechen unter einer blauen -Schirmmütze hervor. Er redet heftig, eindringlich, mit eindrucksvollen -Gesten. Bald hat<span class="pagenum"><a name="Seite_162" id="Seite_162">[S. 162]</a></span> sich ein dichter Kranz um ihn gebildet; in die bisher -teilnahmslos blickenden Augen kommt Leben. Und es ist, als laufe ein -Funke durch all die Reihen abgearbeiteter, abgerissener Männer, ein -gefährlicher, aber auch leuchtender, strahlender Funke. — In der -aufkommenden See stampft und schlingert schwer das kleine Schiff. -Oben im Rauchsalon trennt man sich von flaschenbedecktem Tisch. Ein -behagliches „Good Night“ verweht in der Luft.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Die_Salpeterstadt_29">29. Die Salpeterstadt.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Antofagasta.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d13" name="initial_d13"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>er erste Eindruck: Stadt und Hafen haben an dieser Stelle keine -Existenzberechtigung! Eine offene Reede, gegen den Strand zu schwarze -Klippen, über die schäumend weiße Brecher toben. Man wird ausgebootet -wie fast in allen chilenischen Häfen, fährt an Prahmen und Leichtern -vorbei, die voll besetzt sind mit Pelikanen und Möwen, passiert -die Klippen und sieht sich plötzlich umgeben von Rudeln spielender -Seehunde, die so dicht das Boot streifen, daß es fast kentert.</p> - -<p>Auf dem engen Raum zwischen Meer und Berg führen breite, schnurgerade -Straßen senkrecht gegen den Fels. Von der See sieht es aus, als liefen -Sturmkolonnen die steinernen Wälle an. Mit einem Blick übersieht man -Stadt und Straßen. Es ist ein sonderbarer Anblick, wie saubere, breit -asphaltierte Wege plötzlich enden, und dann kommt nichts als glatte, -steile, sonnendurchglühte Steinwand.</p> - -<p>Wo heute eine moderne europäisch-amerikanische Stadt mit 65000 -Einwohnern steht, lebten vor fünfzig Jahren<span class="pagenum"><a name="Seite_163" id="Seite_163">[S. 163]</a></span> nur ein paar indianische -Fischer. Man bedarf keines Reiseführers, um zu wissen, in welch hohem -Maße das alles künstliche Schöpfung ist, einzig und allein auf dem -kostbaren Gut beruhend, das die trostlose Wüste des Hinterlandes -liefert: dem Salpeter.</p> - -<p>„<span class="antiqua">Te Ratanpuro</span>“, „<span class="antiqua">Te Dulcinea</span>“, in haushohen Lettern -sind Reklamen auf die steilen Felswände gekalkt wie ein Wahrzeichen -für diese Stadt, die nichts kennt als Geschäft, Geschäft und wieder -Geschäft. Wenn man aus dem Süden des Landes kommt, möchte man -zweifeln, daß diese so ganz andersartige Stadt auch zu Chile gehört. -Sie wirkt vielmehr wie eine der Städte im Süden der Union, denen die -Mischung von angelsächsischer und hispano-amerikanischer Kultur ihr -charakteristisches Gepräge gibt.</p> - -<p>Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn man die Straßen durchwandert. -Angelsächsische Sauberkeit und Akkuratesse, aber auch angelsächsische -Langeweile und Eintönigkeit. Straßen und Läden, wie sie ebensogut -in jeder Londoner Vorstadt stehen könnten. Die blumen- und -palmenumstandene Plaza, die in keiner mittel- oder südamerikanischen -Stadt fehlen darf, wirkt hier fast fremdartig, als gehöre sie nicht -zwischen diese sauberen, langweiligen Straßen, in denen sich ein -englisches Geschäftsschild an das andere reiht.</p> - -<p>Die Deutschen, die in Süd- und auch in Mittelchile im Wirtschaftsleben -des Landes eine so maßgebende Rolle spielen, treten hier gegenüber -den Angelsachsen völlig zurück. Dagegen nehmen die Slawen eine -hervorragende Rolle ein, und zwar vor allem Südslawen ehemals<span class="pagenum"><a name="Seite_164" id="Seite_164">[S. 164]</a></span> -österreichischer Nationalität. Kroaten, Dalmatiner, daneben Serben -und Montenegriner. Eine Reihe großer Firmen und Salpeteroficinen sind -in ihren Händen. Darüber hinaus aber sind sie durch die ganze Pampa -Salitrera bis an die bolivianische Grenze vor allem als Wirte und -Hoteliers verstreut.</p> - -<p>Gerade diese Slawen an der Westküste Südamerikas haben im Weltkrieg -sehr bald, größtenteils von seinem Beginn an, eine feindliche Haltung -gegen den Staat angenommen, dem sie offiziell angehörten. Sie richteten -ein eigenes jugoslawisches Paßbüro ein, und noch heute stößt man als -Deutscher im Verkehr mit ihnen auf einige Schwierigkeiten, wenn sich -auch ihr ganzer Haß noch immer gegen das entschwundene Österreich und -gegen — Italien richtet.</p> - -<p>Antofagasta ist bolivianischer Freihafen. Hier ist eine bolivianische -Zollbehörde, und der Import und Export Boliviens geht zollfrei über -diesen chilenischen Hafen. Dies ist das einzige, was Bolivien von der -einst ihm gehörenden Stadt und der ganzen reichen Provinz Antofagasta -geblieben ist.</p> - -<p>Chile dagegen ist billig genug zu dieser Stadt gekommen, die ihr heute -allein an Zöllen täglich 180 Peso Gold einbringt. Als Bolivien einen -Ausfuhrzoll auf den von Chilenen auf seinem Territorium ausgebeuteten -Salpeter legte, landete Chile im Jahre 1879 kurzerhand 200 Soldaten, -die die bolivianischen Behörden vertrieben und die Stadt in Besitz -nahmen. Damit wäre der Kampf um die Provinz Antofagasta eigentlich -erledigt gewesen, wenn nicht Peru eingegriffen hätte und auf die Seite -Boliviens getreten wäre. Dieses Eingreifen kostete die Peruaner,<span class="pagenum"><a name="Seite_165" id="Seite_165">[S. 165]</a></span> -nachdem sie bei Iquique und Tacna geschlagen und die Chilenen in -ihre Hauptstadt Lima einmarschiert waren, die Provinzen Tarapaca -und Tacna-Arica. Erstere ist wertvolles Salpeterland, letztere eine -wichtige strategische Position. Seitdem ist das Verhältnis zwischen -Peru und Chile ähnlich wie das Frankreichs zu Deutschland, und -Tacna-Arica wird vielleicht in Südamerika eine ähnliche Rolle spielen -wie Elsaß-Lothringen in Europa.</p> - -<p>Antofagasta ist eine Männerstadt und eine Stadt, in die man nur geht, -um Geld zu machen. Einige Kinos und Kneipen bestreiten die kulturelle -und Vergnügungsseite des Lebens. Kein Bad am Strand, kein Segelsport. -Meer wie Fels scheinen gleicherweise unwirtlich. Kein Spaziergang, kein -Garten, und fast wirkt es wie ein grotesker Witz, wenn man auf dem -Felsen über dem kümmerlichen, fast nur angedeuteten Garten der Quinta -Corrizo, eine Wegestunde von der Stadt entfernt, liest: „Schönster -Ausflugsort Antofagastas.“ Nach einigen Tagen Aufenthalt verläßt man -gern diese Stadt und vergißt dabei ganz, daß sie Zehntausenden, die -in der trostlosen Pampa ein einsames Leben führen, Verkörperung alles -Luxus, alles Vergnügens, aller Kultur ist.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="La_Pampa_Salitrera_30">30. La Pampa Salitrera.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Peineta.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_g" name="initial_g"> - <img class="h3em" src="images/initial_g.jpg" alt="G" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">G</span>esellschaft zur Erforschung der Wüste (<span class="antiqua">Compañía Exploradora del -Desierto</span>) nannte sich die erste Salpeterkompanie, die im Jahre 1866 -von der bolivianischen Regierung eine Konzession auf fünf Quadratleguas -erhielt.<span class="pagenum"><a name="Seite_166" id="Seite_166">[S. 166]</a></span> — Desierto! Wüste! der Name paßt besser als das -euphemistische „Pampa“. Wer die argentinische Pampa kennt, denkt bei -diesem Namen doch auch im ungünstigsten Falle mindestens an Steppe, die -genügsamen Schafen Nahrung bietet. Die chilenische Pampa aber ist Wüste -im reinsten Sinne des Wortes, ein Grauen von Öde und Unfruchtbarkeit.</p> - -<p>Man ist mitten in ihr, sobald man den Bannkreis der Stadt Antofagasta -und ihren hochgelegenen Friedhof verlassen, dessen Boden aus Zement -besteht, zwischen dem einige kümmerliche Bäume hochgepflegt werden. -Eine steile Rampe den Berg hinauf — zwei Lokomotiven mühen sich -schnaufend —, und noch ein letzter Blick auf das blaue Meer, und dann -ist man in einer Rinne von Schutt und Geröll.</p> - -<p>Eine Landschaft von trostloser Öde, der selbst die Grandiosität der Öde -fehlt. Nicht der winzigste Halm, nicht das leiseste Grün. Nicht das -mindeste Insekt, nicht der armseligste Wurm könnte hier leben. Es ist -nicht einmal starrer, festgewachsener Fels, der die Landschaft bildet. -Alles scheint Geröll, Schutt, Staub, Schmutz!</p> - -<p>Es ist jetzt Winter. Aber man sieht Tropenanzüge und weiße Kleider, und -die stechende Sonne erinnert an qualvoll heiße Tage im sommerlichen -Buenos Aires. Wie muß es hier im Sommer sein! Und keinen Schutz vor der -Sonne als das brennend glühende Wellblechdach. Zu beiden Seiten des -Bahndammes schwärzlicher Staub, als hätte die Lokomotive hundert und -mehr Meter breit das Land verrußt, dann Sand in hellerer Färbung bis zu -den brüchigen Bergen, die, mehr und mehr zurücktretend, eine weite, öde -Hochebene öffnen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_167" id="Seite_167">[S. 167]</a></span></p> - -<p>Die Berge, bald ferner, bald näher, das ist der einzige Wechsel -in der Melodie von Monotonie, die die längs des Zuges stehenden -Telegraphenstangen und Wellblechbaracken der Streckenarbeiter singen. -Eine niederdrückende Landschaft. Jeder Vergleich für sie fehlt. Am -ehesten gewinnt man eine Vorstellung von ihr, wenn man sich die Schutt- -und Schlackenhalden der Industriereviere ohne Abwechslung unabsehbar -aneinandergereiht denkt.</p> - -<p>Wer von Salpeterfeldern liest, denkt leicht an weißschimmernde, -glänzende Fläche — ich selbst erinnere mich, solche Beschreibung -gelesen zu haben —, aber nur in den seltensten Fällen ist der Caliche, -das Mineral, aus dem der Salpeter gewonnen wird, so hochprozentig, 50 -bis 70 Prozent, daß es im weißen Glanz schimmert, und so bleibt der -Charakter der Landschaft schmutzig-eintönig, auch als der Zug jetzt -mitten durch die Salpeterregion fährt.</p> - -<p>Jede Wüste hat ihre Oasen, auch die Salpeterwüste kennt sie. Allein -es sind künstliche, von Menschenhand geschaffene. Statt Palmen -Essen, statt blauer Lagunen und Teiche die dampfenden offenen -Kessel, in denen der Caliche kocht, statt weißer, kühler Häuser die -öden Wellblechcampamentos der Arbeiter. Kaum ein wenig Grün im Hofe -des Administratorhauses. Das sind die Oasen der Salpeterwüste, die -„Oficinas“, wie sie genannt werden.</p> - -<p>Am Horizont, bald näher, bald ferner, tauchen sie jetzt immer -zahlreicher auf. Es sind die Forts, die der Mensch in die Wüste gebaut -hat. Dazwischen ein Schlachtfeld aufgerissenen, durch Pulver und -Dynamit zerstörten Bodens, dem das kostbare Mineral entnommen wird. -Geleise, Rampen, Feldbahnen, rauchende Lokomotiven<span class="pagenum"><a name="Seite_168" id="Seite_168">[S. 168]</a></span> und stöhnende Mulas -vor schwerbeladenen Karren. Aber alles weit verstreut in der Wüste, in -einer braungelben Öde, über die sengend und blendend die Sonne brennt.</p> - -<p>Ab und zu hält der Zug, wo eine Zweigbahn zu einer Oficina führt. Da -steht eine Wellblechbaracke als Station. Aber es gibt auch größere -Stationen, wo eine ganze Zeile Häuser steht. Das sind die Städte der -Pampa. Hier gibt es „Hotels“, „Restaurants“, Kinos, Läden und vor -allem Kneipen, in denen der Arbeiter seinen Wochenlohn verspielen -und vertrinken kann. Es sind buntgestrichene Häuser — aus Wellblech -natürlich — mit pompösen Namen, die in der öden, durchglühten Wüste -wie grell geschminkte, alternde Dirnen erscheinen. Und man weiß nicht, -was erschütternder wirkt: ihr Anblick oder der der Gräber, die man -nicht allzu selten längs der Bahn sieht, Gräber, wie im Felde: ein -flacher Hügel mit einfachem Holzkreuz und davor ein Strohkranz oder ein -Radreifen, wenn es nur etwas Rundes ist.</p> - -<p>An beiden vorbei aber rollen Tag für Tag die Züge, die endlos -langen Züge mit den schweren Säcken — so schwer, daß ein Mann sie -keuchend gerade tragen kann — voll des weißglänzenden Minerals, dem -die Chilenen bisher Steuerfreiheit und glückliche Aktienbesitzer -in Valparaiso, New York, Paris oder London ein verschwenderisches, -sorgenloses Leben verdankten.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_169" id="Seite_169">[S. 169]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Oficina_31">31. Oficina.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Peineta.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_s4" name="initial_s4"> - <img class="h3em" src="images/initial_s.jpg" alt="S" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">S</span>eltsam, daß im Süden wie im Norden Chiles die Landschaft an die -Schlachtfelder in Frankreich erinnert. Gleicht der Süden mit seinen -verkohlten Baumstümpfen zwischen den Feldern Gegenden, in denen nach -mörderischer Schlacht neues Leben erblühte, so ähnelt die Salpeterwüste -des Nordens jenen unglücklichen Landstrichen von Ypern und an der -Somme, in denen der Eisenhagel die Eingeweide der Erde um und um wühlte.</p> - -<p>Calichera, Salpeterfeld! — Heißer Stein, heiße Arbeit! Ein halbes bis -ein Meter tief liegt der Caliche, das kostbare Mineral, unter taubem, -wertlosem Gestein. Sprenglöcher werden gebohrt, mühsame, wochenlange -Arbeit mit Schlegel und Eisen, mit selbstbereitetem Schwarzpulver -gefüllt — Salpeter gibt es ja genug, Schwefel liefern die nahen -Schwefelfabriken, Kohle die Bahn — und gesprengt. Die hohen, schwarzen -Rauchwolken inmitten all der Sprengtrichter vollenden den Eindruck des -Schlachtfelds.</p> - -<p>In den heißen Kesseln der Sprengtrichter, die sich bald -schützengrabenartig aneinanderreihen, geht die harte Arbeit des -Losbrechens und Zerkleinerns des Caliche weiter. Das Mineral ähnelt in -Form und Farbe dem es deckenden Stein. Der Laie vermag einen vom andern -nicht zu unterscheiden, und auch der Aufseher bedarf der brennenden -Lunte, um den Salpetergehalt des zu brechenden Minerals zu prüfen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_170" id="Seite_170">[S. 170]</a></span></p> - -<p>Ist es hoch salpeterhaltig, so brennt der Stein mit heller, sprühender -Flamme, während der geringwertige kaum trübglimmende Funken gibt.</p> - -<p>Hart poltert der gebrochene Stein in die von Mulas gezogenen -Karreten. Im Galopp zur Rampe. Von da mit der Kleinbahn zur Oficina, -der Salpeterfabrik. Jede Oficina baut sich auf wie eine Burg. Auf -ihren Zinnen stürzt der Caliche aus den Kipploris in die Brecher und -Mühlen, die ihn zerkleinern und mahlen, bis ihn ein Förderwerk in -die „Cachuchas“ leitet. Cachuchas sind rechteckige, offene Kessel, -wie riesige Badewannen, die, von Heizschlangen durchzogen, in langen -Reihen aufmarschieren. Einige frisch gefüllt, kaum daß aus der -Steinschicht die ersten unheimlichen Dämpfe aufsteigen, andere in -vollem, brodelndem Kochen, schwadenumwallt. Bisweilen ist alles in -beizenden Qualm und Rauch gehüllt, durch den man halbnackte Gestalten -mit langen Eisenstangen in den Händen springen sieht. Manch einer fiel -unvorsichtig ausgleitend in die siedende Brühe. Längs der Bahn sind -genug Gräber.</p> - -<p>In kochendem Sud löst sich der Salpeter aus dem Stein. Die wertvolle -Lösung wird in die „Chulladores“ geleitet, während der schlammige -Rückstand, der „Ripio“, durch geöffnete Bodenklappen in Loren fällt, -die ihn auf die Halde führen. Doch auch der Ripio ist nicht wertlos. Er -enthält noch Jod, und vor allem Wasser, das man ablaufen läßt und in -grünlich-schmutzigen Becken sammelt.</p> - -<p>Wasser! Das ist ja die große Not in der Salpeterwüste. Der Prozeß -erfordert viel Flüssigkeit, und jeder Tropfen kommt meilenweit in -langen Rohrleitungen von<span class="pagenum"><a name="Seite_171" id="Seite_171">[S. 171]</a></span> der Kordillere her. Die Tonne Wasser kostet -anderthalb Peso, und ein mittelgroßes Werk verbraucht im Monat für -14000 Peso Wasser. So sucht man im ganzen Arbeitsprozeß Wasser zu -sparen, und auch im Campamento ist der Wasserbedarf kontingentiert. -Heiße Wüste und Wasserknappheit!</p> - -<p>In den Chulladores setzen sich Fremdkörper aus der Flüssigkeit ab, -und die konzentrierte Lösung wird in die Bateas geleitet. Die Bateas -sehen aus wie die Klärbecken eines Wasserwerkes, offene, eiserne -Tanks, quadratisch aneinandergereiht. Hier kristallisiert in zwei bis -drei Tagen der Salpeter aus. Und jetzt erst bekommt er seine schöne -glänzend weiße Farbe. Die Tanks voll fertigem Salpeter glitzern gleich -Schatzkammern märchenhafter Schätze. Am Fuß der Bateas waten die -Arbeiter, die den Salpeter in Säcke füllen, wie in silbernem Schnee.</p> - -<p>Schätze! Sie zahlen nicht nur den ganzen teueren Apparat in der Wüste, -wo der Unterhalt jedes Menschen drei, jedes Tieres sechs Peso pro Tag -kostet, sie zahlen nicht nur die Steuern des Landes, sie geben auch -reichen Überschuß.</p> - -<p>Eine Oficina produziert im Monat 70000 Quintal (zu 46 Kilogramm), -die Provinz Antofagasta allein 3,5 Millionen. Wie Kraken wandern -die Oficinen über das Land, reißen den Boden auf und lassen wild -zerfleischtes Land zurück. So geht es Jahrzehnt um Jahrzehnt. Die noch -jungfräuliche Calichera aber ist noch unabsehbar, auf unbegrenzte -Zukunft deckt sie den Weltbedarf. Auf dem Salpeter beruht Chiles -Existenz; aber eine Gefahr steigt unheilvoll am Horizont auf: die<span class="pagenum"><a name="Seite_172" id="Seite_172">[S. 172]</a></span> -fortschreitende Vervollkommnung in der Gewinnung künstlichen Salpeters; -sie droht Chiles Weltmonopol zu zerstören und damit die Wirtschaft des -Landes schwer zu schädigen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Pampinos_32">32. Pampinos.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Calama.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_w3" name="initial_w3"> - <img class="h3em" src="images/initial_w.jpg" alt="W" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">W</span>ir standen unter der Tür des Administratorhauses und sahen auf das -Werk. Seine Lichterreihen bauten sich terrassenförmig auf, und darüber -hoben sich vom sternklaren Nachthimmel die rauchenden Essen ab.</p> - -<p>„Wie ein Schiff“, meinte nachdenklich der Administrator.</p> - -<p>„Ja, wie ein Schiff.“ Ich mußte an die lange frauenlose Männerrunde der -Beamten und Ingenieure denken, die immer die gleiche blieb, die nie -wechselte. Immer die gleichen Gesichter, immer die gleichen Arbeiten, -und kaum einmal im Jahr ein paar Tage Urlaub nach Antofagasta.</p> - -<p>„Der Unterschied ist nur der,“ fuhr der Leiter des Werkes fort -— er war vor dem Kriege als Kapitän zur See gefahren, und das -Kriegsschicksal hatte ihn in die Pampa verschlagen —, „ein Schiff legt -an, ein Schiff wechselt Ladung und Passagiere; wir aber, wir liegen -ewig am gleichen Fleck im Ozean vor Anker.“ Das Werk lag jetzt wirklich -wie ein phantastisches Schiff in der Wüstennacht. Unendlichkeit von -Wüste und Himmel, gleich ewig, gleich drückend, gleich grausam.</p> - -<p>„Noch ein paar Jahre als Pampino, dann —.“ Wir gingen zum Whisky -zurück ins Haus.</p> - -<p>Pampino, Pampabewohner, es ist ein eigener Men<span class="pagenum"><a name="Seite_173" id="Seite_173">[S. 173]</a></span>schenschlag. Allein, -wenn sich Werkleiter und Beamte auch dazu rechnen, wenn man ihn -wirklich und echt kennenlernen will, den „Pampino“, muß man ins -Campamento, ins Arbeiterlager, gehen.</p> - -<p>Ich habe als Student im Industrierevier gearbeitet, vor dem Hochofen, -im Stahlwerk, im Walzwerk, und dieses Land von Ruß und Feuer, von -Schlackenhalden und Essen schien mir seitdem das grauenvollste, die -Arbeit als Hüttenarbeiter die schwerste und freudloseste. — Es war -ein Irrtum. Die Salpeterpampa ist schlimmer. Wohl gibt es auch in -europäischen Kohlen- und Eisenrevieren Arbeiterkasernen. Aber oft -sind es freundliche Häuser mit Gärtchen. Es gibt doch Bäume, andere -Häuser als Wellblechbaracken, andere Menschen als die täglichen -Arbeitskameraden. Man kann in die Stadt gehen oder schließlich an -Sonntagen auch ins Freie, ins Grüne.</p> - -<p>Das Campamento — zwei Reihen Wellblechbuden, eine wie die andere, -primitiv aus Blechtafeln zusammengesetzt. Vorne ein Wohnraum, dann -durch eine kaum mannshohe Zwischenwand abgetrennt ein Schlafraum, -dahinter ein Hof, gleichzeitig Küche, Vorratsraum, Rumpelkammer und -alles übrige. Freilich, man kann die Unterkunft primitiv halten in -diesem Landstrich. Es regnet ja nie. Aber das Wellblech gibt auch in -gleicher Weise der sengenden Glut des Tages wie der beißenden Kälte der -Nacht Zutritt.</p> - -<p>Campamento und Werkleitung, das ist Todfeindschaft. Wie die Dinge -liegen, künden auf den ersten Blick die schweren, eisernen Gitter, -die doppelten Läden und die eisernen Querbalken, die in wenigen -Augenblicken<span class="pagenum"><a name="Seite_174" id="Seite_174">[S. 174]</a></span> Verwalterhaus und Beamtenwohnungen in starke Festungen -verwandeln können. Und dann ist gar nicht weit die Carabinerostation, -zu der eine direkte Telephonleitung führt.</p> - -<p>Dem Salpeter dankt Chile seinen Reichtum, aber auch die Verschärfung -seiner sozialen Frage. Gewiß, der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit -durchzieht die ganze Welt. Er muß auch in der Pampa zum Ausdruck -kommen, ob aber in dieser scharfen, erbitterten Form? Man hört von -gestürmten Oficinen, von erschlagenen Werkleitern, von Plünderungen, -aber andrerseits auch von Gewalttaten gegen streikende Arbeiter, von -ganzen Belegschaften, die von den Carabineros einfach in die Wüste -getrieben wurden. In die Wüste, in der kein Halm wächst, in der kein -Tröpfchen Wasser zu haben ist, wo die Sonne erbarmungslos sticht.</p> - -<p>Man sagt mir, der Arbeiter verdient gut. Aber was sind 8, 10 oder -selbst 12 Peso im Tag für die Arbeit und das Leben, das er führen muß? -Dabei braucht ein Mann für das nackte Leben im Tag zweieinhalb bis -drei Peso. Und alles, was der Arbeiter und seine Familie benötigt an -Nahrung, Kleidung, Hausgerät, muß er in der Pulperia, der Werkkantine, -kaufen, und die Werkleitung setzt die Preise fest.</p> - -<p>Jede Oficina gibt ihr eigenes Geld aus, aus Kautschuk geprägte Fichas. -Sie hinterlegt dafür eine gleichwertige Summe in Bankbilletten bei der -Nationalbank. Das Kautschukgeld ist handlich und praktisch, aber auch -sein sonstiger Zweck liegt auf der Hand. Es hat nur in der Salpeterzone -Kurswert. Und dann: „Wenn die<span class="pagenum"><a name="Seite_175" id="Seite_175">[S. 175]</a></span> Arbeiter die Kasse stürmen,“ meinte -der Zahlmeister zu mir, „so ist eben nicht viel verloren; die -betreffenden Fichas werden dann einfach für wertlos erklärt.“ Zu -ihrer Charakterisierung genügt schließlich, daß ihre Abschaffung ein -Programmpunkt der radikalen Partei ist, die jetzt mit dem neugewählten -Präsidenten Arturo Alessandri in Chile zum erstenmal zur Herrschaft -gelangt.</p> - -<p>Von manchen Werken wird allerlei an Wohlfahrtseinrichtungen getan. Man -legt Plazas an, läßt Musikkapellen spielen, richtet Kinos ein. Aber -ich habe auch Werke gesehen, in denen der Eintritt ins Kino für den -Arbeiter einen Peso kostet, so daß die Werkleitung auch noch mit ihrer -Wohlfahrtseinrichtung ein fettes Geschäft macht. Aber auch selbst wenn -es wirkliche Wohlfahrtseinrichtungen sind, es bleibt ein Almosen. —</p> - -<p>„Wenn die Regierung, die so viel an den Salpeterabgaben verdient, -wenigstens darauf dringen wollte, daß die Werke hygienische, -menschenwürdige Unterkunft schüfen!“ meinte der Unterbeamte, mit dem -ich durch das Campamento ging. „In einem solchen Raum schlafen, wohnen -und essen oft zehn Menschen zusammen.“</p> - -<p>Bezeichnend für die bisherigen politischen Verhältnisse in Chile ist, -daß die Arbeiter wohl das Wahlrecht haben, daß aber die Ausübung des -Wahlrechts sehr erschwert ist, da sie dazu nach Antofagasta fahren -müssen, fünf bis acht Stunden Bahnfahrt. Und da nur täglich ein Zug -fährt, bedeutet das einen Lohnausfall von zwei bis drei Tagen, ganz -abgesehen von den teueren Reisekosten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_176" id="Seite_176">[S. 176]</a></span></p> - -<p>Die Sonne brennt durch die Scheiben des Zuges. Die Wüste flimmert. Der -Speisewagenkellner bringt Beefsteak mit Spiegelei, Preis 3,60 Peso. -Die Frau, die es bestellt hat, trägt unter ihrem ärmlichen Kleid kein -Hemd. Ihr gegenüber sitzt eine Bolivianerin in bunten Tüchern mit einem -Säugling. Wie sie das Kleid abhebt, um den Säugling zu stillen, tropft -von der braunen Brust langsam ein schwerer weißer Tropfen zu Boden.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Unter_Vulkanen_33">33. Unter Vulkanen.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Ollague (chilenisch-bolivianische Grenze).</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_v3" name="initial_v3"> - <img class="h3em" src="images/initial_v.jpg" alt="V" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">V</span>on den Felsmauern herab, die oben blank von Eis sind, kollert ein -brauner Stein, stürzend, sich türmend, ein Strom von Stein. Rasend -rasch kommt er näher, füllt das Tal, prallt an den Bahndamm, staut sich -zu beiden Seiten. Wir fahren mitten hindurch.</p> - -<p>Lava! Bräunlich-schwarze, graue Lava. Hochgetürmt, daß der Zug fast -darin versinkt. So frisch sieht sie aus, als sei sie eben erst vom Berg -herabgeflossen, und ist doch hundert, tausend, vielleicht viele tausend -Jahre alt.</p> - -<p>Zone der Vulkane. Die weißen Schleier, die um die Spitzen der Berge -hängen, sind nicht Wölkchen, die sich an ihren Zacken gefangen. Es ist -Rauch, Wasser- und Schwefeldampf, der aus den Kratern steigt. Wie der -Zug weiterfährt, sieht man durchs Glas deutlich, wie es aus runden und -ovalen Kratermäulern weiß und gelb in die Höhe schießt.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p176_abb" name="p176_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p176_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Die heilige Jungfrau vom See in Copacabana.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p177_abb1" name="p177_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p177_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Ein frischer Trunk.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p177_abb2" name="p177_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p177_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Bepackter Hochlandesel.</p> -</div> - -<p>Wir sind in der Werkstatt der Erde. Tief unter dem<span class="pagenum"><a name="Seite_177" id="Seite_177">[S. 177]</a></span> Boden, über den -wir eilen, ruhen die Kräfte, die diesen Kontinent schufen, veränderten -und verändern werden. Sah es nicht unten im Archipel südlich von -Puerto Montt aus, als sei hier die See in das chilenische Längstal -hineingebrochen und habe es in einen langen Meeresarm verwandelt und -die ragenden Kuppen der Küstenkordillere in Tausende von Inseln?</p> - -<p>Hier oben im Norden aber, wo der Salpeter quadratkilometerweit das Land -bedeckt, möchte man glauben, als habe das ganze Land sich aus dem Meer -gehoben, aus dessen verdunsteten Wassermengen das Seesalz zurückblieb, -das stellenweise in blinkender dicker Kruste den steinigen Fels -überzieht.</p> - -<p>Aber schon die Salpetergegend war 1000 Meter, 1500 Meter hoch, Calama, -wo die großen Salzseen sind, 2000, und die letzte Station, an der der -Zug vorbeieilte, trug die Zahl 3223 Meter.</p> - -<p>So wäre ganz Südamerika einst am Grunde des Meeres gelegen? Doch nein! -Lag nicht östlich des Kontinents Atlantis, der sagenhafte versunkene -Erdteil? Vielleicht war er nichts anderes als die Fortsetzung der -argentinischen Pampas, und als sich in unvordenklichen Zeiten die -chilenische und peruanische Küste aus den Fluten des Pazifik hob, da -versank im Osten die weite Ebene in den Wassern des Atlantik, so daß -sich der ganze Kontinent um seine Achse drehte wie der Balken einer -ungeheuren Wage.</p> - -<p>Die Berge beiderseits der Bahn sind rot und blau, in bunten Streifen -gefärbt. Wie Hermelinbesatz zieht sich über scharfe Kämme und Grate der -ewige Schnee, und<span class="pagenum"><a name="Seite_178" id="Seite_178">[S. 178]</a></span> darüber die weißen und gelblichen Wolken wie eine -Warnung: Wir sind immer da, wenn wir auch zu schlafen scheinen, wir -ewigen Kräfte, die wir die Welt wandeln und zerstören.</p> - -<p>4000 Meter, fast Montblanchöhe! Die Luft von einer unwahrscheinlichen -Klarheit und Durchsichtigkeit. Man meint Hunderte von Kilometern weit -zu sehen und glaubt noch an den fernsten Hängen die kleinste Einzelheit -erkennen zu können.</p> - -<p>Wunderlich rot färbt sich der Boden. Ein ganz satter, warmer Ton. Erst -beim Näherkommen sieht man, daß es nicht Fels noch Stein, sondern eine -niedrige fleischige Pflanze ist, eine Art Fetthenne, die meilenweit -über den nackten Stein kriecht.</p> - -<p>Dann aber wird mit einem Schlag alles schneeweiß, glitzernd, -kristallklar zu beiden Seiten der Bahn bis an den Fuß der Vulkane. -Mitten hindurch fährt der Zug wie über einen gefrorenen See. Ein -unheimliches Gefühl; denn an einzelnen Stellen sieht man noch dunkle -Flut zwischen dem glitzernden Weiß.</p> - -<p>Und das alles wie unter einer Kuppel von intensivstem Blau. Es ist, als -hätten sich die vulkanischen Kräfte hier auf dem Dache der Welt einen -Tempel gebaut, daß die Menschheit dahin wallfahre und sich in Demut -beuge vor den ewigen Gewalten.</p> - -<p>Aber nein, das Weiße ist Borax. Millionenwerte liegen hier. Man braucht -sie nur aufzulesen, und weiterhin sieht man inmitten des glitzernden -Weiß Schlote und Wellblechbaracken: die Boraxwerke von Cebollar, in -denen das wertvolle Material für den Versand eingesotten wird. Seit -Jahren wird hier gearbeitet und in die Welt hinaus<span class="pagenum"><a name="Seite_179" id="Seite_179">[S. 179]</a></span>verschickt. Aber das -Tischtuch, das hier die Natur über die Erde gebreitet, ist kaum kleiner -geworden.</p> - -<p>Und weiterhin ist der Boden gelb; es ist Schwefel. Und gleichfalls -braucht es nicht mehr als die Mühe des Losbrechens. Grünlich gelbe -Dämpfe wallen um die viereckigen Blöcke der Schwefelöfen, aus denen das -goldgelbe Mineral fließt, Tränen in die Augen treibend und die Kehle -würgend. Aber dem, der es fand und von der Erde hob, lauteres Gold in -die Taschen.</p> - -<p>Geld machen, Geld, Geld! Wie wird sich erst in absehbarer Zeit die -göttliche Felseinsamkeit bevölkern mit Essen und Öfen, wenn erst -weitere Schienenstränge die Kordillere durchziehen; denn die Bahn ist -hier alles. Ohne sie blieben die weiten, großen Schätze der einsamen -Erde tot. Über dem Vulkan aber steht Tag und Nacht, als stumme Warnung, -die Rauchwolke.</p> - -<p>Als Chile noch unter den Meeresfluten lag, soll das heute kalte und -rauhe Andenhochplateau jenseits der Kordillerenkette ein paradiesisch -schönes, tropisches Land gewesen sein, die Wiege der amerikanischen -Völker. Uralte Ruinen künden, daß hier einst Weltstädte standen. Was -mag aus diesem Gebiet hier werden, wenn sich die unheimlichen Kräfte -wiederum regen, wenn neuerdings Kontinente versinken, Kontinente -erstehen?</p> - -<p>Auf der einsamen, im Weltmeer verlorenen Osterinsel steht eine -ungeheuere Steinstatue mit traurig ergebenem Gesicht, nach Norden -blickend. Als einst die Achse des Kontinents sich drehte und Atlantis -versank, da errichteten seine entsetzten Bewohner, die das Meer über -sich hereinbrechen sahen, auf der höchsten Höhe diese Statue,<span class="pagenum"><a name="Seite_180" id="Seite_180">[S. 180]</a></span> wie um -den Zorn der Götter zu besänftigen, und als einziges Denkmal einer -versunkenen Welt blieb sie von der Flut verschont.</p> - -<p>Mag es so sein oder nicht. Die Mythe ist schön, und als in Ollague -der erste Aimara an den Zug herantrat, um Llareta zu verkaufen, -die als Brennmaterial dienenden torfigen harzreichen Polster einer -Schirmblütlerpflanze, die er in unsäglich harter Arbeit in eisiger -Felseinsamkeit gesammelt, da glaubte ich in den Zügen dieses Sprossen -eines vielgeprüften Volkes die gleichen Züge trauriger und stummer -Resignation zu lesen.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_181" id="Seite_181">[S. 181]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Bolivien">Bolivien</h2> - -<div class="figcenter"> - <a id="p181_wappen_bolivien" name="p181_wappen_bolivien"> - <img class="mtop2 w10em" src="images/p181_wappen_bolivien.jpg" - alt="Wappen von Bolivien" /></a> -</div> - -</div> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_182" id="Seite_182">[S. 182]</a><br /><a name="Seite_183" id="Seite_183">[S. 183]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Das_Land_Bolivars_34">34. Das Land Bolivars.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">La Paz.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_s5" name="initial_s5"> - <img class="h3em" src="images/initial_s.jpg" alt="S" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">S</span>ie wollen nach Bolivien? Und gar, um dort Einwanderungs- und -Kolonisationsmöglichkeiten zu studieren? Nein, das lohnt wirklich nicht -die Mühe. Minen, ja; wenn Sie Minengeschäfte machen wollen. Aber sonst, -nichts als unfruchtbare Hochfläche oder fieberschwangere Tropen. Nein, -es lohnt wirklich nicht die Mühe!</p> - -<p>Das war das Urteil über Bolivien in Buenos Aires, und in Santiago -lautete es nicht anders. Wenn so geurteilt wird, geschieht es nicht -einmal so sehr aus Böswilligkeit als aus Unkenntnis. Was weiß man im -allgemeinen von Bolivien? Ein Land im Herzen Südamerikas, ohne Küste, -mit der Hauptstadt La Paz. Das ist so ziemlich alles. Vielleicht gibt -es wenig Länder, die gleich unbekannt und die kennenzulernen doch -derart der Mühe wert, wie dieses Land, das nach seinem Befreier Bolivar -den Namen wählte.</p> - -<p>Freilich, es war immer Stiefkind. Schon zur Kolonialzeit. Damals -gehörte es als Alto Peru zum Vizekönigreich Peru. Allein obgleich -die Metropole Lima nicht gar so fern war, blieb es doch Hinterland, -Provinz, hinterste Provinz.</p> - -<p>Und später, nach seiner Befreiung, hatte es auf allen Seiten neidische -Nachbarn. Kein Staat an seinen Grenzen, mit dem es nicht einmal Krieg -geführt, der ihm nicht einmal eine Provinz abgenommen hätte. Und als -ihm gar Chile im Salpeterkrieg seine Küste entriß, wurde es völlig<span class="pagenum"><a name="Seite_184" id="Seite_184">[S. 184]</a></span> von -der Welt abgeschlossen. Seine Waren gingen nicht mehr als bolivianische -in die Welt, sondern je nach dem Verschiffungshafen als peruanische -oder chilenische oder brasilianische. Und alle seine Nachbarn bauten -gleicherweise eine unsichtbare chinesische Mauer um das abgeschiedene -Hochland; alle machten es gleicherweise schlecht, wie es noch heute -geschieht. Denn jeder hatte ein Interesse daran, daß nicht etwa fremdes -Kapital oder Einwanderer weiter zögen in das Land der Andenhochfläche. -Und so blieb es bis zu einem gewissen Grade, hätten nicht seine -Minenschätze die Fremden ins Land gelockt — ein Tibet im Herzen -Südamerikas.</p> - -<p>Der Zug fährt über das Altiplano, das vielgeschmähte Andenhochplateau. -Eine steinige breite Fläche wie eine ungeheure Tischplatte. Am Horizont -verschwimmende braune Schatten, die Ketten der Kordillere. Wessen Herz -gesund, der merkt an nichts, daß wir hier 4000 Meter über dem Meere -sind.</p> - -<p>Auf den ersten Blick sieht es freilich unwirtlich genug aus. Aber bald -entdeckt man da und dort weite gelbe Flächen: Gerste, Kartoffeln, und -selbst wo scheinbar nur Wüste und Steppe, ist der Boden doch überall -bedeckt mit einem spärlichen Grün. Spärlich, aber doch immerhin genug, -daß große Rinder-, Schaf-, Esel- und Lamaherden auf ihnen ihre Nahrung -finden.</p> - -<p>Und Bolivien ist schließlich nicht nur Hochland und Gummizone. Zwischen -den Schneeketten der Kordillere und der fieberheißen Gummigegend an -den Rios Beni und Mamoré erstrecken sich je nach der Höhenlage alle -Klimate. Keine Pflanze, die hier nicht wächst, von den<span class="pagenum"><a name="Seite_185" id="Seite_185">[S. 185]</a></span> harten Gräsern -arktischer Region bis zu der wuchernden Pracht der Tropen. Kein -Mineral, das fehlt, von Eisen, Kupfer, Zinn und Gold in den Bergen bis -zu Petroleum in den Niederungen.</p> - -<p>Aber der größte Teil seiner Schätze liegt ungehoben. Keine -Verkehrsmittel. Dazu die politischen Verhältnisse.</p> - -<p>Bis vor etwa 20 Jahren das übliche Bild jener hispano-amerikanischen -Republiken um den Äquator herum. Revolutionen und Revolten in stetem -Wechsel. In den achtzig Jahren staatlicher Unabhängigkeit mehr als -dreißig provisorische Regierungen, d. h. alle zweieinhalb Jahr -bemächtigte sich ein anderer Parteiführer der Macht im Staate.</p> - -<p>Seit der letzten liberalen Revolution im Jahre 1899 Ruhe und -Aufschwung, bis auch die Liberale Partei den gleichen Fehlern erlag, -die sie ehemals bekämpfte: Korruption, Machtmißbrauch, Wahlmache und -Günstlingswirtschaft, so daß am 12. Juli 1920 die Republikanische -Partei der liberalen Epoche in unblutigem Staatsstreich ein -unrühmliches Ende bereiten konnte.</p> - -<p>In mancher Hinsicht ist dieses Land noch so weit zurück, daß ihm -gegenüber Argentinien und Chile als hochentwickelte moderne Staaten -erscheinen. Das gilt vor allem von seinen sozialen Verhältnissen. -Wenigstens in der Landwirtschaft ist das Arbeitsverhältnis noch rein -mittelalterlich-feudal. Der Landarbeiter ist Höriger, Kolone, der Hand- -und Spanndienste zu leisten hat.