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| author | nfenwick <nfenwick@pglaf.org> | 2025-02-04 02:22:41 -0800 |
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If you are not located in the United States, you -will have to check the laws of the country where you are located before -using this eBook. - -Title: Noa Noa - -Author: Paul Gauguin - -Translator: Luise Wolf - -Release Date: August 1, 2020 [eBook #62800] -[Most recently updated: October 16, 2021] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -Produced by: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team - -*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NOA NOA *** - - - - - PAUL GAUGUIN, NOA NOA - - - MIT ACHT ABBILDUNGEN - - - PAUL GAUGUIN - - - - - NOA NOA - - - VERLAG VON BRUNO CASSIRER - BERLIN - - - DEUTSCH VON LUISE WOLF - - 9.-12. TAUSEND - - - - - - - »Dites, qu'avez-vous vu?« - - Charles Baudelaire. - -Nach dreiundsechzigtägiger Überfahrt, dreiundsechzig Tagen fieberhafter -Erwartung, bemerkten wir am 8. Juni in der Nacht seltsame Feuer, die -sich im Zickzack auf dem Meere bewegten. Von dem dunkeln Himmel löste -sich ein schwarzer Kegel mit zackigen Einschnitten. - -Wir umschifften Morea und hatten Tahiti vor uns. - -Einige Stunden später begann der Tag zu grauen, wir näherten uns langsam -den Klippen, liefen in das Fahrwasser ein und landeten ohne Unfall an -der Rhede. - -Der erste Anblick dieses Teils der Insel bietet nichts -Außergewöhnliches, nichts, das sich z. B. mit der herrlichen Bucht von -Rio de Janeiro vergleichen ließe. - -Es ist der Gipfel eines zur Zeit der Sintflut überschwemmten Berges. Nur -die äußerste Spitze ragte aus der Flut hervor: eine Familie flüchtete -sich dahin und gründete ein neues Geschlecht -- dann kletterten die -Korallen daran empor, setzten sich rings um die Bergspitze fest und -bildeten im Laufe der Jahrhunderte neues Land. Es dehnt sich immer noch -aus, bewahrt aber den ursprünglichen Charakter der Einsamkeit und -Abgeschiedenheit, die das Meer in seiner Unendlichkeit noch erhöht. - -Um zehn Uhr morgens stellte ich mich bei dem Gouverneur, dem Neger -Lacascade, vor, der mich wie eine Persönlichkeit von Ansehen empfing. - -Ich verdankte diese Ehre meiner Mission, mit der die französische -Regierung mich -- ich weiß nicht warum -- betraut hatte. Allerdings war -es eine künstlerische Mission, aber in den Augen des Negers war dies -Wort nur das offizielle Synonym für Spionage, und ich bemühte mich -vergebens, ihn davon abzubringen. Jedermann in seiner Umgebung teilte -seine irrige Ansicht, und als ich sagte, daß meine Mission unbezahlt -sei, wollte mir dies niemand glauben. - - * * * * * - -Das Leben zu Papeete wurde mir bald zur Last. - -Das war ja Europa -- das Europa, von dem ich mich zu befreien geglaubt -hatte! -- und dazu noch unter den erschwerenden Umständen des kolonialen -Snobismus und der bis zur Karikatur grotesken Nachahmung unserer Sitten, -Moden, Laster und Kulturlächerlichkeiten. - -Sollte ich einen so weiten Weg gemacht haben, um das zu finden, gerade -das, dem ich entflohen war! - -Aber ein öffentliches Ereignis interessierte mich doch. - -Der König Pomare war zu dieser Zeit tödlich erkrankt, und die -Katastrophe wurde täglich erwartet. - -Die Stadt hatte allmählich ein sonderbares Aussehen angenommen. - -Alle Europäer, Kaufleute, Beamte, Offiziere und Soldaten lachten und -sangen wie sonst auf den Straßen, während die Eingeborenen sich mit -ernsten Mienen und gedämpfter Stimme vor dem Palast unterhielten. - -An der Rhede auf dem blauen Meer mit seiner in der Sonne oft jäh -aufblitzenden, silberfunkelnden Klippenreihe herrschte eine -ungewöhnliche Bewegung orangefarbener Segel. Es waren die Bewohner der -benachbarten Inseln, die herbeieilten, den letzten Augenblicken ihres -Königs -- Frankreichs definitiver Besitznahme ihres Landes beizuwohnen. - -Durch Zeichen von oben hatten sie Kunde davon erhalten: denn jedesmal, -wenn ein König im Sterben liegt, bedecken die Berge sich an bestimmten -Stellen bei Sonnenuntergang mit dunkeln Flecken. - -Der König starb und ward in großer Admiralsuniform öffentlich in seinem -Palast ausgestellt. - -Dort sah ich die Königin Maraü -- dies war ihr Name --, die den -königlichen Saal mit Blumen und Stoffen schmückte. -- Als der Leiter der -öffentlichen Arbeiten mich wegen der künstlerischen Ausstattung des -Leichenbegängnisses um Rat fragte, wies ich ihn an die Königin, die mit -dem schönen Instinkt ihrer Rasse überall Anmut um sich verbreitete und -alles, was sie berührte, zu einem Kunstwerk gestaltete. - -Bei dieser ersten Begegnung verstand ich sie jedoch nur unvollkommen. -Menschen und Dinge, die so verschieden von denen waren, wie ich sie -gewünscht, hatten mich enttäuscht, ich war angewidert von dieser ganzen -europäischen Trivialität und zu kurze Zeit im Lande, um erkennen zu -können, wieviel sich in dieser eroberten Rasse unter der künstlichen, -verderblichen Tünche unserer Einführungen noch von Nationalität, -Ursprünglichkeit und primitiver Schönheit erhalten hatte, ich war in -mancher Beziehung noch blind. Ich sah auch in dieser bereits etwas -reifen Königin nichts als eine gewöhnliche dicke Frau mit Spuren von -edler Schönheit. Als ich sie später wiedersah, änderte ich mein erstes -Urteil, ich unterlag dem Reize ihres »maorischen Zaubers«. Trotz aller -Mischung war der tahitische Typus bei ihr sehr rein. Und dann gab die -Erinnerung an ihren Vorfahren, den großen Häuptling Tati, ihr wie ihrem -Bruder und der ganzen Familie ein Ansehen von wahrhaft imposanter Größe. -Sie hatte die majestätische, prachtvolle Gestalt der Rasse dort, groß -und doch anmutig, die Arme wie die Säulen eines Tempels einfach und -fest, und der ganze Körperbau, diese gerade horizontale Schulterlinie, -die oben spitz auslaufende Höhe erinnerte mich unwillkürlich an das -heilige Dreieck, das Symbol der Dreieinigkeit. -- In ihren Augen blitzte -es zuweilen wie von vage auftauchender Leidenschaft, die sich jäh -entzündet und alles ringsum entflammt, -- und so vielleicht sind die -Inseln selber einst aus dem Ozean aufgetaucht und die Pflanzen darauf -beim ersten Sonnenstrahl erblüht. - -Alle Tahitaner kleideten sich in Schwarz und sangen zwei Tage lang -Trauerweisen und Totenklagen. Mir war, als hörte ich die Sonate -Pathétique. - -Dann kam der Tag der Bestattung. - -Um zehn Uhr morgens verließ der Zug den Palast. Truppe und Behörden in -weißem Helm und schwarzem Frack, die Eingeborenen in ihrer düstern -Tracht. Alle Distrikte marschierten in der Reihenfolge, und der Anführer -eines jeden trug die französische Fahne. - -Bei Aruë wurde haltgemacht. Dort erhebt sich ein unbeschreibliches -Monument, ein unförmlicher Haufen mit Zement verbundener Steine, der zu -der Umgebung und der Atmosphäre in peinlichem Kontrast steht. - -Lacascade hielt eine Rede nach bekanntem Muster, die ein Dolmetscher für -die anwesenden Franzosen übersetzte. Dann folgte eine Predigt des -protestantischen Pastors, auf die Tati, der Bruder der Königin, ein paar -Worte erwiderte -- das war alles. Man brach auf, und die Beamten -drängten sich in den Wagen zusammen, es erinnerte etwas an »die Rückkehr -von einem Rennen«. - -Unterwegs, wo die Gleichgültigkeit der Franzosen den Ton angab, fand -dieses seit mehreren Tagen so ernste Volk seine Fröhlichkeit wieder. Die -Vahinas nahmen wieder den Arm ihrer Tanés, sprachen lebhaft und wiegten -sich in den Hüften, während ihre kräftigen nackten Füße den Staub des -Weges aufwühlten. - -In der Nähe des Flusses Fatüa zerstreute sich alles. Zwischen den -Steinen versteckt, kauerten hier und dort Frauen mit bis zum Gürtel -aufgenommenen Röcken im Wasser, um ihre Hüften und die vom Marsch und -von der Hitze ermüdeten Beine zu erfrischen. So gereinigt machten sie -sich, stolz den Busen tragend, über dem der dünne Musselin sich -straffte, mit der Grazie und Elastizität junger gesunder Tiere wieder -auf den Weg nach Papeete. Ein gemischtes, halb animalisches, halb -pflanzliches Parfüm strömte von ihnen aus, das Parfüm ihres Blutes und -der Gardenien -- Tiaré --, die alle in den Haaren trugen. - --- _Téiné merahi noa noa_ (jetzt sehr wohlriechend), sagten sie. - - * * * * * - -... Die Prinzessin trat in meine Kammer, wo ich leidend, nur mit einem -Paréo[1] bekleidet, auf dem Bett lag. Wahrlich keine Art, eine Frau von -Rang zu empfangen. - -_Ja orana_ (ich grüße dich), Gauguin, sagte sie. Du bist krank, ich -komme, um nach dir zu sehen. - --- Und du heißest? - --- Vaïtüa. - -Vaïtüa war eine wirkliche Prinzessin, wenn es solche überhaupt noch -gibt, seitdem die Europäer alles auf ihr Niveau herabgedrückt haben. -Freilich war sie als einfache Sterbliche mit nackten Füßen, eine -duftende Blume hinterm Ohr, in schwarzem Kleide gekommen. Sie ging in -Trauer um den König Pomare, dessen Nichte sie war. Ihr Vater, Tamatoa, -hatte trotz der unvermeidlichen Berührung mit Offizieren und Beamten, -trotz der Empfänge bei dem Admiral, niemals etwas anders sein wollen als -ein königlicher Maorie, ein gigantischer Raufbold in Momenten des -Zornes, und bei abendlichen Orgien ein berühmter Zecher. Er war -gestorben. Vaïtüa, behauptete man, gliche ihm sehr. - -Ein skeptisches Lächeln auf den Lippen, betrachtete ich diese gefallene -Prinzessin mit der Dreistigkeit des eben auf der Insel gelandeten -Europäers. Aber ich wollte höflich sein. - --- Es ist sehr freundlich von dir, daß du gekommen bist, Vaïtüa. Wollen -wir zusammen einen Absinth trinken? - -Und mit dem Finger weise ich in eine Ecke der Kammer auf eine Flasche, -die ich soeben gekauft hatte. - -Ohne Unmut noch Freude zu zeigen, geht sie einfach hin und bückt sich, -um die Flasche zu nehmen. Bei dieser Bewegung spannte ihr leichtes, -durchsichtiges Kleid sich über den Lenden, -- es waren Lenden, eine Welt -zu tragen! O, sicherlich war es eine Prinzessin! Ihre Vorfahren? Stolze, -tapfere Riesen. Fest saß ihr stolzer, wilder Kopf auf den breiten -Schultern. Zuerst sah ich nur ihre Menschenfresserkiefer, ihre zum -Zerreißen bereiten Zähne, den lauernden Blick eines grausamen, listigen -Tieres und fand sie trotz einer schönen edlen Stirn sehr häßlich. - -Wenn ihr nur nicht einfiele, sich auf mein Bett zu setzen! Ein so -schwaches Gestell könnte uns beide ja nicht tragen ... - -Aber gerade das tut sie. - -Das Bett krachte, hielt es jedoch aus. - -Beim Trinken wechseln wir einige Worte. Die Unterhaltung will aber nicht -lebhaft werden. Sie ermattet schließlich, und es herrscht Schweigen. Ich -beobachte die Prinzessin insgeheim, sie sieht mich aus einem Augenwinkel -verstohlen an, die Zeit geht hin, und die Flasche leert sich. Vaïtüa -trinkt tapfer. Sie dreht sich eine tahitische Zigarette und streckt sich -auf dem Bett aus, um zu rauchen. Ihre Füße streichen ganz mechanisch -fortwährend über das Holz unten am Fußende, ihre Züge besänftigen sich, -werden sichtlich weich, ihre Augen glänzen -- und ein regelmäßiges -Pfeifen entschlüpft ihren Lippen -- mir war, als hörte ich das Schnurren -einer Katze, die auf blutige Genüsse sinnt. - -Da ich veränderlich bin, fand ich sie jetzt sehr schön, und als sie mit -bewegter Stimme sagte: »Du gefällst mir«, überkam mich eine große -Unruhe. Die Prinzessin war entschieden köstlich ... - -Ohne Zweifel, um mir zu gefallen, begann sie eine Fabel von La Fontaine, -die _Grille und die Ameise_ zu erzählen -- eine Erinnerung aus der Zeit -ihrer Kindheit bei den Schwestern, die sie unterrichtet hatten. - -Die ganze Zigarette war in Brand. - --- Weißt du, Gauguin, sagte die Prinzessin, und erhob sich, ich liebe -deinen La Fontaine nicht. - --- Wie? Unsern guten La Fontaine? - --- Vielleicht ist er gut, aber seine Moral ist häßlich. Ameisen ... (ihr -Mund drückte Abscheu aus). Ja, Grillen, die, ah! Singen, singen, immer -singen! - -Und stolz, ohne mich anzusehen, mit leuchtenden, ins Weite blickenden -Augen fügte sie hinzu: - --- Wie herrlich war unser Reich, als noch nichts verkauft wurde! Das -ganze Jahr hindurch wurde gesungen ... Singen, immer! Immer geben! ... - -Und sie ging. - -Ich legte mich wieder auf mein Kissen zurück, und lange klangen die -Worte: _Ja orana_, Gauguin, schmeichelnd in mir nach. - -Diese Episode, die mir mit dem Tode des Königs Pomare in Erinnerung -geblieben ist, hat tiefere Spuren in meinem Gedächtnis hinterlassen als -das Ereignis und die offizielle Feier. - -Die Bewohner von Papeete selber, sowohl Eingeborene wie Weiße, vergaßen -den Verblichenen schnell. Die von den Nachbarinseln gekommen waren, um -dem königlichen Leichenbegängnis beizuwohnen, fuhren wieder fort, noch -einmal kreuzten Tausende von orangefarbenen Segeln das blaue Meer, und -alles nahm wieder seinen gewohnten Gang. - -Es gab nur einen König weniger. - -Mit ihm verschwanden die letzten Spuren alter Traditionen. Mit ihm -schloß die Geschichte der Maorie ab. Sie war zu Ende. Die Zivilisation --- Soldaten, Handel und Beamtentum -- triumphierte, leider! - -Eine tiefe Traurigkeit bemächtigte sich meiner. Der Traum, welcher mich -nach Tahiti geführt, wurde durch die Tatsachen grausam verscheucht. Ich -liebte das Tahiti von eh, das jetzige flößte mir Grauen ein. - -Doch als ich die noch erhaltene physische Schönheit der Rasse sah, -konnte ich nicht daran glauben, daß sie nichts von ihrer antiken Größe, -von ihren persönlichen und natürlichen Sitten, von ihrem Glauben und -ihren Legenden bewahrt haben sollte. Aber wie die Spuren dieser -Vergangenheit, wenn sie solche hinterlassen hat, allein entdecken? wie -sie ohne Führung erkennen? Wie das Feuer wieder entzünden, von dem -selbst die Asche zerstreut ist? - -So niedergeschlagen ich auch sein mag, pflege ich mein Vorhaben doch -niemals aufzugeben, ohne alles, selbst »das Unmögliche« versucht zu -haben, um zum Ziele zu gelangen. - -Mein Entschluß war bald gefaßt. Ich beschloß, Papeete zu verlassen, mich -von dem europäischen Mittelpunkt zu entfernen. - -Ich fühlte, daß, wenn ich das Leben der Eingeborenen im Busch völlig mit -ihnen teilte, ich allmählich das Vertrauen der Maorie gewinnen und -- -sie kennenlernen würde. - -Und eines Morgens machte ich mich in meinem Wagen auf, den ein Offizier -mir liebenswürdig zur Verfügung gestellt hatte, um »meine Hütte« zu -suchen. - -Meine Vahina namens Titi begleitete mich. Halb englischer, halb -tahitischer Abstammung sprach sie etwas Französisch. Für diese Fahrt -hatte sie ihr schönstes Kleid angelegt, die Tiaré hinterm Ohr, ihren -oben mit Band, unten mit Strohblumen und einer Garnitur orangefarbener -Muscheln geputzten Basthut aufgesetzt und das lange schwarze Haar -aufgelöst über die Schultern hängen. Sie war stolz, in einem Wagen zu -fahren, stolz, so elegant und die Vahina eines Mannes zu sein, den sie -für einflußreich und vermögend hielt, und war wirklich hübsch in ihrem -Stolz, der nichts Lächerliches hatte, so sehr paßt die majestätische -Miene zu dieser Rasse, die im Andenken an die weit zurückreichende -Geschichte ihrer Herrschaft und eine unbestimmte Reihe großer Häuptlinge -diesen herrlichen Stolz bewahrt. -- Ich wußte zwar, daß ihre sehr -berechnete Liebe in den Augen der Pariser nicht schwerer gewogen hätte -als die feile Gefälligkeit einer Dirne. Aber die Liebesglut einer -maorischen Kurtisane ist etwas ganz anderes als die Passivität einer -Pariser Kokotte -- ganz etwas anderes! Es ist ein Feuer in ihrem Blute, -das Liebe, seine eigentliche Nahrung, erweckt, das Liebe atmet. Diese -Augen und dieser Mund können nicht lügen, ob uneigennützig oder nicht, -es spricht immer Liebe aus ihnen. - -Der Weg durch die reiche und einförmige Landschaft war bald -zurückgelegt. Zur Rechten immer das Meer, die Korallenriffe und -Wasserfälle, die zuweilen wie Dampf zerstoben, wenn die Wellen in zu -ungestüme Berührung mit den Felsen kamen. Zur Linken den Busch mit der -Aussicht auf große Wälder. - -Mittags hatten wir unsere fünfundvierzig Kilometer hinter uns und -erreichten den Distrikt von Mataiëa. - -Ich sah mich um und fand schließlich eine leidlich hübsche Hütte, die -der Eigentümer mir zur Miete überließ. Er baute sich daneben eine neue, -die er bewohnen wollte. - -Am Abend des nächsten Tages, als wir nach Papeete zurückkehrten, fragte -mich Titi, ob ich sie nicht mit mir nehmen wolle. - --- Später, in einigen Tagen, wenn ich eingerichtet sein werde, sagte -ich. - -Titi hatte in Papeete einen furchtbaren Ruf, nachdem sie mehrere -Liebhaber unter die Erde gebracht. Aber nicht das machte mich ihr -abwendig. Sie hatte als halbe Weiße, und trotz Spuren tiefer, -origineller und echt maorischer Eigentümlichkeiten durch zahlreiche -Beziehungen viel von ihren »Rassemerkmalen« eingebüßt. Ich fühlte, daß -sie mich nichts von dem lehren konnte, was ich wissen wollte, und mir -nichts von dem erlesenen Glück gewähren, das ich begehrte. - -Außerdem sagte ich mir, daß ich auf dem Lande finden würde, was ich -suchte und nur zu wählen brauchte. - - * * * * * - -Von einer Seite das Meer, an der anderen das Gebirge, zerklüftetes -Gebirge, ein enormer Spalt, den ein an dem Felsen lehnender, hoher -Mangobaum verdeckt. - -Zwischen Berg und Meer steht meine Hütte vom Holze des Bourao. Daneben -eine zweite, die ich nicht bewohne, _die faré amu_ (Speisehütte). - -Morgen. - -Auf dem Meere nahe am Strande sehe ich eine Piroge[2] und darin eine -halbnackte Frau. Am Strande einen Mann, ebenfalls unbekleidet. Ein -kranker Kokosnußbaum mit verschrumpften Blättern gleicht einem -ungeheuren Papagei, der seinen vergoldeten Schwanz herabhängen läßt und -eine volle Traube in den Krallen hält. Mit harmonischer Gebärde hebt der -Mann mit beiden Händen ein schweres Beil, das oben auf dem silbrigen -Himmel eine blaue Spur, unten einen rosigen Einschnitt auf dem -abgestorbenen Stamme hinterläßt, wo die von Tag zu Tag aufgesparte Glut -von Jahrhunderten in den Flammen eines Augenblicks wieder aufleben wird. - -Lange schlangenartige Blätter von einem metallischen Gelb auf dem -purpurnen Boden gemahnten mich an die Züge einer geheimen, religiösen, -alten Schrift. Deutlich bildeten sie das heilige Wort australischen -Ursprungs ATUA -- Gott -- den Taäta oder Takata oder Tathagata, der in -ganz Indien überall herrschte. Und wie eines mystischen Zuspruchs in -meiner schönen Einsamkeit und meiner schönen Armut erinnerte ich mich -wieder der Worte des Weisen: - - In den Augen des Tathagata ist die herrlichste Pracht von Königen - und seinen Ministern nichts als Auswurf und Staub. - - In seinen Augen ist Reinheit und Unreinheit wie der Tanz der sechs - Nagas. - - In seinen Augen ist das Suchen nach dem Anblick des Buddha gleich - den Blumen. - -In der Piroge ordnete die Frau einige Netze. - -Die blaue Linie des Meeres wurde häufig von dem Grün der Wogenkämme -unterbrochen, die an den Korallenriffen brandeten. - -Abend. - -Ich war an den Strand gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. - -Die rasch bis zum Horizont gesunkene Sonne versteckte sich schon zur -Hälfte hinter der Insel Morea, die mir zur Rechten lag. In dem Zwielicht -standen die Berge, deren Vorsprünge alten, mit Zinnen gekrönten -Schlössern glichen, in festen schwarzen Silhouetten auf der violetten -Glut des Himmels. - -Kein Wunder, daß mich vor diesen natürlichen Bauwerken -Herrscher-Visionen verfolgen! Der Gipfel dort unten hat die Gestalt -eines riesigen Helmes. Die Wogen ringsum, deren Rauschen wie das Lärmen -einer gewaltigen Menge klingt, werden ihn niemals erreichen. Unter der -Ruinenpracht steht der Helm allein, Beschützer und Zeuge, ein Nachbar -des Himmels. Ich fühle von dem Haupte droben einen heimlichen Blick in -die Wasser tauchen, die einst das sündige Geschlecht der Lebenden -verschlungen hatten, und von dem weiten Spalt, der sein Mund sein -könnte, fühle ich ein Lächeln der Ironie oder des Mitleids über das -Wasser schweifen, wo die Vergangenheit schläft. - -Die Nacht brach schnell herein. Morea schlief. - - * * * * * - -Stille! Ich lernte die Stille einer tahitischen Nacht kennen. - -Ich vernahm nichts als das Schlagen meines Herzens in der Stille. - -Aber die Mondstrahlen fielen durch das in gleicher Entfernung -voneinander stehende Bambusrohr vor meiner Hütte bis auf mein Bett. Und -dieser gleichmäßige Schein erweckte in mir die Vorstellung eines -Musikinstrumentes, der Rohrpfeife der Alten, die den Maories bekannt ist -und von ihnen _Vivo_ genannt wird. Mond und Bambusrohr zeichneten es -übertrieben: als ein Instrument, das tagsüber schweigt, aber nachts, -dank dem Monde, dem Träumer liebe Melodien ins Gedächtnis zurückruft. -Ich schlief bei dieser Musik ein. - -Zwischen dem Himmel und mir nichts als das hohe, leichte Dach von -Pandanusblättern, in denen die Eidechsen nisten. - -Ich bin weit fort von jenen Gefängnissen, den europäischen Häusern! - -Eine maorische Hütte trennt den Menschen nicht vom Leben, von Raum und -Unendlichkeit ... - -Indessen fühlte ich mich dort sehr einsam. - -Die Bewohner der Gegend und ich beobachteten einander gegenseitig, und -der Abstand zwischen uns blieb der gleiche. - -Seit dem zweiten Tage waren meine Vorräte erschöpft. Was tun? Ich hatte -geglaubt, für Geld alles Notwendige zu finden. Ich hatte mich jedoch -getäuscht. Sobald man die Stadt verlassen hat, muß man sich an die Natur -halten, um zu leben, und sie ist reich, sie ist freigebig und verweigert -keinem einen Anteil an ihren Schätzen, die unerschöpflich an Bäumen, in -den Bergen und im Meere aufgespeichert sind. Aber man muß verstehen, auf -die hohen Bäume zu klettern, die Berge zu besteigen und mit schwerer -Beute beladen zurückkehren, man muß Fische fangen, tauchen, auf dem -Meeresgrund die fest an den Steinen haftenden Muscheln losreißen können, --- man muß wissen, muß können. - -Ich, der Kulturmensch, stand in dieser Hinsicht weit hinter den Wilden -zurück. Ich beneidete sie. Ich sah ihr glückliches, friedliches Leben um -mich her, ohne größere Anstrengung, als die täglichen Bedürfnisse es -erforderten -- ohne die geringste Sorge um Geld. Wem sollte man etwas -verkaufen, wo die Erzeugnisse der Natur jedem zu Gebote stehen? - -Da, als ich mit leerem Magen auf der Schwelle meiner Hütte saß und -betrübt an meine Lage und die unvorhergesehenen, vielleicht -unüberwindlichen Hindernisse dachte, die die Natur zwischen sich und den -Kulturmenschen stellt -- bemerkte ich einen Eingeborenen, der mir -gestikulierend etwas zurief. Die sehr ausdrucksvollen Gebärden ersetzten -die Worte, und ich verstand, daß mein Nachbar mich zum Essen einlud. Mit -einem Kopfschütteln lehnte ich ab. Dann ging ich beschämt, ich glaube -ebensosehr, weil ich das Anerbieten zurückgewiesen, wie wenn ich es -angenommen hätte, in meine Hütte zurück. - -Nach einigen Minuten stellte ein kleines Mädchen, ohne etwas zu sagen, -gekochtes Gemüse und sauber von frisch gepflückten grünen Blättern -umhüllte Früchte vor meine Tür. Ich war hungrig. Und ebenfalls ohne ein -Wort zu sagen, nahm ich es an. - -Kurz darauf ging der Mann an meiner Hütte vorüber und fragte lächelnd, -ohne stehen zu bleiben: - --- Païa? - -Ich erriet: Bist du zufrieden? - -Das war der Beginn gegenseitiger Vertraulichkeit zwischen mir und den -Wilden. - -»Wilde!« dieses Wort kam mir unwillkürlich über die Lippen, als ich -diese schwarzen Wesen mit den Kannibalen-Zähnen betrachtete. Doch bald -erkannte ich ihre echte, ihre fremdartige Anmut ... Wie jenes braune -Köpfchen mit den sanften niedergeschlagenen Augen, jenes Kind unter -Büschen großer Blätter des Giromon mich eines Morgens ohne mein Wissen -beobachtete und entfloh, als mein Blick dem seinen begegnete ... - -Wie sie mir, war ich ihnen ein Gegenstand der Beobachtung und eine -Ursache des Staunens, einer, dem alles neu war, der nichts kannte. Denn -ich kannte weder ihre Sprache, noch ihre Gebräuche, selbst nicht die -einfachsten notwendigen Handgriffe. -- Wie jeder von ihnen für mich, war -ich für jeden von ihnen ein Wilder. - -Und wer von uns beiden hatte recht? - -Ich versuchte zu arbeiten, machte allerlei Notizen und Skizzen. - -Aber die Landschaft mit ihren starken, reinen Farben blendete mich, -machte mich blind. Ich war immer unentschieden, suchte und suchte ... - -Und dabei war es so einfach zu malen, wie ich es sah, ohne viel -Überlegung ein Rot neben ein Blau zu setzen! Vergoldete Gestalten in -Bächen und am Strande entzückten mich, warum zögerte ich, diesen -Sonnenjubel auf meine Leinwand zu bannen. - -Oh! diese alten europäischen Überlieferungen! die furchtsame -Ausdrucksart entarteter Rassen! - -Um mich mit dem eigentümlichen Charakter eines tahitischen Gesichts -vertraut zu machen, wollte ich das Porträt einer meiner Nachbarinnen, -einer jungen Frau rein tahitischer Abstammung, machen. -- Eines Tages -faßte sie sich ein Herz, in meine Hütte zu kommen und sich Photographien -von Bildern anzusehen, mit denen ich eine Wand meiner Kammer tapeziert -hatte. Sie betrachtete sie lange, mit ganz besonderem Interesse die -_Olympia_. - --- Wie gefällt dir das? fragte ich sie. (Ich hatte in den zwei Monaten, -wo ich nicht mehr fanzösisch sprach, ein paar tahitische Worte gelernt.) - -Meine Nachbarin erwiderte: - --- Sie ist sehr schön. - -Ich lächelte über diese Bemerkung, und sie rührte mich. Hatte sie denn -Verständnis für das Schöne? Was aber würden die Professoren der Akademie -der Schönen Künste dazu sagen? - -Nach einem fühlbaren Schweigen, wie es einer Gedankenfolgerung -vorauszugehen pflegt, fügte sie plötzlich hinzu: - --- Ist das deine Frau? - --- Ja. - -Ich scheute diese Lüge nicht. Ich, der _Tané_ der schönen Olympia! - -Während sie neugierig einige religiöse Kompositionen der italienischen -Primitiven prüfte, begann ich eilig, ohne daß sie es sah, ihr Porträt zu -skizzieren. - -Sie merkte es plötzlich, rief schmollend -- Aïta! (Nein) und lief davon. - -Eine Stunde später war sie in einem schönen Kleid, die Tiaré hinterm -Ohr, wieder da. -- Geschah es aus Koketterie? aus Freude, nach der -Weigerung freiwillig nachzugeben? Oder war es einfach das Lockende der -verbotenen Frucht, die man sich selber verwehrt? Oder noch einfacher -vielleicht bloße Laune, ohne jeden andern Beweggrund, wie die Maories -sie gewohnt sind? - -Ohne Zögern machte ich mich an die Arbeit, ohne Zögern und fieberhaft. -Ich war mir bewußt, daß von meiner Leistung als Maler die physische und -moralische Ergebenheit des Modells, eine rasche, stillschweigende, -unweigerliche Einwilligung abhing. - -Nach unsern Regeln der Ästhetik war sie wenig schön. - -Aber sie war schön. - -Ihre Züge waren von einer raffaelischen Harmonie, und den Mund hatte ein -Bildhauer modelliert, der es versteht, in eine einzige bewegliche Linie -alle Freude und alles Leid zu legen. - -Ich arbeitete hastig und leidenschaftlich, denn ich wußte wohl, daß auf -die Zustimmung noch nicht zu rechnen war. Ich zitterte davor, in diesen -großen Augen Furcht zu lesen und Verlangen nach dem Unbekannten, die -Melancholie bitterer Erfahrung, die jeder Lust zugrunde liegt, wie das -unfreiwillige, souveräne Gefühl der Selbstbeherrschung. Solche Geschöpfe -scheinen uns zu unterliegen, wenn sie sich uns geben, und unterliegen -doch nur ihrem eigenen Willen. Sie beherrscht eine Kraft, die etwas -Übermenschliches hat -- oder vielleicht etwas göttlich Animalisches. - - * * * * * - -Jetzt arbeitete ich freier, besser. - -Aber meine Einsamkeit quälte mich. Ich sah in dieser Gegend zwar junge -Frauen und Mädchen mit ruhigem Blick, echte Tahitianerinnen, und einige -darunter hätten vielleicht gern das Leben mit mir geteilt. -- Aber ich -wagte nicht sie anzureden. Sie schüchterten mich wirklich ein mit ihrem -sicheren Blick, der Würde ihrer Haltung und den stolzen Gebärden. - -Dennoch wollen alle »genommen«, buchstäblich brutal genommen sein -(_maü_, ergreifen), ohne ein Wort. Alle haben den geheimen Wunsch nach -Vergewaltigung: weil durch diesen Akt männlicher Autorität der Weibwille -seine volle Unverantwortlichkeit behält -- denn so hat es ja nicht seine -Einwilligung zum Beginn einer dauernden Liebe gegeben. Möglich, daß -dieser erst so empörenden Gewalt ein tiefer Sinn zugrunde liegt, möglich -auch, daß sie ihren wilden Reiz hat. Ich dachte wohl daran, aber ich -wagte es nicht. - -Und dann hielt man mehrere von ihnen für krank, von jener Krankheit -befallen, die den Wilden als erste Stufe des Kulturlebens von den -Europäern gebracht wird ... - -Und wenn die Alten, auf eine von ihnen weisend, zu mir sagten: - --- Maü téra (nimm diese), hatte ich weder die notwendige Kühnheit noch -Vertrauen. Ich ließ Titi sagen, daß ich sie mit Vergnügen wieder -aufnehmen wolle. - -Sie kam sogleich. - -Der Versuch mißglückte, und an der Langeweile, die ich in der -Gesellschaft dieser an den banalen Luxus der Beamten gewöhnten Frau -empfand, konnte ich ermessen, welche Fortschritte ich bereits in dem -schönen Leben der Wilden gemacht hatte. - -Nach Verlauf einiger Wochen schieden Titi und ich für immer voneinander. - -Ich war wieder allein. - - * * * * * - -Meine Nachbarn sind mir Freunde geworden. Ich esse und kleide mich wie -sie. Wenn ich nicht arbeite, teile ich ihr Leben der Einfalt und der -Freude, das sich zuweilen jäh in Ernst verwandelt. - -Abends versammelt man sich in Gruppen am Fuße der buschigen Sträucher, -die die zerzausten Wipfel der Kokosnußbäume überragen, oder Männer und -Frauen, Greise und Kinder vereinen sich. Die einen stammen aus Tahiti, -andere von den Tongas- und wieder andere von den Marquesas-Inseln. Die -matten Töne ihrer Körper stimmen harmonisch zu dem Sammet des Laubes, -und aus ihrer kupfernen Brust steigen zitternd Melodien, die von den -rauhen Stämmen der Kokosnußbäume gedämpft zurückgeworfen werden. Es sind -tahitische Gesänge, die _Iménés_. - -Eine Frau beginnt, ihre Stimme erhebt sich gleich einem Vogel im Fluge -und geht durch alle Töne bis zum höchsten der Tonleiter, steigt und -singt in starken Modulationen und schwebt schließlich über den Stimmen -der übrigen Frauen, die ihrerseits nun auffliegen, wenn man so sagen -darf, ihr folgen und sie getreulich begleiten. Mit einem einzigen -gutturalen, barbarischen Schrei schließen zuletzt alle Männer einstimmig -den Gesang. - -Zuweilen kommt man zum Plaudern oder Singen in einer Hütte zusammen. - -Mit einem Gebet wird begonnen, ein Greis spricht es gewissenhaft vor, -und alle Anwesenden wiederholen es. Dann wird gesungen, oder es werden -lustige Geschichten erzählt. Der Inhalt dieser Erzählungen ist sehr -zart, kaum greifbar, es sind in das Gewebe gestickte, durch ihre -Naivität so feine Details, die sie belustigen. - -Seltener gibt man sich mit der Erörterung ernster Fragen oder weiser -Vorschläge ab. Eines Abends wurde folgender gemacht, den ich nicht ohne -Staunen hörte: - --- In unserm Dorf, sagte ein Greis, sieht man hier und dort zerfallene -Häuser, geborstene Mauern und morsche halboffene Dächer, durch die Nässe -dringt, wenn es zufällig einmal regnet. Warum? Jedermann hat das Recht, -vor Wind und Wetter geschützt zu sein. Es fehlt weder an Holz noch an -Laub zur Herstellung der Dächer. Ich schlage vor, gemeinschaftlich -geräumige solide Hütten an Stelle der unbewohnbar gewordenen zu bauen. -Wir wollen alle der Reihe nach Hand anlegen. - -Alle Anwesenden spendeten ihm ohne Ausnahme Beifall: - -Der Antrag des Greises wurde einstimmig angenommen. - -Ein kluges und gutes Volk, dachte ich, als ich abends nach Hause kam. - -Aber am folgenden Tage, als ich mich nach dem Beginn der gestern -verabredeten Arbeit erkundigte, merkte ich, daß niemand mehr daran -dachte. Das tägliche Leben nahm wieder seinen Gang, und die von dem -weisen Ratgeber bezeichneten Häuser blieben zerfallen wie zuvor. - -Auf meine Fragen erhielt ich nur ein ausweichendes Lächeln zur Antwort. - -Aber gerunzelte Brauen zogen bedeutsame Linien in diese träumerischen -Stirnen. - -Ich zog mich verwirrt, aber mit dem Gefühl zurück, eine tüchtige Lektion -von meinen Wilden erhalten zu haben. Sie taten wahrlich recht, dem -Vorschlag des Greises beizustimmen. Vielleicht hatten sie auch recht, -dem gefaßten Entschluß nicht weiter Folge zu leisten. - -Wozu arbeiten? Die Götter sind da, ihren Getreuen von den Gütern der -Natur zu spenden. - --- Morgen? - --- Vielleicht! aber was auch geschehen mag, heiter und wohltätig wird -die Sonne morgen aufgeben, wie sie es heute getan. - -Ist das Sorglosigkeit, Leichtsinn, Unbeständigkeit? Oder vielleicht -tiefe Philosophie? -- Wer weiß? Hütet euch vor dem Luxus! Hütet euch, -unter dem Vorwande der Vorsorge Geschmack daran zu finden und ihn für -notwendig zu halten ... - -Das Leben gestaltete sich täglich besser. Ich verstehe die Sprache der -Maories jetzt ziemlich gut und werde sie bald ohne Mühe sprechen können. - -Meine Nachbarn -- drei ganz in der Nähe und andere zahlreiche in einiger -Entfernung voneinander -- betrachten mich als einen der Ihren. - -In der fortwährenden Berührung mit den Kieselsteinen sind meine Füße -abgehärtet und an den Boden gewöhnt. Mein fast beständig nackter Körper -leidet nicht mehr unter der Sonne. - -Die Zivilisation verläßt mich allmählich. - -Ich fange an einfach zu denken, nur wenig Haß gegen meinen Nächsten zu -empfinden -- eher ihn zu lieben. - -Ich genieße alle Freuden des Lebens -- animalische wie menschliche. Bin -alles Erkünstelten, aller Konvention, aller Gewohnheiten ledig. Ich -komme der Wahrheit nahe, der Natur. Mit der Gewißheit, eine Reihe -freier, schöner Tage wie der heutige vor mir zu haben, senkt sich Friede -auf mich herab, ich entwickle mich normal und beschäftige mich nicht mit -unnützen Dingen. - -Ich habe einen Freund gewonnen. - -Er ist von selber zu mir gekommen, und ich darf gewiß sein, daß kein -niedriger Eigennutz ihn dazu veranlaßt hat. - -Es ist einer meiner Nachbarn, ein schlichter, sehr schöner, junger -Bursche. - -Meine farbigen Bilder und meine Holzschnitzereien haben seine Neugierde -geweckt; meine Antworten auf seine Fragen haben ihn belehrt. Es vergeht -kein Tag, an dem er mir nicht beim Malen oder Schnitzen zuschaut ... - -Noch jetzt, nach so langer Zeit, erinnere ich mich gern der wahren, -echten Gefühle, die ich in dieser wahren, echten Natur erweckte. - -Abends, wenn ich von meiner Arbeit ausruhte, plauderten wir miteinander. -Als neugieriger junger Wilder fragte er mich nach europäischem Leben, -besonders nach Liebessachen, und mehr als einmal brachten seine Fragen -mich in Verlegenheit. - -Aber seine Antworten waren noch naiver als seine Fragen. - -Eines Tages gab ich ihm meine Werkzeuge und ein Stück Holz, ich wollte, -daß er den Versuch machte zu schnitzen. Verwirrt und schweigend schaute -er mich erst an, dann gab er mir Holz und Werkzeug wieder zurück und -sagte schlicht und treuherzig, ich sei nicht wie die andern, ich -verstände Dinge, zu denen andere Menschen unfähig wären, und sei _andern -nützlich_. - -Ich glaube, Jotéfa ist der erste Mensch, der mir das gesagt hat -- es -war die Sprache des Wilden oder des Kindes, denn man muß eins von beiden -sein, nicht wahr, um zu glauben, daß ein Künstler -- ein _nützlicher -Mensch_ sei. - - * * * * * - -Einmal brauchte ich Rosenholz zu meiner Schnitzerei. Ich wollte einen -festen starken Stamm und fragte Jotéfa um Rat. - --- Man muß in die Berge gehen, sagte er. Ich weiß an einer bestimmten -Stelle mehrere schöne Bäume. Wenn du willst, führe ich dich hin. Wir -fällen einen Baum, der dir zusagt, und tragen ihn zusammen her. - -Zeitig am Morgen brachen wir auf. Die Fußsteige auf Tahiti sind ziemlich -beschwerlich für einen Europäer, und das Gehen im Gebirge erfordert, -selbst für die Eingeborenen, eine Kraftanstrengung, zu der sie sich -nicht unnötig entschließen. - -Zwischen zwei Bergen, zwei steilen Basaltwänden, die nicht zu erklimmen -sind, gähnt ein Spalt, in dem das Wasser sich zwischen Felsblöcken -hindurchwindet, die sich von der Seitenwand gelöst haben, um einer -Quelle den Weg zu bahnen. Die zum Bach angewachsene Quelle hat an ihnen -gerüttelt und gerückt und sie schließlich etwas weiter fortgedrängt, bis -der Bach, zum Strom angeschwollen, sie mitgerissen und bis zum Meer -getragen. An jeder Seite dieses Baches führt, oft von wahren Kaskaden -unterbrochen, eine Art von Weg durch ein buntes Gemisch von Bäumen, -Brotbäumen, Eisenbäumen, Bouraos, Kokosnußbäumen, Hibiscus, Pandanus, -Guavabäumen und Riesenfarnen, eine tolle Vegetation, die immer wilder -und dichter und schließlich zu einem immer undurchdringlicheren Dickicht -wird, je weiter man zum Mittelpunkt der Insel vordringt. - -Wir gingen beide nackt, mit dem weißblauen Paréo umgürtet, das Beil in -der Hand und mußten unzählige Male den Bach durchschreiten, um ein Stück -Weges abzuschneiden, den mein Führer mehr mit dem Geruche als mit dem -Auge zu entdecken schien, denn ein prächtiges Gewirr von Gras, Blättern -und Blumen hatte den Boden ganz bedeckt. - -Es herrschte vollkommene Stille, trotz des klagenden Rauschens des -Wassers in den Felsen, eines einförmigen Rauschens, einer sanften, -leisen Klage -- wie die Begleitung der Stille. - -Und in diesem Walde, in dieser Einsamkeit, dieser Stille wir beide -allein, -- er, ein ganz junger Mann, und ich, fast ein Greis, dem viele -Illusionen den zarten Hauch von der Seele gestreift, viele Anstrengungen -den Körper erschlafft und eine physisch und moralisch kranke -Gesellschaft ihre Laster, dies alte verhängnisvolle Erbe hinterlassen! - -Mit der animalisch geschmeidigen Anmut seiner Androgynen-Gestalt schritt -er vor mir her. Ich meinte die ganze Pflanzenpracht ringsum in ihm -verkörpert zucken und leben zu sehen. - -War es ein Mensch, der da vor mir ging? War es der kindliche Freund, bei -dem mich das Einfache und Komplizierte seiner Natur zugleich angezogen? -War es nicht vielmehr der Wald selber, der lebendige Wald, geschlechtlos -und -- verführerisch? - -Bei diesen nackten Völkerschaften ist der Unterschied der Geschlechter, -wie bei den Tieren, weniger betont als in unsern Klimaten. Mit Gürtel -und Schnürleib ist es uns gelungen, aus der Frau eine Anomalie, ein -künstliches Wesen zu schaffen, das die Natur uns, den Gesetzen der -Vererbung gehorchend, zu komplizieren und zu entkräften hilft, und das -wir sorgfältig in einem Zustand nervöser Schwäche und unzulänglicher -Muskelkraft erhalten, indem wir es vor Ermüdung bewahren und ihm die -Gelegenheit nehmen, sich zu entwickeln. Da unsere Frauen nach einem so -bizarren Ideal von Schlankheit geformt sind -- bei dem wir, seltsam -genug, verharren --, haben sie nichts Gemeinsames mehr mit uns, was -vielleicht nicht ohne ernste moralische und soziale Nachteile bleibt. - -Auf Tahiti kräftigt die Wald- und Meeresluft die Lungen, macht Schultern -und Hüften breit, und weder Männer noch Frauen werden von den Strahlen -der Sonne und den Kieselsteinen am Strande verschont. Sie verrichten -zusammen die gleichen Arbeiten, mit demselben Fleiß oder demselben -Gleichmut. Es ist etwas Männliches an diesen, und an jenen etwas -Weibliches. - -Diese Ähnlichkeit der Geschlechter erleichtert ihre Beziehungen, und die -stete Nacktheit gibt den Sitten eine natürliche Unschuld und vollkommene -Reinheit, weil den Gemütern die Beschäftigung mit dem gefährlichen -Mysterium fehlt, das einen »glücklichen Zufall« so bedeutungsvoll macht, -und ihnen das verstohlene oder sadistische Wesen der Liebe bei den -Kulturmenschen fremd ist. Mann und Frau, die Kameraden und mehr Freunde -als Liebende sind, leben in Freud und Leid fast unausgesetzt zusammen, -und selbst den Begriff des Lasters kennen sie nicht. - -Warum erwachte in diesem Rausch von Duft und Licht nun plötzlich bei dem -alten Kulturmenschen, mit dem Reiz des Neuen, Unbekannten, trotz der -geringeren sexuellen Unterschiede, jene furchtbare Begierde? - -Das Fieber pochte in meinen Schläfen und mir wankten die Knie. - -Aber der Weg war zu Ende, mein Gefährte wandte sich, um den Bach zu -durchschreiten, und kehrte sich mir bei der Bewegung zu: der Androgyne -war verschwunden. Es war ein wirklicher Jüngling, der vor mir schritt, -und seine ruhigen Augen hatten die feuchte Klarheit des Wassers. - -Sogleich kam wieder der Friede über mich. - -Wir rasteten einen Augenblick, und ich empfand einen unendlichen, eher -geistigen als sinnlichen Genuß, als ich in das frische Wasser tauchte. - --- Toë, toë (es ist kalt), sagte Jotéfa. - --- O nein! erwiderte ich. Und dieser Ausruf, der zu dem Beschluß des -Kampfes paßte, den ich im Geiste eben gegen eine ganze verderbte -Zivilisation bestanden hatte, weckte ein lautes Echo im Walde. Und ich -sagte mir, daß die Natur mich hatte kämpfen sehen, daß sie mich hörte -und mich verstand, denn jetzt antwortete sie auf meinen Siegesruf mit -ihrer klaren Stimme, daß sie nach dieser Prüfung willig sei, mich in die -Reihe ihrer Kinder aufzunehmen. - -Wir setzten unseren Weg fort, und ich drang mit leidenschaftlichem Eifer -immer tiefer in das Dickicht, als könnte ich dadurch bis ans Herz dieser -gewaltigen, mütterlichen Natur vordringen und mich mit ihren lebenden -Elementen vereinen. - -Mit ruhigem Blick ging mein Gefährte immer gleichen Schritts vor mir -her. Er war ohne Argwohn, ich trug die Last meines bösen Gewissens -allein. - -Wir langten an unserm Ziel an. - -Die steilen Wände des Berges waren allmählich flacher geworden, und -hinter einem dichten Vorhang von Bäumen dehnte sich, wohl versteckt, -eine Art Plateau aus. Aber Jotéfa kannte die Stelle und leitete mich mit -erstaunlicher Sicherheit hin. - -Ein Dutzend Rosenholzbäume breiteten dort ihr gewaltiges Geäst aus. - -Wir fällten den schönsten mit dem Beil und mußten ihn ganz opfern, um -ihm einen für mein Vorhaben passenden Zweig zu rauben. - -Das Fällen machte mir Freude, und mit wahrem Vergnügen und freudiger -Erregung in mir, ich weiß nicht welch göttlich rohe Begierde zu -befriedigen, riß ich mir die Hände blutig. Nicht auf den Baum hieb ich -ein, nicht ihn wollte ich überwältigen. Und dennoch hätte ich den Klang -meines Beiles gern noch an andern Stämmen vernommen, als dieser am Boden -lag. - -Und was mein Beil mir im Takt mit den hallenden Schlägen sagte, war -dies: - - Den ganzen Wald mußt du niederschlagen! - Den ganzen Wald des Bösen vernichten, - Der seine Keime dir einblies mit giftigem Hauch! - Zerstöre die Eigenliebe in dir! - Zerstöre das Böse und reiß es heraus, - Wie die Lotosblume im Herbst! - -Ja, von nun an ist der alte Kulturmensch verschwunden, tot. Ich ward -wiedergeboren -- oder vielmehr ein anderer Mensch, ein reiner, stärkerer -erstand in mir. - -Dieser furchtbare Anfall war der letzte Abschied von der Zivilisation: -vom Bösen. Und dieser letzte Beweis verderbter Instinkte, die auf dem -Grunde aller dekadenten Seelen schlummern, erhöhte durch den Kontrast -die gesunde Einfachheit des Lebens, mit dem ich schon den ersten Anfang -gemacht, bis zu einem Gefühl unsagbarer Wonne. - -Gierig atmete ich die herrliche, reine Luft ein. Von nun an war ich ein -andrer Mensch: ein wahrer Wilder, ein echter Maorie. - -Jotéfa und ich kehrten nach Mateïéa zurück und trugen vorsichtig und -einträchtig unsere schwere Rosenholzlast: _noa, noa_! - -Die Sonne war noch nicht untergegangen, als wir sehr ermüdet vor meiner -Hütte anlangten. - -Jotéfa sagte zu mir: - --- Païa? - --- Ja, erwiderte ich. - -Und im Grunde meines Herzens wiederholte ich für mich: - --- Ja! - -Ich machte keinen Schnitt in dieses Rosenholz, ohne jedesmal stärker den -Duft des Sieges und der Verjüngung einzuatmen: _noa, noa_! - -Durch das Tal von Punaru -- eine tiefe Kluft, die Tahiti in zwei Teile -trennt -- gelangt man zu dem Plateau von Tamanoü. Von dort kann man das -Diadem, Oroféna und Aroräï, -- den Mittelpunkt der Insel sehen. - -Man hatte mir davon oft wie von etwas Wunderbarem gesprochen, und ich -hatte mir vorgenommen, allein hinzugehen und dort einige Tage zu -verbringen. - --- Aber was wirst du nachts machen? - --- Die Tupapaüs[3] werden dich ängstigen! - --- Man darf die Berggeister nicht stören. - -... Du bist toll! - -Ich war es wahrscheinlich, denn diese besorgte Unruhe meiner tahitischen -Freunde stachelte meine Neugierde nur noch mehr. - -In einer Nacht machte ich mich also vor Tagesanbruch auf. - -Etwa zwei Stunden konnte ich einen Pfad an dem einen Ufer des -Punaru-Flusses verfolgen. Aber dann war ich mehrmals gezwungen, den Fluß -zu überschreiten. Zu beiden Seiten ragten steile Bergwände, auf enorme -Felsblöcke wie auf Strebepfeiler gestützt, bis in die Mitte des Wassers -vor. - -Mir blieb schließlich nichts anderes übrig, als meinen Weg mitten im -Fluß fortzusetzen. Das Wasser ging mir bis zu den Knien, zuweilen bis zu -den Schultern. - -Zwischen den beiden Wänden, die mir von unten erstaunlich hoch und oben -sehr nah aneinander schienen, war die Sonne am hellen Tage kaum -sichtbar. Mittags unterschied ich an dem tiefblauen Himmel funkelnde -Sterne. - -Gegen fünf Uhr, beim Eintritt der Dunkelheit, begann ich darüber -nachzudenken, wo ich die Nacht zubringen sollte, als ich zur Rechten -etwa ein Hektar fast flaches Land mit einem Gemisch von Farnen, wilden -Bananen und Bouraos bemerkte. Ich hatte das Glück, ein paar reife -Bananen zu finden, und machte eilig ein Holzfeuer, sie für mein Mahl zu -kochen. - -Dann legte ich mich zum Schlafen, so gut es ging, auf die untersten -Zweige eines Bananenbaumes, dessen Blätter ich ineinander geflochten -hatte, um mich vor Regen zu schützen. - -Es war kalt, und ich fröstelte nach dem Marsch im Wasser. - -Ich schlief schlecht. - -Aber ich wußte, daß der Morgen nicht fern war und ich weder Menschen -noch Tiere zu fürchten hatte. Hier auf Tahiti gibt es weder Raubtiere -noch Reptilien. Die einzigen »wilden Tiere« sind die frei im Walde -lebenden Schweine. Ich hatte höchstens einen Angriff auf meine Beine zu -fürchten und behielt darum den Griff meines Beiles in der Hand. - -Die Nacht war finster. Unmöglich etwas zu unterscheiden, außer nahe an -meinem Kopf eine Art phosphoreszierenden Staubes, der mich seltsam -beunruhigte. Ich lächelte bei dem Gedanken an die Erzählungen der -Maories von den Tupapaüs, jenen bösen Geistern, die in der Finsternis -erwachen, um schlafende Menschen zu ängstigen. Ihr Reich ist im Herzen -des Berges, den der Wald in ewige Schatten hüllt. Dort wimmelt es von -ihnen, und ihre Legionen wachsen unaufhörlich durch die Geister aller -Verstorbenen. - -Wehe dem Lebenden, der sich an einen von Dämonen bewohnten Ort wagt! ... - -Ich war dieser Tollkühne. - -Meine Träume waren freilich auch sehr aufregend. - -Jetzt weiß ich, daß dieser leuchtende Staub von einer besonderen Art -kleiner Champignons herrührt, die an feuchten Stellen auf abgestorbenen -Zweigen wachsen wie jene, deren ich mich zum Feueranmachen bedient -hatte. - -Am folgenden Tage machte ich mich frühzeitig wieder auf den Weg. - -Der immer wechselvoller gestaltete Fluß, der bald Bach, bald Strom, bald -Wasserfall war, machte seltsam launenhafte Krümmungen und schien -zuweilen in sich selbst zurückzufließen. Ich verlor unaufhörlich den Weg -und mußte mir von Zweig zu Zweig oft mit den Händen vorwärts helfen, -wobei ich selten den Boden berührte. Vom Grunde des Wassers sahen Krebse -von außerordentlicher Größe zu mir empor und schienen zu sagen: Was tust -du hier? -- und hundertjährige Aale flohen bei meinem Nahen. - -Plötzlich, bei einer jähen Wendung, bemerkte ich an einen Felsvorsprung -gelehnt, den es mit beiden Händen eher liebkoste als es sich daran -hielt, ein junges, nacktes Mädchen. Es trank aus einer Quelle, die leise -aus großer Höhe zwischen den Steinen rieselte. - -Nachdem es getrunken hatte, nahm es Wasser in beide Hände und ließ es -zwischen den Brüsten niederrinnen. Dann -- obwohl ich nicht das -geringste Geräusch gemacht hatte -- senkte es wie eine furchtsame -Antilope, die instinktmäßig die Gefahr wittert, den Kopf und blickte -forschend nach dem Dickicht, wo ich unbeweglich stand. Mein Blick -begegnete dem ihren nicht. Aber kaum hatte sie mich erspäht, als sie mit -dem Ruf: Taëhaë! (wütend) untertauchte. - -Ich stürzte an den Fluß: niemand, nichts -- nur ein riesiger Aal, der -sich zwischen den kleinen Kieseln auf dem Grunde hinwand. - -Nicht ohne Schwierigkeit langte ich endlich nahe beim Aroraï, dem Gipfel -des gefürchteten heiligen Berges, an. - -Es war Abend, der Mond ging auf, und als ich ihn die rauhe Stirn des -Berges weich in seinen leichten Schimmer hüllen sah, erinnerte ich mich -der berühmten Sage: - -_Paraü Hina Tefatou_ (Hina sprach zu Tefatou ...), eine uralte Sage, die -die Mädchen abends gern erzählen und für die sie als Schauplatz gerade -den Ort bezeichnen, wo ich mich befand. - -Ich glaubte es zu sehen: - -Den mächtigen Kopf eines Gottmenschen, das gewaltige Haupt eines Helden, -dem die Natur das stolze Bewußtsein seiner Kraft gegeben, ein herrliches -Riesenantlitz, wie an der Schwelle des Alls. Und eine sanfte zärtliche -Frau, die leise das Haar des Gottes berührt und spricht: - --- Lasse den Menschen wieder auferstehen, wenn er gestorben ist ... - -Und die strengen, doch nicht grausamen Lippen des Gottes öffnen sich, um -zu antworten: - -Nein, ich werde ihn nicht auferstehen lassen. Der Mensch wird sterben; -die Pflanzen werden sterben wie sie, die sich davon nähren, die Erde -wird untergehen, sie wird untergehen, um nicht wieder zu erstehen. - -Hina erwiderte: - --- Tue, wie es dir gefällt. Ich aber werde den Mond wieder auferstehen -lassen. - -Und was Hina gehörte, fuhr fort zu leben. Was Tefatou gehörte, ging -unter, und der Mensch mußte sterben. - - * * * * * - -Ich war seit einiger Zeit mißmutig geworden. Meine Arbeit litt darunter. -Es fehlten mir viele wesentliche Hilfsmittel, es verstimmte mich, -künstlerischen Aufgaben, die mich berauschten, machtlos -gegenüberzustehen, aber hauptsächlich fehlte mir die Lust. - -Seit mehreren Monaten war ich von Titi getrennt, hatte seit Monaten -nicht mehr ihr übermütig kindliches, zwitscherndes Geplauder über -dieselben Dinge und dieselben Fragen gehört, auf die ich immer mit -denselben Geschichten antwortete. - -Und diese Stille tat mir nicht gut. Ich beschloß fortzugehen, eine Fahrt -um die Insel zu machen, für die ich kein bestimmtes Ziel festsetzte. - -Während ich meine Vorbereitungen traf -- ein paar leichte Pakete für die -Bedürfnisse der Reise -- und meine Studien ordnete, schaute mein Nachbar -und Freund Anani mir beunruhigt zu. Nach langem Zögern, begonnenen und -wieder unterbrochenen Gebärden, deren klare Deutlichkeit mich sehr -belustigte und zugleich rührte, entschloß er sich endlich, mich zu -fragen, ob ich mich anschickte fortzugehen. - --- Nein, erwiderte ich, ich will nur einen Ausflug von mehreren Tagen -machen. - -Ich komme wieder. - -Er glaubte mir nicht und fing an zu weinen! - -Sein Weib gesellte sich zu ihm und versicherte mich ihrer Zuneigung, -sagte mir, daß ich kein Geld brauche, um unter ihnen zu leben, daß ich, -wenn ich wollte, einst für immer _dort_ ruhen könnte -- sie wies auf -einen mit einem Bäumchen geschmückten Grabhügel nahe bei ihrer Hütte. - -Und plötzlich verlangte mich danach -- dort -- zu ruhen. Da würde mich -wenigstens in alle Ewigkeit niemand stören ... - --- Ihr Europäer seid seltsam, fügte das Weib des Anani hinzu. Ihr kommt, -ihr versprecht zu bleiben, und wenn man euch lieb hat, geht ihr wieder? - -Ihr sagt, ihr kommt wieder, aber ihr kehrt niemals zurück! - --- Ich aber schwur, daß es meine Absicht sei, _diesmal_ wiederzukommen. - -Später (ich wagte nicht zu lügen), später wüßte ich noch nicht ... - -Schließlich ließen sie mich ziehen. - - * * * * * - -Ich weiche von dem Weg ab, der am Strande entlang geht, und schlage -einen schmalen Pfad durch tiefes Dickicht ein. Der Weg führt mich so -weit ins Gebirge, daß ich nach Verlauf einiger Stunden ein kleines Tal -erreiche, dessen Bewohner noch nach altem maorischem Brauch leben. - -Sie sind still und glücklich. Sie träumen, sie lieben, schlafen und -singen, -- sie beten, und das Christentum scheint noch nicht bis hierher -gedrungen zu sein. Deutlich sehe ich die Statuen ihrer Gottheiten vor -mir, obwohl sie in Wirklichkeit längst verschwunden sind, besonders die -Statue der Hina, und die Feste zu Ehren der Mondgöttin. Das Götzenbild, -aus einem einzigen Block, mißt zehn Fuß von einer Schulter zur andern -und vierzig Fuß in der Höhe. Auf dem Haupte trägt sie in Gestalt einer -Kappe einen riesigen Stein von rötlicher Farbe. Um sie herum wird nach -altem Ritus der _Matamua_ getanzt, und das Vivo[4] stimmt seinen Ton je -nach der Farbe der Stunde froh, heiter oder düster und traurig ... - -Ich setze meinen Weg fort. - -In Taravao -- dem weitest entfernten Distrikt von Mataïéa, am andern -äußersten Ende der Insel -- leiht ein Gendarm mir sein Pferd, und ich -trabe an der von Europäern wenig besuchten Küste entlang. - -In Faone, einem kleineren Ort vor dem bedeutenderen Itia, ruft mich ein -Eingeborner an. - --- He! Mann, der Menschen macht! (er weiß, daß ich Maler bin.) _Haëré -mai ta maha_ (Komm und iß mit uns: die tahitische Formel der -Gastfreundschaft). - -Ich lasse mich nicht bitten, so anmutend und herzlich ist das die -Einladung begleitende Lächeln. - -Ich steige vom Pferde. Mein Wirt nimmt das Tier am Zaum und bindet es -ohne eine Spur von Unterwürfigkeit geschickt an einen Baum. - -Dann treten wir miteinander in eine Hütte, wo Männer und Frauen -plaudernd und rauchend auf dem Boden sitzen. Um sie her spielen und -tummeln sich die Kinder. - --- Wohin willst du? fragte mich eine schöne, etwa vierzigjährige Maorie. - -Ich will nach Itia. - --- Wozu? - -Ich weiß nicht, was mir in den Sinn kam, oder vielleicht nannte ich den -wahren, mir bis dahin noch selber verborgenen Zweck meiner Reise. - --- Um dort eine Frau zu suchen, antwortete ich. - --- In Faone gibt es viele und hübsche. Willst du eine von ihnen? - --- Ja! - --- Wohlan! Gefällt sie dir, so will ich sie dir geben. Es ist meine -Tochter. - --- Ist sie jung? - --- Ja. - --- Ist sie hübsch? - --- Ja. - --- Ist sie gesund? - --- Ja. - --- Gut. So bringe sie mir. - -Die Frau ging hinaus. - -Nach einer Viertelstunde, als das Mahl -- wilde Bananen und Krabben -- -aufgetragen wurde, kam sie in Begleitung eines jungen Mädchens wieder -herein, das ein kleines Bündel in der Hand hielt. - -Durch das Gewand von sehr durchsichtigem rosa Musselin schimmerte die -goldige Haut ihrer Schultern und Arme. Zwei Knospen hoben sich -schwellend an ihrer Brust. Es war ein schlankes, großes, kräftiges Kind -von wunderbarem Ebenmaß. Aber in dem schönen Gesicht fand ich nicht -jenen Typus wieder, der mir sonst überall auf der Insel begegnet war. -Auch das Haar war ungewöhnlich buschig und leicht gewellt. In der Sonne -bot alles dies eine wahre Orgie von Chrom. - -Man sagte mir, daß sie von den Tongas abstamme. - -Ich begrüßte sie, sie lächelte und setzte sich neben mich. - --- Du hast keine Furcht vor mir? fragte ich. - --- Aïta (nein). - --- Willst du für immer in meiner Hütte wohnen? - --- Eha (ja). - --- Du bist nie krank gewesen? - --- Aïta. - -Das war alles. - -Mir schlug das Herz, während das Mädchen gelassen am Boden vor mir die -Speisen auf einem großen Bananenbrett für mich anrichtete. Ich aß mit -gutem Appetit, aber ich war zerstreut und tief erregt. Dieses Kind von -etwa dreizehn Jahren (achtzehn bis zwanzig in Europa) entzückte mich, -schüchterte mich ein und erschreckte mich fast. Was mochte in dieser -Seele vorgehen? Und ich, der so alt war im Vergleich zu ihr, ich zögerte -einen Augenblick, den so eilig abgeschlossenen Vertrag zu unterzeichnen, -bei dem doch alle Vorteile auf meiner Seite waren! - -Vielleicht -- dachte ich -- gehorchte sie einem Befehl der Mutter. -Vielleicht ist es ein Handel, den sie unter sich ausgemacht haben ... - -Ich beruhigte mich, als ich in den Zügen des jungen Mädchens, in seinem -Gebaren und seiner Haltung die Zeichen wahrer Unabhängigkeit und eines -Stolzes erkannte, die so charakteristisch für seine Rasse sind. Und mein -Vertrauen ward vollkommen und unerschütterlich, als ich nach eingehender -Forschung deutlich jenen Ausdruck von Heiterkeit bei ihr wahrnahm, der -bei jungen Wesen immer eine ehrenhafte, löbliche Handlung begleitet. -- -Allein der spöttische Zug um ihren hübschen, weichen, sinnlichen Mund -war mir eine Gewähr dafür, daß die Gefahren des Abenteuers nur für mich -bestanden, nicht für sie ... - -Ich leugne nicht, daß mir in einer seltsam bedrückenden Angst ganz -beklommen zumute war, als ich die Schwelle der Hütte überschritt. - -Die Stunde der Abreise war gekommen. Ich stieg zu Pferde. - -Das Mädchen folgte mir, von der Mutter, einem Mann und zwei jungen -Frauen -- seinen Tanten, wie es sagte -- begleitet. - -Wir kehrten nach Taravao zurück, das neun Kilometer von Faone entfernt -ist. - -Nach dem ersten Kilometer hieß es: - --- Parahi téié (hier mache Halt). - -Ich stieg vom Pferde, und wir traten alle sechs in eine große, sauber -gehaltene, beinahe reiche, mit hübschen Matten ausgestattete Hütte. - -Ein noch junges und außerordentlich liebenswürdiges Paar bewohnte sie. -Meine Braut setzte sich neben die Frau und stellte mich vor. - --- Dies ist meine Mutter, sagte sie. - -Dann wurde schweigend ein Becher mit frischem Wasser gefüllt, von dem -wir alle der Reihe nach feierlich tranken, als handele es sich um einen -alten frommen Brauch. - -Hierauf sagte die eben von meiner Braut als ihre Mutter bezeichnete Frau -mit gerührtem Blick und feuchten Wimpern zu mir: - --- Du bist gut? - -Nicht ohne Verwirrung antwortete ich nach einer Prüfung meines -Gewissens: - --- Ich hoffe es. - --- Wirst du meine Tochter glücklich machen? - --- Ja. - --- In acht Tagen muß sie wiederkommen. Wenn sie nicht glücklich ist, -wird sie dich verlassen. - -Ich willigte mit einer Gebärde ein. Allgemeines Schweigen. Niemand -schien eine Unterbrechung zu wagen. - -Endlich gingen wir hinaus, ich bestieg wieder mein Pferd und brach, -immer von meinem Gefolge geleitet, von neuem auf. - -Unterwegs begegneten wir mehreren Personen, die meine Familie kannten. -Sie waren bereits von dem Ereignis unterrichtet und sagten, als sie das -Mädchen begrüßten: - --- Bist du jetzt wirklich die Vahina eines Franzosen? Viel Glück! - -Ein Punkt beunruhigte mich. Wie kam Tehura (so hieß meine Frau) zu zwei -Müttern? - -Ich fragte die erste, die sie mir angeboten hatte: - --- Warum hast du gelogen? - -Die Mutter Tehuras antwortete: - --- Ich habe nicht gelogen. Die andere ist auch ihre Mutter, sie ist ihre -Amme. - - * * * * * - -In Taravao gab ich dem Gendarm sein Pferd zurück, und es kam zu einem -peinlichen Vorfall. Die Frau des Gendarmen, eine Französin, sagte zwar -ohne Spott, aber taktlos zu mir: - --- Was! Sie nehmen sich eine solche Dirne mit? - -Und ihre boshaften Augen entkleideten das junge Mädchen, das dieser -beleidigenden Prüfung mit vollkommener Kaltblütigkeit begegnete. - -Ich betrachtete einen Augenblick dies symbolische Schauspiel, das die -beiden Frauen mir boten: Hier erste Blütezeit, Glaube und Natur, dort -Dürre, Zwang und Künstelei. Zwei feindliche Rassen standen sich -gegenüber, und ich schämte mich der meinigen. Ich litt darunter, sie so -kleinlich und verständnislos zu sehen, und wandte mich schnell ab, um -mich an dem Glanz der andern, an diesem lebenden Gold zu erfreuen und zu -erwärmen, das ich schon liebte. - -In Taravao verabschiedete die Familie sich bei dem Chinesen von uns, wo -alles zu haben ist, verfälschte Liköre und Früchte, Waffen und Stoffe, -Männer, Frauen und Vieh. - -Meine Frau und ich benutzten einen Wagen, der uns 25 Kilometer weiter, -in Mateïéa, vor meiner Hütte absetzte. - - * * * * * - -Meine Frau war nicht sehr gesprächig, heiter und melancholisch zugleich, -vor allem aber spottlustig. - -Wir hörten nicht auf, uns gegenseitig zu studieren, aber sie blieb -unergründlich, und ich war bald der Besiegte in diesem Kampf. - -Der gute Vorsatz, mich zu überwachen, zu beherrschen, um ein -scharfsichtiger Beobachter zu werden, half mir wenig, meine Kraft ging -bald zu Ende -- und ich war für Tehura in kurzer Zeit ein offenes Buch. - -Ich ward nun gewissermaßen auf meine Kosten und an meiner eignen Person -der tiefen Kluft gewahr, die eine australische Seele von einer -lateinischen und besonders einer französischen Seele trennt. Die Seele -der Maories offenbart sich nicht sogleich. Es bedarf großer Geduld und -eines Studiums, um ihrer habhaft zu werden. Und selbst wenn man sie von -Grund aus zu kennen meint, bringt sie einen durch ganz unvorhergesehene -»Sprünge« aus der Fassung. Im Anfang aber ist sie ein Rätsel oder -vielmehr eine unendliche Reihe von Rätseln. Im Augenblick, da man sie zu -fassen meint, ist sie fern, unerreichbar, unnahbar unter dem Mantel der -Heiterkeit. Dann nähert sie sich vielleicht freiwillig, um abermals zu -entschlüpfen, sobald man die geringste Gewißheit zu erkennen gibt. Und -während man, durch dies Gebaren verwirrt, ihr innerstes Wesen sucht, -bewahrt sie ihre unverwüstlich fröhliche Zuversicht und sorglose -Leichtherzigkeit, die vielleicht weniger echt ist, als es den Anschein -hat. - -Für mein Teil verzichtete ich bald auf Grübeleien, die mich hinderten, -mein Leben zu genießen. Voll Vertrauen erwartete ich mit der Zeit -Offenbarungen, die mir anfangs verwehrt blieben. - -Die Woche verstrich so, und ich hatte ein Gefühl von »Kindlichkeit«, das -ich vormals nie gekannt. - -Ich liebte Tehura und sagte es ihr, aber es machte sie lachen: sie wußte -es ja! - -Auch sie schien mich zu lieben, doch sprach sie davon nicht zu mir: -- -Aber zuweilen, in der Nacht, leuchtete das Gold von Tehuras Haut ... - -Am achten Tag ... mir war, als hätten wir eben erst miteinander unsere -Hütte betreten -- bat Tehura mich um Erlaubnis, ihre Mutter in Faone zu -besuchen. Es war eine versprochene Sache. - -Betrübt fügte ich mich, band einige Piaster in ihr Taschentuch, von -denen sie die Kosten der Reise und Rum für ihren Vater bestreiten -konnte, und begleitete sie zu dem Wagen. - -Ich hatte das Gefühl eines Abschieds für immer. - -Die folgenden Tage waren qualvoll. - -Die Einsamkeit trieb mich aus der Hütte, und Erinnerungen riefen mich -dahin wieder zurück. Keine Studie vermochte meine Gedanken zu fesseln -... - -Eine zweite Woche verging, und Tehura kehrte zurück. - -Nun fing ein vollkommen glückliches Leben an. Glück und Arbeit begannen -zugleich mit der Sonne und strahlend wie sie. Das Gold von Tehuras -Antlitz erhellte das Innere unserer Hütte und die Landschaft ringsum mit -einem Schimmer von Freude und Heiterkeit. Sie studierte mich nicht mehr -und ich nicht sie. Sie verheimlichte mir ihre Liebe nicht länger, und -ich sprach ihr nicht mehr von der meinen. Wir lebten beide in aller -Einfachheit. - -Wie wohl tat es, sich morgens im nächsten Bach zu erfrischen -- ganz wie -ich mir denke, daß es im Paradies der erste Mann und das erste Weib -getan! - -Paradies von Tahiti, _navé navé fénua_, -- köstliches Land! - -Und die Eva dieses Paradieses gestaltete sich immer liebevoller und -empfänglicher. Ich bin von ihrem Duft durchdrungen: _noa, noa_! Sie ist -zur rechten Zeit in mein Leben getreten. Früher hätte ich sie vielleicht -nicht verstanden, und später wäre es zu spät gewesen. Jetzt verstehe ich -sie, wie ich sie liebe, und durch sie dringe ich in Mysterien ein, die -mir bis dahin unzugänglich waren. - -Allein mein Geist verarbeitet diese Entdeckungen noch nicht, ich präge -sie noch nicht meinem Gedächtnisse ein. Alles was Tehura mir erzählt, -erfasse ich nur mit Gefühl. - -In meinen Empfindungen und Eindrücken werde ich ihre Worte einst -wiederfinden. Durch ihre täglichen Mitteilungen über ihr Leben führt sie -mich sicherer, als es durch irgendeine andere Methode geschehen könnte, -zum vollen Verständnis ihrer Rasse. - -Und ich habe kein Bewußtsein mehr von Tagen oder Stunden, von Gut und -Böse. Das Glück ist zuweilen so seltsam, daß der Begriff davon fast -aufgehoben wird. Ich weiß nur, daß alles gut ist, weil alles schön ist. - -Und Tehura stört mich nie, wenn ich arbeite oder träume. Instinktmäßig -schweigt sie dann. Sie weiß sehr gut, wann sie sprechen kann, ohne mich -zu belästigen. - -Wir unterhalten uns über Tahiti, über Europa, über Gott und Götter. Ich -unterrichte sie und sie belehrt mich. - - * * * * * - -Ich mußte für einen Tag nach Papeete fahren. - -Zwar hatte ich versprochen, am selben Abend zurückzukehren, aber der -Wagen, den ich genommen, verließ mich auf halbem Wege, ich mußte den -Rest zu Fuß zurücklegen, und es wurde 1 Uhr morgens, ehe ich zu Hause -anlangte. - -Als ich die Tür öffnete, sah ich beklommenen Herzens, daß es drinnen -dunkel war. Dies hatte an sich nichts Merkwürdiges, denn wir besaßen -augenblicklich nur wenig Licht, und den Vorrat zu erneuern, war mit ein -Grund für meine Abwesenheit. Aber ich zitterte in einem plötzlichen -Gefühl der Furcht und des Argwohns, das ich für eine Vorahnung hielt: -der Vogel war gewiß davongeflogen ... - -Schnell zündete ich ein Streichholz an und sah -- Tehura reglos, nackt, -platt hingestreckt auf dem Bett, die Augen vor Angst übermäßig weit -geöffnet. Sie sah mich an und schien mich nicht zu erkennen. Ich selber -blieb einige Augenblicke in seltsamer Ungewißheit stehen. Tehuras -Entsetzen wirkte ansteckend. Mir war, als entströme ihren starr -blickenden Augen ein Phosphorschein. Niemals hatte ich sie so schön, von -so rührender Schönheit gesehn. Und dann fürchtete ich in diesem, für sie -sicherlich von bedenklichen Erscheinungen belebten Halbdunkel eine -Bewegung zu machen, die sie erschrecken und den Paroxysmus des Kindes -steigern konnte. Wußte ich denn, was ich in diesem Augenblick für sie -war? Ob sie mich mit meinem entsetzten Gesicht nicht für einen Dämon -oder Geist, einen der Tupapaüs hielt, die ihren Sagen nach in -schlaflosen Nächten erscheinen? Wußte ich, wer sie selber eigentlich -war? Die Intensität des Entsetzens, von dem sie unter der physischen und -moralischen Gewalt ihres Aberglaubens besessen war, machte sie zu einem -fremden Wesen für mich, ganz verschieden von allem, was ich bisher -gekannt! - -Endlich kam sie zu sich, rief mich an, und ich ermannte mich, sie zu -schelten, zu beruhigen und zu beschwichtigen. - -Sie hörte mich schmollend an und sagte dann mit vor Schluchzen -zitternder Stimme: - --- Laß mich nicht wieder so allein ohne Licht ... - -Aber kaum war die Furcht eingeschlummert, als die Eifersucht erwachte: - --- Was tatest du in der Stadt? Du hast Frauen besucht, solche, die auf -Märkten tanzen und trinken, die sich Offizieren und Matrosen und jedem -geben ... - -Ich ließ mich auf keinen Streit ein, und die Nacht ward süß -- süß und -feurig, eine Tropennacht. - -Tehura war bald sehr liebevoll und vernünftig, bald ausgelassen und sehr -übermütig. Zwei entgegengesetzte Wesen -- ohne viele andere unendlich -verschiedene mitzurechnen -- in einem vereint, die sich gegenseitig -Lügen straften und in betäubender Geschwindigkeit unvermittelt -aufeinander folgten. Sie war nicht veränderlich, sondern doppelt, -dreifach, hundertfach: das Kind einer _alten_ Rasse. - -Eines Tages kommt ein Hausierer, der ewige Jude -- er macht die Inseln -unsicher wie das Festland -- und bringt ein Kästchen mit Schmucksachen -aus vergoldetem Kupfer an. - -Er breitet seine Waren aus, und alle umringen ihn. - -Ein Paar Ohrringe gehen von Hand zu Hand. Die Augen der Frauen leuchten, -jede möchte sie haben. - -Tehura runzelt die Brauen und sieht mich an. Ihre Augen reden sehr -deutlich. Ich stelle mich, als ob ich sie nicht verstände. - -Sie zieht mich in eine Ecke: - --- Ich will sie haben! - -Ich erkläre ihr, daß dieses Zeug in Frankreich gar keinen Wert habe, daß -sie aus _Kupfer_ seien. - --- Ich will sie haben! - --- Nicht doch! Für solche Dummheit 20 Francs bezahlen! Das wäre eine -Torheit. Nein. - --- Ich will sie haben! - -Und mit leidenschaftlicher Zungenfertigkeit, die Augen voll Tränen, -dringt sie in mich: - --- Wie, würdest du dich nicht schämen, diesen Schmuck in den Ohren einer -andern zu sehen? Einer dort spricht schon davon, sein Pferd zu -verkaufen, um seiner Vahina die Ohrringe zu schenken! - -Ich kann auf diese Torheit nicht eingehen und schlage ihr es zum -zweitenmal ab. - -Tehura blickt mich starr an, ohne noch ein Wort zu verlieren, und weint. - -Ich gehe fort, komme wieder zurück, gebe dem Juden schließlich die -zwanzig Francs -- und die Sonne scheint wieder. - -Zwei Tage später war ein Sonntag. Tehura macht große Toilette. Das Haar -wird mit Seife gewaschen, dann in der Sonne getrocknet und schließlich -mit duftendem Öl eingerieben. In ihrem schönsten Kleide, eins von -_meinen_ Taschentüchern in der Hand, eine Blume hinterm Ohr und mit -- -nackten Füßen geht sie zum Tempel. - --- Und deine Ohrringe? frage ich. - -Tehura verzieht verächtlich den Mund: - --- Sie sind ja aus Kupfer! - -Und mit lautem Lachen überschreitet sie die Schwelle der Hütte und geht, -plötzlich wieder ernst geworden, davon. - -Die Mittagsruhe verbringen wir, wie an jedem andern Tage, schlafend oder -träumend nebeneinander. Vielleicht sieht Tehura in ihrem Traume andere -Ohrringe glitzern. - -Ich möchte alles vergessen, was ich weiß, und immer schlafen ... - - * * * * * - -Eines Tages bei schönem Wetter -- auf Tahiti keine Ausnahme -- -beschlossen wir, uns morgens aufzumachen, um Freunde zu besuchen, deren -Hütte zehn Kilometer von der unsrigen entfernt war. - -Da wir um sechs Uhr aufgebrochen waren, legten wir den Weg in der Kühle -schnell zurück und langten schon um acht Uhr an. - -Wir wurden nicht erwartet: die Freude war groß, und nach beendeter -Begrüßung machten sie sich auf die Suche nach einem Schwein, um uns ein -Fest zu bereiten. Es wurde geschlachtet und dem Schwein noch zwei Hühner -beigesellt. Eine prachtvolle, am Morgen gefangene Tintenschnecke, einige -Bananen und andere Früchte vervollständigten das reichliche Mahl. Ich -machte den Vorschlag, in der Zeit bis zum Mittagessen die Grotten von -Mara zu besichtigen, die ich oft von fern gesehen hatte, ohne jemals die -Gelegenheit zu finden, sie aufzusuchen. - -Drei junge Mädchen, ein Knabe, Tehura und ich, eine lustige kleine -Gesellschaft, hatten das Ziel bald erreicht. - -Vom Wegrand aus könnte man die fast ganz von Guavabäumen verdeckte -Grotte einfach für einen Felsenvorsprung oder eine etwas tiefere Spalte -halten. Aber biegt man die Zweige zurück und gleitet man einen Meter -weiter hinunter, so ist keine Sonne mehr sichtbar, man befindet sich in -einer Art Höhle, deren Grund an eine kleine Bühne mit hochroter, -scheinbar etwa 100 m weit entfernter Decke erinnert. Hie und da an den -Wänden glaubt man riesige Schlangen sich langsam dehnen zu sehen, um an -der Oberfläche des inneren Sees zu trinken. Aber es sind Wurzeln, die -sich einen Weg durch die Felsspalten bahnen. - --- Ob wir ein Bad nehmen? - -Ich erhalte zur Antwort, daß das Wasser zu kalt sei, und abseits werden -lange, von Lachen unterbrochene Unterhandlungen geführt, die mich -neugierig machen. - -Ich gebe nicht nach, und endlich entschließen die Mädchen sich, sie -legen ihre leichten Gewänder ab, und mit dem Paréo umgürtet, sind wir -bald alle im Wasser. - --- Toë, toë! rufen alle einstimmig. - -Das Wasser plätschert, und ihre Rufe werden von tausend Echos -zurückgeworfen, die das _toë, toë_ wiederholen. - --- Kommst du mit mir, frage ich Tehura und zeige auf den Grund. - -Bist du toll? Da hinunter, so weit! Und die Aale? Da hinunter wagt man -sich nie! - -Und anmutig schwang sie sich leicht auf das Ufer, wie einer, der stolz -ist, so gut schwimmen zu können. Aber ich bin auch ein guter Schwimmer, -und obwohl ich mich nicht gern allein so weit fort wagte, steuerte ich -auf den Grund zu. - -Durch welch seltsames Phänomen der Luftspiegelung mochte er sich aber -immer mehr von mir entfernen, je angestrengter ich mich bemühte, ihn zu -erreichen? Ich drang immer weiter vorwärts, und von allen Seiten -blickten die großen Schlangen mich spöttisch an. Einen Augenblick -glaubte ich eine große Schildkröte schwimmen zu sehen, ihr Kopf ragte -aus dem Wasser, und ich unterschied zwei starre, glänzende Augen, die -mich argwöhnisch anschauten. -- Torheit! dachte ich: die -Meerschildkröten leben nicht in süßem Wasser. Dennoch (bin ich denn -wirklich ein Maorie geworden?) kommen mir Zweifel, und es fehlt wenig, -daß mir schaudert. Was sind das nur für breite, stille Wellen da vor -mir? Aale! - --- Ach was, diese lähmende Empfindung von Furcht muß abgeschüttelt -werden! - -Ich ließ mich senkrecht hinunter, um auf den Grund zu kommen. Doch ich -mußte wieder hinauf, ohne daß es mir gelungen war. Vom Ufer rief Tehura -mir zu: - --- Komm zurück! - -Ich wende mich um und sehe sie sehr weit und ganz klein. - -Warum geht die Entfernung auch hier bis ins Unendliche? Tehura ist nur -noch ein schwarzer Punkt in einem leuchtenden Kreise. - -Ich bleibe hartnäckig und schwimme noch eine halbe Stunde: der Grund -scheint immer in der gleichen Entfernung zu bleiben. - -Ein Ruhepunkt auf einem kleinen Plateau und dann wieder ein gähnendes -Loch -- wohin mochte es führen? Ein Geheimnis, das zu ergründen ich -aufgebe. - -Ich gestehe, daß ich schließlich wirklich Furcht empfand. - -Ich brauchte eine volle Stunde, um mein Ziel zu erreichen. - -Tehura allein erwartete mich. Ihre Gefährtinnen waren gleichgültig -fortgegangen. - -Tehura sprach ein Gebet, und wir verließen die Grotte. - -Ich zitterte noch ein wenig -- vor Kälte. Aber im Freien erholte ich -mich bald, besonders als Tehura mit einem Lächeln, das mir nicht ganz -frei von Spott zu sein schien, fragte: - --- Du hast dich nicht gefürchtet? - -Mit Entrüstung erwiderte ich: - --- Wir Franzosen kennen keine Furcht. - -Tehura äußerte weder Mitleid noch Bewunderung. Aber ich merkte, daß sie -aus einem Augenwinkel forschend nach mir spähte, als ich ein paar -Schritte voranging, um eine farbige Tiaré für ihren Haarbusch zu -pflücken. - -Der Weg war schön und herrlich das Meer. Vor uns erhoben sich Moreas -stolze grandiose Berge. - -Wie lebt es sich gut! Und mit welchem Appetit verzehrt man nach einem -zweistündigen Bad das lecker bereitete Schweinchen, das uns im Hause -erwartet! - - * * * * * - -In Mataïéa fand eine große Hochzeit statt -- eine echte Hochzeit, legal -und religiös, wie die Missionare sie den bekehrten Tahitianern -vorschreiben. - -Ich war dazu eingeladen und Tehura begleitete mich. - -Das Mahl bildet auf Tahiti -- wie überall, glaube ich -- die Hauptfeier. -Auf Tahiti wenigstens entfaltet man bei diesen Feierlichkeiten den -größten kulinarischen Luxus. Auf heißen Steinen gebratene Schweinchen, -eine unglaubliche Menge von Fischen, Bananen, Guaven, Taros u. a. - -Der Tisch, an dem eine ansehnliche Zahl von Gästen saß, stand unter -einem improvisierten Dach, das anmutig mit Blumen und Blättern -geschmückt war. Alle Verwandten und Freunde der Neuvermählten waren -anwesend. - -Das junge Mädchen -- die Lehrerin des Ortes, eine Halb-Weiße -- nahm -einen echten Maorie, den Sohn des Häuptlings von Punaauïa, zum Manne. -Sie war in der »frommen Schule« von Papeete erzogen worden, und der -protestantische Bischof, der sich für sie interessierte, hatte diese -Heirat, die viele für etwas übereilt hielten, persönlich vermittelt. -- -Was der Missionar will, ist Gottes Wille, sagt man draußen ... - -Eine volle Stunde wird gespeist und -- viel getrunken. Dann beginnen die -zahlreichen Reden. Sie werden der Reihe nach und mit Methode gehalten, -es ist ein sehr komischer Wettstreit der Beredsamkeit. - -Nun kommt die wichtige Frage: welche der beiden Familien gibt den -Neuvermählten einen neuen Namen? Dieser aus sehr alter Zeit stammende -nationale Brauch bedeutet ein geschätztes, sehr begehrtes und viel -umstrittenes Vorrecht. Nicht selten artet der Streit über diesen Punkt -in einen blutigen Kampf aus. - -Diesmal kam es nicht zu einem solchen. Alles verlief fröhlich und -friedlich. Allerdings war die Tischgesellschaft stark berauscht. Selbst -meine arme Vahina, die nicht unter meiner Aufsicht bleiben konnte, kam, -durch das Beispiel verleitet, in einen furchtbaren Rausch, und ich -brachte sie nicht ohne Mühe nach Haus. - -Mitten am Tische thronte in bewundernswerter Würde die Frau des -Häuptlings von Punaauïa. Ihr auffallendes, phantastisches Kleid von -orangefarbenem Samt gab ihr ungefähr das Aussehen einer -Jahrmarktsheldin. Aber die unverwüstliche Anmut ihrer Rasse, wie das -Bewußtsein ihres Ranges verlieh ihrem Flitter eine unbeschreibliche -Größe. Die Gegenwart dieser majestätischen Frau von sehr reinem Typus -gab diesem Fest eine stärkere Würze als alles andere, und die Wirkung -davon blieb nicht aus. - -Neben ihr saß eine hundertjährige Greisin, deren Hinfälligkeit durch -eine voll erhaltene Doppelreihe Menschenfresserzähne abschreckend war. -Sie nahm wenig teil an dem, was um sie herum geschah, und blieb -unbeweglich starr, fast wie eine Mumie. Aber eine Tätowierung auf ihrer -Wange, ein dunkles, in seiner Form unbestimmtes Zeichen, das an einen -lateinischen Buchstaben erinnerte, sprach in meinen Augen für sie und -erzählte mir ihre Geschichte. Die Tätowierung glich in nichts der der -Wilden: sie stammte sicherlich von europäischer Hand! - -Ich erkundigte mich darnach. - -Ehemals, sagte man mir, als die Missionare gegen die Fleischeslust -eiferten, zeichneten sie »gewisse Frauen« mit dem Stempel der -Ehrlosigkeit, dem »Höllensiegel« -- dessen sie sich schämten, aber nicht -etwa wegen der begangenen Sünden, sondern wegen der Lächerlichkeit und -der Schande einer solchen »Auszeichnung«. - -An jenem Tage verstand ich besser denn je das Mißtrauen der Maories den -Europäern gegenüber, ein Mißtrauen, das heute noch besteht, so milde es -sich bei der großmütigen und gastfreundlichen Natur der australischen -Seele auch zeigen mag. - -Wieviele Jahre lagen zwischen der von dem Priester gezeichneten Greisin -und dem von dem Priester verheirateten jungen Mädchen: Das Zeichen -bleibt unauslöschlich und zeugt von dem Niedergang der Rasse, die sich -ihm unterwarf, und von der Niedrigkeit jener, die es ihr aufzwang. - -Fünf Monate später brachte die junge Frau ein wohlgebildetes Kind zur -Welt. - -Entrüstet forderten die Eltern eine Scheidung. Der junge Mann -widersetzte sich: - --- Was tut es, da wir uns lieben, sagte er. Ist es bei uns nicht Brauch, -fremde Kinder anzunehmen? Ich nehme dieses an. - -Warum aber hatte der Bischof sich so sehr bemüht, die Trauung zu -beschleunigen? Es wurde viel besprochen. Böse Zungen behaupteten, daß -... - -Selbst auf Tahiti gibt es böse Zungen. - - * * * * * - -Abends im Bett haben wir lange Gespräche, mitunter sehr ernste. - -Jetzt, wo ich Tehura verstehen kann, in der der Geist ihrer Vorfahren -noch schlummert und träumt, bemühe ich mich durch diese Kinderseele zu -sehen und zu denken und in ihr die zwar toten, aber in vagen -Erinnerungen noch bestehenden Spuren der fernen Vergangenheit -wiederzufinden. - -Ich stelle Fragen, und sie bleiben nicht alle ohne Antwort. - -Die von unsern Eroberungen mehr betroffenen und von unserer Zivilisation -stärker beeinflußten Männer haben die alten Götter vielleicht vergessen. -Aber im Gedächtnis der Frauen haben diese sich einen Zufluchtsort -bewahrt. Und es ist ein rührendes Schauspiel für mich, wenn unter meiner -Einwirkung die alten nationalen Gottheiten allmählich in Tehuras -Erinnerung erwachen und die künstlichen Schleier abwerfen, in die -protestantische Missionare sie einhüllen zu müssen geglaubt. Im ganzen -war das Werk der Katecheten ein sehr oberflächliches. Die Erfolge ihrer -Tätigkeit entsprachen, besonders bei den Frauen, nur wenig ihren -Erwartungen. Ihre Lehren sind wie eine schwache Firnisschicht, die -schnell bei der geringsten Berührung abbröckelt und schwindet. - -Tehura besucht regelmäßig den Gottesdienst und befolgt die Vorschriften -der offiziellen Religion. Aber sie weiß die Namen aller Götter des -maorischen Olymps auswendig, und das ist keine Kleinigkeit. Sie kennt -ihre Geschichte, sie lehrt mich, wie sie die Welt erschaffen haben, wie -sie herrschen und wie sie geehrt sein wollen. Die strengen Lehren der -christlichen Moral sind ihr fremd, oder sie kümmert sich nicht darum, -denkt z. B. nicht daran zu bereuen, daß sie die Konkubine -- wie sie es -nennen -- eines Tané ist. - -Ich weiß nicht recht, wie sie Jesus und Taaro in ihrem Glauben -zueinander stellt. Ich glaube, sie verehrt alle beide. - -Nach und nach hat sie mir einen ganzen Kursus über tahitische Religion -gehalten. Dafür versuche ich ihr auf Grund europäischer Kenntnisse -einige Naturphänomene zu erklären. - -Die Sterne interessieren sie sehr. Sie fragt mich nach der französischen -Benennung des Morgen-, des Abendsterns und der anderen Gestirne. Es wird -ihr schwer zu begreifen, daß die Erde sich um die Sonne dreht ... - -Sie nennt mir die Sterne in ihrer Sprache, und während sie erzählt, sehe -ich beim Schein der Gestirne, die selber Gottheiten sind, die heiligen -Gestalten der maorischen Beherrscher der Luft, des Feuers, der Inseln -und Meere deutlich vor mir. - -Die Bewohner von Tahiti haben immer, soweit man auch in ihrer Geschichte -zurückgreift, ziemlich ausgedehnte Kenntnisse in der Astronomie -besessen. Die periodischen Feste der Aréoïs -- Mitglieder einer geheimen -religiösen und zugleich politischen Gesellschaft, die auf den Inseln -herrschte -- wurden nach der Stellung der Gestirne bestimmt. Selbst die -Natur des Mondlichtes scheint den Maories nicht unbekannt gewesen zu -sein. Sie nehmen an, daß der Mond eine der Erde sehr ähnliche Kugel sei, -wie diese bewohnt und reich an Produkten wie die unsrigen. - -Die Entfernung der Erde vom Monde schätzen sie auf ihre Weise: -- Eine -weiße Taube brachte den Samen des Baumes Ora vom Mond auf die Erde. Sie -brauchte _zwei Monde_, den Trabanten zu erreichen, und als sie nach -abermals zwei Monden auf die Erde fiel, war sie federlos. -- Dieser -Vogel hat von allen den Maories bekannten Vögeln den schnellsten Flug. - -Dies aber ist die tahitische Benennung der Sterne. Ich vervollständige -Tehuras Lektion mit Hilfe des Fragments einer uralten Handschrift, die -in Polynesien gefunden wurde. - -Ist es zu gewagt, darin eher die erste Andeutung eines von der -Astronomie aufgestellten Systems, als ein zufälliges Spiel der Phantasie -zu sehen? - - Roüa -- groß ist sein Stamm -- schlief mit seinem Weibe, der - Düsteren Erde. - - Sie gebar ihren König, die Sonne, darauf die Dämmerung, dann die - Nacht. - - Da verstieß Roüa dieses Weib. - - Roüa -- groß ist sein Stamm -- schlief mit der Frau, genannt »Grande - Réunion«. - - Sie gebar die Königinnen des Himmels, die Gestirne, sodann den Stern - Tahiti, den Abendstern. - - Der König der goldenen Himmel, der einzige König schlief mit seinem - Weibe Fanoüi. - - Von ihr stammt das Gestirn Taüroüa (Venus), der Morgenstern, der - König Taüroüa, der dem Tag und der Nacht und andern Sternen, dem - Mond und der Sonne gebeut und den Schiffern als Führer dient. - - Taüroüa segelte links gen Norden, schlief dort mit seinem Weibe und - zeugte den Roten-Stern, jenen Stern, der abends unter zwei Antlitzen - leuchtet. - - Der Rote-Stern flog gegen Osten und setzte seine Piroge instand, die - Piroge des hellen Tages, und steuerte gen Himmel. Bei Sonnenaufgang - segelte er davon. - - Rehoüa tritt nun im weiten Raume auf. Er schläft mit seinem Weibe - Oüra Tanéïpa. - - Sie zeugten die Zwillings-Könige, den Plejaden gegenüber. - - Diese Zwillings-Könige sind sicher dieselben wie unser Kastor und - Pollux. - - Die erste Version der polynesischen Genesis unterliegt - Veränderungen, die vielleicht nur Entwicklungen sind. - - Taaroa schlief mit der Frau, die sich Göttin des Äußeren (oder des - Meeres) nennt. - - Sie zeugten die weißen Wolken, die schwarzen Wolken und den Regen. - - Taaroa schlief mit der Frau, die sich Göttin des Innern (oder der - Erde) nennt. - - Von ihnen stammt der erste Keim. Stammt alles, was auf der - Oberfläche der Erde wächst. - - Stammt der Nebel auf den Bergen. - - Stammt, was sich das Starke nennt. - - Stammt sie, die sich die Schöne nennt oder die zum - Gefallen-Geschmückte. - - Mahoüi[5] steuert seine Piroge. - - Er setzt sich nieder auf den Boden. Ihm zur Rechten hängt der mit - Haarsträhnen an der Leine befestigte Angelhaken. - - Und die Leine mit dem Angelhaken, die er in der Hand hält, läßt er - in die Tiefe des Weltalls hinunter, um den großen Fisch (die Erde) - zu fischen. - - Der Haken hat sich festgebissen. - - Schon kommen die Achsen zum Vorschein, schon fühlt der Gott das - enorme Gewicht des Erdballs. - - Tefatou (der Gott der Erde und die Erde selber) taucht noch, im - unermeßlichen Raume schwebend, von dem Angelhaken erfaßt, aus der - Nacht empor. - - Mahoüi hat den großen Fisch gefischt, der im Raume schwimmt und den - er nun nach Belieben lenken kann. - - Er hält ihn in der Hand. - - Mahoüi regelt auch den Lauf der Sonne, so daß Tag und Nacht von - gleicher Dauer sind. - -Ich bat Tehura, mir die Götter zu nennen. - - -- Es schlief Taaroa mit Ohina, der Göttin der Luft. - - Von ihnen stammt der Regenbogen, der Mondschein, die roten Wolken - und der rote Regen. - - Es schlief Taaroa mit Ohina, der Göttin des Erdbusens. - - Sie zeugten Tefatou, den Geist, der die Erde belebt und sich durch - unterirdische Geräusche zu erkennen gibt. - - Es schlief Taaroa mit der Frau, genannt Jenseits-der-Erde. - - Sie zeugten die Götter Téirii und Roüanoüa. - - Darauf Roo, der seitwärts aus dem Leibe der Mutter kam. - - Und dieselbe Frau gebar noch den Zorn und den Sturm, die Rasenden - Winde und auch den Frieden, der ihnen folgt. - - Und der Ursprung dieser Geister ist an dem Ort, von dem die Boten - ausgesandt werden. - -Aber Tehura gibt zu, daß diese Darstellung angefochten wird. Es ist die -orthodoxeste Klassifikation. - -Die Götter teilten sich in Atuas und Oromatuas. - -Die höheren Atuas sind alle Söhne und Enkel des Taaroa. - -Sie wohnen in den Himmeln -- es gibt deren sieben. - -Die Söhne Taaroas und seines Weibes Féii Féii Maïtéraï waren: Oro (der -erste der Götter nach