diff options
| -rw-r--r-- | .gitattributes | 4 | ||||
| -rw-r--r-- | LICENSE.txt | 11 | ||||
| -rw-r--r-- | README.md | 2 | ||||
| -rw-r--r-- | old/62772-0.txt | 2883 | ||||
| -rw-r--r-- | old/62772-0.zip | bin | 65539 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/62772-h.zip | bin | 101533 -> 0 bytes | |||
| -rw-r--r-- | old/62772-h/62772-h.htm | 3410 | ||||
| -rw-r--r-- | old/62772-h/images/cover.jpg | bin | 39954 -> 0 bytes |
8 files changed, 17 insertions, 6293 deletions
diff --git a/.gitattributes b/.gitattributes new file mode 100644 index 0000000..d7b82bc --- /dev/null +++ b/.gitattributes @@ -0,0 +1,4 @@ +*.txt text eol=lf +*.htm text eol=lf +*.html text eol=lf +*.md text eol=lf diff --git a/LICENSE.txt b/LICENSE.txt new file mode 100644 index 0000000..6312041 --- /dev/null +++ b/LICENSE.txt @@ -0,0 +1,11 @@ +This eBook, including all associated images, markup, improvements, +metadata, and any other content or labor, has been confirmed to be +in the PUBLIC DOMAIN IN THE UNITED STATES. + +Procedures for determining public domain status are described in +the "Copyright How-To" at https://www.gutenberg.org. + +No investigation has been made concerning possible copyrights in +jurisdictions other than the United States. Anyone seeking to utilize +this eBook outside of the United States should confirm copyright +status under the laws that apply to them. diff --git a/README.md b/README.md new file mode 100644 index 0000000..0bd1a37 --- /dev/null +++ b/README.md @@ -0,0 +1,2 @@ +Project Gutenberg (https://www.gutenberg.org) public repository for +eBook #62772 (https://www.gutenberg.org/ebooks/62772) diff --git a/old/62772-0.txt b/old/62772-0.txt deleted file mode 100644 index e5d12b2..0000000 --- a/old/62772-0.txt +++ /dev/null @@ -1,2883 +0,0 @@ -Project Gutenberg's Berlins Drittes Geschlecht, by Magnus Hirschfeld - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Berlins Drittes Geschlecht - -Author: Magnus Hirschfeld - -Release Date: July 27, 2020 [EBook #62772] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK BERLINS DRITTES GESCHLECHT *** - - - - -Produced by Delphine Lettau, Mark Akrigg and the online -Distributed Proofreaders Canada team at -http://www.pgdpcanada.net - - - - - - - - - -Berlins Drittes Geschlecht - -von - -Dr. Magnus Hirschfeld - -7. Auflage - - - Motto: »Die grosse Überwinderin aller Vorurteile ist nicht die - Humanität, sondern die Wissenschaft.« - - Berlin und Leipzig - Verlag von Hermann Seemann Nachfolger G. m. b. H. - - Großstadt-Dokumente - Band 3. Herausgegeben von Hans Ostwald - - - - - Vorwort. - - - Als ich von =Hans Ostwald= aufgefordert wurde, für die - von ihm herausgegebenen Großstadtdokumente den Band zu - bearbeiten, welcher das Leben der Homosexuellen in Berlin - behandeln sollte, glaubte ich mich diesem Wunsche nicht entziehen - zu dürfen. - - Wenn ich auch das Ergebnis meiner Untersuchungen - auf dem Gebiete der Homosexualität bisher nur in wissenschaftlichen - Fachorganen, besonders in den Jahrbüchern für - sexuelle Zwischenstufen, publiziert hatte, so war ich mir doch - lange darüber klar, daß die Kenntnis eines Gegenstandes, der - mit den Interessen so vieler Familien aller Stände verknüpft - ist, nicht dauernd auf den engen Bezirk der Fachkollegen - oder auch nur der akademischen Kreise beschränkt bleiben - würde und könnte. - - Dies zugegeben, leuchtet es gewiß ein, daß die - populär-wissenschaftliche Darstellung in einer so diffizilen - Frage am geeignetsten von Seiten derjenigen erfolgen sollte, - die sich vermöge ausgedehnter wissenschaftlicher Forschungen - und Erfahrungen und auf Grund unmittelbarer Anschauung - die erforderliche Qualifikation und Kompetenz erworben haben. - - Ich war in der folgenden Arbeit bemüht, ein recht naturgetreues - und möglichst vollständiges Spiegelbild von Berlins - „drittem Geschlecht“, wie man es vielfach, wenn auch nicht - gerade sehr treffend bezeichnet hat, zu geben. Ich war bestrebt, - -- ohne Schönfärberei, aber auch ohne Schwarzmalerei -- - alles streng wahrheitsgemäß unter Vermeidung näherer - Ortsbezeichnungen so zu schildern, wie ich es zum größten - Teil selbst wahrgenommen, zum kleinen Teil von zuverlässigen - Gewährsmännern erfahren habe, denen an dieser Stelle für - das mir erwiesene Vertrauen zu danken, ich als angenehme - Pflicht empfinde. - - Manchem wird sich hier innerhalb der ihm bekannten - Welt eine neue Welt auftun, deren Ausdehnung und deren - Gebräuche ihn mit Erstaunen erfüllen werden. - - Man hat gelegentlich die Befürchtung ausgesprochen, es - könnte durch populäre Schriften für die Homosexualität selbst - „Propaganda“ gemacht werden. So sehr eine gerechte Beurteilung - der Homosexuellen angestrebt werden muß, so - wenig wäre dieses zu billigen. Die Gefahr liegt aber nicht - vor. Die Vorzüge der normalsexuellen Liebe, wie sie -- - um nur von vielen einen zu nennen -- vor allem im Glücke - der Familie zum Ausdruck gelangen, sind denn doch so - gewaltige, die Nachteile, die aus der homosexuellen Anlage - erwachsen, so außerordentliche, daß, wenn ein Wechsel der - Triebrichtung möglich wäre, er gewiß für die Homosexuellen, - nicht aber für die Normalsexuellen in Betracht kommen würde. - - Tatsächlich hat aber die wissenschaftliche Beobachtung - in Übereinstimmung mit der Selbsterfahrung sehr zahlreicher - Personen gelehrt, daß ein derartiger Umschwung - nicht möglich ist, da nichts dem Charakter und Wesen eines - Menschen so adäquat und fest angepaßt ist, wie die nach - Ergänzung der eigenen Individualität zielende Richtung - des Liebes- und Geschlechtstriebes. - - Ob und inwieweit die Handlungen der Homosexuellen - unter den Begriff von Schuld und Verbrechen fallen, ob - und inwieweit ihre Strafverfolgung zweckmäßig oder notwendig - erscheint, inwieweit diese überhaupt möglich ist -- - diesen Schluß möge am Ende meines Berichtes der Leser - seinerseits ziehen. - - =Charlottenburg=, den 1. Dezember 1904. - - _Dr._ =Magnus Hirschfeld=. - - - - -Berlins Drittes Geschlecht - - -Wer das Riesengemälde einer Weltstadt, wie Berlin nicht an der -Oberfläche haftend, sondern in die Tiefe dringend erfassen will, darf -nicht den homosexuellen Einschlag übersehen, welcher die Färbung des -Bildes im einzelnen und den Charakter des Ganzen wesentlich beeinflußt. - -Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, daß in Berlin mehr Homosexuelle -geboren werden, wie in der Kleinstadt oder auf dem Lande, doch liegt -die Vermutung nahe, daß bewußt ober unbewußt diejenigen, welche von -der Mehrzahl in nicht erwünschter Form abweichen, dorthin streben, -wo sie in der Fülle und dem Wechsel der Gestalten unauffälliger und -daher unbehelligter leben können. Das ist ja gerade das Anziehende -und Merkwürdige einer Millionenstadt, daß das Individuum nicht der -Kontrolle der Nachbarschaften unterliegt, wie in den kleinen Orten, in -denen sich im engen Kreise die Sinne und der Sinn verengern. Während -dort leicht verfolgt werden kann und eifrig verfolgt wird, wann, wo -und mit wem der Nächste gegessen und getrunken hat, spazieren und zu -Bett gegangen ist, wissen in Berlin die Leute oft im Vorderhause nicht, -wer im Hinterhause wohnt, geschweige denn, was die Insassen treiben. -Gibt es hier doch Häuser, die an hundert Parteien, an tausend Menschen -beherbergen. - -Was sich in der Großstadt dem Nichtkenner verbirgt, tritt, weil es sich -ungezwungener gibt, dem Kenner um so leichter entgegen. - - -Wer gut unterrichtet ist, bemerkt auf den Straßen, in den Lokalen -Berlins bald nicht nur Männer und Frauen im landläufigen Sinn, sondern -vielfach auch Personen, die von diesen in ihrem Benehmen, oft sogar -in ihrem Äußeren verschieden sind, so daß man geradezu neben dem -männlichen und weiblichen von einem dritten Geschlecht gesprochen hat. - -Ich finde diesen Ausdruck, der schon im alten Rom gebräuchlich war, -nicht gerade glücklich, aber immerhin besser, als das jetzt so viel -angewandte Wort homosexuell (gleichgeschlechtlich), weil dieses der -weit verbreiteten Anschauung Nahrung gibt, es müßten, wenn irgendwo -mehrere Homosexuelle zusammen sind, sexuelle Akte vorgenommen oder -doch wenigstens beabsichtigt werden, was den Tatsachen in keiner Weise -entspricht. - -Man möge, wenn in den folgenden Schilderungen von Homosexuellen die -Rede ist, nicht an geschlechtliche Handlungen irgend welcher Art -denken. Kommen diese vor, so entziehen sie sich nicht nur wegen ihrer -Strafbarkeit, sondern vor allem wegen des natürlichen Scham- und -Sittlichkeitsgefühls, welches bei den Homosexuellen ebenso ausgeprägt -ist wie bei den Normalsexuellen, der Beobachtung, keineswegs sind -sie das Hauptsächliche, sie fehlen sogar häufig. Das Wesentliche -ist das Wesen des Uraniers -- so wollen wir in dieser Schrift den -homosexuell Empfindenden mit Ulrichs nennen -- sein Verhalten -gegenüber dem männlichen und weiblichen Geschlecht sind die aus seiner -Naturbeschaffenheit sich ergebenden Sympathieen und Antipathieen. - -Aber selbst für den, der viele typische Eigenschaften urnischer -Menschen kennt, bleiben doch sehr viele verborgen, sei es, weil ihnen, -was nicht selten vorkommt, tatsächlich bemerkbare Anzeichen fehlen, -sei es, weil sie ihre Lebenskomödie, die oft mehr eine Lebenstragödie -ist, mit großem Geschick spielen, indem sie sich den Normalen in allen -Gewohnheiten anpassen und ihre Neigungen wohlweislich zu verheimlichen -wissen. Die meisten legen viel Wert darauf, daß „man ihnen nichts -anmerkt“. Ich kenne in Berlin Homosexuelle, auch solche, die durchaus -nicht enthaltsam sind, welche Jahre, Jahrzehnte, ja ihr ganzes Leben -lang ihre Umgebung über ihre Natur täuschten; besonders verbreitet -ist es auch, wenn den Kameraden über Liebesabenteuer berichtet wird, -ähnlich manchen Übersetzern antiker Schriftsteller, die männliche -Person in eine weibliche umzuwandeln. - -Die örtlichen Verhältnisse Berlins erleichtern diese Umwandlung -ungemein. Wer im Osten wohnt, dort seine geschäftlichen und -verwandtschaftlichen Beziehungen hat, kann sich mit seinem Freunde -jahrelang im Süden treffen, ohne daß man in seiner Gegend etwas -davon weiß. Es gibt viele Berliner im Westen, die nie den Wedding -sahen, viele am Kreuzberg, die nie das Scheunenviertel betraten. Ich -behandelte lange eine alte Berlinerin, die die Witwe eines Musikers -war; sie hatten ein einziges Kind gehabt, einen Sohn, der nicht gut -tun wollte, früh hinter die Schule ging, Tage lang fortblieb und -vagabondierte. Die Eltern suchten ihn immer wieder, schließlich als -er 21 Jahre alt war, verloren sie die Geduld und ließen ihn laufen. -26 Jahre lang hatte die Mutter nichts mehr von ihrem Jungen gehört -und gesehen; sie hatte die Siebzig überschritten, ihr Mann war längst -gestorben, da tauchte er eines Tages wieder bei ihr auf, ein vorzeitig -gealterter 47jähriger Mann mit struppigem Vollbart, ein Pennbruder, -dessen „Organismus durch Alkohol vergiftet“ war; er wollte fragen, -ob sie nicht noch „von Vatern ein paar alte Kleider hätte“. Das -Eigenartige war, daß Mutter und Sohn in den 26 Jahren Berlin nie -verlassen hatten. In einer Kleinstadt würde ein solcher Fall nicht -möglich sein. - -Man sollte es kaum glauben, wie viele Personen in der preußischen -Hauptstadt, die als ein Muster der Ordnung gilt und es auch im -Vergleich mit anderen Weltstädten ist, leben, ohne daß die Behörden -von ihnen wissen. Ich habe mit Erstaunen wahrgenommen, wie lange sich -oft ausgewiesene Ausländer unbeanstandet in Berlin aufhalten, noch -mehr, wie Personen, die polizeilich gesucht werden, Monate und Jahre -unangemeldet hier verweilen, nicht etwa in entlegenen Stadtvierteln, -sondern häufig auf den Sammelplätzen des Verkehrs, wo man sie am -wenigsten vermutet. - -Wart Ihr schon einmal im Zimmer 361 auf dem Polizeipräsidium am -Alexanderplatz? Es ist eine der merkwürdigsten Stätten in dieser an -eindrucksvollen Örtlichkeiten gewiß nicht armen Stadt. Hoch über den -Dächern der Großstadt gelegen, befindet sich dieser Raum inmitten einer -Flucht von Zimmern, in denen alphabetisch geordnet zehn Millionen -Blätter aufgestapelt sind. Jedes Blatt bedeutet ein Menschenleben. -Die noch leben, liegen in blauen, die Verstorbenen ruhen in weißen -Pappkartons. Jedes Blatt enthält Namen, Geburtsort und Geburtstag -von jeder Person, die seit dem Jahre 1836 in einem Berliner Hause -eine Wohnung oder ein Zimmer inne hatte. Alle An- und Abmeldungen, -jeder Wechsel der Wohnungen wird sorgsam verzeichnet. Es gibt Bogen, -die dreißig Wohnungen und mehr enthalten, andere, auf denen nur eine -steht; es sind Personen darunter, die ihre Berliner Laufbahn in -einem Keller des Ostens begannen und im Tiergartenviertel endeten, -und andere, die anfangs vorn im ersten Stock wohnten und im Hof vier -Treppen ihre Tage beschlossen. Nach Zimmer 361 werden alle diejenigen -verwiesen, die in Berlin jemanden suchen. Von morgens 8 bis abends -7 Uhr wandern Hunderte und Hunderte, im Jahre viele Tausende die -hohen steinernen Treppen empor. Jede Auskunft kostet 25 Pfennig. Es -kommen nicht nur solche, die Geld zu fordern haben, Leute, für die ein -Mensch erst dann Wert bekommt, wenn er ihnen etwas schuldet, nein, so -mancher klimmt hinauf, der aus fernen Landen heimgekehrt ist und nun -nachforscht, ob und wo noch einer seiner Verwandten und Jugendgefährten -lebt. Die ersten Jahre schrieben sie einander noch, dann schlief der -Briefwechsel ein, und nun hat der Fremdling noch einmal die alte Heimat -aufgesucht. Bangen Herzens schreibt er den Namen und die letzte ihm -bekannte Wohnung seiner Mutter auf den Auskunftszettel -- sie ist lange -verstorben; er fragt nach Brüdern, Schwestern und Freunden, alle, alles -dahin, und tief bekümmert wandert der Vereinsamte die schmalen Treppen -wieder hinunter. Wie viele erkundigen sich da oben vergebens, Eltern, -die verlorene Söhne suchen, Schwestern, die nach ihren Brüdern fragen, -und Mädchen, die nach dem Vater des Kindes forschen, dessen Zukunft -in ihrem Schoße ruht. „Ist nicht gemeldet“, „unbekannt verzogen,“ -„ausgewandert“, „verstorben,“ meldet der stets gleichmütige Beamte, -wenn er nach einer halben Stunde wiederkehrt und die Wartenden aufruft, -welche still, ernst und verzagt, nur selten frohen Mutes herabsteigen, -um wieder unterzutauchen in das Häuser- und Menschenmeer des gewaltigen -Berlin. - -Die Leichtigkeit, in einer Stadt von 2½ Millionen Einwohnern unsichtbar -zu versinken, unterstützt sehr jene Spaltung der Persönlichkeit, -wie sie auf sexuellem Gebiete so häufig vorkommt. Der Berufsmensch -und der Geschlechtsmensch, der Tag- und Nachtmensch sind oft zwei -grundverschiedene Persönlichkeiten in einem Körper, der eine stolz -und ehrbar, sehr vornehm und gewissenhaft, der andere von allem das -Gegenteil. Das gilt für Homosexuelle ebenso wie für Normalsexuelle. Ich -kannte einen urnischen Rechtsanwalt, der, wenn er abends sein Bureau im -Potsdamer Viertel oder eine Gesellschaft seiner Kreise verlassen hatte, -seine Stammkneipe im südlichen Teil der Friedrichstadt aufsuchte, eine -Kaschemme, in der er mit dem Revolverheini, dem Schlächterherrmann, -dem Amerikafranzl, dem tollen Hunde und anderen Berliner Apachen die -halben Nächte spielend, trinkend und lärmend verbrachte. Die rohe Natur -dieser Verbrecher schien auf ihn eine unwiderstehliche Anziehungskraft -auszuüben. Noch weiter ging ein anderer, ein früherer Offizier, der -einer der ersten Familien des Landes angehört. Dieser vertauschte zwei- -bis dreimal die Woche abends den Frack mit einer alten Joppe, den -Zylinder mit einer Schiebermütze, den hohen Kragen mit einem bunten -Halstuch, zog sich den Sweater, Schiffer- oder Manchesterhosen und -Kommißstiefel an und trieb sich etliche Stunden in den Destillen des -Scheunenviertels umher, deren Insassen ihn für Ihresgleichen hielten. -Um vier Uhr früh fand er sich im Hammelstall, einer vielbesuchten -Arbeitslosenkneipe unweit des Bahnhofs Friedrichstraße, zum -„Kaffeestamm“ ein, nahm sein Frühstück für zehn Pfennig mit den -ärmsten Vagabonden, um nach einigen Stunden Schlaf wieder zum Leben -eines untadeligen Kavaliers zu erwachen. - -Auch eine homosexuelle Dame ist mir erinnerlich, die in einem ganz -ähnlichen Doppelleben oft als Köchin die Tanzlokale von Dienstboten -besuchte, in deren Mitte sie sich außerordentlich wohl fühlte. - -Besonders merkwürdig ist diese Halbierung oder -- wenn man will -- -Verdoppelung der Persönlichkeit in denjenigen Fällen, wo sie zugleich -mit einer Spaltung in zwei Geschlechter verbunden ist. - -Ich besitze die Photographie eines Mannes in eleganter Damentoilette, -der jahrelang unter den Weibern der Pariser Halbwelt eine Rolle -spielte, bis durch einen Zufall ans Licht kam, daß „sie“ in -Wirklichkeit ein Mann und zwar nicht einmal ein homosexueller Mann war. -Auch in Berlin sind wiederholt Männer aufgegriffen, die der weiblichen -Prostitution oblagen. Mehr als eine Frau ist mir in Berlin bekannt, die -zu Hause vollkommen als Mann lebt. Eine der ersten, die ich sah, war -mir während einer Feier in der Philharmonie durch ihre tiefe Stimme und -ihre männlichen Bewegungen aufgefallen. Ich machte ihre Bekanntschaft -und bat, sie besuchen zu dürfen. Als ich am folgenden Sonntagnachmittag -in der Dämmerstunde an ihrer Tür klingelte, öffnete mir ein junger -Mann, der von einem Hunde umsprungen wurde, die dampfende Zigarre in -der Hand hielt und nach meinem Begehr fragte. „Ich wünsche, Fräulein -X. zu sprechen, bringen Sie ihr, bitte, meine Karte.“ „Treten Sie nur -näher,“ erwiderte lachend der junge Bursche, „ich bin es ja selbst.“ -Ich erfuhr, daß das Mädchen in ihrer Häuslichkeit vollkommen als Mann -lebte; es war eine wackere Person, die den Kampf mit dem Leben tapfer -aufgenommen, manche Heirat, durch die sie „gut versorgt“ worden wäre, -abgelehnt hatte, weil sie „keinen Mann betrügen“ wollte. - -Die Spaltung der Persönlichkeit kann so weit gehen, daß der Tagesmensch -sich über die Lebensführung seines nächtlichen Ichs sittlich entrüstet -und heftig dagegen eifert. Es ist nicht immer bloße Heuchelei gewesen, -wenn jemand, der sich in den schärfsten Ausdrücken gegen die -Homosexualität wandte, eines Tages mit dem § 175 R.-Str.-G.-B. in -Konflikt geriet. - -Wenn übrigens auch in Berlin trotz der verhältnismäßigen Bequemlichkeit -und Sicherheit sexuellen Verkehrs eine große Anzahl Uranier enthaltsam -leben -- was zweifellos der Fall ist --, so geschieht dies weniger -aus Angst, als weil ihre sonstige Charakterveranlagung sie zur -Enthaltsamkeit führt und ihnen dieselbe ermöglicht. Viele dieser -Homosexuellen leben als Junggesellen völlig einsam; manche bringen -durch intensive geistige Beschäftigung ihren Sexualtrieb zum Schweigen, -einige gelten als Sonderlinge, haben auch in der Tat häufig etwas -Schrullenhaftes, Altjüngferliches, andere entwickeln einen großen -Sammeleifer, der sich nicht selten auf Gegenstände erstreckt, die -mit ihrer Neigung in einem gewissen Zusammenhang stehen; so weiß -ich von einem urnischen Prinzen in Berlin, welcher mit einer wahren -Leidenschaft Soldaten-Darstellungen aller Zeiten und Länder sammelte. -Wieder andere suchen und finden eine Ablenkung und Befriedigung ihres -sexuellen Triebes darin, daß sie Stätten aufsuchen, Schwimmbäder, -Turnhallen, Sportplätze, wo sie Gelegenheit haben, sich am Anblick -ihnen sympathischer Gestalten zu erfreuen, oder aber sie schließen sich -aus denselben Grunde Vereinen an. Namentlich in den eingeschlechtlichen -Vereinen Berlins, wie den Turnvereinen und den Vereinen christlicher -junger Männer, ebenso auch in den Frauenklubs und Frauenvereinen -- -vom Dienstboten- bis zum Stimmrechtsverein -- sind urnische Mitglieder -nichts Seltenes, oft ist sogar das urnische Element die treibende Kraft -des Vereins. Vielfach sind sich die Betreffenden ihrer Urningsnatur -gar nicht oder nur wenig bewußt und werden erst aufmerksam, wenn ein -dritter, meist mehr im Scherz als im Ernst, Bemerkungen macht, wie. -„Du benimmst Dich ja wie ein warmer Bruder.“ - -Vor einiger Zeit suchte mich einmal ein Mitglied eines spiritistischen -Vereins auf, um sich zu vergewissern, ob er homosexuell sei; ein -Vereinsbruder habe ihm bei einem Streite zugerufen: „Schweig, Du -Zwitter.“ Dieser stark feminine und offenbar recht nervöse Jüngling -berichtete mir, daß er im gewöhnlichen Leben weder zum Weibe, noch zum -Manne sinnliche Regungen verspüre, nur wenn er in den Trance-Zustand -verfiele, was leicht der Fall sei, fühle er sich als eine Indierin und -empfände als solche eine starke Liebe zu einem seiner Vereinsbrüder. - -Trotzdem sich die Urninge in ihren Vereinen meist gut zu beherrschen -wissen, kommt es doch hie und da zum „Skandal“, namentlich wenn sich -unter der Wirkung leichter Alkoholmengen die Zügel lockern, welche sie -ihrer wahren Natur sonst anzulegen wissen. Ich will ein in mehr als -einer Hinsicht lehrreiches Beispiel anführen. - -Vor etwa zehn Jahren veranstaltete ein Missionar in einem religiösen -Zwecken dienenden Hause große Versammlungen und Feiern, die sich -eines ungewöhnlich regen Zuspruches erfreuten. „Das gewinnende, -liebenswürdige Wesen dieses Mannes zog wie ein Magnet.“ Er war eine -Persönlichkeit von angenehmstem Äußern, Mitte der Dreißig, sehr begabt -und ein trefflicher Redner. „Er brauchte nur zu bitten, und die Gaben -flossen in Massen; überall war er maßgebend, geliebt und verehrt, -besonders bei den Frauen.“ Man fand nicht Worte genug über seine -Herzensgüte; er selber berichtete in den Versammlungen häufig, wie er -in den Gefängnissen so oft und gern Trost spendete, wie er nachts junge -Menschen in den Anlagen ohne alle Mittel gefunden, sie mit nach Hause -genommen und bei sich beherbergt habe. Er hatte dabei ein im Grunde -fröhliches Gemüt. Wer ihn auf den sommerlichen Ausflügen des Vereins -beobachtete, wie er mit seinen Schülern Kampfspiele veranstaltete, -mit ihnen rang und ausgelassen tollte, freute sich ohne Argwohn der -anscheinend so harmlosen Freudigkeit des unermüdlichen Gottesstreiters. -Eines Tages aber bemächtigte sich tiefe Betrübnis und große Entrüstung -des frommen Vereins. Herr W. war wegen unsittlicher Handlungen mit -jungen Männern verhaftet worden. Bei der Gerichtsverhandlung bekundeten -zwölf Jünglinge, daß W. sie unzüchtig berührt habe, sogar hinter der -Kanzel, an der Orgel und in der Sakristei habe er solches getan und -jedesmal hinterher mit ihnen gebetet. Er wurde zu einer schweren -Freiheitsstrafe verurteilt. - -Ich verdanke diesen Bericht einem sehr ehrenwerten Uranier, der -demselben christlichen Verein angehörte. „Nie hätte ich,“ so schreibt -er mir, „geglaubt, daß dieser geehrte Herr so jäh aus seiner Höhe -stürzen könnte, daß meine inneren Empfindungen, die ich in harten -Kämpfen unterdrückte, um deren Überwältigung willen ich jene fromme -Gesellschaft aufgesucht hatte, so denen ihres Leiters glichen. Als -sich das geschilderte Trauerspiel zutrug, dachte ich in Demut: „Herr, -sei mir Sünder gnädig“, und bin mit vielen anderen aus dem schwer -geschädigten Verein geschieden.“ - -Vielfach widmet sich der homosexuelle Platoniker nicht sowohl einer -Vereinigung, als vielmehr einer einzigen Person, an der er Gefallen -gefunden hat. Wie viele dieser Männer lassen nicht ihre Schützlinge -ausbilden, studieren, nehmen sie auf Reisen mit, setzen ihnen Renten -aus, adoptieren sie, bedenken sie in ihrem Testament, bemühen sich um -sie in intensivster Weise, ohne daß es je zu einem Kusse kommt, ja, -ohne daß sich die Betreffenden der sexuellen Grundlage ihrer Neigung -bewußt werden, wiewohl sie die Briefe ihrer Freunde nicht weniger -sehnsüchtig erwarten, nicht minder begierig lesen, wie ein Bräutigam -die seiner Braut. Und noch seltener ist sich der Empfangende in solchen -Verhältnissen über die wahre Natur seines „väterlichen“ Freundes -klar. Wohl ist er und seine Familie über „das gute Herz“ ihres besten -Freundes des Lobes voll, das hindert aber den jungen Mann nicht, -gelegentlich recht weidlich über die Homosexuellen zu schelten, ohne zu -ahnen, wie schwer er jenen trifft, den er gewiß am wenigsten verletzen -möchte. - -Ich will hier ein Gedicht eines Berliner Urnings an seinen Freund -zur Kenntnis bringen, das recht anschaulich zeigt, wie schwer die -unmerklich in einander übergehenden Grenzen zwischen den geistigen, -seelischen und körperlichen Äußerungen des in Form und Stärke, nicht -aber in seinem Wesen verschiedenartigen Gefühls zu ziehen sind. Es -lautet: - - „Ihm in die tiefen, treuen Augen sehen, - Mit ihm vereint an meinem Fenster stehen, - Zu lehnen mein Gesicht an seine Wange, - Ganz still, recht fest und lange, lange, - Ist das nicht Glück genug -- - - Ihm sanft die Hände zu berühren, - Den Atem seiner Brust zu spüren, - Mit meinem Haupt an seinem Herzen liegen - Und meinen Mund an seine Lippen schmiegen, - Das ist doch Glück genug -- - - Zu schauen, wenn er lacht und froh sich regt, - Zu merken, wenn er ernst und tief bewegt, - Zu sehen, wie in allem, was er treibt, - Er stets sich gleich an Kraft und Schönheit bleibt, - Ist das nicht Glück genug -- - - Die Ansicht mit ihm auszutauschen, - Dem Wohllaut seiner Stimme lauschen, - Sein Leben schöner zu gestalten, - Wenn Leid ihn quält, treu zu ihm halten, - Das ist doch Glück genug -- - - Ihm sagen können, daß er mir das Höchste, - Von ihm vernehmen, daß ich ihm der Nächste, - Ihm schildern dürfen, wie sehr ich ihn liebe, - Den Wunsch zu hören, daß sein Freund ich bliebe, - Das ist doch Glück genug -- - - O, wenn ich es doch nie erlebte, - Daß ich noch mehr an Glück erstrebte, - Als mir so reichlich ist beschieden, - Dann hätten er und ich den Frieden - Und beide Glück genug.“ - -Auch der folgende ausführliche Bericht eines keuschen Uraniers über -das erste Erwachen seiner Liebe -- er rührt von einem mir bekannten -Studenten her, der sich noch nie sexuell betätigt hat -- bestätigt -den Satz, daß sich der homosexuelle Trieb wohl in seiner Richtung -und Bedeutung, nicht aber in seiner Naturwüchsigkeit von der -normalsexuellen Liebe unterscheidet. - - „Ich bin in dem „Sündenbabel“ Berlin aufgewachsen, habe mit - vielen gleichalterigen Kameraden eine öffentliche Schule - besucht, bin sogar in einer Pension gewesen, wo es sicher - nicht sehr zart herging, und habe mir trotzdem gerade in - sexueller Beziehung merkwürdig lange meine Kindlichkeit - bewahrt. Ich habe nie, wie andere Kinder, Vergnügen daran - gefunden, darüber zu reden und zu grübeln, „woher die - Kinder kommen“, ich hatte sogar eine merkwürdige Scheu, - deren Ursachen mir noch jetzt unerklärlich sind, über - solche Dinge reden zu hören. So galt ich noch mit 15 - Jahren, und zwar mit Recht, unter meinen Kameraden für - „unschuldig“; an den Klapperstorch glaubte ich ja nicht - gerade mehr, aber ich hatte keine Ahnung von dem Wesen - des Unterschiedes der Geschlechter und von irgend welchen - sexuellen Beziehungen. Natürlich verstand ich auch nichts - von den bekannten Witzen, die über dieses Thema gemacht - wurden, was am meisten dazu beitrug, den Ruf meiner - „Unschuld“ zu verbreiten. - - - In dieser Zeit, ich war 17 Jahre, faßte ich eine - eigenartige Zuneigung zu einem meiner Mitschüler, dem - Primus der Klasse; ich war nicht so befreundet mit ihm, - wie mit meinen speziellen Schulfreunden, und doch hatte - ich immer eine ganz besondere Freude daran, einmal mich - länger mit ihm zu unterhalten, auf dem Schulhofe mit ihm - zusammen zu gehen, oder gar einmal in der Stunde neben ihm - zu sitzen. Gerade dies erreichte ich zu meinem Schmerz nur - sehr selten, fast immer saß ich dritter, also noch ein - anderer zwischen uns, und ich mußte mich begnügen, ihn so - oft wie möglich anzusehen, wobei ich mir Mühe gab, das von - ihm nicht bemerken zu lassen. Überhaupt nahm ich mich aufs - äußerste in acht, daß niemand meine Beziehungen zu ihm, die - übrigens völlig einseitig waren und blieben, bemerkte; ich - wußte es damals nicht und weiß mir auch jetzt noch keinen - rechten Grund dafür anzugeben, warum ich meine Zuneigung - jedem Menschen gegenüber und besonders vor dem Geliebten - selbst geheim hielt. Ich hatte wahrscheinlich das richtige - Gefühl, doch nicht verstanden zu werden, und außerdem war - ich mir meines Zustandes selbst nur ganz dunkel bewußt, - ich hätte wohl gar nicht aussprechen und in Worte fassen - können, was ich da eigentlich dachte und fühlte. Und doch - war es so herrlich schön, sich vorzustellen, wenn wir - beide so recht sehr befreundet wären, immer zusammen sein - könnten, die Schularbeiten gemeinsam machten und uns nie zu - trennen brauchten. Und wenn ich dann abends im Bett lag, - malte ich mir alle möglichen Ereignisse aus, die eintreten - müßten, damit wir recht eng befreundet werden könnten; da - konnte doch z. B. sein Haus abbrennen, dann würde er keine - Wohnung haben, und ich würde ihn auffordern, bei uns zu - wohnen; und dann würde er sogar bei mir im Bett schlafen, - so daß ich ihn so recht fest umarmen und an mich drücken - könnte, um ihm zu zeigen, wie lieb ich ihn habe. - - Wohlgemerkt: Diese Gedanken kamen mir und erfüllten mich - mit größter Seligkeit, ohne daß ich eine Ahnung hatte von - den sexuellen Beziehungen der Geschlechter. Mein Gemüt - war vollständig rein, unverdorben durch unsaubere und - schmutzige Geschichten, wie sie andere Großstadtkinder oft - allzu früh zu hören bekommen, meine Phantasie war nicht - erregt durch derartige Dinge. Und dennoch kamen mir diese - „unsittlichen, unzüchtigen“ Vorstellungen? Nein, es lag - nicht das geringste Unsittliche in diesen Gedanken, konnte - gar nicht darin liegen, und diese Tatsachen, die ich an - mir selbst erlebt habe, die ich gefühlt und gedacht habe - mit meinem innersten Herzen, sind mir der sicherste und - unumstößlichste Beweis dafür, daß in der Homosexualität an - sich keine Spur von dem enthalten ist, was Unwissenheit - und Unkenntnis hineinlegen wollen. Es sei denn, daß man das - Geschlechtliche überhaupt als etwas Unsittliches ansieht, - daß man die natürliche Weltordnung anzutasten versucht, - indem man das Heiligste im Menschenleben in den Schmutz - zieht, dann kann man die gleichgeschlechtliche Liebe - gleich mit verdammen. -- Jetzt weiß ich, daß das, was sich - damals in mir abspielte, nichts anderes war, als das erste - Erwachen der Liebe in einem noch kindlichen Gemüt, das - nicht wußte, was in ihm vorging, und doch von dieser neuen - Herrlichkeit gänzlich erfüllt war. - - Und wie hier beim ersten Male der Gegenstand meiner - Liebe ein männliches Wesen war, so ist es bei mir bisher - geblieben. Wenn andere „normale“ Männer auf der Straße ein - hübsches Mädchen sehen, so blicken Sie sich unwillkürlich - danach um; mir ergeht es genau so mit schönen Jünglingen, - denen ich ebenso unwillkürlich nachsehe. Trete ich in eine - Gesellschaft, komme ich auf einen Ball &c., so geschieht es - oft, daß mir ganz unbewußt irgend einer der jungen Leute, - den ich nicht kenne, auffällt, und ich ertappe mich nachher - dabei, daß ich fortwährend darauf geachtet habe, was der - Betreffende tut, mit wem er tanzt &c. &c. - - Jene erste Liebe wurde nach einiger Zeit abgelöst durch - eine andere größere Leidenschaft, die mich zu einem anderen - Mitschüler ergriff, der zwar ein ganzes Jahr älter war - als ich, aber in einer tieferen Klasse saß. Ich kann mich - darauf besinnen, wie ganz allmählich die ersten Zeichen - dieser Liebe bei mir auftauchten, wie ich jede mögliche - Gelegenheit benutzte, mit ihm zusammen zu sein: auf dem - Schulhofe, auf der Straße, bei den Turnspielen u. s. w. - Und dabei war es noch besonders schwierig, diesen Verkehr - reger werden zu lassen; nicht nur, daß er in einer anderen - Klasse war, sondern es gab auch eigentlich gar keine - gemeinsamen Interessen zwischen uns, wir hatten keine - gemeinsamen Freunde, und er war gerade im Kreise meiner - nächsten Freunde besonders unbeliebt. Um so auffälliger - mußte es sein, wenn ich mich mit ihm näher befreundete, und - ich suchte die verschiedensten Vorwände, diese Annäherung - zu erklären, nicht nur vor anderen, sondern besonders vor - mir selbst, der ich noch immer nicht ahnte, was in mir - vorging. Aber gerade in dieser Zeit, ich war 18 Jahre, - ging mir das Licht über die wahre Bedeutung der Sache auf, - in dieser Zeit, wo ich regelrechte Fensterpromenaden vor - seinem Hause machte, die Zeit abpaßte, wann er herauskam, - um ihm zufällig zu begegnen, und an nichts anderes dachte - als an ihn. Ja, ich wußte bald, ich ihn wirklich und - regelrecht liebte, aber es ihm zu sagen, dazu hatte ich - nicht den Mut, ja, ich gab mir sogar noch lange Zeit Mühe, - es ihn nicht einmal merken zu lassen. Unser Verkehr wurde - aber reger, obgleich ich wußte, daß er sich nicht allzu - viel aus mir machte; ich benutzte jede Gelegenheit, unsere - Beziehungen enger und freundschaftlicher zu gestalten, was - auch äußerlich gelang, ohne daß es jedoch trotz größter - Anstrengung meinerseits zu einer wirklichen Freundschaft - kam. Es lag überhaupt in K.'s Wesen, daß er keine Freunde - besaß, und so hatte ich in dieser Zeit eigentlich nur - einmal Gelegenheit, die Qualen der Eifersucht kennen zu - lernen; doch gerade diese Eifersuchtsanwandlung, die mir - ordentlich zu schaffen machte, brachte mir gleichzeitig - volle Gewißheit über meine homosexuelle Liebe. Schließlich - wurde das Gefühl, das mich zu ihm hinzog, so übermächtig, - und ich wurde der Heuchelei vor ihm und vor mir selbst so - müde, daß ich ihm eines Abends, als wir in seinem Zimmer - zusammen arbeiteten, um den Hals fiel, ihn mit Küssen - überschüttete und ihm alles beichtete. Er nahm diesen - Ausbruch etwas verwundert, aber doch ganz ruhig hin, - jedenfalls ohne zu begreifen, um was es sich eigentlich - handelte. - - Die nun folgenden Wochen waren die bisher schönsten meines - Lebens, fast jeden Abend waren wir zusammen, ich half ihm - bei allen seinen Schularbeiten, und wenn wir damit fertig - waren, saßen wir eng aneinander geschmiegt und sprachen - über alles und nichts. Doch es waren leider nur wenige - Wochen; denn genau zur selben Zeit stellte sich auch bei - meinem K. die Liebe ein -- aber nicht zu mir, sondern zu - einem kleinen Mädchen. Und wenn ich jetzt nachmittags zu - ihm kam, dann hatte er mir von nichts anderem zu erzählen, - als von =ihr=, und auf dem Schulwege sprach er mit mir - von =ihr=, und abends ging ich mit ihm fort dahin, wo er - =sie= treffen wollte, und wartete, bis sie kam, sprach - ein paar Worte mit ihr, ging ein paar Schritte mit und - verabschiedete mich dann, um die beiden allein zu lassen -- - ich war ja überflüssig. Ich kann nicht gerade sagen, daß - ich auch hier eifersüchtig war, im Gegenteil: es floß wohl - auch ein Teil meiner Liebe zu K. auf seine Freundin über, - da =sie= es ja war, die ihn glücklich machte. Aber das Herz - blutete mir doch, wenn er mir z. B. seine Tagebücher gab, - in denen nur von =ihr= stand, was sie tat und sagte und - dachte, und wo ich kaum mal mit einem Worte erwähnt wurde. - Am meisten jedoch schmerzte mich, daß er sich energisch - weigerte, meine Küsse und Zärtlichkeiten weiter zu dulden; - denn gerade weil ich ihm klar gemacht hatte, daß meine - Empfindungen zu ihm wahre Liebe seien, weil ich ihn mit - allen Mitteln, die mir damals zu Gebote standen, überzeugt - hatte, daß meine Liebe zu ihm etwas Berechtigtes sei, wie - die zwischen Mann und Weib, gerade darum behauptete er, - =ihr= untreu zu werden, wenn er sich noch ferner von =mir= - küssen ließe. „Freunde können wir ja bleiben“, sagte er, - „denn ich habe dich ganz gern, aber nicht anders wie andere - Freunde wollen wir sein.“ - - Und so blieben wir Freunde noch zwei Jahre lang, und ich - schmeichle mir, wenigstens in der ersten Zeit einen recht - guten Einfluß auf ihn ausgeübt zu haben; nicht nur, daß - ich ihm bei seinen Arbeiten half, sondern ich versuchte - auch, ihm etwas höhere Interessen beizubringen, als er - sie leider besaß, ihn zu veranlassen, sich auch mit - wissenschaftlichen, politischen &c. Fragen zu beschäftigen, - auf die ihn die Erziehung, die er gehabt hatte, das Milieu, - in dem er lebte, und seine eigene Interesselosigkeit bisher - nicht hingewiesen hatten. Meine Liebe zu ihm blieb lange - Zeit mit unverminderter Stärke bestehen, und noch heute bin - ich von dieser Leidenschaft nicht ganz geheilt. - - Im Laufe dieser Jahre bin ich allmählich auf meine - Veranlagung aufmerksam geworden, zuerst wohl nach der - negativen Seite hin. Wenn meine Mitschüler allmählich - anfingen, von ihren Liebsten zu erzählen, deren Namen in - die Schulbänke einzukratzen, bei jeder Gelegenheit ihnen - Ansichtskarten zu schreiben, so dachte ich zunächst, - besonders da ich immer einer der Jüngsten in der Klasse - war, das würde mit der Zeit bei mir auch noch kommen. - Und dabei ahnte ich nicht, daß die Zuneigung zu meinem - K. nichts anderes als wirkliche, wahrhaftige Liebe war, - stärker vielleicht und tiefer, als sie die meisten anderen - zu ihren Mädels empfanden. Erst durch einige Analogieen, - die mir zufällig auffielen, kam nur eine Ahnung des wahren - Sachverhalts. Wie jeder richtig Verliebte machte ich meine - Fensterpromenaden, ging täglich, so oft wie möglich, und - wenn es die größten Umwege kostete, an =seinem= Hause - vorbei und war glücklich, wenn =er= mal am Fenster stand. - So dämmerte es in mir auf, und nun einmal aufmerksam - geworden, unwillkürlich weitere Anhaltspunkte suchend, kam - ich bald zur Klarheit über mich. Ich entsinne mich z. B. - noch genau, welch tiefen Eindruck es auf mich machte, als - meine Mutter einmal scherzend zu mir sagte: „Paul, Paul, - wer immer so allein spazieren geht, der ist verliebt“; - ich hatte ja tatsächlich meinen Bruder nur darum nicht - mitnehmen wollen, um, wenn ich =ihn= treffen sollte, allein - mit ihm zu sein.“ - -„Feste Verhältnisse“ homosexueller Männer und Frauen, oft von sehr -langer Dauer, sind in Berlin etwas ganz außerordentlich Häufiges. - -Man muß an vielen Beispielen wahrgenommen haben, mit welcher Innigkeit -in solchen Bündnissen häufig der eine an dem anderen hängt, wie sie -für einander sorgen und sich nach einander sehnen, wie sich der -Liebende in die ihm oft so fern liegenden Interessen des Freundes -hineinversetzt, der Gelehrte in die des Arbeiters, der Künstler in -die des Unteroffiziers, man muß gesehen haben, welche seelischen und -körperlichen Qualen diese Menschen nicht selten infolge Eifersucht -erleiden, wie ihre Liebe alles überdauert und alles überwindet, um -allmählich inne zu werden, daß kein „Fall widernatürlicher Unzucht“ -vorliegt, sondern ein Teil jener großen Empfindung, die nach der -Ansicht vieler dem Menschendasein erst Wert und Weihe giebt. - -Ich behandelte einst eine adelige Dame, die seit einer Reihe von Jahren -mit einer Freundin zusammen lebte, an einem schweren Nervenleiden. -Weder vorher noch nachher habe ich in meiner Krankenpraxis ein so -liebevolles Aufgehen eines Gesunden in einen Kranken gesehen, wie -in diesem Fall, weder unter Ehegatten, noch selbst bei Müttern, die -sich um ihre Kinder bangten. Die gesunde Freundin war keine angenehme -Mitbürgerin, sie hatte viel Rücksichtsloses und Eigenwilliges, wer aber -diese wahrhaft ergreifende Liebe und Sorgfalt sah, dieses unablässige -Bemühen bei Tage und bei Nacht, hielt ihr um dieses starken und -schönen Gefühls willen vieles zu gute. Sie war mit ihrer Freundin -tatsächlich wie verwachsen, berührte man ein schmerzhaftes Glied der -Kranken, so zuckte sie reflektorisch zusammen, jedes Unbehagen der -Leidenden spiegelte sich in ihrem Gesicht wider, mangelhafter Schlaf -und schlechter Appetit übertrugen sich auf die gesunde Freundin. Der -Fall war übrigens auch dadurch bemerkenswert, daß auch das Personal -der Patientin, sowohl die Krankenschwester, wie das Dienstmädchen, -einwandfrei urnisch waren. - -Unweit diesem Paare lebte ein anderes. Er war Referendar, sein etwa -18jähriger Freund Damenschneider. Dieser war so feminin, daß ich dem -Referendar einmal bemerkte, so gut wie in dieses Neunzehntel-Weib -hätte er sich doch auch in ein ganzes Weib verlieben können. Unter -anderem war seine Stimme so weiblich, daß, wenn er telephonisch nach -mir verlangte, was im Interesse seines Freundes einige Male vorkam, -mein Sekretär stets meldete. „Eine Dame wünscht sie zu sprechen.