</p> - -<p>Aber vielleicht ist es kaum anders möglich in einem Lande, wo eine -winzige weiße Oberschicht über zwei Millionen Indianer herrscht, die -weder lesen noch schreiben<span class="pagenum"><a name="Seite_186" id="Seite_186">[S. 186]</a></span> können, und — den einen Vorteil hat diese -Zurückgebliebenheit: daß es in Bolivien keine soziale Frage gibt und -daß dieses Land bisher in der Hauptsache verschont geblieben ist von -Arbeiterschwierigkeiten, Streiks usw., unter denen seine entwickelteren -Nachbarländer ständig zu leiden haben.</p> - -<p>Eines allerdings wird notwendig sein: diese teilweise noch halbwilden -indianischen Massen langsam zu erziehen und heranzubilden und -gleichzeitig dem bisher ihnen gegenüber beliebten Ausbeutungssystem ein -Ende zu machen. Sonst droht Bolivien zwar nicht die soziale Revolution -— die in Argentinien und Chile immerhin schon zur Diskussion steht -—, sondern etwas viel Schlimmeres: der blutige, erbarmungslose -Indianeraufstand!</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Markt_in_La_Paz_35">35. Markt in La Paz.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">La Paz.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_m" name="initial_m"> - <img class="h3em" src="images/initial_m.jpg" alt="M" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">M</span>arkt. — Willst du eine fremde Stadt, ein fremdes Land kennenlernen, -geh dorthin. Am gesammeltesten findest du dort noch alte Sitten, -Trachten und Gebräuche.</p> - -<p>Markt in La Paz. Man muß weit in den Orient fahren, um die gleiche -Fremdartigkeit, die gleiche Farbenfreudigkeit zu finden. Aimaras vom -Hochland in bunten Ponchos mit unbewegten, harten Gesichtern wie aus -Coopers „Lederstrumpf“. Leute aus den Yungas, den Tälern des Innern, -in kurzen Leinenpumphosen und Filzhüten mit riesenbreitem Rand, aber -einem Puppenhutköpfchen. Cholas, Indianermischlinge, mit schwefelgelben -Strohhüten und<span class="pagenum"><a name="Seite_187" id="Seite_187">[S. 187]</a></span> bunten Seidentüchern. Das erstemal ist man ganz -benommen von der Buntheit der Farben, in die sich Männer wie Frauen, -Indios wie Mischlinge kleiden. Dunkelviolette Überwürfe zu orangenen -Röcken, oder indigoblaue zu purpurroten, grellgrüne zu leuchtend -gelben. Ponchos in allen Farben gestreift. Dazu jede zweite Frau mit -einem Säugling in buntgewürfelten Tüchern auf den Rücken gebunden, oder -ihm ungestört und offen die Brust reichend, während sie verkauft. Und -zwischen dem Menschenschwarm Esel- und Lamakarawanen, die vom Alto, dem -Andenhochplateau, oder aus den Yungastälern die Lebensmittel in die -Hauptstadt bringen.</p> - -<p>Denkbar einfach spielt sich das Marktgeschäft ab. Es gibt zwar -eine Markthalle, ähnlich dem Basar des Orients, allein sie faßt -nicht den zehnten Teil der Verkäufer, und so sitzt die Mehrzahl in -den umliegenden Straßen einfach auf dem Boden, vor sich die Ware -ausbreitend.</p> - -<p>Bunt wechseln hier alle Erzeugnisse der kalten, gemäßigten und heißen -Zone miteinander ab. Fällt doch das Andenhochplateau mit seinen fast -4000 Meter Höhe dicht bei La Paz steil zu subtropischen und tropischen -Gebieten ab. So liegen Gerste und Kartoffeln vom Hochland dicht -neben Apfelsinen, Mandarinen und Ananas aus den Yungas, Äpfel neben -Zuckerrohr und Kaffee, in gleicher Weise Produkte aus der Umgebung von -La Paz.</p> - -<p>Die ersten Male steht die einkaufende Europäerin hilflos vor der Menge -von Gemüsen und Früchten, die ihr völlig unbekannt sind. Zunächst -einmal die zirka 200 Kartoffelarten, die es hier in der Heimat -der Kartoffel<span class="pagenum"><a name="Seite_188" id="Seite_188">[S. 188]</a></span> gibt, dazu die Chunos, auf Eis und in der Sonne zu -Steinhärte getrocknete Knollen, die, dann wieder in Wasser geweicht, -das Lieblingsgericht der Indios bilden, die Tuntas, durchs Wasser -gezogene und an der Sonne getrocknete Kartoffeln, und dergleichen mehr. -Eine Delikatesse, auch für Europäer, sind die Ocas, die in gefrorenem -Zustand zusammen mit Miel de Caña, dem Saft des Zuckerrohrs, gegessen -werden. Dazu die Fülle fremder Früchte, deren Königin die Chirimoya -ist, eine mitunter kindskopfgroße Frucht mit herrlich süßem, weißem -Fleisch.</p> - -<p>Wie mit Gemüse und Frucht ist es mit Fleisch; denn auch alle inneren -Teile, wie Kaldaunen, Magenwände und dergleichen, was in Deutschland -Anrecht der Hunde beim Schlachten ist, liegt hier aus, und Stier- und -Hammelhoden sind beispielsweise gesuchte Leckerbissen.</p> - -<p>Besonders Sonntags, dem Hauptmarkttag, flammt und leuchtet die ganze -Calle Recreo in buntesten Farben. Die Indias und Cholas, auf den -Boden gekauert, blühen in ihren weiten, bunten Röcken und Tüchern -gleich farbigen Blumen aus dem Boden. Zwischen goldenen Orangen, -blassen Limonen, gelben Bananen liegt in bunten Lappen ein schreiender -Säugling. Dazwischen gackern Hühner, schnattern Enten und blähen sich -Truthähne, während die vollgepackten Lamas mit unglaublich dummen und -arroganten Mienen durch die Menge schieben.</p> - -<p>In einem unterscheiden sich die Marktfrauen von La Paz wohl von -allen der Welt. Man kann alles nachprüfen, alles anfassen und -dann weitergehen, ohne etwas zu kaufen, und man wird doch kein -unfreundliches Wort hören. Überhaupt spielt sich das ganze Geschäft -sehr<span class="pagenum"><a name="Seite_189" id="Seite_189">[S. 189]</a></span> eigenartig ab. Feste Preise gibt es nicht. Die Eingeborenen -fordern zunächst so viel, wie sie meinen, daß der Gringo, der -Ausländer, dumm genug ist zu bezahlen. Das ist in andern Ländern -ähnlich, aber eine bolivianische Spezialität mag sein, daß der Weiße, -wenn das Geschäft nicht anders zustande kommt, sich einfach die Ware -nimmt und bezahlt, was er für angemessen hält. Nur in den wenigsten -Fällen wird der Indianer dagegen aufzumucken wagen.</p> - -<p>Er ist es ja auch nicht anders gewöhnt. Bereits am Eingang der Stadt -erwarten die Zwischenhändler, meist Cholos, die Indianerkarawanen -und nehmen ihnen ihre Lasten ab zu Preisen, die sie selbst ziemlich -einseitig und willkürlich festsetzen. Auch der Weiße, der von den -Indios ganze Lasten kauft, Gerste, Futter oder Brennmaterial, macht das -Geschäft meist derart, daß er zunächst durch sein Dienstpersonal die -Lasttiere, Esel oder Lamas in seinen Hof treiben und abladen läßt. Wenn -er dann den Preis bietet, großes Jammern des Indianers, der aber doch -meist zufrieden abtrollt, wenn man ihm noch ein paar Centavos für Coca -drauflegt. Mitunter helfen allerdings ein paar Fußtritte nach.</p> - -<p>An diese ganz anderen sozialen Verhältnisse muß man sich überhaupt erst -gewöhnen. Vielleicht muß man sehr weit nach Afrika hineingehen, um noch -diese Unterwürfigkeit des Farbigen dem Weißen gegenüber anzutreffen. -Selbstverständlich, daß kein Weißer etwas trägt. Kauft man nur die -geringste Kleinigkeit auf dem Markt, so ist man von einem halben -Dutzend Indianerbuben umdrängt, die das Paket tragen wollen. Sollte -aber gerade<span class="pagenum"><a name="Seite_190" id="Seite_190">[S. 190]</a></span> keiner Lust dazu haben, und der Weiße sieht sich suchend -um, so mahnt ein eingeborener Polizist mit ein paar sanften Püffen den -nächstbesten Indio an seine Pflicht dem Weißen gegenüber. Der Begriff -„Blanco“, „Weißer“ ist dabei übrigens nicht wie in den Südstaaten der -Union eine Rasse, sondern ein sozialer Begriff. Auch der Mischling und -der Indio haben auf das gleiche Vorrecht Anspruch, wenn sie zu Stellung -und Vermögen gekommen.</p> - -<p>Mitunter kann man es auf dem Markt auch erleben, daß ein paar -Polizisten mit Besen erscheinen, sich die nächsten Indios aufgreifen, -den Widerstrebenden die Besen in die Hand drücken und sie erst einmal -unter Aufsicht der Polizei den Platz kehren lassen, ehe die armen -Betroffenen ihren beabsichtigten Geschäften weiter nachgehen können.</p> - -<p>„Mamita“ oder auch „niña, niñita“ — „Mütterchen“ oder auch wohl -„Schönes Kind“ — schallt es den über den Markt gehenden Europäerinnen -entgegen. Fleisch, Früchte, Bauerntöpfe, bunte Tücher werden -entgegengewinkt. Es ist ein fröhliches, buntes Bild unter dem leuchtend -klaren Himmel von La Paz, und man könnte fast vergessen, daß hinter -der fröhlichen Fassade ein armseliges, gedrücktes Volk steht, und im -Hintergrund all dieser Unterwürfigkeit und sklavenhafter Demut lauert -das eine — Haß gegen den weißen Herrn.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_191" id="Seite_191">[S. 191]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Gebirgsreise_in_Bolivien_36">36. Gebirgsreise in -Bolivien.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Pongo.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_n2" name="initial_n2"> - <img class="h3em" src="images/initial_n.jpg" alt="N" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">N</span>och immer ist die Wand der Cumbre in meinem Rücken. Wie der Weg -sich auch schlängelt, bleibt sie und sperrt den Horizont, ungeheuer, -unheimlich und so steil, daß man jetzt kaum versteht, wie diesen -senkrechten Fels überhaupt ein Weg hinunterführen kann, gangbar für -Mensch und Tier.</p> - -<p>4600 Meter! Selbst wenn man aus dem 3600 Meter hohen La Paz kommt, -ist der Marsch über die Höhe anstrengend genug. Jetzt sind bereits -wieder 3800 Meter erreicht, und nach dem kahlen, nackten Fels der -Kordillerenhöhe mit den letzten Schneeresten des Winters fängt bereits -wieder das erste Grün am Wege an.</p> - -<p>Es dämmert. Die Wand der Cumbre wächst zusammen mit den sich ballenden -Nebelwolken und steigt ins Unendliche auf. Schwache, weiße Wölkchen, -die an ihr hochziehen, entzünden sich am Abendhimmel und glühen wie -irrlichternde rosenrote Flächen auf.</p> - -<p>Tief unten rauscht der Fluß, den die Gletscher schufen. Immer schwärzer -wird die Tiefe, daß bald nur mehr Rauschen aus undurchdringlichem -Dämmern dringt.</p> - -<p>Wie in einen Schlund rutscht man den steilen Weg hinunter. Bizarre -Felsen am Wege türmen und häufen sich, täuschen Häuser vor. Und -dazwischen wirkliche Reste verfallener Mauern und Häuser, daß man nicht -mehr weiß, was Schein, was Wirklichkeit ist.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_192" id="Seite_192">[S. 192]</a></span></p> - -<p>Aber jetzt Hundegebell. Lagernde Tiere und Menschen am Wege. Diese -Mauern sind wirklich, sind bewohnte Häuser — die Posada.</p> - -<p>Ein langgestreckter, niederer Bau. Ein fensterloses Zimmer neben dem -andern, auf der andern Seite des Hofes ein Strohdach, unter das die -Tiere bei Regen untertreten können. Das ist die Posada, staatlich -konzessioniertes Wirtshaus, Relaisstelle, der Posthalterstation aus der -Urgroßväterzeit noch am meisten vergleichbar. Es ist die übliche, vom -Staat vorgesehene Unterkunftsstätte in jenen Gegenden, in denen es kein -anderes Verkehrsmittel gibt als das Maultier.</p> - -<p>Im ersten Augenblick mutet es seltsam und fast unbegreiflich an, daß in -nächster Nähe der Hauptstadt des Landes, die mit nicht weniger als drei -Bahnen mit dem Pazifik verbunden ist, ein weites, reiches, kommerziell -und wirtschaftlich überaus wichtiges Gebiet liegt, für das es keine -andere Verkehrsmöglichkeit gibt als eine kostspielige und anstrengende -Maultierreise.</p> - -<p>So mögen wohl — wie lange ist es her — die Poststraßen der Alpen, -über den Gotthard und Brenner, ausgesehen haben, als noch keine -Postkutschen fuhren, Maultierkolonne hinter Maultierkolonne.</p> - -<p>Denn die Yungas sind ja keine abgelegene, ferne Region, in die man etwa -eine Expedition unternehmen müßte, nein, es ist das Gebiet, das La Paz, -Oruro und den ganzen Minendistrikt mit Bananen, Orangen, Zitronen, -Kaffee und vor allem mit Coca versorgt, dem unentbehrlichen Stimulans -des Hochlandindianers.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p192_abb" name="p192_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p192_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Indianerprozession in Copacabana.<br /> - <span class="s5">Nach einer von Jakob v. Tschudi veröffentlichten - Zeichnung eines Indianers.</span></p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p193_abb1" name="p193_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p193_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Eingeborne vom Rio Beni.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p193_abb2" name="p193_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p193_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Indianerin am Webstuhl.</p> -</div> - -<p>Karawane geht hinter Karawane, Maultiere und dann<span class="pagenum"><a name="Seite_193" id="Seite_193">[S. 193]</a></span> wieder Esel, -struppige kleine Hochlandsesel mit langhängendem Zottelfell. Mit -Früchten und Coca aus den Yungas, mit Gerste und Fleisch vom Hochland -und mit Ware jeder Art von La Paz. Und dazwischen, spärlich allerdings, -Reisende. Am seltsamsten wohl jene Dame, die ich unterwegs traf. Sie -selbst, mit der ältesten Tochter hinter sich, auf dem Maultier; mit ihr -der indianische Diener, ein Kind vor sich im Sattel und auf dem Rücken -noch einen Säugling.</p> - -<p>Kein angenehmes Reisen. Und so reist denn auch kaum jemand in den -Yungas außer jenen indianischen Frachtführern und etwa der eine oder -andere Fincabesitzer, der einmal im Jahr mit oder ohne Familie auf -kurze Zeit auf sein Gut kommt, um nach dem Rechten zu sehen. Der -Bolivianer reist ja überhaupt nicht gern, und wenn schon, dann eher -nach Europa als in sein eigenes Land.</p> - -<p>Schwierig, anstrengend und teuer, das war der sich immer wiederholende -Refrain, wenn ich mich nach den Reisemöglichkeiten abseits der Bahn -erkundigte.</p> - -<p>Vor allem teuer! „Sie brauchen ein bis zwei Reittiere für sich, -mindestens ein Packtier und ein Tier für den Führer, der gleichzeitig -als Arriero die Tiere versorgt.“ Wie oft habe ich das gehört. Da kämen -allerdings leicht bald 1000 Peso für eine kurze Reise heraus.</p> - -<p>So geht’s freilich nicht. Und so habe ich auf Packtier und Führer -verzichtet und bin allein losgeritten, das Nötigste in den Packtaschen, -wie ich es von so manchen einsamen Ritten im Balkan und in Mexiko her -gewohnt war.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_194" id="Seite_194">[S. 194]</a></span></p> - -<p>Der Hof der Posada ist schon voll fremder Tiere. Eine Jagdgesellschaft, -ein Minenbesitzer und ein paar Goldsucher haben bereits ihre Tiere -eingestellt. Es gibt Beißen und Schlagen, bis jedes Tier sein Futter -hat.</p> - -<p>Futter! Da denkt man freilich an das, was erfahrene Yungasreisende in -La Paz erzählten. Ein Tercio Cebada, ein Büschel Gerste auf dem Halm, -kostet einen Peso. Mindestens drei bis vier Tercios braucht man, um -sein Tier satt zu kriegen.</p> - -<p>Da ist das Futter für den Menschen billiger, das ein siebenjähriger -Junge bringt — gleichzeitig Kellner, Hausdiener und Pferdeknecht, kurz -der einzige dienstbare Geist im Hause. Suppe und Fleisch, derartig mit -Aji, dem einheimischen Pfeffer, gewürzt, daß Mund und Gaumen brennen -wie Feuer. Ein Ungar müßte seine Freude daran haben; denn gegen Aji ist -der magyarische Paprika die reinste Süßrahmbutter.</p> - -<p>Der Junge klagt beweglich, er sei Waise und sein ganzes Gehalt bestehe -in Schlägen, bis er ein entsprechendes Trinkgeld erhalten hat. Dann -richtet er das Zimmer für die Nacht her, indem er das schmutzige -Tischtuch fortnimmt. Sonst braucht er vor etwaigen diebischen -Gästen nichts zu sichern; denn außer dem wackligen Tisch und einem -dreibeinigen Hocker steht im Zimmer nichts als das leere Bettgestell, -ein Rahmen auf vier Pfosten und darauf ein paar Riemen gespannt. Das -Lager ist hart, die Nacht kalt. Schlafsack, Decke und Mantel genügen -kaum. Draußen wiehern die Mulas. Ein Tier hat sich losgerissen und -galoppiert über den Hof.</p> - -<p>Ich trete noch einmal unter die Tür. Eine schmale<span class="pagenum"><a name="Seite_195" id="Seite_195">[S. 195]</a></span> Mondsichel steht -am Himmel, und die Cumbre ragt in sie hinein. Und es ist wie scheues -Wundern, daß ich noch vor wenigen Stunden auf jener senkrechten Wand -stand und in eine unbegreifliche, märchenhafte Eis- und Felswelt sah.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="An_einem_Tag_aus_Nordland_in_die_Tropen_37">37. -An einem Tag aus Nordland in die Tropen.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Bella Vista.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_w4" name="initial_w4"> - <img class="h3em" src="images/initial_w.jpg" alt="W" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">W</span>elch ein Kontinent! Immer neue Überraschungen und neue Szenen. -Verblüffte schon in Chile das nahe Nebeneinander der verschiedensten -klimatischen Zonen, so ist das nichts gegen Bolivien. Hier ist es die -reine Hexerei. Hier ist Kälte und Hitze, Nordland und Tropen dicht -beieinander. Mit einem Sprung etwa von Nordrußland nach den Kanarischen -Inseln, weiß Gott, mit <em class="gesperrt">einem</em> Sprung. Nicht etwa derart, -daß man von vereinzelten eisstarrenden Höhengipfeln ins warme Tal -hinunterstiege. Das kann man in Italien auch haben. Nein, in Bolivien -liegen zwei gewaltige Gebiete, das eine kaum kleiner als Deutschland, -das andere so groß wie Bayern, dicht beieinander. Wand an Wand kann man -sagen: das Altiplano und die Yungas.</p> - -<p>Die Wand der Kordillere, die beide voneinander scheidet, ist bei La Paz -so schmal, daß man sie in einem Tag übersteigt, und kaum daß man von -Pongo abwärts zieht, sieht man mit Verblüffung, wie das kümmerliche -kurze Gras, das den genügsamen Lamas kaum dürftige Nahrung bietet, sich -unversehens in kurzes Buschwerk<span class="pagenum"><a name="Seite_196" id="Seite_196">[S. 196]</a></span> wandelt. Schon geht man in niederem -Wald. Saftiges Grün, bunte Blätter, wucherndes Schlingwerk und darüber -wie Märchenvögel blaue, violette und rote Blüten.</p> - -<p>Aber noch phantastischer ist der Wechsel, wenn man in San Felipe, -trotzdem man hier schon auf 2000 Meter und einiges hinabgestiegen ist, -die bequeme Karawanenstraße nach Coripata und Chulumani verläßt und -nochmals aufsteigt auf die steilen Hänge, die zu beiden Seiten Weg und -Fluß begleiten.</p> - -<p>Nochmals hinauf auf 3600 Meter. Aber diesmal in steiler Steigung. Fast -muß sich das Maultier ständig um sich selber drehen, wie es jetzt -mühsam die engen Windungen der sich den Berg hinanwindenden Spirale -aufwärtskriecht.</p> - -<p>Der Gipfel des Berges ragt in die Wolken. Bald ist man mitten drin -im Nebel, man sieht nichts mehr und erkennt nur an den niedriger und -kümmerlicher werdenden Bäumen, wie langsam wir steigen.</p> - -<p>Eine Steigung, die nie enden will. Und immer schlechter der Weg, die -reinsten Treppen mit ausgetretenen, ungleich hohen Stufen. Dazu regnet -es jetzt. Schon dicke Tropfen. Der wasserdichte Gummimantel ist nicht -lange mehr wasserdicht. Bald dringt die Feuchtigkeit bis auf die Haut.</p> - -<p>Die Höhe ist endlich erreicht. Fast unmittelbar fällt sie jenseits des -schmalen Grates wieder ab.</p> - -<p>Man glaubt, falsch geritten zu sein; denn der Weg ist kaum mehr als -Geröll und Steinbruch, den der strömende Regen in die reinsten Grotten -mit Wasserfällen verwandelt. Aber die Indios, die tropfnaß mit ihren<span class="pagenum"><a name="Seite_197" id="Seite_197">[S. 197]</a></span> -Tieren an der andern Seite aufsteigen, nicken auf die Frage nach dem -Wege.</p> - -<p>Also hinunter, das Tier am Zügel! Ein Springen von Stein zu Stein, -die Mula bald vorsichtig tastend, bald fast auf der Kruppe rutschend -hinterher. Dazu Wasser, Wasser in Strömen. Aber sobald man bis auf die -Haut naß ist, wird man vergnügt, denn nässer kann man nun nicht mehr -werden.</p> - -<p>Und wie könnte man auch verdrießlich sein, wo sich das Blattwerk immer -phantastischer um einen rankt, Fächer, Teller, Schwerter, Grün in allen -Schattierungen. Hunderte von Bäumen, die man nicht kennt. Und alles -umrankt und verwoben durch schlingende, wuchernde Lianen.</p> - -<p>Ab und zu erscheint der Berg gespalten, und den Einschnitt hinunter -stürzt aus hundert Meter Höhe ein sprühweiß gischtender Wasserfall.</p> - -<p>Langsam vertropft der Regen. Aus dem Grün hört man seltsames Rascheln, -und fremde, bunte Vögel fliegen über den Weg, glitzernd farbige -Schmetterlinge folgen.</p> - -<p>Aber das Wunderbarste ist doch, wie jetzt Regen und Wolken weichen, und -wie man nun, sobald die Bäume den Blick freigeben, das Land sieht, in -das man hinabsteigt.</p> - -<p>Gewiß, es gibt Landschaften von gewaltigerer Schönheit und auch von -größerer Fremdartigkeit, aber es passiert einem kaum, daß man sie nicht -längst im Bilde sah, ehe man sie wirklich betritt. Allein, wer sah je -Bilder von den Yungas. Nicht einmal in La Paz gab es dergleichen.</p> - -<p>So aber ist die Landschaft: Man denke sich den Schwarzwald oder den -Wiener Wald. Waldberge. Aber<span class="pagenum"><a name="Seite_198" id="Seite_198">[S. 198]</a></span> Waldberge, die vom Tal aus tausend, -zweitausend und mehr Meter ansteigen. Ungeheuere Kuppen, und von der -Sohle bis zur Spitze mit dem gleichen, fremdartig, tropisch anmutenden -Wald bedeckt.</p> - -<p>Berge wie Lebewesen, unheimliche, fremdartige Lebewesen. Man sieht -keine Felswände, Schründe oder Klippen, nur Wald, Wald. Was jenseits -von ihm an Fels, Schnee und Eis der Kordillere sonst sichtbar sein mag, -decken die Wolken.</p> - -<p>Das Unheimlichste aber ist der Fuß der Berge. Unten, ganz unten muß -ein Fluß fließen. Man sieht ihn nicht. So eng stoßen die Berge im -Tal zusammen. Man sieht nur die Krümmungslinien, in denen die steil -abfallenden und dennoch grünen Wände sich begegnen. Man möchte meinen, -daß unten hinein kein Sonnenstrahl dringe und dort düster feuchte, -dunstige Tümpel voll vorsintflutlichem Gewürm sein mögen.</p> - -<p>All diese Wälder sind Urwald. Unbetretbarer, nie betretener -jungfräulicher Wald. Er ist beiderseits des Weges durch und durch -undurchdringlich. Man ist mitten drin und übersieht ihn doch von -Höhenwegen aus. Steht ihm gleichsam Aug in Aug gegenüber. Der Mensch -und der Wald. Seit Stunden, seit den Indianern auf der Höhe, kreuzt -niemand mehr meinen Weg.</p> - -<p>Es gibt nur den einen unfehlbaren Weg durch den Wald, unfehlbar, denn -es gibt nicht eine Abzweigung. Und jeder muß die vorgeschriebene -Tagesreise machen. Denn vor Tagesende gibt es kein Haus, nicht die -geringste menschliche Spur. Ein endlos langer Tag durch Wald.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_199" id="Seite_199">[S. 199]</a></span></p> - -<p>Ein vorspringender Rücken ist es, der das erste einsame Haus trägt. -Bella Vista. Hier ist der Wald gerodet, hellgrüne Pflanzungen, Mais, -Bananen, Zitronen, Orangen. Zu gleicher Zeit tragen die Orangenbäume -brautweiße Blüten und vollsaftige, goldene Früchte. Gelbe Zitronen und -Limas in dunkelgrünem Laub. An der Banane aber schält sich aus riesiger -violetter Blüte die vieltraubige Frucht.</p> - -<p>Der Regen hat aufgehört, die Wolken haben sich verzogen. Man sieht -weithin talabwärts in das wellige, hügelige Grün. Nur an einzelnen -Stellen ist es sonderbar rot gefärbt. Tief orangerote, kreisrunde -Flecken unterbrechen das zarte Grün, gleichsam als durchbrächen -ungeheuere Giftpilze den Waldboden.</p> - -<p>Es sind Ceibas, Wollbäume, Bäume ohne Blätter, nur dicht bedeckt mit -den orangefarbigen Blüten. Dicht vor den Häusern, auf die ich zureite, -steht solch ein Baum, und wie zum Willkommen wirft ein Windstoß seine -Blüten auf mich herab, während beiderseits des Weges Orangeblüten, -schneeige und rosige Pfirsichblüten schimmern und goldene und gelbe -Früchte glühen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Was_die_Yungas_erzeugen_38">38. Was die Yungas -erzeugen.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Coroico.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_a" name="initial_a"> - <img class="h3em" src="images/initial_a.jpg" alt="A" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">A</span>uf steiniger, isolierter Kuppe liegt das Städtchen über 1700 Meter -hoch, und man übersieht von ihm weithin das Gewirr der am Fuß des -Berges mündenden Täler. Das dunkle Grün der Wälder hat sich unten an -den Ufern der Flüsse, deren Spiegel sich hier schon auf<span class="pagenum"><a name="Seite_200" id="Seite_200">[S. 200]</a></span> 1000 Meter -senkt, in lichte Farben gewandelt. Zuckerrohr, deren dichte Wedel wie -niederer Palmenwald wirken.</p> - -<p>Unten im Städtchen ist Markt. Markt?, möchte man fragen. Wozu? Wenn -irgendwo, kann hier der Landmann erzeugen, was er braucht. Trägt ihm -sein Feld doch alle Nahrungs- und Genußmittel, gibt es doch Holz in -überreichen Mengen, Baumwolle und alle Faser- und Textilpflanzen, sogar -Farbpflanzen, während der Boden Ton und Schiefer enthält.</p> - -<p>Gestern abend schon sind vom Alto die Hochlandsindianer mit ihren -Maultieren und Eseln in die Stadt gekommen, stumm und ernst hinter -ihren hochbeladenen Tieren. Und heute sieht man auf allen Wegen die -Yungeños dem Pueblo zuströmen, Menschen der gleichen Rasse, die -das mildere Klima doch so ganz anders formte. Neben dem ernsten, -schweigsamen Aimara vom Hochland mit seinen harten Zügen wirkt der -Yungeño frauenhaft weich, wozu allerdings viel das reiche, tief den -Rücken hinunterfallende Haar beitragen mag, das im Nacken ein Band -zusammenhält.</p> - -<p>Aus den großen Bündeln, die die Indianer des Alto vor sich liegen -haben, schälen sich, in Heu verpackt, Korn, Gerste, Kartoffeln und -Fleisch, das in seiner trockenen, braunen Steifheit mehr wie Leder -erscheint als wie ein Nahrungsmittel. Und die Yungeños kaufen, kaufen, -daß am Mittag bereits fast der ganze Markt leer ist. Es ist eine -merkwürdige wirtschaftliche Erscheinung. Der Yungeño pflanzt wohl -seine Banane, die sein hauptsächlichstes Nahrungsmittel darstellt, -und vielleicht auch noch etwas Juca und Racacha, dicke, wurzelartige -Knollen. Aber was er<span class="pagenum"><a name="Seite_201" id="Seite_201">[S. 201]</a></span> darüber hinaus braucht an Fleisch, Brot und -Kartoffeln, kauft er vom Hochland, und für die Städter, denen die -Banane nicht als Nahrungs- sondern als Genußmittel dient, kommt fast -der ganze Lebensbedarf vom Alto herunter.</p> - -<p>Was der Yungeño erzeugt, ist Luxus: Früchte, Kaffee, Alkohol (nicht -zum Brennen, sondern zum Trinken) und Coca. Letztere Pflanze, deren -getrocknete Blätter in ganz Bolivien, Peru und Nordargentinien als -Nervenstimulans gekaut werden und ohne die der bolivianische Indianer -nicht leben kann, sind das A und O aller Yungaskultur.</p> - -<p>Der Gewinn, den die Coca abwirft, ist so hoch, daß da, wo der Boden -einigermaßen geeignet ist, ihr Anbau jede andere Kultur verdrängt. -Es gibt indianische Kleinbauern, die auf ihrem Grund und Boden nicht -einmal die für den Lebensunterhalt wichtigsten Pflanzen, nicht -einmal ein paar Bananen bauen, sondern die alles, bis auf das letzte -Fleckchen, mit Coca bestellen und den gesamten Lebensunterhalt in der -Stadt kaufen. Und die Einnahme aus dem Cocaverkauf ist so hoch — -mitunter selbst für den Kleinbauern, der nicht mehr als ein paar Hektar -bestellt, bis zu 9000 Peso —, daß er unbedenklich die durch die Fracht -enorm hohen Preise für alle Lebensmittel, die höher sind als in La Paz, -zahlen kann.</p> - -<p>Freilich nötig wäre es nicht, selbst bei intensivster Coca-, Kaffee- -und Rohrzuckerkultur nicht, daß das Alto die Yungas ernährt; denn -von den weiten Yungas ist erst ein winziger Teil kultiviert, und -oberhalb der Cocafelder und Bananenpflanzungen sind die Berge noch alle -bedeckt mit undurchdringlichen Wäldern, an deren Stelle<span class="pagenum"><a name="Seite_202" id="Seite_202">[S. 202]</a></span> sich Weizen- -und Gerstenfelder dehnen könnten, mehr als ausreichend, die ganze -Yungasbevölkerung zu ernähren, und endlose Weiden für Viehherden, die -die Hauptstadt des Landes mit Butter zu versorgen vermöchten, statt, -wie es heute geschieht, sie mit hohen Kosten aus Peru oder Chile kommen -zu lassen.</p> - -<p>Wenn man nach dem Grund frägt, immer die gleiche Antwort: „<span class="antiqua">falta -de brazos</span>“, „Mangel an Arbeitskräften“, und so sind die -Yungasprovinzen, die sich wie eine köstliche Blume an die Hänge -des Hochlandes schmiegen, heute fast nichts als Parasiten. Was sie -erzeugen, ist Luxus, schlimmer noch — Gift. Über die Coca kann -man ja zweierlei Meinung sein; sicher ist, daß der seit unzähligen -Generationen daran gewöhnte Indianer nicht ohne sie leben kann. Aber -auch aus dem Zuckerrohr wird nicht Zucker gewonnen — und Zucker -braucht das Land; denn heute wird er noch zu hohen Preisen aus Peru und -Argentinien eingeführt —, sondern lediglich Alkohol, vierziggradiger -Alkohol, der bei den Indianern unverdünnt das Hauptgetränk für Mann und -Frau bei ihren Festlichkeiten ist.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Eine_Yungasfinca_39">39. Eine Yungasfinca.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Coripata.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d14" name="initial_d14"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie beiden Goldsucher aus Pongo waren vor mir hergeritten. Sie wollten -den Rio Peri nach dem gelben Metall absuchen. Als ich an den Fluß -herunterkam, fand ich noch die Spuren ihres Lagers; sie selbst waren -schon fort. Sie hatten wohl nichts gefunden, oder die Moskitos<span class="pagenum"><a name="Seite_203" id="Seite_203">[S. 203]</a></span> hatten -sie vertrieben, wie mir ein vorbeireitender Administrator einer Finca -erzählte.</p> - -<p>Auf den Höhen merkt man übrigens nichts von Moskitos, und trotzdem -ich Moskitonetz und Schleier mitführte, hatte ich noch für keines von -beiden Verwendung.</p> - -<p>Dagegen war es doch schon recht heiß. Ich war ziemlich spät von Coroico -abgereist, und das ganze Yungasgebiet kennt keinen ebenen Weg. Ständig -geht es auf und ab bei stärkster Steigung, und selbst wo eine Straße am -halben Hang entlang führt, geht sie in Kurven auf und nieder.</p> - -<p>Coroico, Coripata, Chulumani, das ist das Herz der Yungas. Hier sind -alle Hänge entwaldet. Es gibt keinen Baum mehr, alles Banane, Kaffee, -Coca, alles gleich schattenlos.</p> - -<p>So kam mir die Finca halbwegs nach Coripata gerade recht, um während -der größten Mittagsglut kurze Rast zu machen. Aber als ich mit dem -Administrator ins Gespräch kam, stellte sich heraus, daß er drei Jahre -in Weimar auf einer landwirtschaftlichen Schule gelernt hat. Seit den -sechs Jahren, die er wieder zurück und in den Yungas ist, war ich der -erste Deutsche, den er gesprochen. So lud er mich zum Bleiben, und ich -nahm gerne an.</p> - -<p>Die bolivianische Finca hat mit der argentinischen Estancia die -Ausdehnung gemein. Zehntausende von Hektaren sind die Regel. Allerdings -sind hiervon stets kaum ein paar hundert, oft kaum ein paar Dutzend -Hektar bewirtschaftet. Alles übrige liegt brach, unerforscht, und die -Grenzen kennt der Besitzer in der Regel selbst nicht.</p> - -<p>Die Hacienda, der Komplex der Wohn- und Wirt<span class="pagenum"><a name="Seite_204" id="Seite_204">[S. 204]</a></span>schaftsgebäude, ist noch -wesentlich einfacher als in Argentinien. Lebt in Argentinien der Patron -kaum ein paar Wochen und Monate auf seiner Estancia, so kommt er in den -bolivianischen Yungas kaum einmal im Jahr auf wenige Tage hinaus, oft -nur alle paar Jahre. Der Administrator aber ist ein schlecht bezahlter -Angestellter, für den ein einfaches Lehmhaus aus luftgetrockneten -Ziegeln mit Wellblechdach genügen muß.</p> - -<p>Dieses Haus mit einem Schuppen für die Coca und dem mit Schiefer -ausgelegten Hof, in dem die Coca getrocknet wird, ist eigentlich alles: -Irgendwelche landwirtschaftlichen Maschinen oder Geräte, totes oder -lebendes Inventar gibt es nicht. Das Maultier für den Administrator, -wenn es hoch kommt, eine Kuh, das ist alles. Das Arbeitsgerät bringen -die Peone selbst mit; es besteht nur in Hacke und Schaufel. Eines fehlt -freilich nicht, auf keiner Finca. Das ist die Kirche, und sie ist stets -der stolzeste Bau, massiv aufgeführt mit Glockenturm und Glocken; denn -der bolivianische Indio ist in erster Linie ein treuer Sohn der Kirche, -und was er irgend erspart, führt er außer dem Alkohol zunächst dem -Pfarrer zu, den er reichlich mit Geschenken regaliert. Jede Messe auf -einer Finca bringt dem Geistlichen nie unter einigen hundert Peso an -Gebühren und Geschenken ein.</p> - -<p>Rings um die Finca herum liegen in kleinen Bananenpflanzungen die -rohgebauten, niederen Lehmhütten der Kolonen, der Hörigen. Jede -Finca verfügt ja über ihre bestimmte Zahl höriger Indianerfamilien, -die zur Arbeit für den Patron verpflichtet sind, und der Wert jedes -Grundbesitzes richtet sich auch nach der Zahl der auf ihm<span class="pagenum"><a name="Seite_205" id="Seite_205">[S. 205]</a></span> ansässigen -Kolonen. Man kauft und verkauft eine Finca nicht nach Hektaren oder -Quadratleguas, sondern nach der Zahl der Kolonen, und im allgemeinen -wertet jede Kolonenfamilie tausend Peso.</p> - -<p>In rein mittelalterlich-feudaler Weise spielt sich auch die Arbeit -auf der Finca ab. Jeder Kolone ist verpflichtet, zwei, drei oder vier -Tage, je nach der althergebrachten Gewohnheit, für den Grundherrn zu -arbeiten. Diese Arbeit ist nicht nur völlig unentlohnt, der Kolone -muß auch noch Arbeitsgerät und Arbeitstiere selbst stellen. Er ist -ferner zu unentgeltlichem Dienst im Hause des Patrons verpflichtet. -Jede Kolonenschaft stellt allwöchentlich einen oder mehrere Pongos -als Hausdiener. Ebenso wählt sich der Patron, beziehungsweise der -Administrator aus der Reihe der Frauen und Mädchen allwöchentlich -eine Mitani als Haus- und Küchenmädchen. Verreist er, will er etwas -besorgen lassen, in der Stadt etwas kaufen oder verkaufen, so stellen -die Kolonen so viele Apiris, wie er benötigt, um ihn auf ihren Mulas zu -begleiten oder die Besorgungen zu erledigen.</p> - -<p>Als Entgelt für diese Dienste erhalten die Kolonen Land zugewiesen, das -sie in ihrer freien Zeit bebauen. Jeder Indianer hat denn auch seine -Bananenpflanzung, von der er in der Hauptsache lebt, sein Cocal, sein -Cocafeld, dessen Erträgnisse seine sonstigen Bedürfnisse decken müssen.</p> - -<p>Am nächsten Morgen in aller Frühe hatte ich Gelegenheit, den ganzen -Betrieb kennenzulernen. Es war Frontag, und der Hilacata, der Kazike -oder Aufseher der Indianer, trat mit den Kolonen auf dem Hofe an. Dann -ging’s zur Arbeit, Männer und Frauen getrennt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_206" id="Seite_206">[S. 206]</a></span></p> - -<p>Wir gingen erst zu den Männern, denen die schwere Arbeit obliegt. Es -galt, neues Land für ein Cocal zu roden. Büsche und Bäume, die den Hang -deckten, waren bereits abgebrannt, und jetzt waren die etwa dreißig -Indios in langer Reihe dabei, mit Hacke und Schaufel die Wurzelstöcke -zu entfernen. Langsam arbeitete sich die braune Kette den Berg hinauf. -Vor ihnen stand in buntem Poncho, das fast meterlange Messer im Gürtel -und das schwarzglänzende Haar bis auf die Hüften herabhängend, der -Hilacata.</p> - -<p>An anderer Stelle waren die Frauen dabei, im Cocal das Unkraut zu -jäten. Auch hier ein Hilacata-Stellvertreter als Aufseher.</p> - -<p>Am Abend saßen der Administrator und ich auf der luftigen Veranda -beisammen. Hinter dem scharfen Bergrücken, zu dessen beiden Seiten -Coripata wie ein Raubvogelnest klebt, verflammte der Abend. Aus dem -dunklen Laub des Gartens heraus sah man das Leuchten der Orangen. -Dahinter ließen gleich müden Pferden die Bananen ihre früchteschweren -Köpfe hängen. Von den Indianerhütten her klang monoton eine Rohrflöte.</p> - -<p>„Ständiger Ärger mit dem Pack!“</p> - -<p>„Nun, ich glaube, jeder europäische Gutsbesitzer würde blaß vor Neid -über solch billige Arbeitskraft. Entlassung geht ja nicht gut, wenn -jeder Arbeiter seine tausend Peso wertet, und Lohnabzug gibt’s auch -nicht. Was machen Sie denn, wenn die Leute widersätzlich sind oder -faul?“</p> - -<p>Er sah erstaunt auf. „Aber dafür hat man doch die Peitsche!“</p> - -<p>„Die Peitsche?“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_207" id="Seite_207">[S. 207]</a></span></p> - -<p>„Aber natürlich, glauben Sie denn, es ginge anders? Selbstverständlich -habe auch ich eine, oder vielmehr zwei, eine dicke für die Männer und -eine dünne für die Frauen.“</p> - -<p>Ich mußte wohl ein sehr ungläubiges Gesicht gemacht haben. Denn er -meinte: „Wenn Sie es nicht glauben, kann ich ja einen auspeitschen. Ein -Grund findet sich immer.“</p> - -<p>Ich dankte. Aber am nächsten Tag frug ich in Coripata den -Munizipalsekretär, wie es eigentlich mit dem Recht der Fincabesitzer -wäre, ihre Kolonen zu schlagen.</p> - -<p>„Ein Recht“, meinte er, „besteht selbstverständlich nicht. Aber kein -Richter oder Polizeipräfekt wird etwas dagegen einzuwenden haben, -wenn ein Patron oder Administrator seine Indianer schlägt, in mäßigen -Grenzen natürlich. Aber ab und zu muß der Indianer seine Prügel haben, -damit er nicht verdirbt.“</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Der_Gastfreund_40">40. Der Gastfreund.