seinem Vater, der selbst zwei Söhne hatte, Tetaï -Mati und Oüroü Téféta), Raa (Vater von sieben Söhnen), Tané (Vater von -sechs Söhnen), Roo, Tiéri, Téfatou, Roüa Noüa, Toma Hora, Roüa Oütia, -Moë, Toüpa, Panoüa usw. usw. - -Jeder dieser Götter hatte seine besonderen Abzeichen. - -Die Werke des Mahoüi und des Tefatou kennen wir bereits ... - -Tané hat den siebenten Himmel als Mund -- und dies bedeutet, daß der -Mund dieses Gottes das äußerste Ende des Himmels ist, von wo aus das -Licht die Erde zu erhellen beginnt. - -Rii trennte Himmel und Erde. - -Roüi wühlte die Wasser des Ozeans auf, durchbrach die feste Masse des -Erdballs und teilte ihn in unzählige Teile, die jetzigen Inseln. - -Fanoüra, dessen Haupt bis zu den Wolken und dessen Füße bis zum -Meeresgrund reichten, und Fatoühoüi, ein anderer Riese, stiegen zusammen -nach Eïva -- einem unbekannten Lande -- hinunter, um das ungeheure -Schwein zu bekämpfen und zu vernichten, das die Menschen verschlang. - -Hiro, Gott der Diebe, grub mit seinen Fingern Löcher in den Felsen. Er -befreite eine Jungfrau, die Riesen an einem verzauberten Ort gefangen -hielten: mit einer einzigen Hand riß er die Bäume aus, die am Tage das -Gefängnis der Jungfrau verdeckten, und der Zauber war gebrochen ... - -Die Atuas niederen Ranges kümmerten sich mehr um das Leben und die -Arbeit der Menschen, ohne ihre Gewohnheiten zu teilen. - -Es sind: die Atuas Maho (Götter-Haie), Schutzgeister der Seeleute: die -Pëho, Götter und Göttinnen der Täler, Schutzgeister der Ackerbauer; die -No Te Oüpas Oüpas, Schutzgeister der Sänger, Komödianten und Tänzer; die -Raaoü Pava Maïs, Schutzgeister der Ärzte; die No Apas, Götter, denen -Opfer dargebracht werden, nachdem sie jemand vor Hexerei und Zauber -bewahrt haben; die O Tanoü, Schutzgeister der Arbeiter, die Tané Ité -Haas, Schutzgeister der Zimmerleute und Baumeister; die Minias und -Papéas, Schutzgeister der Dachdecker; die Matatinis, Schutzgeister der -Netzeknüpfer. - -Die Oromatuas sind Hausgötter, die Laren. - -Es gibt wirkliche Oromatuas und Genien. - -Die Oromatuas strafen die Streitsüchtigen und halten den Frieden in den -Familien aufrecht. Es sind: die Varna Taatas, Seelen verstorbener Männer -und Frauen jeder Familie. Die Eriorios, Seelen der in frühem Alter eines -natürlichen Todes gestorbenen Kinder. Die Poüaras, Seelen von Kindern, -die bei der Geburt getötet wurden und in den Körper der Heuschrecke -zurückgekehrt waren. - -Die Genien sind von den Menschen gemutmaßte oder vielmehr wissentlich -erdachte Gottheiten. Sie legen irgendeinem Tiere oder einem Gegenstand, -einem Baume z. B., ohne jeden Grund willkürlich göttliche Bedeutung bei -und fragen ihn dann bei jedem wichtigen Anlaß um Rat. -- Vielleicht ist -das noch eine Spur der Seelenwanderung der Inder, die die Maories höchst -wahrscheinlich gekannt haben. - -Ihre historischen Gesänge sind überreich an Sagen, in denen man die -Götter wieder die Gestalt von Tieren und Pflanzen annehmen sieht. - -Nach den Atuas und Oramatuas kommen in letzter Reihe der himmlischen -Rangordnung die Tiis. - -Diese Söhne Taaroas und Hinas sind sehr zahlreich. - -Als den Göttern untergeordnete und den Menschen fernstehende Geister, -vermitteln sie nach der Schöpfungssage der Maories zwischen organischen -und unorganischen Wesen und verteidigen die Ansprüche und Rechte dieser -gegen die widerrechtlichen Angriffe der anderen. - -Ihre Entstehung ist diese: - -Es schlief Taaroa mit Ani (Sehnsucht) und sie zeugten: die Sehnsucht der -Nacht, den Boten der Finsternis und des Todes; die Sehnsucht des Tages, -den Boten des Lichts und des Lebens; die Sehnsucht der Götter, den Boten -des Himmlischen, und die Sehnsucht der Menschen, den Boten des -Irdischen. - -Sodann zeugten sie: Tii-des-Inneren, der über Tiere und Pflanzen wacht, -Tii-des-Äußeren, der alle Wesen und Dinge des Meeres hütet; -Tii-des-Sandes, Tii-der-Küsten und Tii-der-lockeren Erde; Tii-der-Felsen -und Tii-des-Festen-Landes. - -Später wurden noch geboren: Nachtleben, Tagesleben, Kommen und Gehen, -Ebbe und Flut, Freudenspenden und Genießen. - -Die Bildnisse der Tiis waren an der Außenseite der Maraës (Tempel) -angebracht und begrenzten das Innere des heiligen Bodens. Man sieht -deren auf Felsen und an Küsten, und diese Götzenbilder haben die -Aufgabe, die Grenze zwischen Erde und Meer zu bezeichnen, die Harmonie -zwischen den beiden Elementen aufrechtzuerhalten und ihren -wechselseitigen Eingriffen zu wehren. Reisende haben noch jetzt auf der -Ile-de-Pâques einige Tii-Statuen gesehen. Es sind Riesendenkmäler in -halb menschlicher, halb tierischer Gestalt, die von einem eigentümlichen -Schönheitsbegriff und großer Geschicklichkeit in der Behandlung der -Steine zeugen, die architektonisch in Blöcken von geschickt gewählter -Farbenzusammenstellung übereinander getürmt sind. - -Die europäische Invasion und der Monotheismus haben diese Spuren einer -einst hohen Kultur verwischt. Wenn die Tahitianer heutzutage ein -Monument errichten, zeigen sie Wunder von schlechtem Geschmack -- wie in -der Art des Grabmals des Pomare. Sie haben ihre ursprünglichen Instinkte -verloren, die in dem steten Verkehr mit der Tier- und Pflanzenwelt in so -reichem Maße bei ihnen entwickelt waren. Im Umgang mit uns, in _unserer -Schule_ sind sie erst wahrhaft »Wilde« in jenem Sinne geworden, die der -lateinische Okzident diesem Worte unterlegt. Sie sind schön geblieben -wie Kunstwerke, aber sie sind (wir haben sie) moralisch und auch -physisch unfruchtbar gemacht. - -Es existieren noch Spuren der Maraës. Sie waren von Mauern umgebene -Vierecke, die durch drei Öffnungen unterbrochen wurden. Drei Seiten -bestanden aus Steinmauern von vier bis sechs Fuß, eine weniger hohe als -breite Pyramide bildete die vierte. Das Ganze hatte eine Breite von etwa -hundert und eine Länge von vierzig Metern. -- Bildnisse von Tiis -schmückten dies einfache Bauwerk. - -Der Mond nimmt einen wichtigen Platz in der metaphysischen Anschauung -der Maories ein. Daß ihm zu Ehren ehemals große Feste veranstaltet -wurden, ist schon gesagt worden. Hina wird in den überlieferten -Erzählungen der Aréoïs oft genannt. Jedoch ist ihre Mitwirkung an der -Weltharmonie, ihre Rolle darin eine mehr negative als positive. - -Dies geht deutlich aus dem oben angeführten Gespräch zwischen Hina und -Tefatou hervor. - -Den Exegeten würden solche Worte den schönsten Stoff liefern, wenn sich -die australische Bibel auffinden ließe, um sie auszulegen. Vor allem -würden sie darin die Lehren einer Religion auf der Verehrung von -Naturkräften aufgebaut sehen -- ein gemeinsamer Zug aller primitiven -Religionen. Die Mehrzahl aller maorischen Götter sind eigentlich eine -Personifikation verschiedener Elemente. Aber ein aufmerksamer Blick, der -nicht von dem Wunsch abgelenkt und beeinflußt ist, die Überlegenheit -unserer Philosophie über die jener »Völkerschaften« zu beweisen, wird in -diesen Legenden sicherlich interessante und eigentümliche Züge finden. - -Ich möchte zwei davon anführen -- aber ich begnüge mich, darauf -hinzuweisen. Es ist Aufgabe der Gelehrten, die Richtigkeit dieser -Hypothesen zu bestätigen. - -Vor allem ist es die Klarheit, mit der die beiden einzigen und -allgemeinen Grundideen des Lebens sich unterscheiden und offenbaren. Die -eine, Seele und Intelligenz, Taaora, ist das Männliche, die andere, -gewissermaßen Stoff und Körper des nämlichen Gottes, das Weibliche, und -dies ist Hina, Ihr gehört die ganze Liebe des Menschen, ihm seine -Ehrfurcht. -- Hina ist nicht nur der Name des Mondes; es gibt auch eine -_Hina der Luft_, _Hina des Meeres_, eine _Hina des Inneren_, aber diese -beiden Silben charakterisieren nur die untergeordneten Teile der -Materie. Die Sonne, der Himmel, das Licht und sein Reich, sozusagen alle -edlen Teile der Materie -- oder vielmehr ihre spirituellen Elemente sind -Taaroa. Das geht deutlich aus mehr als einem Ausspruch hervor, in dem -die Definition von Geist und Materie wieder zu erkennen ist. -- Oder was -bedeutet wohl, wenn wir es bei dieser Definition bewenden lassen, die -Grundlehre der maorischen Schöpfungsgeschichte: - - Das Weltall ist nur die Schale des Taaroa --? - -Bestätigt diese Lehre nicht den Urglauben an die Einheit des Stoffes; -wie die Definition und die Trennung von Geist und Körper die Analyse der -zwiefachen Manifestation dieses Stoffes in seiner Einheit! So selten -solch ein philosophisches Vorausempfinden bei den Primitiven auch sein -mag, darf doch dessen Wahrscheinlichkeit nicht bestritten werden. Es ist -wohl zu erkennen, daß die australische Theologie in den Handlungen des -Gottes, der die Welt erschuf und sie erhält, zwei Ziele im Auge hat: die -erzeugende Ursache und die befruchtete Materie, die treibende Kraft und -den verwandelten Gegenstand, Geist und Materie. Ebenso muß man in den -beständigen Wechselwirkungen zwischen dem leuchtenden Geist und der -empfänglichen Materie, die er belebt, in den aufeinander folgenden -Verbindungen des Taaroa mit den verschiedenen Hina-Gestalten, den -fortwährenden und wechselnden Einfluß der Sonne erkennen, wie in den -Früchten dieser Verbindungen die durch eben diese Elemente -hervorgerufenen Wandlungen von Licht und Wärme. Aber hat man dieses -Phänomen, von dem aus die beiden Hauptströmungen sich vereinigten, erst -einmal vor Augen, so verschmelzen in der Frucht die zeugende Ursache und -die befruchtete Materie, in der Bewegung die treibende Kraft und der -verwandelte Gegenstand, im Leben Geist und Materie, und das eben -erschaffene Weltall ist nichts _als die Schale des Taaroa_! - -Aus dem Zwiegespräch zwischen Hina und Tefatou geht hervor, daß Mensch -und Erde untergehen, während der Mond und die Wesen, welche ihn -bewohnen, fortdauern. Wenn wir uns erinnern, daß Hina die Materie -vorstellt -- in der sich einem wissenschaftlichen Ausspruch nach »alles -verwandelt und nichts vergeht« --, werden wir annehmen müssen, daß der -alte maorische Weise, von dem diese Sage stammt, ebensoviel davon wußte -wie wir. Die Materie vergeht nicht, das heißt, sie verliert ihre -sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften nicht. Der Geist dagegen und die -»spirituelle Materie«, das Licht, sind Wandlungen unterworfen: es gibt -Nacht und den Tod, wo die Augen sich schließen, von denen Helle -auszustrahlen schien, die sie zurückwarfen. -- Der Geist, oder die -höchste aktuelle Manifestation des Geistes ist der Mensch. _Und der -Mensch muß sterben ... Er stirbt, um nicht mehr zum Leben zu erwachen._ --- Wenn aber der Mensch und die Erde, die Früchte der Verbindung von -Taaroa mit Hina, auch untergehen, ist doch Taaroa ewig, und uns wird -verkündet, daß Hina, die Materie, fortfahren wird zu sein. In alle -Ewigkeit werden nun Geist und Materie, das Licht und der Gegenstand, den -es zu erhellen strebt, von dem gemeinsamen Verlangen nach einer neuen -Verbindung erfüllt sein, aus der ein neuer »Zustand« der unendlichen -Evolution des Lebens hervorgehen wird. - -Evolution! ... Einheit des Stoffes ... Wer hätte erwartet, in den -Vorstellungen ehemaliger Kannibalen die Beweise einer so hohen Kultur zu -finden? Ich kann mit gutem Gewissen sagen, daß ich der Wahrheit nichts -zugefügt habe. - -Tehura zweifelte zwar durchaus nicht an diesen Abstraktionen, aber sie -war nicht davon abzubringen, in den Sternschnuppen schweifende Tupapaüs -und trauernde Genien zu sehen. Im selben Sinne wie ihre Vorfahren Taaroa -für den Himmel in Person und die von ihm stammende Atuas für Götter und -Himmelskörper zugleich hielten, schrieb sie den Sternen menschliche -Empfindungen zu. Ich weiß nicht, inwiefern diese poetischen -Vorstellungen den Fortschritt der positivsten Wissenschaft hemmen, und -bis zu welchem Punkt die höchste Wissenschaft sie verwerfen würde ... - -Von einem andern Gesichtspunkt aus wären für das Gespräch zwischen Hina -und Tefatou verschiedene Deutungen zulässig. -- Der Rat des Mondes, der -eine Frau ist, könnte der gefährliche Rat blinden Mitleids und -sentimentaler Schwäche sein: der Mond und die Frauen (in der Vorstellung -der Maories) gleichbedeutend mit Materie, brauchten nicht zu wissen, daß -der Tod allein die Geheimnisse des Lebens birgt. -- Die Antwort des -Tefatou könnte ein strenger, aber voraussehender und uneigennütziger -Ausspruch von höchster Weisheit sein, die erkennt, daß die individuellen -Äußerungen aktuellen Lebens einem höheren Wesen weichen müssen, auf daß -es komme, und ihm geopfert werden müssen, auf daß es siege. - -Früher hätte diese Antwort die Bedeutung einer nationalen Prophezeiung -von noch größerer Tragweite gehabt: ein großer Geist hätte in alter Zeit -die Lebensfähigkeit seiner Rasse studiert und abgeschätzt, hätte die -Todeskeime in ihrem Blut ohne die Möglichkeit einer Heilung oder -Wiedergenesung vorausgesehen und sich gesagt: - - Tahiti wird aussterben, es wird aussterben, um nicht wieder zu - erstehen. - - * * * * * - -Tehura sprach mit einer gewissen religiösen Scheu von jener Sekte oder -geheimen Gemeinschaft der Aréoïs, die zur Zeit ihrer Herrschaft die -Inseln regierte. - -Aus den verworrenen Reden des Kindes sonderte ich Erinnerungen an einen -furchtbaren, eigentümlichen Brauch, ich ahnte eine tragische -Vergangenheit voll unerhörter Verbrechen, in die einzudringen aber den -Neugierigen durch ein streng gehütetes Geheimnis verwehrt war. - -Nachdem Tehura mir alles darüber erzählt hatte, was sie wußte, forschte -ich überall danach. - -Der sagenhafte Ursprung jener mächtigen Gemeinschaft ist dieser: - -Oro, der Sohn des Taaroa und nach seinem Vater der höchste der Götter, -beschloß eines Tages, unter den Sterblichen eine Gefährtin zu suchen. - -Es sollte eine Jungfrau sein, schön und tauglich, mit ihm unter den -Menschen eine Rasse zu gründen, die allen bevorzugt und überlegen war. - -Er durchschritt also die sieben Himmel und stieg hinunter auf den Païa, -einen hohen Berg auf der Insel Bora-Bora, wo seine Schwestern, die -Göttinnen Téouri und Oaaoa, wohnten. - -Nun trat Oro in Gestalt eines jungen Kriegers und seine Schwestern in -junge Mädchen verwandelt, eine Fahrt durch die Insel an, um dort ein -Wesen zu suchen, das eines Gottes Kuß würdig wäre. - -Oro ergriff den Regenbogen, stützte ein Ende auf den Gipfel des Païa, -das andere auf die Erde, und so schritten der Gott und die Göttinnen -über Täler und Fluten. - -Auf den verschiedenen Inseln, wo man eilte sie zu empfangen, gaben die -Reisenden prunkvolle, wunderbare Feste, zu denen alle Frauen sich -drängten. - -Und Oro hielt Umschau unter ihnen. Aber sein Herz war betrübt, denn der -Gott fand Liebe, aber er liebte nicht. Auf keiner der Menschentöchter -weilte sein Blick lange, denn er entdeckte nicht eine der Tugenden und -Vorzüge, von denen er geträumt. - -Und nachdem viele Tage unter vergeblichem Suchen verstrichen waren, -beschloß er, in die Himmel zurückzukehren, als er zu Vaïtapé auf der -Insel Bora-Bora eine Jungfrau von seltener Schönheit erblickte, die in -dem schönen See von Avaï Aïa badete. - -Sie war von hoher Gestalt, und die Sonnenglut brannte und leuchtete auf -ihrem herrlichen Fleisch, während der ganze Zauber der Liebe in der -Nacht ihres Haares schlummerte. - -Entzückt bat Oro die Schwestern, die Jungfrau anzureden. - -Er selber zog sich zurück, um das Ergebnis ihrer Sendung auf dem Gipfel -des Païa abzuwarten. - -Die Göttinnen redeten die Jungfrau mit einem Gruß an, priesen ihre -Schönheit und sagten, daß sie aus Avanaü, einem Ort auf Bora-Bora, -kämen. - --- Unser Bruder läßt dich fragen, ob du einwilligst, sein Weib zu -werden. - -Vaïraümati -- dies war der Name der Jungfrau -- blickte die Fremden -prüfend an und erwiderte: - --- Ihr seid nicht aus Avanaü. Doch ist euer Bruder ein Häuptling, ist er -jung und schön, so mag er kommen, Vaïraümati wird sein Weib werden. - -Téouri und Oaaoa stiegen unverzüglich zum Païa hinauf, um ihrem Bruder -mitzuteilen, daß er erwartet werde. - -Sogleich begab Oro sich wie vorher auf dem Regenbogen hinunter nach -Vaïtapé. - -Vaïraümati hatte zu seinem Empfang eine mit den schönsten Früchten -besetzte Tafel und aus den feinsten Matten und seltensten Stoffen ein -Lager bereitet. - -Göttlich in ihrer Anmut und Kraft, pflegten sie der Liebe in Hain und -Flur, am Ufer des Meeres und im Schatten des Tamaris und des Paudanus. -Jeden Morgen stieg der Gott auf den Gipfel des Païa, und jeden Abend -ging er hinunter, mit ihr zu schlafen. - -Kein anderes sterbliches Mädchen durfte ihn in irdischer Gestalt -erblicken. - -Und stets diente der zwischen Païa und Vaïtapé gespannte Regenbogen ihm -als Weg. - -Viele Monde hatten geleuchtet und waren wieder erloschen, seitdem die -verödeten Sieben Himmel ohne Kunde von Oros Aufenthalt waren. Darum -nahmen nun zwei andere Söhne des Taaroa, Orotéfa und Oürétéfa, -menschliche Gestalt an und machten sich auf, ihren Bruder zu suchen. -Lange irrten sie auf den Inseln umher, ohne ihn zu finden. Endlich -jedoch entdeckten sie auf Bora-Bora den jungen Gott, der mit Vaïraümati -im Schatten eines heiligen Mangobaumes ruhte. - -Sie waren voll Staunen über die Schönheit des jungen Weibes und wollten -ihm als Zeichen ihrer Bewunderung einige Geschenke darbieten. Also -verwandelte Orotéfa sich in eine Sau und Oürétéfa in rote Federn, nahmen -dann gleich wieder menschliche Gestalt an, ohne daß Sau und Federn -verschwanden, und näherten sich mit ihren Gaben den Liebenden. - -Erfreut empfingen Oro und Vaïraümati die beiden hohen Reisenden. - -In derselben Nacht warf die Sau sieben Junge, von denen das erste einer -späteren Verwendung vorbehalten blieb; das zweite wurde den Göttern -geopfert, das dritte der Gastfreundschaft geweiht und den Fremden -angeboten, das vierte nannten sie: Opferschwein zu Ehren der Liebe, das -fünfte und sechste sollte bis zur ersten Tracht verschont bleiben, um -die Art zu mehren, und das siebente endlich wurde im ganzen auf heißen -Steinen gebraten -- also nach maorischem Brauch göttlich geweiht -- und -verzehrt. - -Die Brüder des Oro kehrten wieder in die Himmel zurück. - -Einige Wochen darauf sagte Vaïraümati zu Oro, daß sie sich Mutter fühle. - -Da nahm Oro das erste der sieben Schweine, das verschont geblieben war, -und begab sich nach Raïatéa, zu dem großen Maraë, dem Tempel des Gottes -Vapoa. - -Dort traf er einen Mann namens Mahi, dem er das Schwein übergab, und -sprach: - -_Maiï maitaï oétéinéi boüaa_ (Nimm dieses Schwein und hüte es wohl). - -Und feierlich fuhr der Gott fort: - --- Es ist das heilige Schwein. In seinem Blut wird der Bund der Männer -gefärbt sein, die von mir stammen. Denn ich bin Vater in dieser Welt. -Sie werden sich Oréoïs nennen. Dir übermittle ich ihre Vorrechte und -ihren Namen. Ich selber kann hier nicht länger weilen. - -Mahi suchte den Häuptling von Raïatéa auf und erzählte ihm sein -Abenteuer. Aber da er das ihm anvertraute heilige Gut nicht hüten -konnte, ohne der Freund des Häuptlings zu sein, fügte er hinzu: - --- Mein Name sei der deinige und dein Name der meine. - -Der Häuptling war es zufrieden, und sie nahmen beide den Namen -Taramanini an. - -Inzwischen war Oro wieder zu Vaïraümati zurückgekehrt und verkündigte -dieser, daß sie einen Sohn gebären würde, den er ihr Hoa Tabou të Raï -(heiliger Freund des Himmels) zu nennen gebot. - -Dann sprach er: - --- Die Zeit ist erfüllet und ich muß dich verlassen. - -Er verwandelte sich sodann in eine ungeheure Feuersäule und hob sich -majestätisch in die Lüfte bis über den Periréré, den höchsten Berg von -Bora-Bora. Und hier entschwand er den Blicken seiner weinenden Gattin -und des staunenden Volkes. - -Hoa Tabou të Raï ward ein großer Häuptling und tat den Menschen viel -Gutes. Bei seinem Tode wurde er in den Himmel erhoben, wo Vaïraümati -selber den Rang einer Göttin einnahm. - - * * * * * - -Oro könnte gut ein umherwandelnder Brahmine sein, der den Inseln -- -wann? die Lehre des Brahma brachte (auf deren Spuren in der -australischen Religion ich schon hinwies). - -In der Reinheit dieser Lehre erwachte das maorische Genie. Geister, die -fähig waren zu verstehen, erkannten einander und vereinigten sich, -- -natürlich völlig abgesondert vom Volk, -- um die vorgeschriebenen Riten -auszuüben. Aufgeklärter als die übrigen ihrer Rasse, rissen sie bald die -religiöse und politische Herrschaft über die Inseln an sich, sicherten -sich wichtige Vorrechte und gründeten eine starke Übermacht, die in der -Geschichte des Inselmeers die glänzendste Periode bildete. - -Obwohl sie des Schreibens unkundig gewesen zu sein scheinen, waren die -Aréoïs wahre Gelehrte. Sie verbrachten ganze Nächte damit, alte -»Aussprüche der Götter« Wort für Wort mit peinlichster Genauigkeit zu -erforschen, und sie auszulegen erforderte eine jahrelange Arbeit. Diese -ihnen allein zugänglichen Aussprüche der Götter, denen sie höchstens -Kommentare beifügen durften, verschaffte den Aréoïs die Sicherheit eines -geistigen Mittelpunkts, regte sie zu gewohnheitsmäßigem Nachdenken an, -berechtigte sie zu einer übermenschlichen Mission und gab ihnen ein -Ansehen, vor dem jeder sich beugte. - -Es gibt in unserm christlichen, lehnspflichtigen Mittelalter ganz -ähnliche Einrichtungen wie diese, und ich kenne nichts Furchtbareres als -jene religiöse und kriegerische Gemeinschaft, jenes Konzil, das im Namen -Gottes Urteile fällte und allmächtig über Leben und Tod entschied. - -Die Aréoïs lehrten, daß Menschenopfer den Göttern wohlgefällig seien, -und opferten selber in den Maraës alle ihre Kinder außer den -Erstgeborenen: das Symbol dieses blutigen Ritus war die Sage von den -sieben Schweinen, die außer dem ersten, dem »heiligen Schwein«, alle -getötet wurden. - -Doch dürfen wir über diese Barbarei nicht voreilig schelten. - -Diese grausame Pflicht, der so viele primitive Völkerschaften sich -unterwarfen, hatte tiefe Gründe sozialer Art und allgemeinen Interesses. - -Bei sehr fruchtbaren Rassen, wie es die der Maories einst war, bedrohte -die unbegrenzte Vermehrung der Bevölkerung ihre nationale wie positive -Existenz. Das Leben auf den Inseln war zwar mühelos, und es bedurfte -keines großen Fleißes, um sich das Notwendige zu verschaffen. Aber das -sehr beschränkte Gebiet, von dem unermeßlichen, den gebrechlichen -Pirogen unzugänglichen Ozean umgeben, wäre für ein sich stetig -vermehrendes Volk bald unzureichend geworden. Das Meer hätte nicht mehr -genügend Fische geliefert und der Wald nicht genug Früchte. Eine -Hungersnot wäre nicht ausgeblieben und hätte, wie sie es immer getan, -die Anthropophagie zur Folge gehabt. -- Um Männermorde zu vermeiden, -beschränkten die Maories sich auf Kinderopfer. Übrigens war -Menschenfresserei bereits üblich, als die Aréoïs auftraten, und um diese -zu bekämpfen und die Ursache aufzuheben, führten sie den Kindesmord ein, -der vielleicht als eine Milderung der Sitten zu bezeichnen wäre, wenn -das unheimlich Komische dieser Behauptung auch einem Possenschreiber zur -Belustigung dienen könnte. Die Aréoïs mußten wahrscheinlich große -Energie anwenden, um diesen Fortschritt durchzusetzen, und erreichten es -wohl nur dadurch, daß sie sich in den Augen des Volkes die volle -Autorität der Götter anmaßten. - -Schließlich wurde der Kindesmord ein mächtiges Mittel der Zuchtwahl für -die Rasse. Das furchtbare Recht der Erstgeburt, ein Recht auf das Leben -selber, erhielt die Kraft des Volkes unverkürzt, indem es von den -schädlichen Folgen erschöpfter Säfte verschont blieb. Es nährte in all -diesen Kindern auch das Bewußtsein unverwüstlichen Stolzes. Die Urkraft -und letzte Blüte dieses Stolzes ist es auch, die wir noch bei den -letzten Sprößlingen einer großen, im Aussterben begriffenen Rasse -bewundern. - -Das beständige Beispiel und die häufige Wiederkehr des Todes war -schließlich eine erhabene und belebende Lehre. Die Krieger lernten -Schmerzen gering schätzen, und die ganze Nation fand eine wohltätige -intensive Erregung dabei, die sie vor der tropischen Erschlaffung und -entnervender Mattigkeit bei dem fortdauernden Nichtstun bewahrte. Es ist -eine historische Tatsache, daß der Niedergang der Maories mit dem -gesetzlichen Verbot der Opfer begann, und daß sie von da an allmählich -jede moralische Kraft und physische Fruchtbarkeit verloren. Sollte dies -auch nicht die Ursache davon sein, so gibt das Zusammentreffen doch zu -denken. - -Und vielleicht haben die Aréoïs die tiefe Bedeutung und symbolische -Notwendigkeit des Opfers verstanden ... Die Prostitution war ihnen eine -heilige Pflicht. Bei uns hat sich das geändert. Auch hat sie auf Tahiti -keineswegs aufgehört, seit wir es mit den Wohltaten unserer Zivilisation -überhäuft haben: sie blüht fort. Aber sie ist weder Pflicht noch -geheiligt, sondern nur ohne Größe und entschuldbar. - -Die geistliche Würde ging vom Vater auf den Sohn über, dessen Einweihung -schon im Kindesalter begann. - -Die Gesellschaft war ursprünglich in zwölf Logen geteilt, deren -Großmeister die zwölf obersten Aréoïs waren. Dann kamen die Würdenträger -zweiten Ranges und endlich die Lehrjünger. Die verschiedenen Grade -unterschieden sich durch besondere Tätowierungen auf den Armen, an den -Seiten, den Schultern, Beinen und Knöcheln. - - * * * * * - -Der _Matamua_ der Aréoïs, eine maorische Szene bei der feierlichen -Einsetzung eines Königs in alter Zeit: - -Der neue Herrscher verläßt, in prächtige Gewänder gekleidet und von den -Vornehmsten der Inseln umgeben, seinen Palast. Vor ihm schreiten die -Großmeister der Aréoïs mit seltenen Federn im Haar. - -Er begibt sich mit seinem Gefolge zum Maraë. - -Als die Priester, die ihn an der Schwelle erwarten, seiner ansichtig -werden, verkünden sie unter lautem Trompetenschall und Trommelschlag, -daß die Zeremonie beginnt. - -Dann beim Eintritt in den Tempel mit dem König legen sie ein -Menschenopfer, einen Leichnam, vor das Bild des Gottes. - -Der König spricht und singt mit den Priestern vereint Gebete, worauf der -Priester das Opfer beider Augen beraubt. Er bietet das rechte Auge dem -Gotte dar und das linke dem König; dieser öffnet den Mund, wie um das -blutige Auge zu verschlingen, aber der Priester zieht es zurück und legt -es wieder zu dem Körper[6]. - -Nun wird die Statue des Gottes auf eine geschnitzte, von Priestern -getragene Bahre gestellt. Auf den Schultern der beiden Oberpriester -sitzend, folgt der König dem Götzenbild, von den Aréoïs wie zu einer -Abreise begleitet, bis zum Ufer des Meeres. Auf dem ganzen Wege fahren -die Priester fort die Trompete zu blasen, die Trommel zu schlagen. - -Die Menge geht ehrfurchtsvoll und still hinterher. - -An der Bucht wiegt sich die heilige, zu dieser Feier mit grünen Zweigen -und Blumen geschmückte Piroge. Zuerst wird das Götzenbild darin -untergebracht, dann der König seiner Gewänder entledigt, und die -Priester geleiten ihn in das Meer, wo die Atuas-Mao (Götter-Haie) ihn in -den Fluten waschen und liebkosen. - -So zum andernmal vom Kuß des Meeres im Beisein des Gottes geweiht, wie -zuvor das erstemal in dessen Tempel, besteigt der König die heilige -Piroge, wo der Oberpriester ihn mit dem _maro oüroü_ umgürtet und um -sein Haupt das _taoü mata_, die Binden der Herrschaft, windet. - -Vorn im Boot stehend zeigt der König sich nun dem Volk. - -Und dieses bricht bei dem Anblick endlich das lange Schweigen, und -überall ertönt der feierliche Ruf: - --- _Maëva Arii_ (Es lebe der König)! - -Nachdem der erste laute Jubel sich gelegt hat, wird der König auf das -heilige Lager gebettet, wo eben das Götzenbild geruht, und alle kehren -auf demselben Wege, fast in derselben Reihenfolge wie vorher, zum Maraë -zurück. - -Wieder tragen die Priester das Götzenbild und die Oberpriester den -König, und der Zug wird abermals mit Musik und Tanz eröffnet. - -Das Volk folgt hinterher. Aber jetzt rufen sie, ihrer Freude überlassen, -fortwährend: - --- Maëva Arii! - -Das Götzenbild wird feierlich auf seinen Altar zurückgestellt. - -Und damit schließt die religiöse Feier. Nun soll das Volksfest seinen -Anfang nehmen. - -Wie den Göttern im Tempel und der Natur im Meer, wird der König sich dem -Volke weihen[7]. -- Auf Matten gebettet muß der König jetzt die _höchste -Huldigung des Volkes_ entgegennehmen. - -Die frenetische Huldigung eines wilden Volkes. - -Eine ganze Menge in Bezeigung ihrer Liebe für _einen Menschen_, und -dieser Mensch ist der König. Großartig bis zum Schrecken, bis zum -Entsetzen ist dieses Schauspiel zwischen der Menge und dem einen -Menschen. Morgen wird er Herr sein, er wird nach Belieben mit Geschicken -schalten, über die er zu bestimmen hat, und die ganze Zukunft ist sein! -Der Menge gehört nur diese eine Stunde. - -Völlig nackt, in lasziven Tänzen umkreisen Männer und Frauen den König -und bemühen sich, gewisse Teile seines Körpers mit gewissen Teilen des -ihren zu streifen, eine Berührung ist dabei nicht immer zu vermeiden. -Und die Raserei des Volkes steigert sich bis zur Tollheit. Die ganze -friedliche Insel hallt von furchtbarem Geschrei wieder, und der -hereinbrechende Abend zeigt das phantastische Bild einer verzückten -wahnsinnigen Menge. - -Aber plötzlich schmettert der Klang der heiligen Trompeten und Trommeln. - -Die Huldigung ist zu Ende, zu Ende das Fest, das Signal zum Rückzug -ertönt. Selbst die Rasendsten gehorchen, alles beruhigt sich, und jäh -tritt absolute Stille ein. - -Der König erhebt sich und kehrt feierlich, majestätisch, von seinem -Gefolge geleitet, in seinen Palast zurück. - - * * * * * - -Seit etwa vierzehn Tagen wimmelte es von sonst selten auftretenden -Fliegen, die unerträglich wurden. - -Aber die Maories freute es, denn die Thunfische und andere Fische -stiegen vom Grunde an die Oberfläche. Die Fliegen kündigten die Zeit des -Fischfangs, die Zeit der Arbeit an. Man vergesse nicht, daß Arbeit auf -Tahiti ein Vergnügen ist. - -Jeder prüfte die Haltbarkeit seiner Netze und seine Angeln. Frauen und -Kinder halfen mit ungewöhnlichem Eifer Netze oder vielmehr lange Gitter -von Kokosnußblättern an den Strand und auf die Korallenriffe zwischen -Land und Klippen schleppen. Auf diese Art werden gewisse Köderfischchen -gefangen, die am schmackhaftesten für die Thunfische sind. - -Als die Vorbereitungen beendet waren, was etwa drei Wochen in Anspruch -genommen hatte, wurden zwei große, miteinander verbundene Pirogen aufs -Meer gelassen, an denen vorn eine sehr lange, mit einem Angelhaken -versehene Stange angebracht war, die mittels zweier hinten befestigter -Taue schnell gehoben werden konnte. Sobald der Fisch angebissen hat, -wird er sofort herausgezogen und in dem Fahrzeug untergebracht. - -Eines schönen Morgens zogen wir (ich war -- natürlich -- mit bei dem -Fest) aufs Meer hinaus und hatten die Klippenreihe bald glücklich hinter -uns. Wir wagten uns ziemlich weit hinaus. Ich sehe noch eine -Schildkröte, die uns, den Kopf überm Wasser, im Vorüberfahren -nachschaute. - -Die Fischer waren alle in fröhlicher Stimmung und ruderten eifrig. - -Wir kamen den _Grotten_ von _Mara_[8] gegenüber an eine Stelle, -_Thunloch_ genannt, wo das Wasser sehr tief ist. - -Dort, sagt man, schlafen die Thunfische nachts in einer Tiefe, die den -Haifischen unerreichbar ist. - -Nach Fischen spähend, schwebte eine Wolke von Seevögeln über dem Loch. -Sobald einer an der Oberfläche erscheint, stoßen die Vögel mit -unglaublicher Geschwindigkeit darauf herab und steigen mit einem Bissen -im Schnabel wieder in die Höhe. - -So herrscht im Meer und in der Luft, selbst in unseren Pirogen nur der -Gedanke an Blut und Mord. - -Als ich meine Gefährten fragte, warum sie nicht eine lange Angelschnur -in das Thunloch hinunterließen, erwiderten sie, daß es unmöglich sei, es -wäre ein geheiligter Ort: - --- Der Gott des Meeres wohne da. - -Ich vermutete eine Sage dahinter und ließ sie mir erzählen. - - * * * * * - -»Roüa Hatou, eine Art tahitischer Neptun, schlief auf dem Meeresgrund an -dieser Stelle. - -Ein Maorie war einst so tollkühn dort zu fischen, und da sein Angelhaken -sich in den Haaren des Gottes verfing, erwachte dieser. - -Zornig stieg er an die Oberfläche, um zu sehen, wer die Kühnheit gehabt, -seine Ruhe zu stören, und als er sah, daß der Schuldige ein Mensch war, -beschloß er die ganze Menschenrasse zu vertilgen, um die Ruchlosigkeit -des einen zu sühnen. - -Der Strafe entging jedoch -- durch unerklärliche Nachsicht -- gerade der -Missetäter selber. - -Der Gott gebot ihm, mit seiner ganzen Familie auf den _Toa Marama_ zu -gehen, nach einigen eine Insel oder ein Berg, nach andern eine Piroge -oder »Arche«. - -Als der Fischer sich mit den Seinen an den bezeichneten Ort begeben -hatte, begannen die Wasser des Meeres zu steigen. Sie bedeckten -allmählich selbst die höchsten Gipfel, und alles Lebende bis auf jene, -die sich zum Toa Marama geflüchtet hatten, kam darin um. - -Später bevölkerten sie die Insel aufs neue[9].« - - * * * * * - -Wir ließen also das Thunloch hinter uns, und der Führer der Piroge -bezeichnete einen Mann, der die Stange ins Meer lassen und die Angel -auswerfen mußte. - -Lange Minuten wurde gewartet, kein Thunfisch biß an. - -Ein anderer Ruderer kam an die Reihe, und diesmal biß ein prachtvoller -Thunfisch an und bog die Stange hinunter. Vier kräftige Arme hoben sie -empor, indem sie die Taue hinten anzogen, und der Fisch erschien an der -Oberfläche. Aber gleichzeitig schnellte ein riesiger Hai über die Wogen: -ein paar furchtbare Bisse, und wir hatten nichts weiter am Angelhaken -als einen abgetrennten Kopf. - -Nun gab der Führer mir ein Zeichen, und ich warf die Angel aus. - -Nach ganz kurzer Zeit fischten wir einen riesenhaften Thunfisch. -- Ohne -es viel zu beachten, hörte ich meine Nachbarn unter sich kichern und -tuscheln. -- Das durch Stockschläge auf den Kopf getötete Tier wand sich -auf dem Boden des Fahrzeuges, und sein Leib, jetzt einem schillernden -Spiegel gleich, entsandte tausend blitzende Strahlen. - -Ein zweites Mal hatte ich ebenfalls Glück. - -Meine Gefährten beglückwünschten mich fröhlich, nannten mich einen -Glückspilz, und in meinem Stolz widersprach ich nicht. - -Aber in dem einstimmigen Lob unterschied ich, wie bei meinem ersten -Versuch, ein unerklärliches Lachen und Getuschel. - -Das Fischen währte bis zum Abend. Als der Vorrat der kleinen Köderfische -erschöpft war, entzündete die Sonne rote Flammen am Horizont, und unser -Fahrzeug war mit zehn prächtigen Thunfischen beladen. - -Wir bereiteten uns zur Rückfahrt vor. Während alles instandgesetzt -wurde, fragte ich einen jungen Burschen nach dem Sinn der ganz leise -gewechselten Worte und nach dem Lachen, das beide Male meinen Fang -begleitet hatte. Er weigerte sich zu antworten. Aber ich ließ nicht -nach, denn ich wußte, wie gering die Widerstandskraft des Maorie ist und -wie bald er energischem Drängen nachgibt. - -Schließlich vertraute er mir an: Wem der Thunfisch in den Angelhaken -beißt -- und meine hatten das beide getan, -- dem ist zu Haus die Vahina -untreu. - -Ich lächelte ungläubig. - -Und wir kehrten zurück. - -Die Nacht bricht in den Tropen schnell herein. Es galt ihr -zuvorzukommen. Zweiundzwanzig muntere Pageien (schaufelartige Ruder) -tauchten gleichzeitig ins Wasser, und um sich anzufeuern, stießen die -Ruderer im Takt dazu laute Rufe aus. Unsere Piroge hinterließ eine -phosphorleuchtende Furche. - -Mir war zumute wie auf einer tollen Flucht: die ergrimmten Herrscher des -Ozeans verfolgten uns, und um uns schnellten, wie phantastische Scharen -unbestimmter Gestalten, die aufgeschreckten, neugierigen Fische empor. - -In zwei Stunden erreichten wir die äußersten Klippen. - -Die Brandung ist dort gewaltig, und die Fahrt des Seegangs wegen -gefährlich. Es ist kein Leichtes, die Piroge richtig vor die Sandbank zu -steuern. Aber die Eingeborenen sind gewandt, und ich verfolgte mit -lebhaftem Interesse, jedoch nicht ganz ohne Furcht, die Operation, die -glänzend vonstatten ging. - -Vor uns war das Land von lohenden Feuern erhellt, -- es waren enorme -Fackeln von Zweigen des Kokosnußbaumes. Der Anblick der auf dem Sande am -Ufer des beleuchteten Meeres lagernden Fischerfamilien war wunderbar. -Einige saßen reglos da, andere liefen, die Fackeln schwingend, den -Strand entlang, die Kinder sprangen hin und her, und man vernahm in der -Ferne ihr stilles Geschrei. - -Mit leichtem Schwung fuhr unsere Piroge auf den Strand, und die -Verteilung der Beute begann sogleich. - -Alle Fische wurden auf die Erde gelegt, und der Anführer teilte sie in -so viele gleiche Teile, wie die Anzahl der Personen -- Männer, Frauen -und Kinder -- betrug, die sich am Fischfang und dem Fischen der -Köderfischchen beteiligt hatten. - -Es waren 37 Teile. - -Ohne Zeit zu verlieren, nahm meine Vahina ein Beil, spaltete Holz damit -und zündete ein Feuer an, während ich noch ein wenig Toilette machte und -mich wegen der Nachtkühle einhüllte. - -Von unseren beiden Anteilen wurde der eine gekocht, und den anderen -bewahrte Tehura roh auf. - -Dann fragte sie mich des langen und breiten über die verschiedenen -Vorkommnisse beim Fischfang aus, und ich befriedigte willfährig ihre -Neugierde. Genügsam und kindlich erheiterte sie sich an allem, und ich -beobachtete sie, ohne sie meine geheimen Gedanken merken zu lassen. Im -Grunde meiner Seele war ohne jede Ursache eine Unruhe erwacht, die nicht -zu beschwichtigen war. Ich brannte darauf, an Tehura eine Frage zu -stellen -- eine gewisse Frage ... und es half mir nichts, mir zu sagen: -Wozu? Ich antwortete mir selber: Wer weiß? - - * * * * * - -Die Zeit des Schlafengehens kam heran, und als wir beide ausgestreckt -nebeneinander lagen, fragte ich plötzlich: - --- Bist du vernünftig gewesen? - --- Ja. - --- Und dein Geliebter, war er nach deinem Geschmack? - --- Ich habe keinen Geliebten. - --- Du lügst, der Fisch hat es verraten. - -Tehura erhob sich und blickte mich starr an. Ihr Antlitz hatte einen -seltsamen mystischen Ausdruck majestätischer Größe, der mir fremd war -und den ich in ihren heiteren, fast kindlichen Zügen nie vermutet hätte. - -Die Atmosphäre in unserer kleinen Hütte hatte sich verwandelt: Ich -fühlte, daß etwas Erhabenes sich zwischen uns erhob. Und wider Willen -unterlag ich dem Einfluß des Glaubens und erwartete eine Botschaft von -oben. Ich zweifelte nicht, daß sie kommen würde, obwohl die fruchtlosen -Bedenken unseres Skeptizismus dieser glühenden, wenn auch nur einem -Aberglauben geltenden Inbrunst gegenüber noch ihre Macht auf mich -ausübten. - -Tehura schlich leise zur Tür, um sich zu vergewissern, daß sie gut -verschlossen war, und als sie bis in die Mitte der Kammer zurückgekommen -war, sprach sie folgendes Gebet: - - Rette mich! Rette mich! - Es ist Abend, es ist Abend der Götter. - Wache über mich, o mein Gott! - Wache über mich, o mein Herr! - Behüte mich vor Betörung und schlechten Ratschlägen. - Bewahre mich vor einem plötzlichen Tode, - Vor dem Bösen und Verwünschungen; - Bewahre mich vor Streit um die Teilung des Landes, - Möge Frieden herrschen unter uns! - O mein Gott, schütze mich vor den rasenden Kriegern! - Hüte mich vor dem, der mich bedroht, - Den es freut zu ängstigen, - Vor dem, dessen Haar sich beständig sträubt! - Auf daß ich und mein Geist leben können, - O mein Gott! - -An diesem Abend, wahrlich, habe ich mit Tehura gebetet. - -Als sie ihr Gebet beendet hatte, kam sie mit Tränen in den Augen zu mir -hin und flehte mich an, sie zu schlagen. - -Und vor dem tiefen Ernst dieses Antlitzes, vor der vollkommenen -Schönheit dieser lebenden Statue glaubte ich die von Tehura -heraufbeschworene Gottheit selber vor mir zu sehen. - -Verflucht sei ewig meine Hand, wenn sie es wagte, sich gegen ein -Meisterwerk der Natur zu erheben! - -Sie wiederholte ihr Flehen, sie zu schlagen. - --- Tust du es nicht, so zürnst du lange und wirst krank. - -Ich küßte sie. - -Und jetzt, wo ich sie ohne Mißtrauen liebe, so liebe, wie ich sie -bewunderte, kamen mir die Worte Buddhas auf die Lippen: - -»Ja, durch Sanftmut muß man den Zorn besiegen, durch das Gute Böses, und -durch Wahrheit Lüge.« - -Diese Nacht ward göttlich, köstlicher als die anderen alle -- und -strahlend erwachte der Tag. - -Frühmorgens brachte ihre Mutter uns einige frische Kokosnüsse. - -Mit einem Blick befragte sie Tehura. - -Sie _wußte_. - -Mit feinem Mienenspiel sagte sie zu mir: - --- Du warst gestern auf dem Fischfang, ist alles gut verlaufen? - -Ich erwiderte: - --- Ich hoffe, bald wieder dabei zu sein. - - * * * * * - -Ich war genötigt, nach Frankreich zurückzukehren. Wichtige -Familienangelegenheiten riefen mich zurück. - -Lebe wohl, gastfreies Land, köstliches Land, Heimat der Freiheit und der -Schönheit! - -Zwei Jahre älter geworden und um zwanzig Jahre verjüngt gehe ich fort, -_verwilderter_ als ich gekommen war und doch _gescheiter_. - -Die Wilden, diese Unwissenden, haben den alten Kulturmenschen vieles -gelehrt, vieles in der Kunst zu leben und glücklich zu sein: Vor allem -haben sie mich gelehrt, mich selber besser zu kennen, ich habe von ihnen -nur tiefste Wahrheit gehört. - -War das dein Mysterium, du geheimnisvolle Welt? Du hast mir Licht -gebracht, und ich bin gewachsen in der Bewunderung deiner antiken -Schönheit, der unvergänglichen Jugend der Natur. - -Das Verständnis und die Liebe zu der Seele deiner Menschen, zu dieser -Blume, die aufhört zu blühen, und deren Duft niemand mehr einatmen wird, -hat mich besser gemacht. - - * * * * * - -Als ich den Quai verließ, um an Bord zu gehen, sah ich Tehura zum -letztenmal. - -Sie hatte Nächte hindurch geweint, jetzt saß sie erschöpft und traurig, -aber ruhig mit herabhängenden Beinen auf einem Stein, und ihre starken, -festen Füße berührten das schmutzige Wasser. - -Die Blume, die sie am Morgen hinters Ohr gesteckt hatte, war welk auf -ihre Knie herabgefallen. - -Hier und dort starrten andere, wie sie, matt, schweigend, düster, -gedankenlos, auf den dichten Qualm des Schiffes, das uns alle für immer -weit fort tragen sollte. - -Und von der Schiffsbrücke aus glaubten wir, während wir uns immer weiter -entfernten, mit dem Fernglas auf ihren Lippen noch lange jene alten -maorischen Verse zu lesen: - - Ihr leisen Winde von Süd und Ost, - Die ein zärtlich Spiel über meinem Haupte vereint, - Eilt schnell zur nächsten Insel hin. - Dort findet ihr im Schatten seines Lieblingsbaumes - Ihn, der mich verlassen hat. - Sagt ihm, daß ihr in Tränen mich gesehn. - - - - - Fußnoten - - -[1] Paréo -- Gürtel, einziges Kleidungsstück der Eingeborenen. - -[2] Leichtes, aus einem Stamm gemachtes Fahrzeug der Wilden. - -[3] Tupapaüs -- Geister von Verstorbenen, Kobolde und Nachtgespenster. - -[4] Vivo -- Musikinstrument. - -[5] Dieser Mahoüi scheint ebenso wie Roüa, der die Sterne schuf, -derselbe wie Taaroa. Es sind wahrscheinlich verschiedene Namen desselben -Gottes. - -[6] Die symbolische Bedeutung dieses Ritus, das klare Verbot der -Anthropophagie, ist nicht zu verkennen. - -[7] Es ist zu befürchten, daß die Missionare (von denen diese -Überlieferungen stammen) zu einem leicht zu erratenden Zweck, in diesem -wie vielen anderen Punkten, die Vorfahren ihrer Pfarrkinder verleumdet -haben. Aber trotz alles Brutalen, Grotesken und vielleicht Abstoßenden -wird man doch zugeben müssen, daß dieser merkwürdige Ritus nicht einer -eigentümlichen Schönheit entbehrt. - -[8] Das Wort _Mara_ kommt in der Sprache der Buddhisten vor, wo es _Tod_ -bedeutet und, davon abgeleitet, _Sünde_. - -[9] Die Legende ist _eine_ der vielen maorischen Erklärungen der -Sintflut. - - - Neue Auflagen im Verlage Bruno Cassirer, Berlin - - - OTTO BRAUN: - AUS NACHGELASSENEN SCHRIFTEN - EINES FRÜHVOLLENDETEN - - 16. bis 45. Tausend - - - FEDOR DOSTOJEWSKI: DER IDIOT - - Erste vollständige deutsche Ausgabe von August Scholz - - 8. und 9. Aufl. -- In Ganzleinen gebunden mit einer Lithographie - - - FEDOR DOSTOJEWSKI: DER GATTE - - Deutsche Ausgabe von August Scholz - - 6. bis 9. Tausend -- In Halbleinen gebunden - - - DIE SEELE RUSSLANDS - - Aus den Romanen von Fedor Dostojewski herausgegeben und eingeleitet - von Karl Scheffler, deutsch von August Scholz - - In Halbleinen gebunden - - mit einer Lithographie von Otto Müller - - - VINCENT VAN GOGH: BRIEFE - - Mit 16 Abbildungen -- 8. und 9. Auflage - - In Japankreppapier gebunden - - - IWAN GONTSCHAROW, GESAMMELTE WERKE - - Vier Bände in Ganzleinen - - Buchschmuck und Entwurf des Einbandes von Professor Weiß - - - Band I: EINE ALLTÄGLICHE GESCHICHTE - - - Band II: OBLOMOW - - - Band III/IV: DIE SCHLUCHT, Zwei Bände - - - Anmerkungen zur Transkription - -Fußnoten wurden am Ende des Buches gesammelt. - -Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere -Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher): - - [S. 41]: - ... deren Bewohner noch nach altem maorischem Brauch ... - ... dessen Bewohner noch nach altem maorischem Brauch ... - - [S. 60]: - ... Hochzeit, legal und religiös, wie die Missionare so den ... - ... Hochzeit, legal und religiös, wie die Missionare sie den ... - - [S. 73]: - ... fernstehende Geister, vermitteln sie nach der Schöpfungsfrage ... - ... fernstehende Geister, vermitteln sie nach der Schöpfungssage ... - - - - -*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NOA NOA *** - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the -United States without permission and without paying copyright -royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part -of this license, apply to copying and distributing Project -Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm -concept and trademark. 