“ -Beide lebten in großer Harmonie, tags ging jeder seinem Berufe nach, -der eine auf das Gericht, der andere in die Schneiderwerkstatt. Als -der Referendar Berlin verließ, nahm er den Freund mit sich. Dieser -hatte zuvor seinen Vater, einen biederen Berliner Handwerker, um -eine aufklärende Unterredung gebeten, bei der, wie er mir schamhaft -erzählte, das Zimmer verdunkelt werden mußte. Der Vater war garnicht -verwundert, er habe schon längst ähnliches vermutet, und erklärte sich -mit allem einverstanden. - -Der kleine Damenschneider hatte einen Arbeitskollegen, der nicht -minder mädchenhaft war, wie er selbst. Ihr Beruf ist mehr wie irgend -ein anderer in Berlin von urnischen Elementen durchsetzt. Dieser -Kollege verliebte sich in den Bruder des Referendars, einen Ingenieur, -der kurz vorher wegen unglücklicher Liebe zu einem Studenten einen -ernsthaften Selbstmordversuch unternommen hatte. Als er schwer -verletzt im Krankenhause lag, hatten sich die beiden gleichveranlagten -Brüder, die bis dahin nichts von einander wußten, zu erkennen gegeben. -Allmählich entwickelte sich nun zwischen dem Ingenieur und dem anderen -Damenschneider ein zweites Liebesbündnis, und es entbehrte nicht einer -gewissen Drolligkeit, wenn die beiden schön und stark gewachsenen -Brüder mit ihren Schneiderlein Willi und Hans -- nicht viel anders -wie andere mit ihren Putzmacherinnen -- am Sonntag den Grunewald -durchstreiften. - -Daß sich die Eltern mit der urnischen Natur, ja sogar mit dem -homosexuellen Leben ihrer Kinder abfinden, ist in Berlin durchaus -nichts Seltenes. - -Vor kurzem wohnte ich auf einem Berliner Vorortkirchhof der Beerdigung -eines alten Arztes bei. Am offenen Grabe standen der einzige Sohn -des Verstorbenen, zur Rechten die bejahrte Mutter, an der andern -Seite der zwanzigjährige Freund, alle drei in tiefster Trauer. Als -der Vater, bereits über 70 Jahre alt, vom Uranismus seines Sohnes -hörte, war er der Verzweiflung nahe, er suchte mehrere Irrenärzte -auf, die ihm mancherlei raten, aber nicht helfen konnten. Dann -vertiefte er sich selbst in die Litteratur über den Gegenstand und -erkannte mehr und mehr, daß sein Sohn, den er über alles liebte, von -Geburt an homosexuell gewesen war. Bei seiner Niederlassung hatte er -nichts dagegen, daß er den Freund zu sich nahm, ja die guten Eltern -übertrugen ihre volle Liebe auf den jungen Mann, der aus einfachstem -Stande hervorgegangen war. Beide hatten auf einander sichtlich einen -guten Einfluß; während sie einzeln nur schwer imstande gewesen wären, -vorwärts zu kommen, gelang es ihnen zu zweit vortrefflich, indem -das Wissen und die Liebenswürdigkeit des einen in der Energie und -Sparsamkeit des anderen ihre Ergänzung fanden. - -Auf dem Sterbelager nahm der alte Doktor von seiner Frau und seinen -„beiden Jungen“ Abschied und der Anblick dieser drei Menschenkinder, -wie sie unter den Klängen des Mendelsohnschen Liedes: „Es ist bestimmt -in Gottes Rat“ ihre Tränen und Trauer vereinigten, griff ungleich -tiefer in die Seele, als die Rede des jungen Pfarrers, der in schrillem -Tonfall die Taten des ihm gänzlich unbekannten Toten pries. - -Nicht vereinzelt kommt es in Berlin vor, daß urnische Junggesellen -sich bei den Familien ihrer Freunde einmieten und dort wie Angehörige -des Hauses angesehen werden. Es gibt Mütter, selbst wissende, die -oft in überschwänglicher Weise das Glück preisen, daß ihr Sohn einen -so großartigen Freund, ihre Tochter eine so ausgezeichnete Freundin -gefunden; diese Freundschaft sei ihnen viel lieber, als wenn sich -ihr Sohn mit Mädchen herumtreibe, ihre Tochter sich von Männern den -Hof machen ließe. Verstieg sich doch einmal eine Mutter, die mich -wegen eines geschlechtlich infizierten Sohnes aufsuchte, zu dem -merkwürdigen Ausspruch: „Ich wünschte, mein zweiter Sohn wäre auch -homosexuell.“ Manchmal liebt der Freund den Sohn des Hauses und wird -von der Tochter geliebt, wie überhaupt zwischen den verschiedenen -normalsexuellen und homosexuellen Personen desselben Kreises hie und -da ganz sonderbare Verwicklungen vorkommen. Für den Psychologen und -Schriftsteller, welcher das urnische Moment in den Beziehungen der -Menschen untereinander zu erkennen weiß, erweitern sich dadurch die der -Beachtung und Darstellung würdigen Konflikte in ungeahnter Weise. - -Ich kannte in Berlin einen Uranier, der die Schwester eines Jünglings -heiratete, nur um mit dem Bruder oft und unauffällig zusammen sein -zu können. Die Ehe, welche in Wirklichkeit keine war, ging nach -einigen Jahren auseinander, nachdem der normalsexuelle Bruder seinen -Schwager -- nicht etwa im Bösen, sondern im Guten -- um sein ganzes -beträchtliches Vermögen gebracht hatte. - -Ein anderer Homosexueller liebte einen Mann, welcher mit einem Mädchen -ein inniges Liebesverhältnis anknüpfte. Der Urning war auf das Mädchen -sehr eifersüchtig, und auch diese war auf den Freund, der ihren -Geliebten so viel in Anspruch nahm, nicht gut zu sprechen. Der Mann -aber hielt auch dem Mädchen nicht die Treue und bereitete ihr ebenso -wie dem Freunde durch seine leichtsinnigen Streiche vielen Kummer. -Beide kannten sich nicht persönlich. Eines Morgens aber kam das -Mädchen zu dem Urning, um ihm mitzuteilen, daß dem Freunde während -der Nacht ein schwerer Unfall zugestoßen sei. Die gemeinsame Sorge -machte sie allmählich zu Freunden. Da entzweite sich der Mann und sein -Mädchen, sie war bitterböse und schien unversöhnlich, er aber hielt es -vor Sehnsucht nicht aus, es trieb ihn immer wieder zu ihr, sie aber -wies ihm die Türe. Schließlich wandte er sich hilfeflehend an seinen -urnischen Freund, und dieser, der sich schon im stillen gefreut hatte, -daß das so quälende Liebesverhältnis zu Ende sei, ging zu dem Mädchen -und versöhnte beide. - -Solche und ähnliche Falle könnte ich aus der lebendigen Quelle des -Berliner Lebens in großer Zahl berichten -- doch wir wollen jetzt -von dem Leben und Leiden einzelner Urninge zu dem Leben und Treiben -urnischer Gruppen übergehen. - -Denn wenn auch viele Uranier in selbstgewählter Einsamkeit leben, die -nirgends so erreichbar ist, wie in weltstädtischer Menschenfülle, -andere wiederum sich ausschließlich einer einzigen Person widmen, -so ist doch die Zahl derer nicht minder groß, welche mit anderen -homosexuellen Personen und Kreisen Fühlung suchen, und auch hier bietet -sich in Berlin überreichliche Gelegenheit. - -Es ist recht bedauerlich, daß sich manche Urninge, die durch ihr -Wesen und Wissen jedem Kreise zur Ehre gereichen würden, schließlich -in normalen Gesellschaften überhaupt nicht mehr wohl fühlen. Die -erheuchelten Komplimente und Interessen, die ihnen besonders häufig -zuerteilten Damentoaste werden ihnen immer peinlicher, und wenn sie -einmal die Geselligkeit kennen gelernt haben, in der sie sich frei -geben können und Verständnis finden, ziehen sie sich aus andern Kreisen -mehr und mehr zurück. - -Daß gesellige Leben der Urninge untereinander pulsiert in Berlin -in mannigfacher Gestaltung, sowohl in geschlossenen, als auch in -allgemein zugänglichen Zirkeln ungemein lebhaft. Größere und kleinere -Gesellschaften von Homosexuellen für Homosexuelle sind zu jeder -Jahreszeit, namentlich aber im Winter, an der Tagesordnung. - -Vielfach beschränken sich dieselben auf eine bestimmte soziale Schicht, -auf gewisse Stände und Klassen, doch werden die Grenzen schon um der -Freunde willen bei weitem nicht so streng innegehalten, wie dies bei -Normalsexuellen üblich ist. Mancher Urning würde nichts so übel nehmen, -als wenn man seinem Freunde, und sei er noch so einfachen Herkommens, -die gesellschaftliche Ebenbürtigkeit absprechen würde. - -Ich werde in Anerkennung meiner Arbeit für die Befreiung der -Homosexuellen oft ersucht, Gesellschaften gleichsam als Ehrengast -beizuwohnen, und wenn ich auch nur einen kleinen Teil dieser -Aufforderungen annehme, so haben sie mir doch einen genügenden Einblick -in das gesellige Leben der Berliner Urninge verschafft. - -Einmal war ich in besagter Eigenschaft auf einer Gesellschaft -unter lauter homosexuellen Prinzen, Grafen und Baronen. Außer der -Dienerschaft, die nicht nur in Bezug auf die Zahl, sondern auch in -Hinsicht auf ihr Äußeres besonders sorgfältig ausgewählt schien, -unterschied sich die Gesellschaft in ihrem Eindruck wohl kaum von -Herrengesellschaften derselben Schicht. Während man an kleinen -Tischen sehr opulent speiste, unterhielt man sich anfangs lebhaft -über die letzten Aufführungen Wagnerscher Werke, für welche fast alle -gebildeten Urninge eine auffallend starke Sympathie hegen. Dann -sprach man von Reisen und Literatur, fast gar nicht über Politik, um -allmählich zum Hofklatsch überzugehen. Sehr eingehend verweilte man -beim letzten Hofball, auf dem das Erscheinen des jungen Herzogs von -X. viele Urningherzen hatte höher schlagen lassen, man schwärmte von -seiner blauen Uniform, von seiner bestrickenden Liebenswürdigkeit -und berichtete, wie man es erreicht hätte, seiner königlichen Hoheit -vorgestellt zu werden. Dann erzählte man sich Anekdoten über abwesende -Urninge der Hofgesellschaft, von denen mir eine, die besonders herzhaft -belacht wurde, im Gedächtnis geblieben ist. Ein Fürst war kurz zuvor -bei einem homosexuellen Magnaten, von dessen urnischer Natur er so -wenig eine Ahnung hatte, wie von der anderer Herren seiner Umgebung, -zur Jagd geladen. Der hohe Gast war des Morgens unerwartet früh -aufgestanden, um sich im Schloßgarten zu ergehen. Als er den Korridor -kreuzte, erblickte er seinen Gastgeber, der zu so zeitiger Stunde nicht -auf diese Begegnung vorbereitet war, in einem höchst sonderbaren Anzuge -oder besser Aufzuge; der allseitig sehr abgerundete Gutsherr trug eine -rotsammtene, mit Blumen und Spitzen reichbesetzte Matinée. Der Anblick -dieser Gewandung war so komisch, daß der fürstliche Besucher in einen -förmlichen Lachkrampf verfiel. - -Eine andere Gesellschaft, der ich beiwohnte, fand in den Sälen eines -der vornehmsten Berliner Hotels statt. Ein wohlhabender Uranier feierte -sein Namensfest. Es waren mit geringer Ausnahme nur Freundespaare -zugegen, von denen die meisten schon seit Jahren zusammenlebten; jeder -führte sein „Verhältnis“ zu Tisch. Dem Festmahl ging im Nebensaal auf -einer aufgeschlagenen Bühne eine Theatervorstellung voraus, bei der -ausschließlich Homosexuelle mitwirkten. Nach einigen Soloscherzen trug -der Gastgeber vortrefflich in Maske und Spiel eine Szene als Falstaff -aus den Lustigen Weibern von Windsor vor, dann gab man Nestroys Wiener -Posse: „Eine Vorlesung bei der Hausmeisterin“. Alle weiblichen Rollen, -an denen es in diesem Stücke nicht fehlt, lagen in den Händen femininer -Urninge, namentlich erregte ein bekannter Baron in der Titelrolle durch -seine natürliche Darstellungsweise stürmische Heiterkeit. Nach dem -Diner folgte Tanz, und trotzdem die Weine reichlich flossen, geschah -nichts Indezentes. Da einige Gäste in Damentoilette waren, machte -man sich den harmlosen Spaß, Urningen, die sich besonders männlich -vorkamen, weibliche Kleidungsstücke, wie Hüte und Shawls anzulegen; -manche machten gute Miene zum bösen Spiel, andere aber wurden recht -verdrießlich, denn man findet Urninge, denen alles, was zum Weibe -gehört, so wenig zusagt, daß ihnen der Gedanke, selbst Weibliches an -sich zu haben, unerträglich ist. - -Auch in minder bemittelten Urningskreisen sind Gesellschaften in -Berlin sehr beliebt und verbreitet. Ich greife auch hier ein Beispiel -ans der Erinnerung heraus. Ein mit Glücksgütern nicht sehr gesegneter -Homosexueller beging seinen Geburtstag. In einer kleinen Vorortskneipe -hatten sich die Geladenen, darunter seine zwei normalsexuellen -Brüder, eingefunden. Man tat sich an Bockwürsten, Kartoffelsalat und -Schweizerkäse gütlich, während der Sohn des Wirtes die Gassenhauer -des Tages auf dem Klaviere zum besten gab. Dann trat „Schwanhilde“, -auch „Herr Schwan geborene Hilde“ genannt, ein bekannter Berliner -Urning, auf. Er stellte eine Berliner Köchin, welche zum Theater -gehen wollte, dar und wirkte besonders belustigend, als er zum Schluß -die Barfußtänzerin Isadora Duncan parodierte. Ein Damenimitator -niedrigster Gattung, der zufällig im Vorraum der Wirtschaft saß, wurde -gebeten, sein Repertoire vorzutragen. Dazwischen trat ein echter Mann -auf, ein Kohlenträger vom Landwehrkanal, ein „schwerer Junge“, mit -tätowierten Armen, glattangelegtem Scheitel, gestricketem Sweater und -jener eigentümlichen Mischung von Plumpheit und Grazie, wie sie den -Arbeitern dieser Gattung eigen zu sein pflegt. Er sang eine große Reihe -nicht eben dezenter Lieder im Berliner Volkston, ohne eine Spur von -Stimme, mit vielen Sprachfehlern, jeden Satz unterstützt von grotesken -Bewegungen, denen zwischen den Versen Drehungen des Körpers folgten, -alles in seiner Ungeschicklichkeit so zusammenpassend, daß es nicht -ohne Wirksamkeit war. Allmählich rückte man Tische und Stühle bei -Seite und ging zum Tanze über, bei dem sich eine Episode von schwer -wiederzugebender Situationskomik ereignete. Als man mitten im Tanzen -war, trat plötzlich -- die Polizeistunde war längst überschritten --- ein Schutzmann mit strenger Amtsmiene ein. Nur einen Augenblick -stockte die fröhliche Stimmung, dann faßte einer der Anwesenden -- ein -urnischer Musiker -- den Schutzmann rasch entschlossen um die Taille -und walzte mit ihm los. Dieser war so verblüfft, daß er kaum Widerstand -entgegensetzte, eifrig mittanzte und sich bald mit dem Wirtssohn und -dem Kohlenträger in die Rolle des begehrtesten und aufgefordertsten -Tänzers teilte. - -Es gibt natürlich auch viele urnische Gesellschaften, die einen -ungleich ernsteren Charakter tragen. So sammelte ein alter Berliner -Privatgelehrter jeden Winter mehrere Male einen kleinen Kreis um sich -in seinem künstlerisch ausgestatteten Heim. Es waren meist zehn bis -zwölf Herren aus akademischen Ständen zugegen, von denen nur zwei -bis drei nicht homosexuell waren. Der Alte, welcher seine Gäste mit -schweren Südweinen, Austern, Hummern und ähnlichen Leckerbissen -bewirtete, hatte noch Alexander v. Humboldt und Iffland gekannt, -war mit Hermann Hendrichs und Karl Ulrichs befreundet gewesen und -schien unerschöpflich in der Wiedergabe seiner Erinnerungen. Die -Gespräche berührten fast ausschließlich das homosexuelle Problem. Da -debattierte ein jüngerer katholischer Geistlicher mit einem schon -ergrauten evangelischen Pfarrer über Uranismus und Christentum; -mehrere Philologen stritten sich über Shakespeares Sonette, während -die Juristen und Mediziner die Frage erörterten, inwieweit sich -der § 51 des R.-St.-G.-B., welcher von dem Ausschluß der freien -Willensbestimmung handelt, schon jetzt zu Gunsten der Homosexuellen -verwenden ließe. - -Den ernstesten Charakter unter den Gesellschaften der Berliner Urninge -tragen die am Weihnachtsheiligabend veranstalteten Zusammenkünfte. Mehr -als an jedem anderen Tage fühlt an diesem Feste des Familienglücks der -urnische Junggeselle sein einsames Los. Viele würden den Abend noch -trauriger verleben, wenn unter den wohlhabenden Homosexuellen nicht -stets einer oder der andere wäre, der die Heim- und Heimatlosen um sich -sammelte. - -Ich greife auch hier ein Bild aus der Großstadt heraus. - -Schon am Tage vor dem Fest hatte der Hausherr den Weihnachtsbaum, eine -große Silbertanne, selbst geschmückt; alles Bunte wurde vermieden, -zwischen den weißen Wachskerzen sind Silberguirlanden, Eiszapfen, -Schneeflocken, Glaskugeln und Engelhaar, das sich wie Spinngewebe von -Ast zu Ast zieht, geschmackvoll angebracht, und hoch am Wipfel ist ein -großer Silberstern befestigt, auf dem ein Posaunenengel im lichten -Tüllgewand „Friede den Menschen auf Erden“ verkündigt. Dann wurden -die kleinen Geschenke fein säuberlich in Seidenpapier geschlagen und -um den Baum herumgelegt, für jeden etwas: ein Kalender, ein Buch, ein -kleiner Schmuckgegenstand, wohl gar ein Kettenring, ein Taschenspiegel, -eine Schnurrbartbinde. In der Frühe des Vierundzwanzigsten hat der -Hausherr das große Tischtuch von feinstem Leinen aus dem Schranke -hervorgeholt, mit dem Diener die Tafel gedeckt, das Silber verteilt, -die Servietten gefaltet, mächtige Obstschalen gefüllt, jeden Teller mit -einem Blumensträußchen versehen und vor den Kristallgläsern zierliche -Tischkarten gelegt. Dabei kommt man manchmal bei diesem ober jenem -der Eingeladenen in nicht geringe Verlegenheit, wenn man sich seines -wirklichen Namens nicht entsinnen kann. Man hat ihn das ganze Jahr mit -einem weiblichen Spitznamen angeredet, von dem man aber an diesem Abend -gern Abstand nehmen möchte. - -Noch eine zweite Tafel wird im Korridor gedeckt, dort sollen die -Kinder und das Dienstpersonal ihr Weihnachtsmahl einnehmen -- jawohl -die Kinder -- ein seltener Anblick im Urningsheim. Man hat nämlich -zur Bescheerung die zwei Kleinen der Waschfrau und die drei Enkel -des Portiers geladen. Es wird Wert darauf gelegt, daß am Nebentisch -dieselben Gerichte wie an der Haupttafel genossen werden und daß auch -hier alles recht feierlich aussieht. - -Der Beginn ist erst auf 8 Uhr festgesetzt, da einige vorher in einem -verwandten oder befreundeten Hause der Bescheerung angewohnt haben, ehe -sie in den Kreis ihrer Freunde kommen. Endlich, als alle eingetroffen, -verschwindet der Hausherr in den bis dahin verschlossenen Salon, zündet -die Kerzen an, wirft noch einen Blick auf die Geschenke und ruft -zunächst die Kinder und jenen Gast herein, der ihre Weihnachtslieder -am Klavier begleiten soll. Nun werden die Doppeltüren geöffnet, und -hell tönen die Kindergesänge von der stillen, heiligen Nacht und der -seligen, fröhlichen Weihnachtszeit. - -Tiefer Ernst liegt auch auf allen Zügen, in manchem Auge blinkt -eine Träne, selbst die „lange Emilie“, der sonst immer lustige -Damenkonfektionär, kann seine Rührung nicht bemeistern. Weit, weit -zurück ziehen die Gedanken der Uranier in jene Zeiten, in denen ihnen -dieser Tag auch ein Familienfest war, als noch nichts gemahnte, daß -ihr Geschick sich so ganz anders gestalten würde, wie das der längst -verheirateten Geschwister; erst ganz allmählich öffnete sich die -Kluft, die sie von den Ihren trennte, dann kamen die langen Jahre, wo -sie diesen Abend friedlos und freudlos im Restaurant oder bei „einem -guten Buch“ im „möblierten Zimmer“ verbrachten. Manche gedenken -ihrer zerstörten Hoffnungen, was hätten sie leisten können, wenn sich -nicht alte Vorurteile ihrer Laufbahn hindernd in den Weg gestellt -hätten, und andere in angesehenen Stellungen gedenken der schwer auf -ihnen lastenden Lebenslüge! Viele gedenken der Eltern, die tot oder für -die sie tot sind, und alle in inniger Wehmut des Weibes, das sie über -alles liebte und das sie über alles liebten -- ihrer Mutter. - -Jetzt sind die Kinderstimmen verklungen, man reicht sich die kleinen -Gaben, beschenkt besonders reichlich die Kinder und die Dienstboten -und setzt sich zu Tisch. Die Tafelgespräche sind nicht so fröhlich wie -sonst; man spricht von dem guten X., der letztes Jahr noch am heiligen -Abend teilnahm, und den nun auch schon die Erde deckt. - -Langsam läßt die Spannung nach, der Ton wird etwas heiterer, aber -der ernste Unterton bleibt, und über dem ganzen Abend ruht ein Hauch -weltschmerzlicher Sentimentalität. - -„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden! Wann -endlich“ -- so schrieb mir vor einigen Jahren ein Homosexueller am -Weihnachtsheiligabend -- „Wann endlich wird man erkennen, daß auch zu -uns der Erlöser kam, daß auch wir nicht ausgeschlossen sein sollten von -seiner gütigen, edlen, barmherzigen, allumfassenden Liebe?“ - -Es war in der Frühe des letzten Weihnachtsmorgens, als ich zu einem -urnischen Studenten im Westen Berlins gerufen wurde, von dem es hieß, -daß er in der Nacht einen Tobsuchtsanfall gehabt hätte. - -Als ich zu ihm kam, bot sich mir ein furchtbarer Anblick; das ganze -Zimmer war erfüllt von Scherben und Möbelstücken, zerrissenen Tüchern, -Büchern und Papieren, alles mit Blut, Tinte und Petroleum vermischt. -Vor dem Bette befand sich eine große Blutlache, und auf der Bettstatt -lag ein junger Mann mit wachsbleichem Gesicht, aus dem seltsam -tiefe, flammende Augen hervorleuchteten, schwarze Strähnen umgaben -die feingeschnittenen, regelmäßigen Züge. Um Stirn und Arme waren -blutdurchtränkte Lappen geschlungen. - -Er hatte sich wegen seines Uranismus mit seinem strengen Vater, -einem angesehenen Bürger Berlins, überworfen, keiner gewann es über -sich, dem andern gute Worte zu geben, und nun war er am Heiligabend, -dem ersten, den er fern von der Familie verlebte, herumgeirrt durch -die menschenleeren Straßen der Millionenstadt. Von der Gegenseite -der Straße hatte er, in einem dunklen Gange sich herumdrückend, die -glänzenden Lichter in der Wohnung der Eltern gesehen, das Lachen -der jüngeren Geschwister war an sein Ohr gedrungen, und für einige -Augenblicke schaute er die Umrisse der Mutter, die während des -Kinderjubels sinnend ihre Stirn an die Fensterscheiben lehnte. - -Als sie oben die Lichter löschten, war er in die nächste Budike -gegangen, hatte an einem abgelegenen Ecktisch ein Schnapsglas nach dem -andern geleert, in einer zweiten und dritten Destille das Gleiche getan -und in verödeten Kaffeehäusern für schwarzen Kaffee mit Kirsch sein -letztes Geld verausgabt. - -Nachdem er dann in der kalten Winternacht heimgekehrt und die vier -Treppen im Hofe heraufgewankt war, hatte sich seiner ein ungeheurer -Erregungszustand bemächtigt. Er hatte alles zertrümmert und die -brennende Lampe zerschlagen in der Erwartung, daß er sich an -geöffneten Pulsadern verbluten würde. Ein von den Wirtsleuten eilends -herbeigerufener Arzt hatte durch die Türspalte gelugt und rasch ein -Attest zur Überführung in die Irrenabteilung der Charité geschrieben. - -Ein Freund des Kranken holte mich zu ihm; ich wusch und verband ihm -an jenem Weihnachtsvormittag eine Wunde nach der andern; er klagte -nicht und sprach kein Wort, aber die flammenden Augen sprachen und -die blassen Lippen sprachen und jede einzelne Wunde sprach von seinem -tiefen Leide und der hohen, heiligen Aufgabe derer, die an dem -Befreiungswerke der Uranier arbeiten. -- - -Neben den Privatgesellschaften, Diners, Soupers, Kaffees, 5 Uhr Thees, -Picknicks, Hausbällen und Sommerfesten, die die Berliner Homosexuellen -in nicht geringer Menge veranstalten, sind die Jours fixes zu erwähnen, -von denen jeden Winter einige von Urningen und Uranierinnen für ihre -Freunde und Freundinnen eingerichtet werden. - -Sehr bekannt war jahrelang der Sonntag-Nachmittags-Empfang bei einem -urnischen Kammerherrn, auf dem viele Personen von Rang und Stand -erschienen. Die leibliche Bewirtung besteht hier meist in Tee und -Gebäck, die geistige in musikalischen Darbietungen. Letzten Winter -war es besonders der _Jour_ fixe eines urnischen Künstlers, der -sich großer Beliebtheit erfreute. Der überaus gastfreundliche Wirt -empfing seine Gäste, unter denen sich viele homosexuelle Ausländer, -namentlich aus den russischen Ostseeprovinzen und den skandinavischen -Ländern, sowie auch oft homosexuelle Damen befanden, in einer Art -Zwischenstufengewand, einem Mittelding zwischen Prinzeßrobe und -Amtsrobe. Die Musikvorträge, zumal die Gesänge des Hausherrn in -Baryton und Alt und das Klavierspiel eines dänischen Pianisten -standen künstlerisch auf der Höhe. Man sah dort regelmäßig einen -österreichischen Studenten der Chemie, der stets schweigsam und ernst -dasaß, sich aber sichtlich unter Seinesgleichen wohl fühlte, da er -immer wiederkam. Im Frühjahr, als die Zusammenkünfte zu Ende waren -und der Russe Berlin verließ, ging jener Student eines Abends in eine -Urningskneipe und ließ sich vom Klavierspieler Koschats „Verlassen“ -spielen; als die melancholische Weise erklang, nahm er unbemerkt -ein Stückchen Cyankali, das ihn in wenigen Sekunden leblos zu Boden -streckte. „Selbstmord aus unbekannten Gründen“ verzeichnete der -Polizeibericht, in Wirklichkeit der Selbstmord eines Homosexuellen, wie -er sich in Berlin nur allzu oft ereignet. - -Nicht immer ist die Homosexualität die direkte Ursache, aber fast -stets ist der indirekte Zusammenhang zwischen der Homosexualität -und dem gewaltsamen Ende leicht nachweisbar. Da ist ein urnischer -Offizier, im Kadettenkorps erzogen, mit Leib und Seele Soldat, er -hatte sich außerdienstlich eine homosexuelle Handlung zu Schulden -kommen lasten, sie wurde lautbar, und ein schlichter Abschied war die -Folge. Er hat nichts anderes gelernt, als sein Kriegshandwerk, nun -sucht er kaufmännische Stellungen, sucht, findet und verliert eine -nach der andern, die Familie will nichts mehr von ihm wissen, er steht -allein, verliert jeden Halt, sinkt immer tiefer, greift zum Alkohol, -zum Morphium und endlich zur erlösenden Waffe. So kenne ich viele -Tragödien; erst vor wenigen Wochen endete ein früherer Leutnant auf -diese Weise. „Ursache: Schulden“, schrieben die Zeitungen; jawohl, -Schulden, aber die Grundursache lag tiefer, es war der Verlauf, wie -ich ihn soeben schilderte; -- an der Homosexualität war er zu Grunde -gegangen. - -Vor einigen Tagen nahm ich einem homosexuellen Lehrer, der mich -aufsuchte, ein Fläschchen Blausäure fort. Er hatte keine strafbare -Handlung begangen, sich nie gleichgeschlechtlich betätigt; er war -eben erst in den Schuldienst getreten, als dem Direktor ein anonymes -Schreiben zugegangen war, der neue Lehrer sei ein Päderast; der Chef -ließ ihn kommen, und auf Befragen gab er zu, homosexuell veranlagt -zu sein. Man gab ihm den wohlmeinenden Rat, auf seine Entlassung -anzutragen, er tat es, fand aber nicht den Mut, es seiner alten Mutter -zu sagen, die gedarbt hatte, damit er Lehrer werden könne. Nun irrte -auch er nach Stellung umher in dem großen Berlin, in dem es so viele -Stellen, aber so viel mehr Stellenlose gibt. - -Es sind gewiß mehr als zwanzig Homosexuelle, die ich im Laufe der -letzten acht Jahre vor dem Selbstmord bewahren konnte; ob ich ihnen -einen guten Dienst erwies, ich weiß es nicht, und doch erfüllt es mich -mit stiller Freude, daß ich ihnen das Leben und sie dem Leben erhalten -konnte. -- - -Einen den geschilderten Jourfixen ähnlichen, wenn auch schon mehr -vereinsartigen Charakter tragen die regelmäßigen Zusammenkünfte, -wie sie von Homosexuellen an bestimmten Abenden in bestimmten -Lokalen veranstaltet werden; auch hier ist es gewöhnlich eine -Person, um die sich die anderen gruppieren, nur bewirtet sich -jeder aus eigenen Mitteln. Vielbesucht war lange Jahre der Klub -„Lohengrin“, welcher sich um einen unter dem Namen „Die Königin“ -bekannten Weinhändler zusammenfand. Während hier die Unterhaltung -in musikalischen und deklamatorischen Darbietungen bestand, tragen -manche dieser Vereinigungen, wie die „Gemeinschaft der Eigenen“, die -„Platen-Gemeinschaft“, einen mehr literarischen Charakter. Auch ein -Kabaret, das von Urningen geleitet und hauptsächlich von diesen besucht -wird, gibt es in Berlin. - -Auf allen diesen Veranstaltungen tritt die eigentliche Sexualität -genau so zurück wie in den entsprechenden normalsexuellen Kreisen. -Das Bindemittel ist lediglich das aus der Gemeinsamkeit der -Lebensschicksale sich ergebende Gefühl der Zusammengehörigkeit. - -Haben alle die genannten Gesellschaften einen mehr geschlossenen -Charakter, so ist die Zahl derer, die allgemein zugänglich sind, noch -viel bedeutender. Daß manche Restaurationen, Hotels, Pensionate, -Badeanstalten, Vergnügungslokale, trotzdem sie jedermann offen -stehen, fast ausschließlich von Urningen besucht werden, wird weniger -merkwürdig erscheinen, wenn man bedenkt, daß viel weniger scharf -gekennzeichnete Gruppen in Berlin ihre Lokale haben, die fast ganz von -ihnen existieren; so gibt es Restaurationen, in denen nur Studenten, -nur Schauspieler, nur Artisten verkehren, andere, die nur von Beamten, -nur von Kaufleuten bestimmter Waren, von Liebhabern bestimmter -Spiele und Sports leben, wieder andere, die nur von Buchmachern, -Falschspielern oder irgend einer Verbrecherkategorie besucht werden. - -Man kann Lokalitäten unterscheiden, die von Urningen bevorzugt, aber -auch von anderen Personen aufgesucht werden, und solche, die lediglich -von jenen frequentiert sind. Zu ersteren gehört ein sehr großes -Münchener Bierrestaurant der Friedrichstadt, in dem seit Jahren zu -bestimmten Stunden stets an hundert Homosexuelle und mehr zu finden -sind. Auch in bestimmte Kaffeehäuser ziehen sich die Urninge mit -Vorliebe hin, wobei alle paar Jahre ein Wechsel zu beobachten ist; oft -sind es Lokale, wo der Wirt oder ein Kellner selbst urnisch sind, meist -werden bestimmte Abteilungen der Wirtschaften besonders bevorzugt. Die -urnischen Damen treffen sich vielfach in Konditoreien; so befindet sich -im Norden der Stadt eine, die täglich zwischen 4 und 6 Uhr nachmittags -von urnischen Israelitinnen zahlreich besucht wird, welche hier Kaffee -trinken, plaudern, Zeitungen lesen, Skat und mit Vorliebe Schach -spielen. - -Im Sommer sind es stets gewisse Gartenlokale, in denen sich die Urninge -in großer Zahl einfinden, während sie andere, wenigstens in Gruppen, -meiden. In einigen dieser Konzertgärten macht sich neben der weiblichen -auch die männliche Prostitution bemerkbar. - -In einem der vornehmsten Berliner Konzertlokale war vor einigen Sommern -das Treiben der Homosexuellen so arg geworden, daß Kriminalbeamte -hinbeordert wurden, um dem rücksichtslosen Gebahren, das nicht schwer -genug gerügt werden kann, ein Ende zu bereiten. - -Es muß der Berliner Polizei zu ihrem Lobe nachgesagt werden, daß -_agents provocateurs_ bei ihr außerordentlich selten sind. Es wäre -den Beamten gewiß leicht, Homosexuelle herauszufinden, indem sie sich -selbst als homosexuell gerierten; es soll dies in früheren Zeiten auch -vorgekommen sein; mir ist nur ein Fall bekannt, und zwar spielte sich -dieser in dem erwähnten Konzertlokal ab, in dem ein Urning den ihn -beobachtenden Kriminalbeamten für Seinesgleichen hielt, glaubte, daß -ihm Avancen gemacht würden, und keinen kleinen Schreck bekam, als er -auf seine zärtliche Berührung hin arretiert, zur Wache gebracht und -später dann auch wegen „tätlicher Beleidigung“ verurteilt wurde. - -Neben diesen Lokalen gibt es in Berlin eine ganze Anzahl, die ganz -ausschließlich von Urningen besucht werden. Ihre Zahl genau anzugeben, -ist sehr schwierig. Medizinalrat =Näcke=[1] dürfte wohl recht haben, -wenn er annimmt, daß in Berlin mehr als zwanzig Urningskneipen -vorhanden sind. Immer wieder höre ich gelegentlich in meiner Praxis -urnische Restaurationen erwähnen, die mir bis dahin unbekannt waren. -Jede dieser Wirtschaften hat noch ein besonderes Gepräge; in der -einen halten sich mehr ältere, in einer anderen mehr jüngere, wieder -in einer anderen ältere und jüngere Leute auf. Fast alle sind gut -besucht, an Sonnabenden und Sonntagen meist überfüllt. Wirte, Kellner, -Klavierspieler, Coupletsänger sind fast ausnahmslos selbst homosexuell. - -Man hat Homosexuelle aus der Provinz, die sich zum ersten Male in -solchen Lokalen aufhielten, in tiefer seelischer Erschütterung weinen -sehen. - -In allen diesen Kneipen geht es durchaus anständig zu; hie und -da werden sie von der Kriminalpolizei oder deren Geheimagenten -kontrolliert, doch hat sich fast nie eine Veranlassung zum -polizeilichen Einschreiten ergeben. - -Rudolf Presber hat kürzlich in einem Feuilletonartikel unter dem -Titel: „Weltstadttypen“ eine anschauliche Schilderung einer solchen -Urningskneipe entworfen. Er schreibt: - -„Die letzte Station dieser interessanten Nachtfahrt machten wir in -einem feineren Restaurant. Hier führen keine ausgetretenen klitschigen -Stufen hinunter, sondern sauber gescheuerte Treppen hinauf. Bessere -Gegend und ein besseres Haus. Die Ausstattung der Räume behaglich, -nicht ohne Wärme. Bilder an den Wänden in goldenen Rahmen. Statt -des gräflichen Orchestrions, das kaum in einer der früher gesehenen -Kneipen fehlte, neben riesigem Notenpack ein anständiges Klavier. Und -davor ein ganz erträglicher Spieler und daneben ein hagerer Jüngling -mit sprossendem Bart, mit weibischen Bewegungen und einem gequält -süßen Lächeln, einen breitrandigen Frauenhut mit wehendem Schleier -auf dem pomadisierten Kopf. Der Jüngling singt -- Sopran.... Die -beiden Stuben gut mit Gästen gefüllt. Kein schlechtes Publikum, so -scheint's. Keiner spuckt auf die Dielen, keiner hat einen Zahnstocher -zwischen den Zähnen, keiner säubert sich die Ohren oder kratzt sich -die Beine, wie wir's den ganzen Abend über schaudernd genossen. Ein -paar würdige alte Herren, ein paar ausrasierte Sportstypen, ein paar -Künstler mit gebrannten und gelegten Locken. Dem Harmlosen mag hier -zunächst wenig auffallen. Vielleicht nimmt's ihn nur Wunder, daß -auch der zweite Sänger -- Sopran singt. Vielleicht erstaunt er, daß -in keiner der gutgefüllten Stuben ein weibliches Wesen zu sehen ist -... Man trinkt mäßig an sauber gedeckten Tischen. Kein unanständiges -Wort wird gesprochen, und die Lieder, die gesungen werden, haben -keine zotigen Pointen. Eher scheint das Sentimentale dieser andächtig -lauschenden Versammlung zuzusagen. Und als einer der Sopransänger, sich -in den Hüften wiegend, als schlenkere er niederfließende rauschende -Frauenröcke, ein gar schmelzendes Liedchen beendigt, wendet sich ein -an unserem Tisch sitzender, vornehm aussehender Greis an einen von -uns, tippt ihn mit ganz leichter Vertraulichkeit auf den Arm und fragt -bescheiden, aber mit seltsam leuchtenden Augen: „Gefällt's Ihnen bei -uns?“ - -„Keine Übeltäter hier, keine Verbrecher an der Person, keine -Verbrecher am Eigentum. Unglückliche, Entrechtete, die den Fluch eines -geheimnisvollen Rätsels der Natur durch ihr einsames Leben schleppen. -Menschen, die sich im Kampf des Tages ihre geachtete Stellung erobert -haben. Redlich arbeitende, deren Ehrenhaftigkeit niemand anzweifelt, -deren Wort und Name seine gute Geltung hat; und die sich doch unter -dem Druck eines mittelalterlich grausamen Gesetzesparagraphen scheu -und heimlich zusammenfinden müssen, fern von den normalen Glücklichen -ihre stets vom Gesetz, von der Verachtung, von der Erpressertücke -gefährdeten unbesiegbaren Triebe den Gleichfühlenden einzugestehen. - -Im gefunden Herzen ehrliches Mitleid mit diesen Kranken, die eine -letzte mittelalterliche Unvernunft den Verbrechern gleichstellt, -treten wir hinaus auf die stille Straße. Wolkenlos spannt sich der -Sternenhimmel der Julinacht über den mondbeglänzten Dächern. Mit -dem riesigen Schlüsselbund rasselnd, schleicht ein Nachtwächter an -den lichtlosen Häusern entlang. In einem Torbogen drückt sich ein -Liebespaar inbrünstig die Hände. Fern und ferner klingt der Sopran....“ - -So Presber. -- Eine andere Urningskneipe, die wir betreten, besteht aus -vier ziemlich großen Zimmern. Es ist schwer Platz zu finden. Im zweiten -und vierten Raum stehen Klaviere, in dem einen trägt „die Engeln“ die -neuesten Lieder vor, in dem andern wird getanzt, nicht Mann und Weib, -sondern Mann und Mann. Sie tanzen mit sichtlicher Hingebung; der -weibliche Teil schmiegt sich schmachtend dem männlichen Partner an; -die schlechte Musik materialisiert sich förmlich in ihnen; wenn der -Klavierspieler abbricht, scheint es, als ob sie aus melodientrunkener -Tonseligkeit zu rauher Wirklichkeit erwachen. - -Besonders eigenartig sind die Kaffeegesellschaften, wie sie nicht -selten in diesen Lokalen stattfinden. Der Wirt, der Coupletsänger -oder irgend ein Stammgast feiern ihren Geburtstag und haben diesem -Fest zu Ehren ihre „Freundinnen“ zu sich gebeten. Zur festgesetzten -Nachmittagsstunde erscheinen die Gäste, meist Urninge des Handwerker- -und Arbeiterstandes. Jeder überreicht dem Geburtstagskinde ein -Angebinde, eine selbstgefertigte Handarbeit, eine Probe eigener -Kochkunst, ein paar künstliche oder natürliche Blumen. Die Begrüßungen -sind sehr lebhaft, zierliche Knixe und Verbeugungen, denen sittsame -Freundschaftsküsse auf die Wange folgen. Wie sie sich dann drehen und -zieren, sich Schmeicheleien sagen, das Herausziehen der Hutnadel, das -Aufraffen des Rockes, das Zurechtziehen der Taille, das Hinlegen der -nicht vorhandenen Schleppe markieren, sich dann endlich mit den Worten: -„Haben Sie schon gehört, meine Teure“ niederlassen, alles das ist -von schwer zu schildernder Drolligkeit. Einzelne „Honoratioren“, wie -die „Baronin“, die „Direktorin“, die „_Chambre separée_'sche“ werden -besonders freudig und respektvoll begrüßt, die Zuspätkommenden mit -launigen Scheltworten empfangen. Eine Stunde später, als man „geladen“, -sitzt alles bei Tisch und während sich nun ein Schnattern und Plappern, -ein Lachen, Juchzen und Kreischen in so verwirrendem Durcheinander -erhebt, daß einem männlichen Gaste angst und bange werden kann, -verschwinden mit erstaunlicher Geschwindigkeit Berge von Kuchen und -Ströme von Kaffee. Nachdem den Sprech- und Kauwerkzeugen einigermaßen -genüge geschehen, werden die mitgebrachten Handarbeiten hervorgeholt, -man häkelt, strickt, stickt und näht, zugleich aber tragen die -künstlerischen Kräfte, welche in Urningsgesellschaften selten fehlen, -mit Gesängen, Deklamationen und Vorträgen zur Unterhaltung bei. -Ihren Höhepunkt aber erreicht die Stimmung, wenn das Geburtstagskind -unter lautem Beifall aller von einem der Gäste graziös zum Flügel -geleitet wird und in wohllautendem Alt mit ebenso viel Sehnsucht, als -Unwahrscheinlichkeit sein Lieblingslied: „Ach, wenn ich doch ein Räuber -wär'“ zum Besten gibt. Kein Mißklang trübt das harmlose Treiben weniger -flüchtiger Stunden, bis die Abendbrotzeit die muntere Schar wieder in -alle Winde verscheucht. - -Wer zum erstenmale den Gesprächen in diesen Kneipen lauscht, wird -erstaunt sein über die große Zahl weiblicher, oft sehr absonderlicher -Namen, die an sein Ohr dringen. Bald wird er gewahr, daß es sich um -Spitznamen handelt, welche die Gäste sich untereinander beilegen. Die -Gründe dieser verbreiteten Sitte sind verschiedene; einmal verschweigen -die meisten Personen, die sich hier einfinden, begreiflicherweise -ihre wahren Namen, so daß die anderen, im Bedürfnis, sich über sie zu -unterhalten, zu selbstgewählten Bezeichnungen greifen, außerdem fühlt -man instinktiv, daß die Anrede „Herr so und so“ bei vielen, =keineswegs -bei allen=, in so starkem Gegensatz zu ihrem femininen Wesen steht, und -endlich bietet sich in der Wahl dieser Necknamen eine gute Gelegenheit, -den ja auch gerade im Berliner tief wurzelnden Drang nach Scherz und -Humor zu befriedigen. In vielen, namentlich virileren Urningskreisen -ist der Gebrauch derartiger weiblicher Spitznamen übrigens verpönt. - -Viele dieser Namen sind lediglich weibliche Umgestaltungen der -entsprechenden männlichen Vornamen; so wird aus Paul Paula, aus Fritz -Frieda, aus Erich Erika, aus Georg Georgette, aus Theodor Dorchen oder -Thea, aus Otto Ottilie oder auch Otéro. In einem Berliner Urningsliede, -in welchem geschildert wird, wie eine Mutter auf die Nachricht, ihr -Sohn sei „pervers“, in großer Besorgnis zu ihm eilt, und dieser sie -beruhigt, indem er ihr als Zeugnis seiner Normalität die an ihn -gerichteten Liebesbriefe vorzeigt, welche die Unterschrift „Luise“ -tragen, heißt es am Schlusse: - - „Beim Abschiedskuß an meiner Tür, - Da dachte ich dann still bei mir: - Wie gut, liebe Mutter, daß Du nicht weißt, - Daß meine Luise -- Ludwig heißt.