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Irupana.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d15" name="initial_d15"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>as Zimmer war das übliche, vier bis fünf Meter im Quadrat, -weißgetünchte Wände, lehmgestampfter Fußboden, ohne Fenster, nur durch -die Tür Licht und Luft erhaltend.</p> - -<p>Wir saßen beim Abendessen, wir, d. h. der Hausherr und Gastgeber, -mein Reisekamerad und ich. Die Frau des Hauses, eine Chola, den -geschwefelten Strohhut auf den straffen, schwarzen, langen Zöpfen, die -nackten Beine hellbraun und schlank, aß wie üblich nicht mit, sondern -bediente die Männer. Von dem, was wir übrigließen,<span class="pagenum"><a name="Seite_208" id="Seite_208">[S. 208]</a></span> fütterte sie die -Kinder, die, zwei- und vierjährig, vergnügt und halbnackt auf dem Boden -herumkrochen, um dann selbst den Rest stehend in einer Ecke zu sich zu -nehmen.</p> - -<p>Mein Reisekamerad hatte mich mitgenommen, d. h. die Kameradschaft war -recht kurz. Wir waren eine Strecke zusammen geritten, waren zusammen in -den Regen gekommen und hatten uns dann gemeinsam in einer Chacra an den -dort überreichlich wuchernden Orangen gestärkt, nachdem wir vergeblich -nach dem Besitzer gerufen.</p> - -<p>Aber solche kurze Bekanntschaft genügt hier zu Gastfreundschaft. Es -ist das Merkwürdige, daß es hier in einsamer Gegend am Ende jeder -Tagereise eine Posada gibt. Aber in Ortschaften fehlt oft genug -jede Unterkunftsmöglichkeit. Wozu auch? Wer hierher kommt, hat -selbstverständlich seine Geschäftsfreunde oder sonstigen Bekannten, -bei denen er nächtigt, wie umgekehrt sie bei ihm, und andere Reisende -gibt es nicht. Wohl hatte ich einen Empfehlungsbrief von der Regierung -an alle Behörden. Aber von allen Behörden war augenblicklich niemand -da, und so wäre ich fast in peinliche Verlegenheit gekommen, da die -Nacht schon hereinbrach, wenn nicht mein Reisekamerad mich zu seinem -„Compadre“ mitgenommen hätte, der ihm Gastfreundschaft gewährte. Dies -geschah mit der größten Selbstverständlichkeit und natürlichsten -Liebenswürdigkeit, und in der gleichen Weise nahm mich der Compadre -auf, als kennten wir uns seit Jahren und als wäre es gar nicht anders -denkbar.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p208_abb" name="p208_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p208_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Millunisee mit Huaina Potosi.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p209_abb1" name="p209_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p209_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Gipfelgrat des Huaina Potosi.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p209_abb2" name="p209_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p209_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Am Fuße der Eiswand des Huaina Potosi.</p> -</div> - -<p>Die junge Cholafrau war ein selten zartes, schlankes Geschöpf mit -feinem braunem Gesicht, und es wirkte merkwürdig, wie sie demütig, -sklavenhaft an der Wand lehnte<span class="pagenum"><a name="Seite_209" id="Seite_209">[S. 209]</a></span> und den Rest der Suppe löffelte, -während wir um den Tisch vor vollen Fleischschüsseln und gefüllten -Biergläsern saßen. Aber das ist nun einmal Landesbrauch.</p> - -<p>Nach Tisch gingen wir ins Café an der Plaza: ein kleines Zimmer, -Stühle und Tische, augenscheinlich aus den verschiedensten Häusern -zusammengeliehen, ein Billard und in der Ecke auf einigen über Kisten -gelegten Brettern die Bar. Es gab nur Schnaps; denn die Frachtführer -hatten seit langem aus La Paz kein Bier gebracht. Aber gleichwohl war -der Raum übervoll, und es mußte wohl ein sehr gutes Geschäft sein; -Ausstattung und Betrieb waren mehr als wildwestartig primitiv und der -Besitzer Schenk- und Zahlkellner wie Barkeeper in einer Person.</p> - -<p>Als wir heimgingen, zerbrach ich mir schier den Kopf, wie wohl die -Unterbringung für die Nacht sein sollte; denn ich wußte, daß das -Haus aus einem einzigen Raum bestand, an den sich nach rückwärts nur -ein offenes Dach anschloß, unter dem gekocht wurde. Allein unsere -Gastfreunde schienen keine Schwierigkeit zu sehen. Als wir zurückkamen, -lagen die Kinder schon schlafend auf der Bank, und uns beiden wurde, -als sei es gar nicht anders denkbar, das einzige Bett als Schlafstätte -angeboten. Natürlich lehnten wir ab. Aber es bedurfte erst eines -endlosen Hin- und Herparlamentierens, bis sich unsere Wirte endlich -fügten und die Frau des Hauses die Kinder von der Bank wieder ins -Bett legte. Während wir auf Schaffellen auf dem Boden unser Lager -bereiteten, legte sie mit größter Ungeniertheit Rock und Bluse ab, -schlüpfte zu den Kindern, ihr Gatte dazu, und bald hörte man nichts als -tiefe ruhige Atemzüge.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_210" id="Seite_210">[S. 210]</a></span></p> - -<p>Die Luft war stickig; denn die Tür war fest geschlossen. Dazu machte -sich bald das übliche Ungeziefer bemerkbar, trotzdem ich meinen -Schlafsack so voll Insektenpulver geschüttet hatte, daß ich selbst kaum -schnaufen konnte.</p> - -<p>Mein Reisekamerad wachte auf, und so kamen wir ins Gespräch, flüsternd, -während vom Bett in der Ecke her das Atmen der Familie zu uns -herüberdrang.</p> - -<p>Mir war schon unterwegs das eigenartige Braun und der scharfe Schnitt -der Züge meines Reisekameraden aufgefallen, und so fragte ich ihn, -woher er stamme.</p> - -<p>„Araber, aus Damaskus; nach dem ersten Balkankrieg kam ich herüber.“</p> - -<p>Ich mußte plötzlich daran denken, wie ich in den Dezembertagen jenes -unglücklichen Krieges vor dem verzweifelten Angriff der Bulgaren auf -Tschataldscha bei dem Ritt an die Front unweit Derkeskoj jenem frisch -aus Damaskus eingetroffenen Araberregiment begegnete, das sich in -Aussehen und Haltung so sehr von den bei Kirkilisse geschlagenen und -nach der Tschataldschalinie zurückflutenden Türkentruppen unterschied.</p> - -<p>Ich fragte ihn, ob er jenem Regiment angehört, und als er bejahte, -folgte Erinnerung auf Erinnerung an jene Zeit und Gedankenaustausch -über das, was dann kam, den Weltkrieg, den Zusammenbruch, den Sturz des -Kalifats und das Sinken des Halbmondes.</p> - -<p>Es war eine seltsame Unterhaltung, die sich in dem engen, finsteren, -schwülen Zimmer entspann, während vom Bett her jetzt lautes Schnarchen -herüberdrang und das unruhige Hin- und Herwerfen der von Ungeziefer -geplagten Kinder.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_211" id="Seite_211">[S. 211]</a></span></p> - -<p>„Ich gehe jetzt bald wieder hinüber“, meinte der Reisekamerad.</p> - -<p>„Wohin?“ fragte ich. „In Konstantinopel sind die Engländer, in -Kleinasien Griechen und Italiener, in Syrien die Franzosen.“</p> - -<p>„Allah wird es wenden...“ Er brach ab. Aber es war, als füllte sich -plötzlich das Zimmer mit einer unheimlichen, die Wände sprengenden -Kraft, und als dröhnten in der Ferne Trommeln und wieherten Rosse.</p> - -<p>Als ich am nächsten Morgen bei grauendem Tag weiterritt, war es -unmöglich, den liebenswürdigen Wirten Bezahlung aufzudrängen. So hing -ich wenigstens der Kleinsten eine Holzperlenkette um den Hals, die ich -vorsorglich in mein Gepäck getan.</p> - -<p>Dann reichte ich dem Araber die Hand. Wir wußten, daß wir beide -dasselbe dachten, und so brauchte es zum Abschied nur das eine Wort -„Inschallah! — Gott gebe es!“</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Auf_einer_Zuckerrohrplantage_41">41. Auf einer -Zuckerrohrplantage.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Cañamina.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_i_j5" name="initial_i_j5"> - <img class="h3em" src="images/initial_i_j.jpg" alt="I" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">I</span>m hochgelegenen Irupana war es kühl gewesen, wie an einem bewölkten -Frühlingstag in Deutschland. Aber hat man den Paß hinter sich, ist -stundenlang über den sanft sich senkenden Rücken geritten und hat den -Abstieg in scharfen Serpentinen zum Bett des Rio de La Paz hinunter -vollendet, eines bei La Paz entspringenden Quellflusses des Beni, so -wird es wärmer und wärmer. Ab und zu sieht man zwischen Büschen, an -deren Stelle mehr und mehr Palmen treten, den Fluß heraufschimmern,<span class="pagenum"><a name="Seite_212" id="Seite_212">[S. 212]</a></span> -ausgegossen zwischen die steilen Felsmauern wie flüssiges Blei. Das -erstemal erschrickt man, wenn man dieses zwei- bis dreihundert Meter -breite, mattfarbene Band erblickt, — wie soll man da hinüberkommen? -Aber bald sieht man, daß es das sandige, steinige Flußbett ist, das der -Fluß nur in einzelnen schmalen Linien durchzieht.</p> - -<p>Es wird schwül wie in einem Gewächshaus. Seltsame Pflanzen schießen zu -beiden Seiten des Weges hoch. Haushohe Kakteen von einem weißlichen, -verwitterten Graugrün, die aufeinandergetürmt sind wie Reste -zerbrochener Säulen oder wie unheimliche, schlanke Monolithe. Von ihren -Stacheln hängt ein seltsames fahlgrünes Moos herunter, das auch alle -andern Bäume und Pflanzen zu überziehen beginnt, eine Wucherpflanze, -zäh wie Draht, die auf alle Äste und Zweige klettert, das letzte Grün -der Bäume erstickend, bis von den gebeugten, sterbenden Stämmen gleich -Greisenbärten nur mehr das tückische Moos hängt, und sie, bis ins Mark -zerfressen, zusammenbrechen.</p> - -<p>Unten im steinigen Flußbett aber glüht und brennt die Sonne zwischen -den hohen Felsmauern wie in einem Feuerofen.</p> - -<p>Sorgfältig die Spuren zwischen den Steinen lesend, sucht und findet man -die Furt. Bis über den Bauch geht dem Tier die schmutzig braune Flut.</p> - -<p>Jenseits mündet ein Tal. Zwischen Urwaldrankwerk führt ein schmaler -Pfad. Bald darauf ein Bananenhain und Bambusrohrhütten. Vor einer der -Hütten hockt eine alte Negerin, vom Halse herunter hängt ein Kropf, -nein, ein Dutzend Kröpfe, in der schlaffen Haut liegen sie wie Bälle -in einem Netz. Ein junges Weib neben ihr platt<span class="pagenum"><a name="Seite_213" id="Seite_213">[S. 213]</a></span> auf dem Bauch, die -straffen Brüste vor sich ausgebreitet und an jeder einen Bengel säugend.</p> - -<p>Es sind Neger, die hier arbeiten, des Fiebers wegen, das den Indianer -gleich dem Weißen angreift. Hier beginnt die königreichgroße Finca des -Sindicato Industrial, die erste Finca des Syndikats „Miguillo“. Der -Weg zur Hacienda führt durch eine Allee von Sisalagaven, ungeheuern -Pflanzen, die ihre harten, scharfen, spitzen Blätter wie Schwerter über -den Weg strecken, so daß es schwierig erscheint, unverletzt dazwischen -durchzukommen.</p> - -<p>Von hier an beginnt das lichte Grün des Zuckerrohrs, sich in der Ferne -wie eine unendlich frische, saftige Wiese von der dunklen Tönung des -Waldes abzuheben.</p> - -<p>Kreuz und quer über den Fluß, bis das Tal sich weitet, die Hügel -zurücktreten und mitten im lichtesten Grün zwischen Palmen und -Orangenbäumen die blanken Wellblechdächer der Hacienda Cañamina, des -Hauptsitzes des Syndikats, in der Sonne blinken.</p> - -<p>Wo sengende Sonne und Wasser im Überfluß zusammenkommen, da wächst die -Caña, das Zuckerrohr. So viel Wasser braucht die Pflanze, daß selbst -der reichliche Regen hier in den Yungas nicht ausreicht und zwischen -den Reihen der bambusartigen Stauden ständig die Fluten künstlicher -Bewässerung rinnen müssen, welche die von den Bergen herunterstürzenden -Gießbäche speisen.</p> - -<p>Einundeinhalbes Jahr braucht das Zuckerrohr bis zur Reife, bis die -Neger oder Indianer tagtäglich mit ihren meterlangen, schweren, breiten -Messern in die Cañaverales, die Zuckerrohrfelder, hinausziehen, um das -Rohr zu schneiden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_214" id="Seite_214">[S. 214]</a></span></p> - -<p>Harte Arbeit; denn glühend sticht die Sonne, und unermüdlich -umschwirren die Arbeiter Schwärme bissiger Moskitos. Aber immer gibt es -Ruhepausen, in denen das süße Rohr eifrig geschält und gelutscht wird. -Da sieht man überall die schmatzenden, kauenden Gruppen die dicken -Stengel zerbeißen, und aus den Mundwinkeln trieft der schwere süße Saft.</p> - -<p>Bald geht man über schwankendes Gewirr hochgehäufter Rohre, bis die -Mulas kommen, um sie zur Mühle zu schaffen.</p> - -<p>Auch für die Mühle ist der hundert Meter hoch herabstürzende Gießbach -belebende und treibende Kraft, der in enge Röhre eingezwängt zum -Peltonrad hinunterschießt, um die Trapiche, das Walzwerk, zu treiben, -zwischen dem die Caña bis auf den letzten Tropfen ausgepreßt wird.</p> - -<p>Während sich das trocken ausgelaugte Rohr in hohen Haufen stapelt, um -später als Feuerungsmaterial unter den Kesseln zu dienen, rinnt der -Huarapu, der durch die Trapiche ausgepreßte Saft, in große Bottiche, -in denen er sich zum Most wandelt, bis auf mancherlei Umwegen durch -Destillation und Rektifikation als Endprodukt der Alkohol gewonnen ist.</p> - -<p>Auch hier ist es nicht Zucker, der aus der Caña erzeugt wird; Alkohol -bringt mehr Geld. Er bringt viel Geld. Die Lata zu 20 Liter wird zu 43 -Peso verkauft, mitunter steigt der Preis bis auf 75 Peso. Ein Hektar -mit Caña bestellt, produziert etwa 130 Latas Alkohol. Es muß ein -glänzendes Geschäft sein.</p> - -<p>Der Administrator ist auch sehr zufrieden und er denkt daran, den -Betrieb zu vervielfachen. Der Alkohol<span class="pagenum"><a name="Seite_215" id="Seite_215">[S. 215]</a></span>bedarf im Land nimmt auch ständig -zu. Der Administrator ist ein außerordentlich liebenswürdiger Wirt, -und so unterlasse ich denn, daran zu erinnern, daß ein ganzes ehemals -gesundes, kräftiges Volk langsam am Alkohol zugrunde geht.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Weg_im_Fluss_42">42. Weg im Fluß.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Tirata.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d16" name="initial_d16"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>as Wasser stieg höher und höher. Jetzt reicht es schon über den Gurt. -Aber schlimmer war noch die rasende Gewalt, mit der es zwischen den -Granitblöcken einherschoß. Schwer kämpfte das Tier. Jetzt glitt es, -sank. Schon fühlte ich seinen Kopf neben dem meinen, schwamm frei im -Strom.</p> - -<p>Aber als, statt zu versinken, der Maultierkopf noch immer an meinem -Gesicht schnupperte, erwachte ich langsam aus dem Traum. Schaukelnd lag -ich in der zwischen einem Eukalyptus und einer Kaktee ausgespannten -Hängematte, und „Jutta“, meine Maultierstute, die ich neben dem -Lager angebunden hatte, stieß mich ärgerlich mit dem Kopfe, da sie -augenscheinlich ihre abendliche Ration aufgefressen hatte und mehr -haben wollte.</p> - -<p>Über mir glitzerte am tiefdunklen Nachthimmel die ganze Überfülle des -südlichen Sternhimmels, und langsam kam die Erinnerung zurück.</p> - -<p>„Reiten Sie auf keinen Fall allein durch den Fluß. Sie kennen die -Furten nicht, und dann: wir sind schon weit in der Jahreszeit, von -einem Tag auf den andern können die Wasser kommen.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_216" id="Seite_216">[S. 216]</a></span></p> - -<p>So hatte der Administrator von Cañamina dringend abgeraten. Aber ich -hatte mir nun einmal in den Kopf gesetzt, den Weg über den Rio de La -Paz zu nehmen, der eigentlich gar kein Weg ist, sondern ein Wandern -im Flußbett mit hundertfältigem Kreuzen des Flusses, und stellenweise -führt der Weg überhaupt mitten im Fluß, weil rechts und links nichts -ist als steile Felsmauern.</p> - -<p>Beim Abreiten von Cañamina sah es auch wenig verlockend aus. Der Himmel -überzog sich. Es fing an zu tröpfeln, und wir kamen ziemlich durchnäßt -nach Miguillo. Hier fing es in der Nacht aber erst richtig an, und ich -verstand, warum man hier nicht „Regenzeit“ sagt, sondern „Zeit der -Wasser“, und nicht „Es regnet“, sondern „Wasser fällt“.</p> - -<p>Da es aber am nächsten Morgen besser wurde, ritt ich, noch in der -Dunkelheit, los. Es wurde rasch hell, als ich an den Fluß kam. Allein -von der Spur, von der sie in Miguillo gesprochen, war bald nichts mehr -zu sehen; sie verlor sich völlig zwischen den Steinen.</p> - -<p>Also aufs Geratewohl los, und wenn steil an das Flußbett herantretende -Felsen zum Kreuzen des Flusses zwangen, sorgfältig Breite, Tiefe und -Stärke der Strömung geschätzt, und hinein ins Wasser. Ärgerlich nur, -daß die Fluten des Flusses, der allerdings auch den ganzen Dreck und -Unrat der Hauptstadt mit sich führt, unter dem schmutzigen Braun nie -erkennen ließen, was sich unter den Wogen und Wirbeln verbergen mochte.</p> - -<p>Das erstemal ging es ganz gut, wenn ich auch bis über die Knie ins -Wasser kam. Aber dann wurde ich leichtsinnig, und beim Passieren einer -nicht ganz unbe<span class="pagenum"><a name="Seite_217" id="Seite_217">[S. 217]</a></span>denklich scheinenden Stelle gerieten wir bis über den -Sattel unter das gurgelnde Wasser. Einen Augenblick schien es, als -sollte das Maultier seinen Halt verlieren und als würden wir beide von -der Strömung fortgerissen. Aber dann faßte das starke Tier wieder Fuß -und arbeitete sich mit ungeheuerer Anstrengung ans Ufer. Tropfnaß waren -wir, doch es war wenigstens nur beim Schrecken geblieben.</p> - -<p>Aber als die Mula dann auch noch in einer langgestreckten sandigen -Mulde einmal bis zum Gurt in Schlamm einbrach und ich sie nur durch -raschestes Abspringen wieder herausbrachte, wurde ich vorsichtiger: -ich suchte die Spur, bis ich sie fand, und hielt mich von da an -ängstlich an die wenigen Merkmale zwischen den Steinen: ab und zu die -Spur eines Hufeisens oder eines nackten Fußes. Da aber auch Wind und -Wasser stellenweise sonderbare Zeichen in den Sand gegraben hatten, die -menschlicher oder tierischer Spur täuschend ähnlich sahen, segnete ich -die Verdauung der Mulas und Esel, deren „Tierisches, allzu Tierisches“, -von Zeit zu Zeit freudig begrüßt, unverkennbare Beweise bildete, daß -ich mich auf dem richtigen Weg befand.</p> - -<p>So war ich in zwölfstündigem ununterbrochenem Ritt nach Ornuni gelangt, -der ersten Tagesstation, d. h. ganz Ornuni besteht nur aus einer -windigen schiefen Bambushütte, in der zwei alte Indianerinnen hausen. -Aber es gibt hier wenigstens frisches Wasser, ab und zu Futter und -einige Bäume, die bei Unwetter bescheidenen Schutz gewähren, und so -ist der Platz zum Übernachten immer noch besser als das steile, kahle, -steinige Flußbett.</p> - -<p>Am nächsten Morgen ging’s früh wieder heraus; denn<span class="pagenum"><a name="Seite_218" id="Seite_218">[S. 218]</a></span> die Tagesstrecke -war wieder lang, und das Schwierigste stand noch bevor: die Angosturas, -die Felsengen.</p> - -<p>Das Flußbett wird enger und enger. Immer häufiger geht es in ständigem -Zickzack kreuz und quer durchs Wasser. Aber der Pfad, der unter den -Felsmauern hinläuft, wird immer schmaler, bis er sich völlig im Wasser -verliert.</p> - -<p>Man steht vor einem Schlund. Zwischen senkrechten Felswänden, die zum -Himmel ragen, rauscht unheimlich gurgelnd und wirbelnd der Bergfluß -herab. Es hilft nichts. Der Weg führt im Fluß, hinein ins Wasser.</p> - -<p>Ich habe keine Ahnung, führt der Pfad im Wasser am rechten, am linken -Ufer, in der Mitte, geht es erst links, dann rechts? Es hilft nichts... -hinein!</p> - -<p>Bis an die Bügel, bis an die Knie, bis zum halben Oberschenkel steigt -die Flut. Unheimlich gurgelt und rauscht es. Mit aller Macht kämpft das -Tier gegen den Strom. In Windungen führt die Klamm. Man sieht nichts -als die alles einschließenden Felsmauern, und unter sich die reißende, -schmutzige Flut.</p> - -<p>So ging es hintereinander durch drei Schluchten. Dazwischen schwer -passierbare Engen, wo man auf und ab über Granitblöcke und Felsgeröll -klettern mußte. Kurz vor meiner Reise las ich den Roman eines -bolivianischen Autors, Alcides Arguetas, in dem dieser Weg im Fluß -die Hauptrolle spielt und seine Passage als gefährlichstes Abenteuer -hingestellt wird. Freilich, wenn die Wasser fallen und wenn von -den Felsen herunter die „Mazamorra“ hereinbricht, der gefährliche -Bergrutsch, dann mag es eine verteufelte Lage sein in den Angosturas,<span class="pagenum"><a name="Seite_219" id="Seite_219">[S. 219]</a></span> -in denen man gefangen ist wie in einem unentrinnbaren, tückischen Käfig.</p> - -<p>Und trotzdem die Sonne schien, war auch ich im Grunde recht froh, als -ich die letzte Enge passiert hatte und am Horizont des sich weitenden -Tals das stark leuchtende Grün von Tirata vor mir sah, der ersten Finca -am Fluß.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Die_Seele_des_Indio_43">43. Die Seele des Indio.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">La Paz.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_a2" name="initial_a2"> - <img class="h3em" src="images/initial_a.jpg" alt="A" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">A</span>llerseelen. Die Glocken läuten. Übervoll sind die Kirchen. Man ist -fromm und gut katholisch in Bolivien. In der Mitte auf den Bänken -die Frauen und Mädchen der „Weißen“, olivbraun, im dunklen, den Kopf -einhüllenden Manto, die sonst auf dem Prado flirtenden Augen auf das -Gebetbuch gesenkt.</p> - -<p>Die Orgel erklingt. In Seide und Gold eifert von der Kanzel der -Priester: „Denkt der Verstorbenen, betet für ihre Seelen!“ Ja, ja, es -sind die Malquis, die Toten, die wiederkommen und in ihre alten Körper -schlüpfen, wenn man an sie denkt, unsichtbar zwar, aber darum nicht -weniger wirklich. Sie sind mächtige Geister jetzt, die schützen und -strafen können. Man darf ihrer nicht vergessen. Auch der Priester sagt -es.</p> - -<p>Es ist ein großes Fest, das für die Toten. Seit acht Tagen ist der -Markt übervoll, weit über die Straßen hinaus gequollen, die er -gewöhnlich füllt. Zu den Gemüsen und Früchten, die sonst feilgeboten -werden, zu den Ocas, Tuntas und Chunos, zu den Bananen, Orangen und -Limonen, zu den Ananas, Paltas und Datteln, zu dem<span class="pagenum"><a name="Seite_220" id="Seite_220">[S. 220]</a></span> Charqui, dem -getrockneten Hammelfleisch, und dem Aji, dem brennend scharfen roten -Pfeffer, sind noch als Votivgegenstände hinzugekommen die goldbemalten, -nackten Holzpuppen, weiß natürlich, mit hellblondem Haar, Lamas und -Puppen aus Teig. Vor allem aber sind Kuchen aufgebaut, über das -Pflaster ausgebreitet, Kuchen in Hunderten von Arten und Formen, runde -und eckige, Kringel und Brezeln. Ein europäischer Weihnachtsmarkt ist -armselig dagegen.</p> - -<p>Es wogt von roten, grünen, blauen, orangenen und violetten Ponchos und -Sayas, den bunten Überwürfen der Männer und Frauen. Und die Indianer -kaufen und kaufen. Der Indianer, der sonst für einen „Bob“ stundenweit -die schwerste Last schleppt, der für ein Zehncentavostück als -Draufgabe eine Viertelstunde lang in der demütigsten, jämmerlichsten -Weise betteln und winseln kann, wirft heute mit den Fünf- und -Zehnpesoscheinen nur so um sich. Er, der sonst armseliger vegetiert als -ein Hund, lebt und arbeitet ja nur für seine Feste. Um wenige Tage zu -schlemmen und zu prassen, darbt er ein Jahr lang.</p> - -<p>Mit riesigen Körben kommen die Indianer und kaufen, kaufen, bis die -Behälter übervoll sind und sie zu zweit, zu dritt und viert schleppen -müssen. Aber man muß sich gut vorsehen. Die Toten kommen ja wieder, -nehmen Gestalt an, essen und trinken mit. Sie sind tüchtige Esser und -wackere Zecher, die Toten.</p> - -<p>Wenn man feiert in Bolivien, tut man es nicht unter einer Woche. Am -Tage vor Allerheiligen geht man zuerst auf den Friedhof, und erst sechs -Tage danach verklingt die letzte Rohrflöte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_221" id="Seite_221">[S. 221]</a></span></p> - -<p>Natürlich ist das Fest auf dem Friedhof. Dort wohnen ja die Toten, -und man muß zu ihnen kommen. Ist es entheiligend, zwischen Gräbern zu -schmausen, zu zechen und zu tanzen? Ach nein, höchstens fremdartig -für ungewohnte Augen; denn die Toten, der verstorbene Vater, der -verschiedene Gatte, das tote Schwesterchen sitzen ja mitten darunter, -essen und trinken mit, lachen, scherzen und freuen sich mit den -Lebenden.</p> - -<p>Ein lebensgefährliches Gedränge herrscht vor dem Friedhof, der hoch -über der Stadt liegt und einen Blick auf das Eis- und Felspanorama -der Anden bietet, der sich mit dem schönsten in der Welt messen kann. -Auto auf Auto rattert heran. Wo kommen sie nur alle her? Und in ihnen -leuchtet es in bunten Farben. Was sonst barfüßig, lastenschleppend -über das holperige Pflaster trottet oder von früh bis spät auf dem -Markt oder in den kleinen Kramläden auf dem Boden hockt, kommt heute -im Auto daher. Besonders die Cholas, die Mischlingsfrauen, prangen -in ihrem ganzen Staat. Seidene Tücher über weit abstehenden, kurzen -Brokatröcken, graue oder lichtgelbe elegante Schnürstiefel, die bis -über die halbe Wade reichen, die Ohrläppchen heruntergezogen von den -schweren Perlengehängen. Auch die Indianerinnen, die sonst von Schmutz -starren, sind heute in neuen, bunten Tüchern. Es flimmert, leuchtet und -flammt in allen Farben.</p> - -<p>Kaum kann die Kette der Schutzleute vor dem Gittertor des Friedhofes -die Masse bändigen. Man ist zivilisiert in La Paz und duldet die -tollsten Orgien nicht auf dem Friedhof. So trifft man eine Auswahl -unter denen, die hineindürfen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_222" id="Seite_222">[S. 222]</a></span></p> - -<p>Diese Glücklichen lassen sich zwischen den Gräbern nieder. Erst ein -Gebet, dann werden die Körbe ausgepackt. Wie riesige farbige Blumen -sehen die kauenden, schmausenden Frauen in ihren bauschigen Röcken -zwischen den niederen Miniaturgewölben auf den Gräbern aus.</p> - -<p>Das andere Volk aber lagert sich rings um den Friedhof. Er wäre ja auch -viel zu klein, all die Tausende aufzunehmen. Bis weithin an den Rand -der Puna, der Hochfläche, leuchtet es bunt wie Frühlingsblumen in den -Wiesen und in den Gerstenfeldern.</p> - -<p>In zwei in spitzem Winkel aufeinanderstoßenden Reihen sitzen sie, -auf der einen Seite die Männer, auf der andern die Frauen. In der -Mitte zwischen den Vorräten die einladenden nächsten Angehörigen -der Verstorbenen. Eine alte Frau teilt aus. Sie häuft die Teller: -Kuchen, Früchte, Zuckerrohr. Die bereits Bedachten warten mit dem -Teller auf den Knien, bis alle versehen sind. Dann ein Gebet und ein -Kreuzschlagen, und mit einem Ruck werden als erste die Schnapsgläser -geleert, die zwischen Kuchen und Früchten standen.</p> - -<p>Ja, Schnaps! Das ist ja das Wichtigste. In mächtigen Blechkannen wurde -er heraufgeschleppt. Und ein Mädchen steht auf, macht die Runde mit -solch einem Blechtopf und schenkt immer wieder ein.</p> - -<p>Lallen und Rufen, Schwelgen und Lallen, und dazwischen das monotone -Murmeln von Gebeten. Bis irgendwo die erste Flöte erklingt, und der -erste Tanzrhythmus anhebt. Einer steht auf: „Unser Toter war fröhlich -in seinem Leben, und er will, daß auch wir es sind.“ Das ist das -Zeichen zum Tanz. Freilich die<span class="pagenum"><a name="Seite_223" id="Seite_223">[S. 223]</a></span> hauptstädtische Polizei schließt früh -die Friedhofstore. So zieht sich der zweite Teil des Festes immer mehr -auf die Felder, die Umgebung und in die Häuser zurück.</p> - -<p>Hier aber tönen jetzt in der Dämmerung überall die Rohrflöten zu -den großen Trommeln. Und wer es hat, leistet sich noch ein paar -Blechinstrumente dazu.</p> - -<p>Inkamusik! Uralte Melodie. Sie kennt nicht mehr als fünf Noten. Es ist -ein monotoner, aber unheimlich aufreizender Klang. Ein Rhythmus, der -das Blut peitscht.</p> - -<p>Sie tanzen. Ein einförmiges Stampfen und wildes Drehen. Die Röcke -fliegen. Die Köpfe schaukeln im Takt. Nicht Ordnung noch Regel -gibt es bei diesem Tanz. Da tanzen Mann und Weib, erhitzen sich -immer mehr, greifen sich, fassen sich bei den Händen, wirbeln eng -aneinandergepreßt. Da tanzt ein Mann allein oder eine Frau. Oder einer -greift sich zwei Frauen oder ein Mädchen zwei Männer.</p> - -<p>Die Nacht fällt. Unermüdlich quäkt die Rohrflöte, dröhnt die Trommel. -Das Blut brennt, die Leiber taumeln. Aus dem lehmgestampften Hof -schwankt ein Paar hinaus. Männer werfen Mädchen zwischen den grünen -Halmen der jungen Gerste zu Boden. „<span class="antiqua">Ya bailó</span>“, „sie tanzte -schon“, sagt man von dem Mädchen, das seine Jungfernschaft verlor. -Es ist keine Schande, im Gegenteil. Es ist Bestimmung und Wunsch der -Toten. Tod fordert Zeugung. Die Flöte quäkt. So sproßt aus dem Fest der -Toten neues, junges Leben.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_224" id="Seite_224">[S. 224]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Indianerwallfahrt_44">44. Indianerwallfahrt.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Copacabana (bolivianisch-peruanische -Grenze).</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_s6" name="initial_s6"> - <img class="h3em" src="images/initial_s.jpg" alt="S" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">S</span>obald der Dampfer die Enge von Tiquina hinter sich hat, beginnt der -Tag zu sinken. Wie eine dunkle Masse hebt sich bald über die Flut die -Sonneninsel des Titicacasees, deren Zacken eben noch scharfe Konturen -in den Horizont schnitten.</p> - -<p>Dämmer und Nebel weben. Es ist, als stiegen Gestalten aus dem See, -dessen Inseln und Ufer Sitz und Wiege der Urvölker des Kontinents -waren. Seine Wasser spülen an die Kaimauern der längst versunkenen -Metropole Tiahuanacu. Von der Sonneninsel aus traten die Inkas ihren -Eroberungszug an. Schatten vergangener Zeiten umwallen das Schiff. Das -Herz klopft lauter.</p> - -<p>Plötzlich erklingen Glocken hell und stark. Der volle Mond steigt auf, -die Nebel versinken, die Schatten zerreißen. Unmittelbar aus dem See -erheben sich steile Felsen, dazwischen öffnet sich ein weites Tal, aus -dem die Glocken tönen. Licht schimmert.</p> - -<p>Copacabana, die Wallfahrtskirche, die als kostbaren Schatz die „heilige -Jungfrau vom See“ birgt, nimmt jetzt den Platz ein, wo ehemals -Inkapriester opferten. Die Glocken klingen lauter, der Spuk versinkt.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p224_abb" name="p224_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p224_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Westwand des Illampu.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p225_abb1" name="p225_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p225_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Indianerdorf in der Puna.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p225_abb2" name="p225_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p225_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Nordostflanke des Illimani.</p> -</div> - -<p>Wie ein mächtiger Tempel hebt sich der kuppelreiche Bau über die sich -tief duckenden niederen Lehmhütten. Eine sauber gepflasterte Straße -führt mitten hindurch. Plötzlich<span class="pagenum"><a name="Seite_225" id="Seite_225">[S. 225]</a></span> treten die Häuser zurück, ein -weiter Platz öffnet sich. Hinter zinnenreichen Mauern liegt die Kirche. -Geheimnisvolle Feuer flackern an ihrem Fuß. In dem ungewissen Dämmer -erscheint der Bau wie eine phantastisch-gewaltige Burg.</p> - -<p>Die Feuer vor der Kirche sind Garküchen, die köstlichen heißen Kaffee -schenken. Die darumhockenden Indianerinnen weisen den Weg in die -Pilgerhäuser, wo die gastfreien Padres den Wallfahrern kostenfreie -Unterkunft gewähren.</p> - -<p>Copacabana weist dieses Jahr nicht den sonst üblichen Massenbesuch -auf. Der Dampfer war fast leer. Mitfahrer erzählen mir, daß sich in -früheren Jahren die Passagiere Kopf an Kopf drängten. Revolution, -Indianerunruhen, Kriegsdrohung mögen die Ursache sein, und -vielleicht nicht zum mindesten die Verdoppelung der Tarife durch die -Dampfergesellschaft. Teuerung auch hier.</p> - -<p>Aber man genießt den Zauber dieses Ortes, der sich an landschaftlicher -Schönheit mit den berühmtesten Wallfahrtsstätten des alten Kontinents -messen kann, vielleicht noch mehr, wenn nicht alle Plätze von Menschen -überfüllt sind. Und die Kirche wird trotz des geringeren Besuches -nicht leer. Unermüdlich ertönt hier die Huldigung an die Jungfrau. -Blumengeschmückt hebt sie sich auf ihrem Tragsessel über die Menge, im -Blumenschmuck prangt die ganze Kirche. Das Braun und Gold der alten -Altäre verschwindet völlig unter Rosen und andern Blumen.</p> - -<p>Andächtig liegt die Menge auf den Knien, Indios und Cholas in bunter -Anzahl. Dazwischen die Frauen, die ihre Kinder vom Rücken herabgenommen -und vor sich gelegt haben. Die grellen Farben der Ponchos und<span class="pagenum"><a name="Seite_226" id="Seite_226">[S. 226]</a></span> -Frauentücher leuchten wie bunte Flammen. Die Orgel tönt. Unermüdlich -geht der Gesang: „Heilige Jungfrau Maria, Mutter Gottes, bitt für uns.“</p> - -<p>Hinter der Kirche träumt der stille Frieden des Konvents. Die Inkablume -läßt ihre roten Glocken hängen. Ein Brunnen rauscht.</p> - -<p>Vor dem Tor hockt noch immer der zerlumpte Bettler, der sich, wenn -jetzt der Tag zur Neige geht, enger in seinen zerrissenen Poncho -wickelt.</p> - -<p>Der Weihrauchduft hängt noch in den Kleidern, die Hymnen klingen nach -im Ohr, als ich den Hügel hinansteige. Einen intensiven Goldglanz -breitet die sinkende Sonne über die Landschaft. Wie sie jetzt in den -See taucht, färbt sich seine Flut blutrot. Ein glühendes Kohlenbecken, -liegt der See zwischen den Felsen. Krieg, Krieg, ruft das flackernde -Rot, aber da tönen von unten herauf wieder Glocken. Das allzu grelle -Licht verblaßt zu sanftem Rosa, und in stillem Frieden verscheidet der -Tag. —</p> - -<p class="mtop2">In seinem bekannten Werke über Südamerika bringt Jakob von Tschudi -die Nachbildung einer Darstellung einer Prozession zur Ehre der -Muttergottes von Copacabana. Die Originalzeichnung rührt von einem -einheimischen indianischen Künstler her, und sie ist so eigenartig in -ihrer naiven und doch bezeichnenden Schilderung, daß ich die Leser -meines Buches mit ihr bekannt mache.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_227" id="Seite_227">[S. 227]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Indianeraufstand_45">45. Indianeraufstand.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Copacabana.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d17" name="initial_d17"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>as Maschinengewehrfeuer war verhallt, die Revolution hatte gesiegt. -Bewaffnete Aufständische an allen Straßenecken, die Gefängnisse voll -von Ministern und Beamten der gestürzten Partei. Auf der Plaza von La -Paz wollte das Viva-Rufen auf die neuen Machthaber kein Ende nehmen.</p> - -<p>Aber mit sinkendem Tag legte sich der Jubel. Gerüchte rannten durch die -Stadt, Gespenster. Begegnende tauschten hastige Worte: Was werden die -Indios machen?</p> - -<p>Die Indianer! Gewiß, die neue Revolutionsregierung hatte sich ja auch -an sie gewandt. Recht und Freiheit allen Unterdrückten! Aber man -konnte nie wissen. Auch als Bundesgenossen konnten sie gefährlich -werden. War es nicht in der Revolution der neunziger Jahre, als die -Konservativen gestürzt wurden? Damals hatte man die Hochlandsindianer -bewaffnet; aber schließlich kannten sie weder Freund noch Feind, nur -noch Blancos, Weiße, gegen die jahrhundertelang gebändigter Haß endlich -Rachemöglichkeit fand. Eine ganze Schwadron, die sich, von den Indios -gejagt, in eine Kirche geflüchtet, wurde dort abgeschlachtet, daß -Fliesen und Pfeiler im Blut schwammen....</p> - -<p>Die Nacht verging ohne Störung; — auch die folgenden Tage. Aber die -Gerüchte blieben. Auf der Puna, dem Andenhochland, waren die Indianer -aufgestanden.</p> - -<p>In graubrauner Monotonie dehnt sich die grandios-<span class="pagenum"><a name="Seite_228" id="Seite_228">[S. 228]</a></span>traurige -Unendlichkeit des Hochplateaus. Auf den Stationen Militär, Gendarmen, -Gefangene. Es sind nur einige Fincas, heißt es, auf denen die -Indianer sich empörten, die Gutshäuser angezündet und die Verwalter -niedergemetzelt haben. Man wird mit ihnen bald fertig sein. —</p> - -<p>Hinter der Kühle des Kreuzgangs des Klosters am See, den blutrot die -Inkablume umrankt, liegt das Zimmer des Priors. Wir sitzen beisammen -und plaudern. Neben der Bettstatt steht ein Gewehr. Auch in den Zellen -der Mönche sah ich die Waffe.</p> - -<p>„Warum?“</p> - -<p>„Man kann nie wissen“..., über das kluge, faltenreiche Gesicht huscht -kaum merkbares Lächeln, „— freilich, die Jungfrau von Copacabana ist -unser bester Schutz. An sie werden sich die Indianer nicht wagen. Aber -immerhin — es ist besser so.“</p> - -<p>Die heilige Jungfrau von Copacabana ist mehrere hundert Jahre alt. Die -ersten bekehrten Indianer schufen sie. Vielleicht wollen sie kommen, -sich ihr Eigentum wiederzuholen.</p> - -<p>Längs des gegenüberliegenden Seeufers dehnen sich kilometer-, meilen-, -königreichweit die Fincas Goytias. Ein typisch amerikanisches -Schicksal: vom indianischen Maultiertreiber brachte er es zum -vielfachen Millionär und einflußreichsten Manne im Staat. Heute liegen -die Fenster seines Palastes in La Paz in Scherben. Er selbst ist -landflüchtig.</p> - -<p>Die Hörigen auf seinen Gütern, die er mehr bedrückte als jeder Weiße, -trotzdem er oder vielleicht weil er eines Stammes, einer Rasse -mit ihnen ist, witterten Freiheit.