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Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms -of the Project Gutenberg License included with this eBook or online -at <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. If you -are not located in the United States, you will have to check the laws of the -country where you are located before using this eBook. -</div> -<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Title: Noa Noa</div> -<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Author: Paul Gauguin</div> -<div style='display:block; margin-top:1em; margin-bottom:1em; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Translator: Luise Wolf</div> -<div style='display:block; margin:1em 0'>Release Date: August 1, 2020 [eBook #62800]<br /> -[Most recently updated: October 16, 2021]</div> -<div style='display:block; margin:1em 0'>Language: German</div> -<div style='display:block; margin:1em 0'>Character set encoding: UTF-8</div> -<div style='display:block; margin-left:2em; text-indent:-2em'>Produced by: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team</div> -<div style='margin-top:2em; margin-bottom:4em'>*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NOA NOA ***</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="halftitle"> -PAUL GAUGUIN, NOA NOA -</p> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="ill"> -MIT ACHT ABBILDUNGEN -</p> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<div class="centerpic frontispiz"> -<img src="images/frontispiz.jpg" alt="" /></div> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="aut"> -PAUL GAUGUIN -</p> - -<h1 class="title"> -NOA NOA -</h1> - -<div class="centerpic logo"> -<img src="images/logo.jpg" alt="" /></div> - -<p class="pub"> -<span class="line1">VERLAG VON BRUNO CASSIRER</span><br /> -<span class="line2">BERLIN</span> -</p> - -</div> - -<div class="frontmatter chapter"> -<p class="trn"> -DEUTSCH VON LUISE WOLF -</p> - -<p class="run"> -9.-12. TAUSEND -</p> - -</div> - -<div class="chapter"> -<p class="blank" title="Noa Noa"> -</p> - -</div> - -<div class="epi-container"> - <div class="epi"> -<p> -„Dites, qu’avez-vous vu?“ -</p> - -<p class="attr"> -Charles Baudelaire. -</p> - - </div> -</div> - -<p class="first"> -Nach dreiundsechzigtägiger Überfahrt, dreiundsechzig -Tagen fieberhafter Erwartung, bemerkten wir am 8. Juni -in der Nacht seltsame Feuer, die sich im Zickzack auf -dem Meere bewegten. Von dem dunkeln Himmel löste -sich ein schwarzer Kegel mit zackigen Einschnitten. -</p> - -<p> -Wir umschifften Morea und hatten Tahiti vor uns. -</p> - -<p> -Einige Stunden später begann der Tag zu grauen, wir -näherten uns langsam den Klippen, liefen in das Fahrwasser -ein und landeten ohne Unfall an der Rhede. -</p> - -<p> -Der erste Anblick dieses Teils der Insel bietet nichts -Außergewöhnliches, nichts, das sich z. B. mit der herrlichen -Bucht von Rio de Janeiro vergleichen ließe. -</p> - -<p> -Es ist der Gipfel eines zur Zeit der Sintflut überschwemmten -Berges. Nur die äußerste Spitze ragte aus der Flut -hervor: eine Familie flüchtete sich dahin und gründete -ein neues Geschlecht – dann kletterten die Korallen daran -empor, setzten sich rings um die Bergspitze fest und bildeten -im Laufe der Jahrhunderte neues Land. Es dehnt -sich immer noch aus, bewahrt aber den ursprünglichen -Charakter der Einsamkeit und Abgeschiedenheit, die das -Meer in seiner Unendlichkeit noch erhöht. -</p> - -<p> -Um zehn Uhr morgens stellte ich mich bei dem Gouverneur, -dem Neger Lacascade, vor, der mich wie eine -Persönlichkeit von Ansehen empfing. -</p> - -<p> -Ich verdankte diese Ehre meiner Mission, mit der die -französische Regierung mich – ich weiß nicht warum – -betraut hatte. Allerdings war es eine künstlerische Mission, -aber in den Augen des Negers war dies Wort nur -das offizielle Synonym für Spionage, und ich bemühte -mich vergebens, ihn davon abzubringen. Jedermann in -seiner Umgebung teilte seine irrige Ansicht, und als ich -sagte, daß meine Mission unbezahlt sei, wollte mir dies -niemand glauben. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Das Leben zu Papeete wurde mir bald zur Last. -</p> - -<p> -Das war ja Europa – das Europa, von dem ich mich -zu befreien geglaubt hatte! – und dazu noch unter den -erschwerenden Umständen des kolonialen Snobismus und -der bis zur Karikatur grotesken Nachahmung unserer Sitten, -Moden, Laster und Kulturlächerlichkeiten. -</p> - -<p> -Sollte ich einen so weiten Weg gemacht haben, um das -zu finden, gerade das, dem ich entflohen war! -</p> - -<p> -Aber ein öffentliches Ereignis interessierte mich doch. -</p> - -<p> -Der König Pomare war zu dieser Zeit tödlich erkrankt, -und die Katastrophe wurde täglich erwartet. -</p> - -<p> -Die Stadt hatte allmählich ein sonderbares Aussehen -angenommen. -</p> - -<p> -Alle Europäer, Kaufleute, Beamte, Offiziere und Soldaten -lachten und sangen wie sonst auf den Straßen, während -die Eingeborenen sich mit ernsten Mienen und gedämpfter -Stimme vor dem Palast unterhielten. -</p> - -<p> -An der Rhede auf dem blauen Meer mit seiner in der -Sonne oft jäh aufblitzenden, silberfunkelnden Klippenreihe -herrschte eine ungewöhnliche Bewegung orangefarbener -Segel. Es waren die Bewohner der benachbarten Inseln, -die herbeieilten, den letzten Augenblicken ihres Königs -– Frankreichs definitiver Besitznahme ihres Landes beizuwohnen. -</p> - -<p> -Durch Zeichen von oben hatten sie Kunde davon erhalten: -denn jedesmal, wenn ein König im Sterben liegt, -bedecken die Berge sich an bestimmten Stellen bei Sonnenuntergang -mit dunkeln Flecken. -</p> - -<p> -Der König starb und ward in großer Admiralsuniform -öffentlich in seinem Palast ausgestellt. -</p> - -<p> -Dort sah ich die Königin Maraü – dies war ihr -Name –, die den königlichen Saal mit Blumen und Stoffen -schmückte. – Als der Leiter der öffentlichen Arbeiten -mich wegen der künstlerischen Ausstattung des Leichenbegängnisses -um Rat fragte, wies ich ihn an die Königin, -die mit dem schönen Instinkt ihrer Rasse überall Anmut -um sich verbreitete und alles, was sie berührte, zu einem -Kunstwerk gestaltete. -</p> - -<p> -Bei dieser ersten Begegnung verstand ich sie jedoch nur -unvollkommen. Menschen und Dinge, die so verschieden -von denen waren, wie ich sie gewünscht, hatten mich -enttäuscht, ich war angewidert von dieser ganzen europäischen -Trivialität und zu kurze Zeit im Lande, um erkennen -zu können, wieviel sich in dieser eroberten Rasse -unter der künstlichen, verderblichen Tünche unserer Einführungen -noch von Nationalität, Ursprünglichkeit und -primitiver Schönheit erhalten hatte, ich war in mancher -Beziehung noch blind. Ich sah auch in dieser bereits etwas -reifen Königin nichts als eine gewöhnliche dicke Frau mit -Spuren von edler Schönheit. Als ich sie später wiedersah, -änderte ich mein erstes Urteil, ich unterlag dem Reize -ihres „maorischen Zaubers“. Trotz aller Mischung war -der tahitische Typus bei ihr sehr rein. Und dann gab die -Erinnerung an ihren Vorfahren, den großen Häuptling -Tati, ihr wie ihrem Bruder und der ganzen Familie ein -Ansehen von wahrhaft imposanter Größe. Sie hatte die -majestätische, prachtvolle Gestalt der Rasse dort, groß und -doch anmutig, die Arme wie die Säulen eines Tempels -einfach und fest, und der ganze Körperbau, diese gerade -horizontale Schulterlinie, die oben spitz auslaufende Höhe -erinnerte mich unwillkürlich an das heilige Dreieck, das -Symbol der Dreieinigkeit. – In ihren Augen blitzte es zuweilen -wie von vage auftauchender Leidenschaft, die sich -jäh entzündet und alles ringsum entflammt, – und so vielleicht -sind die Inseln selber einst aus dem Ozean aufgetaucht -und die Pflanzen darauf beim ersten Sonnenstrahl erblüht. -</p> - -<p> -Alle Tahitaner kleideten sich in Schwarz und sangen -zwei Tage lang Trauerweisen und Totenklagen. Mir war, -als hörte ich die Sonate Pathétique. -</p> - -<p> -Dann kam der Tag der Bestattung. -</p> - -<p> -Um zehn Uhr morgens verließ der Zug den Palast. -Truppe und Behörden in weißem Helm und schwarzem -Frack, die Eingeborenen in ihrer düstern Tracht. Alle Distrikte -marschierten in der Reihenfolge, und der Anführer -eines jeden trug die französische Fahne. -</p> - -<p> -Bei Aruë wurde haltgemacht. Dort erhebt sich ein -unbeschreibliches Monument, ein unförmlicher Haufen -mit Zement verbundener Steine, der zu der Umgebung -und der Atmosphäre in peinlichem Kontrast steht. -</p> - -<p> -Lacascade hielt eine Rede nach bekanntem Muster, die -ein Dolmetscher für die anwesenden Franzosen übersetzte. -Dann folgte eine Predigt des protestantischen Pastors, auf -die Tati, der Bruder der Königin, ein paar Worte erwiderte -– das war alles. Man brach auf, und die Beamten drängten -sich in den Wagen zusammen, es erinnerte etwas an „die -Rückkehr von einem Rennen“. -</p> - -<p> -Unterwegs, wo die Gleichgültigkeit der Franzosen den -Ton angab, fand dieses seit mehreren Tagen so ernste Volk -seine Fröhlichkeit wieder. Die Vahinas nahmen wieder -den Arm ihrer Tanés, sprachen lebhaft und wiegten sich -in den Hüften, während ihre kräftigen nackten Füße den -Staub des Weges aufwühlten. -</p> - -<p> -In der Nähe des Flusses Fatüa zerstreute sich alles. Zwischen -den Steinen versteckt, kauerten hier und dort Frauen -mit bis zum Gürtel aufgenommenen Röcken im Wasser, -um ihre Hüften und die vom Marsch und von der Hitze -ermüdeten Beine zu erfrischen. So gereinigt machten sie -sich, stolz den Busen tragend, über dem der dünne Musselin -sich straffte, mit der Grazie und Elastizität junger gesunder -Tiere wieder auf den Weg nach Papeete. Ein gemischtes, -halb animalisches, halb pflanzliches Parfüm strömte von -ihnen aus, das Parfüm ihres Blutes und der Gardenien – -Tiaré –, die alle in den Haaren trugen. -</p> - -<p> -– <em>Téiné merahi noa noa</em> (jetzt sehr wohlriechend), -sagten sie. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -... Die Prinzessin trat in meine Kammer, wo ich leidend, -nur mit einem Paréo<a class="fnote" href="#footnote-1" id="fnote-1">[1]</a> bekleidet, auf dem Bett lag. -Wahrlich keine Art, eine Frau von Rang zu empfangen. -</p> - -<p> -<em>Ja orana</em> (ich grüße dich), Gauguin, sagte sie. Du bist -krank, ich komme, um nach dir zu sehen. -</p> - -<p> -– Und du heißest? -</p> - -<p> -– Vaïtüa. -</p> - -<p> -Vaïtüa war eine wirkliche Prinzessin, wenn es solche -überhaupt noch gibt, seitdem die Europäer alles auf ihr -Niveau herabgedrückt haben. Freilich war sie als einfache -Sterbliche mit nackten Füßen, eine duftende Blume hinterm -Ohr, in schwarzem Kleide gekommen. Sie ging in Trauer -um den König Pomare, dessen Nichte sie war. Ihr Vater, -Tamatoa, hatte trotz der unvermeidlichen Berührung mit -Offizieren und Beamten, trotz der Empfänge bei dem Admiral, -niemals etwas anders sein wollen als ein königlicher -Maorie, ein gigantischer Raufbold in Momenten des Zornes, -und bei abendlichen Orgien ein berühmter Zecher. Er war -gestorben. Vaïtüa, behauptete man, gliche ihm sehr. -</p> - -<p> -Ein skeptisches Lächeln auf den Lippen, betrachtete ich -diese gefallene Prinzessin mit der Dreistigkeit des eben -auf der Insel gelandeten Europäers. Aber ich wollte höflich -sein. -</p> - -<p> -– Es ist sehr freundlich von dir, daß du gekommen bist, -Vaïtüa. Wollen wir zusammen einen Absinth trinken? -</p> - -<p> -Und mit dem Finger weise ich in eine Ecke der Kammer -auf eine Flasche, die ich soeben gekauft hatte. -</p> - -<p> -Ohne Unmut noch Freude zu zeigen, geht sie einfach -hin und bückt sich, um die Flasche zu nehmen. Bei dieser -Bewegung spannte ihr leichtes, durchsichtiges Kleid sich -über den Lenden, – es waren Lenden, eine Welt zu tragen! -O, sicherlich war es eine Prinzessin! Ihre Vorfahren? -Stolze, tapfere Riesen. Fest saß ihr stolzer, wilder Kopf auf -den breiten Schultern. Zuerst sah ich nur ihre Menschenfresserkiefer, -ihre zum Zerreißen bereiten Zähne, den -lauernden Blick eines grausamen, listigen Tieres und fand -sie trotz einer schönen edlen Stirn sehr häßlich. -</p> - -<p> -Wenn ihr nur nicht einfiele, sich auf mein Bett zu setzen! -Ein so schwaches Gestell könnte uns beide ja nicht tragen -... -</p> - -<p> -Aber gerade das tut sie. -</p> - -<p> -Das Bett krachte, hielt es jedoch aus. -</p> - -<p> -Beim Trinken wechseln wir einige Worte. Die Unterhaltung -will aber nicht lebhaft werden. Sie ermattet -schließlich, und es herrscht Schweigen. Ich beobachte -die Prinzessin insgeheim, sie sieht mich aus einem Augenwinkel -verstohlen an, die Zeit geht hin, und die Flasche -leert sich. Vaïtüa trinkt tapfer. Sie dreht sich eine tahitische -Zigarette und streckt sich auf dem Bett aus, um zu -rauchen. Ihre Füße streichen ganz mechanisch fortwährend -über das Holz unten am Fußende, ihre Züge besänftigen -sich, werden sichtlich weich, ihre Augen glänzen – -und ein regelmäßiges Pfeifen entschlüpft ihren Lippen – -mir war, als hörte ich das Schnurren einer Katze, die auf -blutige Genüsse sinnt. -</p> - -<div class="centerpic"> -<img src="images/008a.jpg" alt="" /></div> - -<p> -Da ich veränderlich bin, fand ich sie jetzt sehr schön, -und als sie mit bewegter Stimme sagte: „Du gefällst mir“, -überkam mich eine große Unruhe. Die Prinzessin war -entschieden köstlich ... -</p> - -<p> -Ohne Zweifel, um mir zu gefallen, begann sie eine -Fabel von La Fontaine, die <em>Grille und die Ameise</em> zu -erzählen – eine Erinnerung aus der Zeit ihrer Kindheit -bei den Schwestern, die sie unterrichtet hatten. -</p> - -<p> -Die ganze Zigarette war in Brand. -</p> - -<p> -– Weißt du, Gauguin, sagte die Prinzessin, und erhob -sich, ich liebe deinen La Fontaine nicht. -</p> - -<p> -– Wie? Unsern guten La Fontaine? -</p> - -<p> -– Vielleicht ist er gut, aber seine Moral ist häßlich. -Ameisen ... (ihr Mund drückte Abscheu aus). Ja, Grillen, -die, ah! Singen, singen, immer singen! -</p> - -<p> -Und stolz, ohne mich anzusehen, mit leuchtenden, ins -Weite blickenden Augen fügte sie hinzu: -</p> - -<p> -– Wie herrlich war unser Reich, als noch nichts verkauft -wurde! Das ganze Jahr hindurch wurde gesungen -... Singen, immer! Immer geben! ... -</p> - -<p> -Und sie ging. -</p> - -<p> -Ich legte mich wieder auf mein Kissen zurück, und -lange klangen die Worte: <em>Ja orana</em>, Gauguin, schmeichelnd -in mir nach. -</p> - -<p> -Diese Episode, die mir mit dem Tode des Königs Pomare -in Erinnerung geblieben ist, hat tiefere Spuren in -meinem Gedächtnis hinterlassen als das Ereignis und die -offizielle Feier. -</p> - -<p> -Die Bewohner von Papeete selber, sowohl Eingeborene -wie Weiße, vergaßen den Verblichenen schnell. Die von -den Nachbarinseln gekommen waren, um dem königlichen -Leichenbegängnis beizuwohnen, fuhren wieder fort, noch -einmal kreuzten Tausende von orangefarbenen Segeln das -blaue Meer, und alles nahm wieder seinen gewohnten -Gang. -</p> - -<p> -Es gab nur einen König weniger. -</p> - -<p> -Mit ihm verschwanden die letzten Spuren alter Traditionen. -Mit ihm schloß die Geschichte der Maorie ab. -Sie war zu Ende. Die Zivilisation – Soldaten, Handel -und Beamtentum – triumphierte, leider! -</p> - -<p> -Eine tiefe Traurigkeit bemächtigte sich meiner. Der -Traum, welcher mich nach Tahiti geführt, wurde durch -die Tatsachen grausam verscheucht. Ich liebte das Tahiti -von eh, das jetzige flößte mir Grauen ein. -</p> - -<p> -Doch als ich die noch erhaltene physische Schönheit -der Rasse sah, konnte ich nicht daran glauben, daß sie -nichts von ihrer antiken Größe, von ihren persönlichen -und natürlichen Sitten, von ihrem Glauben und ihren -Legenden bewahrt haben sollte. Aber wie die Spuren -dieser Vergangenheit, wenn sie solche hinterlassen hat, -allein entdecken? wie sie ohne Führung erkennen? Wie -das Feuer wieder entzünden, von dem selbst die Asche -zerstreut ist? -</p> - -<p> -So niedergeschlagen ich auch sein mag, pflege ich mein -Vorhaben doch niemals aufzugeben, ohne alles, selbst „das -Unmögliche“ versucht zu haben, um zum Ziele zu gelangen. -</p> - -<p> -Mein Entschluß war bald gefaßt. Ich beschloß, Papeete -zu verlassen, mich von dem europäischen Mittelpunkt zu -entfernen. -</p> - -<p> -Ich fühlte, daß, wenn ich das Leben der Eingeborenen -im Busch völlig mit ihnen teilte, ich allmählich das Vertrauen -der Maorie gewinnen und – sie kennenlernen -würde. -</p> - -<p> -Und eines Morgens machte ich mich in meinem Wagen -auf, den ein Offizier mir liebenswürdig zur Verfügung -gestellt hatte, um „meine Hütte“ zu suchen. -</p> - -<p> -Meine Vahina namens Titi begleitete mich. Halb englischer, -halb tahitischer Abstammung sprach sie etwas -Französisch. Für diese Fahrt hatte sie ihr schönstes Kleid -angelegt, die Tiaré hinterm Ohr, ihren oben mit Band, -unten mit Strohblumen und einer Garnitur orangefarbener -Muscheln geputzten Basthut aufgesetzt und das lange -schwarze Haar aufgelöst über die Schultern hängen. Sie -war stolz, in einem Wagen zu fahren, stolz, so elegant und -die Vahina eines Mannes zu sein, den sie für einflußreich -und vermögend hielt, und war wirklich hübsch in ihrem -Stolz, der nichts Lächerliches hatte, so sehr paßt die majestätische -Miene zu dieser Rasse, die im Andenken an die -weit zurückreichende Geschichte ihrer Herrschaft und eine -unbestimmte Reihe großer Häuptlinge diesen herrlichen -Stolz bewahrt. – Ich wußte zwar, daß ihre sehr berechnete -Liebe in den Augen der Pariser nicht schwerer gewogen -hätte als die feile Gefälligkeit einer Dirne. Aber -die Liebesglut einer maorischen Kurtisane ist etwas ganz -anderes als die Passivität einer Pariser Kokotte – ganz -etwas anderes! Es ist ein Feuer in ihrem Blute, das Liebe, -seine eigentliche Nahrung, erweckt, das Liebe atmet. -Diese Augen und dieser Mund können nicht lügen, ob -uneigennützig oder nicht, es spricht immer Liebe aus ihnen. -</p> - -<p> -Der Weg durch die reiche und einförmige Landschaft -war bald zurückgelegt. Zur Rechten immer das Meer, -die Korallenriffe und Wasserfälle, die zuweilen wie Dampf -zerstoben, wenn die Wellen in zu ungestüme Berührung -mit den Felsen kamen. Zur Linken den Busch mit der -Aussicht auf große Wälder. -</p> - -<p> -Mittags hatten wir unsere fünfundvierzig Kilometer -hinter uns und erreichten den Distrikt von Mataiëa. -</p> - -<p> -Ich sah mich um und fand schließlich eine leidlich -hübsche Hütte, die der Eigentümer mir zur Miete überließ. -Er baute sich daneben eine neue, die er bewohnen -wollte. -</p> - -<p> -Am Abend des nächsten Tages, als wir nach Papeete zurückkehrten, -fragte mich Titi, ob ich sie nicht mit mir -nehmen wolle. -</p> - -<p> -– Später, in einigen Tagen, wenn ich eingerichtet sein -werde, sagte ich. -</p> - -<p> -Titi hatte in Papeete einen furchtbaren Ruf, nachdem -sie mehrere Liebhaber unter die Erde gebracht. Aber -nicht das machte mich ihr abwendig. Sie hatte als halbe -Weiße, und trotz Spuren tiefer, origineller und echt maorischer -Eigentümlichkeiten durch zahlreiche Beziehungen -viel von ihren „Rassemerkmalen“ eingebüßt. Ich fühlte, -daß sie mich nichts von dem lehren konnte, was ich wissen -wollte, und mir nichts von dem erlesenen Glück gewähren, -das ich begehrte. -</p> - -<p> -Außerdem sagte ich mir, daß ich auf dem Lande finden -würde, was ich suchte und nur zu wählen brauchte. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Von einer Seite das Meer, an der anderen das Gebirge, -zerklüftetes Gebirge, ein enormer Spalt, den ein an dem -Felsen lehnender, hoher Mangobaum verdeckt. -</p> - -<p> -Zwischen Berg und Meer steht meine Hütte vom Holze -des Bourao. Daneben eine zweite, die ich nicht bewohne, -<em>die faré amu</em> (Speisehütte). -</p> - -<p> -Morgen. -</p> - -<p> -Auf dem Meere nahe am Strande sehe ich eine Piroge<a class="fnote" href="#footnote-2" id="fnote-2">[2]</a> -und darin eine halbnackte Frau. Am Strande einen Mann, -ebenfalls unbekleidet. Ein kranker Kokosnußbaum mit -verschrumpften Blättern gleicht einem ungeheuren Papagei, -der seinen vergoldeten Schwanz herabhängen läßt und -eine volle Traube in den Krallen hält. Mit harmonischer -Gebärde hebt der Mann mit beiden Händen ein schweres -Beil, das oben auf dem silbrigen Himmel eine blaue Spur, -unten einen rosigen Einschnitt auf dem abgestorbenen -Stamme hinterläßt, wo die von Tag zu Tag aufgesparte -Glut von Jahrhunderten in den Flammen eines Augenblicks -wieder aufleben wird. -</p> - -<p> -Lange schlangenartige Blätter von einem metallischen -Gelb auf dem purpurnen Boden gemahnten mich an die -Züge einer geheimen, religiösen, alten Schrift. Deutlich -bildeten sie das heilige Wort australischen Ursprungs ATUA -– Gott – den Taäta oder Takata oder Tathagata, der in -ganz Indien überall herrschte. Und wie eines mystischen -Zuspruchs in meiner schönen Einsamkeit und meiner -schönen Armut erinnerte ich mich wieder der Worte des -Weisen: -</p> - -<div class="em"> -<p> -In den Augen des Tathagata ist die herrlichste -Pracht von Königen und seinen Ministern nichts -als Auswurf und Staub. -</p> - -<p> -In seinen Augen ist Reinheit und Unreinheit -wie der Tanz der sechs Nagas. -</p> - -<p> -In seinen Augen ist das Suchen nach dem Anblick -des Buddha gleich den Blumen. -</p> - -</div> - -<p> -In der Piroge ordnete die Frau einige Netze. -</p> - -<p> -Die blaue Linie des Meeres wurde häufig von dem Grün -der Wogenkämme unterbrochen, die an den Korallenriffen -brandeten. -</p> - -<p> -Abend. -</p> - -<p> -Ich war an den Strand gegangen, um eine Zigarette zu -rauchen. -</p> - -<p> -Die rasch bis zum Horizont gesunkene Sonne versteckte -sich schon zur Hälfte hinter der Insel Morea, die mir zur -Rechten lag. In dem Zwielicht standen die Berge, deren -Vorsprünge alten, mit Zinnen gekrönten Schlössern glichen, -in festen schwarzen Silhouetten auf der violetten -Glut des Himmels. -</p> - -<p> -Kein Wunder, daß mich vor diesen natürlichen Bauwerken -Herrscher-Visionen verfolgen! Der Gipfel dort -unten hat die Gestalt eines riesigen Helmes. Die Wogen -ringsum, deren Rauschen wie das Lärmen einer gewaltigen -Menge klingt, werden ihn niemals erreichen. Unter der -Ruinenpracht steht der Helm allein, Beschützer und Zeuge, -ein Nachbar des Himmels. Ich fühle von dem Haupte -droben einen heimlichen Blick in die Wasser tauchen, die -einst das sündige Geschlecht der Lebenden verschlungen -hatten, und von dem weiten Spalt, der sein Mund sein -könnte, fühle ich ein Lächeln der Ironie oder des Mitleids -über das Wasser schweifen, wo die Vergangenheit schläft. -</p> - -<p> -Die Nacht brach schnell herein. Morea schlief. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Stille! Ich lernte die Stille einer tahitischen Nacht -kennen. -</p> - -<p> -Ich vernahm nichts als das Schlagen meines Herzens -in der Stille. -</p> - -<p> -Aber die Mondstrahlen fielen durch das in gleicher Entfernung -voneinander stehende Bambusrohr vor meiner -Hütte bis auf mein Bett. Und dieser gleichmäßige Schein -erweckte in mir die Vorstellung eines Musikinstrumentes, -der Rohrpfeife der Alten, die den Maories bekannt ist und -von ihnen <em>Vivo</em> genannt wird. Mond und Bambusrohr -zeichneten es übertrieben: als ein Instrument, das tagsüber -schweigt, aber nachts, dank dem Monde, dem Träumer -liebe Melodien ins Gedächtnis zurückruft. Ich schlief bei -dieser Musik ein. -</p> - -<p> -Zwischen dem Himmel und mir nichts als das hohe, -leichte Dach von Pandanusblättern, in denen die Eidechsen -nisten. -</p> - -<p> -Ich bin weit fort von jenen Gefängnissen, den europäischen -Häusern! -</p> - -<p> -Eine maorische Hütte trennt den Menschen nicht vom -Leben, von Raum und Unendlichkeit ... -</p> - -<p> -Indessen fühlte ich mich dort sehr einsam. -</p> - -<p> -Die Bewohner der Gegend und ich beobachteten einander -gegenseitig, und der Abstand zwischen uns blieb -der gleiche. -</p> - -<p> -Seit dem zweiten Tage waren meine Vorräte erschöpft. -Was tun? Ich hatte geglaubt, für Geld alles Notwendige -zu finden. Ich hatte mich jedoch getäuscht. Sobald man -die Stadt verlassen hat, muß man sich an die Natur halten, -um zu leben, und sie ist reich, sie ist freigebig und verweigert -keinem einen Anteil an ihren Schätzen, die unerschöpflich -an Bäumen, in den Bergen und im Meere aufgespeichert -sind. Aber man muß verstehen, auf die hohen -Bäume zu klettern, die Berge zu besteigen und mit schwerer -Beute beladen zurückkehren, man muß Fische fangen, -tauchen, auf dem Meeresgrund die fest an den Steinen -haftenden Muscheln losreißen können, – man muß wissen, -muß können. -</p> - -<p> -Ich, der Kulturmensch, stand in dieser Hinsicht weit -hinter den Wilden zurück. Ich beneidete sie. Ich sah -ihr glückliches, friedliches Leben um mich her, ohne -größere Anstrengung, als die täglichen Bedürfnisse es erforderten -– ohne die geringste Sorge um Geld. Wem -sollte man etwas verkaufen, wo die Erzeugnisse der Natur -jedem zu Gebote stehen? -</p> - -<p> -Da, als ich mit leerem Magen auf der Schwelle meiner -Hütte saß und betrübt an meine Lage und die unvorhergesehenen, -vielleicht unüberwindlichen Hindernisse dachte, -die die Natur zwischen sich und den Kulturmenschen -stellt – bemerkte ich einen Eingeborenen, der mir gestikulierend -etwas zurief. Die sehr ausdrucksvollen Gebärden -ersetzten die Worte, und ich verstand, daß mein Nachbar -mich zum Essen einlud. Mit einem Kopfschütteln -lehnte ich ab. Dann ging ich beschämt, ich glaube ebensosehr, -weil ich das Anerbieten zurückgewiesen, wie wenn -ich es angenommen hätte, in meine Hütte zurück. -</p> - -<p> -Nach einigen Minuten stellte ein kleines Mädchen, ohne -etwas zu sagen, gekochtes Gemüse und sauber von frisch -gepflückten grünen Blättern umhüllte Früchte vor meine -Tür. Ich war hungrig. Und ebenfalls ohne ein Wort zu -sagen, nahm ich es an. -</p> - -<p> -Kurz darauf ging der Mann an meiner Hütte vorüber -und fragte lächelnd, ohne stehen zu bleiben: -</p> - -<p> -– Païa? -</p> - -<p> -Ich erriet: Bist du zufrieden? -</p> - -<p> -Das war der Beginn gegenseitiger Vertraulichkeit zwischen -mir und den Wilden. -</p> - -<p> -„Wilde!“ dieses Wort kam mir unwillkürlich über die -Lippen, als ich diese schwarzen Wesen mit den Kannibalen-Zähnen -betrachtete. Doch bald erkannte ich ihre -echte, ihre fremdartige Anmut ... Wie jenes braune Köpfchen -mit den sanften niedergeschlagenen Augen, jenes -Kind unter Büschen großer Blätter des Giromon mich -eines Morgens ohne mein Wissen beobachtete und entfloh, -als mein Blick dem seinen begegnete ... -</p> - -<p> -Wie sie mir, war ich ihnen ein Gegenstand der Beobachtung -und eine Ursache des Staunens, einer, dem alles -neu war, der nichts kannte. Denn ich kannte weder ihre -Sprache, noch ihre Gebräuche, selbst nicht die einfachsten -notwendigen Handgriffe. – Wie jeder von ihnen für mich, -war ich für jeden von ihnen ein Wilder. -</p> - -<p> -Und wer von uns beiden hatte recht? -</p> - -<p> -Ich versuchte zu arbeiten, machte allerlei Notizen und -Skizzen. -</p> - -<p> -Aber die Landschaft mit ihren starken, reinen Farben -blendete mich, machte mich blind. Ich war immer unentschieden, -suchte und suchte ... -</p> - -<p> -Und dabei war es so einfach zu malen, wie ich es sah, -ohne viel Überlegung ein Rot neben ein Blau zu setzen! -Vergoldete Gestalten in Bächen und am Strande entzückten -mich, warum zögerte ich, diesen Sonnenjubel auf -meine Leinwand zu bannen. -</p> - -<p> -Oh! diese alten europäischen Überlieferungen! die furchtsame -Ausdrucksart entarteter Rassen! -</p> - -<p> -Um mich mit dem eigentümlichen Charakter eines tahitischen -Gesichts vertraut zu machen, wollte ich das -Porträt einer meiner Nachbarinnen, einer jungen Frau -rein tahitischer Abstammung, machen. – Eines Tages -faßte sie sich ein Herz, in meine Hütte zu kommen -und sich Photographien von Bildern anzusehen, mit -denen ich eine Wand meiner Kammer tapeziert hatte. -Sie betrachtete sie lange, mit ganz besonderem Interesse -die <em>Olympia</em>. -</p> - -<p> -– Wie gefällt dir das? fragte ich sie. (Ich hatte in den -zwei Monaten, wo ich nicht mehr fanzösisch sprach, ein -paar tahitische Worte gelernt.) -</p> - -<p> -Meine Nachbarin erwiderte: -</p> - -<p> -– Sie ist sehr schön. -</p> - -<p> -Ich lächelte über diese Bemerkung, und sie rührte mich. -Hatte sie denn Verständnis für das Schöne? Was aber -würden die Professoren der Akademie der Schönen Künste -dazu sagen? -</p> - -<p> -Nach einem fühlbaren Schweigen, wie es einer Gedankenfolgerung -vorauszugehen pflegt, fügte sie plötzlich hinzu: -</p> - -<p> -– Ist das deine Frau? -</p> - -<p> -– Ja. -</p> - -<p> -Ich scheute diese Lüge nicht. Ich, der <em>Tané</em> der -schönen Olympia! -</p> - -<p> -Während sie neugierig einige religiöse Kompositionen -der italienischen Primitiven prüfte, begann ich eilig, ohne -daß sie es sah, ihr Porträt zu skizzieren. -</p> - -<p> -Sie merkte es plötzlich, rief schmollend – Aïta! (Nein) -und lief davon. -</p> - -<p> -Eine Stunde später war sie in einem schönen Kleid, die -Tiaré hinterm Ohr, wieder da. – Geschah es aus Koketterie? -aus Freude, nach der Weigerung freiwillig nachzugeben? -Oder war es einfach das Lockende der verbotenen -Frucht, die man sich selber verwehrt? Oder noch einfacher -vielleicht bloße Laune, ohne jeden andern Beweggrund, -wie die Maories sie gewohnt sind? -</p> - -<p> -Ohne Zögern machte ich mich an die Arbeit, ohne Zögern -und fieberhaft. Ich war mir bewußt, daß von meiner -Leistung als Maler die physische und moralische Ergebenheit -des Modells, eine rasche, stillschweigende, unweigerliche -Einwilligung abhing. -</p> - -<p> -Nach unsern Regeln der Ästhetik war sie wenig schön. -</p> - -<p> -Aber sie war schön. -</p> - -<p> -Ihre Züge waren von einer raffaelischen Harmonie, und -den Mund hatte ein Bildhauer modelliert, der es versteht, -in eine einzige bewegliche Linie alle Freude und alles -Leid zu legen. -</p> - -<p> -Ich arbeitete hastig und leidenschaftlich, denn ich wußte -wohl, daß auf die Zustimmung noch nicht zu rechnen -war. Ich zitterte davor, in diesen großen Augen Furcht -zu lesen und Verlangen nach dem Unbekannten, die Melancholie -bitterer Erfahrung, die jeder Lust zugrunde -liegt, wie das unfreiwillige, souveräne Gefühl der -Selbstbeherrschung. Solche Geschöpfe scheinen uns zu -unterliegen, wenn sie sich uns geben, und unterliegen doch -nur ihrem eigenen Willen. Sie beherrscht eine Kraft, die -etwas Übermenschliches hat – oder vielleicht etwas göttlich -Animalisches. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Jetzt arbeitete ich freier, besser. -</p> - -<p> -Aber meine Einsamkeit quälte mich. Ich sah in dieser -Gegend zwar junge Frauen und Mädchen mit ruhigem -Blick, echte Tahitianerinnen, und einige darunter hätten -vielleicht gern das Leben mit mir geteilt. – Aber ich wagte -nicht sie anzureden. Sie schüchterten mich wirklich ein -mit ihrem sicheren Blick, der Würde ihrer Haltung und -den stolzen Gebärden. -</p> - -<p> -Dennoch wollen alle „genommen“, buchstäblich brutal -genommen sein (<em>maü</em>, ergreifen), ohne ein Wort. Alle -haben den geheimen Wunsch nach Vergewaltigung: weil -durch diesen Akt männlicher Autorität der Weibwille seine -volle Unverantwortlichkeit behält – denn so hat es ja -nicht seine Einwilligung zum Beginn einer dauernden -Liebe gegeben. Möglich, daß dieser erst so empörenden -Gewalt ein tiefer Sinn zugrunde liegt, möglich auch, daß -sie ihren wilden Reiz hat. Ich dachte wohl daran, aber -ich wagte es nicht. -</p> - -<p> -Und dann hielt man mehrere von ihnen für krank, von -jener Krankheit befallen, die den Wilden als erste Stufe -des Kulturlebens von den Europäern gebracht wird ... -</p> - -<p> -Und wenn die Alten, auf eine von ihnen weisend, zu -mir sagten: -</p> - -<p> -– Maü téra (nimm diese), hatte ich weder die notwendige -Kühnheit noch Vertrauen. Ich ließ Titi sagen, daß -ich sie mit Vergnügen wieder aufnehmen wolle. -</p> - -<p> -Sie kam sogleich. -</p> - -<p> -Der Versuch mißglückte, und an der Langeweile, die -ich in der Gesellschaft dieser an den banalen Luxus der -Beamten gewöhnten Frau empfand, konnte ich ermessen, -welche Fortschritte ich bereits in dem schönen Leben der -Wilden gemacht hatte. -</p> - -<p> -Nach Verlauf einiger Wochen schieden Titi und ich -für immer voneinander. -</p> - -<p> -Ich war wieder allein. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Meine Nachbarn sind mir Freunde geworden. Ich esse -und kleide mich wie sie. Wenn ich nicht arbeite, teile -ich ihr Leben der Einfalt und der Freude, das sich zuweilen -jäh in Ernst verwandelt. -</p> - -<p> -Abends versammelt man sich in Gruppen am Fuße der -buschigen Sträucher, die die zerzausten Wipfel der Kokosnußbäume -überragen, oder Männer und Frauen, Greise -und Kinder vereinen sich. Die einen stammen aus Tahiti, -andere von den Tongas- und wieder andere von den Marquesas-Inseln. -Die matten Töne ihrer Körper stimmen -harmonisch zu dem Sammet des Laubes, und aus ihrer -kupfernen Brust steigen zitternd Melodien, die von den -rauhen Stämmen der Kokosnußbäume gedämpft zurückgeworfen -werden. Es sind tahitische Gesänge, die <em>Iménés</em>. -</p> - -<p> -Eine Frau beginnt, ihre Stimme erhebt sich gleich einem -Vogel im Fluge und geht durch alle Töne bis zum höchsten -der Tonleiter, steigt und singt in starken Modulationen -und schwebt schließlich über den Stimmen der übrigen -Frauen, die ihrerseits nun auffliegen, wenn man so sagen -darf, ihr folgen und sie getreulich begleiten. Mit einem -einzigen gutturalen, barbarischen Schrei schließen zuletzt -alle Männer einstimmig den Gesang. -</p> - -<p> -Zuweilen kommt man zum Plaudern oder Singen in -einer Hütte zusammen. -</p> - -<p> -Mit einem Gebet wird begonnen, ein Greis spricht es -gewissenhaft vor, und alle Anwesenden wiederholen es. -Dann wird gesungen, oder es werden lustige Geschichten -erzählt. Der Inhalt dieser Erzählungen ist sehr zart, kaum -greifbar, es sind in das Gewebe gestickte, durch ihre Naivität -so feine Details, die sie belustigen. -</p> - -<p> -Seltener gibt man sich mit der Erörterung ernster Fragen -oder weiser Vorschläge ab. Eines Abends wurde folgender -gemacht, den ich nicht ohne Staunen hörte: -</p> - -<div class="centerpic"> -<img src="images/024a.jpg" alt="" /></div> - -<p> -– In unserm Dorf, sagte ein Greis, sieht man hier und -dort zerfallene Häuser, geborstene Mauern und morsche -halboffene Dächer, durch die Nässe dringt, wenn es zufällig -einmal regnet. Warum? Jedermann hat das Recht, -vor Wind und Wetter geschützt zu sein. Es fehlt weder -an Holz noch an Laub zur Herstellung der Dächer. Ich -schlage vor, gemeinschaftlich geräumige solide Hütten an -Stelle der unbewohnbar gewordenen zu bauen. Wir wollen -alle der Reihe nach Hand anlegen. -</p> - -<p> -Alle Anwesenden spendeten ihm ohne Ausnahme Beifall: -</p> - -<p> -Der Antrag des Greises wurde einstimmig angenommen. -</p> - -<p> -Ein kluges und gutes Volk, dachte ich, als ich abends -nach Hause kam. -</p> - -<p> -Aber am folgenden Tage, als ich mich nach dem Beginn -der gestern verabredeten Arbeit erkundigte, merkte -ich, daß niemand mehr daran dachte. Das tägliche Leben -nahm wieder seinen Gang, und die von dem weisen Ratgeber -bezeichneten Häuser blieben zerfallen wie zuvor. -</p> - -<p> -Auf meine Fragen erhielt ich nur ein ausweichendes -Lächeln zur Antwort. -</p> - -<p> -Aber gerunzelte Brauen zogen bedeutsame Linien in -diese träumerischen Stirnen. -</p> - -<p> -Ich zog mich verwirrt, aber mit dem Gefühl zurück, -eine tüchtige Lektion von meinen Wilden erhalten zu -haben. Sie taten wahrlich recht, dem Vorschlag des Greises -beizustimmen. Vielleicht hatten sie auch recht, dem gefaßten -Entschluß nicht weiter Folge zu leisten. -</p> - -<p> -Wozu arbeiten? Die Götter sind da, ihren Getreuen -von den Gütern der Natur zu spenden. -</p> - -<p> -– Morgen? -</p> - -<p> -– Vielleicht! aber was auch geschehen mag, heiter -und wohltätig wird die Sonne morgen aufgeben, wie sie -es heute getan. -</p> - -<p> -Ist das Sorglosigkeit, Leichtsinn, Unbeständigkeit? Oder -vielleicht tiefe Philosophie? – Wer weiß? Hütet euch vor -dem Luxus! Hütet euch, unter dem Vorwande der Vorsorge -Geschmack daran zu finden und ihn für notwendig -zu halten ... -</p> - -<p> -Das Leben gestaltete sich täglich besser. Ich verstehe -die Sprache der Maories jetzt ziemlich gut und werde sie -bald ohne Mühe sprechen können. -</p> - -<p> -Meine Nachbarn – drei ganz in der Nähe und andere -zahlreiche in einiger Entfernung voneinander – betrachten -mich als einen der Ihren. -</p> - -<p> -In der fortwährenden Berührung mit den Kieselsteinen -sind meine Füße abgehärtet und an den Boden gewöhnt. -Mein fast beständig nackter Körper leidet nicht mehr unter -der Sonne. -</p> - -<p> -Die Zivilisation verläßt mich allmählich. -</p> - -<p> -Ich fange an einfach zu denken, nur wenig Haß gegen -meinen Nächsten zu empfinden – eher ihn zu lieben. -</p> - -<p> -Ich genieße alle Freuden des Lebens – animalische -wie menschliche. Bin alles Erkünstelten, aller Konvention, -aller Gewohnheiten ledig. Ich komme der Wahrheit nahe, -der Natur. Mit der Gewißheit, eine Reihe freier, schöner -Tage wie der heutige vor mir zu haben, senkt sich Friede -auf mich herab, ich entwickle mich normal und beschäftige -mich nicht mit unnützen Dingen. -</p> - -<p> -Ich habe einen Freund gewonnen. -</p> - -<p> -Er ist von selber zu mir gekommen, und ich darf gewiß -sein, daß kein niedriger Eigennutz ihn dazu veranlaßt hat. -</p> - -<p> -Es ist einer meiner Nachbarn, ein schlichter, sehr schöner, -junger Bursche. -</p> - -<p> -Meine farbigen Bilder und meine Holzschnitzereien -haben seine Neugierde geweckt; meine Antworten auf -seine Fragen haben ihn belehrt. Es vergeht kein Tag, an -dem er mir nicht beim Malen oder Schnitzen zuschaut ... -</p> - -<p> -Noch jetzt, nach so langer Zeit, erinnere ich mich gern -der wahren, echten Gefühle, die ich in dieser wahren, -echten Natur erweckte. -</p> - -<p> -Abends, wenn ich von meiner Arbeit ausruhte, plauderten -wir miteinander. Als neugieriger junger Wilder fragte -er mich nach europäischem Leben, besonders nach Liebessachen, -und mehr als einmal brachten seine Fragen mich -in Verlegenheit. -</p> - -<p> -Aber seine Antworten waren noch naiver als seine -Fragen. -</p> - -<p> -Eines Tages gab ich ihm meine Werkzeuge und ein -Stück Holz, ich wollte, daß er den Versuch machte zu -schnitzen. Verwirrt und schweigend schaute er mich erst -an, dann gab er mir Holz und Werkzeug wieder zurück -und sagte schlicht und treuherzig, ich sei nicht wie die -andern, ich verstände Dinge, zu denen andere Menschen -unfähig wären, und sei <em>andern nützlich</em>. -</p> - -<p> -Ich glaube, Jotéfa ist der erste Mensch, der mir das gesagt -hat – es war die Sprache des Wilden oder des Kindes, -denn man muß eins von beiden sein, nicht wahr, um zu -glauben, daß ein Künstler – ein <em>nützlicher Mensch</em> sei. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Einmal brauchte ich Rosenholz zu meiner Schnitzerei. -Ich wollte einen festen starken Stamm und fragte Jotéfa -um Rat. -</p> - -<p> -– Man muß in die Berge gehen, sagte er. Ich weiß an -einer bestimmten Stelle mehrere schöne Bäume. Wenn du -willst, führe ich dich hin. Wir fällen einen Baum, der dir -zusagt, und tragen ihn zusammen her. -</p> - -<p> -Zeitig am Morgen brachen wir auf. Die Fußsteige auf -Tahiti sind ziemlich beschwerlich für einen Europäer, und -das Gehen im Gebirge erfordert, selbst für die Eingeborenen, -eine Kraftanstrengung, zu der sie sich nicht unnötig entschließen. -</p> - -<p> -Zwischen zwei Bergen, zwei steilen Basaltwänden, die -nicht zu erklimmen sind, gähnt ein Spalt, in dem das Wasser -sich zwischen Felsblöcken hindurchwindet, die sich von -der Seitenwand gelöst haben, um einer Quelle den Weg -zu bahnen. Die zum Bach angewachsene Quelle hat an -ihnen gerüttelt und gerückt und sie schließlich etwas -weiter fortgedrängt, bis der Bach, zum Strom angeschwollen, -sie mitgerissen und bis zum Meer getragen. An jeder Seite -dieses Baches führt, oft von wahren Kaskaden unterbrochen, -eine Art von Weg durch ein buntes Gemisch von Bäumen, -Brotbäumen, Eisenbäumen, Bouraos, Kokosnußbäumen, -Hibiscus, Pandanus, Guavabäumen und Riesenfarnen, eine -tolle Vegetation, die immer wilder und dichter und schließlich -zu einem immer undurchdringlicheren Dickicht wird, -je weiter man zum Mittelpunkt der Insel vordringt. -</p> - -<p> -Wir gingen beide nackt, mit dem weißblauen Paréo -umgürtet, das Beil in der Hand und mußten unzählige -Male den Bach durchschreiten, um ein Stück Weges abzuschneiden, -den mein Führer mehr mit dem Geruche als -mit dem Auge zu entdecken schien, denn ein prächtiges -Gewirr von Gras, Blättern und Blumen hatte den Boden -ganz bedeckt. -</p> - -<p> -Es herrschte vollkommene Stille, trotz des klagenden -Rauschens des Wassers in den Felsen, eines einförmigen -Rauschens, einer sanften, leisen Klage – wie die Begleitung -der Stille. -</p> - -<p> -Und in diesem Walde, in dieser Einsamkeit, dieser Stille -wir beide allein, – er, ein ganz junger Mann, und ich, -fast ein Greis, dem viele Illusionen den zarten Hauch von -der Seele gestreift, viele Anstrengungen den Körper erschlafft -und eine physisch und moralisch kranke Gesellschaft -ihre Laster, dies alte verhängnisvolle Erbe hinterlassen! -</p> - -<p> -Mit der animalisch geschmeidigen Anmut seiner Androgynen-Gestalt -schritt er vor mir her. Ich meinte die -ganze Pflanzenpracht ringsum in ihm verkörpert zucken -und leben zu sehen. -</p> - -<p> -War es ein Mensch, der da vor mir ging? War es der -kindliche Freund, bei dem mich das Einfache und Komplizierte -seiner Natur zugleich angezogen? War es nicht -vielmehr der Wald selber, der lebendige Wald, geschlechtlos -und – verführerisch? -</p> - -<p> -Bei diesen nackten Völkerschaften ist der Unterschied -der Geschlechter, wie bei den Tieren, weniger betont als -in unsern Klimaten. Mit Gürtel und Schnürleib ist es uns -gelungen, aus der Frau eine Anomalie, ein künstliches -Wesen zu schaffen, das die Natur uns, den Gesetzen der -Vererbung gehorchend, zu komplizieren und zu entkräften -hilft, und das wir sorgfältig in einem Zustand nervöser -Schwäche und unzulänglicher Muskelkraft erhalten, indem -wir es vor Ermüdung bewahren und ihm die Gelegenheit -nehmen, sich zu entwickeln. Da unsere Frauen nach einem -so bizarren Ideal von Schlankheit geformt sind – bei dem -wir, seltsam genug, verharren –, haben sie nichts Gemeinsames -mehr mit uns, was vielleicht nicht ohne ernste -moralische und soziale Nachteile bleibt. -</p> - -<p> -Auf Tahiti kräftigt die Wald- und Meeresluft die Lungen, -macht Schultern und Hüften breit, und weder Männer -noch Frauen werden von den Strahlen der Sonne und den -Kieselsteinen am Strande verschont. Sie verrichten zusammen -die gleichen Arbeiten, mit demselben Fleiß oder -demselben Gleichmut. Es ist etwas Männliches an diesen, -und an jenen etwas Weibliches. -</p> - -<p> -Diese Ähnlichkeit der Geschlechter erleichtert ihre Beziehungen, -und die stete Nacktheit gibt den Sitten eine -natürliche Unschuld und vollkommene Reinheit, weil den -Gemütern die Beschäftigung mit dem gefährlichen Mysterium -fehlt, das einen „glücklichen Zufall“ so bedeutungsvoll -macht, und ihnen das verstohlene oder sadistische -Wesen der Liebe bei den Kulturmenschen fremd ist. -Mann und Frau, die Kameraden und mehr Freunde als -Liebende sind, leben in Freud und Leid fast unausgesetzt -zusammen, und selbst den Begriff des Lasters kennen sie -nicht. -</p> - -<p> -Warum erwachte in diesem Rausch von Duft und Licht -nun plötzlich bei dem alten Kulturmenschen, mit dem Reiz -des Neuen, Unbekannten, trotz der geringeren sexuellen -Unterschiede, jene furchtbare Begierde? -</p> - -<p> -Das Fieber pochte in meinen Schläfen und mir wankten -die Knie. -</p> - -<p> -Aber der Weg war zu Ende, mein Gefährte wandte sich, -um den Bach zu durchschreiten, und kehrte sich mir bei -der Bewegung zu: der Androgyne war verschwunden. Es -war ein wirklicher Jüngling, der vor mir schritt, und seine -ruhigen Augen hatten die feuchte Klarheit des Wassers. -</p> - -<p> -Sogleich kam wieder der Friede über mich. -</p> - -<p> -Wir rasteten einen Augenblick, und ich empfand einen -unendlichen, eher geistigen als sinnlichen Genuß, als ich -in das frische Wasser tauchte. -</p> - -<p> -– Toë, toë (es ist kalt), sagte Jotéfa. -</p> - -<p> -– O nein! erwiderte ich. Und dieser Ausruf, der zu -dem Beschluß des Kampfes paßte, den ich im Geiste eben -gegen eine ganze verderbte Zivilisation bestanden hatte, -weckte ein lautes Echo im Walde. Und ich sagte mir, daß -die Natur mich hatte kämpfen sehen, daß sie mich hörte -und mich verstand, denn jetzt antwortete sie auf meinen -Siegesruf mit ihrer klaren Stimme, daß sie nach dieser -Prüfung willig sei, mich in die Reihe ihrer Kinder aufzunehmen. -</p> - -<p> -Wir setzten unseren Weg fort, und ich drang mit leidenschaftlichem -Eifer immer tiefer in das Dickicht, als könnte -ich dadurch bis ans Herz dieser gewaltigen, mütterlichen -Natur vordringen und mich mit ihren lebenden Elementen -vereinen. -</p> - -<p> -Mit ruhigem Blick ging mein Gefährte immer gleichen -Schritts vor mir her. Er war ohne Argwohn, ich trug die -Last meines bösen Gewissens allein. -</p> - -<p> -Wir langten an unserm Ziel an. -</p> - -<div class="centerpic"> -<img src="images/032a.jpg" alt="" /></div> - -<p> -Die steilen Wände des Berges waren allmählich flacher -geworden, und hinter einem dichten Vorhang von Bäumen -dehnte sich, wohl versteckt, eine Art Plateau aus. Aber -Jotéfa kannte die Stelle und leitete mich mit erstaunlicher -Sicherheit hin. -</p> - -<p> -Ein Dutzend Rosenholzbäume breiteten dort ihr gewaltiges -Geäst aus. -</p> - -<p> -Wir fällten den schönsten mit dem Beil und mußten -ihn ganz opfern, um ihm einen für mein Vorhaben passenden -Zweig zu rauben. -</p> - -<p> -Das Fällen machte mir Freude, und mit wahrem Vergnügen -und freudiger Erregung in mir, ich weiß nicht -welch göttlich rohe Begierde zu befriedigen, riß ich mir -die Hände blutig. Nicht auf den Baum hieb ich ein, nicht -ihn wollte ich überwältigen. Und dennoch hätte ich den -Klang meines Beiles gern noch an andern Stämmen vernommen, -als dieser am Boden lag. -</p> - -<p> -Und was mein Beil mir im Takt mit den hallenden -Schlägen sagte, war dies: -</p> - -<div class="poem-container"> - <div class="poem"> - <div class="stanza"> - <p class="verse">Den ganzen Wald mußt du niederschlagen!</p> - <p class="verse">Den ganzen Wald des Bösen vernichten,</p> - <p class="verse">Der seine Keime dir einblies mit giftigem Hauch!</p> - <p class="verse">Zerstöre die Eigenliebe in dir!</p> - <p class="verse">Zerstöre das Böse und reiß es heraus,</p> - <p class="verse">Wie die Lotosblume im Herbst!</p> - </div> - </div> -</div> - -<p class="noindent"> -Ja, von nun an ist der alte Kulturmensch verschwunden, -tot. Ich ward wiedergeboren – oder vielmehr ein anderer -Mensch, ein reiner, stärkerer erstand in mir. -</p> - -<p> -Dieser furchtbare Anfall war der letzte Abschied von -der Zivilisation: vom Bösen. Und dieser letzte Beweis -verderbter Instinkte, die auf dem Grunde aller dekadenten -Seelen schlummern, erhöhte durch den Kontrast die gesunde -Einfachheit des Lebens, mit dem ich schon den -ersten Anfang gemacht, bis zu einem Gefühl unsagbarer -Wonne. -</p> - -<p> -Gierig atmete ich die herrliche, reine Luft ein. Von -nun an war ich ein andrer Mensch: ein wahrer Wilder, -ein echter Maorie. -</p> - -<p> -Jotéfa und ich kehrten nach Mateïéa zurück und trugen -vorsichtig und einträchtig unsere schwere Rosenholzlast: -<em>noa, noa</em>! -</p> - -<p> -Die Sonne war noch nicht untergegangen, als wir sehr -ermüdet vor meiner Hütte anlangten. -</p> - -<p> -Jotéfa sagte zu mir: -</p> - -<p> -– Païa? -</p> - -<p> -– Ja, erwiderte ich. -</p> - -<p> -Und im Grunde meines Herzens wiederholte ich für -mich: -</p> - -<p> -– Ja! -</p> - -<p> -Ich machte keinen Schnitt in dieses Rosenholz, ohne -jedesmal stärker den Duft des Sieges und der Verjüngung -einzuatmen: <em>noa, noa</em>! -</p> - -<p> -Durch das Tal von Punaru – eine tiefe Kluft, die -Tahiti in zwei Teile trennt – gelangt man zu dem Plateau -von Tamanoü. Von dort kann man das Diadem, Oroféna -und Aroräï, – den Mittelpunkt der Insel sehen. -</p> - -<p> -Man hatte mir davon oft wie von etwas Wunderbarem -gesprochen, und ich hatte mir vorgenommen, allein hinzugehen -und dort einige Tage zu verbringen. -</p> - -<p> -– Aber was wirst du nachts machen? -</p> - -<p> -– Die Tupapaüs<a class="fnote" href="#footnote-3" id="fnote-3">[3]</a> werden dich ängstigen! -</p> - -<p> -– Man darf die Berggeister nicht stören. -</p> - -<p> -... Du bist toll! -</p> - -<p> -Ich war es wahrscheinlich, denn diese besorgte Unruhe -meiner tahitischen Freunde stachelte meine Neugierde -nur noch mehr. -</p> - -<p> -In einer Nacht machte ich mich also vor Tagesanbruch -auf. -</p> - -<p> -Etwa zwei Stunden konnte ich einen Pfad an dem einen -Ufer des Punaru-Flusses verfolgen. Aber dann war ich -mehrmals gezwungen, den Fluß zu überschreiten. Zu -beiden Seiten ragten steile Bergwände, auf enorme Felsblöcke -wie auf Strebepfeiler gestützt, bis in die Mitte des -Wassers vor. -</p> - -<p> -Mir blieb schließlich nichts anderes übrig, als meinen -Weg mitten im Fluß fortzusetzen. Das Wasser ging mir -bis zu den Knien, zuweilen bis zu den Schultern. -</p> - -<p> -Zwischen den beiden Wänden, die mir von unten erstaunlich -hoch und oben sehr nah aneinander schienen, war die -Sonne am hellen Tage kaum sichtbar. Mittags unterschied -ich an dem tiefblauen Himmel funkelnde Sterne. -</p> - -<p> -Gegen fünf Uhr, beim Eintritt der Dunkelheit, begann -ich darüber nachzudenken, wo ich die Nacht zubringen -sollte, als ich zur Rechten etwa ein Hektar fast flaches -Land mit einem Gemisch von Farnen, wilden Bananen -und Bouraos bemerkte. Ich hatte das Glück, ein paar reife -Bananen zu finden, und machte eilig ein Holzfeuer, sie -für mein Mahl zu kochen. -</p> - -<p> -Dann legte ich mich zum Schlafen, so gut es ging, auf -die untersten Zweige eines Bananenbaumes, dessen Blätter -ich ineinander geflochten hatte, um mich vor Regen zu -schützen. -</p> - -<p> -Es war kalt, und ich fröstelte nach dem Marsch im Wasser. -</p> - -<p> -Ich schlief schlecht. -</p> - -<p> -Aber ich wußte, daß der Morgen nicht fern war und -ich weder Menschen noch Tiere zu fürchten hatte. Hier -auf Tahiti gibt es weder Raubtiere noch Reptilien. Die -einzigen „wilden Tiere“ sind die frei im Walde lebenden -Schweine. Ich hatte höchstens einen Angriff auf meine -Beine zu fürchten und behielt darum den Griff meines -Beiles in der Hand. -</p> - -<p> -Die Nacht war finster. Unmöglich etwas zu unterscheiden, -außer nahe an meinem Kopf eine Art phosphoreszierenden -Staubes, der mich seltsam beunruhigte. -Ich lächelte bei dem Gedanken an die Erzählungen der -Maories von den Tupapaüs, jenen bösen Geistern, die in -der Finsternis erwachen, um schlafende Menschen zu -ängstigen. Ihr Reich ist im Herzen des Berges, den der -Wald in ewige Schatten hüllt. Dort wimmelt es von ihnen, -und ihre Legionen wachsen unaufhörlich durch die Geister -aller Verstorbenen. -</p> - -<p> -Wehe dem Lebenden, der sich an einen von Dämonen -bewohnten Ort wagt! ... -</p> - -<p> -Ich war dieser Tollkühne. -</p> - -<p> -Meine Träume waren freilich auch sehr aufregend. -</p> - -<p> -Jetzt weiß ich, daß dieser leuchtende Staub von einer -besonderen Art kleiner Champignons herrührt, die an -feuchten Stellen auf abgestorbenen Zweigen wachsen wie -jene, deren ich mich zum Feueranmachen bedient hatte. -</p> - -<p> -Am folgenden Tage machte ich mich frühzeitig wieder -auf den Weg. -</p> - -<p> -Der immer wechselvoller gestaltete Fluß, der bald Bach, -bald Strom, bald Wasserfall war, machte seltsam launenhafte -Krümmungen und schien zuweilen in sich selbst -zurückzufließen. Ich verlor unaufhörlich den Weg und -mußte mir von Zweig zu Zweig oft mit den Händen vorwärts -helfen, wobei ich selten den Boden berührte. Vom -Grunde des Wassers sahen Krebse von außerordentlicher -Größe zu mir empor und schienen zu sagen: Was tust du -hier? – und hundertjährige Aale flohen bei meinem Nahen. -</p> - -<p> -Plötzlich, bei einer jähen Wendung, bemerkte ich an -einen Felsvorsprung gelehnt, den es mit beiden Händen -eher liebkoste als es sich daran hielt, ein junges, nacktes -Mädchen. Es trank aus einer Quelle, die leise aus großer -Höhe zwischen den Steinen rieselte. -</p> - -<p> -Nachdem es getrunken hatte, nahm es Wasser in beide -Hände und ließ es zwischen den Brüsten niederrinnen. -Dann – obwohl ich nicht das geringste Geräusch gemacht -hatte – senkte es wie eine furchtsame Antilope, die instinktmäßig -die Gefahr wittert, den Kopf und blickte -forschend nach dem Dickicht, wo ich unbeweglich stand. -Mein Blick begegnete dem ihren nicht. Aber kaum hatte -sie mich erspäht, als sie mit dem Ruf: Taëhaë! (wütend) -untertauchte. -</p> - -<p> -Ich stürzte an den Fluß: niemand, nichts – nur ein -riesiger Aal, der sich zwischen den kleinen Kieseln auf -dem Grunde hinwand. -</p> - -<p> -Nicht ohne Schwierigkeit langte ich endlich nahe beim -Aroraï, dem Gipfel des gefürchteten heiligen Berges, an. -</p> - -<p> -Es war Abend, der Mond ging auf, und als ich ihn die -rauhe Stirn des Berges weich in seinen leichten Schimmer -hüllen sah, erinnerte ich mich der berühmten Sage: -</p> - -<p> -<em>Paraü Hina Tefatou</em> (Hina sprach zu Tefatou ...), -eine uralte Sage, die die Mädchen abends gern erzählen -und für die sie als Schauplatz gerade den Ort bezeichnen, -wo ich mich befand. -</p> - -<p> -Ich glaubte es zu sehen: -</p> - -<p> -Den mächtigen Kopf eines Gottmenschen, das gewaltige -Haupt eines Helden, dem die Natur das stolze Bewußtsein -seiner Kraft gegeben, ein herrliches Riesenantlitz, -wie an der Schwelle des Alls. Und eine sanfte zärtliche -Frau, die leise das Haar des Gottes berührt und spricht: -</p> - -<p> -– Lasse den Menschen wieder auferstehen, wenn er -gestorben ist ... -</p> - -<p> -Und die strengen, doch nicht grausamen Lippen des -Gottes öffnen sich, um zu antworten: -</p> - -<p> -Nein, ich werde ihn nicht auferstehen lassen. Der -Mensch wird sterben; die Pflanzen werden sterben wie -sie, die sich davon nähren, die Erde wird untergehen, sie -wird untergehen, um nicht wieder zu erstehen. -</p> - -<p> -Hina erwiderte: -</p> - -<p> -– Tue, wie es dir gefällt. Ich aber werde den Mond -wieder auferstehen lassen. -</p> - -<p> -Und was Hina gehörte, fuhr fort zu leben. Was Tefatou -gehörte, ging unter, und der Mensch mußte sterben. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Ich war seit einiger Zeit mißmutig geworden. Meine -Arbeit litt darunter. Es fehlten mir viele wesentliche -Hilfsmittel, es verstimmte mich, künstlerischen Aufgaben, -die mich berauschten, machtlos gegenüberzustehen, -aber hauptsächlich fehlte mir die Lust. -</p> - -<p> -Seit mehreren Monaten war ich von Titi getrennt, -hatte seit Monaten nicht mehr ihr übermütig kindliches, -zwitscherndes Geplauder über dieselben Dinge und dieselben -Fragen gehört, auf die ich immer mit denselben -Geschichten antwortete. -</p> - -<p> -Und diese Stille tat mir nicht gut. Ich beschloß fortzugehen, -eine Fahrt um die Insel zu machen, für die ich -kein bestimmtes Ziel festsetzte. -</p> - -<p> -Während ich meine Vorbereitungen traf – ein paar -leichte Pakete für die Bedürfnisse der Reise – und meine -Studien ordnete, schaute mein Nachbar und Freund Anani -mir beunruhigt zu. Nach langem Zögern, begonnenen -und wieder unterbrochenen Gebärden, deren klare Deutlichkeit -mich sehr belustigte und zugleich rührte, entschloß -er sich endlich, mich zu fragen, ob ich mich anschickte -fortzugehen. -</p> - -<p> -– Nein, erwiderte ich, ich will nur einen Ausflug von -mehreren Tagen machen. -</p> - -<p> -Ich komme wieder. -</p> - -<p> -Er glaubte mir nicht und fing an zu weinen! -</p> - -<p> -Sein Weib gesellte sich zu ihm und versicherte mich -ihrer Zuneigung, sagte mir, daß ich kein Geld brauche, -um unter ihnen zu leben, daß ich, wenn ich wollte, einst -für immer <em>dort</em> ruhen könnte – sie wies auf einen mit -einem Bäumchen geschmückten Grabhügel nahe bei ihrer -Hütte. -</p> - -<p> -Und plötzlich verlangte mich danach – dort – zu -ruhen. Da würde mich wenigstens in alle Ewigkeit niemand -stören ... -</p> - -<p> -– Ihr Europäer seid seltsam, fügte das Weib des Anani -hinzu. Ihr kommt, ihr versprecht zu bleiben, und wenn -man euch lieb hat, geht ihr wieder? -</p> - -<p> -Ihr sagt, ihr kommt wieder, aber ihr kehrt niemals -zurück! -</p> - -<p> -– Ich aber schwur, daß es meine Absicht sei, <em>diesmal</em> -wiederzukommen. -</p> - -<p> -Später (ich wagte nicht zu lügen), später wüßte ich -noch nicht ... -</p> - -<p> -Schließlich ließen sie mich ziehen. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Ich weiche von dem Weg ab, der am Strande entlang -geht, und schlage einen schmalen Pfad durch tiefes Dickicht -ein. Der Weg führt mich so weit ins Gebirge, daß -ich nach Verlauf einiger Stunden ein kleines Tal erreiche, -<a id="corr-3"></a>dessen Bewohner noch nach altem maorischem Brauch -leben. -</p> - -<p> -Sie sind still und glücklich. Sie träumen, sie lieben, -schlafen und singen, – sie beten, und das Christentum -scheint noch nicht bis hierher gedrungen zu sein. Deutlich -sehe ich die Statuen ihrer Gottheiten vor mir, obwohl -sie in Wirklichkeit längst verschwunden sind, besonders die -Statue der Hina, und die Feste zu Ehren der Mondgöttin. -Das Götzenbild, aus einem einzigen Block, mißt zehn -Fuß von einer Schulter zur andern und vierzig Fuß in -der Höhe. Auf dem Haupte trägt sie in Gestalt einer -Kappe einen riesigen Stein von rötlicher Farbe. Um sie -herum wird nach altem Ritus der <em>Matamua</em> getanzt, -und das Vivo<a class="fnote" href="#footnote-4" id="fnote-4">[4]</a> stimmt seinen Ton je nach der Farbe der -Stunde froh, heiter oder düster und traurig ... -</p> - -<p> -Ich setze meinen Weg fort. -</p> - -<p> -In Taravao – dem weitest entfernten Distrikt von Mataïéa, -am andern äußersten Ende der Insel – leiht ein -Gendarm mir sein Pferd, und ich trabe an der von Europäern -wenig besuchten Küste entlang. -</p> - -<p> -In Faone, einem kleineren Ort vor dem bedeutenderen -Itia, ruft mich ein Eingeborner an. -</p> - -<p> -– He! Mann, der Menschen macht! (er weiß, daß ich -Maler bin.) <em>Haëré mai ta maha</em> (Komm und iß mit -uns: die tahitische Formel der Gastfreundschaft). -</p> - -<p> -Ich lasse mich nicht bitten, so anmutend und herzlich -ist das die Einladung begleitende Lächeln. -</p> - -<p> -Ich steige vom Pferde. Mein Wirt nimmt das Tier am -Zaum und bindet es ohne eine Spur von Unterwürfigkeit -geschickt an einen Baum. -</p> - -<p> -Dann treten wir miteinander in eine Hütte, wo Männer -und Frauen plaudernd und rauchend auf dem Boden -sitzen. Um sie her spielen und tummeln sich die Kinder. -</p> - -<p> -– Wohin willst du? fragte mich eine schöne, etwa -vierzigjährige Maorie. -</p> - -<p> -Ich will nach Itia. -</p> - -<p> -– Wozu? -</p> - -<p> -Ich weiß nicht, was mir in den Sinn kam, oder vielleicht -nannte ich den wahren, mir bis dahin noch selber -verborgenen Zweck meiner Reise. -</p> - -<p> -– Um dort eine Frau zu suchen, antwortete ich. -</p> - -<p> -– In Faone gibt es viele und hübsche. Willst du eine -von ihnen? -</p> - -<p> -– Ja! -</p> - -<p> -– Wohlan! Gefällt sie dir, so will ich sie dir geben. -Es ist meine Tochter. -</p> - -<p> -– Ist sie jung? -</p> - -<p> -– Ja. -</p> - -<p> -– Ist sie hübsch? -</p> - -<p> -– Ja. -</p> - -<p> -– Ist sie gesund? -</p> - -<p> -– Ja. -</p> - -<p> -– Gut. So bringe sie mir. -</p> - -<p> -Die Frau ging hinaus. -</p> - -<p> -Nach einer Viertelstunde, als das Mahl – wilde Bananen -und Krabben – aufgetragen wurde, kam sie in Begleitung -eines jungen Mädchens wieder herein, das ein -kleines Bündel in der Hand hielt. -</p> - -<p> -Durch das Gewand von sehr durchsichtigem rosa Musselin -schimmerte die goldige Haut ihrer Schultern und -Arme. Zwei Knospen hoben sich schwellend an ihrer -Brust. Es war ein schlankes, großes, kräftiges Kind von -wunderbarem Ebenmaß. Aber in dem schönen Gesicht -fand ich nicht jenen Typus wieder, der mir sonst überall -auf der Insel begegnet war. Auch das Haar war ungewöhnlich -buschig und leicht gewellt. In der Sonne bot -alles dies eine wahre Orgie von Chrom. -</p> - -<p> -Man sagte mir, daß sie von den Tongas abstamme. -</p> - -<p> -Ich begrüßte sie, sie lächelte und setzte sich neben mich. -</p> - -<p> -– Du hast keine Furcht vor mir? fragte ich. -</p> - -<p> -– Aïta (nein). -</p> - -<p> -– Willst du für immer in meiner Hütte wohnen? -</p> - -<p> -– Eha (ja). -</p> - -<p> -– Du bist nie krank gewesen? -</p> - -<p> -– Aïta. -</p> - -<p> -Das war alles. -</p> - -<p> -Mir schlug das Herz, während das Mädchen gelassen -am Boden vor mir die Speisen auf einem großen Bananenbrett -für mich anrichtete. Ich aß mit gutem Appetit, aber -ich war zerstreut und tief erregt. Dieses Kind von etwa -dreizehn Jahren (achtzehn bis zwanzig in Europa) entzückte -mich, schüchterte mich ein und erschreckte mich -fast. Was mochte in dieser Seele vorgehen? Und ich, -der so alt war im Vergleich zu ihr, ich zögerte einen -Augenblick, den so eilig abgeschlossenen Vertrag zu unterzeichnen, -bei dem doch alle Vorteile auf meiner Seite -waren! -</p> - -<p> -Vielleicht – dachte ich – gehorchte sie einem Befehl -der Mutter. Vielleicht ist es ein Handel, den sie unter -sich ausgemacht haben ... -</p> - -<p> -Ich beruhigte mich, als ich in den Zügen des jungen -Mädchens, in seinem Gebaren und seiner Haltung die -Zeichen wahrer Unabhängigkeit und eines Stolzes erkannte, -die so charakteristisch für seine Rasse sind. Und mein -Vertrauen ward vollkommen und unerschütterlich, als -ich nach eingehender Forschung deutlich jenen Ausdruck -von Heiterkeit bei ihr wahrnahm, der bei jungen Wesen -immer eine ehrenhafte, löbliche Handlung begleitet. – -Allein der spöttische Zug um ihren hübschen, weichen, -sinnlichen Mund war mir eine Gewähr dafür, daß die -Gefahren des Abenteuers nur für mich bestanden, nicht -für sie ... -</p> - -<p> -Ich leugne nicht, daß mir in einer seltsam bedrückenden -Angst ganz beklommen zumute war, als ich die -Schwelle der Hütte überschritt. -</p> - -<p> -Die Stunde der Abreise war gekommen. Ich stieg zu -Pferde. -</p> - -<p> -Das Mädchen folgte mir, von der Mutter, einem Mann -und zwei jungen Frauen – seinen Tanten, wie es sagte -– begleitet. -</p> - -<p> -Wir kehrten nach Taravao zurück, das neun Kilometer -von Faone entfernt ist. -</p> - -<p> -Nach dem ersten Kilometer hieß es: -</p> - -<p> -– Parahi téié (hier mache Halt). -</p> - -<p> -Ich stieg vom Pferde, und wir traten alle sechs in eine -große, sauber gehaltene, beinahe reiche, mit hübschen -Matten ausgestattete Hütte. -</p> - -<p> -Ein noch junges und außerordentlich liebenswürdiges -Paar bewohnte sie. Meine Braut setzte sich neben die -Frau und stellte mich vor. -</p> - -<p> -– Dies ist meine Mutter, sagte sie. -</p> - -<p> -Dann wurde schweigend ein Becher mit frischem Wasser -gefüllt, von dem wir alle der Reihe nach feierlich tranken, -als handele es sich um einen alten frommen Brauch. -</p> - -<p> -Hierauf sagte die eben von meiner Braut als ihre Mutter -bezeichnete Frau mit gerührtem Blick und feuchten Wimpern -zu mir: -</p> - -<p> -– Du bist gut? -</p> - -<p> -Nicht ohne Verwirrung antwortete ich nach einer Prüfung -meines Gewissens: -</p> - -<p> -– Ich hoffe es. -</p> - -<p> -– Wirst du meine Tochter glücklich machen? -</p> - -<p> -– Ja. -</p> - -<p> -– In acht Tagen muß sie wiederkommen. Wenn sie -nicht glücklich ist, wird sie dich verlassen. -</p> - -<p> -Ich willigte mit einer Gebärde ein. Allgemeines Schweigen. -Niemand schien eine Unterbrechung zu wagen. -</p> - -<p> -Endlich gingen wir hinaus, ich bestieg wieder mein -Pferd und brach, immer von meinem Gefolge geleitet, -von neuem auf. -</p> - -<p> -Unterwegs begegneten wir mehreren Personen, die meine -Familie kannten. Sie waren bereits von dem Ereignis -unterrichtet und sagten, als sie das Mädchen begrüßten: -</p> - -<p> -– Bist du jetzt wirklich die Vahina eines Franzosen? -Viel Glück! -</p> - -<p> -Ein Punkt beunruhigte mich. Wie kam Tehura (so hieß -meine Frau) zu zwei Müttern? -</p> - -<p> -Ich fragte die erste, die sie mir angeboten hatte: -</p> - -<p> -– Warum hast du gelogen? -</p> - -<p> -Die Mutter Tehuras antwortete: -</p> - -<p> -– Ich habe nicht gelogen. Die andere ist auch ihre -Mutter, sie ist ihre Amme. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -In Taravao gab ich dem Gendarm sein Pferd zurück, -und es kam zu einem peinlichen Vorfall. Die Frau des -Gendarmen, eine Französin, sagte zwar ohne Spott, aber -taktlos zu mir: -</p> - -<p> -– Was! Sie nehmen sich eine solche Dirne mit? -</p> - -<p> -Und ihre boshaften Augen entkleideten das junge Mädchen, -das dieser beleidigenden Prüfung mit vollkommener -Kaltblütigkeit begegnete. -</p> - -<p> -Ich betrachtete einen Augenblick dies symbolische Schauspiel, -das die beiden Frauen mir boten: Hier erste Blütezeit, -Glaube und Natur, dort Dürre, Zwang und Künstelei. -Zwei feindliche Rassen standen sich gegenüber, und ich -schämte mich der meinigen. Ich litt darunter, sie so kleinlich -und verständnislos zu sehen, und wandte mich schnell -ab, um mich an dem Glanz der andern, an diesem lebenden -Gold zu erfreuen und zu erwärmen, das ich schon -liebte. -</p> - -<p> -In Taravao verabschiedete die Familie sich bei dem -Chinesen von uns, wo alles zu haben ist, verfälschte Liköre -und Früchte, Waffen und Stoffe, Männer, Frauen -und Vieh. -</p> - -<p> -Meine Frau und ich benutzten einen Wagen, der uns -25 Kilometer weiter, in Mateïéa, vor meiner Hütte absetzte. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Meine Frau war nicht sehr gesprächig, heiter und melancholisch -zugleich, vor allem aber spottlustig. -</p> - -<div class="centerpic"> -<img src="images/048a.jpg" alt="" /></div> - -<p> -Wir hörten nicht auf, uns gegenseitig zu studieren, aber -sie blieb unergründlich, und ich war bald der Besiegte in -diesem Kampf. -</p> - -<p> -Der gute Vorsatz, mich zu überwachen, zu beherrschen, -um ein scharfsichtiger Beobachter zu werden, half mir -wenig, meine Kraft ging bald zu Ende – und ich war für -Tehura in kurzer Zeit ein offenes Buch. -</p> - -<p> -Ich ward nun gewissermaßen auf meine Kosten und an -meiner eignen Person der tiefen Kluft gewahr, die eine -australische Seele von einer lateinischen und besonders -einer französischen Seele trennt. Die Seele der Maories -offenbart sich nicht sogleich. Es bedarf großer Geduld und -eines Studiums, um ihrer habhaft zu werden. Und selbst -wenn man sie von Grund aus zu kennen meint, bringt sie -einen durch ganz unvorhergesehene „Sprünge“ aus der -Fassung. Im Anfang aber ist sie ein Rätsel oder vielmehr -eine unendliche Reihe von Rätseln. Im Augenblick, da -man sie zu fassen meint, ist sie fern, unerreichbar, unnahbar -unter dem Mantel der Heiterkeit. Dann nähert -sie sich vielleicht freiwillig, um abermals zu entschlüpfen, -sobald man die geringste Gewißheit zu erkennen gibt. -Und während man, durch dies Gebaren verwirrt, ihr innerstes -Wesen sucht, bewahrt sie ihre unverwüstlich fröhliche -Zuversicht und sorglose Leichtherzigkeit, die vielleicht -weniger echt ist, als es den Anschein hat. -</p> - -<p> -Für mein Teil verzichtete ich bald auf Grübeleien, die -mich hinderten, mein Leben zu genießen. Voll Vertrauen -erwartete ich mit der Zeit Offenbarungen, die mir -anfangs verwehrt blieben. -</p> - -<p> -Die Woche verstrich so, und ich hatte ein Gefühl von -„Kindlichkeit“, das ich vormals nie gekannt. -</p> - -<p> -Ich liebte Tehura und sagte es ihr, aber es machte sie -lachen: sie wußte es ja! -</p> - -<p> -Auch sie schien mich zu lieben, doch sprach sie davon -nicht zu mir: – Aber zuweilen, in der Nacht, leuchtete -das Gold von Tehuras Haut ... -</p> - -<p> -Am achten Tag ... mir war, als hätten wir eben erst -miteinander unsere Hütte betreten – bat Tehura mich -um Erlaubnis, ihre Mutter in Faone zu besuchen. Es war -eine versprochene Sache. -</p> - -<p> -Betrübt fügte ich mich, band einige Piaster in ihr -Taschentuch, von denen sie die Kosten der Reise und -Rum für ihren Vater bestreiten konnte, und begleitete sie -zu dem Wagen. -</p> - -<p> -Ich hatte das Gefühl eines Abschieds für immer. -</p> - -<p> -Die folgenden Tage waren qualvoll. -</p> - -<p> -Die Einsamkeit trieb mich aus der Hütte, und Erinnerungen -riefen mich dahin wieder zurück. Keine Studie -vermochte meine Gedanken zu fesseln ... -</p> - -<p> -Eine zweite Woche verging, und Tehura kehrte zurück. -</p> - -<p> -Nun fing ein vollkommen glückliches Leben an. Glück -und Arbeit begannen zugleich mit der Sonne und strahlend -wie sie. Das Gold von Tehuras Antlitz erhellte das -Innere unserer Hütte und die Landschaft ringsum mit -einem Schimmer von Freude und Heiterkeit. Sie studierte -mich nicht mehr und ich nicht sie. Sie verheimlichte -mir ihre Liebe nicht länger, und ich sprach ihr -nicht mehr von der meinen. Wir lebten beide in aller -Einfachheit. -</p> - -<p> -Wie wohl tat es, sich morgens im nächsten Bach zu -erfrischen – ganz wie ich mir denke, daß es im Paradies -der erste Mann und das erste Weib getan! -</p> - -<p> -Paradies von Tahiti, <em>navé navé fénua</em>, – köstliches -Land! -</p> - -<p> -Und die Eva dieses Paradieses gestaltete sich immer -liebevoller und empfänglicher. Ich bin von ihrem Duft -durchdrungen: <em>noa, noa</em>! Sie ist zur rechten Zeit in mein -Leben getreten. Früher hätte ich sie vielleicht nicht verstanden, -und später wäre es zu spät gewesen. Jetzt verstehe -ich sie, wie ich sie liebe, und durch sie dringe ich -in Mysterien ein, die mir bis dahin unzugänglich waren. -</p> - -<p> -Allein mein Geist verarbeitet diese Entdeckungen noch -nicht, ich präge sie noch nicht meinem Gedächtnisse ein. -Alles was Tehura mir erzählt, erfasse ich nur mit Gefühl. -</p> - -<p> -In meinen Empfindungen und Eindrücken werde ich -ihre Worte einst wiederfinden. Durch ihre täglichen Mitteilungen -über ihr Leben führt sie mich sicherer, als es -durch irgendeine andere Methode geschehen könnte, zum -vollen Verständnis ihrer Rasse. -</p> - -<p> -Und ich habe kein Bewußtsein mehr von Tagen oder -Stunden, von Gut und Böse. Das Glück ist zuweilen so -seltsam, daß der Begriff davon fast aufgehoben wird. Ich -weiß nur, daß alles gut ist, weil alles schön ist. -</p> - -<p> -Und Tehura stört mich nie, wenn ich arbeite oder -träume. Instinktmäßig schweigt sie dann. Sie weiß sehr -gut, wann sie sprechen kann, ohne mich zu belästigen. -</p> - -<p> -Wir unterhalten uns über Tahiti, über Europa, über -Gott und Götter. Ich unterrichte sie und sie belehrt mich. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Ich mußte für einen Tag nach Papeete fahren. -</p> - -<p> -Zwar hatte ich versprochen, am selben Abend zurückzukehren, -aber der Wagen, den ich genommen, verließ -mich auf halbem Wege, ich mußte den Rest zu Fuß zurücklegen, -und es wurde 1 Uhr morgens, ehe ich zu Hause -anlangte. -</p> - -<p> -Als ich die Tür öffnete, sah ich beklommenen Herzens, -daß es drinnen dunkel war. Dies hatte an sich nichts -Merkwürdiges, denn wir besaßen augenblicklich nur wenig -Licht, und den Vorrat zu erneuern, war mit ein Grund -für meine Abwesenheit. Aber ich zitterte in einem plötzlichen -Gefühl der Furcht und des Argwohns, das ich für -eine Vorahnung hielt: der Vogel war gewiß davongeflogen -... -</p> - -<p> -Schnell zündete ich ein Streichholz an und sah – Tehura -reglos, nackt, platt hingestreckt auf dem Bett, die -Augen vor Angst übermäßig weit geöffnet. Sie sah mich -an und schien mich nicht zu erkennen. Ich selber blieb -einige Augenblicke in seltsamer Ungewißheit stehen. Tehuras -Entsetzen wirkte ansteckend. Mir war, als entströme -ihren starr blickenden Augen ein Phosphorschein. Niemals -hatte ich sie so schön, von so rührender Schönheit -gesehn. Und dann fürchtete ich in diesem, für sie sicherlich -von bedenklichen Erscheinungen belebten Halbdunkel -eine Bewegung zu machen, die sie erschrecken -und den Paroxysmus des Kindes steigern konnte. Wußte -ich denn, was ich in diesem Augenblick für sie war? Ob -sie mich mit meinem entsetzten Gesicht nicht für einen -Dämon oder Geist, einen der Tupapaüs hielt, die ihren -Sagen nach in schlaflosen Nächten erscheinen? Wußte -ich, wer sie selber eigentlich war? Die Intensität des Entsetzens, -von dem sie unter der physischen und moralischen -Gewalt ihres Aberglaubens besessen war, machte sie zu -einem fremden Wesen für mich, ganz verschieden von -allem, was ich bisher gekannt! -</p> - -<p> -Endlich kam sie zu sich, rief mich an, und ich ermannte -mich, sie zu schelten, zu beruhigen und zu beschwichtigen. -</p> - -<p> -Sie hörte mich schmollend an und sagte dann mit vor -Schluchzen zitternder Stimme: -</p> - -<p> -– Laß mich nicht wieder so allein ohne Licht ... -</p> - -<p> -Aber kaum war die Furcht eingeschlummert, als die -Eifersucht erwachte: -</p> - -<p> -– Was tatest du in der Stadt? Du hast Frauen besucht, -solche, die auf Märkten tanzen und trinken, die sich Offizieren -und Matrosen und jedem geben ... -</p> - -<p> -Ich ließ mich auf keinen Streit ein, und die Nacht ward -süß – süß und feurig, eine Tropennacht. -</p> - -<p> -Tehura war bald sehr liebevoll und vernünftig, bald -ausgelassen und sehr übermütig. Zwei entgegengesetzte -Wesen – ohne viele andere unendlich verschiedene mitzurechnen -– in einem vereint, die sich gegenseitig Lügen -straften und in betäubender Geschwindigkeit unvermittelt -aufeinander folgten. Sie war nicht veränderlich, sondern -doppelt, dreifach, hundertfach: das Kind einer <em>alten</em> Rasse. -</p> - -<p> -Eines Tages kommt ein Hausierer, der ewige Jude – -er macht die Inseln unsicher wie das Festland – und -bringt ein Kästchen mit Schmucksachen aus vergoldetem -Kupfer an. -</p> - -<p> -Er breitet seine Waren aus, und alle umringen ihn. -</p> - -<p> -Ein Paar Ohrringe gehen von Hand zu Hand. Die -Augen der Frauen leuchten, jede möchte sie haben. -</p> - -<p> -Tehura runzelt die Brauen und sieht mich an. Ihre -Augen reden sehr deutlich. Ich stelle mich, als ob ich sie -nicht verstände. -</p> - -<p> -Sie zieht mich in eine Ecke: -</p> - -<p> -– Ich will sie haben! -</p> - -<p> -Ich erkläre ihr, daß dieses Zeug in Frankreich gar keinen -Wert habe, daß sie aus <em>Kupfer</em> seien. -</p> - -<p> -– Ich will sie haben! -</p> - -<p> -– Nicht doch! Für solche Dummheit 20 Francs bezahlen! -Das wäre eine Torheit. Nein. -</p> - -<p> -– Ich will sie haben! -</p> - -<p> -Und mit leidenschaftlicher Zungenfertigkeit, die Augen -voll Tränen, dringt sie in mich: -</p> - -<p> -– Wie, würdest du dich nicht schämen, diesen Schmuck -in den Ohren einer andern zu sehen? Einer dort spricht -schon davon, sein Pferd zu verkaufen, um seiner Vahina -die Ohrringe zu schenken! -</p> - -<p> -Ich kann auf diese Torheit nicht eingehen und schlage -ihr es zum zweitenmal ab. -</p> - -<p> -Tehura blickt mich starr an, ohne noch ein Wort zu -verlieren, und weint. -</p> - -<p> -Ich gehe fort, komme wieder zurück, gebe dem Juden -schließlich die zwanzig Francs – und die Sonne scheint -wieder. -</p> - -<p> -Zwei Tage später war ein Sonntag. Tehura macht große -Toilette. Das Haar wird mit Seife gewaschen, dann in -der Sonne getrocknet und schließlich mit duftendem Öl -eingerieben. In ihrem schönsten Kleide, eins von <em>meinen</em> -Taschentüchern in der Hand, eine Blume hinterm -Ohr und mit – nackten Füßen geht sie zum Tempel. -</p> - -<p> -– Und deine Ohrringe? frage ich. -</p> - -<p> -Tehura verzieht verächtlich den Mund: -</p> - -<p> -– Sie sind ja aus Kupfer! -</p> - -<p> -Und mit lautem Lachen überschreitet sie die Schwelle -der Hütte und geht, plötzlich wieder ernst geworden, -davon. -</p> - -<p> -Die Mittagsruhe verbringen wir, wie an jedem andern -Tage, schlafend oder träumend nebeneinander. Vielleicht -sieht Tehura in ihrem Traume andere Ohrringe -glitzern. -</p> - -<p> -Ich möchte alles vergessen, was ich weiß, und immer -schlafen ... -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Eines Tages bei schönem Wetter – auf Tahiti keine -Ausnahme – beschlossen wir, uns morgens aufzumachen, -um Freunde zu besuchen, deren Hütte zehn Kilometer -von der unsrigen entfernt war. -</p> - -<p> -Da wir um sechs Uhr aufgebrochen waren, legten wir -den Weg in der Kühle schnell zurück und langten schon -um acht Uhr an. -</p> - -<div class="centerpic"> -<img src="images/056a.jpg" alt="" /></div> - -<p> -Wir wurden nicht erwartet: die Freude war groß, und -nach beendeter Begrüßung machten sie sich auf die -Suche nach einem Schwein, um uns ein Fest zu bereiten. -Es wurde geschlachtet und dem Schwein noch zwei -Hühner beigesellt. Eine prachtvolle, am Morgen gefangene -Tintenschnecke, einige Bananen und andere Früchte -vervollständigten das reichliche Mahl. Ich machte den -Vorschlag, in der Zeit bis zum Mittagessen die Grotten -von Mara zu besichtigen, die ich oft von fern gesehen -hatte, ohne jemals die Gelegenheit zu finden, sie aufzusuchen. -</p> - -<p> -Drei junge Mädchen, ein Knabe, Tehura und ich, -eine lustige kleine Gesellschaft, hatten das Ziel bald -erreicht. -</p> - -<p> -Vom Wegrand aus könnte man die fast ganz von Guavabäumen -verdeckte Grotte einfach für einen Felsenvorsprung -oder eine etwas tiefere Spalte halten. Aber -biegt man die Zweige zurück und gleitet man einen -Meter weiter hinunter, so ist keine Sonne mehr sichtbar, -man befindet sich in einer Art Höhle, deren Grund -an eine kleine Bühne mit hochroter, scheinbar etwa -100 m weit entfernter Decke erinnert. Hie und da an -den Wänden glaubt man riesige Schlangen sich langsam -dehnen zu sehen, um an der Oberfläche des inneren Sees -zu trinken. Aber es sind Wurzeln, die sich einen Weg -durch die Felsspalten bahnen. -</p> - -<p> -– Ob wir ein Bad nehmen? -</p> - -<p> -Ich erhalte zur Antwort, daß das Wasser zu kalt sei, -und abseits werden lange, von Lachen unterbrochene -Unterhandlungen geführt, die mich neugierig machen. -</p> - -<p> -Ich gebe nicht nach, und endlich entschließen die Mädchen -sich, sie legen ihre leichten Gewänder ab, und mit -dem Paréo umgürtet, sind wir bald alle im Wasser. -</p> - -<p> -– Toë, toë! rufen alle einstimmig. -</p> - -<p> -Das Wasser plätschert, und ihre Rufe werden von tausend -Echos zurückgeworfen, die das <em>toë, toë</em> wiederholen. -</p> - -<p> -– Kommst du mit mir, frage ich Tehura und zeige auf -den Grund. -</p> - -<p> -Bist du toll? Da hinunter, so weit! Und die Aale? Da -hinunter wagt man sich nie! -</p> - -<p> -Und anmutig schwang sie sich leicht auf das Ufer, wie -einer, der stolz ist, so gut schwimmen zu können. Aber -ich bin auch ein guter Schwimmer, und obwohl ich mich -nicht gern allein so weit fort wagte, steuerte ich auf den -Grund zu. -</p> - -<p> -Durch welch seltsames Phänomen der Luftspiegelung -mochte er sich aber immer mehr von mir entfernen, je -angestrengter ich mich bemühte, ihn zu erreichen? Ich -drang immer weiter vorwärts, und von allen Seiten blickten -die großen Schlangen mich spöttisch an. Einen -Augenblick glaubte ich eine große Schildkröte schwimmen -zu sehen, ihr Kopf ragte aus dem Wasser, und ich -unterschied zwei starre, glänzende Augen, die mich argwöhnisch -anschauten. – Torheit! dachte ich: die Meerschildkröten -leben nicht in süßem Wasser. Dennoch (bin -ich denn wirklich ein Maorie geworden?) kommen mir -Zweifel, und es fehlt wenig, daß mir schaudert. Was sind -das nur für breite, stille Wellen da vor mir? Aale! -</p> - -<p> -– Ach was, diese lähmende Empfindung von Furcht -muß abgeschüttelt werden! -</p> - -<p> -Ich ließ mich senkrecht hinunter, um auf den Grund -zu kommen. Doch ich mußte wieder hinauf, ohne daß -es mir gelungen war. Vom Ufer rief Tehura mir zu: -</p> - -<p> -– Komm zurück! -</p> - -<p> -Ich wende mich um und sehe sie sehr weit und ganz -klein. -</p> - -<p> -Warum geht die Entfernung auch hier bis ins Unendliche? -Tehura ist nur noch ein schwarzer Punkt in einem -leuchtenden Kreise. -</p> - -<p> -Ich bleibe hartnäckig und schwimme noch eine halbe -Stunde: der Grund scheint immer in der gleichen Entfernung -zu bleiben. -</p> - -<p> -Ein Ruhepunkt auf einem kleinen Plateau und dann -wieder ein gähnendes Loch – wohin mochte es führen? -Ein Geheimnis, das zu ergründen ich aufgebe. -</p> - -<p> -Ich gestehe, daß ich schließlich wirklich Furcht empfand. -</p> - -<p> -Ich brauchte eine volle Stunde, um mein Ziel zu erreichen. -</p> - -<p> -Tehura allein erwartete mich. Ihre Gefährtinnen waren -gleichgültig fortgegangen. -</p> - -<p> -Tehura sprach ein Gebet, und wir verließen die Grotte. -</p> - -<p> -Ich zitterte noch ein wenig – vor Kälte. Aber im -Freien erholte ich mich bald, besonders als Tehura mit -einem Lächeln, das mir nicht ganz frei von Spott zu sein -schien, fragte: -</p> - -<p> -– Du hast dich nicht gefürchtet? -</p> - -<p> -Mit Entrüstung erwiderte ich: -</p> - -<p> -– Wir Franzosen kennen keine Furcht. -</p> - -<p> -Tehura äußerte weder Mitleid noch Bewunderung. -Aber ich merkte, daß sie aus einem Augenwinkel forschend -nach mir spähte, als ich ein paar Schritte voranging, -um eine farbige Tiaré für ihren Haarbusch zu -pflücken. -</p> - -<p> -Der Weg war schön und herrlich das Meer. Vor uns -erhoben sich Moreas stolze grandiose Berge. -</p> - -<p> -Wie lebt es sich gut! Und mit welchem Appetit verzehrt -man nach einem zweistündigen Bad das lecker bereitete -Schweinchen, das uns im Hause erwartet! -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -In Mataïéa fand eine große Hochzeit statt – eine echte -Hochzeit, legal und religiös, wie die Missionare <a id="corr-5"></a>sie den -bekehrten Tahitianern vorschreiben. -</p> - -<p> -Ich war dazu eingeladen und Tehura begleitete mich. -</p> - -<p> -Das Mahl bildet auf Tahiti – wie überall, glaube ich -– die Hauptfeier. Auf Tahiti wenigstens entfaltet man -bei diesen Feierlichkeiten den größten kulinarischen -Luxus. Auf heißen Steinen gebratene Schweinchen, eine -unglaubliche Menge von Fischen, Bananen, Guaven, -Taros u. a. -</p> - -<p> -Der Tisch, an dem eine ansehnliche Zahl von Gästen -saß, stand unter einem improvisierten Dach, das anmutig -mit Blumen und Blättern geschmückt war. Alle Verwandten -und Freunde der Neuvermählten waren anwesend. -</p> - -<p> -Das junge Mädchen – die Lehrerin des Ortes, eine -Halb-Weiße – nahm einen echten Maorie, den Sohn des -Häuptlings von Punaauïa, zum Manne. Sie war in der -„frommen Schule“ von Papeete erzogen worden, und der -protestantische Bischof, der sich für sie interessierte, hatte -diese Heirat, die viele für etwas übereilt hielten, persönlich -vermittelt. – Was der Missionar will, ist Gottes -Wille, sagt man draußen ... -</p> - -<p> -Eine volle Stunde wird gespeist und – viel getrunken. -Dann beginnen die zahlreichen Reden. Sie werden der -Reihe nach und mit Methode gehalten, es ist ein sehr -komischer Wettstreit der Beredsamkeit. -</p> - -<p> -Nun kommt die wichtige Frage: welche der beiden -Familien gibt den Neuvermählten einen neuen Namen? -Dieser aus sehr alter Zeit stammende nationale Brauch -bedeutet ein geschätztes, sehr begehrtes und viel umstrittenes -Vorrecht. Nicht selten artet der Streit über diesen -Punkt in einen blutigen Kampf aus. -</p> - -<p> -Diesmal kam es nicht zu einem solchen. Alles verlief -fröhlich und friedlich. Allerdings war die Tischgesellschaft -stark berauscht. Selbst meine arme Vahina, die -nicht unter meiner Aufsicht bleiben konnte, kam, durch -das Beispiel verleitet, in einen furchtbaren Rausch, und -ich brachte sie nicht ohne Mühe nach Haus. -</p> - -<p> -Mitten am Tische thronte in bewundernswerter Würde -die Frau des Häuptlings von Punaauïa. Ihr auffallendes, -phantastisches Kleid von orangefarbenem Samt gab ihr -ungefähr das Aussehen einer Jahrmarktsheldin. Aber die -unverwüstliche Anmut ihrer Rasse, wie das Bewußtsein -ihres Ranges verlieh ihrem Flitter eine unbeschreibliche -Größe. Die Gegenwart dieser majestätischen Frau von -sehr reinem Typus gab diesem Fest eine stärkere Würze -als alles andere, und die Wirkung davon blieb nicht aus. -</p> - -<p> -Neben ihr saß eine hundertjährige Greisin, deren Hinfälligkeit -durch eine voll erhaltene Doppelreihe Menschenfresserzähne -abschreckend war. Sie nahm wenig teil an -dem, was um sie herum geschah, und blieb unbeweglich -starr, fast wie eine Mumie. Aber eine Tätowierung auf -ihrer Wange, ein dunkles, in seiner Form unbestimmtes -Zeichen, das an einen lateinischen Buchstaben erinnerte, -sprach in meinen Augen für sie und erzählte -mir ihre Geschichte. Die Tätowierung glich in nichts -der der Wilden: sie stammte sicherlich von europäischer -Hand! -</p> - -<p> -Ich erkundigte mich darnach. -</p> - -<p> -Ehemals, sagte man mir, als die Missionare gegen die -Fleischeslust eiferten, zeichneten sie „gewisse Frauen“ mit -dem Stempel der Ehrlosigkeit, dem „Höllensiegel“ – -dessen sie sich schämten, aber nicht etwa wegen der begangenen -Sünden, sondern wegen der Lächerlichkeit und der -Schande einer solchen „Auszeichnung“. -</p> - -<p> -An jenem Tage verstand ich besser denn je das Mißtrauen -der Maories den Europäern gegenüber, ein Mißtrauen, -das heute noch besteht, so milde es sich bei der -großmütigen und gastfreundlichen Natur der australischen -Seele auch zeigen mag. -</p> - -<p> -Wieviele Jahre lagen zwischen der von dem Priester -gezeichneten Greisin und dem von dem Priester verheirateten -jungen Mädchen: Das Zeichen bleibt unauslöschlich -und zeugt von dem Niedergang der Rasse, die sich -ihm unterwarf, und von der Niedrigkeit jener, die es ihr -aufzwang. -</p> - -<p> -Fünf Monate später brachte die junge Frau ein wohlgebildetes -Kind zur Welt. -</p> - -<p> -Entrüstet forderten die Eltern eine Scheidung. Der junge -Mann widersetzte sich: -</p> - -<p> -– Was tut es, da wir uns lieben, sagte er. Ist es bei -uns nicht Brauch, fremde Kinder anzunehmen? Ich -nehme dieses an. -</p> - -<p> -Warum aber hatte der Bischof sich so sehr bemüht, die -Trauung zu beschleunigen? Es wurde viel besprochen. -Böse Zungen behaupteten, daß ... -</p> - -<p> -Selbst auf Tahiti gibt es böse Zungen. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Abends im Bett haben wir lange Gespräche, mitunter -sehr ernste. -</p> - -<p> -Jetzt, wo ich Tehura verstehen kann, in der der Geist -ihrer Vorfahren noch schlummert und träumt, bemühe -ich mich durch diese Kinderseele zu sehen und zu denken -und in ihr die zwar toten, aber in vagen Erinnerungen -noch bestehenden Spuren der fernen Vergangenheit wiederzufinden. -</p> - -<p> -Ich stelle Fragen, und sie bleiben nicht alle ohne Antwort. -</p> - -<p> -Die von unsern Eroberungen mehr betroffenen und von -unserer Zivilisation stärker beeinflußten Männer haben -die alten Götter vielleicht vergessen. Aber im Gedächtnis -der Frauen haben diese sich einen Zufluchtsort bewahrt. -Und es ist ein rührendes Schauspiel für mich, wenn unter -meiner Einwirkung die alten nationalen Gottheiten allmählich -in Tehuras Erinnerung erwachen und die künstlichen -Schleier abwerfen, in die protestantische Missionare -sie einhüllen zu müssen geglaubt. Im ganzen war -das Werk der Katecheten ein sehr oberflächliches. Die -Erfolge ihrer Tätigkeit entsprachen, besonders bei den -Frauen, nur wenig ihren Erwartungen. Ihre Lehren sind -wie eine schwache Firnisschicht, die schnell bei der geringsten -Berührung abbröckelt und schwindet. -</p> - -<p> -Tehura besucht regelmäßig den Gottesdienst und befolgt -die Vorschriften der offiziellen Religion. Aber sie -weiß die Namen aller Götter des maorischen Olymps auswendig, -und das ist keine Kleinigkeit. Sie kennt ihre -Geschichte, sie lehrt mich, wie sie die Welt erschaffen haben, -wie sie herrschen und wie sie geehrt sein wollen. Die strengen -Lehren der christlichen Moral sind ihr fremd, oder sie -kümmert sich nicht darum, denkt z. B. nicht daran zu bereuen, -daß sie die Konkubine – wie sie es nennen – eines -Tané ist. -</p> - -<p> -Ich weiß nicht recht, wie sie Jesus und Taaro in ihrem -Glauben zueinander stellt. Ich glaube, sie verehrt alle beide. -</p> - -<p> -Nach und nach hat sie mir einen ganzen Kursus über -tahitische Religion gehalten. Dafür versuche ich ihr auf -Grund europäischer Kenntnisse einige Naturphänomene zu -erklären. -</p> - -<p> -Die Sterne interessieren sie sehr. Sie fragt mich nach -der französischen Benennung des Morgen-, des Abendsterns -und der anderen Gestirne. Es wird ihr schwer zu -begreifen, daß die Erde sich um die Sonne dreht ... -</p> - -<p> -Sie nennt mir die Sterne in ihrer Sprache, und während -sie erzählt, sehe ich beim Schein der Gestirne, die -selber Gottheiten sind, die heiligen Gestalten der maorischen -Beherrscher der Luft, des Feuers, der Inseln und -Meere deutlich vor mir. -</p> - -<p> -Die Bewohner von Tahiti haben immer, soweit man -auch in ihrer Geschichte zurückgreift, ziemlich ausgedehnte -Kenntnisse in der Astronomie besessen. Die periodischen -Feste der Aréoïs – Mitglieder einer geheimen -religiösen und zugleich politischen Gesellschaft, die auf -den Inseln herrschte – wurden nach der Stellung der -Gestirne bestimmt. Selbst die Natur des Mondlichtes -scheint den Maories nicht unbekannt gewesen zu sein. -Sie nehmen an, daß der Mond eine der Erde sehr ähnliche -Kugel sei, wie diese bewohnt und reich an Produkten wie -die unsrigen. -</p> - -<p> -Die Entfernung der Erde vom Monde schätzen sie auf -ihre Weise: – Eine weiße Taube brachte den Samen des -Baumes Ora vom Mond auf die Erde. Sie brauchte <em>zwei -Monde</em>, den Trabanten zu erreichen, und als sie nach -abermals zwei Monden auf die Erde fiel, war sie federlos. -– Dieser Vogel hat von allen den Maories bekannten Vögeln -den schnellsten Flug. -</p> - -<p> -Dies aber ist die tahitische Benennung der Sterne. Ich -vervollständige Tehuras Lektion mit Hilfe des Fragments -einer uralten Handschrift, die in Polynesien gefunden -wurde. -</p> - -<p> -Ist es zu gewagt, darin eher die erste Andeutung eines -von der Astronomie aufgestellten Systems, als ein zufälliges -Spiel der Phantasie zu sehen? -</p> - -<div class="em"> -<p> -Roüa – groß ist sein Stamm – schlief mit -seinem Weibe, der Düsteren Erde. -</p> - -<p> -Sie gebar ihren König, die Sonne, darauf die -Dämmerung, dann die Nacht. -</p> - -<p> -Da verstieß Roüa dieses Weib. -</p> - -<p> -Roüa – groß ist sein Stamm – schlief mit -der Frau, genannt „Grande Réunion“. -</p> - -<p> -Sie gebar die Königinnen des Himmels, die -Gestirne, sodann den Stern Tahiti, den Abendstern. -</p> - -<p> -Der König der goldenen Himmel, der einzige -König schlief mit seinem Weibe Fanoüi. -</p> - -<p> -Von ihr stammt das Gestirn Taüroüa (Venus), -der Morgenstern, der König Taüroüa, der dem -Tag und der Nacht und andern Sternen, dem -Mond und der Sonne gebeut und den Schiffern -als Führer dient. -</p> - -<p> -Taüroüa segelte links gen Norden, schlief -dort mit seinem Weibe und zeugte den Roten-Stern, -jenen Stern, der abends unter zwei Antlitzen -leuchtet. -</p> - -<p> -Der Rote-Stern flog gegen Osten und setzte -seine Piroge instand, die Piroge des hellen Tages, -und steuerte gen Himmel. Bei Sonnenaufgang -segelte er davon. -</p> - -<p> -Rehoüa tritt nun im weiten Raume auf. Er -schläft mit seinem Weibe Oüra Tanéïpa. -</p> - -<p> -Sie zeugten die Zwillings-Könige, den Plejaden -gegenüber. -</p> - -<p> -Diese Zwillings-Könige sind sicher dieselben wie unser -Kastor und Pollux. -</p> - -<p> -Die erste Version der polynesischen Genesis unterliegt -Veränderungen, die vielleicht nur Entwicklungen sind. -</p> - -<p> -Taaroa schlief mit der Frau, die sich Göttin -des Äußeren (oder des Meeres) nennt. -</p> - -<p> -Sie zeugten die weißen Wolken, die schwarzen -Wolken und den Regen. -</p> - -<p> -Taaroa schlief mit der Frau, die sich Göttin -des Innern (oder der Erde) nennt. -</p> - -<p> -Von ihnen stammt der erste Keim. Stammt -alles, was auf der Oberfläche der Erde wächst. -</p> - -<p> -Stammt der Nebel auf den Bergen. -</p> - -<p> -Stammt, was sich das Starke nennt. -</p> - -<p> -Stammt sie, die sich die Schöne nennt oder -die zum Gefallen-Geschmückte. -</p> - -<p> -Mahoüi<a class="fnote" href="#footnote-5" id="fnote-5">[5]</a> steuert seine Piroge. -</p> - -<p> -Er setzt sich nieder auf den Boden. Ihm zur -Rechten hängt der mit Haarsträhnen an der -Leine befestigte Angelhaken. -</p> - -<p> -Und die Leine mit dem Angelhaken, die er -in der Hand hält, läßt er in die Tiefe des Weltalls -hinunter, um den großen Fisch (die Erde) -zu fischen. -</p> - -<p> -Der Haken hat sich festgebissen. -</p> - -<p> -Schon kommen die Achsen zum Vorschein, -schon fühlt der Gott das enorme Gewicht des -Erdballs. -</p> - -<p> -Tefatou (der Gott der Erde und die Erde selber) -taucht noch, im unermeßlichen Raume schwebend, -von dem Angelhaken erfaßt, aus der Nacht -empor. -</p> - -<p> -Mahoüi hat den großen Fisch gefischt, der im -Raume schwimmt und den er nun nach Belieben -lenken kann. -</p> - -<p> -Er hält ihn in der Hand. -</p> - -<p> -Mahoüi regelt auch den Lauf der Sonne, so daß -Tag und Nacht von gleicher Dauer sind. -</p> - -</div> - -<p> -Ich bat Tehura, mir die Götter zu nennen. -</p> - -<div class="em"> -<p> -– Es schlief Taaroa mit Ohina, der Göttin der -Luft. -</p> - -<p> -Von ihnen stammt der Regenbogen, der Mondschein, -die roten Wolken und der rote Regen. -</p> - -<p> -Es schlief Taaroa mit Ohina, der Göttin des -Erdbusens. -</p> - -<p> -Sie zeugten Tefatou, den Geist, der die Erde -belebt und sich durch unterirdische Geräusche -zu erkennen gibt. -</p> - -<p> -Es schlief Taaroa mit der Frau, genannt Jenseits-der-Erde. -</p> - -<p> -Sie zeugten die Götter Téirii und Roüanoüa. -</p> - -<p> -Darauf Roo, der seitwärts aus dem Leibe der -Mutter kam. -</p> - -<p> -Und dieselbe Frau gebar noch den Zorn und den -Sturm, die Rasenden Winde und auch den Frieden, -der ihnen folgt. -</p> - -<p> -Und der Ursprung dieser Geister ist an dem -Ort, von dem die Boten ausgesandt werden. -</p> - -</div> - -<p> -Aber Tehura gibt zu, daß diese Darstellung angefochten -wird. Es ist die orthodoxeste Klassifikation. -</p> - -<p> -Die Götter teilten sich in Atuas und Oromatuas. -</p> - -<p> -Die höheren Atuas sind alle Söhne und Enkel des -Taaroa. -</p> - -<p> -Sie wohnen in den Himmeln – es gibt deren sieben. -</p> - -<p> -Die Söhne Taaroas und seines Weibes Féii Féii Maïtéraï -waren: Oro (der erste der Götter nach seinem Vater, -der selbst zwei Söhne hatte, Tetaï Mati und Oüroü Téféta), -Raa (Vater von sieben Söhnen), Tané (Vater von sechs -Söhnen), Roo, Tiéri, Téfatou, Roüa Noüa, Toma Hora, -Roüa Oütia, Moë, Toüpa, Panoüa usw. usw. -</p> - -<p> -Jeder dieser Götter hatte seine besonderen Abzeichen. -</p> - -<p> -Die Werke des Mahoüi und des Tefatou kennen wir -bereits ... -</p> - -<p> -Tané hat den siebenten Himmel als Mund – und dies -bedeutet, daß der Mund dieses Gottes das äußerste Ende -des Himmels ist, von wo aus das Licht die Erde zu erhellen -beginnt. -</p> - -<p> -Rii trennte Himmel und Erde. -</p> - -<p> -Roüi wühlte die Wasser des Ozeans auf, durchbrach -die feste Masse des Erdballs und teilte ihn in unzählige -Teile, die jetzigen Inseln. -</p> - -<p> -Fanoüra, dessen Haupt bis zu den Wolken und dessen -Füße bis zum Meeresgrund reichten, und Fatoühoüi, ein -anderer Riese, stiegen zusammen nach Eïva – einem unbekannten -Lande – hinunter, um das ungeheure Schwein -zu bekämpfen und zu vernichten, das die Menschen verschlang. -</p> - -<p> -Hiro, Gott der Diebe, grub mit seinen Fingern Löcher -in den Felsen. Er befreite eine Jungfrau, die Riesen an -einem verzauberten Ort gefangen hielten: mit einer einzigen -Hand riß er die Bäume aus, die am Tage das Gefängnis -der Jungfrau verdeckten, und der Zauber war gebrochen -... -</p> - -<p> -Die Atuas niederen Ranges kümmerten sich mehr um -das Leben und die Arbeit der Menschen, ohne ihre Gewohnheiten -zu teilen. -</p> - -<p> -Es sind: die Atuas Maho (Götter-Haie), Schutzgeister -der Seeleute: die Pëho, Götter und Göttinnen der Täler, -Schutzgeister der Ackerbauer; die No Te Oüpas Oüpas, -Schutzgeister der Sänger, Komödianten und Tänzer; die -Raaoü Pava Maïs, Schutzgeister der Ärzte; die No Apas, -Götter, denen Opfer dargebracht werden, nachdem sie jemand -vor Hexerei und Zauber bewahrt haben; die O Tanoü, -Schutzgeister der Arbeiter, die Tané Ité Haas, Schutzgeister -der Zimmerleute und Baumeister; die Minias und -Papéas, Schutzgeister der Dachdecker; die Matatinis, Schutzgeister -der Netzeknüpfer. -</p> - -<p> -Die Oromatuas sind Hausgötter, die Laren. -</p> - -<p> -Es gibt wirkliche Oromatuas und Genien. -</p> - -<p> -Die Oromatuas strafen die Streitsüchtigen und halten -den Frieden in den Familien aufrecht. Es sind: die Varna -Taatas, Seelen verstorbener Männer und Frauen jeder Familie. -Die Eriorios, Seelen der in frühem Alter eines natürlichen -Todes gestorbenen Kinder. Die Poüaras, Seelen -von Kindern, die bei der Geburt getötet wurden und in -den Körper der Heuschrecke zurückgekehrt waren. -</p> - -<div class="centerpic"> -<img src="images/072a.jpg" alt="" /></div> - -<p> -Die Genien sind von den Menschen gemutmaßte oder -vielmehr wissentlich erdachte Gottheiten. Sie legen irgendeinem -Tiere oder einem Gegenstand, einem Baume z. B., -ohne jeden Grund willkürlich göttliche Bedeutung bei und -fragen ihn dann bei jedem wichtigen Anlaß um Rat. – -Vielleicht ist das noch eine Spur der Seelenwanderung der -Inder, die die Maories höchst wahrscheinlich gekannt -haben. -</p> - -<p> -Ihre historischen Gesänge sind überreich an Sagen, in -denen man die Götter wieder die Gestalt von Tieren und -Pflanzen annehmen sieht. -</p> - -<p> -Nach den Atuas und Oramatuas kommen in letzter -Reihe der himmlischen Rangordnung die Tiis. -</p> - -<p> -Diese Söhne Taaroas und Hinas sind sehr zahlreich. -</p> - -<p> -Als den Göttern untergeordnete und den Menschen -fernstehende Geister, vermitteln sie nach der <a id="corr-6"></a>Schöpfungssage -der Maories zwischen organischen und unorganischen -Wesen und verteidigen die Ansprüche und Rechte -dieser gegen die widerrechtlichen Angriffe der anderen. -</p> - -<p> -Ihre Entstehung ist diese: -</p> - -<p> -Es schlief Taaroa mit Ani (Sehnsucht) und sie zeugten: -die Sehnsucht der Nacht, den Boten der Finsternis und -des Todes; die Sehnsucht des Tages, den Boten des Lichts -und des Lebens; die Sehnsucht der Götter, den Boten des -Himmlischen, und die Sehnsucht der Menschen, den Boten -des Irdischen. -</p> - -<p> -Sodann zeugten sie: Tii-des-Inneren, der über Tiere -und Pflanzen wacht, Tii-des-Äußeren, der alle Wesen und -Dinge des Meeres hütet; Tii-des-Sandes, Tii-der-Küsten -und Tii-der-lockeren Erde; Tii-der-Felsen und Tii-des-Festen-Landes. -</p> - -<p> -Später wurden noch geboren: Nachtleben, Tagesleben, -Kommen und Gehen, Ebbe und Flut, Freudenspenden -und Genießen. -</p> - -<p> -Die Bildnisse der Tiis waren an der Außenseite der -Maraës (Tempel) angebracht und begrenzten das Innere -des heiligen Bodens. Man sieht deren auf Felsen und an -Küsten, und diese Götzenbilder haben die Aufgabe, die -Grenze zwischen Erde und Meer zu bezeichnen, die Harmonie -zwischen den beiden Elementen aufrechtzuerhalten -und ihren wechselseitigen Eingriffen zu wehren. -Reisende haben noch jetzt auf der Ile-de-Pâques einige Tii-Statuen -gesehen. Es sind Riesendenkmäler in halb menschlicher, -halb tierischer Gestalt, die von einem eigentümlichen -Schönheitsbegriff und großer Geschicklichkeit in -der Behandlung der Steine zeugen, die architektonisch in -Blöcken von geschickt gewählter Farbenzusammenstellung -übereinander getürmt sind. -</p> - -<p> -Die europäische Invasion und der Monotheismus haben -diese Spuren einer einst hohen Kultur verwischt. Wenn -die Tahitianer heutzutage ein Monument errichten, zeigen -sie Wunder von schlechtem Geschmack – wie in der -Art des Grabmals des Pomare. Sie haben ihre ursprünglichen -Instinkte verloren, die in dem steten Verkehr mit -der Tier- und Pflanzenwelt in so reichem Maße bei ihnen -entwickelt waren. Im Umgang mit uns, in <em>unserer -Schule</em> sind sie erst wahrhaft „Wilde“ in jenem Sinne -geworden, die der lateinische Okzident diesem Worte unterlegt. -Sie sind schön geblieben wie Kunstwerke, aber sie -sind (wir haben sie) moralisch und auch physisch unfruchtbar -gemacht. -</p> - -<p> -Es existieren noch Spuren der Maraës. Sie waren von -Mauern umgebene Vierecke, die durch drei Öffnungen -unterbrochen wurden. Drei Seiten bestanden aus Steinmauern -von vier bis sechs Fuß, eine weniger hohe als -breite Pyramide bildete die vierte. Das Ganze hatte eine -Breite von etwa hundert und eine Länge von vierzig Metern. -– Bildnisse von Tiis schmückten dies einfache Bauwerk. -</p> - -<p> -Der Mond nimmt einen wichtigen Platz in der metaphysischen -Anschauung der Maories ein. Daß ihm zu -Ehren ehemals große Feste veranstaltet wurden, ist schon -gesagt worden. Hina wird in den überlieferten Erzählungen -der Aréoïs oft genannt. Jedoch ist ihre Mitwirkung -an der Weltharmonie, ihre Rolle darin eine mehr -negative als positive. -</p> - -<p> -Dies geht deutlich aus dem oben angeführten Gespräch -zwischen Hina und Tefatou hervor. -</p> - -<p> -Den Exegeten würden solche Worte den schönsten Stoff -liefern, wenn sich die australische Bibel auffinden ließe, -um sie auszulegen. Vor allem würden sie darin die Lehren -einer Religion auf der Verehrung von Naturkräften -aufgebaut sehen – ein gemeinsamer Zug aller primitiven -Religionen. Die Mehrzahl aller maorischen Götter sind -eigentlich eine Personifikation verschiedener Elemente. -Aber ein aufmerksamer Blick, der nicht von dem Wunsch -abgelenkt und beeinflußt ist, die Überlegenheit unserer -Philosophie über die jener „Völkerschaften“ zu beweisen, -wird in diesen Legenden sicherlich interessante und eigentümliche -Züge finden. -</p> - -<p> -Ich möchte zwei davon anführen – aber ich begnüge -mich, darauf hinzuweisen. Es ist Aufgabe der Gelehrten, -die Richtigkeit dieser Hypothesen zu bestätigen. -</p> - -<p> -Vor allem ist es die Klarheit, mit der die beiden einzigen -und allgemeinen Grundideen des Lebens sich unterscheiden -und offenbaren. Die eine, Seele und Intelligenz, -Taaora, ist das Männliche, die andere, gewissermaßen -Stoff und Körper des nämlichen Gottes, das Weibliche, -und dies ist Hina, Ihr gehört die ganze Liebe des Menschen, -ihm seine Ehrfurcht. – Hina ist nicht nur der -Name des Mondes; es gibt auch eine <em>Hina der Luft</em>, -<em>Hina des Meeres</em>, eine <em>Hina des Inneren</em>, aber diese -beiden Silben charakterisieren nur die untergeordneten -Teile der Materie. Die Sonne, der Himmel, das Licht und -sein Reich, sozusagen alle edlen Teile der Materie – oder -vielmehr ihre spirituellen Elemente sind Taaroa. Das -geht deutlich aus mehr als einem Ausspruch hervor, in -dem die Definition von Geist und Materie wieder zu erkennen -ist. – Oder was bedeutet wohl, wenn wir es bei -dieser Definition bewenden lassen, die Grundlehre der -maorischen Schöpfungsgeschichte: -</p> - -<div class="em"> -<p> -Das Weltall ist nur die Schale des Taaroa –? -</p> - -</div> - -<p> -Bestätigt diese Lehre nicht den Urglauben an die Einheit -des Stoffes; wie die Definition und die Trennung von -Geist und Körper die Analyse der zwiefachen Manifestation -dieses Stoffes in seiner Einheit! So selten solch ein -philosophisches Vorausempfinden bei den Primitiven auch -sein mag, darf doch dessen Wahrscheinlichkeit nicht bestritten -werden. Es ist wohl zu erkennen, daß die australische -Theologie in den Handlungen des Gottes, der die -Welt erschuf und sie erhält, zwei Ziele im Auge hat: die -erzeugende Ursache und die befruchtete Materie, die treibende -Kraft und den verwandelten Gegenstand, Geist und -Materie. Ebenso muß man in den beständigen Wechselwirkungen -zwischen dem leuchtenden Geist und der empfänglichen -Materie, die er belebt, in den aufeinander folgenden -Verbindungen des Taaroa mit den verschiedenen -Hina-Gestalten, den fortwährenden und wechselnden Einfluß -der Sonne erkennen, wie in den Früchten dieser Verbindungen -die durch eben diese Elemente hervorgerufenen -Wandlungen von Licht und Wärme. Aber hat man dieses -Phänomen, von dem aus die beiden Hauptströmungen -sich vereinigten, erst einmal vor Augen, so verschmelzen -in der Frucht die zeugende Ursache und die befruchtete -Materie, in der Bewegung die treibende Kraft und der -verwandelte Gegenstand, im Leben Geist und Materie, -und das eben erschaffene Weltall ist nichts <em>als die Schale -des Taaroa</em>! -</p> - -<p> -Aus dem Zwiegespräch zwischen Hina und Tefatou -geht hervor, daß Mensch und Erde untergehen, während -der Mond und die Wesen, welche ihn bewohnen, fortdauern. -Wenn wir uns erinnern, daß Hina die Materie -vorstellt – in der sich einem wissenschaftlichen Ausspruch -nach „alles verwandelt und nichts vergeht“ –, werden -wir annehmen müssen, daß der alte maorische Weise, von -dem diese Sage stammt, ebensoviel davon wußte wie wir. -Die Materie vergeht nicht, das heißt, sie verliert ihre sinnlich -wahrnehmbaren Eigenschaften nicht. Der Geist dagegen -und die „spirituelle Materie“, das Licht, sind Wandlungen -unterworfen: es gibt Nacht und den Tod, wo die -Augen sich schließen, von denen Helle auszustrahlen -schien, die sie zurückwarfen. – Der Geist, oder die höchste -aktuelle Manifestation des Geistes ist der Mensch. <em>Und -der Mensch muß sterben ... Er stirbt, um nicht -mehr zum Leben zu erwachen.</em> – Wenn aber der -Mensch und die Erde, die Früchte der Verbindung von -Taaroa mit Hina, auch untergehen, ist doch Taaroa ewig, -und uns wird verkündet, daß Hina, die Materie, fortfahren -wird zu sein. In alle Ewigkeit werden nun Geist -und Materie, das Licht und der Gegenstand, den es zu erhellen -strebt, von dem gemeinsamen Verlangen nach einer -neuen Verbindung erfüllt sein, aus der ein neuer „Zustand“ -der unendlichen Evolution des Lebens hervorgehen -wird. -</p> - -<p> -Evolution! ... Einheit des Stoffes ... Wer hätte erwartet, -in den Vorstellungen ehemaliger Kannibalen die -Beweise einer so hohen Kultur zu finden? Ich kann mit -gutem Gewissen sagen, daß ich der Wahrheit nichts zugefügt -habe. -</p> - -<p> -Tehura zweifelte zwar durchaus nicht an diesen Abstraktionen, -aber sie war nicht davon abzubringen, in den -Sternschnuppen schweifende Tupapaüs und trauernde -Genien zu sehen. Im selben Sinne wie ihre Vorfahren -Taaroa für den Himmel in Person und die von ihm stammende -Atuas für Götter und Himmelskörper zugleich -hielten, schrieb sie den Sternen menschliche Empfindungen -zu. Ich weiß nicht, inwiefern diese poetischen Vorstellungen -den Fortschritt der positivsten Wissenschaft hemmen, -und bis zu welchem Punkt die höchste Wissenschaft -sie verwerfen würde ... -</p> - -<p> -Von einem andern Gesichtspunkt aus wären für das -Gespräch zwischen Hina und Tefatou verschiedene Deutungen -zulässig. – Der Rat des Mondes, der eine Frau -ist, könnte der gefährliche Rat blinden Mitleids und sentimentaler -Schwäche sein: der Mond und die Frauen (in -der Vorstellung der Maories) gleichbedeutend mit Materie, -brauchten nicht zu wissen, daß der Tod allein die Geheimnisse -des Lebens birgt. – Die Antwort des Tefatou -könnte ein strenger, aber voraussehender und uneigennütziger -Ausspruch von höchster Weisheit sein, die erkennt, -daß die individuellen Äußerungen aktuellen Lebens -einem höheren Wesen weichen müssen, auf daß es -komme, und ihm geopfert werden müssen, auf daß es -siege. -</p> - -<p> -Früher hätte diese Antwort die Bedeutung einer nationalen -Prophezeiung von noch größerer Tragweite gehabt: -ein großer Geist hätte in alter Zeit die Lebensfähigkeit -seiner Rasse studiert und abgeschätzt, hätte die Todeskeime -in ihrem Blut ohne die Möglichkeit einer Heilung -oder Wiedergenesung vorausgesehen und sich gesagt: -</p> - -<div class="em"> -<p> -Tahiti wird aussterben, es wird aussterben, um -nicht wieder zu erstehen. -</p> - -</div> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Tehura sprach mit einer gewissen religiösen Scheu von -jener Sekte oder geheimen Gemeinschaft der Aréoïs, die -zur Zeit ihrer Herrschaft die Inseln regierte. -</p> - -<p> -Aus den verworrenen Reden des Kindes sonderte ich -Erinnerungen an einen furchtbaren, eigentümlichen -Brauch, ich ahnte eine tragische Vergangenheit voll unerhörter -Verbrechen, in die einzudringen aber den Neugierigen -durch ein streng gehütetes Geheimnis verwehrt war. -</p> - -<p> -Nachdem Tehura mir alles darüber erzählt hatte, was -sie wußte, forschte ich überall danach. -</p> - -<p> -Der sagenhafte Ursprung jener mächtigen Gemeinschaft -ist dieser: -</p> - -<p> -Oro, der Sohn des Taaroa und nach seinem Vater der -höchste der Götter, beschloß eines Tages, unter den Sterblichen -eine Gefährtin zu suchen. -</p> - -<p> -Es sollte eine Jungfrau sein, schön und tauglich, mit -ihm unter den Menschen eine Rasse zu gründen, die allen -bevorzugt und überlegen war. -</p> - -<p> -Er durchschritt also die sieben Himmel und stieg hinunter -auf den Païa, einen hohen Berg auf der Insel Bora-Bora, -wo seine Schwestern, die Göttinnen Téouri und -Oaaoa, wohnten. -</p> - -<p> -Nun trat Oro in Gestalt eines jungen Kriegers und seine -Schwestern in junge Mädchen verwandelt, eine Fahrt -durch die Insel an, um dort ein Wesen zu suchen, das -eines Gottes Kuß würdig wäre. -</p> - -<p> -Oro ergriff den Regenbogen, stützte ein Ende auf den -Gipfel des Païa, das andere auf die Erde, und so schritten -der Gott und die Göttinnen über Täler und Fluten. -</p> - -<p> -Auf den verschiedenen Inseln, wo man eilte sie zu empfangen, -gaben die Reisenden prunkvolle, wunderbare Feste, -zu denen alle Frauen sich drängten. -</p> - -<p> -Und Oro hielt Umschau unter ihnen. Aber sein Herz -war betrübt, denn der Gott fand Liebe, aber er liebte -nicht. Auf keiner der Menschentöchter weilte sein Blick -lange, denn er entdeckte nicht eine der Tugenden und -Vorzüge, von denen er geträumt. -</p> - -<p> -Und nachdem viele Tage unter vergeblichem Suchen -verstrichen waren, beschloß er, in die Himmel zurückzukehren, -als er zu Vaïtapé auf der Insel Bora-Bora eine -Jungfrau von seltener Schönheit erblickte, die in dem -schönen See von Avaï Aïa badete. -</p> - -<p> -Sie war von hoher Gestalt, und die Sonnenglut brannte -und leuchtete auf ihrem herrlichen Fleisch, während der -ganze Zauber der Liebe in der Nacht ihres Haares schlummerte. -</p> - -<p> -Entzückt bat Oro die Schwestern, die Jungfrau anzureden. -</p> - -<p> -Er selber zog sich zurück, um das Ergebnis ihrer Sendung -auf dem Gipfel des Païa abzuwarten. -</p> - -<p> -Die Göttinnen redeten die Jungfrau mit einem Gruß -an, priesen ihre Schönheit und sagten, daß sie aus Avanaü, -einem Ort auf Bora-Bora, kämen. -</p> - -<p> -– Unser Bruder läßt dich fragen, ob du einwilligst, -sein Weib zu werden. -</p> - -<p> -Vaïraümati – dies war der Name der Jungfrau – -blickte die Fremden prüfend an und erwiderte: -</p> - -<p> -– Ihr seid nicht aus Avanaü. Doch ist euer Bruder -ein Häuptling, ist er jung und schön, so mag er kommen, -Vaïraümati wird sein Weib werden. -</p> - -<p> -Téouri und Oaaoa stiegen unverzüglich zum Païa hinauf, -um ihrem Bruder mitzuteilen, daß er erwartet werde. -</p> - -<p> -Sogleich begab Oro sich wie vorher auf dem Regenbogen -hinunter nach Vaïtapé. -</p> - -<p> -Vaïraümati hatte zu seinem Empfang eine mit den -schönsten Früchten besetzte Tafel und aus den feinsten -Matten und seltensten Stoffen ein Lager bereitet. -</p> - -<p> -Göttlich in ihrer Anmut und Kraft, pflegten sie der -Liebe in Hain und Flur, am Ufer des Meeres und im -Schatten des Tamaris und des Paudanus. Jeden Morgen -stieg der Gott auf den Gipfel des Païa, und jeden Abend -ging er hinunter, mit ihr zu schlafen. -</p> - -<p> -Kein anderes sterbliches Mädchen durfte ihn in irdischer -Gestalt erblicken. -</p> - -<p> -Und stets diente der zwischen Païa und Vaïtapé gespannte -Regenbogen ihm als Weg. -</p> - -<p> -Viele Monde hatten geleuchtet und waren wieder erloschen, -seitdem die verödeten Sieben Himmel ohne Kunde -von Oros Aufenthalt waren. Darum nahmen nun zwei -andere Söhne des Taaroa, Orotéfa und Oürétéfa, menschliche -Gestalt an und machten sich auf, ihren Bruder zu -suchen. Lange irrten sie auf den Inseln umher, ohne ihn -zu finden. Endlich jedoch entdeckten sie auf Bora-Bora -den jungen Gott, der mit Vaïraümati im Schatten eines -heiligen Mangobaumes ruhte. -</p> - -<p> -Sie waren voll Staunen über die Schönheit des jungen -Weibes und wollten ihm als Zeichen ihrer Bewunderung -einige Geschenke darbieten. Also verwandelte Orotéfa -sich in eine Sau und Oürétéfa in rote Federn, nahmen -dann gleich wieder menschliche Gestalt an, ohne daß Sau -und Federn verschwanden, und näherten sich mit ihren -Gaben den Liebenden. -</p> - -<p> -Erfreut empfingen Oro und Vaïraümati die beiden hohen -Reisenden. -</p> - -<p> -In derselben Nacht warf die Sau sieben Junge, von -denen das erste einer späteren Verwendung vorbehalten -blieb; das zweite wurde den Göttern geopfert, das dritte -der Gastfreundschaft geweiht und den Fremden angeboten, -das vierte nannten sie: Opferschwein zu Ehren der Liebe, -das fünfte und sechste sollte bis zur ersten Tracht verschont -bleiben, um die Art zu mehren, und das siebente -endlich wurde im ganzen auf heißen Steinen gebraten – -also nach maorischem Brauch göttlich geweiht – und -verzehrt. -</p> - -<p> -Die Brüder des Oro kehrten wieder in die Himmel -zurück. -</p> - -<p> -Einige Wochen darauf sagte Vaïraümati zu Oro, daß -sie sich Mutter fühle. -</p> - -<p> -Da nahm Oro das erste der sieben Schweine, das verschont -geblieben war, und begab sich nach Raïatéa, zu -dem großen Maraë, dem Tempel des Gottes Vapoa. -</p> - -<p> -Dort traf er einen Mann namens Mahi, dem er das -Schwein übergab, und sprach: -</p> - -<p> -<em>Maiï maitaï oétéinéi boüaa</em> (Nimm dieses Schwein -und hüte es wohl). -</p> - -<p> -Und feierlich fuhr der Gott fort: -</p> - -<p> -– Es ist das heilige Schwein. In seinem Blut wird -der Bund der Männer gefärbt sein, die von mir stammen. -Denn ich bin Vater in dieser Welt. Sie werden sich -Oréoïs nennen. Dir übermittle ich ihre Vorrechte und -ihren Namen. Ich selber kann hier nicht länger weilen. -</p> - -<p> -Mahi suchte den Häuptling von Raïatéa auf und erzählte -ihm sein Abenteuer. Aber da er das ihm anvertraute -heilige Gut nicht hüten konnte, ohne der Freund -des Häuptlings zu sein, fügte er hinzu: -</p> - -<p> -– Mein Name sei der deinige und dein Name der meine. -</p> - -<p> -Der Häuptling war es zufrieden, und sie nahmen beide -den Namen Taramanini an. -</p> - -<p> -Inzwischen war Oro wieder zu Vaïraümati zurückgekehrt -und verkündigte dieser, daß sie einen Sohn gebären -würde, den er ihr Hoa Tabou të Raï (heiliger Freund des -Himmels) zu nennen gebot. -</p> - -<p> -Dann sprach er: -</p> - -<p> -– Die Zeit ist erfüllet und ich muß dich verlassen. -</p> - -<p> -Er verwandelte sich sodann in eine ungeheure Feuersäule -und hob sich majestätisch in die Lüfte bis über den -Periréré, den höchsten Berg von Bora-Bora. Und hier -entschwand er den Blicken seiner weinenden Gattin und des -staunenden Volkes. -</p> - -<p> -Hoa Tabou të Raï ward ein großer Häuptling und tat -den Menschen viel Gutes. Bei seinem Tode wurde er in -den Himmel erhoben, wo Vaïraümati selber den Rang -einer Göttin einnahm. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Oro könnte gut ein umherwandelnder Brahmine sein, -der den Inseln – wann? die Lehre des Brahma brachte -(auf deren Spuren in der australischen Religion ich schon -hinwies). -</p> - -<p> -In der Reinheit dieser Lehre erwachte das maorische -Genie. Geister, die fähig waren zu verstehen, erkannten -einander und vereinigten sich, – natürlich völlig abgesondert -vom Volk, – um die vorgeschriebenen Riten -auszuüben. Aufgeklärter als die übrigen ihrer Rasse, -rissen sie bald die religiöse und politische Herrschaft über -die Inseln an sich, sicherten sich wichtige Vorrechte und -gründeten eine starke Übermacht, die in der Geschichte -des Inselmeers die glänzendste Periode bildete. -</p> - -<p> -Obwohl sie des Schreibens unkundig gewesen zu sein -scheinen, waren die Aréoïs wahre Gelehrte. Sie verbrachten -ganze Nächte damit, alte „Aussprüche der Götter“ Wort -für Wort mit peinlichster Genauigkeit zu erforschen, und -sie auszulegen erforderte eine jahrelange Arbeit. Diese -ihnen allein zugänglichen Aussprüche der Götter, denen -sie höchstens Kommentare beifügen durften, verschaffte -den Aréoïs die Sicherheit eines geistigen Mittelpunkts, -regte sie zu gewohnheitsmäßigem Nachdenken an, berechtigte -sie zu einer übermenschlichen Mission und gab ihnen -ein Ansehen, vor dem jeder sich beugte. -</p> - -<p> -Es gibt in unserm christlichen, lehnspflichtigen Mittelalter -ganz ähnliche Einrichtungen wie diese, und ich kenne -nichts Furchtbareres als jene religiöse und kriegerische -Gemeinschaft, jenes Konzil, das im Namen Gottes Urteile -fällte und allmächtig über Leben und Tod entschied. -</p> - -<p> -Die Aréoïs lehrten, daß Menschenopfer den Göttern -wohlgefällig seien, und opferten selber in den Maraës alle -ihre Kinder außer den Erstgeborenen: das Symbol dieses -blutigen Ritus war die Sage von den sieben Schweinen, -die außer dem ersten, dem „heiligen Schwein“, alle getötet -wurden. -</p> - -<p> -Doch dürfen wir über diese Barbarei nicht voreilig schelten. -</p> - -<p> -Diese grausame Pflicht, der so viele primitive Völkerschaften -sich unterwarfen, hatte tiefe Gründe sozialer Art -und allgemeinen Interesses. -</p> - -<p> -Bei sehr fruchtbaren Rassen, wie es die der Maories -einst war, bedrohte die unbegrenzte Vermehrung der Bevölkerung -ihre nationale wie positive Existenz. Das Leben -auf den Inseln war zwar mühelos, und es bedurfte -keines großen Fleißes, um sich das Notwendige zu verschaffen. -Aber das sehr beschränkte Gebiet, von dem unermeßlichen, -den gebrechlichen Pirogen unzugänglichen -Ozean umgeben, wäre für ein sich stetig vermehrendes -Volk bald unzureichend geworden. Das Meer hätte nicht -mehr genügend Fische geliefert und der Wald nicht genug -Früchte. Eine Hungersnot wäre nicht ausgeblieben und -hätte, wie sie es immer getan, die Anthropophagie zur -Folge gehabt. – Um Männermorde zu vermeiden, beschränkten -die Maories sich auf Kinderopfer. Übrigens -war Menschenfresserei bereits üblich, als die Aréoïs auftraten, -und um diese zu bekämpfen und die Ursache aufzuheben, -führten sie den Kindesmord ein, der vielleicht als -eine Milderung der Sitten zu bezeichnen wäre, wenn das -unheimlich Komische dieser Behauptung auch einem -Possenschreiber zur Belustigung dienen könnte. Die Aréoïs -mußten wahrscheinlich große Energie anwenden, um diesen -Fortschritt durchzusetzen, und erreichten es wohl nur -dadurch, daß sie sich in den Augen des Volkes die volle -Autorität der Götter anmaßten. -</p> - -<p> -Schließlich wurde der Kindesmord ein mächtiges Mittel -der Zuchtwahl für die Rasse. Das furchtbare Recht der -Erstgeburt, ein Recht auf das Leben selber, erhielt die -Kraft des Volkes unverkürzt, indem es von den schädlichen -Folgen erschöpfter Säfte verschont blieb. Es nährte in -all diesen Kindern auch das Bewußtsein unverwüstlichen -Stolzes. Die Urkraft und letzte Blüte dieses Stolzes ist es -auch, die wir noch bei den letzten Sprößlingen einer großen, -im Aussterben begriffenen Rasse bewundern. -</p> - -<p> -Das beständige Beispiel und die häufige Wiederkehr -des Todes war schließlich eine erhabene und belebende -Lehre. Die Krieger lernten Schmerzen gering schätzen, -und die ganze Nation fand eine wohltätige intensive Erregung -dabei, die sie vor der tropischen Erschlaffung und -entnervender Mattigkeit bei dem fortdauernden Nichtstun -bewahrte. Es ist eine historische Tatsache, daß der Niedergang -der Maories mit dem gesetzlichen Verbot der -Opfer begann, und daß sie von da an allmählich jede moralische -Kraft und physische Fruchtbarkeit verloren. Sollte -dies auch nicht die Ursache davon sein, so gibt das Zusammentreffen -doch zu denken. -</p> - -<p> -Und vielleicht haben die Aréoïs die tiefe Bedeutung -und symbolische Notwendigkeit des Opfers verstanden ... -Die Prostitution war ihnen eine heilige Pflicht. Bei uns -hat sich das geändert. Auch hat sie auf Tahiti keineswegs -aufgehört, seit wir es mit den Wohltaten unserer Zivilisation -überhäuft haben: sie blüht fort. Aber sie ist weder -Pflicht noch geheiligt, sondern nur ohne Größe und -entschuldbar. -</p> - -<p> -Die geistliche Würde ging vom Vater auf den Sohn -über, dessen Einweihung schon im Kindesalter begann. -</p> - -<p> -Die Gesellschaft war ursprünglich in zwölf Logen geteilt, -deren Großmeister die zwölf obersten Aréoïs waren. -Dann kamen die Würdenträger zweiten Ranges und endlich -die Lehrjünger. Die verschiedenen Grade unterschieden -sich durch besondere Tätowierungen auf den Armen, -an den Seiten, den Schultern, Beinen und Knöcheln. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Der <em>Matamua</em> der Aréoïs, eine maorische Szene bei -der feierlichen Einsetzung eines Königs in alter Zeit: -</p> - -<p> -Der neue Herrscher verläßt, in prächtige Gewänder gekleidet -und von den Vornehmsten der Inseln umgeben, -seinen Palast. Vor ihm schreiten die Großmeister der -Aréoïs mit seltenen Federn im Haar. -</p> - -<p> -Er begibt sich mit seinem Gefolge zum Maraë. -</p> - -<p> -Als die Priester, die ihn an der Schwelle erwarten, seiner -ansichtig werden, verkünden sie unter lautem Trompetenschall -und Trommelschlag, daß die Zeremonie beginnt. -</p> - -<p> -Dann beim Eintritt in den Tempel mit dem König legen -sie ein Menschenopfer, einen Leichnam, vor das Bild -des Gottes. -</p> - -<p> -Der König spricht und singt mit den Priestern vereint -Gebete, worauf der Priester das Opfer beider Augen beraubt. -Er bietet das rechte Auge dem Gotte dar und das -linke dem König; dieser öffnet den Mund, wie um das -blutige Auge zu verschlingen, aber der Priester zieht es -zurück und legt es wieder zu dem Körper<a class="fnote" href="#footnote-6" id="fnote-6">[6]</a>. -</p> - -<p> -Nun wird die Statue des Gottes auf eine geschnitzte, -von Priestern getragene Bahre gestellt. Auf den Schultern -der beiden Oberpriester sitzend, folgt der König dem -Götzenbild, von den Aréoïs wie zu einer Abreise begleitet, -bis zum Ufer des Meeres. Auf dem ganzen Wege fahren -die Priester fort die Trompete zu blasen, die Trommel zu -schlagen. -</p> - -<p> -Die Menge geht ehrfurchtsvoll und still hinterher. -</p> - -<p> -An der Bucht wiegt sich die heilige, zu dieser Feier -mit grünen Zweigen und Blumen geschmückte Piroge. -Zuerst wird das Götzenbild darin untergebracht, dann der -König seiner Gewänder entledigt, und die Priester geleiten -ihn in das Meer, wo die Atuas-Mao (Götter-Haie) ihn in -den Fluten waschen und liebkosen. -</p> - -<p> -So zum andernmal vom Kuß des Meeres im Beisein des -Gottes geweiht, wie zuvor das erstemal in dessen Tempel, -besteigt der König die heilige Piroge, wo der Oberpriester -ihn mit dem <em>maro oüroü</em> umgürtet und um sein Haupt -das <em>taoü mata</em>, die Binden der Herrschaft, windet. -</p> - -<p> -Vorn im Boot stehend zeigt der König sich nun dem -Volk. -</p> - -<p> -Und dieses bricht bei dem Anblick endlich das lange -Schweigen, und überall ertönt der feierliche Ruf: -</p> - -<p> -– <em>Maëva Arii</em> (Es lebe der König)! -</p> - -<p> -Nachdem der erste laute Jubel sich gelegt hat, wird -der König auf das heilige Lager gebettet, wo eben das -Götzenbild geruht, und alle kehren auf demselben Wege, -fast in derselben Reihenfolge wie vorher, zum Maraë -zurück. -</p> - -<p> -Wieder tragen die Priester das Götzenbild und die Oberpriester -den König, und der Zug wird abermals mit Musik -und Tanz eröffnet. -</p> - -<p> -Das Volk folgt hinterher. Aber jetzt rufen sie, ihrer -Freude überlassen, fortwährend: -</p> - -<p> -– Maëva Arii! -</p> - -<p> -Das Götzenbild wird feierlich auf seinen Altar zurückgestellt. -</p> - -<p> -Und damit schließt die religiöse Feier. Nun soll das -Volksfest seinen Anfang nehmen. -</p> - -<p> -Wie den Göttern im Tempel und der Natur im Meer, -wird der König sich dem Volke weihen<a class="fnote" href="#footnote-7" id="fnote-7">[7]</a>. – Auf Matten -gebettet muß der König jetzt die <em>höchste Huldigung -des Volkes</em> entgegennehmen. -</p> - -<p> -Die frenetische Huldigung eines wilden Volkes. -</p> - -<p> -Eine ganze Menge in Bezeigung ihrer Liebe für <em>einen -Menschen</em>, und dieser Mensch ist der König. Großartig -bis zum Schrecken, bis zum Entsetzen ist dieses Schauspiel -zwischen der Menge und dem einen Menschen. Morgen -wird er Herr sein, er wird nach Belieben mit Geschicken -schalten, über die er zu bestimmen hat, und die -ganze Zukunft ist sein! Der Menge gehört nur diese eine -Stunde. -</p> - -<p> -Völlig nackt, in lasziven Tänzen umkreisen Männer -und Frauen den König und bemühen sich, gewisse Teile -seines Körpers mit gewissen Teilen des ihren zu streifen, -eine Berührung ist dabei nicht immer zu vermeiden. Und -die Raserei des Volkes steigert sich bis zur Tollheit. Die -ganze friedliche Insel hallt von furchtbarem Geschrei wieder, -und der hereinbrechende Abend zeigt das phantastische -Bild einer verzückten wahnsinnigen Menge. -</p> - -<p> -Aber plötzlich schmettert der Klang der heiligen Trompeten -und Trommeln. -</p> - -<p> -Die Huldigung ist zu Ende, zu Ende das Fest, das Signal -zum Rückzug ertönt. Selbst die Rasendsten gehorchen, -alles beruhigt sich, und jäh tritt absolute Stille ein. -</p> - -<p> -Der König erhebt sich und kehrt feierlich, majestätisch, -von seinem Gefolge geleitet, in seinen Palast zurück. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Seit etwa vierzehn Tagen wimmelte es von sonst selten -auftretenden Fliegen, die unerträglich wurden. -</p> - -<p> -Aber die Maories freute es, denn die Thunfische und -andere Fische stiegen vom Grunde an die Oberfläche. Die -Fliegen kündigten die Zeit des Fischfangs, die Zeit der -Arbeit an. Man vergesse nicht, daß Arbeit auf Tahiti ein -Vergnügen ist. -</p> - -<p> -Jeder prüfte die Haltbarkeit seiner Netze und seine -Angeln. Frauen und Kinder halfen mit ungewöhnlichem -Eifer Netze oder vielmehr lange Gitter von Kokosnußblättern -an den Strand und auf die Korallenriffe zwischen -Land und Klippen schleppen. Auf diese Art werden gewisse -Köderfischchen gefangen, die am schmackhaftesten -für die Thunfische sind. -</p> - -<p> -Als die Vorbereitungen beendet waren, was etwa drei -Wochen in Anspruch genommen hatte, wurden zwei -große, miteinander verbundene Pirogen aufs Meer gelassen, -an denen vorn eine sehr lange, mit einem Angelhaken -versehene Stange angebracht war, die mittels zweier hinten -befestigter Taue schnell gehoben werden konnte. Sobald -der Fisch angebissen hat, wird er sofort herausgezogen -und in dem Fahrzeug untergebracht. -</p> - -<p> -Eines schönen Morgens zogen wir (ich war – natürlich -– mit bei dem Fest) aufs Meer hinaus und hatten -die Klippenreihe bald glücklich hinter uns. Wir wagten -uns ziemlich weit hinaus. Ich sehe noch eine Schildkröte, -die uns, den Kopf überm Wasser, im Vorüberfahren nachschaute. -</p> - -<p> -Die Fischer waren alle in fröhlicher Stimmung und -ruderten eifrig. -</p> - -<p> -Wir kamen den <em>Grotten</em> von <em>Mara</em><a class="fnote" href="#footnote-8" id="fnote-8">[8]</a> gegenüber an -eine Stelle, <em>Thunloch</em> genannt, wo das Wasser sehr -tief ist. -</p> - -<p> -Dort, sagt man, schlafen die Thunfische nachts in einer -Tiefe, die den Haifischen unerreichbar ist. -</p> - -<p> -Nach Fischen spähend, schwebte eine Wolke von Seevögeln -über dem Loch. Sobald einer an der Oberfläche -erscheint, stoßen die Vögel mit unglaublicher Geschwindigkeit -darauf herab und steigen mit einem Bissen im -Schnabel wieder in die Höhe. -</p> - -<p> -So herrscht im Meer und in der Luft, selbst in unseren -Pirogen nur der Gedanke an Blut und Mord. -</p> - -<p> -Als ich meine Gefährten fragte, warum sie nicht eine -lange Angelschnur in das Thunloch hinunterließen, erwiderten -sie, daß es unmöglich sei, es wäre ein geheiligter -Ort: -</p> - -<p> -– Der Gott des Meeres wohne da. -</p> - -<p> -Ich vermutete eine Sage dahinter und ließ sie mir erzählen. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -„Roüa Hatou, eine Art tahitischer Neptun, schlief auf -dem Meeresgrund an dieser Stelle. -</p> - -<p> -Ein Maorie war einst so tollkühn dort zu fischen, und -da sein Angelhaken sich in den Haaren des Gottes verfing, -erwachte dieser. -</p> - -<p> -Zornig stieg er an die Oberfläche, um zu sehen, wer die -Kühnheit gehabt, seine Ruhe zu stören, und als er sah, daß -der Schuldige ein Mensch war, beschloß er die ganze Menschenrasse -zu vertilgen, um die Ruchlosigkeit des einen -zu sühnen. -</p> - -<p> -Der Strafe entging jedoch – durch unerklärliche Nachsicht -– gerade der Missetäter selber. -</p> - -<p> -Der Gott gebot ihm, mit seiner ganzen Familie auf den -<em>Toa Marama</em> zu gehen, nach einigen eine Insel oder ein -Berg, nach andern eine Piroge oder „Arche“. -</p> - -<div class="centerpic"> -<img src="images/096a.jpg" alt="" /></div> - -<p> -Als der Fischer sich mit den Seinen an den bezeichneten -Ort begeben hatte, begannen die Wasser des Meeres zu -steigen. Sie bedeckten allmählich selbst die höchsten Gipfel, -und alles Lebende bis auf jene, die sich zum Toa Marama -geflüchtet hatten, kam darin um. -</p> - -<p> -Später bevölkerten sie die Insel aufs neue<a class="fnote" href="#footnote-9" id="fnote-9">[9]</a>.“ -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Wir ließen also das Thunloch hinter uns, und der Führer -der Piroge bezeichnete einen Mann, der die Stange ins -Meer lassen und die Angel auswerfen mußte. -</p> - -<p> -Lange Minuten wurde gewartet, kein Thunfisch biß an. -</p> - -<p> -Ein anderer Ruderer kam an die Reihe, und diesmal -biß ein prachtvoller Thunfisch an und bog die Stange -hinunter. Vier kräftige Arme hoben sie empor, indem -sie die Taue hinten anzogen, und der Fisch erschien an -der Oberfläche. Aber gleichzeitig schnellte ein riesiger -Hai über die Wogen: ein paar furchtbare Bisse, und wir -hatten nichts weiter am Angelhaken als einen abgetrennten -Kopf. -</p> - -<p> -Nun gab der Führer mir ein Zeichen, und ich warf die -Angel aus. -</p> - -<p> -Nach ganz kurzer Zeit fischten wir einen riesenhaften -Thunfisch. – Ohne es viel zu beachten, hörte ich meine -Nachbarn unter sich kichern und tuscheln. – Das durch -Stockschläge auf den Kopf getötete Tier wand sich auf -dem Boden des Fahrzeuges, und sein Leib, jetzt einem -schillernden Spiegel gleich, entsandte tausend blitzende -Strahlen. -</p> - -<p> -Ein zweites Mal hatte ich ebenfalls Glück. -</p> - -<p> -Meine Gefährten beglückwünschten mich fröhlich, -nannten mich einen Glückspilz, und in meinem Stolz -widersprach ich nicht. -</p> - -<p> -Aber in dem einstimmigen Lob unterschied ich, wie -bei meinem ersten Versuch, ein unerklärliches Lachen -und Getuschel. -</p> - -<p> -Das Fischen währte bis zum Abend. Als der Vorrat der -kleinen Köderfische erschöpft war, entzündete die Sonne -rote Flammen am Horizont, und unser Fahrzeug war mit -zehn prächtigen Thunfischen beladen. -</p> - -<p> -Wir bereiteten uns zur Rückfahrt vor. Während alles -instandgesetzt wurde, fragte ich einen jungen Burschen -nach dem Sinn der ganz leise gewechselten Worte und -nach dem Lachen, das beide Male meinen Fang begleitet -hatte. Er weigerte sich zu antworten. Aber ich ließ nicht -nach, denn ich wußte, wie gering die Widerstandskraft -des Maorie ist und wie bald er energischem Drängen nachgibt. -</p> - -<p> -Schließlich vertraute er mir an: Wem der Thunfisch -in den Angelhaken beißt – und meine hatten das beide -getan, – dem ist zu Haus die Vahina untreu. -</p> - -<p> -Ich lächelte ungläubig. -</p> - -<p> -Und wir kehrten zurück. -</p> - -<p> -Die Nacht bricht in den Tropen schnell herein. Es galt -ihr zuvorzukommen. Zweiundzwanzig muntere Pageien -(schaufelartige Ruder) tauchten gleichzeitig ins Wasser, -und um sich anzufeuern, stießen die Ruderer im Takt dazu -laute Rufe aus. Unsere Piroge hinterließ eine phosphorleuchtende -Furche. -</p> - -<p> -Mir war zumute wie auf einer tollen Flucht: die ergrimmten -Herrscher des Ozeans verfolgten uns, und um -uns schnellten, wie phantastische Scharen unbestimmter -Gestalten, die aufgeschreckten, neugierigen Fische empor. -</p> - -<p> -In zwei Stunden erreichten wir die äußersten Klippen. -</p> - -<p> -Die Brandung ist dort gewaltig, und die Fahrt des Seegangs -wegen gefährlich. Es ist kein Leichtes, die Piroge -richtig vor die Sandbank zu steuern. Aber die Eingeborenen -sind gewandt, und ich verfolgte mit lebhaftem Interesse, -jedoch nicht ganz ohne Furcht, die Operation, die -glänzend vonstatten ging. -</p> - -<p> -Vor uns war das Land von lohenden Feuern erhellt, – -es waren enorme Fackeln von Zweigen des Kokosnußbaumes. -Der Anblick der auf dem Sande am Ufer des -beleuchteten Meeres lagernden Fischerfamilien war wunderbar. -Einige saßen reglos da, andere liefen, die Fackeln -schwingend, den Strand entlang, die Kinder sprangen hin -und her, und man vernahm in der Ferne ihr stilles Geschrei. -</p> - -<p> -Mit leichtem Schwung fuhr unsere Piroge auf den -Strand, und die Verteilung der Beute begann sogleich. -</p> - -<p> -Alle Fische wurden auf die Erde gelegt, und der Anführer -teilte sie in so viele gleiche Teile, wie die Anzahl -der Personen – Männer, Frauen und Kinder – betrug, -die sich am Fischfang und dem Fischen der Köderfischchen -beteiligt hatten. -</p> - -<p> -Es waren 37 Teile. -</p> - -<p> -Ohne Zeit zu verlieren, nahm meine Vahina ein Beil, -spaltete Holz damit und zündete ein Feuer an, während -ich noch ein wenig Toilette machte und mich wegen der -Nachtkühle einhüllte. -</p> - -<p> -Von unseren beiden Anteilen wurde der eine gekocht, -und den anderen bewahrte Tehura roh auf. -</p> - -<p> -Dann fragte sie mich des langen und breiten über die -verschiedenen Vorkommnisse beim Fischfang aus, und -ich befriedigte willfährig ihre Neugierde. Genügsam und -kindlich erheiterte sie sich an allem, und ich beobachtete -sie, ohne sie meine geheimen Gedanken merken zu lassen. -Im Grunde meiner Seele war ohne jede Ursache eine Unruhe -erwacht, die nicht zu beschwichtigen war. Ich brannte -darauf, an Tehura eine Frage zu stellen – eine gewisse -Frage ... und es half mir nichts, mir zu sagen: Wozu? -Ich antwortete mir selber: Wer weiß? -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Die Zeit des Schlafengehens kam heran, und als wir -beide ausgestreckt nebeneinander lagen, fragte ich plötzlich: -</p> - -<p> -– Bist du vernünftig gewesen? -</p> - -<p> -– Ja. -</p> - -<p> -– Und dein Geliebter, war er nach deinem Geschmack? -</p> - -<p> -– Ich habe keinen Geliebten. -</p> - -<p> -– Du lügst, der Fisch hat es verraten. -</p> - -<p> -Tehura erhob sich und blickte mich starr an. Ihr Antlitz -hatte einen seltsamen mystischen Ausdruck majestätischer -Größe, der mir fremd war und den ich in ihren heiteren, -fast kindlichen Zügen nie vermutet hätte. -</p> - -<p> -Die Atmosphäre in unserer kleinen Hütte hatte sich -verwandelt: Ich fühlte, daß etwas Erhabenes sich zwischen -uns erhob. Und wider Willen unterlag ich dem -Einfluß des Glaubens und erwartete eine Botschaft von -oben. Ich zweifelte nicht, daß sie kommen würde, obwohl -die fruchtlosen Bedenken unseres Skeptizismus dieser -glühenden, wenn auch nur einem Aberglauben geltenden -Inbrunst gegenüber noch ihre Macht auf mich ausübten. -</p> - -<p> -Tehura schlich leise zur Tür, um sich zu vergewissern, -daß sie gut verschlossen war, und als sie bis in die Mitte -der Kammer zurückgekommen war, sprach sie folgendes -Gebet: -</p> - -<div class="poem-container"> - <div class="poem"> - <div class="stanza"> - <p class="verse">Rette mich! Rette mich!</p> - <p class="verse">Es ist Abend, es ist Abend der Götter.</p> - <p class="verse">Wache über mich, o mein Gott!</p> - <p class="verse">Wache über mich, o mein Herr!</p> - <p class="verse">Behüte mich vor Betörung und schlechten Ratschlägen.</p> - <p class="verse">Bewahre mich vor einem plötzlichen Tode,</p> - <p class="verse">Vor dem Bösen und Verwünschungen;</p> - <p class="verse">Bewahre mich vor Streit um die Teilung des Landes,</p> - <p class="verse">Möge Frieden herrschen unter uns!</p> - <p class="verse">O mein Gott, schütze mich vor den rasenden Kriegern!</p> - <p class="verse">Hüte mich vor dem, der mich bedroht,</p> - <p class="verse">Den es freut zu ängstigen,</p> - <p class="verse">Vor dem, dessen Haar sich beständig sträubt!</p> - <p class="verse">Auf daß ich und mein Geist leben können,</p> - <p class="verse">O mein Gott!</p> - </div> - </div> -</div> - -<p class="noindent"> -An diesem Abend, wahrlich, habe ich mit Tehura gebetet. -</p> - -<p> -Als sie ihr Gebet beendet hatte, kam sie mit Tränen in -den Augen zu mir hin und flehte mich an, sie zu schlagen. -</p> - -<p> -Und vor dem tiefen Ernst dieses Antlitzes, vor der vollkommenen -Schönheit dieser lebenden Statue glaubte ich -die von Tehura heraufbeschworene Gottheit selber vor -mir zu sehen. -</p> - -<p> -Verflucht sei ewig meine Hand, wenn sie es wagte, sich -gegen ein Meisterwerk der Natur zu erheben! -</p> - -<p> -Sie wiederholte ihr Flehen, sie zu schlagen. -</p> - -<p> -– Tust du es nicht, so zürnst du lange und wirst krank. -</p> - -<p> -Ich küßte sie. -</p> - -<p> -Und jetzt, wo ich sie ohne Mißtrauen liebe, so liebe, -wie ich sie bewunderte, kamen mir die Worte Buddhas -auf die Lippen: -</p> - -<p> -„Ja, durch Sanftmut muß man den Zorn besiegen, durch -das Gute Böses, und durch Wahrheit Lüge.“ -</p> - -<p> -Diese Nacht ward göttlich, köstlicher als die anderen -alle – und strahlend erwachte der Tag. -</p> - -<p> -Frühmorgens brachte ihre Mutter uns einige frische -Kokosnüsse. -</p> - -<p> -Mit einem Blick befragte sie Tehura. -</p> - -<p> -Sie <em>wußte</em>. -</p> - -<p> -Mit feinem Mienenspiel sagte sie zu mir: -</p> - -<p> -– Du warst gestern auf dem Fischfang, ist alles gut -verlaufen? -</p> - -<p> -Ich erwiderte: -</p> - -<p> -– Ich hoffe, bald wieder dabei zu sein. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Ich war genötigt, nach Frankreich zurückzukehren. -Wichtige Familienangelegenheiten riefen mich zurück. -</p> - -<p> -Lebe wohl, gastfreies Land, köstliches Land, Heimat -der Freiheit und der Schönheit! -</p> - -<p> -Zwei Jahre älter geworden und um zwanzig Jahre verjüngt -gehe ich fort, <em>verwilderter</em> als ich gekommen war -und doch <em>gescheiter</em>. -</p> - -<p> -Die Wilden, diese Unwissenden, haben den alten Kulturmenschen -vieles gelehrt, vieles in der Kunst zu leben -und glücklich zu sein: Vor allem haben sie mich gelehrt, -mich selber besser zu kennen, ich habe von ihnen nur -tiefste Wahrheit gehört. -</p> - -<p> -War das dein Mysterium, du geheimnisvolle Welt? Du -hast mir Licht gebracht, und ich bin gewachsen in der -Bewunderung deiner antiken Schönheit, der unvergänglichen -Jugend der Natur. -</p> - -<p> -Das Verständnis und die Liebe zu der Seele deiner Menschen, -zu dieser Blume, die aufhört zu blühen, und deren -Duft niemand mehr einatmen wird, hat mich besser gemacht. -</p> - -<p class="tb"> -<span class="u">*</span> <span class="l">*</span> <span class="u">*</span> -</p> - -<p class="noindent"> -Als ich den Quai verließ, um an Bord zu gehen, sah -ich Tehura zum letztenmal. -</p> - -<p> -Sie hatte Nächte hindurch geweint, jetzt saß sie erschöpft -und traurig, aber ruhig mit herabhängenden Beinen -auf einem Stein, und ihre starken, festen Füße berührten -das schmutzige Wasser. -</p> - -<p> -Die Blume, die sie am Morgen hinters Ohr gesteckt -hatte, war welk auf ihre Knie herabgefallen. -</p> - -<p> -Hier und dort starrten andere, wie sie, matt, schweigend, -düster, gedankenlos, auf den dichten Qualm des -Schiffes, das uns alle für immer weit fort tragen sollte. -</p> - -<p> -Und von der Schiffsbrücke aus glaubten wir, während -wir uns immer weiter entfernten, mit dem Fernglas auf -ihren Lippen noch lange jene alten maorischen Verse zu -lesen: -</p> - -<div class="poem-container"> - <div class="poem"> - <div class="stanza"> - <p class="verse">Ihr leisen Winde von Süd und Ost,</p> - <p class="verse">Die ein zärtlich Spiel über meinem Haupte vereint,</p> - <p class="verse">Eilt schnell zur nächsten Insel hin.</p> - <p class="verse">Dort findet ihr im Schatten seines Lieblingsbaumes</p> - <p class="verse">Ihn, der mich verlassen hat.</p> - <p class="verse">Sagt ihm, daß ihr in Tränen mich gesehn.</p> - </div> - </div> -</div> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="footnotes" id="part-1"> -Fußnoten -</h2> - -</div> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-1" id="footnote-1">[1]</a> Paréo – Gürtel, einziges Kleidungsstück der Eingeborenen. -</p> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-2" id="footnote-2">[2]</a> Leichtes, aus einem Stamm gemachtes Fahrzeug der Wilden. -</p> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-3" id="footnote-3">[3]</a> Tupapaüs – Geister von Verstorbenen, Kobolde und Nachtgespenster. -</p> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-4" id="footnote-4">[4]</a> Vivo – Musikinstrument. -</p> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-5" id="footnote-5">[5]</a> Dieser Mahoüi scheint ebenso wie Roüa, der die Sterne -schuf, derselbe wie Taaroa. Es sind wahrscheinlich verschiedene -Namen desselben Gottes. -</p> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-6" id="footnote-6">[6]</a> Die symbolische Bedeutung dieses Ritus, das klare Verbot -der Anthropophagie, ist nicht zu verkennen. -</p> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-7" id="footnote-7">[7]</a> Es ist zu befürchten, daß die Missionare (von denen diese -Überlieferungen stammen) zu einem leicht zu erratenden Zweck, -in diesem wie vielen anderen Punkten, die Vorfahren ihrer Pfarrkinder -verleumdet haben. Aber trotz alles Brutalen, Grotesken und -vielleicht Abstoßenden wird man doch zugeben müssen, daß dieser -merkwürdige Ritus nicht einer eigentümlichen Schönheit entbehrt. -</p> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-8" id="footnote-8">[8]</a> Das Wort <em>Mara</em> kommt in der Sprache der Buddhisten -vor, wo es <em>Tod</em> bedeutet und, davon abgeleitet, <em>Sünde</em>. -</p> - -<p class="footnote"> -<a class="footnote" href="#fnote-9" id="footnote-9">[9]</a> Die Legende ist <em>eine</em> der vielen maorischen Erklärungen -der Sintflut. -</p> - -<div class="ads chapter"> -<p class="pub"> -<span class="line1">Neue Auflagen im Verlage Bruno Cassirer, Berlin</span> -</p> - -<p class="book"> -OTTO BRAUN:<br /> -AUS NACHGELASSENEN SCHRIFTEN<br /> -EINES FRÜHVOLLENDETEN -</p> - -<p class="run"> -16. bis 45. Tausend -</p> - -<p class="book"> -FEDOR DOSTOJEWSKI: DER IDIOT -</p> - -<p class="ed"> -Erste vollständige deutsche Ausgabe von <em>August Scholz</em> -</p> - -<p class="run"> -8. und 9. Aufl. – In Ganzleinen gebunden mit einer Lithographie -</p> - -<p class="book"> -FEDOR DOSTOJEWSKI: DER GATTE -</p> - -<p class="ed"> -Deutsche Ausgabe von <em>August Scholz</em> -</p> - -<p class="run"> -6. bis 9. Tausend – In Halbleinen gebunden -</p> - -<p class="book"> -DIE SEELE RUSSLANDS -</p> - -<p class="ed"> -Aus den Romanen von Fedor Dostojewski herausgegeben und eingeleitet -von <em>Karl Scheffler</em>, deutsch von <em>August Scholz</em> -</p> - -<p class="ed"> -In Halbleinen gebunden -</p> - -<p class="ed"> -mit einer Lithographie von <em>Otto Müller</em> -</p> - -<p class="book"> -VINCENT VAN GOGH: BRIEFE -</p> - -<p class="run"> -Mit 16 Abbildungen – 8. und 9. Auflage -</p> - -<p class="ed"> -In Japankreppapier gebunden -</p> - -<p class="book"> -IWAN GONTSCHAROW, GESAMMELTE WERKE -</p> - -<p class="ed"> -Vier Bände in Ganzleinen -</p> - -<p class="ed"> -Buchschmuck und Entwurf des Einbandes von Professor <em>Weiß</em> -</p> - -<p class="book"> -<span class="s">Band I</span>: EINE ALLTÄGLICHE GESCHICHTE -</p> - -<p class="book"> -<span class="s">Band II</span>: OBLOMOW -</p> - -<p class="book"> -<span class="s">Band III/IV</span>: DIE SCHLUCHT, <span class="s">Zwei Bände</span> -</p> - -</div> - -<div class="trnote chapter"> -<p class="transnote"> -Anmerkungen zur Transkription -</p> - -<p> -Fußnoten wurden am Ende des Buches gesammelt. -</p> - -<p> -Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. -Weitere Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher): -</p> - - - -<ul> - -<li> -... <span class="underline">deren</span> Bewohner noch nach altem maorischem Brauch ...<br /> -... <a href="#corr-3"><span class="underline">dessen</span></a> Bewohner noch nach altem maorischem Brauch ...<br /> -</li> - -<li> -... Hochzeit, legal und religiös, wie die Missionare <span class="underline">so</span> den ...<br /> -... Hochzeit, legal und religiös, wie die Missionare <a href="#corr-5"><span class="underline">sie</span></a> den ...<br /> -</li> - -<li> -... fernstehende Geister, vermitteln sie nach der <span class="underline">Schöpfungsfrage</span> ...<br /> -... fernstehende Geister, vermitteln sie nach der <a href="#corr-6"><span class="underline">Schöpfungssage</span></a> ...<br /> -</li> -</ul> -</div> - -<div style='display:block; margin-top:4em'>*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NOA NOA ***</div> -<div style='text-align:left'> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Updated editions will replace the previous one—the old editions will -be renamed. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Redistribution is subject to the trademark -license, especially commercial redistribution. -</div> - -<div style='margin:0.83em 0; font-size:1.1em; text-align:center'>START: FULL LICENSE<br /> -<span style='font-size:smaller'>THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE<br /> -PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK</span> -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free -distribution of electronic works, by using or distributing this work -(or any other work associated in any way with the phrase “Project -Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full -Project Gutenberg™ License available with this file or online at -www.gutenberg.org/license. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ -electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to -and accept all the terms of this license and intellectual property -(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all -the terms of this agreement, you must cease using and return or -destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your -possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a -Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound -by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person -or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be -used on or associated in any way with an electronic work by people who -agree to be bound by the terms of this agreement. 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Information about the Mission of Project Gutenberg™ -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of -electronic works in formats readable by the widest variety of -computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s -goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg™ and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state’s laws. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, -Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up -to date contact information can be found at the Foundation’s website -and official page at www.gutenberg.org/contact -</div> - -<div style='display:block; font-size:1.1em; margin:1em 0; font-weight:bold'> -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread -public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine-readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. 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Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -Most people start at our website which has the main PG search -facility: <a href="https://www.gutenberg.org">www.gutenberg.org</a>. -</div> - -<div style='display:block; margin:1em 0'> -This website includes information about Project Gutenberg™, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. -</div> - -</div> - -</body> -</html> diff --git a/old/62800-h/images/008a.jpg b/old/62800-h/images/008a.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 7f82a5a..0000000 --- a/old/62800-h/images/008a.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/024a.jpg b/old/62800-h/images/024a.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 96fe93c..0000000 --- a/old/62800-h/images/024a.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/032a.jpg b/old/62800-h/images/032a.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 11e3251..0000000 --- a/old/62800-h/images/032a.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/048a.jpg b/old/62800-h/images/048a.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index ce4ad46..0000000 --- a/old/62800-h/images/048a.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/056a.jpg b/old/62800-h/images/056a.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index e8f98c1..0000000 --- a/old/62800-h/images/056a.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/072a.jpg b/old/62800-h/images/072a.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index cc758dd..0000000 --- a/old/62800-h/images/072a.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/096a.jpg b/old/62800-h/images/096a.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index e9132dc..0000000 --- a/old/62800-h/images/096a.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/cover.jpg b/old/62800-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 68651a6..0000000 --- a/old/62800-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/frontispiz.jpg b/old/62800-h/images/frontispiz.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 0ad5210..0000000 --- a/old/62800-h/images/frontispiz.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/62800-h/images/logo.jpg b/old/62800-h/images/logo.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 09f04d5..0000000 --- a/old/62800-h/images/logo.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/old/62800-8.txt b/old/old/62800-8.txt deleted file mode 100644 index 89b5817..0000000 --- a/old/old/62800-8.txt +++ /dev/null @@ -1,3390 +0,0 @@ -The Project Gutenberg EBook of Noa Noa, by Paul Gauguin - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Noa Noa - -Author: Paul Gauguin - -Translator: Luise Wolf - -Release Date: August 1, 2020 [EBook #62800] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NOA NOA *** - - - - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at https://www.pgdp.net. This file was -produced from images generously made available by The -Internet Archive. - - - - - - - - PAUL GAUGUIN, NOA NOA - - - MIT ACHT ABBILDUNGEN - - - PAUL GAUGUIN - - - - - NOA NOA - - - VERLAG VON BRUNO CASSIRER - BERLIN - - - DEUTSCH VON LUISE WOLF - - 9.-12. TAUSEND - - - - - - - »Dites, qu'avez-vous vu?« - - Charles Baudelaire. - -Nach dreiundsechzigtägiger Überfahrt, dreiundsechzig Tagen fieberhafter -Erwartung, bemerkten wir am 8. Juni in der Nacht seltsame Feuer, die -sich im Zickzack auf dem Meere bewegten. Von dem dunkeln Himmel löste -sich ein schwarzer Kegel mit zackigen Einschnitten. - -Wir umschifften Morea und hatten Tahiti vor uns. - -Einige Stunden später begann der Tag zu grauen, wir näherten uns langsam -den Klippen, liefen in das Fahrwasser ein und landeten ohne Unfall an -der Rhede. - -Der erste Anblick dieses Teils der Insel bietet nichts -Außergewöhnliches, nichts, das sich z. B. mit der herrlichen Bucht von -Rio de Janeiro vergleichen ließe. - -Es ist der Gipfel eines zur Zeit der Sintflut überschwemmten Berges. Nur -die äußerste Spitze ragte aus der Flut hervor: eine Familie flüchtete -sich dahin und gründete ein neues Geschlecht -- dann kletterten die -Korallen daran empor, setzten sich rings um die Bergspitze fest und -bildeten im Laufe der Jahrhunderte neues Land. Es dehnt sich immer noch -aus, bewahrt aber den ursprünglichen Charakter der Einsamkeit und -Abgeschiedenheit, die das Meer in seiner Unendlichkeit noch erhöht. - -Um zehn Uhr morgens stellte ich mich bei dem Gouverneur, dem Neger -Lacascade, vor, der mich wie eine Persönlichkeit von Ansehen empfing. - -Ich verdankte diese Ehre meiner Mission, mit der die französische -Regierung mich -- ich weiß nicht warum -- betraut hatte. Allerdings war -es eine künstlerische Mission, aber in den Augen des Negers war dies -Wort nur das offizielle Synonym für Spionage, und ich bemühte mich -vergebens, ihn davon abzubringen. Jedermann in seiner Umgebung teilte -seine irrige Ansicht, und als ich sagte, daß meine Mission unbezahlt -sei, wollte mir dies niemand glauben. - - * * * * * - -Das Leben zu Papeete wurde mir bald zur Last. - -Das war ja Europa -- das Europa, von dem ich mich zu befreien geglaubt -hatte! -- und dazu noch unter den erschwerenden Umständen des kolonialen -Snobismus und der bis zur Karikatur grotesken Nachahmung unserer Sitten, -Moden, Laster und Kulturlächerlichkeiten. - -Sollte ich einen so weiten Weg gemacht haben, um das zu finden, gerade -das, dem ich entflohen war! - -Aber ein öffentliches Ereignis interessierte mich doch. - -Der König Pomare war zu dieser Zeit tödlich erkrankt, und die -Katastrophe wurde täglich erwartet. - -Die Stadt hatte allmählich ein sonderbares Aussehen angenommen. - -Alle Europäer, Kaufleute, Beamte, Offiziere und Soldaten lachten und -sangen wie sonst auf den Straßen, während die Eingeborenen sich mit -ernsten Mienen und gedämpfter Stimme vor dem Palast unterhielten. - -An der Rhede auf dem blauen Meer mit seiner in der Sonne oft jäh -aufblitzenden, silberfunkelnden Klippenreihe herrschte eine -ungewöhnliche Bewegung orangefarbener Segel. Es waren die Bewohner der -benachbarten Inseln, die herbeieilten, den letzten Augenblicken ihres -Königs -- Frankreichs definitiver Besitznahme ihres Landes beizuwohnen. - -Durch Zeichen von oben hatten sie Kunde davon erhalten: denn jedesmal, -wenn ein König im Sterben liegt, bedecken die Berge sich an bestimmten -Stellen bei Sonnenuntergang mit dunkeln Flecken. - -Der König starb und ward in großer Admiralsuniform öffentlich in seinem -Palast ausgestellt. - -Dort sah ich die Königin Maraü -- dies war ihr Name --, die den -königlichen Saal mit Blumen und Stoffen schmückte. -- Als der Leiter der -öffentlichen Arbeiten mich wegen der künstlerischen Ausstattung des -Leichenbegängnisses um Rat fragte, wies ich ihn an die Königin, die mit -dem schönen Instinkt ihrer Rasse überall Anmut um sich verbreitete und -alles, was sie berührte, zu einem Kunstwerk gestaltete. - -Bei dieser ersten Begegnung verstand ich sie jedoch nur unvollkommen. -Menschen und Dinge, die so verschieden von denen waren, wie ich sie -gewünscht, hatten mich enttäuscht, ich war angewidert von dieser ganzen -europäischen Trivialität und zu kurze Zeit im Lande, um erkennen zu -können, wieviel sich in dieser eroberten Rasse unter der künstlichen, -verderblichen Tünche unserer Einführungen noch von Nationalität, -Ursprünglichkeit und primitiver Schönheit erhalten hatte, ich war in -mancher Beziehung noch blind. Ich sah auch in dieser bereits etwas -reifen Königin nichts als eine gewöhnliche dicke Frau mit Spuren von -edler Schönheit. Als ich sie später wiedersah, änderte ich mein erstes -Urteil, ich unterlag dem Reize ihres »maorischen Zaubers«. Trotz aller -Mischung war der tahitische Typus bei ihr sehr rein. Und dann gab die -Erinnerung an ihren Vorfahren, den großen Häuptling Tati, ihr wie ihrem -Bruder und der ganzen Familie ein Ansehen von wahrhaft imposanter Größe. -Sie hatte die majestätische, prachtvolle Gestalt der Rasse dort, groß -und doch anmutig, die Arme wie die Säulen eines Tempels einfach und -fest, und der ganze Körperbau, diese gerade horizontale Schulterlinie, -die oben spitz auslaufende Höhe erinnerte mich unwillkürlich an das -heilige Dreieck, das Symbol der Dreieinigkeit. -- In ihren Augen blitzte -es zuweilen wie von vage auftauchender Leidenschaft, die sich jäh -entzündet und alles ringsum entflammt, -- und so vielleicht sind die -Inseln selber einst aus dem Ozean aufgetaucht und die Pflanzen darauf -beim ersten Sonnenstrahl erblüht. - -Alle Tahitaner kleideten sich in Schwarz und sangen zwei Tage lang -Trauerweisen und Totenklagen. Mir war, als hörte ich die Sonate -Pathétique. - -Dann kam der Tag der Bestattung. - -Um zehn Uhr morgens verließ der Zug den Palast. Truppe und Behörden in -weißem Helm und schwarzem Frack, die Eingeborenen in ihrer düstern -Tracht. Alle Distrikte marschierten in der Reihenfolge, und der Anführer -eines jeden trug die französische Fahne. - -Bei Aruë wurde haltgemacht. Dort erhebt sich ein unbeschreibliches -Monument, ein unförmlicher Haufen mit Zement verbundener Steine, der zu -der Umgebung und der Atmosphäre in peinlichem Kontrast steht. - -Lacascade hielt eine Rede nach bekanntem Muster, die ein Dolmetscher für -die anwesenden Franzosen übersetzte. Dann folgte eine Predigt des -protestantischen Pastors, auf die Tati, der Bruder der Königin, ein paar -Worte erwiderte -- das war alles. Man brach auf, und die Beamten -drängten sich in den Wagen zusammen, es erinnerte etwas an »die Rückkehr -von einem Rennen«. - -Unterwegs, wo die Gleichgültigkeit der Franzosen den Ton angab, fand -dieses seit mehreren Tagen so ernste Volk seine Fröhlichkeit wieder. Die -Vahinas nahmen wieder den Arm ihrer Tanés, sprachen lebhaft und wiegten -sich in den Hüften, während ihre kräftigen nackten Füße den Staub des -Weges aufwühlten. - -In der Nähe des Flusses Fatüa zerstreute sich alles. Zwischen den -Steinen versteckt, kauerten hier und dort Frauen mit bis zum Gürtel -aufgenommenen Röcken im Wasser, um ihre Hüften und die vom Marsch und -von der Hitze ermüdeten Beine zu erfrischen. So gereinigt machten sie -sich, stolz den Busen tragend, über dem der dünne Musselin sich -straffte, mit der Grazie und Elastizität junger gesunder Tiere wieder -auf den Weg nach Papeete. Ein gemischtes, halb animalisches, halb -pflanzliches Parfüm strömte von ihnen aus, das Parfüm ihres Blutes und -der Gardenien -- Tiaré --, die alle in den Haaren trugen. - --- _Téiné merahi noa noa_ (jetzt sehr wohlriechend), sagten sie. - - * * * * * - -... Die Prinzessin trat in meine Kammer, wo ich leidend, nur mit einem -Paréo[1] bekleidet, auf dem Bett lag. Wahrlich keine Art, eine Frau von -Rang zu empfangen. - -_Ja orana_ (ich grüße dich), Gauguin, sagte sie. Du bist krank, ich -komme, um nach dir zu sehen. - --- Und du heißest? - --- Vaïtüa. - -Vaïtüa war eine wirkliche Prinzessin, wenn es solche überhaupt noch -gibt, seitdem die Europäer alles auf ihr Niveau herabgedrückt haben. -Freilich war sie als einfache Sterbliche mit nackten Füßen, eine -duftende Blume hinterm Ohr, in schwarzem Kleide gekommen. Sie ging in -Trauer um den König Pomare, dessen Nichte sie war. Ihr Vater, Tamatoa, -hatte trotz der unvermeidlichen Berührung mit Offizieren und Beamten, -trotz der Empfänge bei dem Admiral, niemals etwas anders sein wollen als -ein königlicher Maorie, ein gigantischer Raufbold in Momenten des -Zornes, und bei abendlichen Orgien ein berühmter Zecher. Er war -gestorben. Vaïtüa, behauptete man, gliche ihm sehr. - -Ein skeptisches Lächeln auf den Lippen, betrachtete ich diese gefallene -Prinzessin mit der Dreistigkeit des eben auf der Insel gelandeten -Europäers. Aber ich wollte höflich sein. - --- Es ist sehr freundlich von dir, daß du gekommen bist, Vaïtüa. Wollen -wir zusammen einen Absinth trinken? - -Und mit dem Finger weise ich in eine Ecke der Kammer auf eine Flasche, -die ich soeben gekauft hatte. - -Ohne Unmut noch Freude zu zeigen, geht sie einfach hin und bückt sich, -um die Flasche zu nehmen. Bei dieser Bewegung spannte ihr leichtes, -durchsichtiges Kleid sich über den Lenden, -- es waren Lenden, eine Welt -zu tragen! O, sicherlich war es eine Prinzessin! Ihre Vorfahren? Stolze, -tapfere Riesen. Fest saß ihr stolzer, wilder Kopf auf den breiten -Schultern. Zuerst sah ich nur ihre Menschenfresserkiefer, ihre zum -Zerreißen bereiten Zähne, den lauernden Blick eines grausamen, listigen -Tieres und fand sie trotz einer schönen edlen Stirn sehr häßlich. - -Wenn ihr nur nicht einfiele, sich auf mein Bett zu setzen! Ein so -schwaches Gestell könnte uns beide ja nicht tragen ... - -Aber gerade das tut sie. - -Das Bett krachte, hielt es jedoch aus. - -Beim Trinken wechseln wir einige Worte. Die Unterhaltung will aber nicht -lebhaft werden. Sie ermattet schließlich, und es herrscht Schweigen. Ich -beobachte die Prinzessin insgeheim, sie sieht mich aus einem Augenwinkel -verstohlen an, die Zeit geht hin, und die Flasche leert sich. Vaïtüa -trinkt tapfer. Sie dreht sich eine tahitische Zigarette und streckt sich -auf dem Bett aus, um zu rauchen. Ihre Füße streichen ganz mechanisch -fortwährend über das Holz unten am Fußende, ihre Züge besänftigen sich, -werden sichtlich weich, ihre Augen glänzen -- und ein regelmäßiges -Pfeifen entschlüpft ihren Lippen -- mir war, als hörte ich das Schnurren -einer Katze, die auf blutige Genüsse sinnt. - -Da ich veränderlich bin, fand ich sie jetzt sehr schön, und als sie mit -bewegter Stimme sagte: »Du gefällst mir«, überkam mich eine große -Unruhe. Die Prinzessin war entschieden köstlich ... - -Ohne Zweifel, um mir zu gefallen, begann sie eine Fabel von La Fontaine, -die _Grille und die Ameise_ zu erzählen -- eine Erinnerung aus der Zeit -ihrer Kindheit bei den Schwestern, die sie unterrichtet hatten. - -Die ganze Zigarette war in Brand. - --- Weißt du, Gauguin, sagte die Prinzessin, und erhob sich, ich liebe -deinen La Fontaine nicht. - --- Wie? Unsern guten La Fontaine? - --- Vielleicht ist er gut, aber seine Moral ist häßlich. Ameisen ... (ihr -Mund drückte Abscheu aus). Ja, Grillen, die, ah! Singen, singen, immer -singen! - -Und stolz, ohne mich anzusehen, mit leuchtenden, ins Weite blickenden -Augen fügte sie hinzu: - --- Wie herrlich war unser Reich, als noch nichts verkauft wurde! Das -ganze Jahr hindurch wurde gesungen ... Singen, immer! Immer geben! ... - -Und sie ging. - -Ich legte mich wieder auf mein Kissen zurück, und lange klangen die -Worte: _Ja orana_, Gauguin, schmeichelnd in mir nach. - -Diese Episode, die mir mit dem Tode des Königs Pomare in Erinnerung -geblieben ist, hat tiefere Spuren in meinem Gedächtnis hinterlassen als -das Ereignis und die offizielle Feier. - -Die Bewohner von Papeete selber, sowohl Eingeborene wie Weiße, vergaßen -den Verblichenen schnell. Die von den Nachbarinseln gekommen waren, um -dem königlichen Leichenbegängnis beizuwohnen, fuhren wieder fort, noch -einmal kreuzten Tausende von orangefarbenen Segeln das blaue Meer, und -alles nahm wieder seinen gewohnten Gang. - -Es gab nur einen König weniger. - -Mit ihm verschwanden die letzten Spuren alter Traditionen. Mit ihm -schloß die Geschichte der Maorie ab. Sie war zu Ende. Die Zivilisation --- Soldaten, Handel und Beamtentum -- triumphierte, leider! - -Eine tiefe Traurigkeit bemächtigte sich meiner. Der Traum, welcher mich -nach Tahiti geführt, wurde durch die Tatsachen grausam verscheucht. Ich -liebte das Tahiti von eh, das jetzige flößte mir Grauen ein. - -Doch als ich die noch erhaltene physische Schönheit der Rasse sah, -konnte ich nicht daran glauben, daß sie nichts von ihrer antiken Größe, -von ihren persönlichen und natürlichen Sitten, von ihrem Glauben und -ihren Legenden bewahrt haben sollte. Aber wie die Spuren dieser -Vergangenheit, wenn sie solche hinterlassen hat, allein entdecken? wie -sie ohne Führung erkennen? Wie das Feuer wieder entzünden, von dem -selbst die Asche zerstreut ist? - -So niedergeschlagen ich auch sein mag, pflege ich mein Vorhaben doch -niemals aufzugeben, ohne alles, selbst »das Unmögliche« versucht zu -haben, um zum Ziele zu gelangen. - -Mein Entschluß war bald gefaßt. Ich beschloß, Papeete zu verlassen, mich -von dem europäischen Mittelpunkt zu entfernen. - -Ich fühlte, daß, wenn ich das Leben der Eingeborenen im Busch völlig mit -ihnen teilte, ich allmählich das Vertrauen der Maorie gewinnen und -- -sie kennenlernen würde. - -Und eines Morgens machte ich mich in meinem Wagen auf, den ein Offizier -mir liebenswürdig zur Verfügung gestellt hatte, um »meine Hütte« zu -suchen. - -Meine Vahina namens Titi begleitete mich. Halb englischer, halb -tahitischer Abstammung sprach sie etwas Französisch. Für diese Fahrt -hatte sie ihr schönstes Kleid angelegt, die Tiaré hinterm Ohr, ihren -oben mit Band, unten mit Strohblumen und einer Garnitur orangefarbener -Muscheln geputzten Basthut aufgesetzt und das lange schwarze Haar -aufgelöst über die Schultern hängen. Sie war stolz, in einem Wagen zu -fahren, stolz, so elegant und die Vahina eines Mannes zu sein, den sie -für einflußreich und vermögend hielt, und war wirklich hübsch in ihrem -Stolz, der nichts Lächerliches hatte, so sehr paßt die majestätische -Miene zu dieser Rasse, die im Andenken an die weit zurückreichende -Geschichte ihrer Herrschaft und eine unbestimmte Reihe großer Häuptlinge -diesen herrlichen Stolz bewahrt. -- Ich wußte zwar, daß ihre sehr -berechnete Liebe in den Augen der Pariser nicht schwerer gewogen hätte -als die feile Gefälligkeit einer Dirne. Aber die Liebesglut einer -maorischen Kurtisane ist etwas ganz anderes als die Passivität einer -Pariser Kokotte -- ganz etwas anderes! Es ist ein Feuer in ihrem Blute, -das Liebe, seine eigentliche Nahrung, erweckt, das Liebe atmet. Diese -Augen und dieser Mund können nicht lügen, ob uneigennützig oder nicht, -es spricht immer Liebe aus ihnen. - -Der Weg durch die reiche und einförmige Landschaft war bald -zurückgelegt. Zur Rechten immer das Meer, die Korallenriffe und -Wasserfälle, die zuweilen wie Dampf zerstoben, wenn die Wellen in zu -ungestüme Berührung mit den Felsen kamen. Zur Linken den Busch mit der -Aussicht auf große Wälder. - -Mittags hatten wir unsere fünfundvierzig Kilometer hinter uns und -erreichten den Distrikt von Mataiëa. - -Ich sah mich um und fand schließlich eine leidlich hübsche Hütte, die -der Eigentümer mir zur Miete überließ. Er baute sich daneben eine neue, -die er bewohnen wollte. - -Am Abend des nächsten Tages, als wir nach Papeete zurückkehrten, fragte -mich Titi, ob ich sie nicht mit mir nehmen wolle. - --- Später, in einigen Tagen, wenn ich eingerichtet sein werde, sagte -ich. - -Titi hatte in Papeete einen furchtbaren Ruf, nachdem sie mehrere -Liebhaber unter die Erde gebracht. Aber nicht das machte mich ihr -abwendig. Sie hatte als halbe Weiße, und trotz Spuren tiefer, -origineller und echt maorischer Eigentümlichkeiten durch zahlreiche -Beziehungen viel von ihren »Rassemerkmalen« eingebüßt. Ich fühlte, daß -sie mich nichts von dem lehren konnte, was ich wissen wollte, und mir -nichts von dem erlesenen Glück gewähren, das ich begehrte. - -Außerdem sagte ich mir, daß ich auf dem Lande finden würde, was ich -suchte und nur zu wählen brauchte. - - * * * * * - -Von einer Seite das Meer, an der anderen das Gebirge, zerklüftetes -Gebirge, ein enormer Spalt, den ein an dem Felsen lehnender, hoher -Mangobaum verdeckt. - -Zwischen Berg und Meer steht meine Hütte vom Holze des Bourao. Daneben -eine zweite, die ich nicht bewohne, _die faré amu_ (Speisehütte). - -Morgen. - -Auf dem Meere nahe am Strande sehe ich eine Piroge[2] und darin eine -halbnackte Frau. Am Strande einen Mann, ebenfalls unbekleidet. Ein -kranker Kokosnußbaum mit verschrumpften Blättern gleicht einem -ungeheuren Papagei, der seinen vergoldeten Schwanz herabhängen läßt und -eine volle Traube in den Krallen hält. Mit harmonischer Gebärde hebt der -Mann mit beiden Händen ein schweres Beil, das oben auf dem silbrigen -Himmel eine blaue Spur, unten einen rosigen Einschnitt auf dem -abgestorbenen Stamme hinterläßt, wo die von Tag zu Tag aufgesparte Glut -von Jahrhunderten in den Flammen eines Augenblicks wieder aufleben wird. - -Lange schlangenartige Blätter von einem metallischen Gelb auf dem -purpurnen Boden gemahnten mich an die Züge einer geheimen, religiösen, -alten Schrift. Deutlich bildeten sie das heilige Wort australischen -Ursprungs ATUA -- Gott -- den Taäta oder Takata oder Tathagata, der in -ganz Indien überall herrschte. Und wie eines mystischen Zuspruchs in -meiner schönen Einsamkeit und meiner schönen Armut erinnerte ich mich -wieder der Worte des Weisen: - - In den Augen des Tathagata ist die herrlichste Pracht von Königen - und seinen Ministern nichts als Auswurf und Staub. - - In seinen Augen ist Reinheit und Unreinheit wie der Tanz der sechs - Nagas. - - In seinen Augen ist das Suchen nach dem Anblick des Buddha gleich - den Blumen. - -In der Piroge ordnete die Frau einige Netze. - -Die blaue Linie des Meeres wurde häufig von dem Grün der Wogenkämme -unterbrochen, die an den Korallenriffen brandeten. - -Abend. - -Ich war an den Strand gegangen, um eine Zigarette zu rauchen. - -Die rasch bis zum Horizont gesunkene Sonne versteckte sich schon zur -Hälfte hinter der Insel Morea, die mir zur Rechten lag. In dem Zwielicht -standen die Berge, deren Vorsprünge alten, mit Zinnen gekrönten -Schlössern glichen, in festen schwarzen Silhouetten auf der violetten -Glut des Himmels. - -Kein Wunder, daß mich vor diesen natürlichen Bauwerken -Herrscher-Visionen verfolgen! Der Gipfel dort unten hat die Gestalt -eines riesigen Helmes. Die Wogen ringsum, deren Rauschen wie das Lärmen -einer gewaltigen Menge klingt, werden ihn niemals erreichen. Unter der -Ruinenpracht steht der Helm allein, Beschützer und Zeuge, ein Nachbar -des Himmels. Ich fühle von dem Haupte droben einen heimlichen Blick in -die Wasser tauchen, die einst das sündige Geschlecht der Lebenden -verschlungen hatten, und von dem weiten Spalt, der sein Mund sein -könnte, fühle ich ein Lächeln der Ironie oder des Mitleids über das -Wasser schweifen, wo die Vergangenheit schläft. - -Die Nacht brach schnell herein. Morea schlief. - - * * * * * - -Stille! Ich lernte die Stille einer tahitischen Nacht kennen. - -Ich vernahm nichts als das Schlagen meines Herzens in der Stille. - -Aber die Mondstrahlen fielen durch das in gleicher Entfernung -voneinander stehende Bambusrohr vor meiner Hütte bis auf mein Bett. Und -dieser gleichmäßige Schein erweckte in mir die Vorstellung eines -Musikinstrumentes, der Rohrpfeife der Alten, die den Maories bekannt ist -und von ihnen _Vivo_ genannt wird. Mond und Bambusrohr zeichneten es -übertrieben: als ein Instrument, das tagsüber schweigt, aber nachts, -dank dem Monde, dem Träumer liebe Melodien ins Gedächtnis zurückruft. -Ich schlief bei dieser Musik ein. - -Zwischen dem Himmel und mir nichts als das hohe, leichte Dach von -Pandanusblättern, in denen die Eidechsen nisten. - -Ich bin weit fort von jenen Gefängnissen, den europäischen Häusern! - -Eine maorische Hütte trennt den Menschen nicht vom Leben, von Raum und -Unendlichkeit ... - -Indessen fühlte ich mich dort sehr einsam. - -Die Bewohner der Gegend und ich beobachteten einander gegenseitig, und -der Abstand zwischen uns blieb der gleiche. - -Seit dem zweiten Tage waren meine Vorräte erschöpft. Was tun? Ich hatte -geglaubt, für Geld alles Notwendige zu finden. Ich hatte mich jedoch -getäuscht. Sobald man die Stadt verlassen hat, muß man sich an die Natur -halten, um zu leben, und sie ist reich, sie ist freigebig und verweigert -keinem einen Anteil an ihren Schätzen, die unerschöpflich an Bäumen, in -den Bergen und im Meere aufgespeichert sind. Aber man muß verstehen, auf -die hohen Bäume zu klettern, die Berge zu besteigen und mit schwerer -Beute beladen zurückkehren, man muß Fische fangen, tauchen, auf dem -Meeresgrund die fest an den Steinen haftenden Muscheln losreißen können, --- man muß wissen, muß können. - -Ich, der Kulturmensch, stand in dieser Hinsicht weit hinter den Wilden -zurück. Ich beneidete sie. Ich sah ihr glückliches, friedliches Leben um -mich her, ohne größere Anstrengung, als die täglichen Bedürfnisse es -erforderten -- ohne die geringste Sorge um Geld. Wem sollte man etwas -verkaufen, wo die Erzeugnisse der Natur jedem zu Gebote stehen? - -Da, als ich mit leerem Magen auf der Schwelle meiner Hütte saß und -betrübt an meine Lage und die unvorhergesehenen, vielleicht -unüberwindlichen Hindernisse dachte, die die Natur zwischen sich und den -Kulturmenschen stellt -- bemerkte ich einen Eingeborenen, der mir -gestikulierend etwas zurief. Die sehr ausdrucksvollen Gebärden ersetzten -die Worte, und ich verstand, daß mein Nachbar mich zum Essen einlud. Mit -einem Kopfschütteln lehnte ich ab. Dann ging ich beschämt, ich glaube -ebensosehr, weil ich das Anerbieten zurückgewiesen, wie wenn ich es -angenommen hätte, in meine Hütte zurück. - -Nach einigen Minuten stellte ein kleines Mädchen, ohne etwas zu sagen, -gekochtes Gemüse und sauber von frisch gepflückten grünen Blättern -umhüllte Früchte vor meine Tür. Ich war hungrig. Und ebenfalls ohne ein -Wort zu sagen, nahm ich es an. - -Kurz darauf ging der Mann an meiner Hütte vorüber und fragte lächelnd, -ohne stehen zu bleiben: - --- Païa? - -Ich erriet: Bist du zufrieden? - -Das war der Beginn gegenseitiger Vertraulichkeit zwischen mir und den -Wilden. - -»Wilde!