“ - -Oft sind diese weiblichen Namen noch mit Unterscheidungszusätzen -verbunden; so gibt es eine Näsenjuste, eine Schmalzjuste, eine -Klammerjuste, Klamottenjuste, Handschuhjuste und Blumenjuste, eine -Lange-Anna, Ballhausanna und Blaueplüschanna, eine Hundelotte und eine -Quietschlotte, eine Spitzenkaroline und eine Umsturzkaroline (weil -er durch seine lebhaften Armbewegungen jeden Abend mindestens ein -Glas Bier „umstürzen“ soll), eine Butterriecke, eine Käseklara, eine -Lausepaula, eine Harfenjule und eine Totenkopfmarie. - -Viele Urninge erhalten altdeutsche Beinamen, wie Hildegarde, Kunigunde, -Thusnelda, Schwanhilde und Adelheid, oder klangvolle Adelsnamen, wie -Wally von Trauten, Berta von Brunneck, Asta von Schönermark oder noch -hochtönendere; so findet man in diesen Kneipen neben der Markgräfin, -der Landgräfin, der Burggräfin und der Kurfürstin (weil sie in der -Markgrafen-, Landgrafen-, Burggrafen- und Kurfürstenstraße wohnen) -die Marquise de la place d'Alexandre (wohnt am Alexanderplatz), die -Herzogin von Aschaffenburg, die Herzogin d'Angoulème, die Großfürstin -Olga, die Königin Natalie, die Carmen Sylva, die Kaffeekönigin, die -Polenkönigin, die Oberstallmeisterin, die Excellenzfrau, die Kaiserin -Messalina und die Kaiserin Katharina. - -Manche führen ihre Namen von ihrem Beruf; so wird ein urnischer -Ballettänzer „Jettchen Hebezeh“, ein Damenschneider „Jenny Fischbein“ -und ein Damenkomiker „Pokahuntas, die hinterindische Nachtigall“ -genannt. - -Ich bemerke, daß sämtliche hier angeführten Spitznamen von zwei -Gewährsmännern innerhalb kurzer Zeit in einem einzigen Berliner -Urningslokal gesammelt wurden. Von Beinamen, die der Zoologie -entstammten, fanden sie unter anderen: die „Schweizerkuh“, das -„Meerschweinchen“, „die Gipskatze“ (weil er sich stark pudert), „die -Krückente“, „die Ententrittsche“ (weil er beim Gehen „watschelt“), -„die schwarze Henne“, „die Nebelkrähe“, „die Spitzmaus“, „die -Brillenschlange“ und „die Kreuzspinne“; von botanischen Bezeichnungen: -„das Blauveilchen“, „das Apfelröschen“, „das Resedaköpfchen“, „Paprika“ -(auch „Papp-Rieka“ genannt), „die Rosine“ und „die Weintraube“ (weil er -so leicht gerührt ist). - -Mit großer Vorliebe wird den Titeln oder hervorstechenden Eigenschaften -ein „in“ oder „sche“ oft in sehr origineller Weise angehängt; der -Direktor wird zur „Direktorin“, der Geheimrat zur „Geheimrätin“, ein -Rechtsanwalt heißt „die Anwaltsche“, ein vornehmer Urning, der mit -seinen Freunden häufig im Chambre separée speisen soll, heißt „die -Chambreseparéesche“, ein anderer, der viel das Sonnenbad besucht, „die -Lichtluftbadsche“, während ein Klavierspieler „die Klaviersche“, einer -der sich stark schminkt „die Zinnobersche“ und ein Elektrotechniker -kurzweg „die Elektrische“ genannt wird. - -Eine Gruppe für sich bilden die „Soldatentanten“, welche vielfach -ihre Spitznamen nach denjenigen Truppenteilen bekommen, für die sie -sich besonders interessieren; so gibt es eine „Ulanenjuste“, eine -„Dragonerbraut“, eine „Kürassieranna“, eine „Kanoniersche“, ja sogar -eine „Schießschulsche“, der seinen Namen davon führt, weil er mit -Vorliebe die Wirtschaften in der Umgegend der Schießschule aufsucht. - -Von anderen Berliner Spitznamen, die weniger leicht zu rubrizieren -sind, erwähne ich noch: „Minehaha, das lächelnde Wasser“, „Rebekka, die -Mutter der Kompagnie“, „Anita mit dem Giftzahn“, „Cleo die Marode“, -„Traudchen Hundgeburt“, „Die heilige Beryllis“, „Die Genossin meiner -Schmach“, „die freie Schweizerin“, die „gute Partie“, „die hohe Frau“, -„die Rollmopstante“, „Susanne in der Wanne“, „die weiße Wand“ (pudert -sich stark), „Rotundelein“, „Locusblume“, (Namen zweier Urninge, denen -man nachsagt, daß sie öfter, als notwendig, die Bedürfnisanstalten -aufsuchen), „das Waldmensch“, „die Mutter Wolffen“, „Violetta“, -„Aurora“, „Melitta“, „Rosaura“, „Kassandra“, „Goulasch“, „die Ahnfrau“, -„die Grabesbraut“, „der Abendstern“ und „die Morgenstunde“, weil er -Gold im Munde, nämlich mit Goldplomben versehene Zähne hat. - -Auch die Uranierinnen führen in ihren Kreisen, besonders auch in ihren -Lokalen, deren es ebenfalls eine Reihe gibt, analoge Namen. Nur findet -man bei ihnen im Gegensatz zu den Männern meist einfache Vornamen, -selten Beinamen, die sich auf irgend eine besondere Eigenschaft ihrer -Trägerin beziehen; bevorzugt werden einsilbige Namen, wie Fritz, Heinz, -Max, Franz, namentlich Hans; doch findet man auch solche, die Arthur, -Edmund, Theo, Oskar, Roderich, Rudolf genannt werden. - -Merkwürdig viele Namen von Uranierinnen sind der Geschichte und -Litteratur entnommen; ich nenne von Berlinerinnen: Napoleon, Nero, -Cäsar, Heliogabal, Caligula, Antinous, Gregor, Carlos, Posa, Mortimer, -Götz, Tasso, Egmont, Armin, Teja, Blücher, Ofterdingen, Karl Moor, -Franz Lerse, Jörn Uhl, Don Juan, Puck und Hiddigeigei. - -Weniger schöne Spitznamen weiblicher Urninge sind Bubi, Rollmops, -Kümmelfritze und Schinkenemil. - -Besondere Berücksichtigung verdienen unter den Berliner Urningslokalen -die „Soldatenkneipen“, welche, meist in der Nähe der Kasernen gelegen, -in den Stunden vom Feierabend bis zum Zapfenstreich am besuchtesten -sind. Um diese Zeit sieht man in diesen Wirtschaften meist gegen 50 -Soldaten, darunter auch Unteroffiziere, die hingekommen sind, um sich -einen Homosexuellen zu suchen, der sie freihält, und selten kehrt -jemand in die Kaserne zurück, ohne das Gewünschte gefunden zu haben. -Diese Lokale sind meist von kurzem Bestand. Fast immer werden sie dem -Militär nach kurzer Zeit durch Regimentsbefehl verboten, nachdem irgend -ein Unbekannter, gewöhnlich aus Brotneid oder Rachsucht, „gepfiffen“ -hat. Es tun sich dann stets bald wieder ein oder zwei, auch mehrere -ähnliche Lokale in derselben Gegend auf. Erst vor kurzem flog wieder -im Südwesten der Stadt eine typische Soldatenkneipe auf, die „zur -Katzenmutter“ genannt wurde; ich weiß nicht, ob der sonderbare Name -von der alten Wirtin herrührte, in deren schleichendem Gang und -rundem, schnurrbartgeziertem Gesicht etwas unverkennbar Katzenartiges -lag, oder von den Katern und Katzen, die zwischen Tischen und Stühlen -herumsprangen und deren Bildnisse die Wände des seltsamen Lokals -schmückten. - -Würde ein Normalsexueller derartige Lokale betreten, er würde sich -vielleicht wundern, daß dort so viele fein gekleidete Herren mit -Soldaten sitzen, im übrigen aber wohl kaum jemals etwas Anstößiges -finden. Die hier bei Bockwurst mit Salat und Bier geschlossenen -Freundschaften zwischen Homosexuellen und Soldaten halten oft über die -ganze Dienstzeit, nicht selten darüber hinaus vor. So mancher Urning -erhält, wenn der Soldat schon längst als verheirateter Bauer fern -von seiner geliebten Garnison Berlin in heimatlichen Gauen das Land -bestellt, „Frischgeschlachtetes“ als Zeichen freundlichen Gedenkens. -Es kommt sogar vor, daß sich diese Verhältnisse auf die nachfolgenden -Brüder übertragen; so kenne ich einen Fall, wo ein Homosexueller nach -einander mit drei Brüdern verkehrte, die bei den Kürassieren standen. - - -Gewöhnlich kommt der Soldat, wenn der Dienst zu Ende, in die Wohnung -seines Freundes, der ihm bereits sein Lieblingsessen eigenhändig -gekocht hat, dessen gewaltige Mengen hastig verschlungen werden. Dann -nimmt der junge Krieger in gesundheitsstrotzender Breite auf dem Sofa -Platz, während der Urning, bescheiden auf einem Stuhle sitzend, ihm die -mitgebrachte zerrissene Wäsche flickt oder die Weihnachtspantoffeln -stickt, mit denen jener eigentlich überrascht werden sollte, die aber -zu verheimlichen, die Beherrschungskraft des glücklichen Liebhabers um -ein Beträchtliches übersteigt. - - -Währenddem werden alle die kleinen Einzelheiten des königlichen -Dienstes besprochen; was der „Alte“ (Hauptmann) beim Apell gesagt hat, -was morgen für Dienst ist, wann man auf Wache muß und ob man ihn nicht -am nächsten Tage irgendwo vorbeimarschieren sehen könnte. Schließlich -geleitet man ihn bis in die Nähe der Kaserne, nicht ohne vorher die -Feldflasche mit Rotspohn gefüllt und die Butterstullen eingepackt zu -haben. - -Am Parademorgen aber steht der Urning in der Belle-Alliancestraße an -der verabredeten Stelle schon ganz früh, um ja noch in der ersten Reihe -Platz zu bekommen. Hoffentlich ist sein Soldat Flügelmann, daß man ihn -auch ganz genau sieht. Und nachher wird ausgeharrt, bis er zurückkommt, -und abends hat er dann Urlaub, dann geht es zu „Buschen“ in den Cirkus, -nachdem er zuvor die 50 Pfennige, die er an diesem Tage als Extrasold -erhielt, in die bei seinem Freunde stationierte Sparbüchse versenkt hat. - -Ein noch größerer Feiertag aber ist das -„Kaisersgeburtstagskompagnievergnügen“. Da geht der Homosexuelle als -„Cousin“ mit seinem Freunde hin. In rührender Glückseligkeit tanzt er -mit dem Mädchen, mit welchem gerade zuvor sein Soldat getanzt hat, er -hat keine Ahnung, wie sie aussieht, denn er hat nur auf ihn gesehen -und während er das Mädchen umfaßt hielt, nur an ihn gedacht. Womöglich -spricht auch der Hauptmann mit ihm als Cousin seines Gefreiten oder -Unteroffiziers. Es kann sich aber auch ereignen, daß der Homosexuelle -zu seinem Leidwesen diesem Festtage fern bleiben muß, wenn er nämlich -einige Tage zuvor mit einem der anwesenden Offiziere irgendwo an -demselben Diner teilgenommen hat. - -Die Gründe, welche den Soldaten zum Verkehr mit Homosexuellen -veranlassen, liegen nahe; es ist einmal der Wunsch, sich das Leben -in der Großstadt etwas komfortabler zu gestalten, besseres Essen, -mehr Getränke, Zigarren und Vergnügungen (Tanzboden, Theater &c.) zu -haben; dazu kommt, daß er -- der oft sehr bildungsbedürftige Landwirt, -Handwerker oder Arbeiter -- im Verkehr mit dem Homosexuellen geistig -zu profitieren hofft, dieser gibt ihm gute Bücher, spricht mit ihm -über die Zeitereignisse, geht mit ihm ins Museum, zeigt ihm, was sich -schickt und was er nicht tun soll; das oft drollige, komische Wesen -des Urnings trägt auch zu seiner Erheiterung bei; wenn sein Freund -ihm abends Couplets vorsingt oder ihm gar, mit dem Lampenschirm als -Kapotte und einer Schürze weiblich zurecht gestutzt, etwas vortanzt, -amüsiert er sich in seiner Naivität über alle Maßen. Weitere Momente -sind der Mangel an Geld oder an Mädchen, die dem Soldaten nichts -kosten, die Furcht vor den beim Militär sehr übel accreditierten -Geschlechtskrankheiten und die gute Absicht, der daheim bleibenden -Braut treu zu bleiben, der man beim Abschied die Treue geschworen und -die in jedem „Schreibebrief“ ängstlich an diesen Schwur gemahnt. - -In der Nähe der geschilderten Kneipen befindet sich vielfach auch -der „militärische Strich“, auf dem die Soldaten einzeln oder in -Paaren gehend Annäherung an Homosexuelle suchen. Ich will hier auf -eine wichtige Erscheinung hinweisen, auf die mich ein weit gereister -Homosexueller aufmerksam machte, und deren Richtigkeit mir auf Befragen -seitdem von zuverlässigen Gewährsmännern übereinstimmend bestätigt -wurde. Die „Soldatenprostitution“ ist in einem Lande um so stärker, je -mehr die Gesetze die Homosexualität verfolgen. Offenbar hängt diese -Tatsache damit zusammen, daß man in Ländern mit Urningsparagraphen von -den Soldaten am wenigsten Erpressungen und andere Unannehmlichkeiten zu -fürchten hat. - -Außer in London, wo sich in den belebtesten Parks und Straßen -vom Spätnachmittag bis nach Mitternacht zahlreiche Soldaten in -unverkennbarer Weise feilbieten, fand unser Gewährsmann in keiner -Weltstadt jeden Abend solche Auswahl an Soldaten verschiedener -Waffengattungen, wie in Berlin. Es gibt etwa ein halbes Dutzend -Stellen, auf denen die Soldaten nach Einbruch der Dämmerung in -bestimmter Absicht auf- und abgehen. Wie die Lokale, wechseln auch die -„Striche“ ziemlich häufig, so ist erst neuerdings ein vielbegangener -Weg, das Planufer, den Soldaten verboten worden. - -Sehr verbreitet ist die Soldatenprostitution namentlich in den -skandinavischen Hauptstädten; in Stockholm läßt man seit einigen -Jahren sogar eigene Militärpatrouillen auf Soldaten fahnden, die -zu dem erwähnten Zwecke „herumstreichen“, doch hat dies, wie unser -Gewährsmann, der lange in der schwedischen Hauptstadt lebte, -versichert, nichts geholfen. - -In Helsingfors, der Hauptstadt Finlands, einem Orte von etwa 80.000 -Einwohnern, ist die militärische Prostitution ganz besonders stark -hervortretend. Etwas geringer ist sie in Petersburg, wo auf einem -vom Centrum der Stadt weit entfernten Platz besonders Matrosen -Bekanntschaften mit Homosexuellen suchen. - -Unser Gewährsmann vergleicht mit diesen Städten Paris, wo er „in -18 Monaten nur Rudimente eines militärischen Strichs“ nachweisen -konnte, sowie die einschlägigen Verhältnisse in Amsterdam, Brüssel, -Rom, Mailand, Neapel und Florenz (Städte ohne Urningsparagraphen) -und gelangt zu dem Schlusse, „daß in allen europäischen Ländern mit -strengen Strafbestimmungen gegen den homosexuellen Verkehr die Hingabe -von Soldaten in einer Weise auftritt, die man nicht für möglich halten -sollte, wenn man es nicht mit eigenen Augen beobachtet hat, während man -in Ländern ohne Urningsparagraphen fast nichts von dieser Erscheinung -bemerkt“. - -Die gebräuchliche Bezeichnung „Soldatenprostitution“ entspricht -übrigens dem sonstigen Begriff der Prostitution nicht, da es sich ja -bei den Soldaten keineswegs „um eine berufs- oder gewerbsmäßige Hingabe -des Körpers“ handelt. Ich möchte hier der weitverbreiteten Ansicht -entgegentreten, als ob dem Verkehr zwischen Soldaten und Homosexuellen -gewöhnlich Akte zu Grunde liegen, die an und für sich strafbar sind. -Kommt es zu geschlechtlichen Handlungen, was durchaus nicht immer der -Fall ist, so bestehen diese fast stets in Erregungen durch Umarmen, -Aneinanderpressen und Berühren der Körperteile, wie dies überhaupt -bei homosexueller Betätigung die Regel ist. Die Vorstellung, der -homosexuelle, namentlich auch der weiblicher geartete, sei Päderast in -des Wortes üblichem Sinn, ist eine vollkommen irrtümliche. In meiner -Praxis ereignete sich kürzlich eine Episode, die mir zeigte, wie stark -auch noch in Berlin diese Meinung vorherrscht. Bald nachdem in den -Zeitungen infolge der von mir unternommenen statistischen Umfrage über -die Zahl der Urninge viel von Homosexualität die Rede war, suchte -mich ein biederer Schlächtermeister aus dem Osten auf, ein völlig -normaler Familienvater, welcher sich allen Ernstes mit folgenden Worten -einführte: „Ich habe seit einigen Wochen ein so starkes Jucken in der -Nähe des Afters und wollte Sie daher bitten, einmal nachzusehen, ob ich -homosexuell veranlagt bin.“ - -Die Seltenheit eigentlich päderastischer Akte ändert aber nichts an -der Grausamkeit und Ungerechtigkeit der betreffenden Strafbestimmung, -da das gesellschaftlich Vernichtende bereits die Voruntersuchung ist -und das Gericht -- wenn bestraft wird, auch ganz mit Recht -- sich -nicht so streng an die bestimmte Art der Betätigung hält. Im übrigen -wiederhole ich, daß das rein sexuelle Moment im Leben und der Liebe des -Homosexuellen keine größere Rolle spielt, wie im nichturnischen Leben; -ich würde diese Frage ihres intimen und privaten Charakters wegen -überhaupt nicht in den Kreis meiner Betrachtungen gezogen haben, wenn -sie nicht von den Verfechtern einer falschen Moral immer wieder als -Hauptsache in den Vordergrund gezerrt würde. -- - -Es gibt noch einen zweiten Stand, der in Berlin seit langer Zeit mit -den Urningen vielfache Beziehungen unterhält; das sind die Athleten. -Die zahlreichen Athleten-Vereine der Hauptstadt setzen sich zumeist aus -unverheirateten Arbeitern zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr zusammen; -größtenteils sind es Schlosser, Schmiede oder sonstige Eisenarbeiter. -Bei diesen Leuten gilt Kraft, Gefahr und Kühnheit alles. In ihren Augen -ist „der Kampf zwischen Rußland und Japan überhaupt kein Kampf, weil so -viel geschossen und so wenig gerungen, gestochen und geboxt wird“. - -Wir betreten einen Athletenklub, welcher mit Homosexuellen im -Zusammenhange steht. Im Nebenzimmer einer kleinen Gastwirtschaft wird -„gearbeitet“. Der kleine Raum ist von Öl-, Metall- und Schweißgeruch -erfüllt, jener eigentümlichen Ausdünstung, wie sie den Körpern der -Eisenarbeiter zu entströmen pflegt. Auf dem Boden liegen Eisenstangen, -Hanteln, Gewichte von 100 und mehr Pfund, daneben eine Matratze, auf -der gerungen wird. Acht bis zehn kraftstrotzende Athleten sind zugegen, -teils in schwarzem Tricot, teils mit entblößtem Oberkörper, Brust und -Arme tätowiert. - -An der Fensterseite des Zimmers steht ein langer, schmaler Tisch, -von Bänken umgeben, auf denen eine Anzahl Herren sitzen, deren -vornehme Züge und Anzüge mit denen der starken Männer seltsam -kontrastieren. Oben am Tisch sitzt die Präsidentin oder Protektorin des -Athletenklubs, ein Damenschneider, auf den das Wort Martials zutrifft, -„daß er mit einer kleinen Ausnahme alles von seiner Mutter hat“. -Kein Uneingeweihter würde in ihm ein Mitglied des Athletenklubs -- -geschweige denn dessen Präsidentin vermuten. - -Auf dem Tisch befindet sich eine Sparbüchse, in welche die Gäste ihr -Scherflein zur Deckung der Unkosten, Anschaffung von Gewichten und -Matratzen tun. Außerdem berichtigen sie die Zechen ihrer Athleten, die -vor und während der Arbeit in Selter, Limonade und Zigaretten, nach dem -Gewichteheben und Ringen in Bier und Abendbrot bestehen. - -Die urnischen Freunde sorgen, daß fleißig geübt wird, die plastische -Schönheit der Bewegungen, das Spiel der Muskeln wird von den -sachverständigen Gönnern eifrig verfolgt, jeder „Gang“ auf das -lebhafteste kritisiert. - -Manche Homosexuelle verbinden sich mit den Athleten besonders -auch deshalb, um, wenn sie irgendwie belästigt oder infolge des -unglücklichen § 175 erpreßt werden, handfeste, unerschrockene Männer -zur Verfügung zu haben, auf deren Schutz und „tatkräftige“ Freundschaft -sie sicher bauen können. - -Von einigen Wirten urnischer Lokale, aber durchaus nicht von diesen -allein, werden namentlich im Winterhalbjahr große Urningsbälle -veranstaltet, die in ihrer Art und Ausdehnung eine Spezialität von -Berlin sind. Hervorragenden Fremden, namentlich Ausländern, die in der -jüngsten der europäischen Weltstädte etwas ganz Besonderes zu sehen -wünschen, werden sie von höheren Beamten als eine der interessantesten -Sehenswürdigkeiten gezeigt. Sie sind auch bereits wiederholt -beschrieben, so neuerdings von Oskar Méténier in „_Vertus et Vices -allemands, les Berlinois chez eux_“.[2] In der Hochsaison von Oktober -bis Ostern finden diese Bälle in der Woche mehrmals, oft sogar mehrere -an einem Abend statt. Trotzdem das Eintrittsgeld selten weniger als -1,50 M. beträgt, sind diese Veranstaltungen meist gut besucht. Fast -stets sind mehrere Geheimpolizisten zugegen, die acht geben, daß nichts -Ungeziemendes vorkommt; soweit ich unterrichtet bin, lag aber noch nie -ein Anlaß vor, einzuschreiten. Die Veranstalter haben Ordre, möglichst -nur Personen einzulassen, die ihnen als homosexuell bekannt sind. - -Einige der Bälle erfreuen sich eines besonderen Renommées, vor allem -der kurz nach Neujahr veranstaltete, auf dem die neuen, vielfach -selbst gefertigten Toiletten vorgeführt werden. Als ich diesen Ball -im letzten Jahr mit einigen ärztlichen Kollegen besuchte, waren -gegen 800 Personen zugegen. Gegen 10 Uhr abends sind die großen Säle -noch fast menschenleer. Erst nach 11 Uhr beginnen sich die Räume zu -füllen. Viele Besucher sind im Gesellschafts- oder Straßen-Anzug, -sehr viele aber auch kostümiert. Einige erscheinen dicht maskiert in -undurchdringlichen Dominos, sie kommen und gehen, ohne daß jemand ahnt, -wer sie gewesen sind; andere lüften die Larve um Mitternacht, ein -Teil kommt in Phantasiegewändern, ein großer Teil in Damenkleidern, -manche in einfachen, andere in sehr kostbaren Toiletten. Ich sah einen -Südamerikaner in einer Pariser Robe, deren Preis über 2000 Frcs. -betragen sollte. - -Nicht wenige wirken in ihrem Aussehen und ihren Bewegungen so weiblich, -daß es selbst Kennern schwer fällt, den Mann zu erkennen. Ich erinnere -mich, daß ich auf einem dieser Bälle mit einem auf diesem Gebiet sehr -erfahrenen Kriminalwachtmeister ein Dienstmädchen beobachtete, von dem -der Beamte fest überzeugt war, daß sie ein richtiges Weib sein müsse, -auch ich hatte nur geringe Zweifel, um in der Unterhaltung mit ihr aber -doch wahrzunehmen, daß sie „ein Mann“ war. Wirkliche Weiber sind auf -diesen Bällen nur ganz spärlich vorhanden, nur dann und wann bringt -ein Uranier seine Wirtin, eine Freundin oder -- seine Ehefrau mit. Man -verfährt im allgemeinen bei den Urningen nicht so streng wie auf den -analogen Urnindenbällen, auf denen jedem „echten Mann“ strengstens der -Zutritt versagt ist. Am geschmacklosesten und abstoßendsten wirken -auf den Bällen der Homosexuellen die ebenfalls nicht vereinzelten -Herren, die trotz eines stattlichen Schnurrbartes oder gar Vollbartes -„als Weib“ kommen. Die schönsten Kostüme werden auf ein Zeichen, des -Einberufers mit donnerndem Tusch empfangen und von diesem selbst -durch den Saal geleitet. Zwischen 12 und 1 Uhr erreicht der Besuch -gewöhnlich seinen Höhepunkt. Gegen 2 Uhr findet die Kaffeepause -- -die Haupteinnahmequelle des Saalinhabers -- statt. In wenigen Minuten -sind lange Tafeln aufgeschlagen und gedeckt, an denen mehrere hundert -Personen Platz nehmen; einige humoristische Gesangsvorträge und Tänze -anwesender „Damenimitatoren“ würzen die Unterhaltung, dann setzt sich -das fröhliche Treiben bis zum frühen Morgen fort. - -In einem der großen Säle, in welchem die Urninge ihre Bälle -veranstalten, findet auch fast jede Woche ein analoger Ballabend für -Uranierinnen statt, von denen sich ein großer Teil in Herrenkostüm -einfindet. Die meisten homosexuellen Frauen auf einem Fleck kann man -alljährlich auf einem von einer Berliner Dame arrangierten Kostümfest -sehen. Das Fest ist nicht öffentlich, sondern gewöhnlich nur denjenigen -zugänglich, die einer der Komiteedamen bekannt sind. Eine Teilnehmerin -entwirft mir folgende anschauliche Schilderung: „An einem schönen -Winterabend fahren von 8 Uhr ab vor einem der ersten Berliner Hotels -Wagen auf Wagen vor, denen Damen und Herren in Kostümen aller Länder -und Zeiten entsteigen. Hier sieht man einen flotten Couleurstudenten -mit mächtigen Renommierschmissen ankommen, dort hilft ein schlanker -Rokokoherr seiner Dame galant aus der Equipage. Immer dichter füllen -sich die strahlend erleuchteten weiten Räume; jetzt tritt ein dicker -Kapuziner ein, vor dem sich ehrfurchtsvoll Zigeuner, Pierrots, -Matrosen, Klowns, Bäcker, Landsknechte, schmucke Offiziere, Herren und -Damen im Reitanzug, Buren, Japaner und zierliche Geishas neigen. Eine -glutäugige Carmen setzt einen Jockey in Brand, ein feuriger Italiener -schließt mit einem Schneemann innige Freundschaft. Die in buntesten -Farben schillernde fröhliche Schar bietet ein höchst eigenartiges -anziehendes Bild. Zuerst stärken sich die Festteilnehmerinnen an -blumengeschmückten Tafeln. Die Leiterin in flotter Sammetjoppe heißt -in kurzer kerniger Rede die Gäste willkommen. Dann werden die Tische -fortgeräumt. Die „Donauwellen“ erklingen, und begleitet von fröhlichen -Tanzweisen, schwingen sich die Paare die Nacht hindurch im Kreise. -Aus den Nebensälen hört man helles Lachen, Klingen der Gläser und -munteres Singen, nirgends aber -- wohin man sieht -- werden die Grenzen -eines Kostümfestes vornehmer Art überschritten. Kein Mißton trübt -die allgemeine Freude, bis die letzten Teilnehmerinnen beim matten -Dämmerlicht des kalten Februarmorgens den Ort verlassen, an dem sie -sich unter Mitempfindenden wenige Stunden als das träumen durften, -was sie innerlich sind. Wem es je vergönnt war, schließt Frl. R. -ihren Bericht, ein derartiges Fest mitzumachen, wird aus ehrlicher -Überzeugung sein Leben lang für die ungerecht verleumdeten Uranierinnen -eintreten, denn er wird sich darüber klar geworden sein, daß es überall -gute und schlechte Menschen gibt, daß die homosexuelle Naturveranlagung -aber ebensowenig wie die heterosexuelle von vornherein einen Menschen -zum Guten oder Bösen stempelt.“ - -Nicht weniger wie die Bälle, sind auch die „Herrenabende“ besucht, -theaterartige Veranstaltungen, welche von Zeit zu Zeit von Urningen für -Urninge gegeben werden. Gewöhnlich sind sämtliche auftretenden Künstler -„Zwischenstufen“; besonders beliebt ist es, berühmte Literaturwerke -homosexuell zu parodieren, und es erregt nicht geringe Heiterkeit, -wenn die Engeln als Marthe Schwertlein, die Harfenjule als Salome oder -gar Schwanhilde, als Maria Stuart, Königin Elisabeth und Amme in einer -Person auftritt. - -Außer den Restaurants gibt es in Berlin auch Hotels, Pensionate und -Badeanstalten, die fast ausschließlich von Homosexuellen besucht -werden; dagegen habe ich ein von Pastor Philipps neuerdings, wie -bereits früher, erwähntes Berliner Gemeinschaftshaus der Homosexuellen -bisher nicht ermitteln können. - -Die Homosexualität in Badeanstalten ist in Berlin bei weitem nicht so -verbreitet, wie in anderen Großstädten, namentlich in St. Petersburg -und Wien. In der österreichischen Hauptstadt befindet sich ein Bad, das -durch den ganz außerordentlich starken Zusammenfluß von Homosexuellen -an bestimmten Tagen, zu gewissen Stunden einzig dastehen dürfte. In -Berlin weiß ich von vier mittelgroßen Badeanstalten, die nur von -homosexueller Kundschaft leben. Auch einige Schwimmbassins sind zu -bestimmten Tageszeiten Treffpunkte der Homosexuellen. - -Vielfach sind in diesen Anstalten, ebenso wie in den Restaurationen -und Hotels, der Besitzer oder ein Angestellter homosexuell. Dieselben -sind ursprünglich meist nicht in der Absicht gegründet, urnische -Bekanntschaften zu vermitteln oder gar der Unzucht Vorschub zu leisten -(im Sinne des § 180 R.-St.-G.-B.), vielmehr hat es sich allmählich -herumgesprochen, daß der Eigentümer oder der Oberkellner oder ein -Masseur „so“ ist, worauf sich dann viele Urninge dorthin ziehen, weil -sie sich dort ungenierter fühlen. - -Die Besitzer sind sich oft gewiß nicht darüber klar, daß sie dabei -Gefahr laufen, mit dem Kuppeleiparagraphen des Strafgesetzbuches in -Konflikt zu geraten. Vor kurzem erregte ein Prozeß wegen homosexueller -Kuppelei ziemliches Aufsehen, der gegen einen alten Uranier -angestrengt wurde, welcher mit einem Freunde im Westen der Stadt ein -Pensions-Hotel führte, das überwiegend von homosexuellen Damen und -Herren aufgesucht wurde. Trotzdem die Angeklagten -- meines Erachtens -nicht mit Unrecht -- darauf hinwiesen, daß sie keine höheren Preise -forderten und erhielten, wie sie in ähnlichen Etablissements üblich -sind, ferner, daß sie sich nicht befugt hielten, zu kontrollieren, was -ihre Gäste, zu denen ein vielgenannter Reichstagsabgeordneter gehörte, -auf ihren Zimmern mit ihren Besuchern täten, wurden beide zu einer -Gefängnisstrafe von einem Monat verurteilt. - -Einer wieviel größeren Gefahr setzen sich die Hotelwirte aus, bei -denen sich für wenige Stunden die männlichen Prostituierten mit ihren -Herren einfinden, sowie die urnischen Absteigequartiere, deren es -in Berlin eine ganze Anzahl geben soll. Diese Quartiere sind eine -unmittelbare Folge der durch den § 175 geschaffenen Verhältnisse. Sie -werden besonders von Uraniern vornehmer Gesellschaftskreise, auch viel -von uranischen Offizieren auswärtiger Garnisonen benutzt, die sich aus -wohlbegründeter Furcht, Erpressern, Verbrechern oder Verrätern in die -Hände zu fallen, an diese Vertrauenspersonen wenden, die ihnen etwas -„ganz Sicheres“ besorgen sollen. - -In Brüssel wurde in diesem Sommer ein Schuhmacher mit seiner Frau -verhaftet, bei dem man zahlreiche Albums mit Photographieen vorfand, -die den Nachfragenden zur Auswahl vorgelegt wurden. Ähnliches kommt -auch in Berlin vor. Wie mir verbürgt mitgeteilt wurde, gibt es -Vermittler, bei denen sich Herren mündlich und schriftlich, ja sogar -telegraphisch Personen unter Angabe aller möglichen fetischistischen -Liebhabereien bestellen, einen Kürassier mit weißen Hosen und hohen -Stiefeln, Männer in Frauen- und Frauen in Männerkleidern, einen -Bierkutscher, einen Steinträger in Arbeitsanzug, ja sogar einen -Schornsteinfeger. Fast alle finden dann zu der bestimmten Stunde -das Erbetene vor. Auch für urnische Damen existieren ähnliche -Vermittelungslokale. - -Unbewußt leistet auch die Berliner Tagespresse den Urningen -umfangreiche Mittlerdienste. In manchen Blättern findet man fast -täglich mehrere Inserate, die homosexuellen Zwecken dienen, wie „junge -Frau sucht Freundin“, „junger Mann sucht Freund“. Ich gebe hier einige -Beispiele derartiger Annoncen wieder, die innerhalb kurzer Zeit -Berliner Zeitungen verschiedenster Parteirichtung entnommen wurden. - -Wie mir mehrfach versichert wurde, werden diese Inserate von denen, für -die sie berechnet sind, sehr wohl verstanden. - - =Älterer Herr=, kein Damenfreund, sucht Bekanntschaft mit - Gleichgesinnten. Zuschr. erb. unt. _=S.O.=_ 2099 an die - Exped. d. Bl. - - * * * * * - - =Älterer= Junggeselle wünscht gleichgesinnten „Anschluß“, - Morgenpost Bülowstraße. - - * * * * * - - =Herr=, 23, sucht Freund. Zuschriften unter „Sokrates“ an - Hauptexpedition Kochstraße erbeten. - - * * * * * - - Junggeselle, gut. Ges., sucht freundschaftl. Verkehr m. - led. gleichges. Herrn in ält. Jahr. Off. =_A. B._= 11 - Postamt 76. - - * * * * * - - =Jung. geb. Mann, 29 Jahr, sucht freundschaftl. Verkehr m. - energisch herrischem, gut situiertem Herrn. Briefe erb. - unt. _T. L. W._ Expedit. d. Blattes.= - -Wir haben bereits wiederholt die männliche Prostitution erwähnen müssen -und dürfen diese gewiß beklagenswerte Erscheinung nicht übergehen, -wenn wir eine einigermaßen vollständige Schilderung der vielseitigen -Gestaltungsformen geben wollen, in denen uns das urnische Leben Berlins -entgegentritt. - - =Fräulein=, anständ., 24 Jahre, sucht hübsches Fräulein als - Freundin. Offerten unt. Nr. 3654 an die Exped. erbeten. - - * * * * * - - =Dame=, 36, wünscht freundschaftlichen Verkehr. Postamt 16, - „Plato“. - - * * * * * - - =Herzensfreundin=, nette, sucht geistvolle, lebenslustige - Dame, 23. Psyche, Postamt 69. - - * * * * * - - =Suche gebild. Freundin, Anfang 30, am liebsten Blondine. - Off. u. _H. R._ 1622 Exp. d. Bl.= - - * * * * * - - =Schneiderin=, 22, wünscht „Freundin“, Postamt 33. - -Wie jede Großstadt, hat auch Berlin neben der weiblichen eine männliche -Prostitution. Beide sind eng verwandt durch Abstammung, Wesen, -Ursachen und Folgen. Hier wie dort kommen stets zwei Gründe zusammen, -von denen bald der eine, bald der andere den Ausschlag gibt: innere -Anlagen und äußere Verhältnisse. In denjenigen, die der Prostitution -anheimfallen, ruhen von Jugend an bestimmte Eigentümlichkeiten, unter -welchen ein mit dem Hang zur Bequemlichkeit verbundener Drang zum -Wohlleben am deutlichsten hervortritt. Sind bei diesen Eigenschaften -die äußeren Verhältnisse günstig, sind namentlich die Eltern vermögend, -so verfallen die jungen Leute nicht der Prostitution; tritt aber -häusliches Elend hinzu, kümmerlicher Lebensunterhalt, Arbeits- und -Stellungslosigkeit, Mangel an Unterkommen und womöglich die größte -aller Sorgen, der Hunger, dann halten wohl von Natur aus stabile, in -sich gefestigte Charaktere stand, die labilen aber suchen die nie -fehlende Versuchung, sie erliegen und verkaufen sich, trotz der Tränen -der Mutter. - -Es gibt Menschenfreunde, die die Besserung von der Freiheit des Willens -und andere, die sie vom Zwang der Verhältnisse erwarten; nach Erziehung -und Religion verlangen die einen, nach dem Zukunftsstaat die anderen. -Beide sind zu optimistisch. Wer helfen will, muß innen und außen -ansetzen, die Verhältnisse zu bessern trachten, daß kein Mädchen und -kein Jüngling es nötig hat sich zu verkaufen, und die Personen bessern -unter besonderer Rücksicht der Vererbungsgesetze, daß niemand die -Neigung verspürt, sich als Ware feilzubieten. - -Ihr sagt, das ist nicht zu erreichen, ich aber meine, nur was man -aufgibt, ist verloren. - -Das Arbeitsfeld der Prostitution ist die Straße; bestimmte Gegenden und -Plätze, die sogenannten „Striche“. Ein Homosexueller zeigte mir einmal -einen Plan von Berlin, auf dem er diese mit blauen „Strichen“ versehen -hatte; die Zahl der so bezeichneten Stellen war keine geringe. - -Seit alters spielt auf diesem Gebiete der Tiergarten in einigen seiner -Partieen eine besondere Rolle. Es gibt wohl keinen zweiten Wald, der so -mit Menschenschicksalen verwoben ist, wie dieser über 1000 Morgen große -Park. - -Nicht seine landschaftlichen Schönheiten, nicht der künstlerische -Schmuck, der Menschen Leben, Lieben und Leiden verleihen ihm seine -Bedeutung. Vom frühen Morgen, wenn die Begüterten auf den Reitwegen -ihr Herz entfetten, bis zum Mittag, wenn der Kaiser seine Spazierfahrt -unternimmt, vom Frühnachmittag, wenn im Parke tausend Kinder spielen, -bis zum Spätnachmittag, wenn sich das Bürgertum ergeht, hat jeder -Weg zu jeder Jahreszeit und jeder Stunde sein eigenes Gepräge. Hätte -Emile Zola in Berlin gelebt, ich zweifle nicht, daß er diesen Forst -durchforscht und von dem, was er wahrgenommen, ein Werk von der Wucht -Germinals geschaffen hätte. - -Wenn es aber Abend wird und sich anderen Welten die Sonne neigt, mischt -sich mit dem Hauch der Dämmerung ein Hauch, der suchend und sehnend -aufsteigt aus Millionen irdischer Wesen, ein Teil des Welt=geistes=, -den manche den Geist der Unzucht nennen, und der doch in Wahrheit nur -ein Bruchstück der großen gewaltigen Triebkraft ist, die, so hoch wie -Nichts und so niedrig wie Nichts, unablässig gestaltet, waltet, bildet -und formt. - -Überall treffen sich an den Kreuzwegen des Tiergartens verabredete -Paare, man sieht, wie sie sich entgegeneilen, sich freudig begrüßen und -aneinander geschmiegt im Gespräch der Zukunft entgegenschreiten, man -steht sie sich auf noch freien Bänken niederlassen und schweigend sich -umarmen und neben der hohen, der unveräußerlichen geht die niedere, -käufliche Liebe einher. - -Auf drei weit auseinander gelegenen Wegen halten sich Weiber, -auf zweien Männer feil. Während in der Stadt die weibliche und -männliche Prostitution durcheinander flutet, hat hier jede ihren -„Strich“ für sich, von den männlichen ist der eine allabendlich -fast nur von Kavalleristen erfüllt, deren Säbel in der Finsterniß -seltsam aufblitzen, während der andere, eine ziemlich lange Strecke, -größtenteils von den verwegenen Burschen eingenommen wird, die sich -im Berliner Volkston mit Vorliebe selbst „keß und jemeene“ nennen. -Hier ist eine jener alten halbrunden Tiergartenbänke, auf der in den -Stunden vor Mitternacht an dreißig Prostituierte und Obdachlose dicht -nebeneinander sitzen, manche sind fest eingeschlafen, andere johlen und -kreischen. Sie nennen diese Bank die „Kunstausstellung.“ Dann und wann -kommt ein Mann, steckt ein Wachsstreichholz an und leuchtet die Reihe -ab. - -Nicht selten tönt in das Juchzen der Jungen ein greller Schrei, der -Hilferuf eines im Walde Beraubten oder Gemißhandelten, oder ein kurzer -Knall schallt in die von den entfernten Zelten in vereinzelten Stößen -herüberdringende Musik -- er kündet von einem, der sein Leben verneinte. - -Und wer Originale sucht, von denen sehr zu Unrecht behauptet wird, sie -seien in der Großstadt ausgestorben, im Tiergarten sind sie reichlich -zu finden. Seht Ihr die Alte dort mit den vier Hunden am Neuen See? -Seit vierzig Jahren macht sie mit kurzer Sommerunterbrechung zu -derselben Stunde denselben Spaziergang, nie von Menschen begleitet, von -jener Zeit ab, da ihr am Hochzeitstage zwischen der standesamtlichen -und kirchlichen Trauung der Mann am Blutsturz verschied; seht Ihr -dort die ausgedörrte, gekrümmte Gestalt im struppigen Graubart? Das -ist ein russischer Baron, der erspäht sich abends eine einsame Bank, -dort läßt er sich nieder und schreit „rab, rab, rab“, ähnlich wie ein -Rabe krächzt; aus unsichtbaren Wegen tauchen auf diesen Lockruf einige -„kesse Schieber“ hervor, es sind seine Freunde, unter denen er die -„Platten“, gewöhnlich drei bis fünf Mark, verteilt, die ihm von seinem -Tageszins geblieben sind. - -Die männlichen Prostituierten zerfallen in zwei Gruppen, in solche, -die normalgeschlechtlich und in solche, die „echt“, d. h. selbst -homosexuell sind. Letztere sind zum Teil stark feminin, und einige -gehen auch gelegentlich in Weiberkleidern aus, was jedoch in den -Kreisen der weiblichen Prostituierten übel vermerkt wird. Es ist dies -zwischen beiden fast der einzige _casus belli_, denn die Erfahrung -hat sie gelehrt, daß sie ohne diese Vorspiegelung falscher Tatsachen -einander nicht die Kundschaft fortnehmen. Eine ziemlich gebildete -Prostituierte, die ich einmal nach einer Erklärung des guten -Einvernehmens zwischen den weiblichen und männlichen Prostituierten -fragte, antwortete mir: „Wir wissen doch, daß jeder „Freier“ nach -seiner Façon selig werden will.