<span class="pagenum"><a name="Seite_229" id="Seite_229">[S. 229]</a></span> Sie standen auf und schlugen -ihre Sklavenhalter nieder. Die Revolution hatte doch Freiheit und -Gerechtigkeit gebracht!</p> - -<p>Aber keine Revolution kann an den Grundlagen ändern, auf denen dieser -Staat ruht. Es ist die harte Herrschaft über die Masse der Farbigen, -die eine kleine Schicht ausübt, die sich Blancos nennt, in deren -Adern aber viel Indianerblut fließt. Und so schickt auch die neue -revolutionäre Regierung Truppen gegen die Empörer, muß es tun, um ihrer -eigenen Existenz und Sicherheit willen.</p> - -<p>Die Truppen tun ihre Arbeit wie immer. Kurz, blutig, grausam. Sie tun -es, obwohl ihre Haut die gleiche Farbe aufweist, ihre Züge den gleichen -Schnitt wie jene, auf die sie ihre Maschinengewehre richten, sie tun -es, obwohl sie selbst auf eisig kalter, winddurchbrauster Puna auf dem -Lehmboden armseliger Hütten das Leben empfingen und aufwuchsen.</p> - -<p>Gefangene überall, an allen Stationen, auch in La Paz. Offen werden -sie über den Markt geführt. Die grauen Uniformen säumen die bunten -Ponchos ein, aber die Gesichter sind dieselben. Eigentlich ist es nur -eine dünne Decke, die die Herrschaft der „Weißen“ trägt, fatalistischer -Glaube an die Macht der Blancos und die Uneinigkeit der Ureinwohner.</p> - -<p>In dem Bündel eines der Indianer, das dieser heimlich fortzuwerfen -versuchte, fand man noch einen mit Chunos zusammengekochten -menschlichen Arm.</p> - -<p>Es ist ein uralter, unerbittlicher Haß, der sich unter sklavischen -Formen verbirgt und der unter der Decke glüht.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_230" id="Seite_230">[S. 230]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Der_amerikanische_Himalaja_46">46. Der -amerikanische Himalaja.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">La Paz.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_e4" name="initial_e4"> - <img class="h3em" src="images/initial_e.jpg" alt="E" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">E</span>ines schönen Tages wird nach Bolivien ein findiger Yankee kommen, -dessen Sinnen nicht nur auf Minen und Bergwerke, auf Kupfer und -Zinn eingestellt ist, wie es bisher bei allen seinen Landsleuten -war, sondern der auch einen Blick für die unendliche Schönheit der -Landschaft übrig hat. Er wird zu seiner Überraschung finden, daß -dieses von Fremden und Touristen noch kaum berührte Land dicht -aneinanderreiht: eine Eis- und Bergwelt, gegen die die Schweizer Berge -klein und ärmlich erscheinen, die Tropenwunder Indiens und die gesunde, -trockene Hitze Ägyptens. Und dieses alles ist von New York aus — sind -erst einmal die Verbindungen ausgebaut — nicht schwerer erreichbar -als Europa. Dann werden sich dort, wo bisher nur ärmliche Indios ihre -Lamas trieben, Kurhäuser, Hotels und Sanatorien erheben. In weniger als -Tagesfrist wird man im bequemen, bald zu heizenden, bald zu kühlenden -Aussichtswagen durch alle Klimate der Welt fahren können, und auf die -bisher unersteigbaren Eisberge werden bequeme Bergbahnen leichten -Zutritt ermöglichen.</p> - -<p>Doch halt! Eine Schwierigkeit vergaß ich, eine Sperre, die die Natur -zog und die vielleicht doch verhindert, daß hier auf dem Dache -Südamerikas einmal der bevorzugteste Luftkurort der New Yorker -„Upper Ten“ ersteht. Die bolivianische Hochebene, von der aus die -Bergwände gen Himmel streben und von der schluchtartig abstürzende<span class="pagenum"><a name="Seite_231" id="Seite_231">[S. 231]</a></span> -Täler unmittelbar in die subtropischen und tropischen Provinzen -hinunterführen, liegt 4000 Meter hoch. Nur ein ganz gesundes Herz -vermag diese Höhe zu ertragen, und selbst den Gesunden, Kräftigen fällt -in der ersten Zeit oft genug die Soroche, die Bergkrankheit, an. Obwohl -ich selbst ohne allzu fühlbare Beschwerden von Antofagasta aus diese -Höhe erreichte, so bekam ich doch die ganze Gewalt der Bergkrankheit zu -spüren, als ich allzu leichtsinnig bereits am ersten Tag auf den Vulkan -Ollague zu klettern versuchte. Von seinem Krater trieb mich in 5000 -Meter Höhe die Soroche zurück.</p> - -<p>Später lernte ich auch die 5000-Meter-Zone ohne Atemnot und -Herzbeklemmung erreichen. Allein die Beschwerden und Schwierigkeiten -der dünnen Luft steigen im quadratischen Verhältnis mit jedem Meter -weiterer Höhe, und so ist noch ein weiter Schritt von den 5000 bis zu -den 6000 und 6600 Meter Höhe, die die Eisspitzen des bolivianischen -Bergmassivs erreichen und überschreiten.</p> - -<p>Hierin und in dem Mangel jeglicher alpiner Hilfsmittel, in dem Fehlen -von Schutzhütten und Stützpunkten, in der Unmöglichkeit, Führer oder -Träger zu beschaffen, liegt der Grund, daß die ganze Bergwelt der -bolivianischen Fels- und Eisriesen bis heute so gut wie unerschlossen -ist; der Anfang zu einer alpinen Erforschung wurde erst vor einigen -Jahren gemacht.</p> - -<p>Ein Unternehmen wie die geplante Besteigung des Mount Everest -beschäftigte monatelang die ganze Welt. Aufsätze und Bilder von -dieser Expedition gingen, trotzdem sie nicht zum Ziele kam, durch die -Presse aller Länder. Von den erfolgreichen, kaum weniger schwierigen<span class="pagenum"><a name="Seite_232" id="Seite_232">[S. 232]</a></span> -Versuchen aber, die ein paar junge, unternehmende Deutsche an die -Eroberung der Eisspitzen des „amerikanischen Himalajas“ wagten, ist -kaum über Bolivien hinaus Kunde gedrungen.</p> - -<p>Vier Deutsche, Adolf Schulz, Rudolf Dienst, Eduard Overlack und Bengel, -waren es, die während des Krieges auf dem 6405 Meter hohen Illimani die -deutsche Fahne aufpflanzten. Rudolf Dienst und Lohse bezwangen außerdem -den um ein weniges niedrigeren, aber noch schwerer ersteigbaren Huaina -Potosi, während sich den Anstrengungen des unermüdlichen Rudolf Dienst -im Verein mit Schulz schließlich selbst der höchste Berg Boliviens, der -Illampu, beugen mußte, an dessen steilen Eiswänden im Jahre 1898 der -englische Bergsteiger Sir Martin Conway gescheitert war.</p> - -<p>Monatelang hatte ich in La Paz von meinem Häuschen aus, das wie ein -Nest am Berghang hing, das Massiv des Illimani vor mir. Ich sah es -morgens in dem intensiven Rot des Rosenquarzes aufleuchten und sah es -über das schimmernde Weiß seiner Schneefelder und Gletscher und über -den Purpur des Abendglühens bis in die tiefen Schatten der blauen -Stunde verdämmern. Einmal umritt ich in tagelangem Ritt das ungeheuere -Massiv dieses Bergblockes und erlebte, zwischen Palmen und Bananen -reitend, das Märchenwunder, aus blauem und grauem Felsgetürm die -blendend weiße Eisspitze des Berges in den tiefblauen Himmel stoßen zu -sehen.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p232_abb1" name="p232_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p232_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Bergwerk in der bolivianischen Kordillere.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p232_abb2" name="p232_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p232_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Mazamorra.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p233_abb1" name="p233_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p233_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Der Morro bei Arica.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p233_abb2" name="p233_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p233_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Südbrasilianische Kolonisten.</p> -</div> - -<p>Um einen Begriff von den Schwierigkeiten der Besteigung des Illimani -zu bekommen, muß man sich klarmachen, daß die indianischen Träger -in blinder Gespenster<span class="pagenum"><a name="Seite_233" id="Seite_233">[S. 233]</a></span>furcht vor den Berggeistern sich weigerten, -die Gletscher zu betreten, daß Decken, Schlafsäcke und Lebensmittel -unter der Firngrenze zurückgelassen werden mußten. Ohne genügende -Mäntel, nur mit dem nötigsten Proviant wurde die Eisregion angegangen, -nachts hockten die Bergsteiger frierend auf dem blanken Eis, tagsüber -erklommen sie die Felsgrate und schleppten obendrein die schwere -Fahnenstange mit der deutschen Flagge in der eiskalten, dünnen Luft.</p> - -<p>Dabei empfingen die kühnen Besteiger, als sie nach ungeheueren -Anstrengungen und Mühen schließlich wieder heruntergestiegen waren, -zunächst nur Angriffe, Hohn und Spott. Es war mitten im Krieg, und man -war um diese Zeit in Bolivien nicht sehr deutschfreundlich.</p> - -<p>Die Behauptung der Bergsteiger, den Illimani bezwungen zu haben, -wurde zunächst glatt als Lüge abgetan. Man suchte den Gipfel des -Berges nach der angeblich dort aufgepflanzten Fahne ab, und als -man sie nicht entdeckte, wurde von der Geographischen Gesellschaft -von La Paz ein Dokument aufgesetzt, das das Nichtvorhandensein der -Fahne feststellte und die Behauptung von der Ersteigung als unwahr -zurückwies. Dieses Dokument sollte gerade im Observatorium der Jesuiten -unterzeichnet werden, da stürzte einer der Herren, der nochmals mit -dem großen Teleskop die Bergspitze abgesucht hatte, aufgeregt in das -Beratungszimmer und schreckte die dort Versammelten mit dem Rufe: „Die -Fahne ist da!“ Die Beleuchtungsverhältnisse hatten sich geändert, und -tatsächlich konnte man deutlich die Flagge sehen.</p> - -<p>Nun brach aber erst recht ein Sturm der Empörung<span class="pagenum"><a name="Seite_234" id="Seite_234">[S. 234]</a></span> aus, und unter -Führung der alliiertenfreundlichen Presse entrüstete sich das ganze -Land, daß man gewagt habe, die deutsche Fahne auf dem bolivianischen -Berg aufzupflanzen.</p> - -<p>Wochenlang dauerten diese Schmähungen und Angriffe. Die kühnen -Bergsteiger ließen sich dadurch nicht anfechten. Es kam ihnen nicht auf -den Ruhm, sondern lediglich auf die alpine Leistung an, und sie gingen -darum nur noch unauffälliger an die weiteren Erstbesteigungen, die sie -vorhatten. In der Folge wurde der unersteigbar scheinende Grat des -Huaina Potosi bezwungen und endlich auch der höchste Gipfel Boliviens, -der 6617 Meter hohe Illampu.</p> - -<p>Diese letzte Besteigung war die kühnste von allen. Nach den ersten -abgeschlagenen Versuchen, die Spitze zu erreichen, kehrten die beiden -Männer, Dienst und Schulz, erschöpft in das letzte Lager zurück, das -in einer Eishöhle aufgeschlagen war. Der Proviant war bis auf geringe -Reste verzehrt. Die Träger, Bergarbeiter, konnten in ihrem Bergwerk -nicht länger entbehrt werden, und man hatte sie mit den Decken und -Schlafsäcken hinuntergehen lassen müssen. Die beiden gaben trotzdem den -Versuch nicht auf. Da man noch eine Nachtrast im Eis ohne die Gefahr -des Erfrierens nicht wagen durfte, ruhten sie den Tag über in der Sonne -aus und gingen daran, mit Anbruch der Nacht beim Scheine des Mondes -die Eisspitze zu erklettern. Nachdem sie Tag und Nacht geklettert, -erreichten sie um 4 Uhr nachmittags in rasendem, eisigem Sturm die -Spitze. Mit frosterstarrten Händen pflanzen sie eine kleine Fahne auf -und müssen<span class="pagenum"><a name="Seite_235" id="Seite_235">[S. 235]</a></span> dann eilen, wieder hinunterzukommen. Vor sich haben sie -keinerlei Stützpunkte mehr. Die Träger sind schon unten im Bergwerk. Da -Gefahr besteht, daß sie in ihrem erschöpften Zustand den ganzen, auf -dem Anstieg eingeschlagenen Weg nicht mehr leisten können, beschließen -sie, auf gut Glück eine neue kürzere Linie zu versuchen, durch den -großen Eisschlund, der sich zwischen dem Illampu und seinem 6560 Meter -hohen Zwillingsgipfel Ancohuma auftut. Das Wagnis ist ungeheuerlich. -Ist auf dieser Linie der Abstieg unmöglich, so fehlt den Erschöpften -die Kraft, umzukehren und die Anstiegslinie wieder zu erreichen. Allein -das tollkühne Wagnis gelang, und in etwa elf Stunden führten sie den -Abstieg aus von den 6600 Metern des Gipfels bis zu 3260 Meter, wo das -rettende Bergwerk sie aufnahm.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Mazamorra_47">47. Mazamorra.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Arica.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_a3" name="initial_a3"> - <img class="h3em" src="images/initial_a.jpg" alt="A" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">A</span>rme Mädel gibt’s, so unglückliche gibt’s... (<span class="antiqua">Hay pobres mujeres, -hay tan desgraciadas!</span>) Mit Begeisterung sangen die Soldaten im -Kupee, aber was dann folgte, konnte ich nicht verstehen, so laut -kicherten die Indianermädel; es mußte wohl sehr unpassend sein, denn -sie wurden rot, soweit das bei ihrer braunen Haut überhaupt möglich -war, und stolz und triumphierend sahen sich die Soldaten um und fingen -das schöne Lied immer wieder von vorne an.</p> - -<p>Allein mit einemmal stockten sie mitten im Vers, es gab einen -furchtbaren Ruck, alles purzelte durcheinander,<span class="pagenum"><a name="Seite_236" id="Seite_236">[S. 236]</a></span> der Zug stand. Die -Gleise entlang liefen Leute, bauten einen Apparat auf, warfen einen -Draht über die Telegraphenleitung und fingen an zu telegraphieren.</p> - -<p>Ich stieg aus und ging nach vorn. Sehr weit über die Lokomotive hinaus -kam ich nicht. Eine Mazamorra war heruntergebrochen. Ein unheimliches -Bild: ein breiter, wandernder Strom zähen Lehmes, der sich die Hänge -herunterwälzte. Fast sah es aus wie eine Heerschar von Ameisen oder -wimmelnden Würmern, endlos, unaufhaltsam, unabsehbar.</p> - -<p>Arbeiter kamen angelaufen, Scharen von Indianern, Spaten und Hacken -über den Schultern, telegraphisch heraufgerufen von La Paz, das -man noch unten im Grunde im Abendlicht verdämmern sah. Sie gruben -und hackten, zogen Kanäle, daß das Wasser abfloß, und stauten den -erhärtenden Schlamm beiderseits der Schienen. Ein Aufseher probierte, -um den Weg abzukürzen, über die Morastdecke zu kommen; bis über die -Knie sank er ein. Der Schlamm wollte ihn nicht wieder freigeben, wie -mit Fesseln hielt er ihn gebunden. Grauenhaft, wenn einen auf einsamem -Ritt in engem Tal die Mazamorra überfällt ...</p> - -<p>Am folgenden Morgen passierten wir fröstelnd die dichtverschneite -chilenisch-bolivianische Grenze. Dann ging’s hinunter in rasender -Fahrt, eine Spirale hinunter, in die brennend heiße Wüstenzone der -Provinz Tacna.</p> - -<p>Sand, Stein, Staub. Nackter Fels, glühend, in sengender Sonne. Keine -Pflanze, kein Tier und im Gegensatz zu den Salpeterprovinzen weiter im -Süden auch kein Mineral. Tacna ist das Symbol der Unfruchtbarkeit,<span class="pagenum"><a name="Seite_237" id="Seite_237">[S. 237]</a></span> und -dennoch kämpften drei Nationen blutig um den Besitz dieser Provinz, -heute noch streiten sie sich darum. Noch war keine Einigkeit um ihre -endgültige Zugehörigkeit zu erzielen, und jeden Augenblick kann neu der -Krieg ausbrechen, der die kaum zur Ruhe gekommene Wirtschaft dieser -jungen, unruhigen Länder wieder auf Jahrzehnte vernichten würde. — -Mazamorra.</p> - -<p>In Arica, der Hafenstadt der Provinz, wächst ein bißchen Grün, auf das -man sehr stolz ist, und das blauende Meer hilft mit, die Trostlosigkeit -der Landschaft zu überwinden. Vom Dampfer aus sieht man noch lange den -Morro, den Steilfels, den die Chilenen im Pazifikkriege stürmten.</p> - -<p>„Um des Morro willen, um des chilenischen Blutes willen, das diesen -Fels gefärbt, können wir Tacna und Arica niemals wieder aufgeben“, -hatten mir die Chilenen gesagt.</p> - -<p>„Von diesem Fels“, erzählten mir die Peruaner, „stürzten die Chilenen -die Gefangenen ins Meer hinunter. Diese Schmach wird erst gesühnt sein, -wenn das rot-weiß-rote Banner Perus wieder über dem Morro flattert.“</p> - -<p>Wer den Weltkrieg mitgemacht, kann nur traurig die Achseln zucken, kein -Volk lernt vom andern.</p> - -<p>Die schwarzen, feinen Striche der Langrohrkanonen heben sich noch -lange vom klaren Himmel ab. Der Südchilene, der unverkennbar die -Spuren deutschen Blutes im Antlitz trägt, streckt den hageren Arm -aus und zeigt seiner Frau den Fels; als sechzehnjähriger Junge hat -er ihn mitgestürmt. Die Frau an seiner Seite ist klein, zierlich, -gazellenhaft, mit der pfirsichweichen, bronzebraunen Haut<span class="pagenum"><a name="Seite_238" id="Seite_238">[S. 238]</a></span> der -Peruanerin. Um sie herum auf der auf dem Deck ausgebreiteten Matratze -spielen drei blonde Kinder.</p> - -<p>Auch die Frau an meiner anderen Seite ist bildschön. Einen Mann hat sie -nicht, nur zwei schwarzlockige, schmutzige Kinder. Die Matratzenlager -der beiden Familien pressen mein Feldbett so eng zusammen, daß kaum -Raum daneben bleibt. Übervoll ist das Deck. Hier sagt man nicht -„Zwischendeck“, geschweige denn „Dritte Klasse“, sondern einfach -„Deck“. Die Schiffsgesellschaft gibt nicht mehr als das Recht, sich -irgendwo auf dem Deck einen Platz zu suchen und dazu mittags und abends -einen Löffel Bohnen. Dafür verlangt sie, für die Strecke von Arica nach -Valparaiso, 85 chilenische Peso. Für den Gegenwert in Mark fuhr man im -Frieden von Hamburg dorthin erster Klasse.</p> - -<p>Ich fahre mit auf „Deck“ mitten unter den Rottos, den chilenischen -Salpeterarbeitern. Es ist der beste Weg, sie kennenzulernen und zu -erfahren, welche Strömungen die Massen bewegen. Immerhin, auf die Dauer -ist das Vergnügen zweifelhaft. Wir fahren fast acht Tage, der Dampfer -schlingert stark, alles ist seekrank. Auch alles übrige wird auf Deck -erledigt. Meine Nachbarin, die ohne Mann, ist so seekrank, daß sie -sich kaum rühren kann. So bleibt mir als Kavalier und schon im eigenen -Interesse nichts anderes übrig, als ihr beizustehen. Dazu gehört auch, -das Töpfchen über Bord zu gießen. Unter uns ist die erste Klasse. -Manchmal weht der Wind stark schiffwärts. Dann werden die da unten von -meiner Tätigkeit nicht sehr erbaut sein. Macht nichts, in der ersten -Klasse können sie auch einmal etwas abbekommen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_239" id="Seite_239">[S. 239]</a></span></p> - -<p>Oben auf Deck ist alles rot, sozialistisch, maximalistisch. Man lebt -nicht umsonst jahrelang in der Hölle der Salpeteroficinen. Sobald der -Dampfer auf der Reede eines Hafens hält und es mit der Seekrankheit -etwas besser geworden ist, wird eifrig diskutiert: Für und gegen -Alessandri. Oder es wird gesungen, mit wahrer Inbrunst und Andacht. -Die Frauen singen mit. Mitschiffs liegt neben ihrem Mann ein starkes, -breithüftiges Weib. Die mächtigen Schenkel deckt nur ein dünner -Rock. Sie hält ein schmutziges, abgegriffenes Heftchen in der Hand -und sie läßt keine Strophe aus. Zu ihren Füßen spielt der Säugling. -Als er zu schreien anfängt, knöpft sie die Bluse auf, legt die -starken, gelblichbraunen Brüste frei und zieht, ohne die Stellung zu -verändern, den Säugling heran, daß er daran liegt wie ein kleines Tier. -Keinen Augenblick stockt dabei ihr Gesang, und in dem langgedehnten -„<span class="antiqua">Socialiii-sta</span>“ liegt unendliche Hingegebenheit und inbrünstige -Hoffnung.</p> - -<p>Mit dieser Hoffnung und Inbrunst sahen sie Alessandri den -Präsidentenstuhl besteigen. Noch trägt ihn dieser Glaube. Wird er ihn -sich bewahren können?</p> - -<p>Am Tage nach der Landung in Valparaiso bin ich in Santiago bei -Alessandri im Präsidentschaftspalais. Er ist derselbe geblieben, der er -als Kandidat des Volkes war. Ich wohne einer öffentlichen Audienz bei. -Hunderte von Anliegen muß er in einem Nachmittag erledigen. Dabei liegt -schon ein voller Arbeitstag auf ihm. Man merkt ihm weder Ermüdung noch -Nervosität an; zu der ärmlichen Frau im zerrissenen Rock spricht er in -gleicher Weise wie zum hohen Beamten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_240" id="Seite_240">[S. 240]</a></span></p> - -<p>„Sind noch viele Besucher da?“ fragt er den Adjutanten.</p> - -<p>„Der ganze Saal ist voll.“</p> - -<p>Aber Alessandri findet doch noch eine halbe Stunde für mich. Ich gehe -von ihm mit dem gleichen Eindruck, den ich schon vor Monaten hatte, -als er noch ein von allen besitzenden und führenden Schichten der -Gesellschaft heftig befehdeter „Bolschewist“ war.</p> - -<p>Die Aufgabe, die er sich gestellt, ist fast übermenschlich. Sie -ist: einer kurzsichtigen, zäh an ihren Vorrechten festhaltenden -oligarchischen Adelsclique soziale Reformen und Zugeständnisse -rechtzeitig abzuringen, um zu vermeiden, was sonst unvermeidlich -scheint: die Mazamorra, die anarchische, blutige, soziale Revolution.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_241" id="Seite_241">[S. 241]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Uruguay">Uruguay</h2> - -<div class="figcenter"> - <a id="p241_wappen_uruguay" name="p241_wappen_uruguay"> - <img class="mtop2 w10em" src="images/p241_wappen_uruguay.jpg" - alt="Wappen von Uruguay" /></a> -</div> - -</div> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_242" id="Seite_242">[S. 242]</a><br /><a name="Seite_243" id="Seite_243">[S. 243]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Karneval_in_Montevideo_48">48. Karneval in -Montevideo.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Montevideo.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_an_e" name="initial_an_e"> - <img class="h3em" src="images/initial_an_e.jpg" alt="E" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">„E</span>s gibt drei vollkommene Dinge in der Welt,“ meinte der Brasilianer, -„die englische Flotte, das deutsche Heer und den Karneval in -Montevideo.“</p> - -<p>Wir standen auf dem Oberdeck der „Ciudad de Montevideo“. Pechschwarz -waren Meer und Himmel, über die die Lichtzeilen der flammenden Straßen -von Buenos Aires wie leuchtende Perlenschnüre auf schwarzen Samt gelegt -waren.</p> - -<p>Vorn am Bug rauschte das Wasser. Es dauerte eine Weile, bis ich -antwortete. „Gibt? — Gab!“</p> - -<p>„Nun ja,“ meinte er, „es ist lange her, daß ich drüben war, vielleicht -wird ‚es gab‘ auch noch einmal für die beiden anderen gelten.“</p> - -<p>Es waren nicht allzuviel Passagiere an Deck. „Noch vor ein paar -Jahren“, sagte mein Gegenüber, „mußte man sich um die Faschingszeit -viele Tage vorher einen Platz sichern; aber heute bei den Preisen und -den Paßschwierigkeiten merkt man den Ausfall.“</p> - -<p>Aber am folgenden Abend auf der Plaza de Independencia war im -treibenden Menschenstrom kaum durchzukommen. In der Mitte des Platzes -blendete der Brunnen mit den wasserspeienden Seetieren, von tausend -Glühbirnen überkuppelt. Und weiterhin die Avenidas auf und ab, Wappen, -Girlanden, Ketten farbiger Glühbirnen von Haus zu Haus über die Straßen -gespannt.</p> - -<p>Vierzigtausend Peso hatte diese Illumination der Stadt gekostet. -Vierzigtausend uruguaysche Goldpeso!<span class="pagenum"><a name="Seite_244" id="Seite_244">[S. 244]</a></span> Und darunter zog auf und ab -die endlose Kette der Wagen, Reiter und Autos, Kostüme, Masken, -phantastische Aufbauten, das unablässige Spiel von Dutzenden von -Musikkapellen und das Kreischen der Frauen und Mädchen.</p> - -<p>Knöcheltief watet man in Konfetti und Papierschlangen, mit Parfüm und -Wasser bespritzt, einer zweifelhaften Errungenschaft südamerikanischen -Karnevals, und man sieht dem Bemühen dieser Massen zu, sich krampfhaft -zu amüsieren; denn im Grunde ist dieser südamerikanische Fastnachtsspuk -unglaublich langweilig. Das geht nun schon Tage so, und dauert noch -viele Tage, denn wenn der Südamerikaner feiert, dann feiert er -gründlich, womit freilich nicht gesagt ist, daß er selten feiert, und -so beginnen Umzüge und Bälle bereits vor Faschingsonntag und dauern -lange über Aschermittwoch hinaus.</p> - -<p>Um nichts zu versäumen, fangen die großen Maskenbälle erst um -Mitternacht an, um die Stunde, zu der der Korso auf den Straßen -endet. Auch auf diesen Bällen ist es nicht viel lustiger als auf der -Straße, und ich gehe bald gelangweilt aus dem Teatro Solis, dessen -Maskenbälle etwa den Münchener Bal parés im Deutschen Theater oder den -Gürzenich-Festen in Köln entsprechen sollen.</p> - -<p>Freilich eins kommt hinzu, der Fasching fällt auf der anderen Seite -des Ozeans in den Sommer, ausgerechnet in die Hundstage, und auch die -schönste Winterlandschaft, die man im Teatro Solis aufgebaut hatte, -konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Thermometer über dreißig -Grad zeigte.</p> - -<p>Man hängt drüben merkwürdig zäh an Traditionen, wo man solche hat, -und so muß auch das ganze Faschings<span class="pagenum"><a name="Seite_245" id="Seite_245">[S. 245]</a></span>treiben sich in den glühheißen -Straßen des Stadtinnern abspielen, statt draußen an der See, auf den -wunderbaren Strandpromenaden, die Montevideo zu einer der reizvollsten -südamerikanischen Metropolen machen.</p> - -<p>Im Gegensatz zu Buenos Aires, das die Lehmflut des La Plata von der -offenen See scheidet, liegt Montevideo am, fast möchte man sagen im, -freien Meer. Ein sanft ansteigender Rücken schiebt sich in den Ozean -vor, auf dem die Stadt errichtet ist, und von mancher Straßenkreuzung -hat man gleichzeitig nach drei Seiten den Blick auf das strahlende -Blau, das, — mit dem Himmel sich verschmelzend, wie ein Kuppelhorizont -die Stadt einschließt.</p> - -<p>Montevideo ist nur die Hauptstadt der kleinsten der südamerikanischen -Republiken, allein es ist gleichzeitig Weltbad, und darum die -Anstrengung, seinen Fasching, seine Sommerfeste, seine Spielsäle zu -Attraktionen für den ganzen Kontinent auszubauen.</p> - -<p>Unmittelbar an die innere Stadt, an das eigentliche Geschäftsviertel -grenzen denn auch die ersten Badehotels und Strandpromenaden; -wunderhübsche große Gärten, weite Strecken feinen gelben Sandes mit -Badehütten und mit Hunderten von Männern und Frauen in farbigen -Badekostümen wechseln ab mit malerischen Felspartien, auf denen ein -Einsamer in zerlumpter Kleidung nach Austern und Seemuscheln scharrt.</p> - -<p>Wenn der offizielle Fasching auch noch im Stadtinnern tobt, so ist der -inoffizielle doch schon an den Strand vorgedrungen, und in Pocitos, dem -eleganten Badestrand, flaniert der Strom jener, die sich von der misera -plebs zu trennen wünschen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_246" id="Seite_246">[S. 246]</a></span></p> - -<p>Man ist hier demokratisch in Südamerika, trotz aller Oligarchie und -trotz aller Grenzen, die übermäßiger Reichtum aufrichtet. Aber da -die Form gewahrt werden muß, kosten beispielsweise Strandkorb und -Badekabine zu Füßen der Milliardärhotels von Pocitos und Carasco -auch nur die gleichen zehn Cent wie auf dem Volksstrand von Ramires, -und um sich zu separieren, bleibt den Reichen nichts anderes übrig, -als die Badeorte immer weiter hinaus zu verlegen. Wer den weiten Weg -nicht scheut, kann dort mit den hochgezüchteten Frauen aller Nationen -baden und für die kurze Spanne am Strande als ihren Kreisen sich -zugehörig wähnen. Denn um dort auch nur kurze Zeit zu wohnen, reicht -mitteleuropäische Valuta nicht aus; das einfachste Zimmer ist nicht -unter 20 Goldpeso für den Tag zu haben.</p> - -<p>Die hell erleuchteten Fenster der Spiel- und Ballsäle werfen -glitzernden Widerschein auf die pechschwarze Flut. Die breite, jetzt -leere Autostraße schimmert violett, und der Schein der Bogenlampen -sticht wie mit Dolchen in unergründliche Tiefen.</p> - -<p>In der Stadt fahren noch die letzten buntgeschmückten Autos durch -die Felder bunten Papiers. Die Masken drängen in die Ballsäle. Die -Zeitungsjungen kommen angelaufen und schreien die ersten Ausgaben aus: -„Blutiger Karneval in Buenos Aires. Die Höllenmaschinen im Ballsaal. -Dutzende von Verwundeten.“</p> - -<p>Noch druckfeuchtes Zeitungspapier gleitet aus achtloser Hand zu dem -Wust von Papierschlangen und Konfetti, das die Straßenkehrer mit -stumpfer Gleichgültigkeit zu großen Haufen zusammenfegen.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_247" id="Seite_247">[S. 247]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Quer_durch_Uruguay_49">49. Quer durch Uruguay.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Rivera.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_n3" name="initial_n3"> - <img class="h3em" src="images/initial_n.jpg" alt="N" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">N</span>ach durchfahrener Nacht war der Schnellzug von Montevideo nach -Rivera an der Nordgrenze der Republik Uruguay immer leerer geworden. -Trotzdem seit einigen Jahren die ununterbrochene Bahnlinie von -Montevideo wie von Buenos Aires nach Rio de Janeiro fertig ist, gibt es -zwischen den Hauptstädten der drei Staaten doch keinen durchlaufenden -internationalen Verkehr. Frachten und Passagiere nehmen den Seeweg, -der unverhältnismäßig rascher und billiger ist, von der größeren -Annehmlichkeit ganz zu schweigen.</p> - -<p>So gab es, nachdem wir Rio Negro und Tacuarembo passiert haben, nur -geringen Lokalverkehr: Estancieros, Gauchos und Händler, die ein paar -Stationen weit fuhren. Da man mir trotz eines anderthalbjährigen -Aufenthalts in Südamerika und trotz aller Anpassung an die Landessitten -den Gringo, den Fremden, doch immer noch ansah und solche auf dieser -Strecke selten sein mochten, suchte jeder der Neuankömmlinge Anknüpfung -und Gespräch. Es war immer die gleiche Frage, ob ich nicht von einem -Frigorifico käme, um Vieh zu kaufen. Auch in Uruguay haben magere -Jahre den fetten zu folgen begonnen. Die Viehpreise, die während des -Weltkriegs schwindelnde Höhen erklettert, sind auf die Hälfte gefallen; -und die Frigorificos, die großen Fleischgefrieranstalten, haben seit -einiger Zeit die Käufe ganz eingestellt. Mit einiger Ungeduld wartet -man auf dem Lande auf die Käufer.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_248" id="Seite_248">[S. 248]</a></span></p> - -<p>Von den Viehpreisen glitt dann mit großer Regelmäßigkeit das -Gespräch über die allgemeine wirtschaftliche Lage zu den politischen -Verhältnissen im Lande hinüber. Draußen zog die Unendlichkeit der Pampa -an den staubigen Scheiben vorüber. Seit ein paar Stationen hatte die -endlose Steppe angefangen sich leicht zu wellen. Man sah Buschwerk und -hie und da Bäume, ein bisher wie auch in der ganzen argentinischen -Pampa nie erlebter Anblick. Im übrigen sind ja Argentinien und Uruguay -nach Landschaft und Bevölkerung eine Einheit, wie ursprünglich -die kleine Republik am Uruguay auch politisch ein Bestandteil der -größeren Schwester am La Plata war. Aber die Rivalität Brasiliens -machte sie zu einem selbständigen Pufferstaat, der in der Sorge, -seine Selbständigkeit wieder zu verlieren, vor dem stammverwandten -Nachbar Anlehnung an die große Republik im Norden sucht. An einer -Kleinigkeit fällt diese politische Einstellung auf: man reitet in -Uruguay nicht den argentinischen Sattel, sondern den brasilianischen, -einen silberbeschlagenen Bocksattel mit darüber gelegter Schabracke aus -schwarzem Schaffell. Wer weiß, welche Rolle der Sattel im Leben der -Einheimischen spielt, wird auf solche Kleinigkeiten achten.</p> - -<p>Aber diesmal sprachen wir nicht von der Animosität gegenüber -Argentinien. Die Wahlen und der im Zusammenhang mit ihnen drohende -Generalstreik waren erst seit kurzem vorüber, und die innerpolitischen -Probleme beherrschten noch restlos die Gemüter. Mein Gegenüber -erleichterte sich das Herz durch Schmähungen gegen die „Colorados“, die -sich an der Macht behauptet hatten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_249" id="Seite_249">[S. 249]</a></span></p> - -<p>„Nun haben wir die deutschen Schiffe“, meinte er, „und könnten eine -eigene nationale Dampferlinie damit einrichten, aber die unfähige -Regierung weiß nichts damit anzufangen. Zuerst haben wir keine Kohle -und, wenn wir Kohle haben, ist niemand da, der die Schiffe fahren kann. -Es ist ein Skandal!“</p> - -<p>„Sie sind also ein Blanco?“ — so heißt die andere, bei den Wahlen -unterlegene Partei —, warf ich ein.</p> - -<p>„Ich bin weder ein Blanco noch ein Colorado“, war die Antwort, „die -einen sind nicht besser als die andern.“</p> - -<p>Der Schaffner war zu uns getreten und mischte sich in das Gespräch: „Es -ist ganz einerlei, wen man wählt, die Mißwirtschaft ist unter allen -Parteien die gleiche.“</p> - -<p>Wie verloren stand das Vieh auf der Weide. In weiten Abständen -voneinander spärliche menschliche Behausungen. Land und Bewegungsraum -noch für Millionen. Hier bedarf es keines der Probleme, unter denen -Europa sich zerfleischt. Wie reich ist dieses Land, niemand muß hier -Not noch Sorge kennen.</p> - -<p>Ich nahm das Gespräch wieder auf: „Aber wer wird denn aufräumen mit der -Mißwirtschaft? Wer wird’s denn ändern?“</p> - -<p>Der Schaffner stand vor mir, breit und massig, sehr adrett in peinlich -sauberer Uniform, sehr honett und sehr bürgerlich.</p> - -<p>„Wer es ändern wird, Herr“, er sprach sehr langsam, jedes Wort -betonend, „wer es ändern wird? Die Bolschewiken werden es ändern!“</p> - -<p>Das Wort stand einen Augenblick im Raum, ihn ganz erfüllend, unheimlich -und unheilschwanger. Dann ging<span class="pagenum"><a name="Seite_250" id="Seite_250">[S. 250]</a></span> der Schaffner weiter, sehr ruhig, sehr -honett und sehr bürgerlich. Mein Gegenüber sah aus dem Fenster. Auf -der nächsten Station stieg er aus. Ein deutscher Farmer stieg an seine -Stelle. Laut und lärmend begrüßte er in mir den Landsmann. Er hatte ein -prachtvoll frisches, offenes Gesicht.</p> - -<p>„Sollen nur recht viele rüberkommen aus Deutschland,“ meinte er, „zu -kaufen ist ja allerdings schwer, aber zu pachten gibt es Land genug. -Gutes Land, und billig.“ Er wies aus dem Fenster. „Hier die Chacra -können Sie gleich pachten. Sollen nur recht viele kommen!“</p> - -<p>Und er erzählte von dem Käse, den er nach Rivera brachte, und von dem -Geschäft, das damit zu machen ist.</p> - -<p>Wir liefen in Rivera ein. Die übliche Station, das übliche -Bahnhofspublikum. Nur die angelsächsischen Gesichter der Angestellten -des nordamerikanischen Frigorifico und ihrer Frauen brachten -eine fremde Note hinein. Die Schatten standen kurz und schwarz -auf grellweißem heißem Sand. Sonne, Wohlleben, Lebenlassen. Die -Frigorificos kaufen wieder Vieh.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_251" id="Seite_251">[S. 251]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Brasilien">Brasilien</h2> - -<div class="figcenter"> - <a id="p251_wappen_brasilien" name="p251_wappen_brasilien"> - <img class="mtop2 w10em" src="images/p251_wappen_brasilien.jpg" - alt="Wappen von Brasilien" /></a> -</div> - -</div> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_252" id="Seite_252">[S. 252]</a><br /><a name="Seite_253" id="Seite_253">[S. 253]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Abend_in_Santa_Anna_50">50. Abend in Santa Anna.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Santa Anna do Livramento.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_d18" name="initial_d18"> - <img class="h3em" src="images/initial_d.jpg" alt="D" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">D</span>ie Grenze führt mitten durch die Stadt. Es ist nur eine einzige, aber -die eine Hälfte heißt Rivera, die andere Santa Anna do Livramento, und -beide scheidet eine unsichtbare Mauer. Der Wagen, der in müdem Trott -durch die sonnenheiße Stadt einen verzerrten Schatten nachschleift, -hält. Im Türrahmen eines weißen Hauses lümmelt ein Neger mit -Beamtenmütze. Grenzkontrolle.</p> - -<p>Auch Brasilien hat angefangen, seine Grenzen zu sperren. Man braucht -alle möglichen Visa und Zeugnisse. Der deutsche Konsulatsbeamte in -Buenos Aires wollte mir unbedingt einen neuen Paß ausstellen. Ich -wollte nicht; denn das kostet 56 Peso.</p> - -<p>„Dann gebe ich Ihnen kein Visum.“ Er war sehr förmlich.</p> - -<p>„Danke, brauche ich nicht.“</p> - -<p>„Aber dann gibt Ihnen das brasilianische Konsulat auch keines.“ Er war -sichtlich empört.</p> - -<p>„Doch, wetten?“</p> - -<p>Er wandte sich ab. Ich konnte froh sein, ohne Rüge fortzukommen.</p> - -<p>Ich ging zum brasilianischen Konsulat und schickte dem Generalkonsul -meine Karte hinein. Es war ein reichlich verfetteter, reichlich -schwarzer Brasilianer. Hier<span class="pagenum"><a name="Seite_254" id="Seite_254">[S. 254]</a></span> unter den Argentiniern fällt einem der -Rassenunterschied zwischen den beiden Völkern stärker auf.</p> - -<p>Wir plauderten. Die Unterhaltung war sehr angeregt, über Brasilien, die -beste Reiseroute, meine nächsten Pläne. Dann zeigte ich meinen Paß.</p> - -<p>„Der genügt doch?“</p> - -<p>„Selbstverständlich.“ Er sah gar nicht hinein. „Morgen können Sie das -Visum holen.“</p> - -<p>Mir liegt wenig daran, recht zu behalten. So schenkte ich mir einen -zweiten Gang aufs Konsulat, um dem Beamten den trotzdem vidierten -Paß zu zeigen. Vielleicht tue ich dem Mann auch unrecht, vielleicht -haben die deutschen Konsulate Weisung, nach Möglichkeit Paß- und -Visumgebühren einzunehmen. Schön, aber manchmal fällt es einem schwer, -den Ausdruck „Wurzerei“ zurückzuhalten, besonders wenn sich dies -Verfahren gegen frisch Herübergekommene wendet, die sich nicht zu -helfen wissen und für die zehn oder zwanzig Peso ein Vermögen bedeuten. -So traf ich später in Brasilien einen jungen Deutschen, der nach -Argentinien ausgewandert war. Er fand keine rechte Arbeit und wollte -nach Brasilien. Aber das deutsche Konsulat gab ihm kein Visum, da der -Paß nicht auch für Brasilien ausgestellt war. Er mußte sich einen neuen -Paß ausstellen lassen. Das kostete ihm seinen letzten Notpfennig.