“ - -Unter den Berliner Prostituierten kommen vielfach eigentümliche -Paarungen vor. So tun sich normale männliche Prostituierte, die -sogenannten Pupenluden, nicht selten mit normalen weiblichen -Prostituierten zu gemeinsamer „Arbeit“ zusammen, auch von zwei -Geschwisterpaaren ist mir berichtet, von denen sowohl die Schwester -wie der Bruder diesem erniedrigenden Gewerbe obliegen; sehr häufig -leben zwei weibliche und nicht selten auch zwei männliche Prostituierte -zusammen, und endlich kommt es auch vor, daß sich homosexuelle -weibliche Prostituierte mit homosexuellen männlichen Prostituierten -als Zuhältern verbinden, die sie für weniger brutal halten, als ihre -heterosexuellen Kollegen. - -Bekannt ist es, daß es unter den weiblichen Prostituierten eine große -Anzahl homosexueller gibt, man schätzt sie auf 20%. Mancher wundert -sich über diesen scheinbaren Widerspruch in sich, da doch das käufliche -Dirnentum vor allem der sexuellen Befriedigung des Mannes dient. -Vielfach meint man, es liege hier eine Übersättigung vor, das ist aber -in Wirklichkeit nicht der Fall, denn es läßt sich nachweisen, daß -diese Mädchen gewöhnlich schon homosexuell empfanden, ehe sie sich der -Prostitution ergaben, und es beweist die Tatsache ihrer Homosexualität -eigentlich nur, daß sie den Verkauf ihres Körpers lediglich als ein -Geschäft betrachten, dem sie mit kühler Berechnung gegenüberstehen. - -Merkwürdig ist das Verhältnis der sich liebenden Prostituierten -untereinander. Bis in diese Kreise ist das System der doppelten Moral -gedrungen. Denn während der männliche, aktive Teil, der „Vater“ -sich frei fühlt und sich auch außerhalb seines gemeinschaftlichen -Schlafgemachs weiblichen Verkehr gestattet, verlangt er von der -weiblich passiven Partnerin in Bezug auf homosexuellen Umgang die -vollkommenste Treue. Bei entdecktem Treubruch setzt sich sein -Verhältnis den schwersten Mißhandlungen aus, es kommt sogar vor, -daß der männliche Teil dem weiblichen während der Zeit ihres -Liebesbündnisses verbietet, ihrem Gewerbe nachzugehen. - -Die weibliche Straßenprostitution Berlins unterhält auch vielfach -Beziehungen mit urnischen Frauen besserer Gesellschaftskreise, ja -sie scheut sich nicht, Frauen, die ihr homosexuell erscheinen, auf -der Straße Anerbietungen zu machen. Dabei ist zu bemerken, daß die -Preise für Frauen durchgängig geringere sind, ja, daß in vielen Fällen -jede Bezahlung abgewiesen wird. Mir berichtete eine junge Dame, die -allerdings einen sehr homosexuellen Eindruck macht, daß ihr auf der -Straße Prostituierte Angebote von 20 Mark und mehr gemacht hätten. - -Sowohl die weibliche, wie die männliche Prostitution bedrohen durch ihr -böses Beispiel nicht nur die öffentliche Sittlichkeit, nicht nur die -öffentliche Gesundheit -- denn es ist durchaus nicht selten, daß auch -durch männliche Prostituierte ansteckende Krankheiten von der Skabies -(Krätze) bis zur Syphilis übertragen werden -- sondern auch in hohem -Maße die öffentliche Sicherheit. - -Prostitution und Verbrechertum gehen Hand in Hand; Diebstähle -und Einbrüche, Erpressungen und Nötigungen, Fälschungen und -Unterschlagungen, Gewalttätigkeiten jeder Art, kurz alle möglichen -Verbrechen wider die Person und das Eigentum sind bei dem größten -Teile der männlichen Prostituierten an der Tagesordnung, und -besonders gefährlich ist es, daß diese Delikte von den verängstigten -Homosexuellen in den meisten Fällen nicht zur Anzeige gebracht werden. - -Verfallen in Berlin unter einer uranischen Bevölkerung von 50000 -Seelen -- diese Zahl ist sicherlich nicht zu hoch gegriffen -- im Jahr -durchschnittlich 20 „dem Arm der Gerechtigkeit“, so fällt mindestens -die hundertfache Zahl, nämlich 2000 im Jahr, den Erpressern in die -Arme, welche, wie die Berliner Kriminalpolizei gewiß gern bestätigen -wird, aus der Ausbeutung der homosexuellen Natur einen weitverbreiteten -und recht einträglichen Spezialberuf gebildet haben. - -Die engen Beziehungen zwischen den Prostituierten und Verbrechern -gehen auch daraus hervor, daß beide sich desselben Jargons -- der -Verbrechersprache bedienen. Suchen sich „die Strichjungen“ ihre Opfer, -so nennen sie das „sie gehen auf die Krampftour“, das Erpressen selbst -in seinen verschiedenen Abstufungen nennen sie: „abkochen“, „brennen“, -„hochnehmen“, „prellen“, „neppen“, „abbürsten“, „rupfen“ und „klemmen“; -es sei hier übrigens bemerkt, daß es in Berlin auch Verbrecher gibt, -die das Rupfen der männlichen Prostituierten als Spezialität betreiben, -indem sie diese mit Anzeige wegen Päderastie oder Erpressung bedrohen. -Die „schwule Bande“ teilen sie nach ihrer Zahlungsfähigkeit in „Tölen“, -„Stubben“ und „Kavaliere“, das erbeutete Geld nennen sie „Asche“, -„Draht“, „Dittchen“, „Kies“, „Klamotten“, „Mesumme“, „Meschinne“, -„Monnaie“, „Moos“, „Pfund“, „Platten“, „Pulver“, „Zaster“, „Zimmt“, das -Goldgeld: „stumme Monarchen“, Geld haben heißt „in Form sein“, keins -haben „tot sein“, kommt ihnen etwas in die Quere, so sagen sie „die -Tour sei ihnen vermasselt“, fortlaufen heißt „türmen“, sterben „kapores -gehen“, werden sie von den „Greifern“, d. h. den Kriminalbeamten -oder den Blauen -- das sind die Schutzleute, abgefaßt, so nennen -sie das „hochgehen“, „auffliegen“, „alle werden“, „krachen gehen“ -oder „verschütt gehen“. Dann kommen sie erst auf die „Polente“, das -Polizeibureau, darauf ins „Kittchen“, das Untersuchungsgefängnis, um -dann, wie sie sich euphemistisch ausdrücken, in einen „Berliner Vorort“ -zu ziehen, darunter verstehen sie Tegel, Plötzensee und Rummelsburg, -die Sitze der Strafgefängnisse und des Arbeitshauses. Nur sehr selten -verlassen sie diese gebessert: Wohlhabende Urninge geben sich oft große -Mühe, Prostituierte von der Straße zu retten, doch gelingt auch dieses -nur in sehr vereinzelten Fällen. Viele „zehren“, wenn sie älter werden, -„von Erinnerungen“, indem sie ihnen als homosexuell bekannte Personen, -die ihren Standort kreuzen, um kleine Geldbeträge „anbohren“, was sie -als „Zinseneinholen“ oder „tirachen“ bezeichnen. - -Gewöhnlich hat diese gefährliche Menschenklasse einen guten Blick -dafür, wer homosexuell veranlagt ist, doch kommt es auch sehr häufig -vor, daß sie völlig normalsexuelle Personen bedrohen und beschuldigen. -Ich gebe als Beispiel einen Fall, wie ich ihn vor einiger Zeit in -folgendem Schreiben geschildert erhielt: - - „Im vorigen Herbst traf ich auf der Durchreise nach dem - Süden mit dem Abendzuge in Berlin ein und nahm für eine - Nacht Quartier in der Nähe des Zentralbahnhofes, um am - andern Morgen weiter zu reisen. Den milden freundlichen - Abend wollte ich zu einem Spaziergange benutzen. - - Beim Verlassen der Passage sah ich eine Anzahl junger - Burschen zusammenstehen, von denen der eine, etwa 20 Jahre - alt, ein Schnupftuch laut wimmernd an die Backe preßte. - Unwillkührlich faßte ich ihn deshalb schärfer ins Auge, - als man es sonst tut, drehte mich auch noch einmal in - meinem Mitleid nach ihm um, als ich in die Mittelallee der - Linden einbog, um auf das Brandenburger Tor zuzugehen, in - der Absicht, das mir bis dahin unbekannte Bismarckdenkmal - noch flüchtig zu besichtigen. Nach kurzer Zeit sah ich - denselben jungen Mann, nunmehr allein, das Tuch noch - immer an die Backe gepreßt, mir vorausgehen und dann an - einer Litfaßsäule in der Nahe des Tores stehen bleiben. - Ich dachte mir nichts besonderes dabei und ging weiter. - Da trat er an mich heran und bat um ein Almosen, indem er - mir mit verschleierter, winselnder Stimme und flehentlich - bittend, ich solle ihn nicht der Polizei verraten, einen - langen Roman vortrug: er sei aus dem Osten, der Bromberger - Gegend, hergekommen, habe keine Arbeit gefunden, sei - jetzt ganz mittellos und habe seine Effekten für 16 - Mark versetzt; sobald er soviel zusammenhabe, um diese - einlösen zu können, wolle er in die Heimat zurück. Wir - waren inzwischen an die Bedürfnisanstalt, rechts vor dem - Tore, gekommen; ich gab ihm 50 Pfennige mit dem Bemerken, - er solle sich durch Arbeit so viel verdienen, um seine - Effekten auslösen zu können, ich sei hier selber fremd und - nur auf der Durchreise; jetzt solle er seiner Wege gehen. - Ich trat dann in die Anstalt ein und hörte wohl, daß hinter - mir noch jemand eintrat, achtete aber nicht weiter darauf. - Als ich mich nun auf der anderen Seite entfernen wollte, - um den Weg nach dem Bismarckdenkmal einzuschlagen, sah ich - meinen Burschen grinsend und ohne Tuch mir den Weg verlegen - mit den Worten: „Wenn Sie mir jetzt nicht 16 Mark geben, - zeige ich Sie an, dann kommen Sie ins Loch.“ Zugleich - sagte er zu meinem namenlosen Erstaunen: „Ick zeige Ihnen - an, Sie Hallunke, wat Sie in Ihrer Wollüstigkeit mit - mir gemacht haben. Zahlen Sie 16 Mark, oder ick schrei, - det janz Berlin zusammenläuft.“ -- Ich bemerke, daß ich - 58 Jahre alt, längst mehrfacher Großvater bin und einer - höheren Beamtenklasse angehöre. Wenn nicht mein Ruf, so - stand doch die Fortsetzung meiner Reise auf dem Spiel, - wenn ich in eine, noch dazu so ekelhafte, Untersuchung - verwickelt wurde. Ich trat daher schnell an den Rand der - Charlottenburger Chaussee und winkte eine leere Droschke - heran, bis dahin immerfort von den unflätigen Reden des - Burschen verfolgt. Ehe noch die Droschke hielt, schrie der - Chanteur -- jetzt mit völlig veränderter Stimme --: „Solch' - alter Hund, warte nur, Du sollst brummen.“ Zugleich machte - er Miene, vor mir in die Droschke einzusteigen. Es blieben - bereits einige Passanten stehen, einen Schutzmann aber - konnte ich nicht entdecken. Da griff ich in die Tasche, - hielt ihm ein Zehnmarkstück hin und warf es aufs Pflaster, - so daß er ziemlich weit laufen mußte, um es aufzuheben. - Diesen Moment benutzte ich, sprang in die Droschke - und trieb den Kutscher zur Eile an, indem ich ihm den - Zentralbahnhof als Ziel angab. Auf die Frage des Kutschers - nach dem Zusammenhange der Dinge sagte ich ihm, der Mensch - sei offenbar betrunken gewesen und habe von mir Geld - verlangt, worauf dieser mir gutmütig entgegnete: „Ja, ja, - det is hier eene Jaljenbande. Sie hatten det Aas man den - Nickel nich jeben sollen.“ Er ahnte nicht, daß es zehn Mark - gewesen waren. Ich verzichtete nun auf das Bismarckdenkmal - und andere Sehenswürdigkeiten Berlins, legte mich ins - Bett, schlief garnicht, und fuhr in aller Frühe dem Süden - zu. Seitdem bin ich mehrfach in Berlin gewesen, habe mich - aber wohl gehütet, Jünglinge mit oder ohne Schnupftuch - an der Backe aus Mitleid ins Auge zu fassen. Mir ist es - nicht zweifelhaft, daß dieses ostentative Drücken des - Schnupftuches an die Backe ein Chanteurkniff war, um die - Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen und unter diesen - sich alsdann eine geeignete Persönlichkeit für seine - Chantage auszusuchen, so einen Gutmütigen aus der Provinz, - wie ich einer war. -- - - Sicher ist es hohe Zeit -- so schließt der Berichterstatter - -- diesem Verbrechertum durch Aufhebung des § 175 ein Ende - zu bereiten.“ - -Ich greife noch einen zweiten typischen Fall heraus, über den die -Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom 11. Nov. 1904 berichtet: - - th. Der 10. Strafkammer des Landgerichts I lag gestern - wieder ein Fall vor, in dem ein verkommener Mensch den - § 175 St. G. B. zu =Erpressungsversuchen= benutzt hat. - Der übel beleumundete Arbeiter Karl R. hat einen Herrn, - der im Leben nichts mit ihm zu tun gehabt hat, fort und - fort mit Briefen bombardiert, in denen unter Hinweisen - auf § 175 allerlei aus der Luft gegriffene Behauptungen - aufgestellt wurden und als Refrain der Versuch, Geld zu - erlangen, deutlich durchblickte. Der Adressat hat diese - Erpresserbriefe zunächst unberücksichtigt gelassen, da - er mit einer so schmutzigen Sache in gar keine Berührung - kommen wollte. Als aber durch diese Briefe fortgesetzt - Beunruhigung in seine Familie getragen wurde, erstattete er - Anzeige. Der Gerichtshof verurteilte den Angeklagten zu 3 - Jahren Gefängnis. - -Schließlich noch aus vielen einen dritten Fall, der ebenfalls in -mehr als einer Richtung bezeichnend ist. Ein Homosexueller war einem -Prostituierten in seine Wohnung gefolgt; dort angelangt, sagte der -letztere mit eisiger Ruhe: „Ich bin Staudenemil (Staude heißt Hemd), -ein bekannter Erpresser, gib Dein Portemonnaie.“ Nachdem er dieses -erhalten, zog er seinen Rock aus, streifte die Hemdsärmel hoch, so daß -die mit obscönen Tätowierungen bedeckten Unterarme sichtbar wurden, -schleppte dann den Homosexuellen am Kragen an das Fenster seiner im -vierten Stockwerk gelegenen Wohnung und drohte ihn herunterzustürzen, -wenn er nicht alle Wertgegenstände herausgäbe, die er bei sich führe. -Als er sich überzeugte, daß er nichts mehr hatte, fragte er ihn, -wieviel Geld er zur Rückfahrt brauche, „schenkte“ ihm für dieselbe 50 -Pfennig und „nun“ -- so fuhr er fort -- „kommst Du mit und saufst mit -mir Knallblech (Champagner), jetzt bist Du mein Gast.“ Wirklich ließ er -nicht locker, bis der Homosexuelle einen großen Teil dessen, was er von -ihm „geerbt“, mit ihm „verschmort“ hatte. - -Wie kommt es, daß diese gefährlichen Subjekte so selten angezeigt -werden? Der Homosexuelle und auch die meisten Normalsexuellen scheuen -den Skandal, sie wissen, daß, wenn sie eine Anzeige erstatten, der -Beschuldigte sofort teils aus Rache, teils zu seiner Rechtfertigung -eine Gegenanzeige auf Grund des § 175 erstattet, und wenn auch die -wohlunterrichtete Berliner Kriminalbehörde seit der einsichtsvollen -Amtsführung des verstorbenen verdienten Kriminaldirektors von -Meerscheidt-Hüllessem, dem die Urninge der Hauptstadt zu größtem Dank -verpflichtet sind, auf die Aussagen der Erpresser und Diebe, sowie -der Prostituierten im allgemeinen nichts gibt, so zeigen sich die -Staatsanwälte und Richter oft weit weniger orientiert. Es ereignet sich -oft genug, daß der Erpresser zwar bestraft, sein Opfer aber auch aufs -schwerste kompromittiert, benachteiligt, in seiner Stellung vernichtet -wird. Ich erinnere nur an den in Berlin abgeurteilten Chantagefall -Aßmann und Genossen, dessen Opfer der unglückliche Graf H., Großvetter -unseres Kaisers, war. Ja, ich habe Fälle erlebt, in denen die -Staatsanwaltschaft auf die Aussage derartiger Individuen die Anklage -erhoben hat. Ein Fall ist mir namentlich im Gedächtnis geblieben. - -Ein alter, homosexueller Herr hatte einen Mann, dessen Bild sich -im Berliner Verbrecheralbum befand, wegen Diebstahl angezeigt. Der -wiederholt vorbestrafte Dieb machte eine Gegenanzeige, er sei von -seinem Ankläger im Schlaf vergewaltigt worden. Unglaublicherweise -schenkte das Gericht dieser Angabe Glauben, vereidigte diesen Zeugen -und verurteilte den Homosexuellen, der bereits zweimal aus § 175 -vorbestraft war, zu einem Jahr Gefängnis. Ich war als Sachverständiger -geladen und werde es nie vergessen, wie der alte Mann -- ein Hüne -von Gestalt -- bei dem ihm völlig unerwarteten Urteilsspruch in -sich zusammensank, dann sich aufbäumte und mit entsetzlichem, -gellenden Aufschrei seinen Richtern das eine Wort. „Justizmörder“ -entgegenschleuderte. - -Gewiß sind dies Ausnahmefälle, gewiß haben es die Homosexuellen, wie -mir einmal ein hoher Staatsbeamter entgegenhielt und wie es ja auch -aus meinen Schilderungen hervorgeht, in Berlin „bereits ganz gut“. -Darin liegt ja aber ein Beweis mehr für die Unhaltbarkeit eines -Gesetzes, das, wie sich kürzlich ein Urning ausdrückte, „nicht die Tat, -sondern das Pech“ bestraft. Ich wies bereits darauf hin, daß, wenn -man den überaus diskreten Charakter der in Frage kommenden Handlungen -berücksichtigt und in Betracht zieht, daß die beiden Täter, ohne die -Rechte Dritter anzutasten, die Tat unter sich und an sich vornehmen, -nur ganz ungewöhnliche Nebenumstände in verschwindend seltenen -Ausnahmefällen ein Bekanntwerden ermöglichen können. - -Und trotzdem -- würden die Kriminalbehörden -- auf der von -Meerscheidt-Hüllessem eingerichteten „Berliner Päderastenliste“ stehen -mehrere tausend Namen -- gegen die Homosexuellen so vorgehen, wie sie -gegen wirkliche Verbrecher vorgehen, es würde sich in sehr kurzer -Zeit die völlig Undurchführbarkeit der bestehenden Strafbestimmungen -ergeben; dasselbe würde der Fall sein, wenn entsprechend der Kölner -Resolution der evangelischen Sittlichkeitsvereine, die „wirklich -krankhaft Geborenen“ unter den Homosexuellen in Heilanstalten -untergebracht werden würden. Ich betone, um keinen Irrtum aufkommen zu -lassen, hier nochmals, daß es sich bei den Forderungen zu Gunsten der -Homosexuellen lediglich um das handelt, =was erwachsene Personen in -freier Übereinstimmung unter einander vornehmen=; daß vor denen, die -Rechte Dritter verletzen, die sich an Minderjährigen vergreifen, die -Gewalt anwenden, daß vor den Sternbergen und Dippolden die Gesellschaft -geschützt werden muß, ist selbstverständlich. - -Vor einiger Zeit äußerte sich in einer Berliner Lehrerzeitung[3] -ein Lehrer, daß man in Anbetracht der wissenschaftlichen -Forschungsergebnisse sich wohl oder übel mit der Frage beschäftigen -müsse, wie die Homosexuellen „auf eine den Zwecken der Gesellschaft -fördersame Art“ in dieselbe einzureihen wären. - -Ist denn diese Frage nicht längst gelöst? - -Wo ist in Berlin ein Kunstfreund, der sich nicht an der -Darstellungskunst einer urnischen Tragödin, wo ein Musikfreund, der -sich nicht am Gesange eines urnischen Liedersängers erfreut hätte! - -Bist Du denn sicher, ob nicht der Koch, der Deine Speisen bereitet, -der Friseur, der Dich bedient, ob nicht der Damenschneider, der Deiner -Frau Kleider fertigt, und der Blumenhändler, der Deine Wohnung ziert, -urnisch empfinden? - -Vertiefe Dich in die Meisterwerke der Weltliteratur, durchmustere die -Helden der Geschichte, wandele in den Spuren großer einsamer Denker, -immer wirst Du von Zeit zu Zeit auf Homosexuelle stoßen, die Dir teuer -sind und die groß waren trotz -- manche behaupten sogar durch -- ihre -Sonderart. - -Ja weißt Du gewiß, ob unter denen, die Dir am nächsten stehen, die Du -am zärtlichsten liebst, am meisten verehrst, ob nicht unter Deinen -besten Freunden, Deinen Schwestern und Brüdern ein Urning ist? - -Kein Vater, keine Mutter kann sagen, ob nicht eines ihrer Kinder dem -urnischen Geschlechte angehören wird. - -Ich könnte auch hier viele Beispiele anführen, will mich jedoch auf -die Wiedergabe zweier Briefe beschränken, von denen der eine von einem -Vater, der andere von einer Mutter stammt. - -Von den 750 Direktoren und Lehrern höherer Lehranstalten, die im -Jahre 1904 neben 2800 deutschen Ärzten die Petition an den Reichstag -unterschrieben, welche die Aufhebung des Urningsparagraphen fordert, -schrieb ein Berliner Pädagoge, „daß er noch bis vor kurzem, unbekannt -mit der in Rede stehenden Materie, an die Notwendigkeit des § 175 -geglaubt hätte; erst nach dem Tode eines edlen, für das Schöne, Wahre -und Gute begeisterten Jünglings, dem die Entdeckung konträrsexueller -Neigungen den Revolver in die Hand drückte, -- seines Sohnes -- seien -ihm die Augen übergegangen und aufgegangen.“ „Ein schwergebeugter -Vater“, schließt er, „dankt dem wissenschaftlich-humanitären Komitee[4] -für sein menschenfreundliches Wirken.“ - -Und eine Mutter schreibt: - - Hochgeehrter Herr! - - In Anbetracht Ihrer Absicht, durch die Geburt und weiter - durch den § 175 des St. G. B. unglücklich gewordenen - Menschen helfen zu wollen, erlaube ich mir, folgende Fragen - an Sie zu richten, von deren Beantwortung das Wohl und Wehe - zweier Menschen abhängt: „Ist Hoffnung vorhanden, daß der - genannte Paragraph im Laufe dieses Winters im Reichstag - zur Lesung gelangt und glauben Sie an die Möglichkeit - der Aufhebung dieses Gesetzes? Ein mir sehr nahe - stehender Verwandter[5] gehört zu diesen Unglücklichen. - Er ist ein hochbegabter junger Mann, der sich durch - seinen rechtschaffenen, braven Charakter, durch seinen - sittenreinen Lebenswandel die Achtung seiner Mitbürger, - insbesondere seiner Kollegen und Vorgesetzten in hohem - Grade erworben hatte. Durch seine bedeutenden Kenntnisse - verschaffte er sich bald eine gesicherte, einträgliche - Stellung, bis sich ihm das Verhängnis nahte in Gestalt der - abscheulichsten Erpresser. Leider war er schwach genug, - einmal der Verführung zu folgen. Nachdem er Tausende - geopfert, und seine Gesundheit durch die fortwährende Angst - und Sorge vor Entdeckung untergraben war, mußte er alles - aufgeben, seine Heimat, Eltern und Existenz, um der Schande - zu entgehen. Nach vielen Versuchen, sich ohne Heimatsschein - in der Schweiz eine ähnliche Stellung zu erwerben wie - bisher, aber ohne Erfolg, faßte er den Gedanken, nach - Amerika auszuwandern. Dort wollte er sich durch eisernen - Fleiß und solidestes Leben einen neuen, bis dahin ihm fern - stehenden Beruf gründen und hat auch hierin schon Examina - bestanden. Aber durch viele Widerwärtigkeiten verliert er - den Mut und setzt seine größte Hoffnung auf die Aufhebung - des bewußten Paragraphen. Seinen Vater hat inzwischen der - Tod ereilt, ohne daß der einzige Sohn an sein Sterbelager - eilen konnte, und die Mutter steht allein mit ihrem großen - Herzeleid, mit der ewigen Sehnsucht nach ihrem braven - unglücklichen Kinde, und ist oft der Verzweiflung nahe. - Dieselbe würde Ihnen, hochgeehrter Herr, in unbegrenzter - Dankbarkeit verbunden sein, wenn Sie ihr Hoffnung auf die - Erfüllung dieses ihres größten Wunsches machen, oder in - irgend einer Weise Rat erteilen könnten.“ - -Dies der Brief einer Mutter. Wem kommen bei diesen und ähnlichen -Begebenheiten nicht Goethes Worte in den Sinn. „Opfer fallen hier, -weder Lamm noch Stier, aber Menschenopfer unerhört“. - - * * * * * - -Wir sind am Ende unserer Wanderung, und ich danke dem Leser, der mir -diese weite Strecke gefolgt ist, welche über so viele dunkle Abgründe -menschlichen Elends, wenn auch über manche Höhe führte. Ehe wir uns -trennen, laß mich Dir noch zwei Geschehnisse aus der Vergangenheit und -Gegenwart berichten und eine Frage daran knüpfen. - -Es war einmal ein Fürstbischof, Philipp, der residierte in der alten -Stadt Würzburg am Main. Es war in der Zeit von 1623-1631. In diesen -acht Jahren ließ der Bischof, wie uns die Chroniken rühmend berichten, -900 Hexen verbrennen. Er tat es im Namen des Christentums, im Namen der -Sittlichkeit, im Namen des Gesetzes und starb im Wahne, ein gutes Werk -vollbracht zu haben. - -Wir aber, die wir wissen, daß es niemals Hexen gab, werden noch heute -von tiefem Schauder erfaßt, gedenken wir dieser zu unrecht gerichteten -Frauen und Mütter. - -In unserer guten Stadt Berlin leben zwei geistliche Herren, von denen -der eine Philipps, der andere Runze heißt. Sie sagen, sie verkünden die -Lehren des verehrungswürdigsten Meisters, der da die Worte zum Volke -sprach: „Wer unter Euch frei von Schuld ist, der werfe den ersten Stein -auf sie.“ - -Wie ihre Vorgänger in den Lahmen Gezeichnete, in Geisteskranken -Besessene und in den Seuchen Strafen des Himmels sahen, so sehen sie -in den Homosexuellen Verbrecher und bezeichnen unseren Kampf für die -Homosexuellen als „ruchlose Schamlosigkeit“ (Kreissynode II Berlin vom -17. Mai 1904.) - -Sie wähnen ein ebenso gutes Werk zu tun, wie weiland Fürstbischof -Philipp, wenn sie schwere Freiheitsstrafen für die Homosexuellen -fordern. - -Nun prüfe, was ich Dir von den Berliner Urningen erzählte -- daß -alles der Wahrheit entspricht, dafür stehe ich ein -- erwäge es mit -Deinem Verstande und Deinem Herzen und entscheide, wo mehr Wahrheit, -mehr Liebe, mehr Recht, ob bei jenen Männern der Kirche, die sich -gewiß für sehr frei von Schuld halten, sonst würden sie schwerlich so -viel Steine auf die Homosexuellen werfen, oder auf Seiten derer, die -nicht wollen, daß sich die Opfer menschlichen Unverstandes noch hoher -häufen, die entsprechend den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung -und der Selbsterfahrung vieler tausend Personen wünschen, daß endlich -Verkennungen und Verfolgungen aufhören, an welche die Menschheit ganz -zweifellos einst mit ebenso tiefer Beschämung zurückdenken wird, wie an -die Hexenprozesse Philipp's, des streitbaren Bischofs von Franken. - - - - -FUSSNOTEN - - -[1] Näcke, P., _Dr._ Ein Besuch bei den Homosexuellen in Berlin; mit -Bemerkungen über Homosexualität. Archiv für Kriminalanthropologie und -Kriminalistik. Band XV. 1904. - -[2] In Paris 1904 bei Albin Michet erschienen. - -[3] Pädagogische Zeitung 33. Jahrgang Nr. 33, Berlin, 18. August 1904, -Leitartikel: Die Erziehung und das dritte Geschlecht von Paul Sommer. - -[4] Dieses 1897 begründete Komitee, Sitz Charlottenburg, Berlinerstraße -104, hat sich die Befreiung der Homosexuellen zur Aufgabe gesetzt. - -[5] Anmerk. Wie die Dame in einem zweiten Schreiben mitteilt, ist -dieser nahe Verwandte ihr Sohn. Von seinen Erpressern erhielt der Vater -als Hauptanstifter 2 Jahre 9 Monate, dessen zwanzigjähriger Sohn, der -„Freund“ des Geflüchteten, 1 Jahr 9 Monate Gefängnis. - - * * * * * - - -Band 1-10 der Großstadt-Dokumente behandeln folgende Themata: - - - =1. Dunkle Winkel in Berlin= - von Hans Ostwald. - - =2. Die Berliner Bohème= - von Julius Bab. - - =3. Berlins drittes Geschlecht= - von _Dr._ Magnus Hirschfeld. - - =4. Berliner Tanzlokale= - von Hans Ostwald. - - =5. Zuhältertum in Berlin= - von Hans Ostwald. - - =6. Sekten und Sektierer in Berlin= - von Eberhard Buchner. - - =7. Berliner Kaffeehäuser= - von Hans Ostwald. - - =8. Berliner Banken und Geldverkehr= - von Georg Bernhard. - - =9. Aus den Tiefen der Berliner Arbeiterbewegung= - von Albert Weidner. - - =10. Berliner Sport= - von Arno Arndt. - -=Preis pro Band 1 Mark.= - - Von Hans Ostwald ist ferner in 2. Auflage erschienen - =Berliner Nachtbilder.= - -Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. Verlag von Hermann Seemann -Nachfolger, Berlin SW., Tempelhofer Ufer 29. - - Alle Rechte vom Verleger vorbehalten. - Druck von J. Harrwitz Nachfolger, - G.m.b.H., Berlin SW., Friedrichstr. 16. - - - - - -End of Project Gutenberg's Berlins Drittes Geschlecht, by Magnus Hirschfeld - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK BERLINS DRITTES GESCHLECHT *** - -***** This file should be named 62772-0.txt or 62772-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/2/7/7/62772/ - -Produced by Delphine Lettau, Mark Akrigg and the online -Distributed Proofreaders Canada team at -http://www.pgdpcanada.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. Special rules, -set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to -copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to -protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project -Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you -charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you -do not charge anything for copies of this eBook, complying with the -rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose -such as creation of derivative works, reports, performances and -research. They may be modified and printed and given away--you may do -practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is -subject to the trademark license, especially commercial -redistribution. - - - -*** START: FULL LICENSE *** - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project -Gutenberg-tm License (available with this file or online at -http://gutenberg.org/license). - - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm -electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy -all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. -If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project -Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the -terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or -entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement -and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic -works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" -or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project -Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the -collection are in the public domain in the United States. If an -individual work is in the public domain in the United States and you are -located in the United States, we do not claim a right to prevent you from -copying, distributing, performing, displaying or creating derivative -works based on the work as long as all references to Project Gutenberg -are removed. Of course, we hope that you will support the Project -Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by -freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of -this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with -the work. You can easily comply with the terms of this agreement by -keeping this work in the same format with its attached full Project -Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in -a constant state of change. If you are outside the United States, check -the laws of your country in addition to the terms of this agreement -before downloading, copying, displaying, performing, distributing or -creating derivative works based on this work or any other Project -Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning -the copyright status of any work in any country outside the United -States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate -access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently -whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the -phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project -Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, -copied or distributed: - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived -from the public domain (does not contain a notice indicating that it is -posted with permission of the copyright holder), the work can be copied -and distributed to anyone in the United States without paying any fees -or charges. If you are redistributing or providing access to a work -with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the -work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 -through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the -Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or -1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional -terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked -to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the -permission of the copyright holder found at the beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any -word processing or hypertext form. However, if you provide access to or -distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than -"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version -posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), -you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a -copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon -request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other -form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm -License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided -that - -- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is - owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he - has agreed to donate royalties under this paragraph to the - Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments - must be paid within 60 days following each date on which you - prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax - returns. Royalty payments should be clearly marked as such and - sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the - address specified in Section 4, "Information about donations to - the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." - -- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or - destroy all copies of the works possessed in a physical medium - and discontinue all use of and all access to other copies of - Project Gutenberg-tm works. - -- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any - money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days - of receipt of the work. - -- You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm -electronic work or group of works on different terms than are set -forth in this agreement, you must obtain permission in writing from -both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael -Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the -Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -public domain works in creating the Project Gutenberg-tm -collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic -works, and the medium on which they may be stored, may contain -"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or -corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual -property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a -computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by -your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium with -your written explanation. The person or entity that provided you with -the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a -refund. If you received the work electronically, the person or entity -providing it to you may choose to give you a second opportunity to -receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy -is also defective, you may demand a refund in writing without further -opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER -WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO -WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. -If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the -law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be -interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by -the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any -provision of this agreement shall not void the remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance -with this agreement, and any volunteers associated with the production, -promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, -harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, -that arise directly or indirectly from any of the following which you do -or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm -work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any -Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. - - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of computers -including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists -because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from -people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. -To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 -and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact -information can be found at the Foundation's web site and official -page at http://pglaf.org - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To -SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any -particular state visit http://pglaf.org - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. -To donate, please visit: http://pglaf.org/donate - - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic -works. - -Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm -concept of a library of electronic works that could be freely shared -with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project -Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. - - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. -unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - http://www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. diff --git a/old/62772-0.zip b/old/62772-0.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index b16b13e..0000000 --- a/old/62772-0.zip +++ /dev/null diff --git a/old/62772-h.zip b/old/62772-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 5ab0607..0000000 --- a/old/62772-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/62772-h/62772-h.htm b/old/62772-h/62772-h.htm deleted file mode 100644 index 9bd387f..0000000 --- a/old/62772-h/62772-h.htm +++ /dev/null @@ -1,3410 +0,0 @@ -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> -<head> -<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=utf-8" /> -<title>The Project Gutenberg eBook of Berlins Drittes Geschlecht, by Magnus Hirschfeld. - </title> -<style type="text/css"> - body {background:#fdfdfd; - color:black; - font-size: large; - margin-top:100px; - margin-left:15%; - margin-right:15%; - text-align:justify; } - h1 {text-align: center; margin-top: 3em; } - h2 {text-align: center; margin-top: 2em; page-break-before: always;} - h3 {text-align: center; margin-top: 1em; } - hr.minimal { width: 25%; - text-align: center; - margin-top: 2em; - margin-bottom: 2em; - margin-left: auto; - margin-right: auto; - clear: both; - page-break-before: always;} - hr.tiny { width: 10%; - text-align: center; - margin-top: 1em; - margin-bottom: 1em; - margin-left: auto; - margin-right: auto; - clear: both; } - hr { width: 100%; } - hr.full { width: 100%; - margin-top: 3em; - margin-bottom: 0em; - margin-left: auto; - margin-right: auto; - height: 3px; - border-width: 4px 0 0 0; /* remove all borders except the top one */ - border-style: solid; - border-color: #000000; - clear: both; } - blockquote { font-size: large; margin-left: 5%; margin-right: 5% } - blockquote.med { font-size: medium; margin-left: 5%; margin-right: 5% } - p {text-indent: 3%; } - p.noindent { text-indent: 0%; } - .center { text-align: center; } - img { border: 0; } - #coverpage { border: 1px solid black; } - .image-center { text-align: center; margin: 2em auto; } - .ind5 { margin-left: 5em; } - .poem { margin-left: 2em; } - .quote { margin-left: 5em; } - .right { text-align: right; } - .small { font-size: 70%; } -</style> -</head> -<body> - - -<pre> - -Project Gutenberg's Berlins Drittes Geschlecht, by Magnus Hirschfeld - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - - -Title: Berlins Drittes Geschlecht - -Author: Magnus Hirschfeld - -Release Date: July 27, 2020 [EBook #62772] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK BERLINS DRITTES GESCHLECHT *** - - - - -Produced by Delphine Lettau, Mark Akrigg and the online -Distributed Proofreaders Canada team at -http://www.pgdpcanada.net - - - - - - -</pre> - -<div class="image-center"> - <img id="coverpage" src="images/cover.jpg" width="411" height="600" alt="Book cover" /> -</div> -<hr class="full" /> -<h1>Berlins Drittes Geschlecht</h1> - -<div class="center"> -<p class="noindent"> -von<br /> -<br /> -<b>Dr. Magnus Hirschfeld</b><br /> -<br /> -<span class="small">7. Auflage</span> -<br /> -<br /> -Motto:<br /> -»Die grosse Überwinderin aller Vorurteile ist nicht die<br /> -Humanität, sondern die Wissenschaft.«<br /> -<br /> -Berlin und Leipzig<br /> -Verlag von Hermann Seemann Nachfolger G. m. b. H.<br /> -<br /> -Großstadt-Dokumente<br /> -<br /> -Band 3. Herausgegeben von Hans Ostwald<br /> -</p> -</div> - -<hr class="tiny" /> -<h2><a name="Vorwort" id="Vorwort">Vorwort.</a></h2> - -<p>Als ich von <b>Hans Ostwald</b> aufgefordert wurde, für die -von ihm herausgegebenen Großstadtdokumente den Band zu -bearbeiten, welcher das Leben der Homosexuellen in Berlin -behandeln sollte, glaubte ich mich diesem Wunsche nicht entziehen -zu dürfen.</p> - -<p>Wenn ich auch das Ergebnis meiner Untersuchungen -auf dem Gebiete der Homosexualität bisher nur in wissenschaftlichen -Fachorganen, besonders in den Jahrbüchern für -sexuelle Zwischenstufen, publiziert hatte, so war ich mir doch -lange darüber klar, daß die Kenntnis eines Gegenstandes, der -mit den Interessen so vieler Familien aller Stände verknüpft -ist, nicht dauernd auf den engen Bezirk der Fachkollegen -oder auch nur der akademischen Kreise beschränkt bleiben -würde und könnte.</p> - -<p>Dies zugegeben, leuchtet es gewiß ein, daß die -populär-wissenschaftliche Darstellung in einer so diffizilen -Frage am geeignetsten von Seiten derjenigen erfolgen sollte, -die sich vermöge ausgedehnter wissenschaftlicher Forschungen -und Erfahrungen und auf Grund unmittelbarer Anschauung -die erforderliche Qualifikation und Kompetenz erworben haben.</p> - -<p>Ich war in der folgenden Arbeit bemüht, ein recht naturgetreues -und möglichst vollständiges Spiegelbild von Berlins -„drittem Geschlecht“, wie man es vielfach, wenn auch nicht -gerade sehr treffend bezeichnet hat, zu geben. Ich war bestrebt, -— ohne Schönfärberei, aber auch ohne Schwarzmalerei — -alles streng wahrheitsgemäß unter Vermeidung näherer -Ortsbezeichnungen so zu schildern, wie ich es zum größten -Teil selbst wahrgenommen, zum kleinen Teil von zuverlässigen -Gewährsmännern erfahren habe, denen an dieser Stelle für -das mir erwiesene Vertrauen zu danken, ich als angenehme -Pflicht empfinde.</p> - -<p>Manchem wird sich hier innerhalb der ihm bekannten -Welt eine neue Welt auftun, deren Ausdehnung und deren -Gebräuche ihn mit Erstaunen erfüllen werden.</p> - -<p>Man hat gelegentlich die Befürchtung ausgesprochen, es -könnte durch populäre Schriften für die Homosexualität selbst -„Propaganda“ gemacht werden. So sehr eine gerechte Beurteilung -der Homosexuellen angestrebt werden muß, so -wenig wäre dieses zu billigen. Die Gefahr liegt aber nicht -vor. Die Vorzüge der normalsexuellen Liebe, wie sie — -um nur von vielen einen zu nennen — vor allem im Glücke -der Familie zum Ausdruck gelangen, sind denn doch so -gewaltige, die Nachteile, die aus der homosexuellen Anlage -erwachsen, so außerordentliche, daß, wenn ein Wechsel der -Triebrichtung möglich wäre, er gewiß für die Homosexuellen, -nicht aber für die Normalsexuellen in Betracht kommen würde.</p> - -<p>Tatsächlich hat aber die wissenschaftliche Beobachtung -in Übereinstimmung mit der Selbsterfahrung sehr zahlreicher -Personen gelehrt, daß ein derartiger Umschwung -nicht möglich ist, da nichts dem Charakter und Wesen eines -Menschen so adäquat und fest angepaßt ist, wie die nach -Ergänzung der eigenen Individualität zielende Richtung -des Liebes- und Geschlechtstriebes.</p> - -<p>Ob und inwieweit die Handlungen der Homosexuellen -unter den Begriff von Schuld und Verbrechen fallen, ob -und inwieweit ihre Strafverfolgung zweckmäßig oder notwendig -erscheint, inwieweit diese überhaupt möglich ist — -diesen Schluß möge am Ende meines Berichtes der Leser -seinerseits ziehen.</p> - -<p><b>Charlottenburg</b>, den 1. Dezember 1904.</p> -<p class="right"> -Dr. <i>Magnus Hirschfeld</i>.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<h2>Berlins Drittes Geschlecht</h2> - -<p>Wer das Riesengemälde einer Weltstadt, wie Berlin -nicht an der Oberfläche haftend, sondern in die -Tiefe dringend erfassen will, darf nicht den homosexuellen -Einschlag übersehen, welcher die Färbung des -Bildes im einzelnen und den Charakter des Ganzen -wesentlich beeinflußt.</p> - -<p>Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, daß in Berlin -mehr Homosexuelle geboren werden, wie in der Kleinstadt -oder auf dem Lande, doch liegt die Vermutung -nahe, daß bewußt ober unbewußt diejenigen, welche von -der Mehrzahl in nicht erwünschter Form abweichen, -dorthin streben, wo sie in der Fülle und dem Wechsel -der Gestalten unauffälliger und daher unbehelligter leben -können. Das ist ja gerade das Anziehende und Merkwürdige -einer Millionenstadt, daß das Individuum nicht -der Kontrolle der Nachbarschaften unterliegt, wie in den -kleinen Orten, in denen sich im engen Kreise die Sinne -und der Sinn verengern. Während dort leicht verfolgt -werden kann und eifrig verfolgt wird, wann, wo und -mit wem der Nächste gegessen und getrunken hat, -spazieren und zu Bett gegangen ist, wissen in Berlin die -Leute oft im Vorderhause nicht, wer im Hinterhause -wohnt, geschweige denn, was die Insassen treiben. Gibt -es hier doch Häuser, die an hundert Parteien, an tausend -Menschen beherbergen.</p> - -<p>Was sich in der Großstadt dem Nichtkenner verbirgt, -tritt, weil es sich ungezwungener gibt, dem Kenner um -so leichter entgegen.</p> - -<p>Wer gut unterrichtet ist, bemerkt auf den Straßen, -in den Lokalen Berlins bald nicht nur Männer und Frauen -im landläufigen Sinn, sondern vielfach auch Personen, -die von diesen in ihrem Benehmen, oft sogar in ihrem -Äußeren verschieden sind, so daß man geradezu neben -dem männlichen und weiblichen von einem dritten Geschlecht -gesprochen hat.</p> - -<p>Ich finde diesen Ausdruck, der schon im alten Rom -gebräuchlich war, nicht gerade glücklich, aber immerhin -besser, als das jetzt so viel angewandte Wort homosexuell -(gleichgeschlechtlich), weil dieses der weit verbreiteten -Anschauung Nahrung gibt, es müßten, wenn -irgendwo mehrere Homosexuelle zusammen sind, sexuelle -Akte vorgenommen oder doch wenigstens beabsichtigt -werden, was den Tatsachen in keiner Weise entspricht.</p> - -<p>Man möge, wenn in den folgenden Schilderungen -von Homosexuellen die Rede ist, nicht an geschlechtliche -Handlungen irgend welcher Art denken. Kommen diese -vor, so entziehen sie sich nicht nur wegen ihrer Strafbarkeit, -sondern vor allem wegen des natürlichen Scham- -und Sittlichkeitsgefühls, welches bei den Homosexuellen -ebenso ausgeprägt ist wie bei den Normalsexuellen, der -Beobachtung, keineswegs sind sie das Hauptsächliche, sie -fehlen sogar häufig. Das Wesentliche ist das Wesen des -Uraniers — so wollen wir in dieser Schrift den homosexuell -Empfindenden mit Ulrichs nennen — sein Verhalten -gegenüber dem männlichen und weiblichen Geschlecht -sind die aus seiner Naturbeschaffenheit sich ergebenden -Sympathieen und Antipathieen.</p> - -<p>Aber selbst für den, der viele typische Eigenschaften -urnischer Menschen kennt, bleiben doch sehr viele verborgen, -sei es, weil ihnen, was nicht selten vorkommt, -tatsächlich bemerkbare Anzeichen fehlen, sei es, weil sie -ihre Lebenskomödie, die oft mehr eine Lebenstragödie -ist, mit großem Geschick spielen, indem sie sich den -Normalen in allen Gewohnheiten anpassen und ihre -Neigungen wohlweislich zu verheimlichen wissen. Die -meisten legen viel Wert darauf, daß „man ihnen nichts -anmerkt“. Ich kenne in Berlin Homosexuelle, auch solche, -die durchaus nicht enthaltsam sind, welche Jahre, Jahrzehnte, -ja ihr ganzes Leben lang ihre Umgebung über -ihre Natur täuschten; besonders verbreitet ist es auch, -wenn den Kameraden über Liebesabenteuer berichtet -wird, ähnlich manchen Übersetzern antiker Schriftsteller, -die männliche Person in eine weibliche umzuwandeln.</p> - -<p>Die örtlichen Verhältnisse Berlins erleichtern diese -Umwandlung ungemein. Wer im Osten wohnt, dort -seine geschäftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen -hat, kann sich mit seinem Freunde jahrelang im Süden -treffen, ohne daß man in seiner Gegend etwas davon -weiß. Es gibt viele Berliner im Westen, die nie den -Wedding sahen, viele am Kreuzberg, die nie das -Scheunenviertel betraten. Ich behandelte lange eine alte -Berlinerin, die die Witwe eines Musikers war; sie hatten -ein einziges Kind gehabt, einen Sohn, der nicht gut tun -wollte, früh hinter die Schule ging, Tage lang fortblieb -und vagabondierte. Die Eltern suchten ihn immer wieder, -schließlich als er 21 Jahre alt war, verloren sie die -Geduld und ließen ihn laufen. 26 Jahre lang hatte die -Mutter nichts mehr von ihrem Jungen gehört und gesehen; -sie hatte die Siebzig überschritten, ihr Mann war -längst gestorben, da tauchte er eines Tages wieder bei -ihr auf, ein vorzeitig gealterter 47jähriger Mann mit -struppigem Vollbart, ein Pennbruder, dessen „Organismus -durch Alkohol vergiftet“ war; er wollte fragen, ob sie -nicht noch „von Vatern ein paar alte Kleider hätte“. -Das Eigenartige war, daß Mutter und Sohn in den -26 Jahren Berlin nie verlassen hatten. In einer Kleinstadt -würde ein solcher Fall nicht möglich sein.</p> - -<p>Man sollte es kaum glauben, wie viele Personen in -der preußischen Hauptstadt, die als ein Muster der Ordnung -gilt und es auch im Vergleich mit anderen Weltstädten -ist, leben, ohne daß die Behörden von ihnen -wissen. Ich habe mit Erstaunen wahrgenommen, wie -lange sich oft ausgewiesene Ausländer unbeanstandet in -Berlin aufhalten, noch mehr, wie Personen, die polizeilich -gesucht werden, Monate und Jahre unangemeldet -hier verweilen, nicht etwa in entlegenen Stadtvierteln, -sondern häufig auf den Sammelplätzen des Verkehrs, -wo man sie am wenigsten vermutet.</p> - -<p>Wart Ihr schon einmal im Zimmer 361 auf dem -Polizeipräsidium am Alexanderplatz? Es ist eine der -merkwürdigsten Stätten in dieser an eindrucksvollen Örtlichkeiten -gewiß nicht armen Stadt. Hoch über den -Dächern der Großstadt gelegen, befindet sich dieser Raum -inmitten einer Flucht von Zimmern, in denen alphabetisch -geordnet zehn Millionen Blätter aufgestapelt sind. Jedes -Blatt bedeutet ein Menschenleben. Die noch leben, liegen -in blauen, die Verstorbenen ruhen in weißen Pappkartons. -Jedes Blatt enthält Namen, Geburtsort und Geburtstag -von jeder Person, die seit dem Jahre 1836 in einem -Berliner Hause eine Wohnung oder ein Zimmer inne -hatte. Alle An- und Abmeldungen, jeder Wechsel der -Wohnungen wird sorgsam verzeichnet. Es gibt Bogen, -die dreißig Wohnungen und mehr enthalten, andere, auf -denen nur eine steht; es sind Personen darunter, die -ihre Berliner Laufbahn in einem Keller des Ostens begannen -und im Tiergartenviertel endeten, und andere, -die anfangs vorn im ersten Stock wohnten und im Hof -vier Treppen ihre Tage beschlossen. Nach Zimmer 361 -werden alle diejenigen verwiesen, die in Berlin jemanden -suchen. Von morgens 8 bis abends 7 Uhr wandern -Hunderte und Hunderte, im Jahre viele Tausende die -hohen steinernen Treppen empor. Jede Auskunft kostet -25 Pfennig. Es kommen nicht nur solche, die Geld zu -fordern haben, Leute, für die ein Mensch erst dann Wert -bekommt, wenn er ihnen etwas schuldet, nein, so mancher -klimmt hinauf, der aus fernen Landen heimgekehrt ist -und nun nachforscht, ob und wo noch einer seiner Verwandten -und Jugendgefährten lebt. Die ersten Jahre -schrieben sie einander noch, dann schlief der Briefwechsel -ein, und nun hat der Fremdling noch einmal die alte -Heimat aufgesucht. Bangen Herzens schreibt er den -Namen und die letzte ihm bekannte Wohnung seiner -Mutter auf den Auskunftszettel — sie ist lange verstorben; -er fragt nach Brüdern, Schwestern und Freunden, -alle, alles dahin, und tief bekümmert wandert der Vereinsamte -die schmalen Treppen wieder hinunter. Wie -viele erkundigen sich da oben vergebens, Eltern, die verlorene -Söhne suchen, Schwestern, die nach ihren Brüdern -fragen, und Mädchen, die nach dem Vater des Kindes -forschen, dessen Zukunft in ihrem Schoße ruht. „Ist -nicht gemeldet“, „unbekannt verzogen,“ „ausgewandert“, -„verstorben,“ meldet der stets gleichmütige Beamte, wenn -er nach einer halben Stunde wiederkehrt und die -Wartenden aufruft, welche still, ernst und verzagt, nur -selten frohen Mutes herabsteigen, um wieder unterzutauchen -in das Häuser- und Menschenmeer des gewaltigen -Berlin.</p> - -<p>Die Leichtigkeit, in einer Stadt von 2½ Millionen -Einwohnern unsichtbar zu versinken, unterstützt sehr jene -Spaltung der Persönlichkeit, wie sie auf sexuellem Gebiete -so häufig vorkommt. Der Berufsmensch und der -Geschlechtsmensch, der Tag- und Nachtmensch sind oft -zwei grundverschiedene Persönlichkeiten in einem Körper, -der eine stolz und ehrbar, sehr vornehm und gewissenhaft, -der andere von allem das Gegenteil. Das gilt -für Homosexuelle ebenso wie für Normalsexuelle. Ich -kannte einen urnischen Rechtsanwalt, der, wenn er abends -sein Bureau im Potsdamer Viertel oder eine Gesellschaft -seiner Kreise verlassen hatte, seine Stammkneipe im südlichen -Teil der Friedrichstadt aufsuchte, eine Kaschemme, -in der er mit dem Revolverheini, dem Schlächterherrmann, -dem Amerikafranzl, dem tollen Hunde und -anderen Berliner Apachen die halben Nächte spielend, -trinkend und lärmend verbrachte. Die rohe Natur dieser -Verbrecher schien auf ihn eine unwiderstehliche Anziehungskraft -auszuüben. Noch weiter ging ein anderer, -ein früherer Offizier, der einer der ersten Familien des -Landes angehört. Dieser vertauschte zwei- bis dreimal -die Woche abends den Frack mit einer alten Joppe, den -Zylinder mit einer Schiebermütze, den hohen Kragen -mit einem bunten Halstuch, zog sich den Sweater, -Schiffer- oder Manchesterhosen und Kommißstiefel an und -trieb sich etliche Stunden in den Destillen des Scheunenviertels -umher, deren Insassen ihn für Ihresgleichen -hielten. Um vier Uhr früh fand er sich im Hammelstall, -einer vielbesuchten Arbeitslosenkneipe unweit des -Bahnhofs Friedrichstraße, zum „Kaffeestamm“ ein, nahm -sein Frühstück für zehn Pfennig mit den ärmsten -Vagabonden, um nach einigen Stunden Schlaf wieder -zum Leben eines untadeligen Kavaliers zu erwachen.</p> - -<p>Auch eine homosexuelle Dame ist mir erinnerlich, -die in einem ganz ähnlichen Doppelleben oft als Köchin -die Tanzlokale von Dienstboten besuchte, in deren Mitte -sie sich außerordentlich wohl fühlte.</p> - -<p>Besonders merkwürdig ist diese Halbierung oder — -wenn man will — Verdoppelung der Persönlichkeit in -denjenigen Fällen, wo sie zugleich mit einer Spaltung -in zwei Geschlechter verbunden ist.</p> - -<p>Ich besitze die Photographie eines Mannes in eleganter -Damentoilette, der jahrelang unter den Weibern -der Pariser Halbwelt eine Rolle spielte, bis durch einen -Zufall ans Licht kam, daß „sie“ in Wirklichkeit ein -Mann und zwar nicht einmal ein homosexueller Mann -war. Auch in Berlin sind wiederholt Männer aufgegriffen, -die der weiblichen Prostitution oblagen. Mehr -als eine Frau ist mir in Berlin bekannt, die zu Hause -vollkommen als Mann lebt. Eine der ersten, die ich sah, -war mir während einer Feier in der Philharmonie durch -ihre tiefe Stimme und ihre männlichen Bewegungen aufgefallen. -Ich machte ihre Bekanntschaft und bat, sie besuchen -zu dürfen. Als ich am folgenden Sonntagnachmittag -in der Dämmerstunde an ihrer Tür klingelte, öffnete -mir ein junger Mann, der von einem Hunde umsprungen -wurde, die dampfende Zigarre in der Hand hielt -und nach meinem Begehr fragte. „Ich wünsche, Fräulein -X. zu sprechen, bringen Sie ihr, bitte, meine Karte.“ -„Treten Sie nur näher,“ erwiderte lachend der junge -Bursche, „ich bin es ja selbst.“ Ich erfuhr, daß das -Mädchen in ihrer Häuslichkeit vollkommen als Mann -lebte; es war eine wackere Person, die den Kampf mit -dem Leben tapfer aufgenommen, manche Heirat, durch -die sie „gut versorgt“ worden wäre, abgelehnt hatte, -weil sie „keinen Mann betrügen“ wollte.</p> - -<p>Die Spaltung der Persönlichkeit kann so weit gehen, -daß der Tagesmensch sich über die Lebensführung seines -nächtlichen Ichs sittlich entrüstet und heftig dagegen eifert. -Es ist nicht immer bloße Heuchelei gewesen, wenn -jemand, der sich in den schärfsten Ausdrücken gegen die -Homosexualität wandte, eines Tages mit dem § 175 -R.-Str.-G.-B. in Konflikt geriet.</p> - -<p>Wenn übrigens auch in Berlin trotz der verhältnismäßigen -Bequemlichkeit und Sicherheit sexuellen Verkehrs -eine große Anzahl Uranier enthaltsam leben — was -zweifellos der Fall ist —, so geschieht dies weniger aus -Angst, als weil ihre sonstige Charakterveranlagung sie -zur Enthaltsamkeit führt und ihnen dieselbe ermöglicht. -Viele dieser Homosexuellen leben als Junggesellen völlig -einsam; manche bringen durch intensive geistige Beschäftigung -ihren Sexualtrieb zum Schweigen, einige -gelten als Sonderlinge, haben auch in der Tat häufig -etwas Schrullenhaftes, Altjüngferliches, andere entwickeln -einen großen Sammeleifer, der sich nicht selten -auf Gegenstände erstreckt, die mit ihrer Neigung in einem -gewissen Zusammenhang stehen; so weiß ich von einem -urnischen Prinzen in Berlin, welcher mit einer wahren -Leidenschaft Soldaten-Darstellungen aller Zeiten und -Länder sammelte. Wieder andere suchen und finden -eine Ablenkung und Befriedigung ihres sexuellen Triebes -darin, daß sie Stätten aufsuchen, Schwimmbäder, Turnhallen, -Sportplätze, wo sie Gelegenheit haben, sich am -Anblick ihnen sympathischer Gestalten zu erfreuen, oder -aber sie schließen sich aus denselben Grunde Vereinen -an. Namentlich in den eingeschlechtlichen Vereinen -Berlins, wie den Turnvereinen und den Vereinen christlicher -junger Männer, ebenso auch in den Frauenklubs -und Frauenvereinen — vom Dienstboten- bis zum -Stimmrechtsverein — sind urnische Mitglieder nichts -Seltenes, oft ist sogar das urnische Element die treibende -Kraft des Vereins. Vielfach sind sich die Betreffenden -ihrer Urningsnatur gar nicht oder nur wenig bewußt -und werden erst aufmerksam, wenn ein dritter, meist -mehr im Scherz als im Ernst, Bemerkungen macht, -wie. „Du benimmst Dich ja wie ein warmer Bruder.“</p> - -<p>Vor einiger Zeit suchte mich einmal ein Mitglied -eines spiritistischen Vereins auf, um sich zu vergewissern, -ob er homosexuell sei; ein Vereinsbruder habe ihm bei -einem Streite zugerufen: „Schweig, Du Zwitter.“ Dieser -stark feminine und offenbar recht nervöse Jüngling berichtete -mir, daß er im gewöhnlichen Leben weder zum -Weibe, noch zum Manne sinnliche Regungen verspüre, -nur wenn er in den Trance-Zustand verfiele, was leicht -der Fall sei, fühle er sich als eine Indierin und empfände -als solche eine starke Liebe zu einem seiner Vereinsbrüder.</p> - -<p>Trotzdem sich die Urninge in ihren Vereinen meist -gut zu beherrschen wissen, kommt es doch hie und da -zum „Skandal“, namentlich wenn sich unter der Wirkung -leichter Alkoholmengen die Zügel lockern, welche sie ihrer -wahren Natur sonst anzulegen wissen. Ich will ein in -mehr als einer Hinsicht lehrreiches Beispiel anführen.</p> - -<p>Vor etwa zehn Jahren veranstaltete ein Missionar -in einem religiösen Zwecken dienenden Hause große Versammlungen -und Feiern, die sich eines ungewöhnlich -regen Zuspruches erfreuten. „Das gewinnende, liebenswürdige -Wesen dieses Mannes zog wie ein Magnet.“ -Er war eine Persönlichkeit von angenehmstem Äußern, -Mitte der Dreißig, sehr begabt und ein trefflicher -Redner. „Er brauchte nur zu bitten, und die Gaben -flossen in Massen; überall war er maßgebend, geliebt -und verehrt, besonders bei den Frauen.“ Man fand -nicht Worte genug über seine Herzensgüte; er selber berichtete -in den Versammlungen häufig, wie er in den -Gefängnissen so oft und gern Trost spendete, wie er -nachts junge Menschen in den Anlagen ohne alle Mittel -gefunden, sie mit nach Hause genommen und bei sich -beherbergt habe. Er hatte dabei ein im Grunde fröhliches -Gemüt. Wer ihn auf den sommerlichen Ausflügen -des Vereins beobachtete, wie er mit seinen Schülern -Kampfspiele veranstaltete, mit ihnen rang und ausgelassen -tollte, freute sich ohne Argwohn der anscheinend -so harmlosen Freudigkeit des unermüdlichen Gottesstreiters. -Eines Tages aber bemächtigte sich tiefe Betrübnis -und große Entrüstung des frommen Vereins. -Herr W. war wegen unsittlicher Handlungen mit jungen -Männern verhaftet worden. Bei der Gerichtsverhandlung -bekundeten zwölf Jünglinge, daß W. sie unzüchtig -berührt habe, sogar hinter der Kanzel, an der Orgel -und in der Sakristei habe er solches getan und jedesmal -hinterher mit ihnen gebetet. Er wurde zu einer -schweren Freiheitsstrafe verurteilt.</p> - -<p>Ich verdanke diesen Bericht einem sehr ehrenwerten -Uranier, der demselben christlichen Verein angehörte. -„Nie hätte ich,“ so schreibt er mir, „geglaubt, daß dieser -geehrte Herr so jäh aus seiner Höhe stürzen könnte, -daß meine inneren Empfindungen, die ich in harten -Kämpfen unterdrückte, um deren Überwältigung willen -ich jene fromme Gesellschaft aufgesucht hatte, so denen -ihres Leiters glichen. Als sich das geschilderte Trauerspiel -zutrug, dachte ich in Demut: „Herr, sei mir Sünder -gnädig“, und bin mit vielen anderen aus dem schwer geschädigten -Verein geschieden.“</p> - -<p>Vielfach widmet sich der homosexuelle Platoniker -nicht sowohl einer Vereinigung, als vielmehr einer einzigen -Person, an der er Gefallen gefunden hat. Wie -viele dieser Männer lassen nicht ihre Schützlinge ausbilden, -studieren, nehmen sie auf Reisen mit, setzen ihnen -Renten aus, adoptieren sie, bedenken sie in ihrem Testament, -bemühen sich um sie in intensivster Weise, ohne -daß es je zu einem Kusse kommt, ja, ohne daß sich die -Betreffenden der sexuellen Grundlage ihrer Neigung bewußt -werden, wiewohl sie die Briefe ihrer Freunde -nicht weniger sehnsüchtig erwarten, nicht minder begierig -lesen, wie ein Bräutigam die seiner Braut. Und noch -seltener ist sich der Empfangende in solchen Verhältnissen -über die wahre Natur seines „väterlichen“ Freundes -klar. Wohl ist er und seine Familie über „das gute -Herz“ ihres besten Freundes des Lobes voll, das hindert -aber den jungen Mann nicht, gelegentlich recht weidlich -über die Homosexuellen zu schelten, ohne zu ahnen, -wie schwer er jenen trifft, den er gewiß am wenigsten -verletzen möchte.</p> - -<p>Ich will hier ein Gedicht eines Berliner Urnings -an seinen Freund zur Kenntnis bringen, das recht anschaulich -zeigt, wie schwer die unmerklich in einander -übergehenden Grenzen zwischen den geistigen, seelischen -und körperlichen Äußerungen des in Form und Stärke, -nicht aber in seinem Wesen verschiedenartigen Gefühls zu -ziehen sind. Es lautet:</p> - -<div class="poem"> -<p class="noindent"> -„Ihm in die tiefen, treuen Augen sehen,<br /> -Mit ihm vereint an meinem Fenster stehen,<br /> -Zu lehnen mein Gesicht an seine Wange,<br /> -Ganz still, recht fest und lange, lange,<br /> -<span class="ind5">Ist das nicht Glück genug —</span><br /> -<br /> -Ihm sanft die Hände zu berühren,<br /> -Den Atem seiner Brust zu spüren,<br /> -Mit meinem Haupt an seinem Herzen liegen<br /> -Und meinen Mund an seine Lippen schmiegen,<br /> -<span class="ind5">Das ist doch Glück genug —</span><br /> -<br /> -Zu schauen, wenn er lacht und froh sich regt,<br /> -Zu merken, wenn er ernst und tief bewegt,<br /> -Zu sehen, wie in allem, was er treibt,<br /> -Er stets sich gleich an Kraft und Schönheit bleibt,<br /> -<span class="ind5">Ist das nicht Glück genug —</span><br /> -<br /> -Die Ansicht mit ihm auszutauschen,<br /> -Dem Wohllaut seiner Stimme lauschen,<br /> -Sein Leben schöner zu gestalten,<br /> -Wenn Leid ihn quält, treu zu ihm halten,<br /> -<span class="ind5">Das ist doch Glück genug —</span><br /> -<br /> -Ihm sagen können, daß er mir das Höchste,<br /> -Von ihm vernehmen, daß ich ihm der Nächste,<br /> -Ihm schildern dürfen, wie sehr ich ihn liebe,<br /> -Den Wunsch zu hören, daß sein Freund ich bliebe,<br /> -<span class="ind5">Das ist doch Glück genug —</span><br /> -<br /> -O, wenn ich es doch nie erlebte,<br /> -Daß ich noch mehr an Glück erstrebte,<br /> -Als mir so reichlich ist beschieden,<br /> -Dann hätten er und ich den Frieden<br /> -<span class="ind5">Und beide Glück genug.“</span><br /> -</p> -</div> - -<p>Auch der folgende ausführliche Bericht eines keuschen -Uraniers über das erste Erwachen seiner Liebe — er -rührt von einem mir bekannten Studenten her, der sich -noch nie sexuell betätigt hat — bestätigt den Satz, daß -sich der homosexuelle Trieb wohl in seiner Richtung und -Bedeutung, nicht aber in seiner Naturwüchsigkeit von der -normalsexuellen Liebe unterscheidet.</p> - -<blockquote> -<p>„Ich bin in dem „Sündenbabel“ Berlin aufgewachsen, habe mit -vielen gleichalterigen Kameraden eine öffentliche Schule besucht, bin -sogar in einer Pension gewesen, wo es sicher nicht sehr zart herging, -und habe mir trotzdem gerade in sexueller Beziehung merkwürdig -lange meine Kindlichkeit bewahrt. Ich habe nie, wie andere Kinder, -Vergnügen daran gefunden, darüber zu reden und zu grübeln, „woher -die Kinder kommen“, ich hatte sogar eine merkwürdige Scheu, deren -Ursachen mir noch jetzt unerklärlich sind, über solche Dinge reden zu -hören. So galt ich noch mit 15 Jahren, und zwar mit Recht, unter -meinen Kameraden für „unschuldig“; an den Klapperstorch glaubte ich -ja nicht gerade mehr, aber ich hatte keine Ahnung von dem Wesen -des Unterschiedes der Geschlechter und von irgend welchen sexuellen -Beziehungen. Natürlich verstand ich auch nichts von den bekannten -Witzen, die über dieses Thema gemacht wurden, was am meisten dazu -beitrug, den Ruf meiner „Unschuld“ zu verbreiten.</p> - -<p>In dieser Zeit, ich war 17 Jahre, faßte ich eine eigenartige Zuneigung -zu einem meiner Mitschüler, dem Primus der Klasse; ich war -nicht so befreundet mit ihm, wie mit meinen speziellen Schulfreunden, -und doch hatte ich immer eine ganz besondere Freude daran, einmal -mich länger mit ihm zu unterhalten, auf dem Schulhofe mit ihm zusammen -zu gehen, oder gar einmal in der Stunde neben ihm zu sitzen. -Gerade dies erreichte ich zu meinem Schmerz nur sehr selten, fast -immer saß ich dritter, also noch ein anderer zwischen uns, und ich -mußte mich begnügen, ihn so oft wie möglich anzusehen, wobei ich mir -Mühe gab, das von ihm nicht bemerken zu lassen. Überhaupt nahm -ich mich aufs äußerste in acht, daß niemand meine Beziehungen zu -ihm, die übrigens völlig einseitig waren und blieben, bemerkte; ich -wußte es damals nicht und weiß mir auch jetzt noch keinen rechten -Grund dafür anzugeben, warum ich meine Zuneigung jedem Menschen -gegenüber und besonders vor dem Geliebten selbst geheim hielt. Ich -hatte wahrscheinlich das richtige Gefühl, doch nicht verstanden zu -werden, und außerdem war ich mir meines Zustandes selbst nur ganz -dunkel bewußt, ich hätte wohl gar nicht aussprechen und in Worte -fassen können, was ich da eigentlich dachte und fühlte. Und doch war -es so herrlich schön, sich vorzustellen, wenn wir beide so recht sehr befreundet -wären, immer zusammen sein könnten, die Schularbeiten gemeinsam -machten und uns nie zu trennen brauchten. Und wenn ich -dann abends im Bett lag, malte ich mir alle möglichen Ereignisse aus, -die eintreten müßten, damit wir recht eng befreundet werden könnten; -da konnte doch z. B. sein Haus abbrennen, dann würde er keine -Wohnung haben, und ich würde ihn auffordern, bei uns zu wohnen; -und dann würde er sogar bei mir im Bett schlafen, so daß ich ihn so -recht fest umarmen und an mich drücken könnte, um ihm zu zeigen, -wie lieb ich ihn habe.</p> - -<p>Wohlgemerkt: Diese Gedanken kamen mir und erfüllten mich mit -größter Seligkeit, ohne daß ich eine Ahnung hatte von den sexuellen -Beziehungen der Geschlechter. Mein Gemüt war vollständig rein, unverdorben -durch unsaubere und schmutzige Geschichten, wie sie andere -Großstadtkinder oft allzu früh zu hören bekommen, meine Phantasie -war nicht erregt durch derartige Dinge. Und dennoch kamen mir diese -„unsittlichen, unzüchtigen“ Vorstellungen? Nein, es lag nicht das geringste -Unsittliche in diesen Gedanken, konnte gar nicht darin liegen, -und diese Tatsachen, die ich an mir selbst erlebt habe, die ich gefühlt -und gedacht habe mit meinem innersten Herzen, sind mir der sicherste -und unumstößlichste Beweis dafür, daß in der Homosexualität an sich -keine Spur von dem enthalten ist, was Unwissenheit und Unkenntnis -hineinlegen wollen. Es sei denn, daß man das Geschlechtliche überhaupt -als etwas Unsittliches ansieht, daß man die natürliche Weltordnung -anzutasten versucht, indem man das Heiligste im Menschenleben -in den Schmutz zieht, dann kann man die gleichgeschlechtliche -Liebe gleich mit verdammen. — Jetzt weiß ich, daß das, was sich damals -in mir abspielte, nichts anderes war, als das erste Erwachen der -Liebe in einem noch kindlichen Gemüt, das nicht wußte, was in ihm -vorging, und doch von dieser neuen Herrlichkeit gänzlich erfüllt war.</p> - -<p>Und wie hier beim ersten Male der Gegenstand meiner Liebe ein -männliches Wesen war, so ist es bei mir bisher geblieben. Wenn -andere „normale“ Männer auf der Straße ein hübsches Mädchen sehen, -so blicken Sie sich unwillkürlich danach um; mir ergeht es genau so mit -schönen Jünglingen, denen ich ebenso unwillkürlich nachsehe. Trete ich -in eine Gesellschaft, komme ich auf einen Ball &c., so geschieht es oft, -daß mir ganz unbewußt irgend einer der jungen Leute, den ich nicht -kenne, auffällt, und ich ertappe mich nachher dabei, daß ich fortwährend -darauf geachtet habe, was der Betreffende tut, mit wem er -tanzt &c. &c.</p> - -<p>Jene erste Liebe wurde nach einiger Zeit abgelöst durch eine -andere größere Leidenschaft, die mich zu einem anderen Mitschüler ergriff, -der zwar ein ganzes Jahr älter war als ich, aber in einer tieferen -Klasse saß. Ich kann mich darauf besinnen, wie ganz allmählich die -ersten Zeichen dieser Liebe bei mir auftauchten, wie ich jede mögliche -Gelegenheit benutzte, mit ihm zusammen zu sein: auf dem Schulhofe, -auf der Straße, bei den Turnspielen u. s. w. Und dabei war es noch -besonders schwierig, diesen Verkehr reger werden zu lassen; nicht nur, -daß er in einer anderen Klasse war, sondern es gab auch eigentlich -gar keine gemeinsamen Interessen zwischen uns, wir hatten keine gemeinsamen -Freunde, und er war gerade im Kreise meiner nächsten -Freunde besonders unbeliebt. Um so auffälliger mußte es sein, wenn -ich mich mit ihm näher befreundete, und ich suchte die verschiedensten -Vorwände, diese Annäherung zu erklären, nicht nur vor anderen, -sondern besonders vor mir selbst, der ich noch immer nicht ahnte, was -in mir vorging. Aber gerade in dieser Zeit, ich war 18 Jahre, ging -mir das Licht über die wahre Bedeutung der Sache auf, in dieser Zeit, -wo ich regelrechte Fensterpromenaden vor seinem Hause machte, die -Zeit abpaßte, wann er herauskam, um ihm zufällig zu begegnen, und -an nichts anderes dachte als an ihn. Ja, ich wußte bald, ich ihn -wirklich und regelrecht liebte, aber es ihm zu sagen, dazu hatte ich -nicht den Mut, ja, ich gab mir sogar noch lange Zeit Mühe, es ihn -nicht einmal merken zu lassen. Unser Verkehr wurde aber reger, obgleich -ich wußte, daß er sich nicht allzu viel aus mir machte; ich benutzte -jede Gelegenheit, unsere Beziehungen enger und freundschaftlicher -zu gestalten, was auch äußerlich gelang, ohne daß es jedoch trotz -größter Anstrengung meinerseits zu einer wirklichen Freundschaft kam. -Es lag überhaupt in K.'s Wesen, daß er keine Freunde besaß, und so -hatte ich in dieser Zeit eigentlich nur einmal Gelegenheit, die Qualen -der Eifersucht kennen zu lernen; doch gerade diese Eifersuchtsanwandlung, -die mir ordentlich zu schaffen machte, brachte mir gleichzeitig volle -Gewißheit über meine homosexuelle Liebe. Schließlich wurde das Gefühl, -das mich zu ihm hinzog, so übermächtig, und ich wurde der -Heuchelei vor ihm und vor mir selbst so müde, daß ich ihm eines -Abends, als wir in seinem Zimmer zusammen arbeiteten, um den -Hals fiel, ihn mit Küssen überschüttete und ihm alles beichtete. Er -nahm diesen Ausbruch etwas verwundert, aber doch ganz ruhig hin, -jedenfalls ohne zu begreifen, um was es sich eigentlich handelte.</p> - -<p>Die nun folgenden Wochen waren die bisher schönsten meines -Lebens, fast jeden Abend waren wir zusammen, ich half ihm bei allen -seinen Schularbeiten, und wenn wir damit fertig waren, saßen wir -eng aneinander geschmiegt und sprachen über alles und nichts. Doch -es waren leider nur wenige Wochen; denn genau zur selben Zeit -stellte sich auch bei meinem K. die Liebe ein — aber nicht zu mir, -sondern zu einem kleinen Mädchen. Und wenn ich jetzt nachmittags -zu ihm kam, dann hatte er mir von nichts anderem zu erzählen, als -von <b>ihr</b>, und auf dem Schulwege sprach er mit mir von <b>ihr</b>, und -abends ging ich mit ihm fort dahin, wo er <b>sie</b> treffen wollte, und -wartete, bis sie kam, sprach ein paar Worte mit ihr, ging ein paar -Schritte mit und verabschiedete mich dann, um die beiden allein zu -lassen — ich war ja überflüssig. Ich kann nicht gerade sagen, daß ich -auch hier eifersüchtig war, im Gegenteil: es floß wohl auch ein Teil -meiner Liebe zu K. auf seine Freundin über, da <b>sie</b> es ja war, die -ihn glücklich machte. Aber das Herz blutete mir doch, wenn er mir -z. B. seine Tagebücher gab, in denen nur von <b>ihr</b> stand, was sie tat -und sagte und dachte, und wo ich kaum mal mit einem Worte erwähnt -wurde. Am meisten jedoch schmerzte mich, daß er sich energisch -weigerte, meine Küsse und Zärtlichkeiten weiter zu dulden; denn -gerade weil ich ihm klar gemacht hatte, daß meine Empfindungen zu -ihm wahre Liebe seien, weil ich ihn mit allen Mitteln, die mir damals -zu Gebote standen, überzeugt hatte, daß meine Liebe zu ihm etwas -Berechtigtes sei, wie die zwischen Mann und Weib, gerade darum behauptete -er, <b>ihr</b> untreu zu werden, wenn er sich noch ferner von <b>mir</b> -küssen ließe. „Freunde können wir ja bleiben“, sagte er, „denn ich habe -dich ganz gern, aber nicht anders wie andere Freunde wollen wir sein.“</p> - -<p>Und so blieben wir Freunde noch zwei Jahre lang, und ich -schmeichle mir, wenigstens in der ersten Zeit einen recht guten Einfluß -auf ihn ausgeübt zu haben; nicht nur, daß ich ihm bei seinen Arbeiten -half, sondern ich versuchte auch, ihm etwas höhere Interessen beizubringen, -als er sie leider besaß, ihn zu veranlassen, sich auch mit -wissenschaftlichen, politischen &c. Fragen zu beschäftigen, auf die ihn die -Erziehung, die er gehabt hatte, das Milieu, in dem er lebte, und seine -eigene Interesselosigkeit bisher nicht hingewiesen hatten. Meine Liebe -zu ihm blieb lange Zeit mit unverminderter Stärke bestehen, und noch -heute bin ich von dieser Leidenschaft nicht ganz geheilt.</p> - -<p>Im Laufe dieser Jahre bin ich allmählich auf meine Veranlagung -aufmerksam geworden, zuerst wohl nach der negativen Seite hin. -Wenn meine Mitschüler allmählich anfingen, von ihren Liebsten zu erzählen, -deren Namen in die Schulbänke einzukratzen, bei jeder Gelegenheit -ihnen Ansichtskarten zu schreiben, so dachte ich zunächst, besonders -da ich immer einer der Jüngsten in der Klasse war, das würde mit -der Zeit bei mir auch noch kommen. Und dabei ahnte ich nicht, daß -die Zuneigung zu meinem K. nichts anderes als wirkliche, wahrhaftige -Liebe war, stärker vielleicht und tiefer, als sie die meisten anderen zu -ihren Mädels empfanden. Erst durch einige Analogieen, die mir zufällig -auffielen, kam nur eine Ahnung des wahren Sachverhalts. Wie -jeder richtig Verliebte machte ich meine Fensterpromenaden, ging täglich, -so oft wie möglich, und wenn es die größten Umwege kostete, an -<b>seinem</b> Hause vorbei und war glücklich, wenn <b>er</b> mal am Fenster -stand. So dämmerte es in mir auf, und nun einmal aufmerksam geworden, -unwillkürlich weitere Anhaltspunkte suchend, kam ich bald zur -Klarheit über mich. Ich entsinne mich z. B. noch genau, welch tiefen -Eindruck es auf mich machte, als meine Mutter einmal scherzend zu -mir sagte: „Paul, Paul, wer immer so allein spazieren geht, der ist -verliebt“; ich hatte ja tatsächlich meinen Bruder nur darum nicht mitnehmen -wollen, um, wenn ich <b>ihn</b> treffen sollte, allein mit ihm zu sein.“ -</p> -</blockquote> - -<p>„Feste Verhältnisse“ homosexueller Männer und -Frauen, oft von sehr langer Dauer, sind in Berlin -etwas ganz außerordentlich Häufiges.</p> - -<p>Man muß an vielen Beispielen wahrgenommen -haben, mit welcher Innigkeit in solchen Bündnissen häufig -der eine an dem anderen hängt, wie sie für einander -sorgen und sich nach einander sehnen, wie sich der Liebende -in die ihm oft so fern liegenden Interessen des Freundes -hineinversetzt, der Gelehrte in die des Arbeiters, der -Künstler in die des Unteroffiziers, man muß gesehen -haben, welche seelischen und körperlichen Qualen diese -Menschen nicht selten infolge Eifersucht erleiden, wie ihre -Liebe alles überdauert und alles überwindet, um allmählich -inne zu werden, daß kein „Fall widernatürlicher -Unzucht“ vorliegt, sondern ein Teil jener großen Empfindung, -die nach der Ansicht vieler dem Menschendasein -erst Wert und Weihe giebt.</p> - -<p>Ich behandelte einst eine adelige Dame, die seit einer -Reihe von Jahren mit einer Freundin zusammen lebte, -an einem schweren Nervenleiden. Weder vorher noch -nachher habe ich in meiner Krankenpraxis ein so liebevolles -Aufgehen eines Gesunden in einen Kranken gesehen, -wie in diesem Fall, weder unter Ehegatten, noch -selbst bei Müttern, die sich um ihre Kinder bangten. -Die gesunde Freundin war keine angenehme Mitbürgerin, -sie hatte viel Rücksichtsloses und Eigenwilliges, wer aber -diese wahrhaft ergreifende Liebe und Sorgfalt sah, dieses -unablässige Bemühen bei Tage und bei Nacht, hielt ihr -um dieses starken und schönen Gefühls willen vieles zu -gute. Sie war mit ihrer Freundin tatsächlich wie verwachsen, -berührte man ein schmerzhaftes Glied der -Kranken, so zuckte sie reflektorisch zusammen, jedes Unbehagen -der Leidenden spiegelte sich in ihrem Gesicht -wider, mangelhafter Schlaf und schlechter Appetit übertrugen -sich auf die gesunde Freundin. Der Fall war -übrigens auch dadurch bemerkenswert, daß auch das -Personal der Patientin, sowohl die Krankenschwester, wie -das Dienstmädchen, einwandfrei urnisch waren.</p> - -<p>Unweit diesem Paare lebte ein anderes. Er war -Referendar, sein etwa 18jähriger Freund Damenschneider. -Dieser war so feminin, daß ich dem Referendar einmal -bemerkte, so gut wie in dieses Neunzehntel-Weib hätte -er sich doch auch in ein ganzes Weib verlieben können. -Unter anderem war seine Stimme so weiblich, daß, wenn -er telephonisch nach mir verlangte, was im Interesse -seines Freundes einige Male vorkam, mein Sekretär stets -meldete. „Eine Dame wünscht sie zu sprechen.“ Beide -lebten in großer Harmonie, tags ging jeder seinem Berufe -nach, der eine auf das Gericht, der andere in die -Schneiderwerkstatt. Als der Referendar Berlin verließ, -nahm er den Freund mit sich. Dieser hatte zuvor seinen -Vater, einen biederen Berliner Handwerker, um eine aufklärende -Unterredung gebeten, bei der, wie er mir schamhaft -erzählte, das Zimmer verdunkelt werden mußte. -Der Vater war garnicht verwundert, er habe schon längst -ähnliches vermutet, und erklärte sich mit allem einverstanden.</p> - -<p>Der kleine Damenschneider hatte einen Arbeitskollegen, -der nicht minder mädchenhaft war, wie er -selbst. Ihr Beruf ist mehr wie irgend ein anderer in -Berlin von urnischen Elementen durchsetzt. Dieser Kollege -verliebte sich in den Bruder des Referendars, einen -Ingenieur, der kurz vorher wegen unglücklicher Liebe zu -einem Studenten einen ernsthaften Selbstmordversuch -unternommen hatte. Als er schwer verletzt im Krankenhause -lag, hatten sich die beiden gleichveranlagten Brüder, -die bis dahin nichts von einander wußten, zu erkennen -gegeben. Allmählich entwickelte sich nun zwischen dem -Ingenieur und dem anderen Damenschneider ein zweites -Liebesbündnis, und es entbehrte nicht einer gewissen -Drolligkeit, wenn die beiden schön und stark gewachsenen -Brüder mit ihren Schneiderlein Willi und Hans — nicht -viel anders wie andere mit ihren Putzmacherinnen — -am Sonntag den Grunewald durchstreiften.</p> - -<p>Daß sich die Eltern mit der urnischen Natur, ja sogar -mit dem homosexuellen Leben ihrer Kinder abfinden, ist -in Berlin durchaus nichts Seltenes.</p> - -<p>Vor kurzem wohnte ich auf einem Berliner Vorortkirchhof -der Beerdigung eines alten Arztes bei. Am -offenen Grabe standen der einzige Sohn des Verstorbenen, -zur Rechten die bejahrte Mutter, an der andern Seite -der zwanzigjährige Freund, alle drei in tiefster Trauer. -Als der Vater, bereits über 70 Jahre alt, vom Uranismus -seines Sohnes hörte, war er der Verzweiflung -nahe, er suchte mehrere Irrenärzte auf, die ihm mancherlei -raten, aber nicht helfen konnten. Dann vertiefte er -sich selbst in die Litteratur über den Gegenstand und -erkannte mehr und mehr, daß sein Sohn, den er über -alles liebte, von Geburt an homosexuell gewesen war. -Bei seiner Niederlassung hatte er nichts dagegen, daß er -den Freund zu sich nahm, ja die guten Eltern übertrugen -ihre volle Liebe auf den jungen Mann, der aus -einfachstem Stande hervorgegangen war. Beide hatten -auf einander sichtlich einen guten Einfluß; während sie -einzeln nur schwer imstande gewesen wären, vorwärts zu -kommen, gelang es ihnen zu zweit vortrefflich, indem das -Wissen und die Liebenswürdigkeit des einen in der Energie -und Sparsamkeit des anderen ihre Ergänzung fanden.