</p> - -<p>Inzwischen war der Neger bei meinem Wagen angelangt und begann die -Koffer abzuladen. Drinnen saß ein zweiter, nicht viel hellerer -Brasilianer hinter einem Tisch. Er sah mich und dann meine Koffer an -und nickte. Die Neger begannen das Gepäck wieder hinauszuschleppen.<span class="pagenum"><a name="Seite_255" id="Seite_255">[S. 255]</a></span> -Ich wollte meinen Paß ziehen, aber er winkte nur zur Tür. Die Störung -seiner Siesta hatte ihm augenscheinlich bereits lange genug gedauert.</p> - -<p>Als das Pferd wieder anzog, war ich eigentlich etwas enttäuscht. Also -auch das brasilianische Visum wäre überflüssig gewesen und das neue -Impfzeugnis dazu, das ich mir in Buenos Aires besorgt hatte, nachdem -ich mich zuletzt noch in dem chilenischen Hafen Arica hatte impfen -lassen müssen.</p> - -<p>Eigentlich ist es lächerlich. Kommt man zur See in Rio oder Santos -an, so braucht man alle möglichen Führungszeugnisse und Atteste, auf -dem Landwege aber wird nicht einmal nach einem Paß gefragt. Dabei ist -Montevideo eine offene Einfallspforte, denn die Republik Uruguay kennt -noch keinerlei Paßzwang.</p> - -<p>„Wir sind sehr freiheitlich und sehr demokratisch“, hatte mir der -uruguayische Konsul in Buenos Aires stolz gesagt.</p> - -<p>Nach Passieren Dutzender von Grenzen bin ich über den Nutzen von -Paßkontrollen ein wenig skeptisch geworden. Ich glaube nicht, daß durch -sie unerwünschte Elemente tatsächlich wirksam ferngehalten werden; -es kommt nur auf eine Belästigung der Harmlosen heraus. Aber die -Einnahmequelle für den Staat dürfte nicht unerheblich sein, und so wird -es einstweilen bei der Notwendigkeit von Pässen bleiben.</p> - -<p>Der Weg zum Bahnhof, am andern Ende der Stadt, dehnte sich. Die -niederen Häuser standen in übermäßig breiten Straßen so weit -auseinander, daß es nicht den mindesten Schatten gab. Dazu ging es -hügelauf, hügelab.<span class="pagenum"><a name="Seite_256" id="Seite_256">[S. 256]</a></span> Aber wenn man aus dem völlig flachen Argentinien -kommt, ist schon das Sensation, und auf den Hügeln, die die Stadt -säumen, stand sogar ein wenig Wald.</p> - -<p>Aber die weite Fahrt war vergeblich. Der Zug ging erst am andern -Morgen. Nicht einmal mein Gepäck konnte ich nach São Paulo aufgeben. -Ich hatte es vorausschicken wollen, um, von ihm nicht beschwert, -nur mit ein wenig Handgepäck zu reisen. Im Staate Santa Catharina -hatte es eine Überschwemmung gegeben. Der Regen hatte den Bahnkörper -weggerissen. Wann er wieder hergestellt sein würde? Ein Achselzucken. -Man kann mit Booten passieren, meinte ein dritter.</p> - -<p>„Überhaupt, es gibt nur Karten bis zur Landesgrenze“, erklärte der -Stationsvorstand. —</p> - -<p>Brasilien ist Bundesstaat; man merkt erst, wenn man im Innern reist, -wie sehr sich die einzelnen Staaten voneinander abschließen und wie -stark die Rivalitäten zwischen ihnen sind.</p> - -<p>Das Hotel war eine Bretterbude. Es gab ein besseres, aber ich wollte -landesüblich reisen. Ich mochte wohl als der vornehmste Gast gelten; -so erhielt ich das letzte Fremdenzimmer in der Reihe. Um dorthin zu -gelangen, mußte man durch alle andern hindurch. In dem ersten lagen ein -paar Gauchos gestiefelt und gespornt auf den Betten, im zweiten saß -eine Familie mit kleinen Kindern zu Tisch, im dritten stand ein junges -Weib mit aufgelösten Haaren mitten im Raum. Das Haar war ein wenig -fett, aber lockig und von einem ins Blaue spielenden Schwarz. Es fiel -in Ringeln um ein ebenmäßiges, olivbraunes Gesicht. Wie zwei lebendige, -verwunderte Fragen standen dunkle<span class="pagenum"><a name="Seite_257" id="Seite_257">[S. 257]</a></span> Augen darin. Daneben lag hinter -einer löcherigen Tapetenwand mein Zimmer. Ich stieß die Fensterläden -auf, um die schwüle stickige Luft hinauszulassen. —</p> - -<p>Nach dem Abendessen bummelte ich noch ein wenig durch die nachtdunkle -Stadt; vor allem wollte ich eine Gelegenheit für ein alltägliches, -unvermeidliches Bedürfnis suchen; in solch kleinen Orten haben nur -die vornehmsten Häuser ein eigenes Lokal dafür. Eine stockdunkle -Straße war gerade geeignet. Zur Seite schien, ein wenig tiefer, eine -buschbestandene Wiese zu liegen. Ich wollte schon hinabspringen, -als ich plötzlich anhielt und erst mit dem Stock sondierte. Er fand -keinen Grund. Ich warf einen Stein und hörte erst nach einer Weile ein -klatschendes Aufschlagen. Es war ein Sumpf. Die Straße fiel in steilem -Sturz jäh dahin ab. Ich überlegte, wie ich wohl wieder herausgekommen -wäre. —</p> - -<p>Später traf ich den Spanier, den ich auf der Station kennengelernt. Wir -bummelten über die Plaza. Aus dem Café drang Musik. Das Kino warf einen -frechen Lichtkegel auf die Straße. Einen Augenblick glaubte ich das -olivbraune Profil meiner Nachbarin zu sehen. Dann spazierten wir wieder -unter den dunklen Bäumen.</p> - -<p>„Ach, Sie sind Deutscher!“ rief er aus, „ich hielt Sie für einen -Engländer.“ — Mit einemmal war er wie ausgewechselt. „<span class="antiqua">Muy amigos -los alemanes!</span>“ Er schloß mich in die Arme.</p> - -<p>„Die Deutschen sind unsere Freunde! Wen sollten wir sonst haben? Die -Engländer? Die Franzosen? Die alle wollen nur etwas von uns, aber die -Deutschen — Und schließlich werden die Deutschen doch noch siegen.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_258" id="Seite_258">[S. 258]</a></span></p> - -<p>Um uns flanierte eine müßige Menge.</p> - -<p>„Sehen Sie nur die Leute hier; hier und überall. Aber die Deutschen -arbeiten. Ein Volk, das arbeitet, kann nicht zugrunde gehen, nie!“</p> - -<p>Die zerfetzten Töne des letzten Operettenschlagers aus Rio wehten vom -Café her über die Plaza.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Deutschbrasilianer_51">51. Deutschbrasilianer.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Santa Maria.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_g2" name="initial_g2"> - <img class="h3em" src="images/initial_g.jpg" alt="G" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">G</span>aucholand — die südliche Hälfte von Rio Grande do Sul, des -südlichsten Staates der brasilianischen Union, ist damit gemeint. Die -Brasilianer selbst nennen sie so, halb verächtlich, halb anerkennend. -In jedem Fall heißt es etwas Fremdes. Gaucho, Pampa, das ist -argentinisch, nicht brasilianisch. Und argentinisch ist fremd, fast -feindlich.</p> - -<p>Auch in Brasilien gibt es unendliche Flächen, unzählbare Herden, aber -das ist im Innern, in Matto Grosso, in Gegenden, die dem Brasilianer -in Rio oder São Paulo fremder sind als Europa. Brasilien heißt Urwald, -Plantage, Reis und Baumwollfeld, Kaffeepflanzung.</p> - -<p>In Kurven schmiegt sich die Bahnlinie den Hängen an. Es ist ein -Paktieren mit der Landschaft. In Argentinien ist der schnurgerade -Schienenstrang darüber gelegt wie ein Befehl. In Brasilien fehlt die -grandiose Eintönigkeit der Pampa. Diese kahlen, grasbewachsenen Hügel -sind eigentlich nur langweilig.</p> - -<p>Gaucholand, Uruguay und Zentralargentinien, das ist geographisch eine -Einheit. Ihre Vereinigung der gegebene Zielpunkt imperialistischer -Politik am La Plata,<span class="pagenum"><a name="Seite_259" id="Seite_259">[S. 259]</a></span> zumal Gaucholand sich auch ethnographisch -assimilieren ließe, denn hier fehlt das Negerblut, das der Bevölkerung -der nördlichen brasilianischen Staaten seinen Stempel aufdrückt. -Und selbst die Sprache zeigt Ähnlichkeit. Das Portugiesisch, das -man hier spricht, ist dem Spanischen viel verwandter als das in -Bahia oder Pernambuco gesprochene. In jedem Fall — sollte je die -argentinisch-brasilianische Rivalität um die südamerikanische -Vorherrschaft in einem Krieg zum Ausbruch kommen, hier werden die -ersten Entscheidungen fallen.</p> - -<p>Argentinien hat Tanks in England bestellt. Nein, schnellfahrende -Panzerautos wären das Richtige auf diesem Gelände, dessen feste -Grasnarbe überall gute Fahrbahn bietet. — Auf der Bank mir gegenüber -sitzen Soldaten. Groß, blond, die deutsche Abstammung ist unverkennbar. -Es sind Söhne deutscher Kolonisten aus dem Urwald.</p> - -<p>Das kompliziert das Problem. Die dem Zentral- und Nordbrasilianer -eigentlich wesensfremden Estancieros und Gauchos, die Viehzüchter und -Viehhirten, bilden hier das nationale Element. Die Urwaldbevölkerung, -die Kolonisten, die als eingesessene Bauern das wirtschaftliche -Rückgrat von Rio Grande wie von Paraná und Santa Catharina bedeuten, -sind fremdstämmig, sind deutschen, italienischen, polnischen, -skandinavischen Ursprungs.</p> - -<p>In welcher Richtung wird dieses zähkonservative Bauerntum politischen -Einfluß nehmen, wenn es einmal zum Bewußtsein seiner Macht gelangt? -— Die Vereinigten Staaten von Brasilien, wie sie offiziell heißen, -sind kein organisches Gebilde. Wenig Gemeinsamkeit besteht zwischen<span class="pagenum"><a name="Seite_260" id="Seite_260">[S. 260]</a></span> -dem tropischen, fieberheißen Norden mit seiner Negerbevölkerung -und dem gemäßigten Süden, in dem infolge des Fehlens der früheren -Sklaven und der starken europäischen, insbesondere auch deutschen -Einwanderung eine ganz andere Rasse im Entstehen ist. Immer wieder -reiben sich die Rivalitäten aneinander, immer wieder tauchen Gerüchte -auf, die von den Loslösungsbestrebungen der Südstaaten erzählen. Es -wäre nicht verwunderlich, wenn in den drei Südstaaten, die kulturell -wie wirtschaftlich weitaus am höchsten stehen, das Gefühl entstände: -wozu sollen wir mit unserer Arbeit, unsern Steuern die lethargischen -Nordstaaten mit finanzieren und die Hauptlast der Bundesfinanzen -tragen? Vielleicht liegt hierin mit ein Grund dafür, daß die Regierung -in Rio de Janeiro die jetzt von Europa herüberkommenden Einwanderer -möglichst nach den Staaten Bahia und Pernambuco zu lenken sucht. —</p> - -<p>Kurz vor Santa Maria stieg ein Bauernbursch ein, so blond, so -urwüchsig, so deutsch, daß ich ihn anreden mußte. Man hätte meinen -können, er sei unmittelbar auf einer Station in der holsteinschen -Marsch oder der Lüneburger Heide eingestiegen. Und nicht anders -antwortete er, kurz, wortkarg, in keiner Weise Überraschung oder -Freude äußernd, hier einen Landsmann zu treffen. Wie anders hatte doch -vor wenigen Tagen der deutsche Pächter im nördlichen Uruguay auf ein -deutsches Gesicht reagiert.</p> - -<p>Aber hier ist deutsch ja das Alltägliche, das Normale. Die Pampa, -das Gaucholand ist zu Ende, und die Waldberge haben begonnen. Ihre -Bewohner sind Deutsche. Seit drei Generationen in Brasilien ansässig, -aber immer<span class="pagenum"><a name="Seite_261" id="Seite_261">[S. 261]</a></span> noch Deutsche. Oft genug sprechen sie nicht ein einziges -Wort portugiesisch, und ich habe öfters in Bahn oder Hotel für -Deutschbrasilianer den Dolmetsch machen müssen.</p> - -<p>Vor 60, 80 Jahren kamen die Großeltern der heutigen Generation als -Siedler in den Urwald. Der reichte damals bis an die Küste. Und dort in -der Gegend des heutigen Porto Alegre, Blumenau und Joinville fingen sie -an. Meile für Meile haben sie mit der Axt den dichten Wald geschlagen. -An seiner Stelle stehen heute große Städte, dicht besiedelte -Dorfgemeinschaften, intensiv bebautes Feld. Die Kinder und Enkel wurden -reich. Das einst wertlose Land wertet heute nach Zehntausenden von -Milreis.</p> - -<p>Die zuerst durch die Einsamkeit des Urwalds und den Mangel an -Verkehrsmitteln bedingte Isolierung der fremden Siedler blieb bestehen, -auch als von Urwaldeinsamkeit längst keine Rede mehr war und ein -dichtes Bahn- und Straßennetz die einstige Wildnis durchzog. Die -Brasilianer taten nichts, die Kolonisten zu assimilieren. Sie schließen -auch die Kinder und Enkel der Einwanderer nach Möglichkeit von Politik -und Anteilnahme an der Regierung aus, stören sie aber nicht in ihrem -eigenen kulturellen Leben. So entstanden völkische Fremdkörper, -Sprachinseln, nicht anders als die von Maria Theresia im ungarischen -Banat angelegten deutschen Kolonien. Die deutschen Kolonisten bauten -und unterhielten, nachdem sie die Anfangsschwierigkeiten überwunden -hatten, ihre eigenen Schulen und Kirchen, sehr prunkvoll mitunter, -stellten Lehrer und Pfarrer an und schlossen sich in sozialer Hinsicht -ganz von den angestammten Bevölkerungselementen ab. Auf ihren<span class="pagenum"><a name="Seite_262" id="Seite_262">[S. 262]</a></span> Dörfern -duldeten und dulden sie keine „Fremden“, wie sie die Brasilianer -nennen, nicht einmal als Wirt oder Kaufmann, und wo sie stark genug und -genügend viele das volle politische Bürgerrecht erlangt haben, dringen -sie auch auf deutschstämmige lokale Behörden. Aber damit erschöpft -sich, auch in den ältesten Kolonien, das politische Interesse. -Dorfkirchturmspolitik.</p> - -<p>So beruht denn auch alles Gerede und Geschreibe von einer großdeutschen -Politik in Südbrasilien auf einer völligen Verkennung der wirklichen -Verhältnisse. Ich glaube, die Deutschbrasilianer dachten in ihrer Masse -nicht im entferntesten an eine politische Verbindung mit dem alten -Mutterboden, und von einer eventuellen Annektion von Südbrasilien durch -das Deutsche Reich wären sie, ganz abgesehen von der Unmöglichkeit -einer derartigen Angliederung, am allerwenigsten entzückt gewesen. -So hat alles, was darüber geschrieben und gesprochen wurde, nur dazu -gedient, böses Blut zu machen, die Feinde des Deutschen Reiches zu -mehren, und es hat letzten Endes nicht wenig dazu mitgewirkt, daß -Brasilien so rasch und willig in die Reihe unserer Gegner im Weltkrieg -eingetreten ist.</p> - -<p>Die Deutschbrasilianer sind Zwitterwesen. Sie sind keine Brasilianer -im Sinne wie etwa die Deutschchilenen Chilenen sind, deren flammendes -chilenisches Nationalgefühl mit dem der reinblütigen, alteingesessenen -Nachkommen der spanischen Conquistadoren und araukanischen Indianer -wetteifert. Aber sie sind noch viel weniger Deutsche. Sie hängen an der -alten Heimat aus Tradition und aus einer sentimentalen Liebe heraus. -Die wenigsten<span class="pagenum"><a name="Seite_263" id="Seite_263">[S. 263]</a></span> von ihnen würden dort überhaupt leben mögen oder können. -Bei der großen Unbildung der Urwalddeutschen machen sich diese von -den Verhältnissen in Deutschland, besonders nach der großen Wandlung -des Krieges, kein auch nur entfernt richtiges Bild. Wie schlecht -sie teilweise über die Lage in Europa unterrichtet sind, erfuhr ich -erschreckend und doch wieder rührend durch die erstaunlich naive Frage -eines Urwaldkolonisten, der mir folgendes sagte:</p> - -<p>„Sagen Sie, Sie kommen doch jetzt aus Deutschland? Ist es wirklich -wahr, was die Zeitungen hier immer wieder schreiben, daß Deutschland im -Krieg verspielt hat?“</p> - -<p>So konnte denn auch ein Aufstand der Deutschbrasilianer während des -Weltkrieges zugunsten Deutschlands ernsthaft nicht in Frage kommen. -Und wenn auch eine Weile die Möglichkeit bestand, daß die deutschen -Bauern aus São Leopoldo bewaffnet nach Porto Alegre, der Hauptstadt des -Staates Rio Grande do Sul, marschierten, so doch nicht im Interesse -Deutschlands, sondern nur um die deutschen Landsleute dort vor den -Ausschreitungen des Mobs zu schützen.</p> - -<p>Die deutschen Kolonisten in diesem südlichsten Staat Brasiliens sind -keine Brasilianer, aber sie sind Rio Grandenser oder vielmehr San -Leopoldiner, oder Novo Hamburger, oder wie ihre Kolonie-Gemeinde heißen -mag. Zäh wurzeln sie auf der Scholle, die sie dem Urwald abgerungen -haben.</p> - -<p>So gering ihr politischer Einfluß, so groß ist ihr wirtschaftlicher. -Ihre Arbeitskraft und ihre wirtschaftliche<span class="pagenum"><a name="Seite_264" id="Seite_264">[S. 264]</a></span> Tüchtigkeit ist dem -eingeborenen Element gegenüber so groß, daß sie dieses selbst auf -seinem eigensten Gebiet, der Pampa, zurückzudrängen beginnen. Eine -ganze Reihe deutscher Bauern hat angefangen, auch in der Pampa Land zu -kaufen, um dort rationelle Viehzucht und Milchwirtschaft zu treiben. -Ebenso sind die industriellen Betriebe in den Städten wie die Export- -und Importhäuser zu einem großen Teil in den Händen von Deutschen.</p> - -<p>Für die brasilianische Regierung besteht die große Schwierigkeit, -sich dieses wirtschaftlich so außerordentlich wertvolle Element -einzugliedern. Daß es auf dem nach der Kriegserklärung an Deutschland -eingeschlagenen Weg der gewaltsamen Unterdrückung nicht geht, hat man -bald eingesehen. Damals wurden deutsche Schulen, deutsche Zeitungen, -deutsche Sprache überhaupt verboten. Allein dieses Verbot war, -besonders was die Sprache anbelangt, von vornherein undurchführbar. -Und andrerseits war es der Regierung selbst nicht so ernst damit; -sie bemühte sich, die Deutschen gegen Ausschreitungen zu schützen. -Schließlich hing alles von den lokalen Verhältnissen ab. Und während -mancherorts die Deutschen böse Tage mitmachten, hat an anderer Stelle -mancher Brasilianer, der sich abfällig über die Deutschen zu äußern -gewagt hatte, ungesühnt seine gehörigen Prügel bezogen.</p> - -<p>Nach dem Krieg wurden auch offiziell alle Beschränkungen aufgehoben, -dagegen wurde die Bestimmung eingeführt, daß in den deutschen Schulen -auch portugiesisch unterrichtet werden muß. Ich habe einmal einer -Unterrichtsstunde in einer Urwaldschule angewohnt. Es war Rechenstunde, -und der Lehrer stellte seine Fragen erst<span class="pagenum"><a name="Seite_265" id="Seite_265">[S. 265]</a></span> auf deutsch, dann auf -portugiesisch. Allein da die Kinder zu Hause nur deutsch hören, und die -Lehrer oft genug selbst nur mangelhaft portugiesisch sprechen, kann bei -diesem Unterricht nicht viel herauskommen.</p> - -<p>Eine wirksame Assimilierung der deutschen, ebenso der fast -gleichstarken italienischen Kolonisten würde nur bei Vermischung durch -Heiraten untereinander eintreten. Allein gerade in dieser Hinsicht -schließen sich die Deutschen streng ab. Wie sie auf ihren Festen und -gesellschaftlichen Veranstaltungen keine Brasilianer dulden, heiraten -sie auch nur untereinander. Die Ehe mit dem brasilianischen Element ist -verpönt; wie die wenigen vorliegenden Erfahrungen zeigen, übrigens mit -Recht. Die brasilianische Frau stellt an den Mann Ansprüche, denen der -kühler veranlagte Deutsche ohne Gesundheitsschädigung auf die Dauer -nicht zu entsprechen vermag.</p> - -<p>Trotzdem werden natürlich mit der Zeit, wenn nicht dauernd starker -Zuzug kommt, deutsche Sprache und Kultur immer mehr verlorengehen, -schon weil sich die starken klimatischen Einflüsse mit der Zeit -geltend machen müssen. Wie diese auf die Dauer wirken, ist eine noch -umstrittene Frage. Wenn die Deutschbrasilianer auch durchweg einen -gesunden kräftigen Eindruck machen, so wird von ärztlicher Seite doch -behauptet, daß sich bereits gewisse Entartungserscheinungen zu zeigen -beginnen. Was besonders auffällt, sind die schlechten Zähne, denen -man allerdings in ganz Südamerika begegnet. Die besser Bemittelten -zeigen ähnlich den Nordamerikanern den Mund voll Goldplomben, während -die Ärmeren bereits in jungen Jahren nur mehr bräunliche Stummeln -haben. In jedem<span class="pagenum"><a name="Seite_266" id="Seite_266">[S. 266]</a></span> Fall besteht die Gefahr einer gewissen Inzucht; aus -diesem Grund sind Reichsdeutsche bei den töchterreichen Kolonisten als -Schwiegersöhne sehr beliebt, da sie — wie man dort sagt — „besseres -Blut“ haben. —</p> - -<p>In São Pedro steigt eine Negerin ein. Sie trägt schreiend bunten -Kattun, lange Ohrgehänge, ihr Nacken ist wie aus Holzkohle geschnitten. -Die Fülle ihrer Leiblichkeit droht durch die engen Wagenfenster aus -dem Kupee zu quellen. Sie setzt sich unmittelbar neben die blonden, -schlanken Soldaten. Beide sind gleichberechtigte Staatsbürger ein und -desselben Landes.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Kolonisten_und_Kolonien_in_Rio_Grande_52">52. -Kolonisten und Kolonien in Rio Grande.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Santo Angelo.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_i_j6" name="initial_i_j6"> - <img class="h3em" src="images/initial_i_j.jpg" alt="I" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">I</span>m Hotel „Stadt Hamburg“ hatten mich und meinen Reisekameraden die -Wanzen gemeinsam fast aufgefressen. Das verbindet immer. Nun kamen wir -im Zug zufällig wieder zusammen. Wir plauderten daher bereits als alte -Bekannte miteinander.</p> - -<p>Das Hotel „Stadt Hamburg“ war übrigens geeignet, meine bisherigen -guten Ansichten über das Deutschbrasilianertum wieder aufzuheben. Im -Vertrauen auf deutsche Sauberkeit hatte ich mich zu Bett gelegt. Sehr -lange dauerte es nicht. Dann hatten mich die Wanzen derart zugerichtet, -daß ich trotz aller Müdigkeit wieder aufwachte. Der Lokalaugenschein -beim Kerzenlicht veranlaßte mich, das Schlachtfeld zu räumen. Ich zog -mich an, um mich draußen auf den ziegelsteingepflasterten Hof zu legen. -Einen neidischen Blick warf ich noch auf meinen fest<span class="pagenum"><a name="Seite_267" id="Seite_267">[S. 267]</a></span> schnarchenden -Schlafgenossen. Die fettesten Wanzen krochen ihm übers Gesicht, daß es -eine Lust war; er wachte aber davon nicht auf.</p> - -<p>Ich hatte diese Gleichgültigkeit und Immunität gegen Ungeziefer trotz -all meiner Reisen auf dem Balkan, in Galizien, Rußland und Polen noch -immer nicht erreicht, und so jagten mich auf dem Hofe die Moskitos -alsbald wieder hoch. Ich ging zurück ins Zimmer, um das Moskitonetz -zu holen, das ich erst von Wanzen säubern mußte. Als ich glücklich -soweit war und in das Netz eingewickelt auf den Fliesen lag, ging ein -derartiger Platzregen los, daß ich schleunigst wieder ins Haus mußte. -Mein Reisekamerad schnarchte immer noch unentwegt.</p> - -<p>Im Zug erzählte er mir dann, daß man in ganz Südbrasilien kaum ein -Haus finde, einerlei welcher Nationalität sein Besitzer, das nicht -verwanzt sei; nach meinen späteren Erfahrungen mußte ich ihm darin -recht geben. In dieser Hinsicht haben die Deutschen von der Lethargie -der Einheimischen angenommen; schließlich ist es auch zum Verzweifeln, -wenn keine noch so gründliche Säuberung hilft. Ist ein Haus glücklich -ungezieferfrei, so ziehen die lieben Tiere nach wenigen Tagen aus dem -Nachbarhaus wieder ein.</p> - -<p>Mein Reisekamerad war vor dreiviertel Jahren eingewandert. Er war -ein junger Bursch, der seine vier Jahre im Feld gewesen war und dann -hinüberging, ohne jemand zu kennen, ohne von dem fremden Land viel mehr -zu wissen, als daß dort Deutsche wohnen. Bei ihnen dachte er Arbeit und -Brot zu finden.</p> - -<p>Aber beinahe wäre er dabei verhungert. Die deutsch-<span class="pagenum"><a name="Seite_268" id="Seite_268">[S. 268]</a></span>brasilianischen -Kolonisten sind wie alle Bauern gegen Fremde mißtrauisch und gegen -deutsche Landsleute sind sie es ganz besonders. Die „Deutschländer“ -gelten bei ihnen als arbeitsscheu und anspruchsvoll; es ist schwer zu -sagen, wer schuld daran ist, einzelne Bauernfänger und Schwindler, -die sich kurz nach Kriegsende in den deutschen Kolonien herumtrieben, -sich als Kriegsteilnehmer ausgaben und die teilnahmsvolle Gutmütigkeit -der Deutschbrasilianer für sich ausnützten, oder die deutschnationale -Propaganda, die drüben mit allen Mitteln gegen das heutige Deutschland -und insbesondere seine Arbeiter hetzt.</p> - -<p>Genug, der junge Einwanderer zog vergeblich von Hof zu Hof, überall -abgewiesen, bis er schließlich am Ende seiner Kräfte und seiner Mittel -Arbeit und Unterkommen fand. Von da an war er gesichert; denn sein -erster Arbeitgeber empfahl ihn weiter, und so zieht er jetzt, immer an -Hand von Empfehlungen, von einer Kolonie zur andern.</p> - -<p>An sich wäre Arbeit genug vorhanden, so daß es nicht erst einer -Empfehlung bedürfen sollte, um sie zu bekommen. Am liebsten arbeitet -allerdings der deutschbrasilianische Kolonist nur mit seinen -Familienmitgliedern. Wenn von einem besonders reichen Bauern die Rede -ist, so kann man oft genug hören: ja der, der hat auch fünfzehn Kinder!</p> - -<p>Kinder sind hier eben noch Segen, auch im wirtschaftlichen Sinne. Jedes -Kind mehr bedeutet bereits nach kurzer Zeit eine wertvolle kostenlose -Arbeitskraft. Volkswirtschaftler, die die Ursache für Kinderreichtum -oder Kinderbeschränkung ausschließlich in wirtschaftlichen Grün<span class="pagenum"><a name="Seite_269" id="Seite_269">[S. 269]</a></span>den -suchen, werden in Südbrasilien die volle Bestätigung ihrer Theorie -finden; denn hier ist Kinderreichtum die Regel. Familien mit einem -Dutzend Kinder sind nichts Seltenes, und auch solche mit 15, 16 und 18 -Kindern kommen häufig genug vor.</p> - -<p>Aus diesem Grund zahlt der deutschbrasilianische Bauer auch ungern -und nur möglichst niedrige Löhne, wenn er schon fremde bezahlte -Arbeitskräfte beschäftigen muß. Bei freier Unterkunft und Verpflegung -gibt es nicht mehr als 2 bis 2½ Milreis für den Tag. Um bei diesen -Löhnen und den hohen Kosten, die Bahnfahrt und Hotel ausmachen, das -zum Ankauf eigenen Landes erforderliche Kapital in absehbarer Zeit -zu ersparen, muß man schon die eiserne Energie meines Reisekameraden -haben, der mir voll Stolz erzählte, daß er noch niemals auch nur einen -einzigen Centavo für Tabak oder Bier ausgegeben habe.</p> - -<p>Inzwischen waren wir in Cruz Alta von der Hauptlinie abgezweigt und -hielten nun in Ijuhy. Von der hochgelegenen Station sah man auf dem -nächsten Hügel die sanft ansteigende breite Straße mit den sauberen -Häusern, auf dem höchsten Punkt die große Kirche. Vor wenigen Jahren -war noch alles Urwald.</p> - -<p>Von hier aus wird von Pionierbataillonen die Bahn gegen das angrenzende -argentinische Misiones vorgetrieben. Die bisher fertiggestellte Strecke -bis Santo Angelo wird noch von Militär betrieben. Aus diesem Grund -müssen wir jetzt nochmals umsteigen, trotzdem der Zug auf dem gleichen -Geleise weiterfährt.</p> - -<p>In den Wagen sind jetzt lediglich Deutschbrasilianer, alles Landsucher, -Landkäufer, Neusiedler.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_270" id="Seite_270">[S. 270]</a></span></p> - -<p>In Neuland fahren wir ein, als der Zug endlich mit sinkendem Tag sich -wieder in Bewegung setzt. Links und rechts der Bahn kaum gerodeter -Urwald, dazwischen gestreut schmale Parzellen von Mais und Tabak.</p> - -<p>Von hier bis an den Grenzfluß Rio Uruguay ist noch jungfräuliches -Land, die letzten Ländereien, über die Rio Grande do Sul verfügt. -Kurz vor dem Krieg wurden hier noch deutsche Einwanderer angesiedelt, -mit allen Vorteilen, welche die „Immigração“ gewährt. Heute hat man -die Einwanderung gesperrt, d. h. nicht offiziell, nicht formell. Wer -einwandern will, erhält Land zu den gleichen Bedingungen wie die -Eingeborenen auch, nur Vorteile und Vergünstigungen werden nicht mehr -gewährt.</p> - -<p>Rio Grande will das noch verfügbare Land für seine eigenen Landeskinder -vorbehalten. In erster Linie sind dies die deutsch-brasilianischen -und italienisch-brasilianischen Kolonisten; diese brauchen viel Land. -Der väterliche Hof wird ja nicht unter die Kinder geteilt oder einer -erbt ihn und die andern ziehen in die Stadt, sondern jeder Sohn erhält -zur Hochzeit einen Besitz mindestens in der Größe des väterlichen. Zu -diesem Zweck kaufen die Bauern frühzeitig in den frisch vermessenen -Urwaldgebieten Lose für ihre Kinder, auf denen diese nicht anders -anfangen, als es ihre Eltern getan, es sei denn der väterliche -Wohlstand bereits so groß, daß den Nachkommen unter Kultur stehende -Kolonien aus zweiter Hand gekauft werden können.</p> - -<p>Im ganzen Wagen — es ist ein großer, durchgehender amerikanischer -Wagen — hört man nur von Landpreisen und von Bodenbeschaffenheit -sprechen, von Gegenden, wo<span class="pagenum"><a name="Seite_271" id="Seite_271">[S. 271]</a></span> noch Land zu haben und von den -Bedingungen, zu denen es abgegeben wird. Dazwischen reden die Frauen -untereinander leise von der Wirtschaft, von Schweinen und Mais. Man -hört unverfälschte schwäbische, hessische und norddeutsche Mundart. -Aus Bündeln wird gute alte deutsche Wurst geholt und Kuchen, wie ihn -die Bauernfrauen in Deutschland auch backen. Es ist ein eigentümlicher -Eindruck, deutsche Bauernschaft um sich zu haben, die in immer dichter -werdenden Urwald hineinfährt.</p> - -<p>Bald wird es allerdings so dunkel, daß der Mais wie die Wellen -eines geheimnisvollen Wassers den Bahndamm umspült und die alten -lianenumrankten Bäume sich wie Gespenster über ihn neigen. Schließlich -hockt alles auf harten Bänken und schläft, bis der jähe Ruck in Santo -Angelo uns weckt.</p> - -<p>Unergründliche Nacht und unergründlicher Schmutz. Wir fragen nach der -Witwe Schirach, die man uns als Quartiermutter empfohlen. In der Ferne -schimmern ein paar ungewisse Lichter. Sie weist man uns. Wir schultern -den Rucksack und treten den Marsch an, der eine Expedition durch Sumpf -und Schlamm ist.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Kolonisten_im_Urwald_53">53. Kolonisten im -Urwald.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Guarany.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_w5" name="initial_w5"> - <img class="h3em" src="images/initial_w.jpg" alt="W" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">W</span>ir ritten die Linie entlang. Linien heißen die breiten Straßen, die -schnurgerade durch den Urwald führen und von denen die Nebenwege -abzweigen, an denen die Kolonien liegen.</p> - -<p>Die Linien sind die Hauptverkehrsadern der Kolonien. Alle Augenblicke -begegnet uns denn auch ein Wagen, ein<span class="pagenum"><a name="Seite_272" id="Seite_272">[S. 272]</a></span> Reiter oder ein Viehtrieb. Erst -nach ein paar Stunden Reiten wird es einsamer.</p> - -<p>An den Linien liegen die Venden, ferner die Schulen, dann Brauerei- -und Limonadefabriken, Schneide- und Mahlmühlen und was man sonst -noch hier an kleingewerblichen Betrieben braucht, sowie die -bevorzugten Kolonielose: manche Musterwirtschaft, aber auch mancher -heruntergekommene Betrieb, in denen ein paar Polen oder ein Weißer mit -einer Farbigen in einer Hütte hausen, die nicht mehr als gerade das zum -Leben Nötige anbauen.</p> - -<p>Beiderseits der Linie Mais. Dann Tabak, der mit Maniok wechselt, -und wieder Mais. Mais ist die Hauptfrucht, die wichtigste Nahrung -für Mensch und Vieh. Aus ihm bäckt der Kolonist sein Brot. Erst der -Wohlhabende nimmt Weizen dazu. Weizen ist hier Luxus. Für seinen Anbau -ist es bereits zu heiß. Er muß von der Serra, dem kalten Hochland, -hergeschafft oder aus Argentinien importiert werden.</p> - -<p>Um die Häuser steht Obst, vor allem Pfirsich, der ähnlich wie in -Argentinien auf diesem Boden gleich Unkraut wuchert und bereits im -ersten oder zweiten Jahr Frucht trägt, Yerba — Bäume, deren Blätter -den Mate-Tee liefern, und wo Italiener siedeln, eine Weinlaube oder -Weinberg.</p> - -<p>Die Häuser selbst sind fast sämtlich aus Holz, von hübschen soliden -Bauten bis zu einfachsten Bretterbuden. Daneben ein Schuppen für die -geerntete Frucht und ein Pferch für das Vieh.</p> - -<p>Je länger wir reiten, desto häufiger unterbrechen Waldpartien die -Felder, und schließlich geht’s eine ganze<span class="pagenum"><a name="Seite_273" id="Seite_273">[S. 273]</a></span> Strecke lang durch -ungerodeten Urwald. Lianenverfilzt schließen die alten Bäume gleich -Mauern beiderseits die Straße ein. Es sind noch nicht kultivierte -Kolonielose, deren Besitzer auf die Konjunktur warten, um sie mit -hohem Nutzen weiterzuverkaufen. Wo eine neue Staatskolonie vermessen -wird, macht sich alsbald die Spekulation breit. Wenn auch dem Gesetz -nach jeder Bodenwucher vermieden und Land nur an jene abgegeben werden -soll, die es tatsächlich bebauen, so ist doch unvermeidlich, daß der -und jener, von den Koloniechefs und Vermessungsingenieuren angefangen, -durch Mittelsmänner eine größere Anzahl von Losen in seine Hand bringt, -die er erst zum Verkauf stellt, wenn alles Land in der Gegend vergeben -und durch die Arbeit der Kolonisten auf den Nachbargrundstücken ein -erheblicher Wertzuwachs eingetreten ist.</p> - -<p>Eine Pforte in der Mauer steht offen. Ein schmaler Weg führt in den -Wald. Ein schmales Spitzgewölbe aus Zweigen und Blättern. Grünliches -Dämmern. Treibhausluft. Hintereinander gehen die Pferde.</p> - -<p>Wo sich der Weg senkt, öffnet sich eine Lichtung. An den Hängen liegen -noch geschlagene Stämme. Verkohlte Stumpen, zwischen denen sich -handhoch Asche breitet, zeigen, daß hier frische „Roce“ gemacht wurde. -Unten im Grunde steht zwischen hochtreibendem Mais an einem kleinen -Wässerlein eine einfache Bretterhütte: der Anfang einer Kolonie. Es ist -vollendete Urwaldeinsamkeit, aber lange nicht gleich der, in der Väter -und Großväter der heutigen Deutschbrasilianer anfingen. Ein kurzer Ritt -bringt bis an die Linie, nur ein paar Stunden sind bis zur nächsten -Venda und nicht mehr als zwei Tagereisen<span class="pagenum"><a name="Seite_274" id="Seite_274">[S. 274]</a></span> bis an die Bahn. Man kann -leicht und billig alles kaufen und heranschaffen, was nötig: Gerät und -Lebensmittel, Nägel und Bretter. Und Freunde und Nachbarn sind nicht -weit, die einem im Notfall helfen können.</p> - -<p>Trotzdem bleibt genug an Einsamkeit und Härte des Lebens. Die Frau -kommt uns aus der Küche entgegen. Die Küche ist ein offenes Feuer -zwischen zwei Feldsteinen. Darüber hängt ein Kessel. Das ist alles.</p> - -<p>Sie nötigt uns ins Haus. Es ist einfach aus Brettern -zusammengeschlagen, vielleicht fünf Meter im Geviert. Eine Bettstatt -und ein Tisch mit einigen Hockern, selbstgezimmert, bilden das ganze -Mobiliar.</p> - -<p>Das Haus stellt ein Minimum an Wohnung dar, und trotzdem ist es ein -Palast gegen die Anfangszeit, als man in einer Laubhütte hauste und bei -jedem Regen im Wasser lag.</p> - -<p>Der Anfang, das war das Schlimmste; damals, als erst ein Pfad durch den -Wald geschlagen werden mußte, um auf den eigenen Grund zu kommen, und -dann das Roden begann. Bis Breschen für Luft und Licht hineingeschlagen -sind, steckt der Urwald voll Moskitos und Schlangen, von anderem -Ungeziefer nicht zu reden. Dann heißt es mit dem Fäustel das Unterholz -buschen, darnach werden die großen Bäume geschlagen. Nach ein paar -Wochen, wenn alles gut trocken, wird angezündet.</p> - -<p>In den durch die Asche gedüngten Urwaldboden, der frischen Roce, wird -der erste Mais gesät. Zwischen den Stumpen und halbverkohlten Stämmen -werden reihenweise mit dem Stock Löcher gestoßen. Ein paar Maiskörner -in ein jedes hinein, und nach ein paar<span class="pagenum"><a name="Seite_275" id="Seite_275">[S. 275]</a></span> Wochen steht der Mais bereits -mannshoch. Hat man im September Roce gemacht, im Oktober gepflanzt, so -kann man im März die erste Ernte einbringen.</p> - -<p>Der Kolonist kommt aus der Roce herunter und begrüßt uns. Er erzählt, -daß er von der ersten Ernte immerhin bereits 35 Sack verkaufte. Für den -Sack 5 bis 6 Milreis. Aber das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste -ist, daß man jetzt nicht mehr von gekauften Nahrungsmitteln leben muß, -daß man seinen eigenen Bedarf selbst baut und daß man jetzt daran gehen -kann, sich Vieh zu halten.</p> - -<p>Bisher hatte man nur ein Pferd oder Maultier, das im Wald weidete. -Jetzt kann man sich Schweine kaufen und damit vor allem die eintönige -Nahrung aufbessern, die bisher nur aus Mais und schwarzen Bohnen -bestand.</p> - -<p>Dicht neben dem Haus ist ein Pferch, in dem bereits ein paar Dutzend -schwarzstruppiger Borstentiere grunzen. Schweinehaltung ist die große -landwirtschaftliche Industrie in ganz Rio Grande. Jeder Kolonist, der -nur ein wenig Glück mit ihnen hat, wird seinen Mais nicht verkaufen, -sondern damit Schweine großziehen. Das Wichtigste an ihnen ist das -Fett, das ausgelassen und in Blechbüchsen in die Hafenstädte verkauft -wird. Was übrigbleibt, ißt man selbst oder verkauft es an die Nachbarn; -denn hat man’s erst, so lebt man auch üppig.</p> - -<p>Aber das dauert noch ein paar Jahre, und bis dahin heißt’s harte, -schwielentreibende Arbeit. Auf dem Fußboden spielen die Kinder. Es sind -im zweiten Ehejahr bereits ihrer zwei. Pro Jahr ein Kind. Auch Wald und -Urwaldboden strotzen ja von Fruchtbarkeit.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_276" id="Seite_276">[S. 276]</a></span></p> - -<p>Im Dach sind Löcher. Der Kolonist folgt unserm Blick. „Ja, das muß ich -auch noch machen. Man kommt kaum zu allem.“ Im Urwald heißt es alles -selbst machen, alles selbst können.</p> - -<p>Die Frau bringt das Essen: schwarze Bohnen, Brot und etwas -ausgelassenes Schweinefett. Wie wir abreiten, gehen die beiden zusammen -in die Roce. Das Ein- und das Zweijährige bleiben allein zuhause. Die -Schweine grunzen im Pferch.</p> - -<p>Die Sonne steht hoch. Mann und Weib jäten nebeneinander im jungen Mais. -Mann und Weib allein im Wald und nur aufeinander angewiesen. Es ist wie -bei der Erschaffung der Erde.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Schirachs_Erfolg_54">54. Schirachs Erfolg.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Guarany.