</p> - -<p>Auf dem Sterbelager nahm der alte Doktor von -seiner Frau und seinen „beiden Jungen“ Abschied und -der Anblick dieser drei Menschenkinder, wie sie unter -den Klängen des Mendelsohnschen Liedes: „Es ist bestimmt -in Gottes Rat“ ihre Tränen und Trauer vereinigten, -griff ungleich tiefer in die Seele, als die Rede -des jungen Pfarrers, der in schrillem Tonfall die Taten -des ihm gänzlich unbekannten Toten pries.</p> - -<p>Nicht vereinzelt kommt es in Berlin vor, daß urnische -Junggesellen sich bei den Familien ihrer Freunde einmieten -und dort wie Angehörige des Hauses angesehen -werden. Es gibt Mütter, selbst wissende, die -oft in überschwänglicher Weise das Glück preisen, daß -ihr Sohn einen so großartigen Freund, ihre Tochter eine -so ausgezeichnete Freundin gefunden; diese Freundschaft -sei ihnen viel lieber, als wenn sich ihr Sohn -mit Mädchen herumtreibe, ihre Tochter sich von Männern -den Hof machen ließe. Verstieg sich doch einmal eine -Mutter, die mich wegen eines geschlechtlich infizierten -Sohnes aufsuchte, zu dem merkwürdigen Ausspruch: -„Ich wünschte, mein zweiter Sohn wäre auch homosexuell.“ -Manchmal liebt der Freund den Sohn des -Hauses und wird von der Tochter geliebt, wie überhaupt -zwischen den verschiedenen normalsexuellen und homosexuellen -Personen desselben Kreises hie und da ganz -sonderbare Verwicklungen vorkommen. Für den Psychologen -und Schriftsteller, welcher das urnische Moment in -den Beziehungen der Menschen untereinander zu erkennen -weiß, erweitern sich dadurch die der Beachtung und Darstellung -würdigen Konflikte in ungeahnter Weise.</p> - -<p>Ich kannte in Berlin einen Uranier, der die Schwester -eines Jünglings heiratete, nur um mit dem Bruder oft -und unauffällig zusammen sein zu können. Die Ehe, -welche in Wirklichkeit keine war, ging nach einigen -Jahren auseinander, nachdem der normalsexuelle Bruder -seinen Schwager — nicht etwa im Bösen, sondern im -Guten — um sein ganzes beträchtliches Vermögen gebracht -hatte.</p> - -<p>Ein anderer Homosexueller liebte einen Mann, -welcher mit einem Mädchen ein inniges Liebesverhältnis -anknüpfte. Der Urning war auf das Mädchen sehr eifersüchtig, -und auch diese war auf den Freund, der ihren -Geliebten so viel in Anspruch nahm, nicht gut zu sprechen. -Der Mann aber hielt auch dem Mädchen nicht die Treue -und bereitete ihr ebenso wie dem Freunde durch seine -leichtsinnigen Streiche vielen Kummer. Beide kannten -sich nicht persönlich. Eines Morgens aber kam das -Mädchen zu dem Urning, um ihm mitzuteilen, daß dem -Freunde während der Nacht ein schwerer Unfall zugestoßen -sei. Die gemeinsame Sorge machte sie allmählich -zu Freunden. Da entzweite sich der Mann und -sein Mädchen, sie war bitterböse und schien unversöhnlich, -er aber hielt es vor Sehnsucht nicht aus, es trieb -ihn immer wieder zu ihr, sie aber wies ihm die Türe. -Schließlich wandte er sich hilfeflehend an seinen urnischen -Freund, und dieser, der sich schon im stillen gefreut -hatte, daß das so quälende Liebesverhältnis zu Ende sei, -ging zu dem Mädchen und versöhnte beide.</p> - -<p>Solche und ähnliche Falle könnte ich aus der lebendigen -Quelle des Berliner Lebens in großer Zahl berichten -— doch wir wollen jetzt von dem Leben und Leiden -einzelner Urninge zu dem Leben und Treiben urnischer -Gruppen übergehen.</p> - -<p>Denn wenn auch viele Uranier in selbstgewählter -Einsamkeit leben, die nirgends so erreichbar ist, wie in -weltstädtischer Menschenfülle, andere wiederum sich ausschließlich -einer einzigen Person widmen, so ist doch die -Zahl derer nicht minder groß, welche mit anderen homosexuellen -Personen und Kreisen Fühlung suchen, und auch -hier bietet sich in Berlin überreichliche Gelegenheit.</p> - -<p>Es ist recht bedauerlich, daß sich manche Urninge, die -durch ihr Wesen und Wissen jedem Kreise zur Ehre gereichen -würden, schließlich in normalen Gesellschaften überhaupt -nicht mehr wohl fühlen. Die erheuchelten Komplimente -und Interessen, die ihnen besonders häufig zuerteilten -Damentoaste werden ihnen immer peinlicher, und -wenn sie einmal die Geselligkeit kennen gelernt haben, -in der sie sich frei geben können und Verständnis finden, -ziehen sie sich aus andern Kreisen mehr und mehr -zurück.</p> - -<p>Daß gesellige Leben der Urninge untereinander -pulsiert in Berlin in mannigfacher Gestaltung, sowohl in -geschlossenen, als auch in allgemein zugänglichen Zirkeln -ungemein lebhaft. Größere und kleinere Gesellschaften von -Homosexuellen für Homosexuelle sind zu jeder Jahreszeit, -namentlich aber im Winter, an der Tagesordnung.</p> - -<p>Vielfach beschränken sich dieselben auf eine bestimmte -soziale Schicht, auf gewisse Stände und Klassen, doch -werden die Grenzen schon um der Freunde willen bei -weitem nicht so streng innegehalten, wie dies bei Normalsexuellen -üblich ist. Mancher Urning würde nichts so -übel nehmen, als wenn man seinem Freunde, und sei er -noch so einfachen Herkommens, die gesellschaftliche Ebenbürtigkeit -absprechen würde.</p> - -<p>Ich werde in Anerkennung meiner Arbeit für die -Befreiung der Homosexuellen oft ersucht, Gesellschaften -gleichsam als Ehrengast beizuwohnen, und wenn ich auch -nur einen kleinen Teil dieser Aufforderungen annehme, -so haben sie mir doch einen genügenden Einblick in das -gesellige Leben der Berliner Urninge verschafft.</p> - -<p>Einmal war ich in besagter Eigenschaft auf einer -Gesellschaft unter lauter homosexuellen Prinzen, Grafen -und Baronen. Außer der Dienerschaft, die nicht nur in -Bezug auf die Zahl, sondern auch in Hinsicht auf ihr -Äußeres besonders sorgfältig ausgewählt schien, unterschied -sich die Gesellschaft in ihrem Eindruck wohl kaum -von Herrengesellschaften derselben Schicht. Während -man an kleinen Tischen sehr opulent speiste, unterhielt -man sich anfangs lebhaft über die letzten Aufführungen -Wagnerscher Werke, für welche fast alle gebildeten -Urninge eine auffallend starke Sympathie hegen. Dann -sprach man von Reisen und Literatur, fast gar nicht -über Politik, um allmählich zum Hofklatsch überzugehen. -Sehr eingehend verweilte man beim letzten -Hofball, auf dem das Erscheinen des jungen Herzogs -von X. viele Urningherzen hatte höher schlagen lassen, -man schwärmte von seiner blauen Uniform, von seiner -bestrickenden Liebenswürdigkeit und berichtete, wie man -es erreicht hätte, seiner königlichen Hoheit vorgestellt zu -werden. Dann erzählte man sich Anekdoten über abwesende -Urninge der Hofgesellschaft, von denen mir eine, -die besonders herzhaft belacht wurde, im Gedächtnis geblieben -ist. Ein Fürst war kurz zuvor bei einem homosexuellen -Magnaten, von dessen urnischer Natur er so -wenig eine Ahnung hatte, wie von der anderer Herren -seiner Umgebung, zur Jagd geladen. Der hohe Gast -war des Morgens unerwartet früh aufgestanden, um -sich im Schloßgarten zu ergehen. Als er den Korridor -kreuzte, erblickte er seinen Gastgeber, der zu so zeitiger -Stunde nicht auf diese Begegnung vorbereitet war, in -einem höchst sonderbaren Anzuge oder besser Aufzuge; -der allseitig sehr abgerundete Gutsherr trug eine rotsammtene, -mit Blumen und Spitzen reichbesetzte Matinée. -Der Anblick dieser Gewandung war so komisch, daß der -fürstliche Besucher in einen förmlichen Lachkrampf verfiel.</p> - -<p>Eine andere Gesellschaft, der ich beiwohnte, fand in -den Sälen eines der vornehmsten Berliner Hotels statt. -Ein wohlhabender Uranier feierte sein Namensfest. Es -waren mit geringer Ausnahme nur Freundespaare zugegen, -von denen die meisten schon seit Jahren zusammenlebten; -jeder führte sein „Verhältnis“ zu Tisch. Dem -Festmahl ging im Nebensaal auf einer aufgeschlagenen -Bühne eine Theatervorstellung voraus, bei der ausschließlich -Homosexuelle mitwirkten. Nach einigen Soloscherzen -trug der Gastgeber vortrefflich in Maske und -Spiel eine Szene als Falstaff aus den Lustigen Weibern -von Windsor vor, dann gab man Nestroys Wiener -Posse: „Eine Vorlesung bei der Hausmeisterin“. Alle -weiblichen Rollen, an denen es in diesem Stücke nicht -fehlt, lagen in den Händen femininer Urninge, namentlich -erregte ein bekannter Baron in der Titelrolle durch -seine natürliche Darstellungsweise stürmische Heiterkeit. -Nach dem Diner folgte Tanz, und trotzdem die Weine -reichlich flossen, geschah nichts Indezentes. Da einige -Gäste in Damentoilette waren, machte man sich den -harmlosen Spaß, Urningen, die sich besonders männlich -vorkamen, weibliche Kleidungsstücke, wie Hüte und -Shawls anzulegen; manche machten gute Miene zum -bösen Spiel, andere aber wurden recht verdrießlich, denn -man findet Urninge, denen alles, was zum Weibe gehört, -so wenig zusagt, daß ihnen der Gedanke, selbst -Weibliches an sich zu haben, unerträglich ist.</p> - -<p>Auch in minder bemittelten Urningskreisen sind -Gesellschaften in Berlin sehr beliebt und verbreitet. Ich -greife auch hier ein Beispiel ans der Erinnerung heraus. -Ein mit Glücksgütern nicht sehr gesegneter Homosexueller -beging seinen Geburtstag. In einer kleinen Vorortskneipe -hatten sich die Geladenen, darunter seine zwei -normalsexuellen Brüder, eingefunden. Man tat sich an -Bockwürsten, Kartoffelsalat und Schweizerkäse gütlich, -während der Sohn des Wirtes die Gassenhauer des -Tages auf dem Klaviere zum besten gab. Dann trat -„Schwanhilde“, auch „Herr Schwan geborene Hilde“ -genannt, ein bekannter Berliner Urning, auf. Er stellte -eine Berliner Köchin, welche zum Theater gehen wollte, -dar und wirkte besonders belustigend, als er zum Schluß -die Barfußtänzerin Isadora Duncan parodierte. Ein -Damenimitator niedrigster Gattung, der zufällig im -Vorraum der Wirtschaft saß, wurde gebeten, sein Repertoire -vorzutragen. Dazwischen trat ein echter Mann auf, ein -Kohlenträger vom Landwehrkanal, ein „schwerer Junge“, -mit tätowierten Armen, glattangelegtem Scheitel, gestricketem -Sweater und jener eigentümlichen Mischung von -Plumpheit und Grazie, wie sie den Arbeitern dieser -Gattung eigen zu sein pflegt. Er sang eine große Reihe -nicht eben dezenter Lieder im Berliner Volkston, ohne -eine Spur von Stimme, mit vielen Sprachfehlern, jeden -Satz unterstützt von grotesken Bewegungen, denen -zwischen den Versen Drehungen des Körpers folgten, -alles in seiner Ungeschicklichkeit so zusammenpassend, daß -es nicht ohne Wirksamkeit war. Allmählich rückte man -Tische und Stühle bei Seite und ging zum Tanze über, -bei dem sich eine Episode von schwer wiederzugebender -Situationskomik ereignete. Als man mitten im Tanzen -war, trat plötzlich — die Polizeistunde war längst überschritten -— ein Schutzmann mit strenger Amtsmiene ein. -Nur einen Augenblick stockte die fröhliche Stimmung, -dann faßte einer der Anwesenden — ein urnischer -Musiker — den Schutzmann rasch entschlossen um die -Taille und walzte mit ihm los. Dieser war so verblüfft, -daß er kaum Widerstand entgegensetzte, eifrig mittanzte -und sich bald mit dem Wirtssohn und dem -Kohlenträger in die Rolle des begehrtesten und aufgefordertsten -Tänzers teilte.</p> - -<p>Es gibt natürlich auch viele urnische Gesellschaften, -die einen ungleich ernsteren Charakter tragen. So -sammelte ein alter Berliner Privatgelehrter jeden Winter -mehrere Male einen kleinen Kreis um sich in seinem -künstlerisch ausgestatteten Heim. Es waren meist zehn -bis zwölf Herren aus akademischen Ständen zugegen, -von denen nur zwei bis drei nicht homosexuell waren. -Der Alte, welcher seine Gäste mit schweren Südweinen, -Austern, Hummern und ähnlichen Leckerbissen bewirtete, -hatte noch Alexander v. Humboldt und Iffland gekannt, -war mit Hermann Hendrichs und Karl Ulrichs befreundet -gewesen und schien unerschöpflich in der Wiedergabe -seiner Erinnerungen. Die Gespräche berührten fast -ausschließlich das homosexuelle Problem. Da debattierte -ein jüngerer katholischer Geistlicher mit einem schon ergrauten -evangelischen Pfarrer über Uranismus und -Christentum; mehrere Philologen stritten sich über -Shakespeares Sonette, während die Juristen und -Mediziner die Frage erörterten, inwieweit sich der § 51 -des R.-St.-G.-B., welcher von dem Ausschluß der freien -Willensbestimmung handelt, schon jetzt zu Gunsten der -Homosexuellen verwenden ließe.</p> - -<p>Den ernstesten Charakter unter den Gesellschaften -der Berliner Urninge tragen die am Weihnachtsheiligabend -veranstalteten Zusammenkünfte. Mehr als an -jedem anderen Tage fühlt an diesem Feste des Familienglücks -der urnische Junggeselle sein einsames Los. Viele -würden den Abend noch trauriger verleben, wenn unter -den wohlhabenden Homosexuellen nicht stets einer oder -der andere wäre, der die Heim- und Heimatlosen um -sich sammelte.</p> - -<p>Ich greife auch hier ein Bild aus der Großstadt -heraus.</p> - -<p>Schon am Tage vor dem Fest hatte der Hausherr -den Weihnachtsbaum, eine große Silbertanne, selbst geschmückt; -alles Bunte wurde vermieden, zwischen den -weißen Wachskerzen sind Silberguirlanden, Eiszapfen, -Schneeflocken, Glaskugeln und Engelhaar, das sich wie -Spinngewebe von Ast zu Ast zieht, geschmackvoll angebracht, -und hoch am Wipfel ist ein großer Silberstern -befestigt, auf dem ein Posaunenengel im lichten Tüllgewand -„Friede den Menschen auf Erden“ verkündigt. -Dann wurden die kleinen Geschenke fein säuberlich in -Seidenpapier geschlagen und um den Baum herumgelegt, -für jeden etwas: ein Kalender, ein Buch, ein kleiner -Schmuckgegenstand, wohl gar ein Kettenring, ein Taschenspiegel, -eine Schnurrbartbinde. In der Frühe des Vierundzwanzigsten -hat der Hausherr das große Tischtuch -von feinstem Leinen aus dem Schranke hervorgeholt, -mit dem Diener die Tafel gedeckt, das Silber verteilt, -die Servietten gefaltet, mächtige Obstschalen gefüllt, jeden -Teller mit einem Blumensträußchen versehen und vor -den Kristallgläsern zierliche Tischkarten gelegt. Dabei -kommt man manchmal bei diesem ober jenem der Eingeladenen -in nicht geringe Verlegenheit, wenn man sich seines wirklichen -Namens nicht entsinnen kann. Man hat ihn das -ganze Jahr mit einem weiblichen Spitznamen angeredet, -von dem man aber an diesem Abend gern Abstand -nehmen möchte.</p> - -<p>Noch eine zweite Tafel wird im Korridor gedeckt, -dort sollen die Kinder und das Dienstpersonal ihr -Weihnachtsmahl einnehmen — jawohl die Kinder — ein -seltener Anblick im Urningsheim. Man hat nämlich zur -Bescheerung die zwei Kleinen der Waschfrau und die -drei Enkel des Portiers geladen. Es wird Wert darauf -gelegt, daß am Nebentisch dieselben Gerichte wie an der -Haupttafel genossen werden und daß auch hier alles -recht feierlich aussieht.</p> - -<p>Der Beginn ist erst auf 8 Uhr festgesetzt, da einige -vorher in einem verwandten oder befreundeten Hause -der Bescheerung angewohnt haben, ehe sie in den Kreis -ihrer Freunde kommen. Endlich, als alle eingetroffen, -verschwindet der Hausherr in den bis dahin verschlossenen -Salon, zündet die Kerzen an, wirft noch einen Blick auf -die Geschenke und ruft zunächst die Kinder und jenen -Gast herein, der ihre Weihnachtslieder am Klavier -begleiten soll. Nun werden die Doppeltüren geöffnet, und -hell tönen die Kindergesänge von der stillen, heiligen -Nacht und der seligen, fröhlichen Weihnachtszeit.</p> - -<p>Tiefer Ernst liegt auch auf allen Zügen, in manchem -Auge blinkt eine Träne, selbst die „lange Emilie“, der -sonst immer lustige Damenkonfektionär, kann seine -Rührung nicht bemeistern. Weit, weit zurück ziehen die -Gedanken der Uranier in jene Zeiten, in denen ihnen -dieser Tag auch ein Familienfest war, als noch nichts -gemahnte, daß ihr Geschick sich so ganz anders gestalten -würde, wie das der längst verheirateten Geschwister; erst -ganz allmählich öffnete sich die Kluft, die sie von den -Ihren trennte, dann kamen die langen Jahre, wo sie -diesen Abend friedlos und freudlos im Restaurant oder -bei „einem guten Buch“ im „möblierten Zimmer“ verbrachten. -Manche gedenken ihrer zerstörten Hoffnungen, -was hätten sie leisten können, wenn sich nicht alte Vorurteile -ihrer Laufbahn hindernd in den Weg gestellt -hätten, und andere in angesehenen Stellungen gedenken -der schwer auf ihnen lastenden Lebenslüge! Viele gedenken -der Eltern, die tot oder für die sie tot sind, und -alle in inniger Wehmut des Weibes, das sie über alles -liebte und das sie über alles liebten — ihrer Mutter.</p> - -<p>Jetzt sind die Kinderstimmen verklungen, man reicht -sich die kleinen Gaben, beschenkt besonders reichlich die -Kinder und die Dienstboten und setzt sich zu Tisch. Die -Tafelgespräche sind nicht so fröhlich wie sonst; man spricht -von dem guten X., der letztes Jahr noch am heiligen -Abend teilnahm, und den nun auch schon die Erde deckt.</p> - -<p>Langsam läßt die Spannung nach, der Ton wird -etwas heiterer, aber der ernste Unterton bleibt, und über -dem ganzen Abend ruht ein Hauch weltschmerzlicher -Sentimentalität.</p> - -<p>„Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen -auf Erden! Wann endlich“ — so schrieb mir vor einigen -Jahren ein Homosexueller am Weihnachtsheiligabend — -„Wann endlich wird man erkennen, daß auch zu uns der -Erlöser kam, daß auch wir nicht ausgeschlossen sein sollten -von seiner gütigen, edlen, barmherzigen, allumfassenden -Liebe?“</p> - -<p>Es war in der Frühe des letzten Weihnachtsmorgens, -als ich zu einem urnischen Studenten im Westen -Berlins gerufen wurde, von dem es hieß, daß er in der -Nacht einen Tobsuchtsanfall gehabt hätte.</p> - -<p>Als ich zu ihm kam, bot sich mir ein furchtbarer -Anblick; das ganze Zimmer war erfüllt von Scherben -und Möbelstücken, zerrissenen Tüchern, Büchern und -Papieren, alles mit Blut, Tinte und Petroleum vermischt. -Vor dem Bette befand sich eine große Blutlache, -und auf der Bettstatt lag ein junger Mann mit wachsbleichem -Gesicht, aus dem seltsam tiefe, flammende -Augen hervorleuchteten, schwarze Strähnen umgaben die -feingeschnittenen, regelmäßigen Züge. Um Stirn und -Arme waren blutdurchtränkte Lappen geschlungen.</p> - -<p>Er hatte sich wegen seines Uranismus mit seinem -strengen Vater, einem angesehenen Bürger Berlins, überworfen, -keiner gewann es über sich, dem andern gute -Worte zu geben, und nun war er am Heiligabend, dem -ersten, den er fern von der Familie verlebte, herumgeirrt -durch die menschenleeren Straßen der Millionenstadt. -Von der Gegenseite der Straße hatte er, in einem -dunklen Gange sich herumdrückend, die glänzenden Lichter -in der Wohnung der Eltern gesehen, das Lachen der -jüngeren Geschwister war an sein Ohr gedrungen, und -für einige Augenblicke schaute er die Umrisse der Mutter, -die während des Kinderjubels sinnend ihre Stirn an -die Fensterscheiben lehnte.</p> - -<p>Als sie oben die Lichter löschten, war er in die -nächste Budike gegangen, hatte an einem abgelegenen -Ecktisch ein Schnapsglas nach dem andern geleert, in -einer zweiten und dritten Destille das Gleiche getan und -in verödeten Kaffeehäusern für schwarzen Kaffee mit -Kirsch sein letztes Geld verausgabt.</p> - -<p>Nachdem er dann in der kalten Winternacht heimgekehrt -und die vier Treppen im Hofe heraufgewankt -war, hatte sich seiner ein ungeheurer Erregungszustand -bemächtigt. Er hatte alles zertrümmert und die brennende -Lampe zerschlagen in der Erwartung, daß er sich an -geöffneten Pulsadern verbluten würde. Ein von den -Wirtsleuten eilends herbeigerufener Arzt hatte durch die -Türspalte gelugt und rasch ein Attest zur Überführung -in die Irrenabteilung der Charité geschrieben.</p> - -<p>Ein Freund des Kranken holte mich zu ihm; ich -wusch und verband ihm an jenem Weihnachtsvormittag -eine Wunde nach der andern; er klagte nicht und sprach -kein Wort, aber die flammenden Augen sprachen und -die blassen Lippen sprachen und jede einzelne Wunde -sprach von seinem tiefen Leide und der hohen, heiligen -Aufgabe derer, die an dem Befreiungswerke der Uranier -arbeiten. —</p> - -<p>Neben den Privatgesellschaften, Diners, Soupers, -Kaffees, 5 Uhr Thees, Picknicks, Hausbällen und -Sommerfesten, die die Berliner Homosexuellen in nicht -geringer Menge veranstalten, sind die Jours fixes zu erwähnen, -von denen jeden Winter einige von Urningen -und Uranierinnen für ihre Freunde und Freundinnen -eingerichtet werden.</p> - -<p>Sehr bekannt war jahrelang der Sonntag-Nachmittags-Empfang -bei einem urnischen Kammerherrn, auf -dem viele Personen von Rang und Stand erschienen. -Die leibliche Bewirtung besteht hier meist in Tee und -Gebäck, die geistige in musikalischen Darbietungen. Letzten -Winter war es besonders der <i>Jour</i> fixe eines urnischen -Künstlers, der sich großer Beliebtheit erfreute. Der -überaus gastfreundliche Wirt empfing seine Gäste, unter -denen sich viele homosexuelle Ausländer, namentlich aus -den russischen Ostseeprovinzen und den skandinavischen -Ländern, sowie auch oft homosexuelle Damen befanden, -in einer Art Zwischenstufengewand, einem Mittelding -zwischen Prinzeßrobe und Amtsrobe. Die Musikvorträge, -zumal die Gesänge des Hausherrn in Baryton und Alt -und das Klavierspiel eines dänischen Pianisten standen -künstlerisch auf der Höhe. Man sah dort regelmäßig -einen österreichischen Studenten der Chemie, der stets -schweigsam und ernst dasaß, sich aber sichtlich unter -Seinesgleichen wohl fühlte, da er immer wiederkam. -Im Frühjahr, als die Zusammenkünfte zu Ende waren -und der Russe Berlin verließ, ging jener Student eines -Abends in eine Urningskneipe und ließ sich vom Klavierspieler -Koschats „Verlassen“ spielen; als die melancholische -Weise erklang, nahm er unbemerkt ein Stückchen -Cyankali, das ihn in wenigen Sekunden leblos zu -Boden streckte. „Selbstmord aus unbekannten Gründen“ -verzeichnete der Polizeibericht, in Wirklichkeit der Selbstmord -eines Homosexuellen, wie er sich in Berlin nur -allzu oft ereignet.</p> - -<p>Nicht immer ist die Homosexualität die direkte Ursache, -aber fast stets ist der indirekte Zusammenhang -zwischen der Homosexualität und dem gewaltsamen Ende -leicht nachweisbar. Da ist ein urnischer Offizier, im -Kadettenkorps erzogen, mit Leib und Seele Soldat, er -hatte sich außerdienstlich eine homosexuelle Handlung zu -Schulden kommen lasten, sie wurde lautbar, und ein -schlichter Abschied war die Folge. Er hat nichts -anderes gelernt, als sein Kriegshandwerk, nun sucht er -kaufmännische Stellungen, sucht, findet und verliert eine -nach der andern, die Familie will nichts mehr von ihm -wissen, er steht allein, verliert jeden Halt, sinkt immer -tiefer, greift zum Alkohol, zum Morphium und endlich -zur erlösenden Waffe. So kenne ich viele Tragödien; -erst vor wenigen Wochen endete ein früherer Leutnant -auf diese Weise. „Ursache: Schulden“, schrieben die -Zeitungen; jawohl, Schulden, aber die Grundursache -lag tiefer, es war der Verlauf, wie ich ihn soeben -schilderte; — an der Homosexualität war er zu Grunde -gegangen.</p> - -<p>Vor einigen Tagen nahm ich einem homosexuellen -Lehrer, der mich aufsuchte, ein Fläschchen Blausäure -fort. Er hatte keine strafbare Handlung begangen, sich -nie gleichgeschlechtlich betätigt; er war eben erst in den -Schuldienst getreten, als dem Direktor ein anonymes -Schreiben zugegangen war, der neue Lehrer sei ein Päderast; -der Chef ließ ihn kommen, und auf Befragen gab er -zu, homosexuell veranlagt zu sein. Man gab ihm den wohlmeinenden -Rat, auf seine Entlassung anzutragen, er tat -es, fand aber nicht den Mut, es seiner alten Mutter zu -sagen, die gedarbt hatte, damit er Lehrer werden könne. -Nun irrte auch er nach Stellung umher in dem großen -Berlin, in dem es so viele Stellen, aber so viel mehr -Stellenlose gibt.</p> - -<p>Es sind gewiß mehr als zwanzig Homosexuelle, die -ich im Laufe der letzten acht Jahre vor dem Selbstmord -bewahren konnte; ob ich ihnen einen guten Dienst erwies, -ich weiß es nicht, und doch erfüllt es mich mit -stiller Freude, daß ich ihnen das Leben und sie dem -Leben erhalten konnte. —</p> - -<p>Einen den geschilderten Jourfixen ähnlichen, wenn -auch schon mehr vereinsartigen Charakter tragen die -regelmäßigen Zusammenkünfte, wie sie von Homosexuellen -an bestimmten Abenden in bestimmten Lokalen -veranstaltet werden; auch hier ist es gewöhnlich eine Person, -um die sich die anderen gruppieren, nur bewirtet sich -jeder aus eigenen Mitteln. Vielbesucht war lange Jahre -der Klub „Lohengrin“, welcher sich um einen unter dem -Namen „Die Königin“ bekannten Weinhändler zusammenfand. -Während hier die Unterhaltung in musikalischen -und deklamatorischen Darbietungen bestand, tragen manche -dieser Vereinigungen, wie die „Gemeinschaft der Eigenen“, -die „Platen-Gemeinschaft“, einen mehr literarischen -Charakter. Auch ein Kabaret, das von Urningen geleitet -und hauptsächlich von diesen besucht wird, gibt es -in Berlin.</p> - -<p>Auf allen diesen Veranstaltungen tritt die eigentliche -Sexualität genau so zurück wie in den entsprechenden -normalsexuellen Kreisen. Das Bindemittel ist lediglich -das aus der Gemeinsamkeit der Lebensschicksale sich ergebende -Gefühl der Zusammengehörigkeit.</p> - -<p>Haben alle die genannten Gesellschaften einen mehr -geschlossenen Charakter, so ist die Zahl derer, die allgemein -zugänglich sind, noch viel bedeutender. Daß -manche Restaurationen, Hotels, Pensionate, Badeanstalten, -Vergnügungslokale, trotzdem sie jedermann offen stehen, -fast ausschließlich von Urningen besucht werden, wird -weniger merkwürdig erscheinen, wenn man bedenkt, daß -viel weniger scharf gekennzeichnete Gruppen in Berlin -ihre Lokale haben, die fast ganz von ihnen existieren; so -gibt es Restaurationen, in denen nur Studenten, nur -Schauspieler, nur Artisten verkehren, andere, die nur -von Beamten, nur von Kaufleuten bestimmter Waren, -von Liebhabern bestimmter Spiele und Sports leben, -wieder andere, die nur von Buchmachern, Falschspielern -oder irgend einer Verbrecherkategorie besucht werden.</p> - -<p>Man kann Lokalitäten unterscheiden, die von Urningen -bevorzugt, aber auch von anderen Personen aufgesucht -werden, und solche, die lediglich von jenen frequentiert -sind. Zu ersteren gehört ein sehr großes Münchener Bierrestaurant -der Friedrichstadt, in dem seit Jahren zu bestimmten -Stunden stets an hundert Homosexuelle und -mehr zu finden sind. Auch in bestimmte Kaffeehäuser -ziehen sich die Urninge mit Vorliebe hin, wobei alle -paar Jahre ein Wechsel zu beobachten ist; oft sind es -Lokale, wo der Wirt oder ein Kellner selbst urnisch sind, -meist werden bestimmte Abteilungen der Wirtschaften besonders -bevorzugt. Die urnischen Damen treffen sich -vielfach in Konditoreien; so befindet sich im Norden der -Stadt eine, die täglich zwischen 4 und 6 Uhr nachmittags -von urnischen Israelitinnen zahlreich besucht -wird, welche hier Kaffee trinken, plaudern, Zeitungen -lesen, Skat und mit Vorliebe Schach spielen.</p> - -<p>Im Sommer sind es stets gewisse Gartenlokale, in -denen sich die Urninge in großer Zahl einfinden, während -sie andere, wenigstens in Gruppen, meiden. In einigen -dieser Konzertgärten macht sich neben der weiblichen -auch die männliche Prostitution bemerkbar.</p> - -<p>In einem der vornehmsten Berliner Konzertlokale -war vor einigen Sommern das Treiben der Homosexuellen -so arg geworden, daß Kriminalbeamte hinbeordert -wurden, um dem rücksichtslosen Gebahren, das -nicht schwer genug gerügt werden kann, ein Ende zu -bereiten.</p> - -<p>Es muß der Berliner Polizei zu ihrem Lobe nachgesagt -werden, daß <i>agents provocateurs</i> bei ihr außerordentlich -selten sind. Es wäre den Beamten gewiß leicht, -Homosexuelle herauszufinden, indem sie sich selbst als -homosexuell gerierten; es soll dies in früheren Zeiten -auch vorgekommen sein; mir ist nur ein Fall bekannt, -und zwar spielte sich dieser in dem erwähnten Konzertlokal -ab, in dem ein Urning den ihn beobachtenden -Kriminalbeamten für Seinesgleichen hielt, glaubte, daß -ihm Avancen gemacht würden, und keinen kleinen Schreck -bekam, als er auf seine zärtliche Berührung hin arretiert, -zur Wache gebracht und später dann auch wegen „tätlicher -Beleidigung“ verurteilt wurde.</p> - -<p>Neben diesen Lokalen gibt es in Berlin eine ganze -Anzahl, die ganz ausschließlich von Urningen besucht -werden. Ihre Zahl genau anzugeben, ist sehr schwierig. -Medizinalrat <i>Näcke</i> <span class="small"><sup><a href="#fn1">1</a></sup></span><a name="fn1r" id="fn1r"></a> dürfte wohl recht haben, wenn -er annimmt, daß in Berlin mehr als zwanzig Urningskneipen -vorhanden sind. Immer wieder höre ich gelegentlich -in meiner Praxis urnische Restaurationen erwähnen, -die mir bis dahin unbekannt waren. Jede -dieser Wirtschaften hat noch ein besonderes Gepräge; in -der einen halten sich mehr ältere, in einer anderen mehr -jüngere, wieder in einer anderen ältere und jüngere -Leute auf. Fast alle sind gut besucht, an Sonnabenden -und Sonntagen meist überfüllt. Wirte, Kellner, Klavierspieler, -Coupletsänger sind fast ausnahmslos selbst homosexuell.</p> - -<p>Man hat Homosexuelle aus der Provinz, die sich -zum ersten Male in solchen Lokalen aufhielten, in tiefer -seelischer Erschütterung weinen sehen.</p> - -<p>In allen diesen Kneipen geht es durchaus anständig -zu; hie und da werden sie von der Kriminalpolizei oder -deren Geheimagenten kontrolliert, doch hat sich fast nie -eine Veranlassung zum polizeilichen Einschreiten ergeben.</p> - -<p>Rudolf Presber hat kürzlich in einem Feuilletonartikel -unter dem Titel: „Weltstadttypen“ eine anschauliche -Schilderung einer solchen Urningskneipe entworfen. -Er schreibt:</p> - -<p>„Die letzte Station dieser interessanten Nachtfahrt -machten wir in einem feineren Restaurant. Hier führen -keine ausgetretenen klitschigen Stufen hinunter, sondern -sauber gescheuerte Treppen hinauf. Bessere Gegend und -ein besseres Haus. Die Ausstattung der Räume behaglich, -nicht ohne Wärme. Bilder an den Wänden in -goldenen Rahmen. Statt des gräflichen Orchestrions, -das kaum in einer der früher gesehenen Kneipen fehlte, -neben riesigem Notenpack ein anständiges Klavier. Und -davor ein ganz erträglicher Spieler und daneben ein -hagerer Jüngling mit sprossendem Bart, mit weibischen -Bewegungen und einem gequält süßen Lächeln, einen -breitrandigen Frauenhut mit wehendem Schleier auf dem -pomadisierten Kopf. Der Jüngling singt — Sopran.... -Die beiden Stuben gut mit Gästen gefüllt. Kein schlechtes -Publikum, so scheint's. Keiner spuckt auf die Dielen, -keiner hat einen Zahnstocher zwischen den Zähnen, keiner -säubert sich die Ohren oder kratzt sich die Beine, wie -wir's den ganzen Abend über schaudernd genossen. Ein -paar würdige alte Herren, ein paar ausrasierte Sportstypen, -ein paar Künstler mit gebrannten und gelegten -Locken. Dem Harmlosen mag hier zunächst wenig auffallen. -Vielleicht nimmt's ihn nur Wunder, daß auch -der zweite Sänger — Sopran singt. Vielleicht erstaunt -er, daß in keiner der gutgefüllten Stuben ein weibliches -Wesen zu sehen ist ... Man trinkt mäßig an -sauber gedeckten Tischen. Kein unanständiges Wort wird -gesprochen, und die Lieder, die gesungen werden, haben -keine zotigen Pointen. Eher scheint das Sentimentale -dieser andächtig lauschenden Versammlung zuzusagen. -Und als einer der Sopransänger, sich in den Hüften -wiegend, als schlenkere er niederfließende rauschende -Frauenröcke, ein gar schmelzendes Liedchen beendigt, -wendet sich ein an unserem Tisch sitzender, vornehm aussehender -Greis an einen von uns, tippt ihn mit ganz -leichter Vertraulichkeit auf den Arm und fragt bescheiden, -aber mit seltsam leuchtenden Augen: „Gefällt's Ihnen -bei uns?“</p> - -<p>„Keine Übeltäter hier, keine Verbrecher an der Person, -keine Verbrecher am Eigentum. Unglückliche, Entrechtete, -die den Fluch eines geheimnisvollen Rätsels der Natur -durch ihr einsames Leben schleppen. Menschen, die sich -im Kampf des Tages ihre geachtete Stellung erobert -haben. Redlich arbeitende, deren Ehrenhaftigkeit niemand -anzweifelt, deren Wort und Name seine gute -Geltung hat; und die sich doch unter dem Druck eines -mittelalterlich grausamen Gesetzesparagraphen scheu und -heimlich zusammenfinden müssen, fern von den normalen -Glücklichen ihre stets vom Gesetz, von der Verachtung, -von der Erpressertücke gefährdeten unbesiegbaren Triebe -den Gleichfühlenden einzugestehen.</p> - -<p>Im gefunden Herzen ehrliches Mitleid mit diesen -Kranken, die eine letzte mittelalterliche Unvernunft den -Verbrechern gleichstellt, treten wir hinaus auf die stille -Straße. Wolkenlos spannt sich der Sternenhimmel der -Julinacht über den mondbeglänzten Dächern. Mit dem -riesigen Schlüsselbund rasselnd, schleicht ein Nachtwächter -an den lichtlosen Häusern entlang. In einem Torbogen -drückt sich ein Liebespaar inbrünstig die Hände. Fern -und ferner klingt der Sopran....“</p> - -<p>So Presber. — Eine andere Urningskneipe, die wir -betreten, besteht aus vier ziemlich großen Zimmern. Es -ist schwer Platz zu finden. Im zweiten und vierten -Raum stehen Klaviere, in dem einen trägt „die Engeln“ -die neuesten Lieder vor, in dem andern wird getanzt, -nicht Mann und Weib, sondern Mann und Mann. Sie -tanzen mit sichtlicher Hingebung; der weibliche Teil schmiegt -sich schmachtend dem männlichen Partner an; die schlechte -Musik materialisiert sich förmlich in ihnen; wenn der -Klavierspieler abbricht, scheint es, als ob sie aus melodientrunkener -Tonseligkeit zu rauher Wirklichkeit erwachen.</p> - -<p>Besonders eigenartig sind die Kaffeegesellschaften, -wie sie nicht selten in diesen Lokalen stattfinden. Der -Wirt, der Coupletsänger oder irgend ein Stammgast -feiern ihren Geburtstag und haben diesem Fest zu Ehren -ihre „Freundinnen“ zu sich gebeten. Zur festgesetzten -Nachmittagsstunde erscheinen die Gäste, meist Urninge -des Handwerker- und Arbeiterstandes. Jeder überreicht -dem Geburtstagskinde ein Angebinde, eine selbstgefertigte -Handarbeit, eine Probe eigener Kochkunst, ein paar künstliche -oder natürliche Blumen. Die Begrüßungen sind -sehr lebhaft, zierliche Knixe und Verbeugungen, denen -sittsame Freundschaftsküsse auf die Wange folgen. Wie -sie sich dann drehen und zieren, sich Schmeicheleien -sagen, das Herausziehen der Hutnadel, das Aufraffen -des Rockes, das Zurechtziehen der Taille, das Hinlegen -der nicht vorhandenen Schleppe markieren, sich dann -endlich mit den Worten: „Haben Sie schon gehört, meine -Teure“ niederlassen, alles das ist von schwer zu schildernder -Drolligkeit. Einzelne „Honoratioren“, wie die „Baronin“, -die „Direktorin“, die „ <i>Chambre separée</i>'sche“ werden besonders -freudig und respektvoll begrüßt, die Zuspätkommenden -mit launigen Scheltworten empfangen. Eine -Stunde später, als man „geladen“, sitzt alles bei Tisch -und während sich nun ein Schnattern und Plappern, -ein Lachen, Juchzen und Kreischen in so verwirrendem -Durcheinander erhebt, daß einem männlichen Gaste angst -und bange werden kann, verschwinden mit erstaunlicher -Geschwindigkeit Berge von Kuchen und Ströme von -Kaffee. Nachdem den Sprech- und Kauwerkzeugen -einigermaßen genüge geschehen, werden die mitgebrachten -Handarbeiten hervorgeholt, man häkelt, strickt, stickt und -näht, zugleich aber tragen die künstlerischen Kräfte, welche -in Urningsgesellschaften selten fehlen, mit Gesängen, -Deklamationen und Vorträgen zur Unterhaltung bei. -Ihren Höhepunkt aber erreicht die Stimmung, wenn das -Geburtstagskind unter lautem Beifall aller von einem -der Gäste graziös zum Flügel geleitet wird und in wohllautendem -Alt mit ebenso viel Sehnsucht, als Unwahrscheinlichkeit -sein Lieblingslied: „Ach, wenn ich doch -ein Räuber wär'“ zum Besten gibt. Kein Mißklang -trübt das harmlose Treiben weniger flüchtiger Stunden, -bis die Abendbrotzeit die muntere Schar wieder in alle -Winde verscheucht.</p> - -<p>Wer zum erstenmale den Gesprächen in diesen -Kneipen lauscht, wird erstaunt sein über die große Zahl -weiblicher, oft sehr absonderlicher Namen, die an sein -Ohr dringen. Bald wird er gewahr, daß es sich um -Spitznamen handelt, welche die Gäste sich untereinander -beilegen. Die Gründe dieser verbreiteten Sitte sind -verschiedene; einmal verschweigen die meisten Personen, -die sich hier einfinden, begreiflicherweise ihre wahren -Namen, so daß die anderen, im Bedürfnis, sich über -sie zu unterhalten, zu selbstgewählten Bezeichnungen -greifen, außerdem fühlt man instinktiv, daß die Anrede -„Herr so und so“ bei vielen, <b>keineswegs bei allen</b>, in so -starkem Gegensatz zu ihrem femininen Wesen steht, und -endlich bietet sich in der Wahl dieser Necknamen eine -gute Gelegenheit, den ja auch gerade im Berliner tief -wurzelnden Drang nach Scherz und Humor zu befriedigen. -In vielen, namentlich virileren Urningskreisen -ist der Gebrauch derartiger weiblicher Spitznamen übrigens -verpönt.</p> - -<p>Viele dieser Namen sind lediglich weibliche -Umgestaltungen der entsprechenden männlichen Vornamen; -so wird aus Paul Paula, aus Fritz Frieda, aus Erich -Erika, aus Georg Georgette, aus Theodor Dorchen oder -Thea, aus Otto Ottilie oder auch Otéro. In einem -Berliner Urningsliede, in welchem geschildert wird, wie -eine Mutter auf die Nachricht, ihr Sohn sei „pervers“, -in großer Besorgnis zu ihm eilt, und dieser sie beruhigt, -indem er ihr als Zeugnis seiner Normalität die an ihn -gerichteten Liebesbriefe vorzeigt, welche die Unterschrift -„Luise“ tragen, heißt es am Schlusse:</p> - -<div class="poem"> -<p class="noindent"> -„Beim Abschiedskuß an meiner Tür,<br /> -Da dachte ich dann still bei mir:<br /> -Wie gut, liebe Mutter, daß Du nicht weißt,<br /> -Daß meine Luise — Ludwig heißt.“<br /> -</p> -</div> - -<p>Oft sind diese weiblichen Namen noch mit Unterscheidungszusätzen -verbunden; so gibt es eine Näsenjuste, -eine Schmalzjuste, eine Klammerjuste, Klamottenjuste, -Handschuhjuste und Blumenjuste, eine Lange-Anna, -Ballhausanna und Blaueplüschanna, eine Hundelotte -und eine Quietschlotte, eine Spitzenkaroline und eine -Umsturzkaroline (weil er durch seine lebhaften Armbewegungen -jeden Abend mindestens ein Glas Bier „umstürzen“ -soll), eine Butterriecke, eine Käseklara, eine -Lausepaula, eine Harfenjule und eine Totenkopfmarie.</p> - -<p>Viele Urninge erhalten altdeutsche Beinamen, wie -Hildegarde, Kunigunde, Thusnelda, Schwanhilde und -Adelheid, oder klangvolle Adelsnamen, wie Wally von -Trauten, Berta von Brunneck, Asta von Schönermark oder -noch hochtönendere; so findet man in diesen Kneipen -neben der Markgräfin, der Landgräfin, der Burggräfin -und der Kurfürstin (weil sie in der Markgrafen-, Landgrafen-, -Burggrafen- und Kurfürstenstraße wohnen) die -Marquise de la place d'Alexandre (wohnt am Alexanderplatz), -die Herzogin von Aschaffenburg, die Herzogin -d'Angoulème, die Großfürstin Olga, die Königin Natalie, -die Carmen Sylva, die Kaffeekönigin, die Polenkönigin, -die Oberstallmeisterin, die Excellenzfrau, die Kaiserin -Messalina und die Kaiserin Katharina.</p> - -<p>Manche führen ihre Namen von ihrem Beruf; so -wird ein urnischer Ballettänzer „Jettchen Hebezeh“, ein -Damenschneider „Jenny Fischbein“ und ein Damenkomiker -„Pokahuntas, die hinterindische Nachtigall“ genannt.