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_m2" name="initial_m2"> - <img class="h3em" src="images/initial_m.jpg" alt="M" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">M</span>ein Freund in Guarany war der Tischlermeister. Er war fast seit -Gründung der Kolonie dort und kannte alle Kolonisten in der -Umgebung. Er hatte den nötigen Lokalstolz, um nicht zu ruhen, bis -ich alles gesehen. Das war recht interessant, aber auch ein wenig -strapaziös; denn diese Ritte und Besuche gingen nicht ohne erheblichen -Alkoholkonsum ab. Lag eine Venda an der Linie, so gehörte es -selbstverständlich zum Geschäft, daß man abstieg und einen Schnaps -nahm, und gar wenn mein Besuch einer Brauerei oder Schnapsfabrik galt; -ich war froh, wenn wir einmal eine Limonadefabrik besuchten.</p> - -<p>Diese vielen gewerblichen Kleinbetriebe sind ein besonderes Merkmal -der deutschen Kolonien in Südbrasilien und<span class="pagenum"><a name="Seite_277" id="Seite_277">[S. 277]</a></span> ein Zeichen für die -Rührigkeit der Siedler. Es wird dort eine Menge handwerksmäßig -betrieben, wie z. B. Brauerei oder Brennerei, was wir längst nur -mehr als Industrie- und Großbetrieb kennen. Man staunt, wie einfach -man alles erzeugen kann. Eine Sudpfanne und ein Gärbottich, und die -Brauerei ist fertig. Oder ein einfachster Destillationsapparat für -die Brennerei oder ein, zwei Maschinen für die Limonadefabrik. Die -Produkte dieser Kleingewerbsbetriebe im Urwald stehen recht hoch im -Preis, für die Flasche Bier ein bis zwei Milreis. Aber nicht nur die -Kleingewerbetreibenden dieser Art werden reich durch das Geschäft, -sie beziehen auch Maschinen und Rohstoffe aus den Hafenstädten zu -phantastischen Preisen. Ein Limonadefabrikant nannte mir die Preise, -die er für Fruchtessenzen bezahlen muß. Darnach verdient das deutsche -Exporthaus in Porto Alegre, von dem er bezieht, daran einige hundert -Prozent.</p> - -<p>Diese gewaltigen Zwischen- und Unternehmergewinne trägt der Kolonist, -ebenso den Riesenverdienst des Handels, der jeden Gebrauchsgegenstand -übermäßig verteuert. Trotzdem kommt auch der Siedler zu Wohlstand, -selbst Reichtum, wenn er sich nur einigermaßen daran hält; so fruchtbar -ist das Land.</p> - -<p>„Wenn Sie sehen wollen, was wir in ein paar Jahren aus einem Stück -Urwald machen können, müssen Sie unbedingt einmal zu Schirach hinaus“, -sagte der Tischler.</p> - -<p>So ritten wir eines Morgens los. Gegen Mittag waren wir auf der -Schirachschen Kolonie. Sie lag in einem schmalen Tal, das von der Linie -abzweigte. Unten bildete ein Bach die Grenze, dann ging es 250 Meter -lang am<span class="pagenum"><a name="Seite_278" id="Seite_278">[S. 278]</a></span> sanften Hang hoch. Das Ganze war ein Kilometer lang, es war -nur eine kleine Kolonie.</p> - -<p>Aber jeder Fleck war ausgenützt. Zuerst kamen 400 Meter Pferch, in dem -23 Stück Rindvieh und 3 Pferde weideten. Zwischen den Grasenden standen -noch die langsam verwitternden Stumpen der gefällten Urwaldbäume, und -die verhältnismäßig kleine Weide genügt für den Sommer vollkommen; im -Winter kommt noch ein Zuschuß von Salzcaña hinzu, die als Viehfutter -regelmäßig angebaut wird.</p> - -<p>Neben dem Weideplatz lag das Haus mit Schuppen, Scheune und -Schweinestallungen. Davor Rasen, Blumen und dahinter ein großer -Obstgarten. Der Boden lag voll von Pfirsichen, die der letzte Wind -heruntergeschüttelt. Aber auch Birnen und Äpfel fehlten ebensowenig wie -ein Bananengebüsch und eine große dichte Weinlaube, unter deren dichtem -Blätterdach man herrlich kühl ging, während einem die reifen blauen -Trauben nach Art des Schlaraffenlands in den Mund hingen.</p> - -<p>Das Haus war, was selten ist, ein Ziegelbau mit Fachwerk; sauber und -fest. Der Besitzer kam uns von der Veranda entgegen. Er konnte sich -jetzt schon ab und zu ein Mußestündchen leisten. Mit Ausnahme von etwa -fünf Hektar Wald, den er zur Deckung seines Holzbedarfs stehenließ, war -alles gerodet und angebaut. Mais, Tabak, Maniok, Reis, Zuckerrohr — -nichts fehlte. Wir liefen uns in der heißen Mittagssonne müde, bis wir -alles angesehen hatten.</p> - -<p>Man hört so oft, daß nur Landwirte es wagen sollten, in Übersee als -Kolonist anzufangen, allein ich habe<span class="pagenum"><a name="Seite_279" id="Seite_279">[S. 279]</a></span> viel Nichtlandwirte drüben -angetroffen, die es als Kolonisten zu etwas gebracht. Auch Schirach -war Fabrikarbeiter gewesen, nicht einmal jung, 34 Jahre, desgleichen -seine Frau. An Kapital hatte er ein Conto — das sind 1000 Milreis —, -nach heutigem Geldwert etwa 10000 Mark, mitgebracht. Dafür hatte er das -Haus gebaut. Er wollte sich gleich ein behagliches Heim schaffen. An -Betriebskapital blieb ihm also nichts übrig. Heute, nach acht Jahren, -wertet seine Kolonie etwa 14 Contos, mit totem und lebendem Inventar -etwa 22. Sein jährlicher Reingewinn beträgt, abgesehen von dem sehr -reichlichen Leben, das ihm seine Kolonie bietet, mindestens ein Conto. -Unter Umständen können die Erträge auch viel höher sein. Beispielsweise -kann ein Mann im Jahr auf einem halben Hektar 20000 Tabakpflanzen -anbauen. Sie werden im Frühjahr gepflanzt, im Spätsommer wird geerntet. -Bei einem guten Jahr gibt das einen Ertrag von zwei Contos.</p> - -<p>Schirach sagte uns nicht, was er an seinem Tabak verdiente. Aber er -zeigte uns die Stangen, an denen büschelweise die breiten Blätter -zum Trocknen hingen, und die schwarzen Rollen fertigen Tabaks — -die Kolonisten bereiten meist selbst ihren Tabak. Er besteht aus -festgedrehten, ein wenig fettigglänzenden Rollen, die wie große -Blutwürste aussehen. Sich daraus eine Zigarette zu drehen, ist keine -Kleinigkeit. Erst schneidet man wie bei einer Wurst eine Scheibe ab, -dreht und zerdrückt sie zwischen den Händen, rollt und zerkleinert dann -den Tabak und wickelt ihn schließlich in ein trockenes Maisblatt ein.</p> - -<p>Es liegt ein besonderer Reiz darin, sich seinen gesamten Lebensbedarf -selbst herzustellen. Es kommt nichts auf den<span class="pagenum"><a name="Seite_280" id="Seite_280">[S. 280]</a></span> Tisch, was nicht auf -eigenem Grund und Boden gewachsen, und als wir uns zum Essen setzten, -war alles eigenes Erzeugnis, bis zu dem selbstgekelterten Wein und dem -Zucker zum Kaffee.</p> - -<p>Wir saßen in patriarchalischer Weise mit den drei hübschen Mägden und -dem schwarzen Knecht zu Tisch. Schirachs hatten keine Kinder, und ihr -Wohlstand schlägt eigentlich aller Theorie ins Gesicht, daß es nur der -Kolonist mit vielen Kindern zu etwas bringt.</p> - -<p>„Ach, wenn wir Kinder hätten!“ meinte die Frau. Sie war Ungarin, gleich -ihrem Mann, und noch immer hübsch.</p> - -<p>Als wir nach Tisch bei Wein und Zigaretten in Schaukelstühlen auf der -Veranda lagen, mußte ich unwillkürlich daran denken, wie sich wohl das -Leben dieses Mannes gestaltet hätte, wäre er als ungelernter Arbeiter -in der Heimat geblieben. Er hätte es wohl nicht über den besitzlosen -Proletarier gebracht.</p> - -<p>Trotzdem er jetzt einen wohlhabenden Bauer vorstellt, war er noch immer -Sozialist. Er konnte sich nicht genug von den Vorgängen in Europa seit -dem Kriege erzählen lassen. Eine starke Unruhe war in ihm. „Ich hätte -wohl drüben sein mögen!“</p> - -<p>„Ach Gott!“ fiel die Frau ein, „denken Sie nur, er will alles -verkaufen, und wieder woanders neu anfangen, jetzt, wo wir uns endlich -etwas leichter tun können!“</p> - -<p>„Ja, es freut mich nicht mehr“; er schaute gelangweilt über seine -herrlich stehenden Felder. „Wenn ich jemand finde, der sie mir gut -abkauft, gebe ich meine Kolonie gleich her. Vielleicht gehe ich auch -wieder nach Europa zurück.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_281" id="Seite_281">[S. 281]</a></span></p> - -<p>Ich mußte an die Tausende denken, die über den Ozean ziehen, die hier -im Urwald unter schwersten Entbehrungen neu anfangen und denen ein -Besitz wie der Schirachsche wie ein fast unerreichbares Ideal in der -Ferne vorschwebt.</p> - -<p>„Na, vielleicht überlegen Sie es sich noch,“ sagte ich ihm zum -Abschied, „das Land hier scheint mir dem Tüchtigen doch noch immer die -besseren Chancen zu geben.“</p> - -<p>Ehe ich heimritt, machte ich noch seinem Nachbar einen kurzen Besuch. -Er hatte gleichzeitig mit Schirach angefangen, aber es noch immer -zu nichts gebracht, trotzdem er zwei große Söhne hat. Er schimpfte -auf das Land und erzählte dann von seiner Zeit als Potsdamer Garde -du Corps. Es war ganz augenscheinlich, daß er auf seine ehemaligen -Unteroffizierstressen auf dem weißen Kragen auch heute noch immer -stolzer war als auf seinen Hof und Feld und auf all seine Freiheit und -Selbständigkeit als brasilianischer Bauer.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Brasilianische_Landgesellschaften_55">55. -Brasilianische Landgesellschaften.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Porto da União.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_n4" name="initial_n4"> - <img class="h3em" src="images/initial_n.jpg" alt="N" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">N</span>och bei Morgengrauen fuhren wir bei Marcelino Ramos über den Fluß, -der hier flußauf Rio Pelotas, flußab Rio Uruguay heißt. Dann ging’s -quer durch Santa Catharina, fast einen Tag lang im Tal des Rio do Peixe -entlang.</p> - -<p>Die Bahn war erst seit kurzem wieder hergestellt, nachdem der Fluß den -Damm unterspült und einen Personenzug von den Schienen heruntergeholt -hatte.<span class="pagenum"><a name="Seite_282" id="Seite_282">[S. 282]</a></span> Reißend sah er noch immer aus, aber es war eine herrliche Fahrt -an den tobenden, in Fällen und Stromschnellen sich überstürzenden -Wassern entlang, die fast schmerzhaft blinkten und glänzten, sobald die -Sonne auf ihnen lag.</p> - -<p>Beiderseits des Flusses Wald. Wald in unendlicher Ausdehnung. -Größtenteils brasilianische Koniferen. Mit ihren hohen, geraden -Stämmen, die nur an der Spitze einen Kranz horizontal abstehender, -spärlich mit Nadeln besetzter Äste tragen, sehen sie aus wie riesige -Regenschirme, in deren Bezug ein Sturmwind bös gewütet hat.</p> - -<p>An allen Bahnstationen Schneidemühlen und mächtige Stapel von Blockholz -und Brettern. Aber so dicht stand der Wald noch, daß man sich fragte, -woher denn all dies Holz eigentlich stamme.</p> - -<p>An dieses Tal grenzen die Ländereien der wichtigsten brasilianischen -Kolonisationsgesellschaft, der Kompanie Hacker. Und alsbald liegen in -allen Waggons die Prospekte und Pläne dieser Kompanie, die zum Kauf -ihrer Ländereien einladen.</p> - -<p>Überall in Südbrasilien, in Hotels, auf den Bahnen trifft man die -Propaganda dieser Landgesellschaften, und man begegnet so vielen ihrer -Agenten, daß man sich fragt: „Woher nehmen diese Gesellschaften all -das Geld nur allein für ihre Propaganda; wie teuer muß der Kolonist -schließlich das Land bezahlen, oder wie billig muß der Kompanie -seinerzeit die Konzession zu stehen gekommen sein!“</p> - -<p>Die Frage der Einwanderung ist nicht zu trennen von der der -Landgesellschaften, insbesondere da bei weiterem Anschwellen des -Einwandererstromes die Kolonisation der<span class="pagenum"><a name="Seite_283" id="Seite_283">[S. 283]</a></span> brasilianischen Staaten -keineswegs reicht, alle Landsuchenden mit geeigneten Ländereien zu -versorgen. Dazu kommt ein anderes. Die am günstigsten gelegenen -Ländereien an den Bahnen und Strömen sind zu einem großen Teil in den -Händen von Kolonisationsgesellschaften, die sich häufig diese Komplexe -sicherten, als sie durch einen mit ihnen liierten einheimischen -Politiker von bevorstehenden Bahnkonzessionen erfuhren.</p> - -<p>Es ist der Fall möglich, daß der kapitalkräftige Siedler vorteilhafter -ein teueres Los bei einer Landgesellschaft erwirbt, als Land vom -Staate zu geringerem Preis. Der Anteil der Transportkosten ist sehr -groß. Der Sack Mais in Kolonien an der Bahn, mit kurzen Frachten zu -den Hauptabsatzgebieten, ist beispielsweise etwa 11 Milreis wert, bei -schlechteren Verkehrsverhältnissen kann er bis zu 7 Milreis und weniger -heruntergehen, während in tagereisenweit von der Bahn abgelegenen -Urwaldkolonien mit obendrein schlechten Wegverhältnissen der Händler -dem Kolonisten nicht mehr als 2 Milreis für den Sack bietet.</p> - -<p>Man braucht nicht lange in Brasilien zu reisen, um von den -verschiedensten Seiten die widersprechendsten Urteile über ein und -dieselbe Gesellschaft zu hören. Nach dem einen sind ihre Leiter -sämtlich die gemeinsten Betrüger und Blutsauger, nach dem andern -sind sie die reinen Wohltätigkeitsanstalten, und die Einwanderer -können gar nichts besseres tun, als sich ihnen sofort und blindlings -anzuvertrauen. Man wird ja sehr rasch lernen, ungerechte Erbitterung -und Verärgerung auf der einen wie Interessenverknüpfung auf der andern -Seite zu erkennen. Allein trotzdem<span class="pagenum"><a name="Seite_284" id="Seite_284">[S. 284]</a></span> ist nichts schwerer, als sich über -die Qualitäten der einzelnen Gesellschaften ein zutreffendes Bild zu -machen.</p> - -<p>Die Preisunterschiede zwischen den Ländereien der -Kolonisationsgesellschaften und des Staates sind sehr erheblich. -Während staatliche Kolonielose von 25 Hektar in Paraná für 350 Milreis -zu haben sind, und selbst in Rio Grande mit seinen hohen Landpreisen -Staatskolonien nicht mehr als 1000, allerhöchstens 1500 Milreis kosten, -muß man an Kolonisationsgesellschaften 2–3000 zahlen, es sei denn, daß -es sich um Kolonien in ganz abgelegenen Gegenden handelt, wo schon Land -für 5–800 Milreis zu haben ist.</p> - -<p>An Kosten hat die Landgesellschaft im allgemeinen nur die für -Vermessung und Wege hineingesteckt. Die in den Prospekten enthaltenen -Angaben über Kirche, Schule usw. bleiben allzu häufig nur auf dem -Papier.</p> - -<p>Im Gegensatz zu den Staatskolonien wird aber streng auf Trennung -von Nationalität und Konfession geachtet. Brasilien sucht gleich -allen andern südamerikanischen Staaten in seinen neuen Kolonien -möglichst die verschiedenen Nationalitäten zu mischen, allerdings -überall mit dem gleichen Mißerfolg — national geschlossene Kolonien -kommen wirtschaftlich stets rascher voran. Dagegen halten die auf -rein privatwirtschaftlicher Grundlage basierenden Privatkolonien -größtenteils auf Scheidung. So hat zum Beispiel die Hackergesellschaft -nicht nur streng voneinander geschiedene Kolonien für Deutsche -und für Italiener, sondern auch Kolonien für protestantische und -katholische Deutsche. Ebenso wie in Südchile ist ja die Gegnerschaft -der beiden Konfessionen gerade unter den<span class="pagenum"><a name="Seite_285" id="Seite_285">[S. 285]</a></span> deutschstämmigen Elementen -unvergleichlich größer als in Europa. Wo man auf möglichst alle -Landinteressenten spekuliert, wie es bei neuen, abgelegenen Kolonien -geschieht, legt man wenigstens die verschiedenen Nationen auseinander. -So siedelt beispielsweise die Petri-Meiersche Kolonisationsgesellschaft -in ihrer neuen großen Kolonie Affonso am Paraná im Nordteil nur -Italiener, im Südteil nur Deutsche an. Für beide Nationen ist auch von -vorneherein ein eigener Stadt- und Hafenplatz vorgesehen. In dieser -Kolonie hat sich übrigens ein Teil der mit der „Argentina“ in Buenos -Aires eingetroffenen deutsch-ostafrikanischen Pflanzer angesiedelt.</p> - -<p>Das Haupttätigkeitsfeld der Kolonisationsgesellschaften liegt in -Santa Catharina und Paraná, teilweise auch in São Paulo. Neuerdings -wird eine wachsende Propaganda für Matto Grosso gemacht. Nach den -Prospekten ist Land und Klima überall herrlich, und viele mögen -auch zufriedenstellende Käufe gemacht haben. Die Rio Grandenser -Bauern kaufen z. B. viel von Kolonisationsgesellschaften. Allein -für Unerfahrene bestehen doch große Gefahren. Es gibt gewissenlose -Landgesellschaften, deren Geschäft hauptsächlich darin besteht, den -Käufer um die Anzahlung zu bringen. Das verkaufte Land liegt dann -entweder in einer Fiebergegend, oder hat keinen Absatz. Der Käufer muß -es aufgeben, und die Anzahlung, meist ein Drittel des Kaufpreises, -verfällt.</p> - -<p>Überhaupt ist in bezug auf Fieber die größte Vorsicht geboten. Von -Kolonisten wurde mir gegenüber beweglich geklagt, daß ihnen selbst eine -so alte und renommierte Kolonisationsgesellschaft wie die Hanseatische -Fieberland<span class="pagenum"><a name="Seite_286" id="Seite_286">[S. 286]</a></span> verkauft habe. Auch Hacker erlebte mit Fieberland ein böses -Fiasko. Er hatte eine riesige Konzession am Paraná-Panema erworben. -Aber das Fieber wütete dort so schlimm, daß bereits der größte Teil -der Vermessungskolonne hinsiechte und sich nur ein kleiner Teil retten -konnte.</p> - -<p>Mit mir im Kupee saß ein junger Rio Grandenser Bauer, der sich auf -der Staatskolonie Cruz Machado Land ansehen wollte. Hatten es ihm die -lockenden Prospekte angetan, oder war er anderer Einwirkung erlegen, -jedenfalls sah ich ihn in Capinsal, der ersten Hackerkolonie, mit einem -andern Herrn aussteigen und Richtung landeinwärts nehmen.</p> - -<p>So mag wohl etwas daran sein an der Mahnung an die Landsuchenden, die -in allen Prospekten wiederkehrt, doch ja auch bis zu der empfohlenen -Kolonie zu fahren und sich nicht etwa unterwegs von dem Agenten einer -anderen Landgesellschaft beschwätzen zu lassen, um bei ihr sich Land -anzusehen und zu kaufen.</p> - -<p>Diese Mahnung sollten Einwanderer weitergehend dahin auslegen, -überhaupt zunächst von keiner Landgesellschaft Land zu kaufen, ehe -sie es nicht auf Grund eigener Erfahrungen über Bodenkultur- und -Absatzverhältnisse zu beurteilen vermögen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Fahrt_auf_dem_Iguassu_56">56. Fahrt auf dem -Iguassu.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Porto Almede.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_w6" name="initial_w6"> - <img class="h3em" src="images/initial_w.jpg" alt="W" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">W</span>ir standen am Ufer des Iguassu und warteten auf die Barkasse. Jeden -Augenblick glaubte ich das Puffen des Motors zu hören und hoffte das -Boot an<span class="pagenum"><a name="Seite_287" id="Seite_287">[S. 287]</a></span> der nächsten Flußbiegung auftauchen zu sehen, aber dann war es -wieder nichts.</p> - -<p>„Manchmal wird es 5 Uhr, bis sie kommt“, tröstete Karl.</p> - -<p>Karl war bisher Kellner in einem deutschen Hotel von Porto da União -gewesen und ging jetzt daran, sich selbständig zu machen. Er hatte sich -ein paar tausend Milreis erspart und erborgt. Mit denen wollte er eine -Venda in Cruz Machado aufmachen.</p> - -<p>„Gibt es denn dort noch keine?“ fragte ich.</p> - -<p>„Doch, schon drei, aber es wird schon noch für eine vierte etwas zu -verdienen geben. Die Kolonie wächst.“</p> - -<p>Karls Vertrauen stand in krassem Gegensatz zu allem, was man mir in der -Stadt gesagt.</p> - -<p>„Was, Sie wollen nach Cruz Machado?“ hatte der Wirt gemeint, als er von -meiner Absicht gehört. „Das hat gar keinen Wert. Cruz Machado taugt -nichts.“</p> - -<p>„Der Boden ist schlecht“, sagte der Besitzer der größten Venda. „Alle -Einwanderer, die dorthin gehen, kommen wieder zurück. Es ist ein -Verbrechen, Einwanderer nach Cruz Machado zu bringen.“</p> - -<p>Auch der sehr verständige Arzt meinte, es gebe so viele Kenner dieser -neuen Staatskolonie in Porto da União, daß ich hier alle Auskünfte viel -besser einziehen könnte als draußen im Wald.</p> - -<p>Cruz Machado ist gegenwärtig die bedeutendste brasilianische -Bundeskolonie, in die ein großer Teil der in Rio eintreffenden -Einwanderer geleitet wird. Ich bestand also auf meiner Absicht.</p> - -<p>„Wozu wollen Sie dahin? Der Beauftragte des deutschen -Reichswanderungsamtes selbst, der vor einigen<span class="pagenum"><a name="Seite_288" id="Seite_288">[S. 288]</a></span> Monaten hier war, ist -auch nicht hingefahren. Außerdem können Sie jetzt gar nicht hin. Die -Wege sind aufgeweicht. Es gehen keine Autos.“</p> - -<p>„Ich werde schon hinkommen.“</p> - -<p>„Und wenn; Sie werden nichts anderes sehen, als wir Ihnen gesagt haben. -Was haben Sie dann?“</p> - -<p>„Dann habe ich mit eigenen Augen gesehen.“</p> - -<p>Man war etwas beleidigt, und ich stand jetzt mit Karl am Iguassu. Es -war wirklich nicht so leicht, nach Cruz Machado zu kommen. Bis Porto -Almede ging gelegentlich ein Motorboot, aber von da war es noch eine -tüchtige Strecke ins Land.</p> - -<p>„Wie weit?“</p> - -<p>„Oh, so 30 bis 40 Kilometer.“</p> - -<p>„Sie reiten einen Tag.“</p> - -<p>„70 Kilometer mindestens“, meinte ein Dritter.</p> - -<p>Auskünfte über Weglängen sind im ganzen Innern Südamerikas immer sehr -unbestimmt.</p> - -<p>Wir warteten; die Barkasse kam nicht. Wir hatten um 11 Uhr ein wenig -gefrühstückt und rannten dann eilig an den Fluß hinunter. Jetzt brannte -brasilianische Sommersonne mit größter Kraft.</p> - -<p>Neben uns im Gras glühten mächtige Eisenstücke in der Sonne, -Maschinenteile, Zahnräder, ein Zylinder, ein in zwei Teile zerlegtes -Schwungrad.</p> - -<p>„Für die Papierfabrik“, sagte Karl.</p> - -<p>„Wann wird die gebaut?“</p> - -<p>Er zuckte die Achseln.</p> - -<p>„Die Sachen liegen schon ein Jahr da.“ Sie waren rot von Rost.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p288_abb" name="p288_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p288_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Deutsche Siedlung in Brasilien.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p289_abb1" name="p289_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p289_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Maispflanzung.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p289_abb2" name="p289_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p289_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Die ersten Anfänge einer Siedlung.</p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_289" id="Seite_289">[S. 289]</a></span></p> - -<p>Papierfabriken fehlen in ganz Südamerika. Das ist sehr sonderbar. Es -gibt, vor allem in Brasilien, Holz und Wasserkraft dicht beieinander in -beliebigen Mengen, dazu Zeitungen, die einen Papierbedarf haben, größer -als die größte deutsche Zeitung, aber das Papier kommt so gut wie alles -von Übersee, viel aus Nordamerika, einiges aus Europa.</p> - -<p>Vor uns floß der Iguassu, ruhig, breit, mächtig. Sein Wasser war fast -so grau wie Buschwerk, Sumpf und Schlingpflanzen, die seine Ufer -säumten. Nur die Stelle, wo das Motorboot anlegen sollte, war etwas -ausgehauen. Am andern Ufer, gerade uns gegenüber, warfen riesige Palmen -ein leise zitterndes Spiegelbild.</p> - -<p>Die Barkasse kam noch immer nicht. Es war sehr heiß. Ich warf die -Kleider ab.</p> - -<p>„Lieber nicht“, meinte Karl.</p> - -<p>„Warum?“</p> - -<p>Ich war schon im Wasser. Es war lau, aber doch herrlich erfrischend. -Ich vergaß das Boot und schwamm, bis ich weit über Strommitte war.</p> - -<p>Dicht neben mir kräuselte sich die Flut. Etwas sich Windendes, -Schillerndes. Eine Wasserschlange. Ich erschrak und machte einen Bogen. -Außerdem fiel mir ein, daß ich vergessen hatte, nach Alligatoren zu -fragen. Überhaupt die Barkasse. Es war Zeit umzukehren.</p> - -<p>Ich wendete. Karl war nicht mehr zu sehen. Die Strömung war viel -stärker gewesen, als ich geschätzt, und ich war weit stromab getrieben. -So gut es ging, holte ich gegen den Strom auf, aber ich kam doch gut -ein Kilometer weiter flußab ans Ufer. Vor einem<span class="pagenum"><a name="Seite_290" id="Seite_290">[S. 290]</a></span> Steilhang lagerte sich -ein schier undurchdringliches Gewirr von Wasserpflanzen. Glücklich kam -ich heraus und trabte zu meinen Kleidern. Als ich da war, legte eben -die Barkasse an.</p> - -<p>Bereits wenige Kilometer hinter der Stadt traten die Waldberge bis -dicht an den Fluß heran, hohe, dichtbewaldete Kuppen. Nur ab und zu -sieht man ein Stück Hang gerodet. Daneben liegt zwischen Mais, Wein und -Pfirsichbäumen ein Haus. Eine einfache Bretterhütte, aber herrlicher -gelegen als die schönsten Villen an mondänen Plätzen.</p> - -<p>Die Kolonisten, die hier am Ufer wohnen, haben beste Absatzgelegenheit -auf billigem Wasserwege nach Porto da União. So wundert man sich, daß -noch nicht mehr Boden urbar gemacht ist. Allein das Land an beiden -Ufern gehört Kolonisationsgesellschaften. Sie haben es nicht sehr nötig -zu verkaufen, von Porto da União soll eine Bahn Iguassu abwärts gebaut -werden. Dann verdoppeln sich die Preise.</p> - -<p>Diese Bahn ist nötig; denn der Iguassu ist nur bis Porto Almede -schiffbar; dann beginnen die Stromschnellen: ein Krescendo von über -Felsen stürzenden Wassern, bis sie ihren Höhepunkt in den Fällen von -Santa Maria erreichen, kurz vor der Mündung des Flusses in den Paraná -in einer Phantasie tosender Wassermengen.</p> - -<p>Die Iguassufälle sind ein Weltwunder. Sie sind die größten der -Welt. An Höhe und Wassermenge übertreffen sie noch den Niagara und -die Viktoriafälle des Sambesi. Die Energiemenge, die da verstäubt, -genügte für ganz Südamerika; aber bisher ist noch nicht die -beschei<span class="pagenum"><a name="Seite_291" id="Seite_291">[S. 291]</a></span>denste Pferdekraft gewonnen. Die Fälle liegen mitten im -feuchtheißen, tropischen Urwald, Tausende von Kilometern von den -industriellen Mittelpunkten der angrenzenden Länder Brasilien und -Argentinien entfernt. Brasilien lenkt planmäßig seine Kolonisation -Iguassu abwärts, und auch die projektierte Bahn von Porto da União -bis an die Flußmündung soll der Erschließung dieser Region dienen, -deren Wichtigkeit in absehbarer Zukunft vielleicht nicht hoch genug -veranschlagt werden kann. In dem Augenblick, in dem der eine der -beiden Besitzer der Fälle, Argentinien oder Brasilien, auch nur -die bescheidenste Anlage an den Iguassufällen schafft, wird die -Erschließung der Fälle in raschestes Tempo geraten, da dann Rivalität -und Eifersucht auch den andern Staat zu fieberhaften Anstrengungen -und großen Unternehmungen treiben werden. Aber bis heute blieb’s bei -Studienkommissionen. —</p> - -<p>Ab und zu legte das Motorboot an. Der Neger zog es dann mit einem -langen Bootshaken unter die traumhaft überhängenden Weiden und Palmen, -zwischen denen weiße und rote Blumen leuchteten und flammten wie eine -Schar rastender bunter Vögel. Es ist nicht viel Verkehr flußab. Der -bedeutendere geht stromauf: Mais, Schweine, Hühner, Eier und Früchte -von den Kolonien in die Stadt.</p> - -<p>Trotz der raschen Fahrt wurde es fast Abend, bis wir nach Porto -Almede kamen. Die Waldhänge waren etwas stärker gelichtet, ein paar -rote Dächer im Grün, das war der ganze Hafen. Hinter dem letzten Haus -schien ein Strich über den Fluß gezogen, von da ab war das ruhige Grün -des Stromes unruhig, gekräuselt, mit weißen Flecken durchsetzt: die -Schnellen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_292" id="Seite_292">[S. 292]</a></span></p> - -<p>Das Motorboot, das nur selten verkehrt, fuhr am übernächsten Tag wieder -nach Porto da União. Bis dahin mußte ich nach Cruz Machado und wieder -zurück sein. Zunächst schien es allerdings hoffnungslos; denn, wo ich -auch um ein Pferd oder Maultier anfragte, erhielt ich abschlägigen -Bescheid.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Auf_brasilianischer_Bundeskolonie_57">57. Auf -brasilianischer Bundeskolonie.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Cruz Machado.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_w7" name="initial_w7"> - <img class="h3em" src="images/initial_w.jpg" alt="W" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">W</span>enn sich auf hoher See die großen Passagierdampfer begegnen, auf der -einen Seite die Dampfer der Hoffnung, die sich neigen von den an die -Reling drängenden Menschen, jubelnd, tücherschwenkend, von denen jeder -einzelne eine Welt von Erwartung und Zukunftsglauben in sich trägt, auf -der andern Seite die stillen Schiffe der Rückkehrenden, so hat solches -Zusammentreffen immer etwas von dem Begegnen der Züge im Felde an sich. -Die einen, die frisch an die Front fahren, laut und lärmend, voll -Hoffnung, unbekümmerten Mutes und Leichtsinns, und die andern mit den -roten Kreuzen und den stillen blassen Männern, beschattet vom harten -Ernst bitterer Enttäuschung, aber auch starrer Entschlossenheit. Jeder -Dampfer, der in die Heimat zurückkehrt, trägt unsichtbar solch rotes -Kreuz, und jeder, der auf ihm fährt, die Narben der Enttäuschung, sei -es sichtbar im Antlitz, sei es unsichtbar in der Seele. Auch jene, die -die alte Heimat nur zeitweise aufsuchen, die nicht klagen können, auch -jene, die erfolggekrönt zurückkehren. Irgendwie war es doch anders, -bitterer, schwerer, zum<span class="pagenum"><a name="Seite_293" id="Seite_293">[S. 293]</a></span> mindesten anders. Und fast alle führte der Weg -von der großen Hoffnung über die große Enttäuschung, zum schließlichen -Erfolg, oder zum stillen Sich-Bescheiden, oder zum Zusammenbruch, aus -dem nur das nackte Leben in die alte Heimat zurückgerettet wurde.</p> - -<p>Wenn die Schiffe aus der Heimat drüben einlaufen, in der Bai von Rio, -deren berauschender Zauber selbst Menschen trunken macht, die schon -satt sind von der Schönheit der Welt, oder in dem Silberstrom, dessen -braune Unendlichkeit grandios trostloser Wüste gleicht, aus der Buenos -Aires gleich einer Fata Morgana aufsteigt, so zittert die Luft von all -der ausströmenden Hoffnung und Erwartung. Jeder ist ein heimlicher -König, auf den all die Reichtümer, die da am Strande ausgebreitet -liegen, nur warten, daß er sie aufnehme.</p> - -<p>Es soll niemand die Hoffnung genommen werden, der hinüberfahren will -in das Land der Hoffnung. Aber ich sah doch Menschen, die bei der -Landung die Welt in die Tasche steckten, die in der Einwandererbank -der Hauptstadt noch den Kopf hochhielten, die in den verflohten, -verwanzten Einwandererschuppen im Innern bereits klagten und dann -im Urwald nach kurzer Zeit die Axt hinwarfen und wegliefen, um -irgendwo unterzutauchen, oder andere, die in der Stadt am La Plata -nur allzu rasch den Weg vom „Kaiserhof“ über den „Deutschen Bund“ zum -Nachtquartier auf den Freitreppen des Colontheaters fanden.</p> - -<p>Was ich in der neuen brasilianischen Staatskolonie Cruz Machado -an Einwanderern vor mir sah, waren eben der Hundertsatz an Zähen, -Energischen, die sich nicht<span class="pagenum"><a name="Seite_294" id="Seite_294">[S. 294]</a></span> abhalten ließen, den Weg ins Neue, in neue -Heimat, auf jungfräulichem Boden zu versuchen. Der Weg ist nicht leicht.</p> - -<p>Es ist unendlich schwer, eine solch junge, eben erst im Entstehen -begriffene Kolonie zu beschreiben. Sie ist so, wie sie der einzelne -Einwanderer als Vorstellung im Herzen trägt. Nur auf das Hoffen, -Wünschen und Glauben kommt es an. Es ist ja nichts gegeben; alles -existiert nur im Herzen, in der Phantasie. Auch Cruz Machado muß erst -von der Summe der Willensenergien derer, die in ihr arbeiten wollen, -geschaffen werden.</p> - -<p>Die Auspizien sind gut. Das Einwandererhaus ist übervoll, und täglich -kommen neue Familien an, voll Hoffen und Glauben. Die Kolonieverwaltung -hat es übernommen, jeder Einwandererfamilie ein Haus auf ihrem, von ihr -selbst gewählten Los zu bauen.</p> - -<p>Hier beginnt die erste Schwierigkeit. Die Verwaltung kommt nicht nach. -Der Andrang ist im Augenblick so groß, daß die Häuser nicht rasch genug -gebaut werden können. So ist der Einwandererschuppen übervoll. Rechts -eine Reihe Pritschen, links eine Reihe Pritschen. Darauf Männlein, -Weiblein und Kinder in buntem Wechsel. Die Betten sind verwanzt, der -Schuppen ist heiß, in den schmalen Gängen zwischen den Pritschen -wimmelt es von Kindern. Zank und Streit ist nahe bei der Hand, wenn so -viele Menschen so dicht beieinander wohnen. Die Neuankommenden nehmen -wieder Platz weg. Die Unzufriedenheit der bereits Unzufriedenen trübt -auch ihre Laune.</p> - -<p>Da mag es nicht immer leicht sein, das Bild der<span class="pagenum"><a name="Seite_295" id="Seite_295">[S. 295]</a></span> Kolonie so froh -und schön im Herzen zu tragen, wie es eben nötig ist, wenn man -vorwärtskommen will.</p> - -<p>Der brasilianische Staat übernimmt nicht nur die freie Beförderung -der Einwanderer und ihres Gepäcks vom brasilianischen Hafen bis auf -die Kolonie einschließlich Verpflegung (freie Überfahrt wurde in -beschränkter Anzahl gewährt, ist aber gegenwärtig beinahe unmöglich zu -erlangen) auf der Reise und in den Einwandererhäusern, er stundet auch -die übrigens sehr niedrigen Sätze für Kolonielose und Häuser. Außerdem -werden den Einwanderern ein Vierteljahr lang Lebensmittelkredite in -Höhe von einem Milreis für jedes Familienmitglied gewährt, die durch -Wegarbeiten abverdient werden müssen. Da auch Samen und Arbeitsgerät -von der Kolonieverwaltung geliefert werden, ist theoretisch die -Ansiedelung auf einer brasilianischen Staatskolonie ohne jedes Kapital -mit Ausnahme des für die Überfahrt nötigen möglich. In der Praxis gibt -es natürlich einige Schwierigkeiten, da doch für eine ganze Reihe von -Bedürfnissen Geld erforderlich ist, und auch die Lebensmittelkredite zu -völliger Sättigung bei der schweren Arbeit kaum ausreichen.</p> - -<p>„Wir haben unsern Koffer verkauft,“ jammert mir die Frau, die vor dem -Einwandererschuppen gerade ihre Sachen wäscht, „jetzt weiß ich nicht -mehr, wohin mit den Sachen.“</p> - -<p>„Und ich hab ihm Stiefel gegeben, dem Kerl“, fügt eine andere Frau -hinzu und weint. „Keiner wollt’ was geben dafür.“ Sie halten zusammen, -all die Schmeißfliegen, die den Mangel nutzend in jeder neuen Kolonie<span class="pagenum"><a name="Seite_296" id="Seite_296">[S. 296]</a></span> -die Einwanderer umkreisen und ihnen für wahre Schandpreise ihre Sachen -abnehmen. Aber nur durch Verkauf können sich viele Herübergekommene das -nötige Bargeld verschaffen.</p> - -<p>Die beiden Frauen weinen laut auf, als sie mir erzählen, was sie alles -verkaufen mußten. Andere kommen hinzu und bringen andere Klagen vor. -Jammern steckt an. Das ist das Gefährliche.</p> - -<p>Sicher ist manche Klage berechtigt, und jeder, der Südamerika -kennt, weiß, daß die zweifelsohne guten und praktisch durchdachten -Einwanderermaßnahmen des brasilianischen Staates oft genug von -Durchstechereien der untern Behörden durchkreuzt werden können. -So erscheint mir glaubhaft, daß gewisse Beamte der Immigração -auf Einwanderer, solange sie noch im Einwandererhaus auf der -Blumeninsel bei Rio sind, einen Druck ausüben, sich auf Fazendas, auf -Kaffeeplantagen, zu verdingen, statt auf eine Staatskolonie zu gehen. -Die Kaffeefazendeiros brauchen dringend Arbeitskräfte, und wer will -sagen, ob nicht der oder jener Beamte eine empfängliche Hand hat?</p> - -<p>Aber auch in Cruz Machado selbst gab es mancherlei Klagen. Die -Werkzeuge und der Samen würden in schlechtem Zustand und unvollständig -geliefert. Der Lohn für die Wegearbeit werde nicht voll ausbezahlt, und -dergleichen mehr. Klagen über Klagen von den einen, dann aber wieder -Zufriedenheit und frohes Glück in den Augen bei andern, die sich schon -durch die ersten Schwierigkeiten durchgebissen, denen der Mais schon -Früchte trägt, die sich bald ein Schwein kaufen können, und die, wenn -sie abends arbeitsmüde vor ihrer Hütte sitzen, im<span class="pagenum"><a name="Seite_297" id="Seite_297">[S. 297]</a></span> Geiste Wohlstand und -Reichtum zwischen der frisch gemachten Roce emporsprießen sehen.</p> - -<p>Auf der Kolonieverwaltung sah ich die Karten ein. Das ganze zur -Verfügung gestellte, vermessene Land ist bis auf ein Zipfelchen -vergeben. Doch sind bereits Vermessungskolonnen unterwegs, um weitere -große Urwaldstrecken für Kolonisationszwecke zu vermessen. Urwald, -nichts als Urwald, doch in nicht allzu ferner Zeit aller Voraussicht -nach blühende, reiche Landstriche. Ich sah Kolonien, die fünf Jahre -bestehen, nette kleine Dörfchen inmitten wogender, früchteschwerer -Felder, zehn Jahre alte Kolonien, in denen es Vorangekommene schon -zu kleinen landwirtschaftlichen Industrien brachten, wo schon ein -Kirchturm zwischen Essen gen Himmel ragt. Und dann die großen, reichen -Städte in Rio Grande, das große Vorbild und das Symbol der Hoffnung -allen, die jetzt mit dem Einwandererbündel auf der Blumeninsel landen.</p> - -<div class="section"> - -<h3 class="mtop3" id="Kaffeefazendas_58">58. Kaffeefazendas.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">São Paulo.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_v4" name="initial_v4"> - <img class="h3em" src="images/initial_v.jpg" alt="V" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">V</span>on dem feuchtheißen, ehemals so fieberschwangeren Santos führt in -steiler Kurve die Bahn durch tropischen Urwald hinauf auf das kühle -und gesunde Paulistaner Hochland, und hier, fast unter dem Wendekreis, -liegt in 800 Meter Höhe São Paulo, die Hauptstadt des gleichnamigen -Staates, die nur hinter der Bundesmetropole Rio de Janeiro an Größe -und Einwohnerzahl zurücksteht, sie aber übertrifft an Rührigkeit und -Energie ihrer Bewohner und an wirtschaftlicher Bedeutung.</p> - -<p>Diese große, europäisch anmutende Stadt mit ihren<span class="pagenum"><a name="Seite_298" id="Seite_298">[S. 298]</a></span> breiten Boulevards, -großen öffentlichen Palästen, großen Theatern ist ebenso wie der Hafen -Santos und wie der ganze Staat São Paulo, der mit Minas Geraes zusammen -den brasilianischen Bund regiert, eine Schöpfung des Kaffees.