</p> - -<p>Ich bemerke, daß sämtliche hier angeführten Spitznamen -von zwei Gewährsmännern innerhalb kurzer Zeit -in einem einzigen Berliner Urningslokal gesammelt wurden. -Von Beinamen, die der Zoologie entstammten, fanden -sie unter anderen: die „Schweizerkuh“, das „Meerschweinchen“, -„die Gipskatze“ (weil er sich stark pudert), „die -Krückente“, „die Ententrittsche“ (weil er beim Gehen -„watschelt“), „die schwarze Henne“, „die Nebelkrähe“, -„die Spitzmaus“, „die Brillenschlange“ und „die Kreuzspinne“; -von botanischen Bezeichnungen: „das Blauveilchen“, -„das Apfelröschen“, „das Resedaköpfchen“, -„Paprika“ (auch „Papp-Rieka“ genannt), „die Rosine“ -und „die Weintraube“ (weil er so leicht gerührt ist).</p> - -<p>Mit großer Vorliebe wird den Titeln oder hervorstechenden -Eigenschaften ein „in“ oder „sche“ oft in sehr -origineller Weise angehängt; der Direktor wird zur -„Direktorin“, der Geheimrat zur „Geheimrätin“, ein Rechtsanwalt -heißt „die Anwaltsche“, ein vornehmer Urning, -der mit seinen Freunden häufig im Chambre separée -speisen soll, heißt „die Chambreseparéesche“, ein anderer, -der viel das Sonnenbad besucht, „die Lichtluftbadsche“, -während ein Klavierspieler „die Klaviersche“, einer der -sich stark schminkt „die Zinnobersche“ und ein Elektrotechniker -kurzweg „die Elektrische“ genannt wird.</p> - -<p>Eine Gruppe für sich bilden die „Soldatentanten“, -welche vielfach ihre Spitznamen nach denjenigen Truppenteilen -bekommen, für die sie sich besonders interessieren; -so gibt es eine „Ulanenjuste“, eine „Dragonerbraut“, -eine „Kürassieranna“, eine „Kanoniersche“, ja sogar eine -„Schießschulsche“, der seinen Namen davon führt, weil -er mit Vorliebe die Wirtschaften in der Umgegend der -Schießschule aufsucht.</p> - -<p>Von anderen Berliner Spitznamen, die weniger leicht -zu rubrizieren sind, erwähne ich noch: „Minehaha, das -lächelnde Wasser“, „Rebekka, die Mutter der Kompagnie“, -„Anita mit dem Giftzahn“, „Cleo die Marode“, „Traudchen -Hundgeburt“, „Die heilige Beryllis“, „Die Genossin -meiner Schmach“, „die freie Schweizerin“, die „gute -Partie“, „die hohe Frau“, „die Rollmopstante“, „Susanne -in der Wanne“, „die weiße Wand“ (pudert sich stark), -„Rotundelein“, „Locusblume“, (Namen zweier Urninge, -denen man nachsagt, daß sie öfter, als notwendig, die -Bedürfnisanstalten aufsuchen), „das Waldmensch“, „die -Mutter Wolffen“, „Violetta“, „Aurora“, „Melitta“, -„Rosaura“, „Kassandra“, „Goulasch“, „die Ahnfrau“, -„die Grabesbraut“, „der Abendstern“ und „die Morgenstunde“, -weil er Gold im Munde, nämlich mit Goldplomben -versehene Zähne hat.</p> - -<p>Auch die Uranierinnen führen in ihren Kreisen, besonders -auch in ihren Lokalen, deren es ebenfalls eine -Reihe gibt, analoge Namen. Nur findet man bei ihnen -im Gegensatz zu den Männern meist einfache Vornamen, -selten Beinamen, die sich auf irgend eine besondere Eigenschaft -ihrer Trägerin beziehen; bevorzugt werden einsilbige -Namen, wie Fritz, Heinz, Max, Franz, namentlich -Hans; doch findet man auch solche, die Arthur, Edmund, -Theo, Oskar, Roderich, Rudolf genannt werden.</p> - -<p>Merkwürdig viele Namen von Uranierinnen sind -der Geschichte und Litteratur entnommen; ich nenne von -Berlinerinnen: Napoleon, Nero, Cäsar, Heliogabal, -Caligula, Antinous, Gregor, Carlos, Posa, Mortimer, -Götz, Tasso, Egmont, Armin, Teja, Blücher, Ofterdingen, -Karl Moor, Franz Lerse, Jörn Uhl, Don Juan, Puck -und Hiddigeigei.</p> - -<p>Weniger schöne Spitznamen weiblicher Urninge sind -Bubi, Rollmops, Kümmelfritze und Schinkenemil.</p> - -<p>Besondere Berücksichtigung verdienen unter den -Berliner Urningslokalen die „Soldatenkneipen“, welche, -meist in der Nähe der Kasernen gelegen, in den Stunden -vom Feierabend bis zum Zapfenstreich am besuchtesten -sind. Um diese Zeit sieht man in diesen Wirtschaften meist -gegen 50 Soldaten, darunter auch Unteroffiziere, die -hingekommen sind, um sich einen Homosexuellen zu suchen, -der sie freihält, und selten kehrt jemand in die Kaserne -zurück, ohne das Gewünschte gefunden zu haben. Diese -Lokale sind meist von kurzem Bestand. Fast immer -werden sie dem Militär nach kurzer Zeit durch Regimentsbefehl -verboten, nachdem irgend ein Unbekannter, gewöhnlich -aus Brotneid oder Rachsucht, „gepfiffen“ hat. -Es tun sich dann stets bald wieder ein oder zwei, auch -mehrere ähnliche Lokale in derselben Gegend auf. Erst -vor kurzem flog wieder im Südwesten der Stadt eine -typische Soldatenkneipe auf, die „zur Katzenmutter“ genannt -wurde; ich weiß nicht, ob der sonderbare Name -von der alten Wirtin herrührte, in deren schleichendem -Gang und rundem, schnurrbartgeziertem Gesicht etwas -unverkennbar Katzenartiges lag, oder von den Katern -und Katzen, die zwischen Tischen und Stühlen herumsprangen -und deren Bildnisse die Wände des seltsamen -Lokals schmückten.</p> - -<p>Würde ein Normalsexueller derartige Lokale betreten, -er würde sich vielleicht wundern, daß dort so viele fein -gekleidete Herren mit Soldaten sitzen, im übrigen aber -wohl kaum jemals etwas Anstößiges finden. Die hier -bei Bockwurst mit Salat und Bier geschlossenen Freundschaften -zwischen Homosexuellen und Soldaten halten oft -über die ganze Dienstzeit, nicht selten darüber hinaus -vor. So mancher Urning erhält, wenn der Soldat schon -längst als verheirateter Bauer fern von seiner geliebten -Garnison Berlin in heimatlichen Gauen das Land bestellt, -„Frischgeschlachtetes“ als Zeichen freundlichen Gedenkens. -Es kommt sogar vor, daß sich diese Verhältnisse -auf die nachfolgenden Brüder übertragen; so kenne -ich einen Fall, wo ein Homosexueller nach einander mit -drei Brüdern verkehrte, die bei den Kürassieren standen.</p> - -<p>Gewöhnlich kommt der Soldat, wenn der Dienst zu -Ende, in die Wohnung seines Freundes, der ihm bereits -sein Lieblingsessen eigenhändig gekocht hat, dessen gewaltige -Mengen hastig verschlungen werden. Dann -nimmt der junge Krieger in gesundheitsstrotzender Breite -auf dem Sofa Platz, während der Urning, bescheiden auf -einem Stuhle sitzend, ihm die mitgebrachte zerrissene -Wäsche flickt oder die Weihnachtspantoffeln stickt, mit -denen jener eigentlich überrascht werden sollte, die aber zu -verheimlichen, die Beherrschungskraft des glücklichen -Liebhabers um ein Beträchtliches übersteigt.</p> - -<p>Währenddem werden alle die kleinen Einzelheiten -des königlichen Dienstes besprochen; was der „Alte“ -(Hauptmann) beim Apell gesagt hat, was morgen für -Dienst ist, wann man auf Wache muß und ob man ihn -nicht am nächsten Tage irgendwo vorbeimarschieren sehen -könnte. Schließlich geleitet man ihn bis in die Nähe -der Kaserne, nicht ohne vorher die Feldflasche mit Rotspohn -gefüllt und die Butterstullen eingepackt zu haben.</p> - -<p>Am Parademorgen aber steht der Urning in der -Belle-Alliancestraße an der verabredeten Stelle schon ganz -früh, um ja noch in der ersten Reihe Platz zu bekommen. -Hoffentlich ist sein Soldat Flügelmann, daß man ihn -auch ganz genau sieht. Und nachher wird ausgeharrt, -bis er zurückkommt, und abends hat er dann Urlaub, -dann geht es zu „Buschen“ in den Cirkus, nachdem er zuvor -die 50 Pfennige, die er an diesem Tage als Extrasold -erhielt, in die bei seinem Freunde stationierte Sparbüchse -versenkt hat.</p> - -<p>Ein noch größerer Feiertag aber ist das „Kaisersgeburtstagskompagnievergnügen“. -Da geht der Homosexuelle -als „Cousin“ mit seinem Freunde hin. In -rührender Glückseligkeit tanzt er mit dem Mädchen, mit -welchem gerade zuvor sein Soldat getanzt hat, er hat -keine Ahnung, wie sie aussieht, denn er hat nur auf ihn -gesehen und während er das Mädchen umfaßt hielt, nur -an ihn gedacht. Womöglich spricht auch der Hauptmann -mit ihm als Cousin seines Gefreiten oder Unteroffiziers. -Es kann sich aber auch ereignen, daß der Homosexuelle -zu seinem Leidwesen diesem Festtage fern bleiben muß, -wenn er nämlich einige Tage zuvor mit einem der anwesenden -Offiziere irgendwo an demselben Diner teilgenommen -hat.</p> - -<p>Die Gründe, welche den Soldaten zum Verkehr mit -Homosexuellen veranlassen, liegen nahe; es ist einmal -der Wunsch, sich das Leben in der Großstadt etwas -komfortabler zu gestalten, besseres Essen, mehr Getränke, -Zigarren und Vergnügungen (Tanzboden, Theater &c.) -zu haben; dazu kommt, daß er — der oft sehr bildungsbedürftige -Landwirt, Handwerker oder Arbeiter — im -Verkehr mit dem Homosexuellen geistig zu profitieren -hofft, dieser gibt ihm gute Bücher, spricht mit ihm über -die Zeitereignisse, geht mit ihm ins Museum, zeigt ihm, -was sich schickt und was er nicht tun soll; das oft drollige, -komische Wesen des Urnings trägt auch zu seiner Erheiterung -bei; wenn sein Freund ihm abends Couplets vorsingt oder -ihm gar, mit dem Lampenschirm als Kapotte und einer -Schürze weiblich zurecht gestutzt, etwas vortanzt, amüsiert -er sich in seiner Naivität über alle Maßen. Weitere -Momente sind der Mangel an Geld oder an Mädchen, -die dem Soldaten nichts kosten, die Furcht vor den -beim Militär sehr übel accreditierten Geschlechtskrankheiten -und die gute Absicht, der daheim bleibenden Braut treu -zu bleiben, der man beim Abschied die Treue geschworen -und die in jedem „Schreibebrief“ ängstlich an diesen -Schwur gemahnt.</p> - -<p>In der Nähe der geschilderten Kneipen befindet sich -vielfach auch der „militärische Strich“, auf dem die -Soldaten einzeln oder in Paaren gehend Annäherung -an Homosexuelle suchen. Ich will hier auf eine wichtige -Erscheinung hinweisen, auf die mich ein weit gereister -Homosexueller aufmerksam machte, und deren Richtigkeit -mir auf Befragen seitdem von zuverlässigen Gewährsmännern -übereinstimmend bestätigt wurde. Die „Soldatenprostitution“ -ist in einem Lande um so stärker, je mehr -die Gesetze die Homosexualität verfolgen. Offenbar -hängt diese Tatsache damit zusammen, daß man in -Ländern mit Urningsparagraphen von den Soldaten am -wenigsten Erpressungen und andere Unannehmlichkeiten -zu fürchten hat.</p> - -<p>Außer in London, wo sich in den belebtesten Parks -und Straßen vom Spätnachmittag bis nach Mitternacht -zahlreiche Soldaten in unverkennbarer Weise feilbieten, -fand unser Gewährsmann in keiner Weltstadt jeden -Abend solche Auswahl an Soldaten verschiedener -Waffengattungen, wie in Berlin. Es gibt etwa ein -halbes Dutzend Stellen, auf denen die Soldaten nach -Einbruch der Dämmerung in bestimmter Absicht auf- -und abgehen. Wie die Lokale, wechseln auch die „Striche“ -ziemlich häufig, so ist erst neuerdings ein vielbegangener -Weg, das Planufer, den Soldaten verboten worden.</p> - -<p>Sehr verbreitet ist die Soldatenprostitution namentlich -in den skandinavischen Hauptstädten; in Stockholm -läßt man seit einigen Jahren sogar eigene Militärpatrouillen -auf Soldaten fahnden, die zu dem erwähnten -Zwecke „herumstreichen“, doch hat dies, wie unser Gewährsmann, -der lange in der schwedischen Hauptstadt -lebte, versichert, nichts geholfen.</p> - -<p>In Helsingfors, der Hauptstadt Finlands, einem -Orte von etwa 80.000 Einwohnern, ist die militärische -Prostitution ganz besonders stark hervortretend. Etwas -geringer ist sie in Petersburg, wo auf einem vom Centrum -der Stadt weit entfernten Platz besonders Matrosen -Bekanntschaften mit Homosexuellen suchen.</p> - -<p>Unser Gewährsmann vergleicht mit diesen Städten -Paris, wo er „in 18 Monaten nur Rudimente eines -militärischen Strichs“ nachweisen konnte, sowie die einschlägigen -Verhältnisse in Amsterdam, Brüssel, Rom, -Mailand, Neapel und Florenz (Städte ohne Urningsparagraphen) -und gelangt zu dem Schlusse, „daß in allen -europäischen Ländern mit strengen Strafbestimmungen -gegen den homosexuellen Verkehr die Hingabe von -Soldaten in einer Weise auftritt, die man nicht für -möglich halten sollte, wenn man es nicht mit eigenen -Augen beobachtet hat, während man in Ländern ohne -Urningsparagraphen fast nichts von dieser Erscheinung -bemerkt“.</p> - -<p>Die gebräuchliche Bezeichnung „Soldatenprostitution“ -entspricht übrigens dem sonstigen Begriff der Prostitution -nicht, da es sich ja bei den Soldaten keineswegs „um -eine berufs- oder gewerbsmäßige Hingabe des Körpers“ -handelt. Ich möchte hier der weitverbreiteten Ansicht -entgegentreten, als ob dem Verkehr zwischen Soldaten -und Homosexuellen gewöhnlich Akte zu Grunde liegen, -die an und für sich strafbar sind. Kommt es zu geschlechtlichen -Handlungen, was durchaus nicht immer der -Fall ist, so bestehen diese fast stets in Erregungen durch -Umarmen, Aneinanderpressen und Berühren der Körperteile, -wie dies überhaupt bei homosexueller Betätigung die -Regel ist. Die Vorstellung, der homosexuelle, namentlich -auch der weiblicher geartete, sei Päderast in des -Wortes üblichem Sinn, ist eine vollkommen irrtümliche. -In meiner Praxis ereignete sich kürzlich eine Episode, die -mir zeigte, wie stark auch noch in Berlin diese Meinung -vorherrscht. Bald nachdem in den Zeitungen infolge der -von mir unternommenen statistischen Umfrage über die -Zahl der Urninge viel von Homosexualität die Rede -war, suchte mich ein biederer Schlächtermeister aus dem -Osten auf, ein völlig normaler Familienvater, welcher -sich allen Ernstes mit folgenden Worten einführte: „Ich -habe seit einigen Wochen ein so starkes Jucken in der -Nähe des Afters und wollte Sie daher bitten, einmal -nachzusehen, ob ich homosexuell veranlagt bin.“</p> - -<p>Die Seltenheit eigentlich päderastischer Akte ändert -aber nichts an der Grausamkeit und Ungerechtigkeit der -betreffenden Strafbestimmung, da das gesellschaftlich Vernichtende -bereits die Voruntersuchung ist und das Gericht -— wenn bestraft wird, auch ganz mit Recht — sich -nicht so streng an die bestimmte Art der Betätigung hält. -Im übrigen wiederhole ich, daß das rein sexuelle Moment -im Leben und der Liebe des Homosexuellen keine größere -Rolle spielt, wie im nichturnischen Leben; ich würde diese -Frage ihres intimen und privaten Charakters wegen -überhaupt nicht in den Kreis meiner Betrachtungen gezogen -haben, wenn sie nicht von den Verfechtern einer -falschen Moral immer wieder als Hauptsache in den -Vordergrund gezerrt würde. —</p> - -<p>Es gibt noch einen zweiten Stand, der in Berlin -seit langer Zeit mit den Urningen vielfache Beziehungen -unterhält; das sind die Athleten. Die zahlreichen Athleten-Vereine -der Hauptstadt setzen sich zumeist aus unverheirateten -Arbeitern zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr -zusammen; größtenteils sind es Schlosser, Schmiede -oder sonstige Eisenarbeiter. Bei diesen Leuten gilt Kraft, -Gefahr und Kühnheit alles. In ihren Augen ist „der -Kampf zwischen Rußland und Japan überhaupt kein -Kampf, weil so viel geschossen und so wenig gerungen, -gestochen und geboxt wird“.</p> - -<p>Wir betreten einen Athletenklub, welcher mit Homosexuellen -im Zusammenhange steht. Im Nebenzimmer einer -kleinen Gastwirtschaft wird „gearbeitet“. Der kleine Raum -ist von Öl-, Metall- und Schweißgeruch erfüllt, jener -eigentümlichen Ausdünstung, wie sie den Körpern der -Eisenarbeiter zu entströmen pflegt. Auf dem Boden -liegen Eisenstangen, Hanteln, Gewichte von 100 und -mehr Pfund, daneben eine Matratze, auf der gerungen -wird. Acht bis zehn kraftstrotzende Athleten sind zugegen, -teils in schwarzem Tricot, teils mit entblößtem -Oberkörper, Brust und Arme tätowiert.</p> - -<p>An der Fensterseite des Zimmers steht ein langer, -schmaler Tisch, von Bänken umgeben, auf denen eine -Anzahl Herren sitzen, deren vornehme Züge und Anzüge -mit denen der starken Männer seltsam kontrastieren. -Oben am Tisch sitzt die Präsidentin oder Protektorin des -Athletenklubs, ein Damenschneider, auf den das Wort -Martials zutrifft, „daß er mit einer kleinen Ausnahme -alles von seiner Mutter hat“. Kein Uneingeweihter -würde in ihm ein Mitglied des Athletenklubs — geschweige -denn dessen Präsidentin vermuten.</p> - -<p>Auf dem Tisch befindet sich eine Sparbüchse, in -welche die Gäste ihr Scherflein zur Deckung der Unkosten, -Anschaffung von Gewichten und Matratzen tun. -Außerdem berichtigen sie die Zechen ihrer Athleten, die -vor und während der Arbeit in Selter, Limonade und -Zigaretten, nach dem Gewichteheben und Ringen in Bier -und Abendbrot bestehen.</p> - -<p>Die urnischen Freunde sorgen, daß fleißig geübt -wird, die plastische Schönheit der Bewegungen, das -Spiel der Muskeln wird von den sachverständigen -Gönnern eifrig verfolgt, jeder „Gang“ auf das lebhafteste -kritisiert.</p> - -<p>Manche Homosexuelle verbinden sich mit den Athleten -besonders auch deshalb, um, wenn sie irgendwie -belästigt oder infolge des unglücklichen § 175 erpreßt -werden, handfeste, unerschrockene Männer zur Verfügung -zu haben, auf deren Schutz und „tatkräftige“ Freundschaft -sie sicher bauen können.</p> - -<p>Von einigen Wirten urnischer Lokale, aber durchaus -nicht von diesen allein, werden namentlich im Winterhalbjahr -große Urningsbälle veranstaltet, die in ihrer -Art und Ausdehnung eine Spezialität von Berlin sind. -Hervorragenden Fremden, namentlich Ausländern, die in -der jüngsten der europäischen Weltstädte etwas ganz -Besonderes zu sehen wünschen, werden sie von höheren -Beamten als eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten -gezeigt. Sie sind auch bereits wiederholt beschrieben, so -neuerdings von Oskar Méténier in „<i>Vertus et Vices -allemands, les Berlinois chez eux</i>“. <a href="#fn2"><span class="small"><sup>2</sup></span></a><a name="fn2r" id="fn2r"></a> In der Hochsaison -von Oktober bis Ostern finden diese Bälle in der Woche -mehrmals, oft sogar mehrere an einem Abend statt. -Trotzdem das Eintrittsgeld selten weniger als 1,50 M. -beträgt, sind diese Veranstaltungen meist gut besucht. -Fast stets sind mehrere Geheimpolizisten zugegen, die -acht geben, daß nichts Ungeziemendes vorkommt; soweit -ich unterrichtet bin, lag aber noch nie ein Anlaß vor, -einzuschreiten. Die Veranstalter haben Ordre, möglichst -nur Personen einzulassen, die ihnen als homosexuell bekannt -sind.</p> - -<p>Einige der Bälle erfreuen sich eines besonderen -Renommées, vor allem der kurz nach Neujahr veranstaltete, -auf dem die neuen, vielfach selbst gefertigten Toiletten -vorgeführt werden. Als ich diesen Ball im letzten Jahr -mit einigen ärztlichen Kollegen besuchte, waren gegen -800 Personen zugegen. Gegen 10 Uhr abends sind die -großen Säle noch fast menschenleer. Erst nach 11 Uhr -beginnen sich die Räume zu füllen. Viele Besucher sind im -Gesellschafts- oder Straßen-Anzug, sehr viele aber auch -kostümiert. Einige erscheinen dicht maskiert in undurchdringlichen -Dominos, sie kommen und gehen, ohne daß -jemand ahnt, wer sie gewesen sind; andere lüften die Larve -um Mitternacht, ein Teil kommt in Phantasiegewändern, -ein großer Teil in Damenkleidern, manche in einfachen, -andere in sehr kostbaren Toiletten. Ich sah einen Südamerikaner -in einer Pariser Robe, deren Preis über -2000 Frcs. betragen sollte.</p> - -<p>Nicht wenige wirken in ihrem Aussehen und ihren Bewegungen -so weiblich, daß es selbst Kennern schwer fällt, -den Mann zu erkennen. Ich erinnere mich, daß ich auf -einem dieser Bälle mit einem auf diesem Gebiet sehr erfahrenen -Kriminalwachtmeister ein Dienstmädchen beobachtete, -von dem der Beamte fest überzeugt war, daß sie ein -richtiges Weib sein müsse, auch ich hatte nur geringe Zweifel, -um in der Unterhaltung mit ihr aber doch wahrzunehmen, -daß sie „ein Mann“ war. Wirkliche Weiber sind auf -diesen Bällen nur ganz spärlich vorhanden, nur dann -und wann bringt ein Uranier seine Wirtin, eine Freundin -oder — seine Ehefrau mit. Man verfährt im allgemeinen -bei den Urningen nicht so streng wie auf den analogen -Urnindenbällen, auf denen jedem „echten Mann“ strengstens -der Zutritt versagt ist. Am geschmacklosesten und abstoßendsten -wirken auf den Bällen der Homosexuellen -die ebenfalls nicht vereinzelten Herren, die trotz eines -stattlichen Schnurrbartes oder gar Vollbartes „als Weib“ -kommen. Die schönsten Kostüme werden auf ein Zeichen, -des Einberufers mit donnerndem Tusch empfangen und -von diesem selbst durch den Saal geleitet. Zwischen 12 -und 1 Uhr erreicht der Besuch gewöhnlich seinen Höhepunkt. -Gegen 2 Uhr findet die Kaffeepause — die -Haupteinnahmequelle des Saalinhabers — statt. In -wenigen Minuten sind lange Tafeln aufgeschlagen und -gedeckt, an denen mehrere hundert Personen Platz -nehmen; einige humoristische Gesangsvorträge und Tänze -anwesender „Damenimitatoren“ würzen die Unterhaltung, -dann setzt sich das fröhliche Treiben bis zum frühen -Morgen fort.</p> - -<p>In einem der großen Säle, in welchem die Urninge -ihre Bälle veranstalten, findet auch fast jede Woche ein analoger -Ballabend für Uranierinnen statt, von denen sich -ein großer Teil in Herrenkostüm einfindet. Die meisten -homosexuellen Frauen auf einem Fleck kann man alljährlich -auf einem von einer Berliner Dame arrangierten Kostümfest -sehen. Das Fest ist nicht öffentlich, sondern gewöhnlich -nur denjenigen zugänglich, die einer der Komiteedamen -bekannt sind. Eine Teilnehmerin entwirft mir -folgende anschauliche Schilderung: „An einem schönen -Winterabend fahren von 8 Uhr ab vor einem der ersten -Berliner Hotels Wagen auf Wagen vor, denen Damen -und Herren in Kostümen aller Länder und Zeiten entsteigen. -Hier sieht man einen flotten Couleurstudenten -mit mächtigen Renommierschmissen ankommen, dort hilft -ein schlanker Rokokoherr seiner Dame galant aus der -Equipage. Immer dichter füllen sich die strahlend erleuchteten -weiten Räume; jetzt tritt ein dicker Kapuziner -ein, vor dem sich ehrfurchtsvoll Zigeuner, Pierrots, -Matrosen, Klowns, Bäcker, Landsknechte, schmucke Offiziere, -Herren und Damen im Reitanzug, Buren, Japaner -und zierliche Geishas neigen. Eine glutäugige Carmen -setzt einen Jockey in Brand, ein feuriger Italiener schließt -mit einem Schneemann innige Freundschaft. Die in -buntesten Farben schillernde fröhliche Schar bietet ein -höchst eigenartiges anziehendes Bild. Zuerst stärken sich die -Festteilnehmerinnen an blumengeschmückten Tafeln. Die -Leiterin in flotter Sammetjoppe heißt in kurzer kerniger -Rede die Gäste willkommen. Dann werden die Tische -fortgeräumt. Die „Donauwellen“ erklingen, und begleitet -von fröhlichen Tanzweisen, schwingen sich die Paare die -Nacht hindurch im Kreise. Aus den Nebensälen hört -man helles Lachen, Klingen der Gläser und munteres -Singen, nirgends aber — wohin man sieht — werden -die Grenzen eines Kostümfestes vornehmer Art überschritten. -Kein Mißton trübt die allgemeine Freude, -bis die letzten Teilnehmerinnen beim matten Dämmerlicht -des kalten Februarmorgens den Ort verlassen, an -dem sie sich unter Mitempfindenden wenige Stunden -als das träumen durften, was sie innerlich sind. Wem -es je vergönnt war, schließt Frl. R. ihren Bericht, ein -derartiges Fest mitzumachen, wird aus ehrlicher Überzeugung -sein Leben lang für die ungerecht verleumdeten -Uranierinnen eintreten, denn er wird sich darüber klar -geworden sein, daß es überall gute und schlechte Menschen -gibt, daß die homosexuelle Naturveranlagung aber ebensowenig -wie die heterosexuelle von vornherein einen -Menschen zum Guten oder Bösen stempelt.“</p> - -<p>Nicht weniger wie die Bälle, sind auch die „Herrenabende“ -besucht, theaterartige Veranstaltungen, welche -von Zeit zu Zeit von Urningen für Urninge gegeben -werden. Gewöhnlich sind sämtliche auftretenden Künstler -„Zwischenstufen“; besonders beliebt ist es, berühmte -Literaturwerke homosexuell zu parodieren, und es erregt -nicht geringe Heiterkeit, wenn die Engeln als Marthe -Schwertlein, die Harfenjule als Salome oder gar Schwanhilde, -als Maria Stuart, Königin Elisabeth und Amme -in einer Person auftritt.</p> - -<p>Außer den Restaurants gibt es in Berlin auch -Hotels, Pensionate und Badeanstalten, die fast ausschließlich -von Homosexuellen besucht werden; dagegen -habe ich ein von Pastor Philipps neuerdings, wie bereits -früher, erwähntes Berliner Gemeinschaftshaus der Homosexuellen -bisher nicht ermitteln können.</p> - -<p>Die Homosexualität in Badeanstalten ist in Berlin -bei weitem nicht so verbreitet, wie in anderen Großstädten, -namentlich in St. Petersburg und Wien. In -der österreichischen Hauptstadt befindet sich ein Bad, das -durch den ganz außerordentlich starken Zusammenfluß -von Homosexuellen an bestimmten Tagen, zu gewissen -Stunden einzig dastehen dürfte. In Berlin weiß ich von -vier mittelgroßen Badeanstalten, die nur von homosexueller -Kundschaft leben. Auch einige Schwimmbassins -sind zu bestimmten Tageszeiten Treffpunkte der Homosexuellen.</p> - -<p>Vielfach sind in diesen Anstalten, ebenso wie in -den Restaurationen und Hotels, der Besitzer oder ein -Angestellter homosexuell. Dieselben sind ursprünglich -meist nicht in der Absicht gegründet, urnische Bekanntschaften -zu vermitteln oder gar der Unzucht Vorschub zu -leisten (im Sinne des § 180 R.-St.-G.-B.), vielmehr hat -es sich allmählich herumgesprochen, daß der Eigentümer -oder der Oberkellner oder ein Masseur „so“ ist, worauf -sich dann viele Urninge dorthin ziehen, weil sie sich dort -ungenierter fühlen.</p> - -<p>Die Besitzer sind sich oft gewiß nicht darüber klar, -daß sie dabei Gefahr laufen, mit dem Kuppeleiparagraphen -des Strafgesetzbuches in Konflikt zu geraten. Vor kurzem -erregte ein Prozeß wegen homosexueller Kuppelei ziemliches -Aufsehen, der gegen einen alten Uranier angestrengt -wurde, welcher mit einem Freunde im Westen der -Stadt ein Pensions-Hotel führte, das überwiegend von -homosexuellen Damen und Herren aufgesucht wurde. -Trotzdem die Angeklagten — meines Erachtens nicht -mit Unrecht — darauf hinwiesen, daß sie keine höheren -Preise forderten und erhielten, wie sie in ähnlichen -Etablissements üblich sind, ferner, daß sie sich nicht -befugt hielten, zu kontrollieren, was ihre Gäste, zu -denen ein vielgenannter Reichstagsabgeordneter gehörte, -auf ihren Zimmern mit ihren Besuchern täten, wurden -beide zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat verurteilt.</p> - -<p>Einer wieviel größeren Gefahr setzen sich die Hotelwirte -aus, bei denen sich für wenige Stunden die männlichen -Prostituierten mit ihren Herren einfinden, sowie -die urnischen Absteigequartiere, deren es in Berlin -eine ganze Anzahl geben soll. Diese Quartiere sind eine -unmittelbare Folge der durch den § 175 geschaffenen -Verhältnisse. Sie werden besonders von Uraniern vornehmer -Gesellschaftskreise, auch viel von uranischen -Offizieren auswärtiger Garnisonen benutzt, die sich aus -wohlbegründeter Furcht, Erpressern, Verbrechern oder -Verrätern in die Hände zu fallen, an diese Vertrauenspersonen -wenden, die ihnen etwas „ganz Sicheres“ -besorgen sollen.</p> - -<p>In Brüssel wurde in diesem Sommer ein Schuhmacher -mit seiner Frau verhaftet, bei dem man zahlreiche -Albums mit Photographieen vorfand, die den Nachfragenden -zur Auswahl vorgelegt wurden. Ähnliches -kommt auch in Berlin vor. Wie mir verbürgt mitgeteilt -wurde, gibt es Vermittler, bei denen sich Herren mündlich -und schriftlich, ja sogar telegraphisch Personen unter -Angabe aller möglichen fetischistischen Liebhabereien bestellen, -einen Kürassier mit weißen Hosen und hohen -Stiefeln, Männer in -Frauen- und Frauen -in Männerkleidern, -einen Bierkutscher, -einen Steinträger in -Arbeitsanzug, ja sogar -einen Schornsteinfeger. -Fast alle -finden dann zu der -bestimmten Stunde -das Erbetene vor. -Auch für urnische -Damen existieren -ähnliche Vermittelungslokale.</p> - -<p>Unbewußt leistet -auch die Berliner Tagespresse den Urningen umfangreiche -Mittlerdienste. In manchen Blättern findet man fast -täglich mehrere Inserate, die homosexuellen Zwecken dienen, -wie „junge Frau sucht Freundin“, „junger Mann sucht -Freund“. Ich gebe hier einige Beispiele derartiger Annoncen -wieder, die innerhalb kurzer Zeit Berliner Zeitungen verschiedenster -Parteirichtung entnommen wurden.</p> - -<p>Wie mir mehrfach versichert wurde, werden diese -Inserate von denen, für die sie berechnet sind, sehr wohl -verstanden.</p> - -<hr class="minimal" /> - -<blockquote class="med"> -<p class="noindent"><b>Älterer Herr</b>, kein Damenfreund, -sucht Bekanntschaft -mit Gleichgesinnten. Zuschr. erb. unt. -<b>S.O.</b> 2099 an die Exped. d. Bl.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<p class="noindent"><b>Älterer</b> Junggeselle wünscht gleichgesinnten -„Anschluß“, Morgenpost Bülowstraße.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<p class="noindent"><b>Herr</b>, 23, sucht Freund. Zuschriften unter -„Sokrates“ an Hauptexpedition Kochstraße -erbeten.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<p class="noindent">Junggeselle, gut. Ges., sucht freundschaftl. -Verkehr m. led. gleichges. Herrn in ält. -Jahr. Off. <b>A. B.</b> 11 Postamt 76.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<p class="noindent"><b>Jung. geb. Mann, 29 Jahr, sucht -freundschaftl. Verkehr m. energisch -herrischem, gut situiertem Herrn. -Briefe erb. unt. T. L. W. Expedit. -d. Blattes.</b> -</p> -</blockquote> - -<hr class="minimal" /> - -<p>Wir haben bereits wiederholt die männliche Prostitution -erwähnen müssen und dürfen diese gewiß beklagenswerte -Erscheinung nicht übergehen, wenn wir eine einigermaßen -vollständige Schilderung der vielseitigen Gestaltungsformen -geben wollen, in denen uns das urnische Leben -Berlins entgegentritt.</p> - -<hr class="minimal" /> - -<blockquote class="med"> -<p class="noindent"><b>Fräulein</b>, -anständ., 24 Jahre, sucht hübsches Fräulein -als Freundin. Offerten unt. Nr. 3654 -an die Exped. erbeten.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<p class="noindent"><b>Dame</b>, 36, wünscht freundschaftlichen Verkehr. -Postamt 16, „Plato“.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<p class="noindent"><b>Herzensfreundin</b>, -nette, sucht geistvolle, lebenslustige Dame, -23. Psyche, Postamt 69.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<p class="noindent"><b>Suche gebild. Freundin, Anfang -30, am liebsten Blondine. -Off. u. H. R. 1622 Exp. d. Bl.</b></p> - -<hr class="tiny" /> - -<p class="noindent"><b>Schneiderin</b>, 22, wünscht „Freundin“, -Postamt 33. -</p> -</blockquote> - -<hr class="minimal" /> - -<p>Wie jede Großstadt, hat auch Berlin neben der -weiblichen eine männliche Prostitution. Beide sind eng -verwandt durch Abstammung, Wesen, Ursachen und -Folgen. Hier wie -dort kommen stets -zwei Gründe zusammen, -von denen -bald der eine, bald -der andere den Ausschlag -gibt: innere -Anlagen und äußere -Verhältnisse. In denjenigen, -die der -Prostitution anheimfallen, -ruhen von -Jugend an bestimmte -Eigentümlichkeiten, -unter welchen ein mit dem Hang zur Bequemlichkeit -verbundener Drang zum Wohlleben am deutlichsten -hervortritt. Sind bei diesen Eigenschaften die äußeren -Verhältnisse günstig, sind namentlich die Eltern vermögend, -so verfallen die jungen Leute nicht der Prostitution; -tritt aber häusliches Elend hinzu, kümmerlicher -Lebensunterhalt, Arbeits- und Stellungslosigkeit, Mangel -an Unterkommen und womöglich die größte aller Sorgen, -der Hunger, dann halten wohl von Natur aus stabile, -in sich gefestigte Charaktere stand, die labilen aber suchen -die nie fehlende Versuchung, sie erliegen und verkaufen -sich, trotz der Tränen der Mutter.</p> - -<p>Es gibt Menschenfreunde, die die Besserung von -der Freiheit des Willens und andere, die sie vom Zwang -der Verhältnisse erwarten; nach Erziehung und Religion -verlangen die einen, nach dem Zukunftsstaat die anderen. -Beide sind zu optimistisch. Wer helfen will, muß innen -und außen ansetzen, die Verhältnisse zu bessern trachten, -daß kein Mädchen und kein Jüngling es nötig hat sich -zu verkaufen, und die Personen bessern unter besonderer -Rücksicht der Vererbungsgesetze, daß niemand die Neigung -verspürt, sich als Ware feilzubieten.</p> - -<p>Ihr sagt, das ist nicht zu erreichen, ich aber meine, -nur was man aufgibt, ist verloren.</p> - -<p>Das Arbeitsfeld der Prostitution ist die Straße; -bestimmte Gegenden und Plätze, die sogenannten „Striche“. -Ein Homosexueller zeigte mir einmal einen Plan von -Berlin, auf dem er diese mit blauen „Strichen“ versehen -hatte; die Zahl der so bezeichneten Stellen war -keine geringe.</p> - -<p>Seit alters spielt auf diesem Gebiete der Tiergarten -in einigen seiner Partieen eine besondere Rolle. Es gibt -wohl keinen zweiten Wald, der so mit Menschenschicksalen -verwoben ist, wie dieser über 1000 Morgen große Park.</p> - -<p>Nicht seine landschaftlichen Schönheiten, nicht der künstlerische -Schmuck, der Menschen Leben, Lieben und Leiden -verleihen ihm seine Bedeutung. Vom frühen Morgen, -wenn die Begüterten auf den Reitwegen ihr Herz entfetten, -bis zum Mittag, wenn der Kaiser seine Spazierfahrt -unternimmt, vom Frühnachmittag, wenn im Parke -tausend Kinder spielen, bis zum Spätnachmittag, wenn -sich das Bürgertum ergeht, hat jeder Weg zu jeder -Jahreszeit und jeder Stunde sein eigenes Gepräge. -Hätte Emile Zola in Berlin gelebt, ich zweifle nicht, -daß er diesen Forst durchforscht und von dem, was er -wahrgenommen, ein Werk von der Wucht Germinals -geschaffen hätte.</p> - -<p>Wenn es aber Abend wird und sich anderen Welten -die Sonne neigt, mischt sich mit dem Hauch der Dämmerung -ein Hauch, der suchend und sehnend aufsteigt aus Millionen -irdischer Wesen, ein Teil des Welt<b>geistes</b>, den manche -den Geist der Unzucht nennen, und der doch in Wahrheit -nur ein Bruchstück der großen gewaltigen Triebkraft ist, -die, so hoch wie Nichts und so niedrig wie Nichts, unablässig -gestaltet, waltet, bildet und formt.</p> - -<p>Überall treffen sich an den Kreuzwegen des Tiergartens -verabredete Paare, man sieht, wie sie sich entgegeneilen, -sich freudig begrüßen und aneinander geschmiegt -im Gespräch der Zukunft entgegenschreiten, man steht sie -sich auf noch freien Bänken niederlassen und schweigend -sich umarmen und neben der hohen, der unveräußerlichen -geht die niedere, käufliche Liebe einher.</p> - -<p>Auf drei weit auseinander gelegenen Wegen halten -sich Weiber, auf zweien Männer feil. Während in der -Stadt die weibliche und männliche Prostitution durcheinander -flutet, hat hier jede ihren „Strich“ für sich, von -den männlichen ist der eine allabendlich fast nur von -Kavalleristen erfüllt, deren Säbel in der Finsterniß -seltsam aufblitzen, während der andere, eine ziemlich -lange Strecke, größtenteils von den verwegenen Burschen -eingenommen wird, die sich im Berliner Volkston mit -Vorliebe selbst „keß und jemeene“ nennen. Hier ist -eine jener alten halbrunden Tiergartenbänke, auf der in -den Stunden vor Mitternacht an dreißig Prostituierte -und Obdachlose dicht nebeneinander sitzen, manche sind -fest eingeschlafen, andere johlen und kreischen. Sie -nennen diese Bank die „Kunstausstellung.“ Dann und -wann kommt ein Mann, steckt ein Wachsstreichholz an -und leuchtet die Reihe ab.</p> - -<p>Nicht selten tönt in das Juchzen der Jungen ein -greller Schrei, der Hilferuf eines im Walde Beraubten -oder Gemißhandelten, oder ein kurzer Knall schallt in -die von den entfernten Zelten in vereinzelten Stößen -herüberdringende Musik — er kündet von einem, der sein -Leben verneinte.</p> - -<p>Und wer Originale sucht, von denen sehr zu Unrecht -behauptet wird, sie seien in der Großstadt ausgestorben, im -Tiergarten sind sie reichlich zu finden. Seht Ihr die -Alte dort mit den vier Hunden am Neuen See? Seit -vierzig Jahren macht sie mit kurzer Sommerunterbrechung -zu derselben Stunde denselben Spaziergang, nie von -Menschen begleitet, von jener Zeit ab, da ihr am Hochzeitstage -zwischen der standesamtlichen und kirchlichen Trauung -der Mann am Blutsturz verschied; seht Ihr dort -die ausgedörrte, gekrümmte Gestalt im struppigen Graubart? -Das ist ein russischer Baron, der erspäht sich abends -eine einsame Bank, dort läßt er sich nieder und schreit -„rab, rab, rab“, ähnlich wie ein Rabe krächzt; aus -unsichtbaren Wegen tauchen auf diesen Lockruf einige -„kesse Schieber“ hervor, es sind seine Freunde, unter -denen er die „Platten“, gewöhnlich drei bis fünf Mark, -verteilt, die ihm von seinem Tageszins geblieben sind.</p> - -<p>Die männlichen Prostituierten zerfallen in zwei -Gruppen, in solche, die normalgeschlechtlich und in solche, -die „echt“, d. h. selbst homosexuell sind. Letztere sind -zum Teil stark feminin, und einige gehen auch gelegentlich -in Weiberkleidern aus, was jedoch in den Kreisen der -weiblichen Prostituierten übel vermerkt wird. Es ist dies -zwischen beiden fast der einzige <i>casus belli</i>, denn die -Erfahrung hat sie gelehrt, daß sie ohne diese Vorspiegelung -falscher Tatsachen einander nicht die Kundschaft -fortnehmen. Eine ziemlich gebildete Prostituierte, die ich -einmal nach einer Erklärung des guten Einvernehmens -zwischen den weiblichen und männlichen Prostituierten -fragte, antwortete mir: „Wir wissen doch, daß jeder -„Freier“ nach seiner Façon selig werden will.“</p> - -<p>Unter den Berliner Prostituierten kommen vielfach -eigentümliche Paarungen vor. So tun sich normale -männliche Prostituierte, die sogenannten Pupenluden, -nicht selten mit normalen weiblichen Prostituierten zu -gemeinsamer „Arbeit“ zusammen, auch von zwei Geschwisterpaaren -ist mir berichtet, von denen sowohl die Schwester -wie der Bruder diesem erniedrigenden Gewerbe obliegen; -sehr häufig leben zwei weibliche und nicht selten auch -zwei männliche Prostituierte zusammen, und endlich kommt -es auch vor, daß sich homosexuelle weibliche Prostituierte -mit homosexuellen männlichen Prostituierten als Zuhältern -verbinden, die sie für weniger brutal halten, als ihre -heterosexuellen Kollegen.</p> - -<p>Bekannt ist es, daß es unter den weiblichen Prostituierten -eine große Anzahl homosexueller gibt, man -schätzt sie auf 20%. Mancher wundert sich über diesen -scheinbaren Widerspruch in sich, da doch das käufliche -Dirnentum vor allem der sexuellen Befriedigung des -Mannes dient. Vielfach meint man, es liege hier eine -Übersättigung vor, das ist aber in Wirklichkeit nicht der -Fall, denn es läßt sich nachweisen, daß diese Mädchen -gewöhnlich schon homosexuell empfanden, ehe sie sich der -Prostitution ergaben, und es beweist die Tatsache ihrer -Homosexualität eigentlich nur, daß sie den Verkauf ihres -Körpers lediglich als ein Geschäft betrachten, dem sie -mit kühler Berechnung gegenüberstehen.</p> - -<p>Merkwürdig ist das Verhältnis der sich liebenden -Prostituierten untereinander. Bis in diese Kreise ist -das System der doppelten Moral gedrungen. Denn -während der männliche, aktive Teil, der „Vater“ sich frei -fühlt und sich auch außerhalb seines gemeinschaftlichen -Schlafgemachs weiblichen Verkehr gestattet, verlangt er -von der weiblich passiven Partnerin in Bezug auf -homosexuellen Umgang die vollkommenste Treue. Bei -entdecktem Treubruch setzt sich sein Verhältnis den schwersten -Mißhandlungen aus, es kommt sogar vor, daß der -männliche Teil dem weiblichen während der Zeit ihres -Liebesbündnisses verbietet, ihrem Gewerbe nachzugehen.</p> - -<p>Die weibliche Straßenprostitution Berlins unterhält -auch vielfach Beziehungen mit urnischen Frauen besserer -Gesellschaftskreise, ja sie scheut sich nicht, Frauen, die ihr -homosexuell erscheinen, auf der Straße Anerbietungen zu -machen. Dabei ist zu bemerken, daß die Preise für -Frauen durchgängig geringere sind, ja, daß in vielen -Fällen jede Bezahlung abgewiesen wird. Mir berichtete -eine junge Dame, die allerdings einen sehr homosexuellen -Eindruck macht, daß ihr auf der Straße Prostituierte -Angebote von 20 Mark und mehr gemacht hätten.