</p> - -<p>Der Kaffee baute diese breiten Straßen, dieses dichte Bahnnetz, diese -reichen Paläste und prächtigen öffentlichen Gebäude. Er zahlt die -Seidenkleider und Florstrümpfe der Frauen und die Autos und mancherlei -Passionen der Männer. Vom Kaffee lebt nicht nur der Staat São Paulo, -von ihm lebt in der Hauptsache der gesamte brasilianische Bund. Er -ist Hauptexportartikel, wirtschaftliches Rückgrat des ganzen Landes. -Auch in der gegenwärtigen Krise richten sich aller Augen hoffend auf -diesen Artikel, in dem die große südamerikanische Republik ein gewisses -Weltmonopol hat. Wie wird die Ernte werden? Wie werden sich die Preise -gestalten? Wird es den Valorisationskäufen der Regierung gelingen, die -Preise so weit zu heben, daß trotz des erschreckenden Valutasturzes die -Handelsbilanz des Bundes nicht allzu ungünstig abschneidet?</p> - -<p>Abgesehen von den Verhältnissen auf dem Weltmarkt ist für São Paulos -Kaffeebau zweierlei nötig: die Erschließung neuen Plantagenbodens und -die ständige Zufuhr von Arbeitskräften.</p> - -<p>Fährt man von São Paulo aus westwärts und nordwestwärts, so kommt man -über Land, das ehemals Kaffeeboden war, das aber jahrzehntelanger -Anbau der braunen Bohnen so ausgelaugt hat, daß man zu andern -Kulturen überzugehen gezwungen war. So müssen sich die parade<span class="pagenum"><a name="Seite_299" id="Seite_299">[S. 299]</a></span>mäßig -aufmarschierten Reihen der Kaffeebäume immer weiter nach Westen -schieben, wo ein Stück jungfräulichen Urwalds nach dem andern zu fallen -hat, damit die Kaffeeproduktion auf der Höhe erhalten werden kann.</p> - -<p>Noch ist der unerschlossene brasilianische Urwald groß, schier -unermeßlich. Darum droht hier noch keine Gefahr. Anders aber steht -es mit den Arbeitskräften. Der eingeborene Brasilianer arbeitet -in den Kaffeefazendas nicht oder nur sehr ungern — er wird seine -Gründe haben —, und auch frisch Herübergekommene bleiben nur in -Ausnahmefällen als Arbeiter auf den Plantagen, so daß die Fazendeiros, -die Plantagenbesitzer, ständigen Bedarf an Arbeitskräften haben, den -sie aus den Einwanderern decken: Portugiesen, Spaniern, Italienern -und neuerdings auch Deutschen. Der Bedarf danach ist groß. Als ich -in São Paulo auf der Immigração weilte, waren dort nicht weniger als -20000 Arbeitskräfte als verlangt angemeldet. Bei einer derart großen -und derart lebenswichtigen Nachfrage mag es immerhin vorkommen, daß -Bestechung eine Rolle spielt und daß von Einwanderungsbeamten ein -unzulässiger Druck auf die Einwanderer ausgeübt wird, um sie auf die -Fazendas zu bringen. Der Gerechtigkeit halber muß jedoch anerkannt -werden, daß von seiten der zentralen Einwanderungsbehörde sehr -energisch gegen solche Mißbräuche eingeschritten wird, sobald sie zu -ihrer Kenntnis gelangen.</p> - -<p>Das Leben und die Arbeit auf den Kaffeefazendas wird sehr verschieden -beurteilt: von dem einen als sicherer Aufstieg zu eigenem Besitz, -von dem andern als reine Sklaverei. Zweifelsohne ist die Arbeit -dort schwer, und<span class="pagenum"><a name="Seite_300" id="Seite_300">[S. 300]</a></span> das Leben niemals leicht. Die Temperatur in den -Kaffeefazendas ist hoch. Das Land ist kahl. Die mannshohen Kaffeebäume -geben keinen Schatten. Es gilt, sie das ganze Jahr über unkrautfrei zu -halten. Das ist nicht leicht, denn das Unkraut wuchert üppig. Man muß -sich schon fest daranhalten, wenn man 3–4000 Bäume im Jahr rein halten -will. Und diese Arbeit ist herzlich schlecht bezahlt, etwa 160 Milreis -im Jahr für 1000 Bäume. Da ist es gut, wenn man eine recht zahlreiche -Familie hat, die tüchtig mithilft.</p> - -<p>Das Pflücken des Kaffees macht extra Arbeit, die allerdings auch extra -bezahlt wird: für den Sack zu hundert Liter werden 2 Milreis gezahlt. -Eine Familie zu sechs Personen vermag 1400 Sack zu ernten.</p> - -<p>Zu diesem Barlohn tritt noch freie Wohnung und freies Holz. Außerdem -wird in der Regel die Erlaubnis erteilt, zwischen den Kaffeebäumen eine -Reihe Mais und zwei Reihen Bohnen zu ziehen, mitunter wird auch noch -sonstiges Pflanzland gegeben, so daß sich die Fazendaarbeiter Hühner -und Schweine halten können.</p> - -<p>Unter solchen Bedingungen haben zahlreiche Einwandererfamilien es dahin -gebracht, sich nach einer Reihe von Jahren erst Land zu pachten und -später kleine Kaffeeplantagen zu kaufen und auf eigene Rechnung zu -bewirtschaften. Aber äußerste Sparsamkeit in den ersten Jahren gehört -dazu und Verzicht auf alle Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten. -Außerdem darf man nicht krank werden; ein Unglücksfall kann alles -ruinieren, und man darf nicht auf eine Fazenda kommen, wo der Besitzer -für die Lebensmittel, die jeder besitzlose Arbeiter für den Anfang<span class="pagenum"><a name="Seite_301" id="Seite_301">[S. 301]</a></span> -auf Kredit nehmen muß, Wucherpreise verlangt. Sonst ist die Gefahr der -Schuldenwirtschaft gegeben, die leicht zu einer Schuldknechtschaft -werden kann.</p> - -<p>Als ich in São Paulo auf dem deutschen Konsulat war, traf ich dort -einen Mann und eine Frau, die von einer Kaffeefazenda in die Stadt -geflohen waren. Der Fazendeiro hielt sie über den Kontrakt hinaus auf -der Fazenda unter geradezu grauenhaften Verhältnissen. Als sich der -Mann dagegen auflehnte und fort wollte, ließ der Plantagenbesitzer ihn -niederschlagen und sperrte ihn in den Schweinestall. Mit einem andern -dort arbeitenden Deutschen floh daraufhin die Frau, um die Hilfe des -Konsulats anzurufen.</p> - -<p>Solche Fälle mögen selten sein. Der geflohene Mann sagte mir selbst, -daß er seit vielen Jahren auf Fazendas arbeite und daß er solche -Verhältnisse bisher nie angetroffen habe. Allein, mögen sie auch noch -so selten sein, Vorsicht tut doch bei jedem Vertragabschluß not. -Wesentlich bessere Bedingungen würden sich erzielen lassen, wenn es -gelänge, für die deutschen Einwanderer Tarifverträge durchzusetzen -und eine Organisation zu schaffen, die dafür sorgt, daß solche -Ausnahmefälle von Brutalitäten und Übergriffen nicht mehr vorkommen -oder daß wenigstens ihre Ahndung auf dem Fuße folgt. Gar so schwer -könnte das nicht sein; denn Brasilien lebt vom Kaffee, und ohne Zufuhr -von Arbeitern für die Fazendas müßte es wirtschaftlich zusammenbrechen.</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_302" id="Seite_302">[S. 302]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Die_Grossstadt_der_Tropen_59">59. Die -Großstadt der Tropen.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Rio de Janeiro.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_an_w" name="initial_an_w"> - <img class="w4_5em" src="images/initial_an_w.jpg" alt="„W" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">„W</span>iederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und -zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit.“</p> - -<p>Wenn der Dampfer in die Bai von Rio de Janeiro einläuft, vorbei an -den umgischteten Kaimauern der alten Forts und unter dem Schatten der -unheimlichen Felssäule des „Zuckerhuts“, schaut man den Berg, auf den -der Satan den Erlöser führte, um ihn zu versuchen. Wenigstens machen -die Brasilianer Anspruch darauf, daß der Corcovado, die steil über -Stadt und Bucht ragende Felsklippe, der Berg sei, von dem das vierte -Kapitel des Matthäus-Evangeliums erzählt.</p> - -<p>Es läßt sich gegen diese Legende wenig einwenden; denn der Versucher -hätte in ganz Palästina, ja in der ganzen Alten Welt keinen Fels -finden können, zu dessen Füßen so überreich alle Herrlichkeit der Welt -ausgebreitet ist.</p> - -<p>Brasiliens Hauptstadt ist vielleicht die schönste Stadt der Erde. Das -ist so bekannt und so oft geschildert, daß es müßig wäre, darüber noch -ein Wort zu verlieren. Mehr noch, man sollte gar nicht erst versuchen, -ihre Schönheit zu schildern; denn sie ist derart, daß sie über Maß und -Beschreibung hinausgeht. Wenn man über die grünen, palmenbestandenen, -in Blüten brennenden Hügel streift, die wie vielfach gereihte -Perlenschnüre Stadt und Bai umgrenzen, geht das Maß des Schönen selbst -über das hinaus, was die Augen aufzunehmen vermögen. Ins<span class="pagenum"><a name="Seite_303" id="Seite_303">[S. 303]</a></span> Extrem -überschlagend möchte man ausrufen: „Ja, weiß der Himmel, Rio ist schön; -aber das weiß ich nun schon. Laßt mich in Dreiteufelsnamen in Ruhe, ich -kann nicht mehr.“</p> - -<p>Wenn irgendwo, braucht man in Rio Zeit und Muße, um die Schönheit -zu genießen, die dort auf den Beschauer einstürmt. Denn sie ist -immer da, ob die über die Bucht gespannte, schmerzhaft blaue Kuppel -wolkenlos ist und alle Farben an Leuchtkraft miteinander wetteifern, -oder ob die aus schwarzen Wellen und weißem Gischt ansteigenden, mit -allen Tropengewächsen überwucherten Felsen in mystisch-geheimnisvolle -Nebel sich verlieren. Mag man über die Hügel wandern oder die Bucht -durchkreuzen, die endlosen Praias, die Strandpromenaden, im Auto oder -in der Elektrischen entlang fahren, auf den Corcovado steigen oder auf -den Zuckerhut, die Schönheit wird nie weniger. Immer eine neue Bucht, -eine neue Klippe, aus Palmen und Blüten wachsend, immer ein neuer -Ausblick. Geht die Sonne auf, brennen Bucht und Berge in dem tiefsten -Rot einer ungeheueren Feuersbrunst. Senkt sich die Nacht, so laufen -vielfache Lichterreihen jede Strandzeile entlang, jeden Hügel hinauf. -Die Berge stehen wie phantastische Schatten am Himmel, bis auf den -unheimlichsten, den Pão d’Assucar, der aus den Lichterkränzen aufsteigt -wie die gespenstische Vision eines riesenhaften Symbols altheidnischer -Phallusfeste.</p> - -<p>Wenn ich jemand beneide, so sind es jene portugiesischen Seefahrer, -die, als erste in die Bucht einlaufend, die ganze Tropenwelt um die -blaue Bucht noch in ursprünglicher, unberührter Herrlichkeit antrafen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_304" id="Seite_304">[S. 304]</a></span></p> - -<p>Das heißt jedoch nicht, daß Rio als Stadt nicht auch seine schönen -Teile hätte. Keineswegs will ich mir das boshafte argentinische Wort zu -eigen machen, das von Rio, wie überhaupt von ganz Brasilien behauptet: -„<span class="antiqua">La naturaleza todo, los brasileros nada</span>“; das heißt, daß alles -die Natur geschaffen, die Brasilianer nichts.</p> - -<p>Freilich, die Stadt ist entstanden und gewachsen wie alle -südamerikanischen Städte. Wahllos und unorganisch wurden Häuser und -Straßen über Hügel und Täler geworfen. Aber einen großen Vorzug hat sie -vor fast allen übrigen Seestädten, die Lage des Hafens.</p> - -<p>Freilich der mächtige Eindruck eines modernen Hafens soll nicht -geleugnet werden, der immer gleich bleibt, mochte man an einem -Nebeltag die Elbe hochfahren und in vergangenen Tagen den Mastenwald -des Hamburger Hafens vor sich sehen, oder auf der Themse unter Tower -Bridge hindurchgleiten, oder in den Hudson einlaufen zwischen Docks, -Riesenschiffen und den phantastischen Wolkenkratzern New Yorks. Aber -immer schließt doch der Hafen die eigentliche Stadt vom Wasser und der -freien See ab, bleibt kein Platz für Bäder und Strandpromenaden. Rio -dagegen stößt mit seinem Zentrum, mit seiner City, in breiter Front an -die offene Bucht, und der Hafen, Arsenale, Docks und Werften, alles was -raucht, qualmt und lärmt, ist nach hinten verlegt, tiefer in die Bucht -hinein, gleichsam an die Rückseite der Stadt. Was man beim Einlaufen -von der Stadt zunächst vor sich sieht, wirkt wie ein Palast, wie ein -Garten.</p> - -<div class="figcenter"> - <a id="p304_abb" name="p304_abb"> - <img class="mtop1" src="images/p304_abb.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Bai von Rio de Janeiro, vom Gipfel des Corcovado - aus.<br /> - <span class="s5">In der Mitte der „Zuckerhut“.</span></p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p305_abb1" name="p305_abb1"> - <img class="mtop1" src="images/p305_abb1.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption">Auf dem Marsch durch den Urwald.</p> -</div> - -<div class="figcenter"> - <a id="p305_abb2" name="p305_abb2"> - <img class="mtop1" src="images/p305_abb2.jpg" alt="" /></a> - <p class="caption mbot1">Blumeninsel bei Rio de Janeiro.</p> -</div> - -<p>Diesen Teil der Stadt so auszubauen, daß er den<span class="pagenum"><a name="Seite_305" id="Seite_305">[S. 305]</a></span> Vergleich mit jeder -Hauptstadt der Welt aushält, hat die Brasilianer ein Vermögen gekostet, -so viel, daß die Unzufriedenheit in den einzelnen Staaten, vor allem in -denen des Nordens, groß wurde, weil so viel an den Prunk der Hauptstadt -gehängt wurde, während es für ihre Bedürfnisse an Geld mangelte.</p> - -<p>Wie Buenos Aires war die City von Rio ursprünglich ein Winkelwerk -kleiner Gassen. Eine Bresche wurde hindurchgeschlagen, von einer Bucht -zur andern, ein mächtiger Durchlaß für Luft und Licht, der den frischen -Seewind bis ins Zentrum trägt. Die so entstandene Avenida Rio Branco -grenzt auf der einen Seite an die Kais und die Hafenanlagen, auf der -andern an die Praia, den freien Strand, die breiten palmenbepflanzten -und beetumsäumten promenadeartigen Straßenzüge, die viele Kilometer -weit die Buchten entlang führen.</p> - -<p>Auf diesen Promenaden, sowie in den Straßen, die auf sie münden, sieht -man am frühen Morgen ein eigenartiges Bild: Männlein und Weiblein -wandern da, nur mit dem Badeanzug, höchstens noch mit Bademantel oder -Badetuch bekleidet, an den Strand. Eine Badeanstalt in unserm Sinn gibt -es in ganz Rio nicht; jeder badet, wo er gerade Lust hat, und an der -Stelle, die seiner Wohnung am nächsten. In bestimmten Abständen führen -Treppen oder schräge Rampen ins Wasser hinunter. Dieser Badebrauch -beschränkt sich keineswegs auf die unteren Schichten. Auch die Damen -der Gesellschaft baden hier, und man kann des Morgens häufig Damen -sehen, die im Badeanzug ihr eigenes Auto an den Strand hinunterlenken.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_306" id="Seite_306">[S. 306]</a></span></p> - -<p>Autos sieht man überhaupt in ungeheuerer Menge, kaum viel weniger -als in New York oder Chicago. Pferde dagegen ziehen höchstens noch -einen Leichenwagen. Nichts macht einen merkwürdigeren Eindruck als so -ein schimmelbespannter Leichenwagen, hinter dem eine endlose Kette -vielepferdestarker Automobile im langsamsten Tempo dahinschleicht.</p> - -<p>Ja, die Stadt ist reich, und sie zeigt und verschwendet ihren -Reichtum, sie, die kostbarste Blüte eines reichen Landes. Es war -für sie keine Kleinigkeit, nicht nur zur schönen, sondern auch zur -gesunden Stadt zu werden. Ursprünglich war Rio de Janeiro eines der -schlimmsten Fiebernester an der brasilianischen Küste. So schlimm, daß -zeitweise die Schiffe sich scheuten, es anzulaufen — man erzählte von -Schiffsbesatzungen, die bis auf den letzten Mann dahingesiecht waren -—, so schlimm, daß die brasilianischen Kaiser ihre Residenz aus dem -Fiebersumpf heraus in die Berge verlegten, wo sie in Petropolis sich -eine eigene Stadt bauten.</p> - -<p>Heute aber ist Rio so gesund wie nur irgendeine Stadt der Welt. Hier, -wo es bei einer Lage zwischen Wasser und Wald von Moskitos wimmeln -müßte, kann man nachts im Freien ohne Moskitonetz schlafen.</p> - -<p>Nur eines ist geblieben von den Lasten des Klimas: die Hitze. Kräuselt -kein Wind die Wasser der Buchten, liegen sie da wie flüssiges Blei, -dann lastet auch Tag und Nacht unerträglicher Druck auf allen -Straßen, und man hebt sich morgens nicht erfrischt und müde von dem -schweißnassen Lager.</p> - -<p>Alles, was Geld hat, kann bis zu einem gewissen Grad<span class="pagenum"><a name="Seite_307" id="Seite_307">[S. 307]</a></span> auch der Hitze -entfliehen. Man kann nach Leme oder Copacabana hinausziehen, wo die -mächtigen Wellen des Atlantik an den Strand spülen, oder man kann -auf den Bergen und Hügeln seinen Wohnsitz nehmen, die heute schon -zahlreiche elektrische und Zahnradbahnen mit der Stadt an der Bucht -verbinden. —</p> - -<p>Es ist ein oft wiederholtes Phantasiebild, die City von New York -oder Berlin in fünfzig oder hundert Jahren aufzuzeigen. Aber die -Phantasie beschränkt sich bei diesem Bild auf die Übereinanderhäufung -von Stockwerken und Verkehrsmitteln. Eine solche Phantasie auf Rio -übertragen, böte ganz andere Möglichkeiten. Rio kann nicht nur die -schönste, sondern auch die phantastischste und großartigste Stadt der -Welt werden und gleichzeitig das wundervollste und eleganteste Seebad.</p> - -<p>Es ist ja nur eine Frage des Ausbaus der Verkehrsmittel, um die ganzen -Wohnviertel auf die frischen kühlen Berghügel zu verlegen, so daß am -Hafen nur die Geschäftshäuser bleiben, die durch künstliche Kühlung -und Ventilation vor der Hitze geschützt werden. Schnelle Verbindungen, -in Tunneln laufende elektrische Schnellzüge würden an die Bucht, -Badestrand und den offenen Ozean führen, so daß man von der Wohnung -ebenso rasch zum Bad wie zur Geschäftsstadt gelangen könnte.</p> - -<p>Wie heute schon eine Seilbahn freischwebend Hunderte von Metern weit -auf den Zuckerhut führt, so ließen sich alle die einzelnen Bergkuppen -miteinander verbinden, und auf einem zentral gelegenen würde eine -Vergnügungsstadt mit Theatern, Kinos und Tanzpalästen sein.</p> - -<p>Wer weiß, vielleicht!</p> - -<div class="section"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_308" id="Seite_308">[S. 308]</a></span></p> - -<h3 class="mtop3" id="Die_Blumeninsel_60">60. Die Blumeninsel.</h3> - -</div> - -<p class="s5 right mright1 mbot1">Rio de Janeiro.</p> - -<div class="dc"> - <a id="initial_t" name="initial_t"> - <img class="h3em" src="images/initial_t.jpg" alt="T" /></a> -</div> - -<p class="p_1"><span class="invis">T</span>ief innen in der Bucht von Rio de Janeiro, mehr als eine Stunde -Motorbootfahrt von den Hafenkais, liegt die „<span class="antiqua">Ilha das flores</span>“, -die Blumeninsel. Irgendwo versunken ist der Lärm des Hafens, das -Kreischen der Krane, das Rasseln der Ketten, das Hämmern der Werften -und Werkstätten, aber auch das Brausen der über die breiten Aveniden -und Promenaden der Weltstadt sich drängenden Massen und der jagenden -Autos. Eine einsame Insel in märchenstiller Bucht. Flache Dächer unter -ragenden Palmen, die sich spiegeln in unwahrscheinlich blauer Flut.</p> - -<p>Man könnte meinen, irgendein menschenscheuer Sonderling habe sich hier -seine Zuflucht gebaut, oder die weitgestreckten Hallen bergen ein -Sanatorium, eine Erholungsstätte für Menschen, die in vollkommener -Stille und Einsamkeit kranke Nerven kräftigen wollen.</p> - -<p>Auf diese Insel hat die brasilianische Regierung das Einwandererhotel -verlegt, jene Stätte, die für die ersten Tage nach der Ankunft alle -gastlich aufnimmt, die in Brasilien eine neue Heimat suchen. Es ist, -als wolle man den Neuankömmlingen gleich das Schönste zeigen, was -dieses an Schönheiten reiche Land bietet, als wolle man ihnen hier auf -dieser stillen schönen Insel erst Muße gewähren, sich hineinzufinden -in diese so ganz andere fremde tropische Welt, die jetzt das neue -Vaterland werden soll.<span class="pagenum"><a name="Seite_309" id="Seite_309">[S. 309]</a></span> Als sollten sie hier erst noch einmal Kräfte -schöpfen und Mut fassen, ehe sie hinausgeschleudert werden in einen -unerbittlich harten Lebenskampf unter sengender Sonne. Wenige Tage -hier in beschaulicher Muße, dann gehen die Transporte weiter, nach São -Paulo, Santa Catharina und Paraná, wo blühende Kolonien aneifern und -die Möglichkeiten aufzeigen, die der jungfräuliche Urwaldboden birgt, -oder ins Innere des Landes, in jene unermeßliche, noch unerschlossene -Steppe von Matto Grosso, in die Berge von Minas Geraes oder auch in -den fieberheißen Norden von Bahia und Pernambuco. Wenige Tage der -Ruhe und letzte reifliche Wahl; denn der einmal getroffene Entscheid -ist nach viele Tage langer Fahrt am Bestimmungsort nur schwer noch zu -ändern. Einmal nur gewährt die Einwanderungsbehörde freie Reise, freie -Gepäckbeförderung und freien Unterhalt. Einmal an der selbstgewählten -Arbeitsstätte heißt es, sich selbst weiterhelfen, wenn der Einwanderer -nicht das findet, was er erhofft und erwartet.</p> - -<p>Es ist gerade ein Dampfer des Brasilianischen Lloyd eingetroffen, -der aus Hamburg viele Hunderte deutscher Freifahrer herüberbrachte, -jene Glücklichen, denen es nach endlosen Laufereien, Plackereien -und Scherereien mit Konsulaten und Behörden möglich war, die freie -Überfahrt zu erlangen, die der brasilianische Staat für dreitausend -deutsche Auswanderer auswarf.</p> - -<p>Glückliche? — Heute sind sie es noch. Man sieht nur strahlende, -leuchtende Gesichter. Auf dem Anlegeplatz spielen Kinder, im Wasser -tummeln sich Schwimmer, deren weiße Leiber wie in durchsichtigen -blauen Kristall gefaßtes<span class="pagenum"><a name="Seite_310" id="Seite_310">[S. 310]</a></span> Elfenbein wirken, in der offenen Wandelhalle -unter den Palmen sitzen behaglich und zufrieden Männer und Frauen. Die -Motorboote, die heute abgehen sollten, um die Einwanderer zur Stadt zu -bringen, von wo mit Bahn und Schiff die Reise weitergehen sollte, sind -nicht gekommen. Die Abreise ist um einen Tag verschoben worden. Man hat -alles gepackt, alles erledigt, nun hat man noch einmal vierundzwanzig -Stunden süßen Nichtstuns, noch einmal Frist auf der stillen Insel, ehe -der Kampf beginnt.</p> - -<p>Die wenigsten wissen, daß es ein Kampf ist, der ihrer harrt, zum -mindesten wissen sie nicht, wie unerbittlich und hart er ist. Die -schöne, üppige Insel in der von kühlen Winden umfächelten Bucht -verführt dazu, alles ein wenig zu schön und zu leicht zu nehmen. Ich -plaudere mit den nächsten. Als mein Name fällt, sammelt sich ein rasch -wachsender Kreis um mich. Kaum einer unter den Einwanderern, der ihn -nicht kennt, der nicht den einen oder andern der Aufsätze las, die ich -seit anderthalb Jahren aus Südamerika geschrieben. Fast alle tragen ja -schon seit Jahren den Plan in sich, jenseits des Ozeans sich eine neue -Heimat zu suchen, und so haben sie gierig alles gelesen, was über die -Länder geschrieben wurde, in die sie ziehen wollten.</p> - -<p>Frage über Frage: Die meisten wollen das wiederholt hören, was sie -sich zurechtgelegt haben über die Gegend, die Arbeit und Lebensweise, -die sie sich aussuchten. Sie wollen das Bild bestätigt sehen, das sie -gläubig hoffend im Herzen tragen. Es wird Enttäuschungen geben — für -alle. Manche, die sie überwinden, werden nach schwe<span class="pagenum"><a name="Seite_311" id="Seite_311">[S. 311]</a></span>rem Anfang den Weg -zu Glück und Wohlstand finden, aber auch manche werden elend zugrunde -gehen, wie ich so viele zugrunde gehen sah!</p> - -<p>Das Land, der ganze Erdteil ist reich, unermeßlich. Aber nicht umsonst -blüht und wuchert und treibt es aus ihm in tropischer Fülle. Wer die -Schätze heben will, zahlt hohen Preis mit Jahren voll Mühe und Arbeit, -häufig mit Gesundheit und Leben.</p> - -<p>Eine aufsteigende Welt! Man mag Südamerika durchziehen, wo man will, -durch die argentinische Pampa, über die chilenische Kordillere, durch -die bolivianische Puna oder den brasilianischen Urwald, überall wird -sich der Gedanke aufdrängen, daß hier eine neue machtvolle Welt in -der Bildung begriffen ist, eine Welt, die gestützt auf überreiche -natürliche Hilfsmittel einmal darangehen wird, sich ihren Platz als -ausschlaggebender Faktor im weltpolitischen und weltwirtschaftlichen -Ringen zu sichern. Eine gewaltige Welle rasend schneller Entwicklung -wird einmal auf diesem jungen und noch immer so wenig bekannten -Kontinent sich erheben, und sie wird alle hochtragen, die den rechten -Augenblick erfassen.</p> - -<p>Freilich, auf den rechten Augenblick kommt es an; denn auf diesem seit -Jahrzehnten durch Krieg, Revolution, Parteistreitigkeiten, Anarchie und -Diktatur erschütterten Erdteil geht in raschem Wechsel die Entwicklung -auf und ab, und ehe der große jähe Anstieg anhebt, mag mancher, der -hoffnungsfreudig und arbeitswillig hinauszog, in den Wellentälern -niedergehender Konjunktur, wirtschaftlicher Depression, politischen -Streites und sozialer Unruhen begraben werden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_312" id="Seite_312">[S. 312]</a></span></p> - -<p>Aber einmal kommt der Aufstieg. Und während vielleicht einmal die -Alte Welt zugrunde geht und versinkt, wird eines Tages neben Yankees, -Mongolen und Russen die aus indianischem und europäischem Blut in der -Bildung begriffene südamerikanische Rasse in die Geschichte eintreten. -Von Europa aus nahmen die Schiffe der Konquistadoren ihren Weg, um die -durch uralte Kultur dekadenten Reiche der Azteken und Inkas zu stürzen. -Vielleicht geht einmal die Geschichte den umgekehrten Weg.</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a name="Seite_313" id="Seite_313">[S. 313]</a></span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Register">Register.</h2> - -</div> - -<div class="register"> - -<ul class="index"> -<li class="ifrst"> <b>A</b>dministrator, landwirtschaftlicher, in Bolivien <a href="#Seite_203">203–207</a>. <a href="#Seite_214">214</a>. <a href="#Seite_215">215</a>.</li> - -<li class="indx"> Agrio, Fluß <a href="#Seite_125">125</a>. <a href="#Seite_128">128</a>.</li> - -<li class="indx"> Aimara <a href="#Seite_180">180</a>. <a href="#Seite_186">186</a>. <a href="#Seite_200">200</a>.</li> - -<li class="indx"> Alemann, Dr. Theodor <a href="#Seite_110">110</a>.</li> - -<li class="indx"> Alerce, Nadelbaum <a href="#Seite_150">150</a>.</li> - -<li class="indx"> Alessandri, Arturo, Präsident der Republik Chile <a href="#Seite_143">143</a>. <a href="#Seite_175">175</a>. <a href="#Seite_239">239</a>. <a href="#Seite_240">240</a>.</li> - -<li class="indx"> Alfalfa <a href="#Seite_49">49</a>. <a href="#Seite_59">59</a>. <a href="#Seite_99">99</a>. <a href="#Seite_100">100</a>. <a href="#Seite_118">118</a>. <a href="#Seite_119">119</a>.</li> - -<li class="indx"> Alkohol aus Zuckerrohr <a href="#Seite_202">202</a>. <a href="#Seite_214">214</a>. <a href="#Seite_215">215</a>.</li> - -<li class="indx"> Allerseelen, in Bolivien <a href="#Seite_219">219–223</a>.</li> - -<li class="indx"> Almirante Cordero <a href="#Seite_107">107</a>. <a href="#Seite_108">108</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Altiplano" name="Altiplano"></a>Altiplano <a href="#Seite_184">184</a>. <a href="#Seite_195">195</a>. <a href="#Seite_230">230</a>.</li> - -<li class="indx"> Ancohuma <a href="#Seite_235">235</a>.</li> - -<li class="indx"> Antofagasta, Stadt und Provinz <a href="#Seite_162">162</a>. <a href="#Seite_163">163</a>. <a href="#Seite_164">164</a>. <a href="#Seite_165">165</a>. <a href="#Seite_166">166</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Araukaner" name="Araukaner"></a>Araukaner <a href="#Seite_146">146</a>. <a href="#Seite_153">153</a>. <a href="#Seite_154">154</a>. <a href="#Seite_155">155</a>.</li> - -<li class="indx"> Arbeiter, hörige <a href="#Seite_204">204</a>. <a href="#Seite_205">205</a>.</li> - -<li class="indx"> Arendatario <a href="#Seite_49">49</a>.</li> - -<li class="indx"> „Argentina“, Dampfer <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_285">285</a>.</li> - -<li class="indx"> Argentinien <a href="#Seite_248">248</a>. <a href="#Seite_258">258</a>. <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_291">291</a>;</li> -<li class="isub1">Klima <a href="#Seite_72">72</a>. <a href="#Seite_73">73</a>. <a href="#Seite_74">74</a>. <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_110">110</a>. <a href="#Seite_117">117</a>;</li> -<li class="isub1">Kriegsflotte <a href="#Seite_92">92</a>;</li> -<li class="isub1">Kriegshafen <a href="#Seite_92">92</a>. <a href="#Seite_93">93</a>;</li> -<li class="isub1">Landschaft <a href="#Seite_47">47</a>. <a href="#Seite_67">67</a>. <a href="#Seite_256">256</a>;</li> -<li class="isub1">Pachtverträge <a href="#Seite_48">48</a>. <a href="#Seite_49">49</a>;</li> -<li class="isub1">politische Stellung <a href="#Seite_77">77–79</a>;</li> -<li class="isub1">Siedlungsgebiete <a href="#Seite_47">47</a>. <a href="#Seite_50">50</a>. <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_82">82</a>. <a href="#Seite_83">83</a>.</li> - -<li class="indx"> Argentinisches Tageblatt <a href="#Seite_43">43</a>. <a href="#Seite_76">76</a>.</li> - -<li class="indx"> Arica <a href="#Seite_237">237</a>.</li> - -<li class="indx"> Auswanderer <a href="#Seite_16">16</a> ff. <a href="#Seite_82">82</a>. <a href="#Seite_86">86</a>. <a href="#Seite_293">293</a>. <a href="#Seite_294">294</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>B</b>adeleben, in Montevideo <a href="#Seite_245">245</a>. <a href="#Seite_246">246</a>;</li> -<li class="isub1">in Rio <a href="#Seite_305">305</a>.</li> - -<li class="indx"> Bahia <a href="#Seite_22">22</a>. <a href="#Seite_26">26</a>. <a href="#Seite_27">27</a>.</li> - -<li class="indx"> Bahia Blanca <a href="#Seite_84">84–89</a>. <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx"> Beni, Fluß <a href="#Seite_184">184</a>. <a href="#Seite_211">211</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Bergkrankheit" name="Bergkrankheit"></a>Bergkrankheit <a href="#Seite_231">231</a>.</li> - -<li class="indx"> Bergsteiger, deutsche <a href="#Seite_232">232</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Besitztitel auf Land, in Argentinien <a href="#Seite_50">50</a>. <a href="#Seite_51">51</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_150">150</a>. <a href="#Seite_151">151</a>.</li> - -<li class="indx"> Bewässerung, in Argentinien <a href="#Seite_97">97</a>. <a href="#Seite_98">98</a>. <a href="#Seite_105">105</a>. <a href="#Seite_106">106</a>. <a href="#Seite_107">107–110</a>. <a href="#Seite_119">119</a>. <a href="#Seite_133">133</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_139">139</a>. <a href="#Seite_140">140</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Blancos" name="Blancos"></a>Blancos <a href="#Seite_5">5</a>. <a href="#Seite_189">189</a>. <a href="#Seite_190">190</a>. <a href="#Seite_219">219</a>. <a href="#Seite_227">227</a>. <a href="#Seite_229">229</a>;</li> -<li class="isub1">in Uruguay <a href="#Seite_249">249</a>.</li> - -<li class="indx"> Blumenau <a href="#Seite_261">261</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Blumeninsel" name="Blumeninsel"></a>Blumeninsel, bei Rio <a href="#Seite_297">297</a>. <a href="#Seite_308">308</a>.</li> - -<li class="indx"> Bolivien <a href="#Seite_5">5</a>;</li> -<li class="isub1">Arbeiter <a href="#Seite_185">185</a>. <a href="#Seite_204">204</a>. <a href="#Seite_205">205</a>;</li> -<li class="isub1">Bau des Landes <a href="#Seite_195">195</a>. <a href="#Seite_196">196</a>;</li> -<li class="isub1">Bergwelt <a href="#Seite_230">230</a> ff.;</li> -<li class="isub1">Einwanderung <a href="#Seite_183">183</a>;</li> -<li class="isub1">Freihafen <a href="#Seite_164">164</a>;</li> -<li class="isub1">Geschichte <a href="#Seite_183">183</a>. <a href="#Seite_184">184</a>. <a href="#Seite_185">185</a>;</li> -<li class="isub1">Produkte <a href="#Seite_184">184</a>. <a href="#Seite_185">185</a>. <a href="#Seite_187">187</a>. <a href="#Seite_200">200</a>; s. a. <a href="#Indianer">Indianer</a>.</li> - -<li class="indx"> Bolschewisten <a href="#Seite_239">239</a>. <a href="#Seite_240">240</a>. <a href="#Seite_249">249</a>.</li> - -<li class="indx"> Bombilla <a href="#Seite_129">129</a>.</li> - -<li class="indx"> Borax <a href="#Seite_178">178</a>.</li> - -<li class="indx"> Brasilien <a href="#Seite_23">23</a>. <a href="#Seite_25">25</a>. <a href="#Seite_29">29</a>. <a href="#Seite_248">248</a>. <a href="#Seite_253">253</a>. <a href="#Seite_256">256</a>. <a href="#Seite_258">258</a>. <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_260">260</a>. <a href="#Seite_291">291</a>;</li> -<li class="isub1">Einwanderung <a href="#Seite_270">270</a>. <a href="#Seite_273">273</a>. <a href="#Seite_295">295</a>. <a href="#Seite_296">296</a>;</li> -<li class="isub1">Kaffeebau <a href="#Seite_298">298</a>. <a href="#Seite_301">301</a>;</li> -<li class="isub1">Siedlungsgebiete <a href="#Seite_309">309</a>;</li> -<li class="isub1">Siedlungspolitik <a href="#Seite_264">264</a>. <a href="#Seite_284">284</a>;</li> -<li class="isub1">Süden <a href="#Seite_23">23</a>. <a href="#Seite_260">260</a>. <a href="#Seite_261">261</a>.</li> - -<li class="indx"> Buenos Aires, Stadt <a href="#Seite_31">31</a>. <a href="#Seite_35">35</a>. <a href="#Seite_39">39</a>. <a href="#Seite_85">85</a>. <a href="#Seite_243">243</a>. <a href="#Seite_245">245</a>. <a href="#Seite_247">247</a>. <a href="#Seite_293">293</a>;</li> -<li class="isub1">Provinz <a href="#Seite_41">41</a>. <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_82">82</a>. <a href="#Seite_85">85</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>C</b>abañas <a href="#Seite_56">56</a>.</li> - -<li class="indx"> Cacheuta, Badeort <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx"> Calama <a href="#Seite_177">177</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Caliche" name="Caliche"></a>Caliche, Salpetermineral <a href="#Seite_167">167</a>. <a href="#Seite_169">169</a>. <a href="#Seite_170">170</a>. <a href="#Seite_171">171</a>.</li> - -<li class="indx"> Campamento <a href="#Seite_171">171</a>. <a href="#Seite_173">173</a>.</li> - -<li class="indx"> Caña s. Zuckerrohr.</li> - -<li class="indx"> Casa Rosada. Regierungspalast in Buenos Aires <a href="#Seite_76">76</a>.</li> - -<li class="indx"> Cayunco, Fluß <a href="#Seite_116">116</a>. <a href="#Seite_122">122</a>. <a href="#Seite_125">125</a>.</li> - -<li class="indx"> Cebollar <a href="#Seite_178">178</a>.</li> - -<li class="indx"> Ceiba (Wollbaum) <a href="#Seite_199">199</a>.</li> - -<li class="indx"> Chaco, Gobernacion <a href="#Seite_44">44</a>. <a href="#Seite_50">50</a>. <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_82">82</a>.</li> - -<li class="indx"> Chacra <a href="#Seite_69">69</a>.</li> - -<li class="indx"> Chile, Bedeutung des Salpeters <a href="#Seite_171">171</a>. <a href="#Seite_174">174</a>;</li> -<li class="isub1">Deutsche <a href="#Seite_152">152</a>. <a href="#Seite_163">163</a>. <a href="#Seite_164">164</a>. <a href="#Seite_262">262</a>;</li> -<li class="isub1">Klima <a href="#Seite_139">139</a>;</li> -<li class="isub1">Krieg mit Bolivien und Peru <a href="#Seite_164">164</a>. <a href="#Seite_165">165</a>.</li> - -<li class="indx"> Chiloé, Insel <a href="#Seite_146">146</a>. <a href="#Seite_149">149</a>.</li> - -<li class="indx"> Chirimoya, Frucht <a href="#Seite_188">188</a>.</li> - -<li class="indx"> Choele Choel, Insel und Station <a href="#Seite_96">96</a>. <a href="#Seite_97">97</a>. <a href="#Seite_101">101</a>.</li> - -<li class="indx"> Cholos, Mischlinge <a href="#Seite_186">186</a>. <a href="#Seite_188">188</a>. <a href="#Seite_189">189</a>. <a href="#Seite_207">207</a>. <a href="#Seite_208">208</a>. <a href="#Seite_221">221</a>.</li> - -<li class="indx"> Chubut, Gobernacion <a href="#Seite_45">45</a>. <a href="#Seite_50">50</a>.</li> - -<li class="indx"> Chulumani <a href="#Seite_196">196</a>. <a href="#Seite_203">203</a>.</li> - -<li class="indx"> Coca <a href="#Seite_189">189</a>. <a href="#Seite_192">192</a>. <a href="#Seite_193">193</a>. <a href="#Seite_201">201</a>. <a href="#Seite_202">202</a>. <a href="#Seite_204">204</a>. <a href="#Seite_205">205</a>.</li> - -<li class="indx"> Cocal <a href="#Seite_205">205</a>. <a href="#Seite_206">206</a>.</li> - -<li class="indx"> „Colorado“, in Uruguay <a href="#Seite_248">248</a>. <a href="#Seite_249">249</a>.</li> - -<li class="indx"> Comodore Rivadavia <a href="#Seite_55">55</a>. <a href="#Seite_92">92</a>.</li> - -<li class="indx"> Concepcion <a href="#Seite_140">140</a>. <a href="#Seite_142">142</a>. <a href="#Seite_157">157</a>.</li> - -<li class="indx"> Conway, Sir Martin <a href="#Seite_232">232</a>.</li> - -<li class="indx"> Copacabana <a href="#Seite_224">224</a>. <a href="#Seite_225">225</a>. <a href="#Seite_228">228</a>.</li> - -<li class="indx"> Copihue, chilenische Nationalblume und Hymne <a href="#Seite_153">153</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Coquimbo <a href="#Seite_160">160</a>.</li> - -<li class="indx"> Corcovado, Berg <a href="#Seite_302">302</a>.</li> - -<li class="indx"> Cordoba, Provinz <a href="#Seite_82">82</a>.</li> - -<li class="indx"> Coripata <a href="#Seite_196">196</a>. <a href="#Seite_203">203</a>. <a href="#Seite_206">206</a>. <a href="#Seite_207">207</a>.</li> - -<li class="indx"> Coroico <a href="#Seite_199">199</a>. <a href="#Seite_203">203</a>.</li> - -<li class="indx"> Coronel, Seeschlacht <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx"> Cruz Machado <a href="#Seite_286">286</a>. <a href="#Seite_287">287</a>. <a href="#Seite_288">288</a>. <a href="#Seite_292">292</a>. <a href="#Seite_293">293</a>. <a href="#Seite_294">294</a>. <a href="#Seite_296">296</a>.</li> - -<li class="indx"> Cuenca Vidal, Staubecken <a href="#Seite_96">96</a>. <a href="#Seite_107">107</a>. <a href="#Seite_108">108</a>. <a href="#Seite_109">109</a>.</li> - -<li class="indx"> Cumbre, in Bolivien <a href="#Seite_191">191</a>. <a href="#Seite_195">195</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_136">136</a>. <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>D</b>eutschbrasilianer <a href="#Seite_23">23</a>, s. a. <a href="#Kolonisten">Kolonisten</a>.</li> - -<li class="indx"> Deutschchilenen <a href="#Seite_152">152</a>. <a href="#Seite_262">262</a>.