</p> - -<p>Sowohl die weibliche, wie die männliche Prostitution -bedrohen durch ihr böses Beispiel nicht nur die öffentliche -Sittlichkeit, nicht nur die öffentliche Gesundheit — denn -es ist durchaus nicht selten, daß auch durch männliche -Prostituierte ansteckende Krankheiten von der Skabies -(Krätze) bis zur Syphilis übertragen werden — sondern -auch in hohem Maße die öffentliche Sicherheit.</p> - -<p>Prostitution und Verbrechertum gehen Hand in -Hand; Diebstähle und Einbrüche, Erpressungen und -Nötigungen, Fälschungen und Unterschlagungen, Gewalttätigkeiten -jeder Art, kurz alle möglichen Verbrechen -wider die Person und das Eigentum sind bei dem -größten Teile der männlichen Prostituierten an der -Tagesordnung, und besonders gefährlich ist es, daß diese -Delikte von den verängstigten Homosexuellen in den -meisten Fällen nicht zur Anzeige gebracht werden.</p> - -<p>Verfallen in Berlin unter einer uranischen Bevölkerung -von 50000 Seelen — diese Zahl ist sicherlich nicht -zu hoch gegriffen — im Jahr durchschnittlich 20 „dem -Arm der Gerechtigkeit“, so fällt mindestens die hundertfache -Zahl, nämlich 2000 im Jahr, den Erpressern in -die Arme, welche, wie die Berliner Kriminalpolizei gewiß -gern bestätigen wird, aus der Ausbeutung der homosexuellen -Natur einen weitverbreiteten und recht einträglichen -Spezialberuf gebildet haben.</p> - -<p>Die engen Beziehungen zwischen den Prostituierten -und Verbrechern gehen auch daraus hervor, daß -beide sich desselben Jargons — der Verbrechersprache -bedienen. Suchen sich „die Strichjungen“ ihre Opfer, -so nennen sie das „sie gehen auf die Krampftour“, das -Erpressen selbst in seinen verschiedenen Abstufungen -nennen sie: „abkochen“, „brennen“, „hochnehmen“, -„prellen“, „neppen“, „abbürsten“, „rupfen“ und „klemmen“; -es sei hier übrigens bemerkt, daß es in Berlin auch Verbrecher -gibt, die das Rupfen der männlichen Prostituierten -als Spezialität betreiben, indem sie diese mit Anzeige wegen -Päderastie oder Erpressung bedrohen. Die „schwule -Bande“ teilen sie nach ihrer Zahlungsfähigkeit in „Tölen“, -„Stubben“ und „Kavaliere“, das erbeutete Geld nennen sie -„Asche“, „Draht“, „Dittchen“, „Kies“, „Klamotten“, -„Mesumme“, „Meschinne“, „Monnaie“, „Moos“, -„Pfund“, „Platten“, „Pulver“, „Zaster“, „Zimmt“, das -Goldgeld: „stumme Monarchen“, Geld haben heißt „in -Form sein“, keins haben „tot sein“, kommt ihnen etwas -in die Quere, so sagen sie „die Tour sei ihnen vermasselt“, -fortlaufen heißt „türmen“, sterben „kapores -gehen“, werden sie von den „Greifern“, d. h. den -Kriminalbeamten oder den Blauen — das sind die -Schutzleute, abgefaßt, so nennen sie das „hochgehen“, -„auffliegen“, „alle werden“, „krachen gehen“ oder „verschütt -gehen“. Dann kommen sie erst auf die „Polente“, -das Polizeibureau, darauf ins „Kittchen“, das Untersuchungsgefängnis, -um dann, wie sie sich euphemistisch -ausdrücken, in einen „Berliner Vorort“ zu -ziehen, darunter verstehen sie Tegel, Plötzensee und -Rummelsburg, die Sitze der Strafgefängnisse und des -Arbeitshauses. Nur sehr selten verlassen sie diese -gebessert: Wohlhabende Urninge geben sich oft große -Mühe, Prostituierte von der Straße zu retten, doch -gelingt auch dieses nur in sehr vereinzelten Fällen. -Viele „zehren“, wenn sie älter werden, „von Erinnerungen“, -indem sie ihnen als homosexuell bekannte -Personen, die ihren Standort kreuzen, um kleine Geldbeträge -„anbohren“, was sie als „Zinseneinholen“ oder -„tirachen“ bezeichnen.</p> - -<p>Gewöhnlich hat diese gefährliche Menschenklasse -einen guten Blick dafür, wer homosexuell veranlagt ist, -doch kommt es auch sehr häufig vor, daß sie völlig -normalsexuelle Personen bedrohen und beschuldigen. Ich -gebe als Beispiel einen Fall, wie ich ihn vor einiger -Zeit in folgendem Schreiben geschildert erhielt:</p> - -<blockquote> -<p>„Im vorigen Herbst traf ich auf der Durchreise nach dem Süden -mit dem Abendzuge in Berlin ein und nahm für eine Nacht Quartier -in der Nähe des Zentralbahnhofes, um am andern Morgen weiter zu -reisen. Den milden freundlichen Abend wollte ich zu einem Spaziergange -benutzen.</p> - -<p>Beim Verlassen der Passage sah ich eine Anzahl junger Burschen -zusammenstehen, von denen der eine, etwa 20 Jahre alt, ein Schnupftuch -laut wimmernd an die Backe preßte. Unwillkührlich faßte ich ihn -deshalb schärfer ins Auge, als man es sonst tut, drehte mich auch noch -einmal in meinem Mitleid nach ihm um, als ich in die Mittelallee -der Linden einbog, um auf das Brandenburger Tor zuzugehen, in -der Absicht, das mir bis dahin unbekannte Bismarckdenkmal noch flüchtig -zu besichtigen. Nach kurzer Zeit sah ich denselben jungen Mann, nunmehr -allein, das Tuch noch immer an die Backe gepreßt, mir vorausgehen -und dann an einer Litfaßsäule in der Nahe des Tores stehen -bleiben. Ich dachte mir nichts besonderes dabei und ging weiter. Da -trat er an mich heran und bat um ein Almosen, indem er mir mit -verschleierter, winselnder Stimme und flehentlich bittend, ich solle ihn -nicht der Polizei verraten, einen langen Roman vortrug: er sei aus -dem Osten, der Bromberger Gegend, hergekommen, habe keine Arbeit -gefunden, sei jetzt ganz mittellos und habe seine Effekten für 16 Mark -versetzt; sobald er soviel zusammenhabe, um diese einlösen zu können, -wolle er in die Heimat zurück. Wir waren inzwischen an die Bedürfnisanstalt, -rechts vor dem Tore, gekommen; ich gab ihm 50 Pfennige mit -dem Bemerken, er solle sich durch Arbeit so viel verdienen, um seine -Effekten auslösen zu können, ich sei hier selber fremd und nur auf der -Durchreise; jetzt solle er seiner Wege gehen. Ich trat dann in die -Anstalt ein und hörte wohl, daß hinter mir noch jemand eintrat, achtete -aber nicht weiter darauf. Als ich mich nun auf der anderen Seite -entfernen wollte, um den Weg nach dem Bismarckdenkmal einzuschlagen, -sah ich meinen Burschen grinsend und ohne Tuch mir den Weg verlegen -mit den Worten: „Wenn Sie mir jetzt nicht 16 Mark geben, -zeige ich Sie an, dann kommen Sie ins Loch.“ Zugleich sagte er zu -meinem namenlosen Erstaunen: „Ick zeige Ihnen an, Sie Hallunke, -wat Sie in Ihrer Wollüstigkeit mit mir gemacht haben. Zahlen Sie -16 Mark, oder ick schrei, det janz Berlin zusammenläuft.“ — Ich -bemerke, daß ich 58 Jahre alt, längst mehrfacher Großvater bin und -einer höheren Beamtenklasse angehöre. Wenn nicht mein Ruf, so stand -doch die Fortsetzung meiner Reise auf dem Spiel, wenn ich in eine, -noch dazu so ekelhafte, Untersuchung verwickelt wurde. Ich trat daher -schnell an den Rand der Charlottenburger Chaussee und winkte eine -leere Droschke heran, bis dahin immerfort von den unflätigen Reden -des Burschen verfolgt. Ehe noch die Droschke hielt, schrie der Chanteur -— jetzt mit völlig veränderter Stimme —: „Solch' alter Hund, warte -nur, Du sollst brummen.“ Zugleich machte er Miene, vor mir in die -Droschke einzusteigen. Es blieben bereits einige Passanten stehen, einen -Schutzmann aber konnte ich nicht entdecken. Da griff ich in die Tasche, -hielt ihm ein Zehnmarkstück hin und warf es aufs Pflaster, so daß er -ziemlich weit laufen mußte, um es aufzuheben. Diesen Moment -benutzte ich, sprang in die Droschke und trieb den Kutscher zur Eile -an, indem ich ihm den Zentralbahnhof als Ziel angab. Auf die Frage -des Kutschers nach dem Zusammenhange der Dinge sagte ich ihm, der -Mensch sei offenbar betrunken gewesen und habe von mir Geld verlangt, -worauf dieser mir gutmütig entgegnete: „Ja, ja, det is hier eene -Jaljenbande. Sie hatten det Aas man den Nickel nich jeben sollen.“ -Er ahnte nicht, daß es zehn Mark gewesen waren. Ich verzichtete nun -auf das Bismarckdenkmal und andere Sehenswürdigkeiten Berlins, -legte mich ins Bett, schlief garnicht, und fuhr in aller Frühe dem -Süden zu. Seitdem bin ich mehrfach in Berlin gewesen, habe mich -aber wohl gehütet, Jünglinge mit oder ohne Schnupftuch an der Backe -aus Mitleid ins Auge zu fassen. Mir ist es nicht zweifelhaft, daß -dieses ostentative Drücken des Schnupftuches an die Backe ein Chanteurkniff -war, um die Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen und unter -diesen sich alsdann eine geeignete Persönlichkeit für seine Chantage auszusuchen, -so einen Gutmütigen aus der Provinz, wie ich einer war. —</p> - -<p>Sicher ist es hohe Zeit — so schließt der Berichterstatter — diesem -Verbrechertum durch Aufhebung des § 175 ein Ende zu bereiten.“</p> -</blockquote> - -<p>Ich greife noch einen zweiten typischen Fall heraus, -über den die Norddeutsche Allgemeine Zeitung vom -11. Nov. 1904 berichtet:</p> - -<blockquote> -<p>th. Der 10. Strafkammer des Landgerichts I lag gestern wieder -ein Fall vor, in dem ein verkommener Mensch den § 175 St. G. B. -zu <b>Erpressungsversuchen</b> benutzt hat. Der übel beleumundete -Arbeiter Karl R. hat einen Herrn, der im Leben nichts mit ihm -zu tun gehabt hat, fort und fort mit Briefen bombardiert, in denen -unter Hinweisen auf § 175 allerlei aus der Luft gegriffene Behauptungen -aufgestellt wurden und als Refrain der Versuch, Geld zu -erlangen, deutlich durchblickte. Der Adressat hat diese Erpresserbriefe -zunächst unberücksichtigt gelassen, da er mit einer so schmutzigen Sache -in gar keine Berührung kommen wollte. Als aber durch diese Briefe -fortgesetzt Beunruhigung in seine Familie getragen wurde, erstattete -er Anzeige. Der Gerichtshof verurteilte den Angeklagten zu 3 Jahren -Gefängnis.</p> -</blockquote> - -<p>Schließlich noch aus vielen einen dritten Fall, der -ebenfalls in mehr als einer Richtung bezeichnend ist. -Ein Homosexueller war einem Prostituierten in seine -Wohnung gefolgt; dort angelangt, sagte der letztere mit -eisiger Ruhe: „Ich bin Staudenemil (Staude heißt -Hemd), ein bekannter Erpresser, gib Dein Portemonnaie.“ -Nachdem er dieses erhalten, zog er seinen Rock aus, -streifte die Hemdsärmel hoch, so daß die mit obscönen -Tätowierungen bedeckten Unterarme sichtbar wurden, -schleppte dann den Homosexuellen am Kragen an das -Fenster seiner im vierten Stockwerk gelegenen Wohnung -und drohte ihn herunterzustürzen, wenn er nicht alle -Wertgegenstände herausgäbe, die er bei sich führe. -Als er sich überzeugte, daß er nichts mehr hatte, fragte -er ihn, wieviel Geld er zur Rückfahrt brauche, „schenkte“ -ihm für dieselbe 50 Pfennig und „nun“ — so fuhr er -fort — „kommst Du mit und saufst mit mir Knallblech -(Champagner), jetzt bist Du mein Gast.“ Wirklich ließ -er nicht locker, bis der Homosexuelle einen großen Teil -dessen, was er von ihm „geerbt“, mit ihm „verschmort“ hatte.</p> - -<p>Wie kommt es, daß diese gefährlichen Subjekte so -selten angezeigt werden? Der Homosexuelle und auch die -meisten Normalsexuellen scheuen den Skandal, sie wissen, -daß, wenn sie eine Anzeige erstatten, der Beschuldigte sofort -teils aus Rache, teils zu seiner Rechtfertigung eine -Gegenanzeige auf Grund des § 175 erstattet, und wenn -auch die wohlunterrichtete Berliner Kriminalbehörde seit -der einsichtsvollen Amtsführung des verstorbenen verdienten -Kriminaldirektors von Meerscheidt-Hüllessem, dem -die Urninge der Hauptstadt zu größtem Dank verpflichtet -sind, auf die Aussagen der Erpresser und Diebe, sowie -der Prostituierten im allgemeinen nichts gibt, so zeigen -sich die Staatsanwälte und Richter oft weit weniger -orientiert. Es ereignet sich oft genug, daß der Erpresser -zwar bestraft, sein Opfer aber auch aufs schwerste kompromittiert, -benachteiligt, in seiner Stellung vernichtet -wird. Ich erinnere nur an den in Berlin abgeurteilten -Chantagefall Aßmann und Genossen, dessen Opfer der unglückliche -Graf H., Großvetter unseres Kaisers, war. -Ja, ich habe Fälle erlebt, in denen die Staatsanwaltschaft -auf die Aussage derartiger Individuen die Anklage -erhoben hat. Ein Fall ist mir namentlich im Gedächtnis -geblieben.</p> - -<p>Ein alter, homosexueller Herr hatte einen Mann, -dessen Bild sich im Berliner Verbrecheralbum befand, -wegen Diebstahl angezeigt. Der wiederholt vorbestrafte -Dieb machte eine Gegenanzeige, er sei von seinem Ankläger -im Schlaf vergewaltigt worden. Unglaublicherweise -schenkte das Gericht dieser Angabe Glauben, vereidigte -diesen Zeugen und verurteilte den Homosexuellen, -der bereits zweimal aus § 175 vorbestraft war, zu einem -Jahr Gefängnis. Ich war als Sachverständiger geladen -und werde es nie vergessen, wie der alte Mann — ein -Hüne von Gestalt — bei dem ihm völlig unerwarteten -Urteilsspruch in sich zusammensank, dann sich aufbäumte -und mit entsetzlichem, gellenden Aufschrei seinen Richtern -das eine Wort. „Justizmörder“ entgegenschleuderte.</p> - -<p>Gewiß sind dies Ausnahmefälle, gewiß haben -es die Homosexuellen, wie mir einmal ein hoher Staatsbeamter -entgegenhielt und wie es ja auch aus meinen -Schilderungen hervorgeht, in Berlin „bereits ganz gut“. -Darin liegt ja aber ein Beweis mehr für die Unhaltbarkeit -eines Gesetzes, das, wie sich kürzlich ein Urning -ausdrückte, „nicht die Tat, sondern das Pech“ bestraft. -Ich wies bereits darauf hin, daß, wenn man den -überaus diskreten Charakter der in Frage kommenden -Handlungen berücksichtigt und in Betracht zieht, daß die -beiden Täter, ohne die Rechte Dritter anzutasten, die Tat -unter sich und an sich vornehmen, nur ganz ungewöhnliche -Nebenumstände in verschwindend seltenen Ausnahmefällen -ein Bekanntwerden ermöglichen können.</p> - -<p>Und trotzdem — würden die Kriminalbehörden — auf -der von Meerscheidt-Hüllessem eingerichteten „Berliner -Päderastenliste“ stehen mehrere tausend Namen — gegen -die Homosexuellen so vorgehen, wie sie gegen wirkliche Verbrecher -vorgehen, es würde sich in sehr kurzer Zeit die -völlig Undurchführbarkeit der bestehenden Strafbestimmungen -ergeben; dasselbe würde der Fall sein, wenn -entsprechend der Kölner Resolution der evangelischen -Sittlichkeitsvereine, die „wirklich krankhaft Geborenen“ -unter den Homosexuellen in Heilanstalten untergebracht -werden würden. Ich betone, um keinen Irrtum aufkommen -zu lassen, hier nochmals, daß es sich bei den -Forderungen zu Gunsten der Homosexuellen lediglich um -das handelt, <b>was erwachsene Personen in freier -Übereinstimmung unter einander vornehmen</b>; -daß vor denen, die Rechte Dritter verletzen, die sich an -Minderjährigen vergreifen, die Gewalt anwenden, daß -vor den Sternbergen und Dippolden die Gesellschaft geschützt -werden muß, ist selbstverständlich.</p> - -<p>Vor einiger Zeit äußerte sich in einer Berliner -Lehrerzeitung <a href="#fn3"><span class="small"><sup>3</sup></span></a><a name="fn3r" id="fn3r"></a> ein Lehrer, daß man in Anbetracht der -wissenschaftlichen Forschungsergebnisse sich wohl oder übel -mit der Frage beschäftigen müsse, wie die Homosexuellen -„auf eine den Zwecken der Gesellschaft fördersame Art“ -in dieselbe einzureihen wären.</p> - -<p>Ist denn diese Frage nicht längst gelöst?</p> - -<p>Wo ist in Berlin ein Kunstfreund, der sich nicht an -der Darstellungskunst einer urnischen Tragödin, wo ein -Musikfreund, der sich nicht am Gesange eines urnischen -Liedersängers erfreut hätte!</p> - -<p>Bist Du denn sicher, ob nicht der Koch, der Deine -Speisen bereitet, der Friseur, der Dich bedient, ob nicht -der Damenschneider, der Deiner Frau Kleider fertigt, -und der Blumenhändler, der Deine Wohnung ziert, -urnisch empfinden?</p> - -<p>Vertiefe Dich in die Meisterwerke der Weltliteratur, -durchmustere die Helden der Geschichte, wandele in den -Spuren großer einsamer Denker, immer wirst Du von -Zeit zu Zeit auf Homosexuelle stoßen, die Dir teuer sind -und die groß waren trotz — manche behaupten sogar -durch — ihre Sonderart.</p> - -<p>Ja weißt Du gewiß, ob unter denen, die Dir am -nächsten stehen, die Du am zärtlichsten liebst, am meisten -verehrst, ob nicht unter Deinen besten Freunden, Deinen -Schwestern und Brüdern ein Urning ist?</p> - -<p>Kein Vater, keine Mutter kann sagen, ob nicht eines -ihrer Kinder dem urnischen Geschlechte angehören wird.</p> - -<p>Ich könnte auch hier viele Beispiele anführen, will -mich jedoch auf die Wiedergabe zweier Briefe beschränken, -von denen der eine von einem Vater, der andere von -einer Mutter stammt.</p> - -<p>Von den 750 Direktoren und Lehrern höherer Lehranstalten, -die im Jahre 1904 neben 2800 deutschen -Ärzten die Petition an den Reichstag unterschrieben, -welche die Aufhebung des Urningsparagraphen fordert, -schrieb ein Berliner Pädagoge, „daß er noch bis vor -kurzem, unbekannt mit der in Rede stehenden Materie, -an die Notwendigkeit des § 175 geglaubt hätte; erst -nach dem Tode eines edlen, für das Schöne, Wahre -und Gute begeisterten Jünglings, dem die Entdeckung -konträrsexueller Neigungen den Revolver in die Hand -drückte, — seines Sohnes — seien ihm die Augen übergegangen -und aufgegangen.“ „Ein schwergebeugter -Vater“, schließt er, „dankt dem wissenschaftlich-humanitären -Komitee <a href="#fn4"><span class="small"><sup>4</sup></span></a><a name="fn4r" id="fn4r"></a> für sein menschenfreundliches Wirken.“</p> - -<p>Und eine Mutter schreibt:</p> - -<blockquote> - -<div class="center"> -<p class="noindent"> -Hochgeehrter Herr!</p> -</div> - -<p>In Anbetracht Ihrer Absicht, durch die Geburt und weiter durch -den § 175 des St. G. B. unglücklich gewordenen Menschen helfen zu -wollen, erlaube ich mir, folgende Fragen an Sie zu richten, von deren -Beantwortung das Wohl und Wehe zweier Menschen abhängt: „Ist -Hoffnung vorhanden, daß der genannte Paragraph im Laufe dieses -Winters im Reichstag zur Lesung gelangt und glauben Sie an die -Möglichkeit der Aufhebung dieses Gesetzes? Ein mir sehr nahe stehender -Verwandter <a href="#fn5"><span class="small"><sup>5</sup></span></a><a name="fn5r" id="fn5r"></a> gehört zu diesen Unglücklichen. Er ist ein hochbegabter -junger Mann, der sich durch seinen rechtschaffenen, braven Charakter, -durch seinen sittenreinen Lebenswandel die Achtung seiner Mitbürger, -insbesondere seiner Kollegen und Vorgesetzten in hohem Grade erworben -hatte. Durch seine bedeutenden Kenntnisse verschaffte er sich bald eine -gesicherte, einträgliche Stellung, bis sich ihm das Verhängnis nahte in -Gestalt der abscheulichsten Erpresser. Leider war er schwach genug, -einmal der Verführung zu folgen. Nachdem er Tausende geopfert, -und seine Gesundheit durch die fortwährende Angst und Sorge vor -Entdeckung untergraben war, mußte er alles aufgeben, seine Heimat, -Eltern und Existenz, um der Schande zu entgehen. Nach vielen -Versuchen, sich ohne Heimatsschein in der Schweiz eine ähnliche Stellung -zu erwerben wie bisher, aber ohne Erfolg, faßte er den Gedanken, nach -Amerika auszuwandern. Dort wollte er sich durch eisernen Fleiß und -solidestes Leben einen neuen, bis dahin ihm fern stehenden Beruf -gründen und hat auch hierin schon Examina bestanden. Aber durch -viele Widerwärtigkeiten verliert er den Mut und setzt seine größte -Hoffnung auf die Aufhebung des bewußten Paragraphen. Seinen -Vater hat inzwischen der Tod ereilt, ohne daß der einzige Sohn an -sein Sterbelager eilen konnte, und die Mutter steht allein mit ihrem -großen Herzeleid, mit der ewigen Sehnsucht nach ihrem braven unglücklichen -Kinde, und ist oft der Verzweiflung nahe. Dieselbe würde -Ihnen, hochgeehrter Herr, in unbegrenzter Dankbarkeit verbunden sein, -wenn Sie ihr Hoffnung auf die Erfüllung dieses ihres größten Wunsches -machen, oder in irgend einer Weise Rat erteilen könnten.“</p> -</blockquote> - -<p>Dies der Brief einer Mutter. Wem kommen bei -diesen und ähnlichen Begebenheiten nicht Goethes Worte -in den Sinn. „Opfer fallen hier, weder Lamm noch -Stier, aber Menschenopfer unerhört“.</p> - -<hr class="tiny" /> - -<p>Wir sind am Ende unserer Wanderung, und ich -danke dem Leser, der mir diese weite Strecke gefolgt ist, -welche über so viele dunkle Abgründe menschlichen -Elends, wenn auch über manche Höhe führte. Ehe wir -uns trennen, laß mich Dir noch zwei Geschehnisse aus -der Vergangenheit und Gegenwart berichten und eine -Frage daran knüpfen.</p> - -<p>Es war einmal ein Fürstbischof, Philipp, der residierte -in der alten Stadt Würzburg am Main. Es war in -der Zeit von 1623–1631. In diesen acht Jahren ließ -der Bischof, wie uns die Chroniken rühmend berichten, -900 Hexen verbrennen. Er tat es im Namen des -Christentums, im Namen der Sittlichkeit, im Namen des -Gesetzes und starb im Wahne, ein gutes Werk vollbracht -zu haben.</p> - -<p>Wir aber, die wir wissen, daß es niemals Hexen -gab, werden noch heute von tiefem Schauder erfaßt, -gedenken wir dieser zu unrecht gerichteten Frauen und -Mütter.</p> - -<p>In unserer guten Stadt Berlin leben zwei geistliche -Herren, von denen der eine Philipps, der andere Runze -heißt. Sie sagen, sie verkünden die Lehren des verehrungswürdigsten -Meisters, der da die Worte zum Volke sprach: -„Wer unter Euch frei von Schuld ist, der werfe den -ersten Stein auf sie.“</p> - -<p>Wie ihre Vorgänger in den Lahmen Gezeichnete, -in Geisteskranken Besessene und in den Seuchen Strafen -des Himmels sahen, so sehen sie in den Homosexuellen -Verbrecher und bezeichnen unseren Kampf für die Homosexuellen -als „ruchlose Schamlosigkeit“ (Kreissynode II -Berlin vom 17. Mai 1904.)</p> - -<p>Sie wähnen ein ebenso gutes Werk zu tun, wie -weiland Fürstbischof Philipp, wenn sie schwere Freiheitsstrafen -für die Homosexuellen fordern.</p> - -<p>Nun prüfe, was ich Dir von den Berliner Urningen -erzählte — daß alles der Wahrheit entspricht, dafür stehe -ich ein — erwäge es mit Deinem Verstande und Deinem -Herzen und entscheide, wo mehr Wahrheit, mehr Liebe, -mehr Recht, ob bei jenen Männern der Kirche, die sich -gewiß für sehr frei von Schuld halten, sonst würden sie -schwerlich so viel Steine auf die Homosexuellen werfen, -oder auf Seiten derer, die nicht wollen, daß sich die -Opfer menschlichen Unverstandes noch hoher häufen, die -entsprechend den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung -und der Selbsterfahrung vieler tausend Personen wünschen, -daß endlich Verkennungen und Verfolgungen aufhören, -an welche die Menschheit ganz zweifellos einst mit ebenso -tiefer Beschämung zurückdenken wird, wie an die Hexenprozesse -Philipp's, des streitbaren Bischofs von Franken. -</p> - -<h3>FUSSNOTEN</h3> - -<p><a href="#fn1r">1</a><a name="fn1" id="fn1"></a> Näcke, P., Dr. Ein Besuch bei den Homosexuellen in Berlin; -mit Bemerkungen über Homosexualität. Archiv für Kriminalanthropologie -und Kriminalistik. Band XV. 1904.</p> - -<p><a href="#fn2r">2</a><a name="fn2" id="fn2"></a> In Paris 1904 bei Albin Michet erschienen.</p> - -<p><a href="#fn3r">3</a><a name="fn3" id="fn3"></a> Pädagogische Zeitung 33. Jahrgang Nr. 33, Berlin, 18. August -1904, Leitartikel: Die Erziehung und das dritte Geschlecht von Paul -Sommer.</p> - -<p><a href="#fn4r">4</a><a name="fn4" id="fn4"></a> Dieses 1897 begründete Komitee, Sitz Charlottenburg, Berlinerstraße -104, hat sich die Befreiung der Homosexuellen zur Aufgabe -gesetzt.</p> - -<p><a href="#fn5r">5</a><a name="fn5" id="fn5"></a> Anmerk. Wie die Dame in einem zweiten Schreiben mitteilt, -ist dieser nahe Verwandte ihr Sohn. Von seinen Erpressern erhielt -der Vater als Hauptanstifter 2 Jahre 9 Monate, dessen zwanzigjähriger -Sohn, der „Freund“ des Geflüchteten, 1 Jahr 9 Monate Gefängnis.</p> - -<hr class="minimal" /> - -<p class="noindent">Band 1–10 der Großstadt-Dokumente behandeln folgende Themata:</p> -<div class="quote"> -<p class="noindent"> - <b>1. Dunkle Winkel in Berlin</b><br /> - von Hans Ostwald.<br /> -<br /> - <b>2. Die Berliner Bohème</b><br /> - von Julius Bab.<br /> -<br /> - <b>3. Berlins drittes Geschlecht</b><br /> - von _Dr._ Magnus Hirschfeld.<br /> -<br /> - <b>4. Berliner Tanzlokale</b><br /> - von Hans Ostwald.<br /> -<br /> - <b>5. Zuhältertum in Berlin</b><br /> - von Hans Ostwald.<br /> -<br /> - <b>6. Sekten und Sektierer in Berlin</b><br /> - von Eberhard Buchner.<br /> -<br /> - <b>7. Berliner Kaffeehäuser</b><br /> - von Hans Ostwald.<br /> -<br /> - <b>8. Berliner Banken und Geldverkehr</b><br /> - von Georg Bernhard.<br /> -<br /> - <b>9. Aus den Tiefen der Berliner Arbeiterbewegung</b><br /> - von Albert Weidner.<br /> -<br /> - <b>10. Berliner Sport</b><br /> - von Arno Arndt.<br /> -<br /> -<br /> -<b>Preis pro Band 1 Mark.</b><br /> -<br /> - Von Hans Ostwald ist ferner in 2. Auflage erschienen<br /> - <b>Berliner Nachtbilder.</b><br /> -<br /> -Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. Verlag von Hermann Seemann -Nachfolger, Berlin SW., Tempelhofer Ufer 29.<br /> -<br /> - Alle Rechte vom Verleger vorbehalten.<br /> - Druck von J. Harrwitz Nachfolger,<br /> - G.m.b.H., Berlin SW., Friedrichstr. 16. - </p> -</div> - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of Project Gutenberg's Berlins Drittes Geschlecht, by Magnus Hirschfeld - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK BERLINS DRITTES GESCHLECHT *** - -***** This file should be named 62772-h.htm or 62772-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/2/7/7/62772/ - -Produced by Delphine Lettau, Mark Akrigg and the online -Distributed Proofreaders Canada team at -http://www.pgdpcanada.net - - -Updated editions will replace the previous one--the old editions -will be renamed. - -Creating the works from public domain print editions means that no -one owns a United States copyright in these works, so the Foundation -(and you!) can copy and distribute it in the United States without -permission and without paying copyright royalties. Special rules, -set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to -copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to -protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project -Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you -charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you -do not charge anything for copies of this eBook, complying with the -rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose -such as creation of derivative works, reports, performances and -research. They may be modified and printed and given away--you may do -practically ANYTHING with public domain eBooks. Redistribution is -subject to the trademark license, especially commercial -redistribution. - - - -*** START: FULL LICENSE *** - -THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK - -To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase "Project -Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project -Gutenberg-tm License (available with this file or online at -http://gutenberg.org/license). - - -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm -electronic works - -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy -all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. -If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project -Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the -terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or -entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. - -1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few -things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works -even without complying with the full terms of this agreement. See -paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project -Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement -and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic -works. See paragraph 1.E below. - -1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" -or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project -Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the -collection are in the public domain in the United States. If an -individual work is in the public domain in the United States and you are -located in the United States, we do not claim a right to prevent you from -copying, distributing, performing, displaying or creating derivative -works based on the work as long as all references to Project Gutenberg -are removed. Of course, we hope that you will support the Project -Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by -freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of -this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with -the work. You can easily comply with the terms of this agreement by -keeping this work in the same format with its attached full Project -Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. - -1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern -what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in -a constant state of change. If you are outside the United States, check -the laws of your country in addition to the terms of this agreement -before downloading, copying, displaying, performing, distributing or -creating derivative works based on this work or any other Project -Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning -the copyright status of any work in any country outside the United -States. - -1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: - -1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate -access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently -whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the -phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project -Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, -copied or distributed: - -This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with -almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or -re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included -with this eBook or online at www.gutenberg.org/license - -1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived -from the public domain (does not contain a notice indicating that it is -posted with permission of the copyright holder), the work can be copied -and distributed to anyone in the United States without paying any fees -or charges. If you are redistributing or providing access to a work -with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the -work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 -through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the -Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or -1.E.9. - -1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted -with the permission of the copyright holder, your use and distribution -must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional -terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked -to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the -permission of the copyright holder found at the beginning of this work. - -1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm -License terms from this work, or any files containing a part of this -work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. - -1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this -electronic work, or any part of this electronic work, without -prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with -active links or immediate access to the full terms of the Project -Gutenberg-tm License. - -1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, -compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any -word processing or hypertext form. However, if you provide access to or -distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than -"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version -posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), -you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a -copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon -request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other -form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm -License as specified in paragraph 1.E.1. - -1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, -performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works -unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. - -1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing -access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided -that - -- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from - the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method - you already use to calculate your applicable taxes. The fee is - owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he - has agreed to donate royalties under this paragraph to the - Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments - must be paid within 60 days following each date on which you - prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax - returns. Royalty payments should be clearly marked as such and - sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the - address specified in Section 4, "Information about donations to - the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." - -- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies - you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he - does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm - License. You must require such a user to return or - destroy all copies of the works possessed in a physical medium - and discontinue all use of and all access to other copies of - Project Gutenberg-tm works. - -- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any - money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the - electronic work is discovered and reported to you within 90 days - of receipt of the work. - -- You comply with all other terms of this agreement for free - distribution of Project Gutenberg-tm works. - -1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm -electronic work or group of works on different terms than are set -forth in this agreement, you must obtain permission in writing from -both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael -Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the -Foundation as set forth in Section 3 below. - -1.F. - -1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable -effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread -public domain works in creating the Project Gutenberg-tm -collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic -works, and the medium on which they may be stored, may contain -"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or -corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual -property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a -computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by -your equipment. - -1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right -of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project -Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project -Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all -liability to you for damages, costs and expenses, including legal -fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT -LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE -PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE -TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE -LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR -INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH -DAMAGE. - -1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a -defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can -receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a -written explanation to the person you received the work from. If you -received the work on a physical medium, you must return the medium with -your written explanation. The person or entity that provided you with -the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a -refund. If you received the work electronically, the person or entity -providing it to you may choose to give you a second opportunity to -receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy -is also defective, you may demand a refund in writing without further -opportunities to fix the problem. - -1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth -in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER -WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO -WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. - -1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied -warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. -If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the -law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be -interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by -the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any -provision of this agreement shall not void the remaining provisions. - -1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the -trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone -providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance -with this agreement, and any volunteers associated with the production, -promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, -harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, -that arise directly or indirectly from any of the following which you do -or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm -work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any -Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. - - -Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm - -Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of computers -including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists -because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from -people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. -To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 -and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. - - -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive -Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at -http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent -permitted by U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. -Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered -throughout numerous locations. Its business office is located at -809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email -business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact -information can be found at the Foundation's web site and official -page at http://pglaf.org - -For additional contact information: - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To -SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any -particular state visit http://pglaf.org - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. -To donate, please visit: http://pglaf.org/donate - - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic -works. - -Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm -concept of a library of electronic works that could be freely shared -with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project -Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. - - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. -unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily -keep eBooks in compliance with any particular paper edition. - - -Most people start at our Web site which has the main PG search facility: - - http://www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/62772-h/images/cover.jpg b/old/62772-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 3eeb4b6..0000000 --- a/old/62772-h/images/cover.jpg +++ /dev/null |