</li> - -<li class="indx"> Deutscher Volksbund in Argentinien <a href="#Seite_45">45</a>.</li> - -<li class="indx"> „Deutschländer“, in Brasilien <a href="#Seite_268">268</a>.</li> - -<li class="indx"> Deutschtum, in Argentinien <a href="#Seite_68">68</a>.</li> - -<li class="indx"> Dienst, Rudolf <a href="#Seite_232">232</a>. <a href="#Seite_234">234</a>.</li> - -<li class="indx"> Drahtzäune, in Argentinien <a href="#Seite_58">58</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>E</b>inwanderung, in Argentinien <a href="#Seite_54">54</a>. <a href="#Seite_110">110</a>;</li> -<li class="isub1">Aussichten <a href="#Seite_43">43</a>. <a href="#Seite_44">44</a>. <a href="#Seite_45">45</a>. <a href="#Seite_46">46</a>. <a href="#Seite_49">49</a>. <a href="#Seite_52">52</a>;</li> -<li class="isub1">Bestimmungen <a href="#Seite_40">40–42</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_282">282</a>. <a href="#Seite_283">283</a>.</li> - -<li class="indx"> Engländer, in Argentinien <a href="#Seite_89">89</a>. <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx"> Ensenada <a href="#Seite_60">60</a>. <a href="#Seite_61">61</a>. <a href="#Seite_62">62</a>.</li> - -<li class="indx"> Entre Rios, Provinz <a href="#Seite_82">82</a>. <a href="#Seite_83">83</a>.</li> - -<li class="indx"> Esperanza <a href="#Seite_67">67</a>.</li> - -<li class="indx"> Estancia <a href="#Seite_47">47</a>. <a href="#Seite_48">48</a>. <a href="#Seite_55">55</a>. <a href="#Seite_56">56</a>. <a href="#Seite_57">57</a>. <a href="#Seite_60">60</a>. <a href="#Seite_203">203</a>. <a href="#Seite_204">204</a>.</li> - -<li class="indx"> Estanciero <a href="#Seite_48">48</a>. <a href="#Seite_49">49</a>. <a href="#Seite_59">59</a>. <a href="#Seite_60">60</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>F</b>alklandinseln, Seeschlacht <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx"> Fichas <a href="#Seite_174">174</a>.</li> - -<li class="indx"> Fieber, in Brasilien <a href="#Seite_285">285</a>. <a href="#Seite_286">286</a>. <a href="#Seite_297">297</a>. <a href="#Seite_306">306</a>.</li> - -<li class="indx"> Finca, in Bolivien <a href="#Seite_203">203</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Formosa, Gobernacion <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_82">82</a>.</li> - -<li class="indx"> Franzosen, in Argentinien <a href="#Seite_94">94</a>.</li> - -<li class="indx"> Frigorificos, Kühlhäuser <a href="#Seite_56">56</a>. <a href="#Seite_88">88</a>. <a href="#Seite_247">247</a>. <a href="#Seite_250">250</a>.</li> - -<li class="indx"> Frontera <a href="#Seite_145">145</a>. <a href="#Seite_148">148</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>G</b>astfreundschaft, in Argentinien <a href="#Seite_102">102</a>. <a href="#Seite_103">103</a>;</li> -<li class="isub1">in Bolivien <a href="#Seite_207">207–211</a>.</li> - -<li class="indx"> Gaucho <a href="#Seite_48">48</a>. <a href="#Seite_55">55</a>. <a href="#Seite_61">61</a>. <a href="#Seite_259">259</a>.</li> - -<li class="indx"> Gaucholand <a href="#Seite_258">258</a>. <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_260">260</a>.</li> - -<li class="indx"> General Roca, Stadt <a href="#Seite_107">107</a>. <a href="#Seite_109">109</a>.</li> - -<li class="indx"> Getreide, in Argentinien <a href="#Seite_54">54</a>. <a href="#Seite_69">69</a>. <a href="#Seite_87">87</a>. <a href="#Seite_88">88</a>. <a href="#Seite_99">99</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_272">272</a>.</li> - -<li class="indx"> Grundbesitz, in Argentinien <a href="#Seite_47">47</a>. <a href="#Seite_48">48</a>. <a href="#Seite_49">49</a>. <a href="#Seite_69">69</a>. <a href="#Seite_70">70</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_140">140</a>. <a href="#Seite_150">150</a>. <a href="#Seite_151">151</a>.</li> - -<li class="indx"> Guanaco <a href="#Seite_127">127</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>H</b>acienda <a href="#Seite_203">203</a>.</li> - -<li class="indx"> Hacker, Kompanie, Kolonisationsgesellschaft <a href="#Seite_282">282</a>. <a href="#Seite_284">284</a>. <a href="#Seite_286">286</a>.</li> - -<li class="indx"> Hanseatische Kolonisationsgesellschaft <a href="#Seite_285">285</a>.</li> - -<li class="indx"> Heuschrecken <a href="#Seite_67">67</a>. <a href="#Seite_69">69</a>. <a href="#Seite_71">71</a>.</li> - -<li class="indx"> Hirsch, Baron, Kolonisationsgesellschaft <a href="#Seite_51">51</a>.</li> - -<li class="indx"> Hochland, bolivianisches (s. <a href="#Altiplano">Altiplano</a>, <a href="#Puna">Puna</a>);</li> -<li class="isub1">patagonisches <a href="#Seite_106">106</a>. <a href="#Seite_108">108</a>. <a href="#Seite_125">125–128</a>;</li> -<li class="isub1">Paulistaner <a href="#Seite_297">297</a>.</li> - -<li class="indx"> Huaina Potosi, Besteigung <a href="#Seite_232">232</a>. <a href="#Seite_234">234</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>I</b>guassu, Fluß <a href="#Seite_286">286</a>. <a href="#Seite_288">288</a>. <a href="#Seite_289">289</a>;</li> -<li class="isub1">Wasserfälle <a href="#Seite_55">55</a>. <a href="#Seite_290">290</a>;</li> -<li class="isub1">Ausnutzung <a href="#Seite_290">290</a>. <a href="#Seite_291">291</a>.</li> - -<li class="indx"> Ilha das Flores s. <a href="#Blumeninsel">Blumeninsel</a>.</li> - -<li class="indx"> Illampu, Besteigung <a href="#Seite_232">232</a>. <a href="#Seite_234">234</a>. <a href="#Seite_235">235</a>.</li> - -<li class="indx"> Illimani, Besteigung <a href="#Seite_232">232</a>. <a href="#Seite_233">233</a>.</li> - -<li class="indx"> Immigração, Behörde <a href="#Seite_270">270</a>. <a href="#Seite_296">296</a>. <a href="#Seite_299">299</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Indianer" name="Indianer"></a>Indianer <a href="#Seite_5">5</a>;</li> -<li class="isub1">in Bolivien <a href="#Seite_185">185</a>. <a href="#Seite_186">186</a>. <a href="#Seite_189">189</a>. <a href="#Seite_190">190</a>. <a href="#Seite_200">200</a>. <a href="#Seite_201">201</a>. <a href="#Seite_204">204</a>. <a href="#Seite_207">207</a>. <a href="#Seite_219">219</a>. <a href="#Seite_220">220</a>. <a href="#Seite_221">221</a>. -<a href="#Seite_227">227</a>. <a href="#Seite_229">229</a>;</li> - -<li class="isub1">Gespensterfurcht <a href="#Seite_233">233</a>;</li> -<li class="isub1">Musik <a href="#Seite_223">223</a>;</li> -<li class="isub1">Tanz <a href="#Seite_222">222</a>. <a href="#Seite_223">223</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile s. <a href="#Araukaner">Araukaner</a>.</li> - -<li class="indx"> Indianermission, in Chile <a href="#Seite_155">155</a>. <a href="#Seite_156">156</a>.</li> - -<li class="indx"> Ingeniero White <a href="#Seite_89">89</a>. <a href="#Seite_90">90</a>.</li> - -<li class="indx"> Inkas <a href="#Seite_224">224</a>. <a href="#Seite_312">312</a>.</li> - -<li class="indx"> Inkasee <a href="#Seite_137">137</a>.</li> - -<li class="indx"> Irigoyen, Präsident der Argentinischen Republik <a href="#Seite_76">76</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Irupana <a href="#Seite_207">207</a>. <a href="#Seite_211">211</a>.</li> - -<li class="indx"> Italiener, in Argentinien <a href="#Seite_59">59</a>. <a href="#Seite_67">67</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien, s. <a href="#Kolonisten">Kolonisten</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>J</b>oinville <a href="#Seite_261">261</a>.</li> - -<li class="indx"> Jungfrau, die heilige, vom See <a href="#Seite_224">224</a>. <a href="#Seite_225">225</a>. <a href="#Seite_226">226</a>. <a href="#Seite_228">228</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>K</b>affeebau, in Brasilien <a href="#Seite_298">298</a>. <a href="#Seite_299">299</a>. <a href="#Seite_300">300</a>.</li> - -<li class="indx"> Kaffeefazendas <a href="#Seite_296">296</a>. <a href="#Seite_297">297</a> ff. <a href="#Seite_300">300</a>. <a href="#Seite_301">301</a>;</li> -<li class="isub1">Arbeiter <a href="#Seite_299">299</a>. <a href="#Seite_300">300</a>.</li> - -<li class="indx"> Kakteen <a href="#Seite_35">35</a>. <a href="#Seite_137">137</a>. <a href="#Seite_212">212</a>.</li> - -<li class="indx"> Kampstadt, in Patagonien <a href="#Seite_113">113</a>. <a href="#Seite_114">114</a>.</li> - -<li class="indx"> Kapuziner, bayerische <a href="#Seite_155">155</a>. <a href="#Seite_156">156</a>.</li> - -<li class="indx"> Kartoffeln <a href="#Seite_149">149</a>;</li> -<li class="isub1">in Bolivien <a href="#Seite_187">187</a>.</li> - -<li class="indx"> Kinderreichtum, der Kolonisten <a href="#Seite_268">268</a>. <a href="#Seite_269">269</a>. <a href="#Seite_275">275</a>.</li> - -<li class="indx"> Kleinbetriebe, gewerbliche <a href="#Seite_276">276</a>. <a href="#Seite_277">277</a>.</li> - -<li class="indx"> Kohlen, in Chile <a href="#Seite_140">140</a>. <a href="#Seite_142">142</a>. <a href="#Seite_152">152</a>.</li> - -<li class="indx"> Kolonie, Anfänge einer, in Argentinien <a href="#Seite_98">98</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_273">273–276</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_146">146–148</a>. <a href="#Seite_149">149</a>.</li> - -<li class="indx"> Kolonien, deutsche, in Argentinien <a href="#Seite_67">67</a> ff. <a href="#Seite_98">98</a>. <a href="#Seite_99">99</a>. <a href="#Seite_100">100</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_265">265</a>. <a href="#Seite_266">266</a>. <a href="#Seite_267">267</a>. <a href="#Seite_268">268</a>. <a href="#Seite_270">270</a>. <a href="#Seite_271">271</a>. <a href="#Seite_272">272</a>. <a href="#Seite_290">290</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_145">145</a> ff. <a href="#Seite_149">149</a>;</li> -<li class="isub1">in Patagonien <a href="#Seite_122">122–125</a>.</li> - -<li class="indx"> Kolonisationsgebiete, in Argentinien <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_82">82</a>. <a href="#Seite_83">83</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_271">271</a> ff. <a href="#Seite_309">309</a>.</li> - -<li class="indx"> Kolonisationsgesellschaften, in Argentinien <a href="#Seite_51">51</a>. <a href="#Seite_52">52</a>. <a href="#Seite_53">53</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_282">282</a>. <a href="#Seite_283">283</a>. <a href="#Seite_284">284</a>. <a href="#Seite_285">285</a>. <a href="#Seite_290">290</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Kolonisten" name="Kolonisten"></a>Kolonisten, deutsche, in Brasilien <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_260">260</a>. <a href="#Seite_261">261</a>. <a href="#Seite_262">262</a>. <a href="#Seite_263">263</a>;</li> -<li class="isub1">italienische, in Brasilien <a href="#Seite_265">265</a>. <a href="#Seite_270">270</a>. <a href="#Seite_272">272</a>. <a href="#Seite_285">285</a>.</li> - -<li class="indx"> Koniferen, brasilianische <a href="#Seite_282">282</a>.</li> - -<li class="indx"> Kordillere <a href="#Seite_128">128</a>. <a href="#Seite_133">133</a>. <a href="#Seite_141">141</a>. <a href="#Seite_148">148</a>. <a href="#Seite_179">179</a>. <a href="#Seite_184">184</a>. <a href="#Seite_191">191</a>. <a href="#Seite_195">195</a>;</li> -<li class="isub1">Fahrt über <a href="#Seite_134">134–137</a>.</li> - -<li class="indx"> Küstenkordillere, in Chile <a href="#Seite_148">148</a>. <a href="#Seite_158">158</a>. <a href="#Seite_159">159</a>. <a href="#Seite_177">177</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>L</b>amas <a href="#Seite_184">184</a>. <a href="#Seite_187">187</a>. <a href="#Seite_188">188</a>. <a href="#Seite_189">189</a>. <a href="#Seite_195">195</a>.</li> - -<li class="indx"> Landeinteilung, in Argentinien <a href="#Seite_106">106</a>.</li> - -<li class="indx"> Landpreise, in Argentinien <a href="#Seite_70">70</a>. <a href="#Seite_83">83</a>. <a href="#Seite_100">100</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_284">284</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_150">150</a>.</li> - -<li class="indx"> Landwirtschaft in Argentinien <a href="#Seite_54">54</a>. <a href="#Seite_59">59</a>. <a href="#Seite_60">60</a>. <a href="#Seite_69">69</a>. <a href="#Seite_70">70</a>. <a href="#Seite_105">105</a> ff.;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_272">272</a>. <a href="#Seite_278">278</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_139">139</a>.</li> - -<li class="indx"> La Paz <a href="#Seite_6">6</a>. <a href="#Seite_183">183</a>. <a href="#Seite_191">191</a>. <a href="#Seite_192">192</a>. <a href="#Seite_195">195</a>. <a href="#Seite_232">232</a>;</li> -<li class="isub1">Friedhof <a href="#Seite_221">221</a>;</li> -<li class="isub1">Markt <a href="#Seite_186">186–190</a>. <a href="#Seite_219">219</a>. <a href="#Seite_220">220</a>.</li> - -<li class="indx"> La Plata, Provinzhauptstadt <a href="#Seite_85">85</a>.</li> - -<li class="indx"> La-Plata-Strom <a href="#Seite_30">30</a>. <a href="#Seite_35">35</a>. <a href="#Seite_245">245</a>. <a href="#Seite_293">293</a>.</li> - -<li class="indx"> Las Casas <a href="#Seite_154">154</a>. <a href="#Seite_155">155</a>.</li> - -<li class="indx"> Lasso <a href="#Seite_61">61</a>.</li> - -<li class="indx"> Limay, Fluß <a href="#Seite_107">107</a>.</li> - -<li class="indx"> „Linien“ <a href="#Seite_271">271</a>.</li> - -<li class="indx"> Llanquihue, Provinz und See <a href="#Seite_145">145</a>. <a href="#Seite_146">146</a>. <a href="#Seite_149">149</a>. <a href="#Seite_152">152</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>M</b>ais <a href="#Seite_272">272</a>. <a href="#Seite_274">274</a>. <a href="#Seite_283">283</a>.</li> - -<li class="indx"> Malqui <a href="#Seite_219">219</a>.</li> - -<li class="indx"> Mamoré, Fluß <a href="#Seite_184">184</a>.</li> - -<li class="indx"> Mapuche <a href="#Seite_155">155</a>.</li> - -<li class="indx"> Mar del Plata <a href="#Seite_80">80</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Mate" name="Mate"></a>Mate <a href="#Seite_129">129</a>. <a href="#Seite_272">272</a>.</li> - -<li class="indx"> Matto Grosso <a href="#Seite_258">258</a>. <a href="#Seite_285">285</a>. <a href="#Seite_309">309</a>.</li> - -<li class="indx"> „Maximalisten“ <a href="#Seite_145">145</a>.</li> - -<li class="indx"> Mazamorra <a href="#Seite_218">218</a>. <a href="#Seite_236">236</a>. <a href="#Seite_240">240</a>.</li> - -<li class="indx"> Medianero <a href="#Seite_48">48</a>. <a href="#Seite_49">49</a>.</li> - -<li class="indx"> Mendoza, Stadt <a href="#Seite_133">133</a>;</li> -<li class="isub1">Fluß <a href="#Seite_134">134</a>.</li> - -<li class="indx"> Minas Geraes <a href="#Seite_298">298</a>. <a href="#Seite_309">309</a>.</li> - -<li class="indx"> Misiones, Gobernacion <a href="#Seite_45">45</a>. <a href="#Seite_50">50</a>. <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_82">82</a>. <a href="#Seite_269">269</a>.</li> - -<li class="indx"> Mondmutter <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - -<li class="indx"> Montevideo <a href="#Seite_30">30</a>. <a href="#Seite_245">245</a>. <a href="#Seite_247">247</a>;</li> -<li class="isub1">Karneval <a href="#Seite_243">243</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Morro, bei Arica <a href="#Seite_237">237</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>N</b>ahuel-Huapi-See <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx"> Neger, in Bolivien <a href="#Seite_212">212</a>. <a href="#Seite_213">213</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_253">253</a>. <a href="#Seite_254">254</a>. <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_260">260</a>. <a href="#Seite_266">266</a>.</li> - -<li class="indx"> Neuquen, Fluß und Gobernacion <a href="#Seite_50">50</a>. <a href="#Seite_80">80</a>. <a href="#Seite_95">95</a>. <a href="#Seite_107">107</a>. <a href="#Seite_111">111</a>. <a href="#Seite_112">112</a>. <a href="#Seite_116">116</a>. <a href="#Seite_117">117</a>. -<a href="#Seite_121">121</a>. <a href="#Seite_125">125</a>;</li> - -<li class="isub1"> Petroleumquellen <a href="#Seite_92">92</a>.</li> - -<li class="indx"> Nordamerikaner, in Chile <a href="#Seite_152">152</a>. <a href="#Seite_161">161</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>O</b>berstetter, Komponist <a href="#Seite_156">156</a>.</li> - -<li class="indx"> Obst, in Bolivien <a href="#Seite_188">188</a>. <a href="#Seite_192">192</a>. <a href="#Seite_199">199</a>. <a href="#Seite_219">219</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_23">23</a>. <a href="#Seite_24">24</a>. <a href="#Seite_26">26</a>. <a href="#Seite_272">272</a>. <a href="#Seite_278">278</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_138">138</a>. <a href="#Seite_139">139</a>. <a href="#Seite_160">160</a>.</li> - -<li class="indx"> Obstbau, in Argentinien <a href="#Seite_67">67</a>. <a href="#Seite_70">70</a>. <a href="#Seite_88">88</a>. <a href="#Seite_95">95</a>. <a href="#Seite_99">99</a>. <a href="#Seite_100">100</a>. <a href="#Seite_109">109</a>. <a href="#Seite_117">117</a>. <a href="#Seite_118">118</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Oficina" name="Oficina"></a>Oficina (Salpeterwerk) <a href="#Seite_161">161</a>. <a href="#Seite_165">165</a>. <a href="#Seite_167">167</a>. <a href="#Seite_168">168</a>. <a href="#Seite_169">169</a>. <a href="#Seite_170">170</a>. <a href="#Seite_171">171</a>. <a href="#Seite_172">172</a>. <a href="#Seite_173">173</a>. -<a href="#Seite_174">174</a>;</li> -<li class="isub1">Arbeitsverhältnis <a href="#Seite_173">173–175</a>.</li> - -<li class="indx"> Ollague, Vulkan und Ort <a href="#Seite_180">180</a>. <a href="#Seite_231">231</a>.</li> - -<li class="indx"> Oruro <a href="#Seite_187">187</a>. <a href="#Seite_192">192</a>.</li> - -<li class="indx"> Osterinsel <a href="#Seite_179">179</a>.</li> - -<li class="indx"> Overlack, Eduard <a href="#Seite_232">232</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>P</b>alta, Frucht <a href="#Seite_138">138</a>. <a href="#Seite_219">219</a>.</li> - -<li class="indx"> Pampa <a href="#Seite_44">44</a>. <a href="#Seite_73">73</a>. <a href="#Seite_82">82</a>. <a href="#Seite_248">248</a>. <a href="#Seite_258">258</a>. <a href="#Seite_260">260</a>. <a href="#Seite_264">264</a>;</li> -<li class="isub1">in Argentinien <a href="#Seite_166">166</a>;</li> -<li class="isub1">chilenische <a href="#Seite_166">166</a>.</li> - -<li class="indx"> Pampa Salitrera <a href="#Seite_164">164</a>. <a href="#Seite_165">165</a> ff. <a href="#Seite_173">173</a>.</li> - -<li class="indx"> Pampinos <a href="#Seite_172">172</a>. <a href="#Seite_173">173</a>.</li> - -<li class="indx"> Pão d’Assucar s. <a href="#Zuckerhut">Zuckerhut</a>.</li> - -<li class="indx"> Pappeln <a href="#Seite_106">106</a>. <a href="#Seite_107">107</a>. <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - -<li class="indx"> Paraguay <a href="#Seite_32">32</a>. <a href="#Seite_50">50</a>. <a href="#Seite_51">51</a>. <a href="#Seite_74">74</a>. <a href="#Seite_75">75</a>.</li> - -<li class="indx"> Paraguaytee, s. <a href="#Mate">Mate</a>.</li> - -<li class="indx"> Paraná, Fluß, Stadt, Staat <a href="#Seite_73">73</a>. <a href="#Seite_74">74</a>. <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_284">284</a>. <a href="#Seite_285">285</a>.</li> - -<li class="indx"> Patagonien <a href="#Seite_44">44</a>. <a href="#Seite_80">80</a>. <a href="#Seite_81">81</a>. <a href="#Seite_112">112</a>.</li> - -<li class="indx"> Pernambuco <a href="#Seite_21">21</a>.</li> - -<li class="indx"> Petri-Meier, Kompanie, Kolonisationsgesellschaft <a href="#Seite_285">285</a>.</li> - -<li class="indx"> Petroleumquellen, in Argentinien <a href="#Seite_55">55</a>. <a href="#Seite_92">92</a>.</li> - -<li class="indx"> Petropolis <a href="#Seite_306">306</a>.</li> - -<li class="indx"> Pfirsich <a href="#Seite_70">70</a>. <a href="#Seite_71">71</a>. <a href="#Seite_83">83</a>. <a href="#Seite_118">118</a>. <a href="#Seite_272">272</a>. <a href="#Seite_278">278</a>.</li> - -<li class="indx"> Pocitos, Badeort <a href="#Seite_245">245</a>. <a href="#Seite_246">246</a>.</li> - -<li class="indx"> Porto Alegre <a href="#Seite_261">261</a>. <a href="#Seite_263">263</a>.</li> - -<li class="indx"> Porto Almede <a href="#Seite_288">288</a>. <a href="#Seite_290">290</a>. <a href="#Seite_291">291</a>.</li> - -<li class="indx"> Porto da União <a href="#Seite_287">287</a>. <a href="#Seite_290">290</a>. <a href="#Seite_291">291</a>. <a href="#Seite_292">292</a>.</li> - -<li class="indx"> Posada, in Bolivien <a href="#Seite_192">192</a>. <a href="#Seite_194">194</a>. <a href="#Seite_208">208</a>.</li> - -<li class="indx"> Potrero <a href="#Seite_56">56</a>. <a href="#Seite_58">58</a>.</li> - -<li class="indx"> Puerto Galvan <a href="#Seite_89">89</a>. <a href="#Seite_90">90</a>.</li> - -<li class="indx"> Puerto Militar <a href="#Seite_90">90</a>. <a href="#Seite_91">91</a>. <a href="#Seite_92">92</a>. <a href="#Seite_93">93</a>.</li> - -<li class="indx"> Puerto Montt <a href="#Seite_146">146</a>. <a href="#Seite_148">148</a>. <a href="#Seite_152">152</a>. <a href="#Seite_177">177</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Puna" name="Puna"></a>Puna <a href="#Seite_222">222</a>. <a href="#Seite_227">227</a>. <a href="#Seite_228">228</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>R</b>amires <a href="#Seite_246">246</a>.</li> - -<li class="indx"> Ramon M. Castro, Station <a href="#Seite_112">112</a>. <a href="#Seite_113">113</a>. <a href="#Seite_114">114</a>.</li> - -<li class="indx"> Regierungsland, in Argentinien <a href="#Seite_47">47</a>. <a href="#Seite_50">50</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_284">284</a>. <a href="#Seite_286">286</a>. <a href="#Seite_287">287</a>. <a href="#Seite_293">293</a> ff.</li> - -<li class="indx"> Reichswanderungsamt <a href="#Seite_287">287</a>.</li> - -<li class="indx"> Rio Colorado <a href="#Seite_95">95</a>.</li> - -<li class="indx"> Rio de Janeiro, Bai und Stadt <a href="#Seite_23">23</a>. <a href="#Seite_27">27</a>. <a href="#Seite_247">247</a>. <a href="#Seite_293">293</a>. <a href="#Seite_297">297</a>. <a href="#Seite_302">302</a> ff. <a href="#Seite_305">305</a>;</li> -<li class="isub1">Einwandererhotel <a href="#Seite_308">308</a> f.;</li> -<li class="isub1">gesundheitliche Verhältnisse <a href="#Seite_306">306</a>;</li> -<li class="isub1">Umbau <a href="#Seite_305">305</a>. <a href="#Seite_307">307</a>.</li> - -<li class="indx"> Rio de La Paz <a href="#Seite_211">211</a>. <a href="#Seite_216">216</a>.</li> - -<li class="indx"> Rio do Peixe <a href="#Seite_281">281</a>.</li> - -<li class="indx"> Rio Grande do Sul <a href="#Seite_258">258</a>. <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_270">270</a>. <a href="#Seite_274">274</a>. <a href="#Seite_284">284</a>. <a href="#Seite_297">297</a>.</li> - -<li class="indx"> Rio Negro, Fluß und Gobernacion <a href="#Seite_50">50</a>. <a href="#Seite_80">80</a>. <a href="#Seite_81">81</a>. <a href="#Seite_95">95</a>. <a href="#Seite_96">96</a>. <a href="#Seite_107">107</a>. <a href="#Seite_108">108</a>. <a href="#Seite_111">111</a>.</li> - -<li class="indx"> Rio Pelotas <a href="#Seite_281">281</a>. <a href="#Seite_282">282</a>.</li> - -<li class="indx"> Rio Uruguay <a href="#Seite_270">270</a>. <a href="#Seite_281">281</a>.</li> - -<li class="indx"> Rivera <a href="#Seite_247">247</a>. <a href="#Seite_250">250</a>.</li> - -<li class="indx"> Roce <a href="#Seite_273">273</a>. <a href="#Seite_274">274</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>S</b>alesianermönche <a href="#Seite_101">101</a>. <a href="#Seite_102">102</a>.</li> - -<li class="indx"> Salpeter <a href="#Seite_126">126</a>. <a href="#Seite_157">157</a>. <a href="#Seite_177">177</a>;</li> -<li class="isub1">Fabriken s. <a href="#Oficina">Oficina</a>;</li> -<li class="isub1">künstlicher <a href="#Seite_172">172</a>;</li> -<li class="isub1">Lager s. <a href="#Caliche">Caliche</a>.</li> - -<li class="indx"> Salto del Soldado, Wasserfall <a href="#Seite_140">140</a>.</li> - -<li class="indx"> San Geronimo, Kolonie <a href="#Seite_67">67</a>. <a href="#Seite_68">68</a>. <a href="#Seite_69">69</a>.</li> - -<li class="indx"> St. Pauls Rock <a href="#Seite_15">15</a>. <a href="#Seite_16">16</a>.</li> - -<li class="indx"> Santa Anna do Livramento <a href="#Seite_253">253</a>.</li> - -<li class="indx"> Santa Catharina <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_281">281</a>. <a href="#Seite_285">285</a>.</li> - -<li class="indx"> Santa Cruz, Gobernacion <a href="#Seite_50">50</a>.</li> - -<li class="indx"> Santa Fé, Stadt und Provinz <a href="#Seite_44">44</a>. <a href="#Seite_72">72</a>. <a href="#Seite_73">73</a>. <a href="#Seite_75">75</a>. <a href="#Seite_82">82</a>. <a href="#Seite_117">117</a>.</li> - -<li class="indx"> Santiago (Chile) <a href="#Seite_138">138</a>. <a href="#Seite_140">140</a>. <a href="#Seite_141">141</a>. <a href="#Seite_142">142</a>.</li> - -<li class="indx"> Santo Angelo <a href="#Seite_269">269</a>. <a href="#Seite_271">271</a>.</li> - -<li class="indx"> Santos <a href="#Seite_23">23</a>. <a href="#Seite_27">27</a>. <a href="#Seite_297">297</a>. <a href="#Seite_298">298</a>.</li> - -<li class="indx"> São Paulo, Stadt und Staat <a href="#Seite_285">285</a>. <a href="#Seite_297">297</a>. <a href="#Seite_298">298</a>. <a href="#Seite_299">299</a>.</li> - -<li class="indx"> Schulen, deutsche, in Argentinien <a href="#Seite_68">68</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_264">264</a>. <a href="#Seite_265">265</a>.</li> - -<li class="indx"> Schulz, Adolf <a href="#Seite_232">232</a>. <a href="#Seite_234">234</a>.</li> - -<li class="indx"> „Seydlitz“, Dampfer <a href="#Seite_90">90–94</a>.</li> - -<li class="indx"> Sisalagave <a href="#Seite_213">213</a>.</li> - -<li class="indx"> Slawen <a href="#Seite_163">163</a>. <a href="#Seite_164">164</a>.</li> - -<li class="indx"> Sonneninsel <a href="#Seite_224">224</a>.</li> - -<li class="indx"> Sonnentor <a href="#Seite_11">11</a>.</li> - -<li class="indx"> Soroche s. <a href="#Bergkrankheit">Bergkrankheit</a>.</li> - -<li class="indx"> Spee, Graf <a href="#Seite_91">91</a>.</li> - -<li class="indx"> Südamerika, Reichtum <a href="#Seite_311">311</a>;</li> -<li class="isub1">Urgeschichte <a href="#Seite_177">177</a>. <a href="#Seite_179">179</a>. <a href="#Seite_180">180</a>. <a href="#Seite_224">224</a>;</li> -<li class="isub1">Zukunft <a href="#Seite_3">3–6</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>T</b>abak <a href="#Seite_118">118</a>. <a href="#Seite_272">272</a>. <a href="#Seite_279">279</a>.</li> - -<li class="indx"> Tacna, Provinz <a href="#Seite_165">165</a>. <a href="#Seite_236">236</a>.</li> - -<li class="indx"> Taltal <a href="#Seite_160">160</a>. <a href="#Seite_161">161</a>.</li> - -<li class="indx"> Tarapaca, Provinz <a href="#Seite_165">165</a>.</li> - -<li class="indx"> Tiahuanacu <a href="#Seite_6">6</a>. <a href="#Seite_11">11</a>. <a href="#Seite_224">224</a>.</li> - -<li class="indx"> Tirata <a href="#Seite_219">219</a>.</li> - -<li class="indx"> Titicacasee <a href="#Seite_224">224</a>.</li> - -<li class="indx"> Transandine Bahn <a href="#Seite_133">133–137</a>.</li> - -<li class="indx"> Tschudi, Jakob von <a href="#Seite_226">226</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>U</b>ruguay <a href="#Seite_245">245</a>. <a href="#Seite_247">247</a>. <a href="#Seite_248">248</a>. <a href="#Seite_255">255</a>. <a href="#Seite_258">258</a>.</li> - -<li class="indx"> Uspallatapaß <a href="#Seite_133">133</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>V</b>aldivia, Stadt und Provinz <a href="#Seite_145">145</a>. <a href="#Seite_146">146</a>. <a href="#Seite_152">152</a>.</li> - -<li class="indx"> Valparaiso <a href="#Seite_138">138</a>. <a href="#Seite_158">158</a>.</li> - -<li class="indx"> Vereinigte Staaten von Brasilien <a href="#Seite_259">259</a>. <a href="#Seite_260">260</a>.</li> - -<li class="indx"> Viehzucht, in Argentinien <a href="#Seite_48">48</a>. <a href="#Seite_54">54</a>. <a href="#Seite_55">55</a>. <a href="#Seite_56">56</a>. <a href="#Seite_57">57</a>. <a href="#Seite_58">58</a>. <a href="#Seite_59">59</a>. <a href="#Seite_69">69</a>. <a href="#Seite_71">71</a>;</li> -<li class="isub1">Zeichnen der Tiere <a href="#Seite_64">64</a>;</li> -<li class="isub1">in Uruguay <a href="#Seite_247">247</a>. <a href="#Seite_248">248</a>.</li> - -<li class="indx"> Viña del Mar <a href="#Seite_158">158</a>.</li> - -<li class="indx"> Vulkane, in Chile <a href="#Seite_176">176</a>. <a href="#Seite_177">177</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>W</b>ald, in Argentinien <a href="#Seite_57">57</a>;</li> -<li class="isub1">in Bolivien <a href="#Seite_198">198</a>. <a href="#Seite_201">201</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_273">273</a>. <a href="#Seite_274">274</a>. <a href="#Seite_282">282</a>. <a href="#Seite_299">299</a>;</li> -<li class="isub1">in Chile <a href="#Seite_146">146</a>. <a href="#Seite_150">150</a>. <a href="#Seite_152">152</a>. <a href="#Seite_153">153</a>.</li> - -<li class="indx"> Weinbau, in Argentinien <a href="#Seite_101">101</a>. <a href="#Seite_102">102</a>. <a href="#Seite_117">117</a>. <a href="#Seite_118">118</a>;</li> -<li class="isub1">in Brasilien <a href="#Seite_272">272</a>.</li> - -<li class="indx"> Weiße s. <a href="#Blancos">Blancos</a>.</li> - -<li class="indx"> Wolle <a href="#Seite_88">88</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>Y</b>erba s. <a href="#Mate">Mate</a>.</li> - -<li class="indx"> Yungas <a href="#Seite_186">186</a>. <a href="#Seite_187">187</a>. <a href="#Seite_192">192</a>. <a href="#Seite_193">193</a>. <a href="#Seite_195">195</a>. <a href="#Seite_197">197</a>. <a href="#Seite_198">198</a>. <a href="#Seite_201">201</a>. <a href="#Seite_202">202</a>. <a href="#Seite_203">203</a>. <a href="#Seite_213">213</a>;</li> -<li class="isub1">Produkte <a href="#Seite_200">200</a>.</li> - - -<li class="ifrst"> <b>Z</b>apala <a href="#Seite_80">80</a>. <a href="#Seite_112">112</a>.</li> - -<li class="indx"> <a id="Zuckerhut" name="Zuckerhut"></a>„Zuckerhut“, Berg bei Rio <a href="#Seite_302">302</a>. <a href="#Seite_303">303</a>. <a href="#Seite_307">307</a>.</li> - -<li class="indx"> Zuckerrohr <a href="#Seite_200">200</a>. <a href="#Seite_202">202</a>. <a href="#Seite_213">213</a>. <a href="#Seite_214">214</a>. <a href="#Seite_215">215</a>.</li> -</ul> - -</div> - -<p class="s5 center mtop3"><span class="btd"> Druck von F. A. Brockhaus, -Leipzig. </span></p> - -<div class="figcenter break-before"> - <a id="p319_karte" name="p319_karte"> - <img class="mtop3" src="images/p319_karte.jpg" - alt="Sonderkarte zu Colin Ross, Südamerika" /></a> - <p class="s6 center mbot2 ebhide"><a href="images/p319_karte_gross.jpg">❏<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter showebook"> - <a id="p319_karte_a" name="p319_karte_a"> - <img class="mtop1" src="images/p319_karte_a.jpg" alt="" /></a> - <p class="s5 center no-break-before">[Kartenausschnitt, linker Teil]</p> -</div> - -<div class="figcenter showebook"> - <a id="p319_karte_b" name="p319_karte_b"> - <img class="mtop1" src="images/p319_karte_b.jpg" alt="" /></a> - <p class="s5 center no-break-before">[Kartenausschnitt, rechter Teil]</p> -</div> - -<div class="reklame"> - -<hr class="rekl_oben" /> - -<p class="s1 center"><span class="bb"><b>Reisen und Abenteuer</b></span></p> - -<div class="centre-container"> - <div class="centre"> -<div class="csstab"> - <div class="cssrow"> - <div class="csscell"> - <div class="figcenter"> - <a id="reisen_abenteuer1" name="reisen_abenteuer1"> - <img class="mtop1 h10em mright1" src="images/reisen_abenteuer.jpg" - alt="Reisen und Abenteuer" /></a> - </div> - </div> - <div class="csscell vam"> - <div class="center s3"> - Illustrierte<br /> - Volks- und Jugendbücher<br /> - berühmter Weltreisenden<br /> - und Entdecker. - </div> - </div> - <div class="csscell"> - <div class="figcenter"> - <a id="reisen_abenteuer2" name="reisen_abenteuer2"> - <img class="mtop1 h10em mleft1" src="images/reisen_abenteuer.jpg" - alt="Reisen und Abenteuer" /></a> - </div> - </div> - </div> -</div> - </div> -</div> - -<p class="center">Jeder Band in sich abgeschlossen und -einzeln käuflich.</p> - -<p><em class="gesperrt">Bisher erschienen:</em></p> - -<table summary="Abenteuerbände"> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">1.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Sven Hedin,</span> Abenteuer in Tibet. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">2.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Sven Hedin,</span> Transhimalaja - (Neue Abenteuer in Tibet). - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">3.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Kapitän Scott,</span> Letzte Fahrt - (Scotts Tagebuch). - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">4.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Georg Schweinfurth,</span> Im Herzen von Afrika. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">5.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Henry M. Stanley,</span> Wie ich Livingstone fand. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">6.</div> - </td> - <td> - <span class="s4"> Kapitän Scott,</span> Letzte Fahrt - (Die Abenteuer der Gefährten). - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">7.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Sven Hedin,</span> Durch Asiens Wüsten. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">8.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Sven Hedin,</span> Zu Land nach Indien. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">9.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">A. E. Nordenskiöld,</span> Die - Umsegelung Asiens und Europas. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">10.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Henry M. Stanley,</span> Im dunkelsten Afrika. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">11.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Georg Wegener,</span> Erinnerungen eines - Weltreisenden. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">12.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Gustav Nachtigal,</span> Sahara und Sudan. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">13.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Ernest Shackleton,</span> Im sechsten Erdteil. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">14.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Walter v. Rummel,</span> Sonnenländer. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">15.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">W. H. Gilder,</span> Der Untergang - der Jeannette-Expedition. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">16.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Slatin Pascha,</span> Feuer und - Schwert im Sudan. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">17.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Ejnar Mikkelsen,</span> Ein arktischer Robinson. - </td> - </tr> - <tr> - <td> -  Bd. - </td> - <td> - <div class="right">18.</div> - </td> - <td> - <span class="s4">Henry M. Stanley,</span> Mein erster Weg zum Kongo. - </td> - </tr> -</table> - -<p class="center"><em class="gesperrt">Weitere Bände in Vorbereitung.</em></p> - -<hr class="full" /> - -<p class="s2 center">Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig.</p> - -<hr class="rekl_unten" /> - -</div> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Südamerika, by Colin Ross - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SÜDAMERIKA *** - -***** This file should be named 61073-h.htm or 61073-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/1/0/7/61073/ - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. Special rules, -set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to -copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to -protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project -Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you -charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you -do not charge anything for copies of this eBook, complying with the -rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose -such as creation of derivative works, reports, performances and -research. They may be modified and printed and given away--you may do -practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is -subject to the trademark license, especially commercial -redistribution. - - - -*** START: FULL LICENSE *** - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project -Gutenberg-tm License (available with this file or online at -http://gutenberg.org/license). - - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm -electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. 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Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact -information can be found at the Foundation's web site and official -page at http://pglaf.org - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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