« dieses Wort kam mir unwillkürlich über die Lippen, als ich -diese schwarzen Wesen mit den Kannibalen-Zähnen betrachtete. Doch bald -erkannte ich ihre echte, ihre fremdartige Anmut ... Wie jenes braune -Köpfchen mit den sanften niedergeschlagenen Augen, jenes Kind unter -Büschen großer Blätter des Giromon mich eines Morgens ohne mein Wissen -beobachtete und entfloh, als mein Blick dem seinen begegnete ... - -Wie sie mir, war ich ihnen ein Gegenstand der Beobachtung und eine -Ursache des Staunens, einer, dem alles neu war, der nichts kannte. Denn -ich kannte weder ihre Sprache, noch ihre Gebräuche, selbst nicht die -einfachsten notwendigen Handgriffe. -- Wie jeder von ihnen für mich, war -ich für jeden von ihnen ein Wilder. - -Und wer von uns beiden hatte recht? - -Ich versuchte zu arbeiten, machte allerlei Notizen und Skizzen. - -Aber die Landschaft mit ihren starken, reinen Farben blendete mich, -machte mich blind. Ich war immer unentschieden, suchte und suchte ... - -Und dabei war es so einfach zu malen, wie ich es sah, ohne viel -Überlegung ein Rot neben ein Blau zu setzen! Vergoldete Gestalten in -Bächen und am Strande entzückten mich, warum zögerte ich, diesen -Sonnenjubel auf meine Leinwand zu bannen. - -Oh! diese alten europäischen Überlieferungen! die furchtsame -Ausdrucksart entarteter Rassen! - -Um mich mit dem eigentümlichen Charakter eines tahitischen Gesichts -vertraut zu machen, wollte ich das Porträt einer meiner Nachbarinnen, -einer jungen Frau rein tahitischer Abstammung, machen. -- Eines Tages -faßte sie sich ein Herz, in meine Hütte zu kommen und sich Photographien -von Bildern anzusehen, mit denen ich eine Wand meiner Kammer tapeziert -hatte. Sie betrachtete sie lange, mit ganz besonderem Interesse die -_Olympia_. - --- Wie gefällt dir das? fragte ich sie. (Ich hatte in den zwei Monaten, -wo ich nicht mehr fanzösisch sprach, ein paar tahitische Worte gelernt.) - -Meine Nachbarin erwiderte: - --- Sie ist sehr schön. - -Ich lächelte über diese Bemerkung, und sie rührte mich. Hatte sie denn -Verständnis für das Schöne? Was aber würden die Professoren der Akademie -der Schönen Künste dazu sagen? - -Nach einem fühlbaren Schweigen, wie es einer Gedankenfolgerung -vorauszugehen pflegt, fügte sie plötzlich hinzu: - --- Ist das deine Frau? - --- Ja. - -Ich scheute diese Lüge nicht. Ich, der _Tané_ der schönen Olympia! - -Während sie neugierig einige religiöse Kompositionen der italienischen -Primitiven prüfte, begann ich eilig, ohne daß sie es sah, ihr Porträt zu -skizzieren. - -Sie merkte es plötzlich, rief schmollend -- Aïta! (Nein) und lief davon. - -Eine Stunde später war sie in einem schönen Kleid, die Tiaré hinterm -Ohr, wieder da. -- Geschah es aus Koketterie? aus Freude, nach der -Weigerung freiwillig nachzugeben? Oder war es einfach das Lockende der -verbotenen Frucht, die man sich selber verwehrt? Oder noch einfacher -vielleicht bloße Laune, ohne jeden andern Beweggrund, wie die Maories -sie gewohnt sind? - -Ohne Zögern machte ich mich an die Arbeit, ohne Zögern und fieberhaft. -Ich war mir bewußt, daß von meiner Leistung als Maler die physische und -moralische Ergebenheit des Modells, eine rasche, stillschweigende, -unweigerliche Einwilligung abhing. - -Nach unsern Regeln der Ästhetik war sie wenig schön. - -Aber sie war schön. - -Ihre Züge waren von einer raffaelischen Harmonie, und den Mund hatte ein -Bildhauer modelliert, der es versteht, in eine einzige bewegliche Linie -alle Freude und alles Leid zu legen. - -Ich arbeitete hastig und leidenschaftlich, denn ich wußte wohl, daß auf -die Zustimmung noch nicht zu rechnen war. Ich zitterte davor, in diesen -großen Augen Furcht zu lesen und Verlangen nach dem Unbekannten, die -Melancholie bitterer Erfahrung, die jeder Lust zugrunde liegt, wie das -unfreiwillige, souveräne Gefühl der Selbstbeherrschung. Solche Geschöpfe -scheinen uns zu unterliegen, wenn sie sich uns geben, und unterliegen -doch nur ihrem eigenen Willen. Sie beherrscht eine Kraft, die etwas -Übermenschliches hat -- oder vielleicht etwas göttlich Animalisches. - - * * * * * - -Jetzt arbeitete ich freier, besser. - -Aber meine Einsamkeit quälte mich. Ich sah in dieser Gegend zwar junge -Frauen und Mädchen mit ruhigem Blick, echte Tahitianerinnen, und einige -darunter hätten vielleicht gern das Leben mit mir geteilt. -- Aber ich -wagte nicht sie anzureden. Sie schüchterten mich wirklich ein mit ihrem -sicheren Blick, der Würde ihrer Haltung und den stolzen Gebärden. - -Dennoch wollen alle »genommen«, buchstäblich brutal genommen sein -(_maü_, ergreifen), ohne ein Wort. Alle haben den geheimen Wunsch nach -Vergewaltigung: weil durch diesen Akt männlicher Autorität der Weibwille -seine volle Unverantwortlichkeit behält -- denn so hat es ja nicht seine -Einwilligung zum Beginn einer dauernden Liebe gegeben. Möglich, daß -dieser erst so empörenden Gewalt ein tiefer Sinn zugrunde liegt, möglich -auch, daß sie ihren wilden Reiz hat. Ich dachte wohl daran, aber ich -wagte es nicht. - -Und dann hielt man mehrere von ihnen für krank, von jener Krankheit -befallen, die den Wilden als erste Stufe des Kulturlebens von den -Europäern gebracht wird ... - -Und wenn die Alten, auf eine von ihnen weisend, zu mir sagten: - --- Maü téra (nimm diese), hatte ich weder die notwendige Kühnheit noch -Vertrauen. Ich ließ Titi sagen, daß ich sie mit Vergnügen wieder -aufnehmen wolle. - -Sie kam sogleich. - -Der Versuch mißglückte, und an der Langeweile, die ich in der -Gesellschaft dieser an den banalen Luxus der Beamten gewöhnten Frau -empfand, konnte ich ermessen, welche Fortschritte ich bereits in dem -schönen Leben der Wilden gemacht hatte. - -Nach Verlauf einiger Wochen schieden Titi und ich für immer voneinander. - -Ich war wieder allein. - - * * * * * - -Meine Nachbarn sind mir Freunde geworden. Ich esse und kleide mich wie -sie. Wenn ich nicht arbeite, teile ich ihr Leben der Einfalt und der -Freude, das sich zuweilen jäh in Ernst verwandelt. - -Abends versammelt man sich in Gruppen am Fuße der buschigen Sträucher, -die die zerzausten Wipfel der Kokosnußbäume überragen, oder Männer und -Frauen, Greise und Kinder vereinen sich. Die einen stammen aus Tahiti, -andere von den Tongas- und wieder andere von den Marquesas-Inseln. Die -matten Töne ihrer Körper stimmen harmonisch zu dem Sammet des Laubes, -und aus ihrer kupfernen Brust steigen zitternd Melodien, die von den -rauhen Stämmen der Kokosnußbäume gedämpft zurückgeworfen werden. Es sind -tahitische Gesänge, die _Iménés_. - -Eine Frau beginnt, ihre Stimme erhebt sich gleich einem Vogel im Fluge -und geht durch alle Töne bis zum höchsten der Tonleiter, steigt und -singt in starken Modulationen und schwebt schließlich über den Stimmen -der übrigen Frauen, die ihrerseits nun auffliegen, wenn man so sagen -darf, ihr folgen und sie getreulich begleiten. Mit einem einzigen -gutturalen, barbarischen Schrei schließen zuletzt alle Männer einstimmig -den Gesang. - -Zuweilen kommt man zum Plaudern oder Singen in einer Hütte zusammen. - -Mit einem Gebet wird begonnen, ein Greis spricht es gewissenhaft vor, -und alle Anwesenden wiederholen es. Dann wird gesungen, oder es werden -lustige Geschichten erzählt. Der Inhalt dieser Erzählungen ist sehr -zart, kaum greifbar, es sind in das Gewebe gestickte, durch ihre -Naivität so feine Details, die sie belustigen. - -Seltener gibt man sich mit der Erörterung ernster Fragen oder weiser -Vorschläge ab. Eines Abends wurde folgender gemacht, den ich nicht ohne -Staunen hörte: - --- In unserm Dorf, sagte ein Greis, sieht man hier und dort zerfallene -Häuser, geborstene Mauern und morsche halboffene Dächer, durch die Nässe -dringt, wenn es zufällig einmal regnet. Warum? Jedermann hat das Recht, -vor Wind und Wetter geschützt zu sein. Es fehlt weder an Holz noch an -Laub zur Herstellung der Dächer. Ich schlage vor, gemeinschaftlich -geräumige solide Hütten an Stelle der unbewohnbar gewordenen zu bauen. -Wir wollen alle der Reihe nach Hand anlegen. - -Alle Anwesenden spendeten ihm ohne Ausnahme Beifall: - -Der Antrag des Greises wurde einstimmig angenommen. - -Ein kluges und gutes Volk, dachte ich, als ich abends nach Hause kam. - -Aber am folgenden Tage, als ich mich nach dem Beginn der gestern -verabredeten Arbeit erkundigte, merkte ich, daß niemand mehr daran -dachte. Das tägliche Leben nahm wieder seinen Gang, und die von dem -weisen Ratgeber bezeichneten Häuser blieben zerfallen wie zuvor. - -Auf meine Fragen erhielt ich nur ein ausweichendes Lächeln zur Antwort. - -Aber gerunzelte Brauen zogen bedeutsame Linien in diese träumerischen -Stirnen. - -Ich zog mich verwirrt, aber mit dem Gefühl zurück, eine tüchtige Lektion -von meinen Wilden erhalten zu haben. Sie taten wahrlich recht, dem -Vorschlag des Greises beizustimmen. Vielleicht hatten sie auch recht, -dem gefaßten Entschluß nicht weiter Folge zu leisten. - -Wozu arbeiten? Die Götter sind da, ihren Getreuen von den Gütern der -Natur zu spenden. - --- Morgen? - --- Vielleicht! aber was auch geschehen mag, heiter und wohltätig wird -die Sonne morgen aufgeben, wie sie es heute getan. - -Ist das Sorglosigkeit, Leichtsinn, Unbeständigkeit? Oder vielleicht -tiefe Philosophie? -- Wer weiß? Hütet euch vor dem Luxus! Hütet euch, -unter dem Vorwande der Vorsorge Geschmack daran zu finden und ihn für -notwendig zu halten ... - -Das Leben gestaltete sich täglich besser. Ich verstehe die Sprache der -Maories jetzt ziemlich gut und werde sie bald ohne Mühe sprechen können. - -Meine Nachbarn -- drei ganz in der Nähe und andere zahlreiche in einiger -Entfernung voneinander -- betrachten mich als einen der Ihren. - -In der fortwährenden Berührung mit den Kieselsteinen sind meine Füße -abgehärtet und an den Boden gewöhnt. Mein fast beständig nackter Körper -leidet nicht mehr unter der Sonne. - -Die Zivilisation verläßt mich allmählich. - -Ich fange an einfach zu denken, nur wenig Haß gegen meinen Nächsten zu -empfinden -- eher ihn zu lieben. - -Ich genieße alle Freuden des Lebens -- animalische wie menschliche. Bin -alles Erkünstelten, aller Konvention, aller Gewohnheiten ledig. Ich -komme der Wahrheit nahe, der Natur. Mit der Gewißheit, eine Reihe -freier, schöner Tage wie der heutige vor mir zu haben, senkt sich Friede -auf mich herab, ich entwickle mich normal und beschäftige mich nicht mit -unnützen Dingen. - -Ich habe einen Freund gewonnen. - -Er ist von selber zu mir gekommen, und ich darf gewiß sein, daß kein -niedriger Eigennutz ihn dazu veranlaßt hat. - -Es ist einer meiner Nachbarn, ein schlichter, sehr schöner, junger -Bursche. - -Meine farbigen Bilder und meine Holzschnitzereien haben seine Neugierde -geweckt; meine Antworten auf seine Fragen haben ihn belehrt. Es vergeht -kein Tag, an dem er mir nicht beim Malen oder Schnitzen zuschaut ... - -Noch jetzt, nach so langer Zeit, erinnere ich mich gern der wahren, -echten Gefühle, die ich in dieser wahren, echten Natur erweckte. - -Abends, wenn ich von meiner Arbeit ausruhte, plauderten wir miteinander. -Als neugieriger junger Wilder fragte er mich nach europäischem Leben, -besonders nach Liebessachen, und mehr als einmal brachten seine Fragen -mich in Verlegenheit. - -Aber seine Antworten waren noch naiver als seine Fragen. - -Eines Tages gab ich ihm meine Werkzeuge und ein Stück Holz, ich wollte, -daß er den Versuch machte zu schnitzen. Verwirrt und schweigend schaute -er mich erst an, dann gab er mir Holz und Werkzeug wieder zurück und -sagte schlicht und treuherzig, ich sei nicht wie die andern, ich -verstände Dinge, zu denen andere Menschen unfähig wären, und sei _andern -nützlich_. - -Ich glaube, Jotéfa ist der erste Mensch, der mir das gesagt hat -- es -war die Sprache des Wilden oder des Kindes, denn man muß eins von beiden -sein, nicht wahr, um zu glauben, daß ein Künstler -- ein _nützlicher -Mensch_ sei. - - * * * * * - -Einmal brauchte ich Rosenholz zu meiner Schnitzerei. Ich wollte einen -festen starken Stamm und fragte Jotéfa um Rat. - --- Man muß in die Berge gehen, sagte er. Ich weiß an einer bestimmten -Stelle mehrere schöne Bäume. Wenn du willst, führe ich dich hin. Wir -fällen einen Baum, der dir zusagt, und tragen ihn zusammen her. - -Zeitig am Morgen brachen wir auf. Die Fußsteige auf Tahiti sind ziemlich -beschwerlich für einen Europäer, und das Gehen im Gebirge erfordert, -selbst für die Eingeborenen, eine Kraftanstrengung, zu der sie sich -nicht unnötig entschließen. - -Zwischen zwei Bergen, zwei steilen Basaltwänden, die nicht zu erklimmen -sind, gähnt ein Spalt, in dem das Wasser sich zwischen Felsblöcken -hindurchwindet, die sich von der Seitenwand gelöst haben, um einer -Quelle den Weg zu bahnen. Die zum Bach angewachsene Quelle hat an ihnen -gerüttelt und gerückt und sie schließlich etwas weiter fortgedrängt, bis -der Bach, zum Strom angeschwollen, sie mitgerissen und bis zum Meer -getragen. An jeder Seite dieses Baches führt, oft von wahren Kaskaden -unterbrochen, eine Art von Weg durch ein buntes Gemisch von Bäumen, -Brotbäumen, Eisenbäumen, Bouraos, Kokosnußbäumen, Hibiscus, Pandanus, -Guavabäumen und Riesenfarnen, eine tolle Vegetation, die immer wilder -und dichter und schließlich zu einem immer undurchdringlicheren Dickicht -wird, je weiter man zum Mittelpunkt der Insel vordringt. - -Wir gingen beide nackt, mit dem weißblauen Paréo umgürtet, das Beil in -der Hand und mußten unzählige Male den Bach durchschreiten, um ein Stück -Weges abzuschneiden, den mein Führer mehr mit dem Geruche als mit dem -Auge zu entdecken schien, denn ein prächtiges Gewirr von Gras, Blättern -und Blumen hatte den Boden ganz bedeckt. - -Es herrschte vollkommene Stille, trotz des klagenden Rauschens des -Wassers in den Felsen, eines einförmigen Rauschens, einer sanften, -leisen Klage -- wie die Begleitung der Stille. - -Und in diesem Walde, in dieser Einsamkeit, dieser Stille wir beide -allein, -- er, ein ganz junger Mann, und ich, fast ein Greis, dem viele -Illusionen den zarten Hauch von der Seele gestreift, viele Anstrengungen -den Körper erschlafft und eine physisch und moralisch kranke -Gesellschaft ihre Laster, dies alte verhängnisvolle Erbe hinterlassen! - -Mit der animalisch geschmeidigen Anmut seiner Androgynen-Gestalt schritt -er vor mir her. Ich meinte die ganze Pflanzenpracht ringsum in ihm -verkörpert zucken und leben zu sehen. - -War es ein Mensch, der da vor mir ging? War es der kindliche Freund, bei -dem mich das Einfache und Komplizierte seiner Natur zugleich angezogen? -War es nicht vielmehr der Wald selber, der lebendige Wald, geschlechtlos -und -- verführerisch? - -Bei diesen nackten Völkerschaften ist der Unterschied der Geschlechter, -wie bei den Tieren, weniger betont als in unsern Klimaten. Mit Gürtel -und Schnürleib ist es uns gelungen, aus der Frau eine Anomalie, ein -künstliches Wesen zu schaffen, das die Natur uns, den Gesetzen der -Vererbung gehorchend, zu komplizieren und zu entkräften hilft, und das -wir sorgfältig in einem Zustand nervöser Schwäche und unzulänglicher -Muskelkraft erhalten, indem wir es vor Ermüdung bewahren und ihm die -Gelegenheit nehmen, sich zu entwickeln. Da unsere Frauen nach einem so -bizarren Ideal von Schlankheit geformt sind -- bei dem wir, seltsam -genug, verharren --, haben sie nichts Gemeinsames mehr mit uns, was -vielleicht nicht ohne ernste moralische und soziale Nachteile bleibt. - -Auf Tahiti kräftigt die Wald- und Meeresluft die Lungen, macht Schultern -und Hüften breit, und weder Männer noch Frauen werden von den Strahlen -der Sonne und den Kieselsteinen am Strande verschont. Sie verrichten -zusammen die gleichen Arbeiten, mit demselben Fleiß oder demselben -Gleichmut. Es ist etwas Männliches an diesen, und an jenen etwas -Weibliches. - -Diese Ähnlichkeit der Geschlechter erleichtert ihre Beziehungen, und die -stete Nacktheit gibt den Sitten eine natürliche Unschuld und vollkommene -Reinheit, weil den Gemütern die Beschäftigung mit dem gefährlichen -Mysterium fehlt, das einen »glücklichen Zufall« so bedeutungsvoll macht, -und ihnen das verstohlene oder sadistische Wesen der Liebe bei den -Kulturmenschen fremd ist. Mann und Frau, die Kameraden und mehr Freunde -als Liebende sind, leben in Freud und Leid fast unausgesetzt zusammen, -und selbst den Begriff des Lasters kennen sie nicht. - -Warum erwachte in diesem Rausch von Duft und Licht nun plötzlich bei dem -alten Kulturmenschen, mit dem Reiz des Neuen, Unbekannten, trotz der -geringeren sexuellen Unterschiede, jene furchtbare Begierde? - -Das Fieber pochte in meinen Schläfen und mir wankten die Knie. - -Aber der Weg war zu Ende, mein Gefährte wandte sich, um den Bach zu -durchschreiten, und kehrte sich mir bei der Bewegung zu: der Androgyne -war verschwunden. Es war ein wirklicher Jüngling, der vor mir schritt, -und seine ruhigen Augen hatten die feuchte Klarheit des Wassers. - -Sogleich kam wieder der Friede über mich. - -Wir rasteten einen Augenblick, und ich empfand einen unendlichen, eher -geistigen als sinnlichen Genuß, als ich in das frische Wasser tauchte. - --- Toë, toë (es ist kalt), sagte Jotéfa. - --- O nein! erwiderte ich. Und dieser Ausruf, der zu dem Beschluß des -Kampfes paßte, den ich im Geiste eben gegen eine ganze verderbte -Zivilisation bestanden hatte, weckte ein lautes Echo im Walde. Und ich -sagte mir, daß die Natur mich hatte kämpfen sehen, daß sie mich hörte -und mich verstand, denn jetzt antwortete sie auf meinen Siegesruf mit -ihrer klaren Stimme, daß sie nach dieser Prüfung willig sei, mich in die -Reihe ihrer Kinder aufzunehmen. - -Wir setzten unseren Weg fort, und ich drang mit leidenschaftlichem Eifer -immer tiefer in das Dickicht, als könnte ich dadurch bis ans Herz dieser -gewaltigen, mütterlichen Natur vordringen und mich mit ihren lebenden -Elementen vereinen. - -Mit ruhigem Blick ging mein Gefährte immer gleichen Schritts vor mir -her. Er war ohne Argwohn, ich trug die Last meines bösen Gewissens -allein. - -Wir langten an unserm Ziel an. - -Die steilen Wände des Berges waren allmählich flacher geworden, und -hinter einem dichten Vorhang von Bäumen dehnte sich, wohl versteckt, -eine Art Plateau aus. Aber Jotéfa kannte die Stelle und leitete mich mit -erstaunlicher Sicherheit hin. - -Ein Dutzend Rosenholzbäume breiteten dort ihr gewaltiges Geäst aus. - -Wir fällten den schönsten mit dem Beil und mußten ihn ganz opfern, um -ihm einen für mein Vorhaben passenden Zweig zu rauben. - -Das Fällen machte mir Freude, und mit wahrem Vergnügen und freudiger -Erregung in mir, ich weiß nicht welch göttlich rohe Begierde zu -befriedigen, riß ich mir die Hände blutig. Nicht auf den Baum hieb ich -ein, nicht ihn wollte ich überwältigen. Und dennoch hätte ich den Klang -meines Beiles gern noch an andern Stämmen vernommen, als dieser am Boden -lag. - -Und was mein Beil mir im Takt mit den hallenden Schlägen sagte, war -dies: - - Den ganzen Wald mußt du niederschlagen! - Den ganzen Wald des Bösen vernichten, - Der seine Keime dir einblies mit giftigem Hauch! - Zerstöre die Eigenliebe in dir! - Zerstöre das Böse und reiß es heraus, - Wie die Lotosblume im Herbst! - -Ja, von nun an ist der alte Kulturmensch verschwunden, tot. Ich ward -wiedergeboren -- oder vielmehr ein anderer Mensch, ein reiner, stärkerer -erstand in mir. - -Dieser furchtbare Anfall war der letzte Abschied von der Zivilisation: -vom Bösen. Und dieser letzte Beweis verderbter Instinkte, die auf dem -Grunde aller dekadenten Seelen schlummern, erhöhte durch den Kontrast -die gesunde Einfachheit des Lebens, mit dem ich schon den ersten Anfang -gemacht, bis zu einem Gefühl unsagbarer Wonne. - -Gierig atmete ich die herrliche, reine Luft ein. Von nun an war ich ein -andrer Mensch: ein wahrer Wilder, ein echter Maorie. - -Jotéfa und ich kehrten nach Mateïéa zurück und trugen vorsichtig und -einträchtig unsere schwere Rosenholzlast: _noa, noa_! - -Die Sonne war noch nicht untergegangen, als wir sehr ermüdet vor meiner -Hütte anlangten. - -Jotéfa sagte zu mir: - --- Païa? - --- Ja, erwiderte ich. - -Und im Grunde meines Herzens wiederholte ich für mich: - --- Ja! - -Ich machte keinen Schnitt in dieses Rosenholz, ohne jedesmal stärker den -Duft des Sieges und der Verjüngung einzuatmen: _noa, noa_! - -Durch das Tal von Punaru -- eine tiefe Kluft, die Tahiti in zwei Teile -trennt -- gelangt man zu dem Plateau von Tamanoü. Von dort kann man das -Diadem, Oroféna und Aroräï, -- den Mittelpunkt der Insel sehen. - -Man hatte mir davon oft wie von etwas Wunderbarem gesprochen, und ich -hatte mir vorgenommen, allein hinzugehen und dort einige Tage zu -verbringen. - --- Aber was wirst du nachts machen? - --- Die Tupapaüs[3] werden dich ängstigen! - --- Man darf die Berggeister nicht stören. - -... Du bist toll! - -Ich war es wahrscheinlich, denn diese besorgte Unruhe meiner tahitischen -Freunde stachelte meine Neugierde nur noch mehr. - -In einer Nacht machte ich mich also vor Tagesanbruch auf. - -Etwa zwei Stunden konnte ich einen Pfad an dem einen Ufer des -Punaru-Flusses verfolgen. Aber dann war ich mehrmals gezwungen, den Fluß -zu überschreiten. Zu beiden Seiten ragten steile Bergwände, auf enorme -Felsblöcke wie auf Strebepfeiler gestützt, bis in die Mitte des Wassers -vor. - -Mir blieb schließlich nichts anderes übrig, als meinen Weg mitten im -Fluß fortzusetzen. Das Wasser ging mir bis zu den Knien, zuweilen bis zu -den Schultern. - -Zwischen den beiden Wänden, die mir von unten erstaunlich hoch und oben -sehr nah aneinander schienen, war die Sonne am hellen Tage kaum -sichtbar. Mittags unterschied ich an dem tiefblauen Himmel funkelnde -Sterne. - -Gegen fünf Uhr, beim Eintritt der Dunkelheit, begann ich darüber -nachzudenken, wo ich die Nacht zubringen sollte, als ich zur Rechten -etwa ein Hektar fast flaches Land mit einem Gemisch von Farnen, wilden -Bananen und Bouraos bemerkte. Ich hatte das Glück, ein paar reife -Bananen zu finden, und machte eilig ein Holzfeuer, sie für mein Mahl zu -kochen. - -Dann legte ich mich zum Schlafen, so gut es ging, auf die untersten -Zweige eines Bananenbaumes, dessen Blätter ich ineinander geflochten -hatte, um mich vor Regen zu schützen. - -Es war kalt, und ich fröstelte nach dem Marsch im Wasser. - -Ich schlief schlecht. - -Aber ich wußte, daß der Morgen nicht fern war und ich weder Menschen -noch Tiere zu fürchten hatte. Hier auf Tahiti gibt es weder Raubtiere -noch Reptilien. Die einzigen »wilden Tiere« sind die frei im Walde -lebenden Schweine. Ich hatte höchstens einen Angriff auf meine Beine zu -fürchten und behielt darum den Griff meines Beiles in der Hand. - -Die Nacht war finster. Unmöglich etwas zu unterscheiden, außer nahe an -meinem Kopf eine Art phosphoreszierenden Staubes, der mich seltsam -beunruhigte. Ich lächelte bei dem Gedanken an die Erzählungen der -Maories von den Tupapaüs, jenen bösen Geistern, die in der Finsternis -erwachen, um schlafende Menschen zu ängstigen. Ihr Reich ist im Herzen -des Berges, den der Wald in ewige Schatten hüllt. Dort wimmelt es von -ihnen, und ihre Legionen wachsen unaufhörlich durch die Geister aller -Verstorbenen. - -Wehe dem Lebenden, der sich an einen von Dämonen bewohnten Ort wagt! ... - -Ich war dieser Tollkühne. - -Meine Träume waren freilich auch sehr aufregend. - -Jetzt weiß ich, daß dieser leuchtende Staub von einer besonderen Art -kleiner Champignons herrührt, die an feuchten Stellen auf abgestorbenen -Zweigen wachsen wie jene, deren ich mich zum Feueranmachen bedient -hatte. - -Am folgenden Tage machte ich mich frühzeitig wieder auf den Weg. - -Der immer wechselvoller gestaltete Fluß, der bald Bach, bald Strom, bald -Wasserfall war, machte seltsam launenhafte Krümmungen und schien -zuweilen in sich selbst zurückzufließen. Ich verlor unaufhörlich den Weg -und mußte mir von Zweig zu Zweig oft mit den Händen vorwärts helfen, -wobei ich selten den Boden berührte. Vom Grunde des Wassers sahen Krebse -von außerordentlicher Größe zu mir empor und schienen zu sagen: Was tust -du hier? -- und hundertjährige Aale flohen bei meinem Nahen. - -Plötzlich, bei einer jähen Wendung, bemerkte ich an einen Felsvorsprung -gelehnt, den es mit beiden Händen eher liebkoste als es sich daran -hielt, ein junges, nacktes Mädchen. Es trank aus einer Quelle, die leise -aus großer Höhe zwischen den Steinen rieselte. - -Nachdem es getrunken hatte, nahm es Wasser in beide Hände und ließ es -zwischen den Brüsten niederrinnen. Dann -- obwohl ich nicht das -geringste Geräusch gemacht hatte -- senkte es wie eine furchtsame -Antilope, die instinktmäßig die Gefahr wittert, den Kopf und blickte -forschend nach dem Dickicht, wo ich unbeweglich stand. Mein Blick -begegnete dem ihren nicht. Aber kaum hatte sie mich erspäht, als sie mit -dem Ruf: Taëhaë! (wütend) untertauchte. - -Ich stürzte an den Fluß: niemand, nichts -- nur ein riesiger Aal, der -sich zwischen den kleinen Kieseln auf dem Grunde hinwand. - -Nicht ohne Schwierigkeit langte ich endlich nahe beim Aroraï, dem Gipfel -des gefürchteten heiligen Berges, an. - -Es war Abend, der Mond ging auf, und als ich ihn die rauhe Stirn des -Berges weich in seinen leichten Schimmer hüllen sah, erinnerte ich mich -der berühmten Sage: - -_Paraü Hina Tefatou_ (Hina sprach zu Tefatou ...), eine uralte Sage, die -die Mädchen abends gern erzählen und für die sie als Schauplatz gerade -den Ort bezeichnen, wo ich mich befand. - -Ich glaubte es zu sehen: - -Den mächtigen Kopf eines Gottmenschen, das gewaltige Haupt eines Helden, -dem die Natur das stolze Bewußtsein seiner Kraft gegeben, ein herrliches -Riesenantlitz, wie an der Schwelle des Alls. Und eine sanfte zärtliche -Frau, die leise das Haar des Gottes berührt und spricht: - --- Lasse den Menschen wieder auferstehen, wenn er gestorben ist ... - -Und die strengen, doch nicht grausamen Lippen des Gottes öffnen sich, um -zu antworten: - -Nein, ich werde ihn nicht auferstehen lassen. Der Mensch wird sterben; -die Pflanzen werden sterben wie sie, die sich davon nähren, die Erde -wird untergehen, sie wird untergehen, um nicht wieder zu erstehen. - -Hina erwiderte: - --- Tue, wie es dir gefällt. Ich aber werde den Mond wieder auferstehen -lassen. - -Und was Hina gehörte, fuhr fort zu leben. Was Tefatou gehörte, ging -unter, und der Mensch mußte sterben. - - * * * * * - -Ich war seit einiger Zeit mißmutig geworden. Meine Arbeit litt darunter. -Es fehlten mir viele wesentliche Hilfsmittel, es verstimmte mich, -künstlerischen Aufgaben, die mich berauschten, machtlos -gegenüberzustehen, aber hauptsächlich fehlte mir die Lust. - -Seit mehreren Monaten war ich von Titi getrennt, hatte seit Monaten -nicht mehr ihr übermütig kindliches, zwitscherndes Geplauder über -dieselben Dinge und dieselben Fragen gehört, auf die ich immer mit -denselben Geschichten antwortete. - -Und diese Stille tat mir nicht gut. Ich beschloß fortzugehen, eine Fahrt -um die Insel zu machen, für die ich kein bestimmtes Ziel festsetzte. - -Während ich meine Vorbereitungen traf -- ein paar leichte Pakete für die -Bedürfnisse der Reise -- und meine Studien ordnete, schaute mein Nachbar -und Freund Anani mir beunruhigt zu. Nach langem Zögern, begonnenen und -wieder unterbrochenen Gebärden, deren klare Deutlichkeit mich sehr -belustigte und zugleich rührte, entschloß er sich endlich, mich zu -fragen, ob ich mich anschickte fortzugehen. - --- Nein, erwiderte ich, ich will nur einen Ausflug von mehreren Tagen -machen. - -Ich komme wieder. - -Er glaubte mir nicht und fing an zu weinen! - -Sein Weib gesellte sich zu ihm und versicherte mich ihrer Zuneigung, -sagte mir, daß ich kein Geld brauche, um unter ihnen zu leben, daß ich, -wenn ich wollte, einst für immer _dort_ ruhen könnte -- sie wies auf -einen mit einem Bäumchen geschmückten Grabhügel nahe bei ihrer Hütte. - -Und plötzlich verlangte mich danach -- dort -- zu ruhen. Da würde mich -wenigstens in alle Ewigkeit niemand stören ... - --- Ihr Europäer seid seltsam, fügte das Weib des Anani hinzu. Ihr kommt, -ihr versprecht zu bleiben, und wenn man euch lieb hat, geht ihr wieder? - -Ihr sagt, ihr kommt wieder, aber ihr kehrt niemals zurück! - --- Ich aber schwur, daß es meine Absicht sei, _diesmal_ wiederzukommen. - -Später (ich wagte nicht zu lügen), später wüßte ich noch nicht ... - -Schließlich ließen sie mich ziehen. - - * * * * * - -Ich weiche von dem Weg ab, der am Strande entlang geht, und schlage -einen schmalen Pfad durch tiefes Dickicht ein. Der Weg führt mich so -weit ins Gebirge, daß ich nach Verlauf einiger Stunden ein kleines Tal -erreiche, dessen Bewohner noch nach altem maorischem Brauch leben. - -Sie sind still und glücklich. Sie träumen, sie lieben, schlafen und -singen, -- sie beten, und das Christentum scheint noch nicht bis hierher -gedrungen zu sein. Deutlich sehe ich die Statuen ihrer Gottheiten vor -mir, obwohl sie in Wirklichkeit längst verschwunden sind, besonders die -Statue der Hina, und die Feste zu Ehren der Mondgöttin. Das Götzenbild, -aus einem einzigen Block, mißt zehn Fuß von einer Schulter zur andern -und vierzig Fuß in der Höhe. Auf dem Haupte trägt sie in Gestalt einer -Kappe einen riesigen Stein von rötlicher Farbe. Um sie herum wird nach -altem Ritus der _Matamua_ getanzt, und das Vivo[4] stimmt seinen Ton je -nach der Farbe der Stunde froh, heiter oder düster und traurig ... - -Ich setze meinen Weg fort. - -In Taravao -- dem weitest entfernten Distrikt von Mataïéa, am andern -äußersten Ende der Insel -- leiht ein Gendarm mir sein Pferd, und ich -trabe an der von Europäern wenig besuchten Küste entlang. - -In Faone, einem kleineren Ort vor dem bedeutenderen Itia, ruft mich ein -Eingeborner an. - --- He! Mann, der Menschen macht! (er weiß, daß ich Maler bin.) _Haëré -mai ta maha_ (Komm und iß mit uns: die tahitische Formel der -Gastfreundschaft). - -Ich lasse mich nicht bitten, so anmutend und herzlich ist das die -Einladung begleitende Lächeln. - -Ich steige vom Pferde. Mein Wirt nimmt das Tier am Zaum und bindet es -ohne eine Spur von Unterwürfigkeit geschickt an einen Baum. - -Dann treten wir miteinander in eine Hütte, wo Männer und Frauen -plaudernd und rauchend auf dem Boden sitzen. Um sie her spielen und -tummeln sich die Kinder. - --- Wohin willst du? fragte mich eine schöne, etwa vierzigjährige Maorie. - -Ich will nach Itia. - --- Wozu? - -Ich weiß nicht, was mir in den Sinn kam, oder vielleicht nannte ich den -wahren, mir bis dahin noch selber verborgenen Zweck meiner Reise. - --- Um dort eine Frau zu suchen, antwortete ich. - --- In Faone gibt es viele und hübsche. Willst du eine von ihnen? - --- Ja! - --- Wohlan! Gefällt sie dir, so will ich sie dir geben. Es ist meine -Tochter. - --- Ist sie jung? - --- Ja. - --- Ist sie hübsch? - --- Ja. - --- Ist sie gesund? - --- Ja. - --- Gut. So bringe sie mir. - -Die Frau ging hinaus. - -Nach einer Viertelstunde, als das Mahl -- wilde Bananen und Krabben -- -aufgetragen wurde, kam sie in Begleitung eines jungen Mädchens wieder -herein, das ein kleines Bündel in der Hand hielt. - -Durch das Gewand von sehr durchsichtigem rosa Musselin schimmerte die -goldige Haut ihrer Schultern und Arme. Zwei Knospen hoben sich -schwellend an ihrer Brust. Es war ein schlankes, großes, kräftiges Kind -von wunderbarem Ebenmaß. Aber in dem schönen Gesicht fand ich nicht -jenen Typus wieder, der mir sonst überall auf der Insel begegnet war. -Auch das Haar war ungewöhnlich buschig und leicht gewellt. In der Sonne -bot alles dies eine wahre Orgie von Chrom. - -Man sagte mir, daß sie von den Tongas abstamme. - -Ich begrüßte sie, sie lächelte und setzte sich neben mich. - --- Du hast keine Furcht vor mir? fragte ich. - --- Aïta (nein). - --- Willst du für immer in meiner Hütte wohnen? - --- Eha (ja). - --- Du bist nie krank gewesen? - --- Aïta. - -Das war alles. - -Mir schlug das Herz, während das Mädchen gelassen am Boden vor mir die -Speisen auf einem großen Bananenbrett für mich anrichtete. Ich aß mit -gutem Appetit, aber ich war zerstreut und tief erregt. Dieses Kind von -etwa dreizehn Jahren (achtzehn bis zwanzig in Europa) entzückte mich, -schüchterte mich ein und erschreckte mich fast. Was mochte in dieser -Seele vorgehen? Und ich, der so alt war im Vergleich zu ihr, ich zögerte -einen Augenblick, den so eilig abgeschlossenen Vertrag zu unterzeichnen, -bei dem doch alle Vorteile auf meiner Seite waren! - -Vielleicht -- dachte ich -- gehorchte sie einem Befehl der Mutter. -Vielleicht ist es ein Handel, den sie unter sich ausgemacht haben ... - -Ich beruhigte mich, als ich in den Zügen des jungen Mädchens, in seinem -Gebaren und seiner Haltung die Zeichen wahrer Unabhängigkeit und eines -Stolzes erkannte, die so charakteristisch für seine Rasse sind. Und mein -Vertrauen ward vollkommen und unerschütterlich, als ich nach eingehender -Forschung deutlich jenen Ausdruck von Heiterkeit bei ihr wahrnahm, der -bei jungen Wesen immer eine ehrenhafte, löbliche Handlung begleitet. -- -Allein der spöttische Zug um ihren hübschen, weichen, sinnlichen Mund -war mir eine Gewähr dafür, daß die Gefahren des Abenteuers nur für mich -bestanden, nicht für sie ... - -Ich leugne nicht, daß mir in einer seltsam bedrückenden Angst ganz -beklommen zumute war, als ich die Schwelle der Hütte überschritt. - -Die Stunde der Abreise war gekommen. Ich stieg zu Pferde. - -Das Mädchen folgte mir, von der Mutter, einem Mann und zwei jungen -Frauen -- seinen Tanten, wie es sagte -- begleitet. - -Wir kehrten nach Taravao zurück, das neun Kilometer von Faone entfernt -ist. - -Nach dem ersten Kilometer hieß es: - --- Parahi téié (hier mache Halt). - -Ich stieg vom Pferde, und wir traten alle sechs in eine große, sauber -gehaltene, beinahe reiche, mit hübschen Matten ausgestattete Hütte. - -Ein noch junges und außerordentlich liebenswürdiges Paar bewohnte sie. -Meine Braut setzte sich neben die Frau und stellte mich vor. - --- Dies ist meine Mutter, sagte sie. - -Dann wurde schweigend ein Becher mit frischem Wasser gefüllt, von dem -wir alle der Reihe nach feierlich tranken, als handele es sich um einen -alten frommen Brauch. - -Hierauf sagte die eben von meiner Braut als ihre Mutter bezeichnete Frau -mit gerührtem Blick und feuchten Wimpern zu mir: - --- Du bist gut? - -Nicht ohne Verwirrung antwortete ich nach einer Prüfung meines -Gewissens: - --- Ich hoffe es. - --- Wirst du meine Tochter glücklich machen? - --- Ja. - --- In acht Tagen muß sie wiederkommen. Wenn sie nicht glücklich ist, -wird sie dich verlassen. - -Ich willigte mit einer Gebärde ein. Allgemeines Schweigen. Niemand -schien eine Unterbrechung zu wagen. - -Endlich gingen wir hinaus, ich bestieg wieder mein Pferd und brach, -immer von meinem Gefolge geleitet, von neuem auf. - -Unterwegs begegneten wir mehreren Personen, die meine Familie kannten. -Sie waren bereits von dem Ereignis unterrichtet und sagten, als sie das -Mädchen begrüßten: - --- Bist du jetzt wirklich die Vahina eines Franzosen? Viel Glück! - -Ein Punkt beunruhigte mich. Wie kam Tehura (so hieß meine Frau) zu zwei -Müttern? - -Ich fragte die erste, die sie mir angeboten hatte: - --- Warum hast du gelogen? - -Die Mutter Tehuras antwortete: - --- Ich habe nicht gelogen. Die andere ist auch ihre Mutter, sie ist ihre -Amme. - - * * * * * - -In Taravao gab ich dem Gendarm sein Pferd zurück, und es kam zu einem -peinlichen Vorfall. Die Frau des Gendarmen, eine Französin, sagte zwar -ohne Spott, aber taktlos zu mir: - --- Was! Sie nehmen sich eine solche Dirne mit? - -Und ihre boshaften Augen entkleideten das junge Mädchen, das dieser -beleidigenden Prüfung mit vollkommener Kaltblütigkeit begegnete. - -Ich betrachtete einen Augenblick dies symbolische Schauspiel, das die -beiden Frauen mir boten: Hier erste Blütezeit, Glaube und Natur, dort -Dürre, Zwang und Künstelei. Zwei feindliche Rassen standen sich -gegenüber, und ich schämte mich der meinigen. Ich litt darunter, sie so -kleinlich und verständnislos zu sehen, und wandte mich schnell ab, um -mich an dem Glanz der andern, an diesem lebenden Gold zu erfreuen und zu -erwärmen, das ich schon liebte. - -In Taravao verabschiedete die Familie sich bei dem Chinesen von uns, wo -alles zu haben ist, verfälschte Liköre und Früchte, Waffen und Stoffe, -Männer, Frauen und Vieh. - -Meine Frau und ich benutzten einen Wagen, der uns 25 Kilometer weiter, -in Mateïéa, vor meiner Hütte absetzte. - - * * * * * - -Meine Frau war nicht sehr gesprächig, heiter und melancholisch zugleich, -vor allem aber spottlustig. - -Wir hörten nicht auf, uns gegenseitig zu studieren, aber sie blieb -unergründlich, und ich war bald der Besiegte in diesem Kampf. - -Der gute Vorsatz, mich zu überwachen, zu beherrschen, um ein -scharfsichtiger Beobachter zu werden, half mir wenig, meine Kraft ging -bald zu Ende -- und ich war für Tehura in kurzer Zeit ein offenes Buch. - -Ich ward nun gewissermaßen auf meine Kosten und an meiner eignen Person -der tiefen Kluft gewahr, die eine australische Seele von einer -lateinischen und besonders einer französischen Seele trennt. Die Seele -der Maories offenbart sich nicht sogleich. Es bedarf großer Geduld und -eines Studiums, um ihrer habhaft zu werden. Und selbst wenn man sie von -Grund aus zu kennen meint, bringt sie einen durch ganz unvorhergesehene -»Sprünge« aus der Fassung. Im Anfang aber ist sie ein Rätsel oder -vielmehr eine unendliche Reihe von Rätseln. Im Augenblick, da man sie zu -fassen meint, ist sie fern, unerreichbar, unnahbar unter dem Mantel der -Heiterkeit. Dann nähert sie sich vielleicht freiwillig, um abermals zu -entschlüpfen, sobald man die geringste Gewißheit zu erkennen gibt. Und -während man, durch dies Gebaren verwirrt, ihr innerstes Wesen sucht, -bewahrt sie ihre unverwüstlich fröhliche Zuversicht und sorglose -Leichtherzigkeit, die vielleicht weniger echt ist, als es den Anschein -hat. - -Für mein Teil verzichtete ich bald auf Grübeleien, die mich hinderten, -mein Leben zu genießen. Voll Vertrauen erwartete ich mit der Zeit -Offenbarungen, die mir anfangs verwehrt blieben. - -Die Woche verstrich so, und ich hatte ein Gefühl von »Kindlichkeit«, das -ich vormals nie gekannt. - -Ich liebte Tehura und sagte es ihr, aber es machte sie lachen: sie wußte -es ja! - -Auch sie schien mich zu lieben, doch sprach sie davon nicht zu mir: -- -Aber zuweilen, in der Nacht, leuchtete das Gold von Tehuras Haut ... - -Am achten Tag ... mir war, als hätten wir eben erst miteinander unsere -Hütte betreten -- bat Tehura mich um Erlaubnis, ihre Mutter in Faone zu -besuchen. Es war eine versprochene Sache. - -Betrübt fügte ich mich, band einige Piaster in ihr Taschentuch, von -denen sie die Kosten der Reise und Rum für ihren Vater bestreiten -konnte, und begleitete sie zu dem Wagen. - -Ich hatte das Gefühl eines Abschieds für immer. - -Die folgenden Tage waren qualvoll. - -Die Einsamkeit trieb mich aus der Hütte, und Erinnerungen riefen mich -dahin wieder zurück. Keine Studie vermochte meine Gedanken zu fesseln -... - -Eine zweite Woche verging, und Tehura kehrte zurück. - -Nun fing ein vollkommen glückliches Leben an. Glück und Arbeit begannen -zugleich mit der Sonne und strahlend wie sie. Das Gold von Tehuras -Antlitz erhellte das Innere unserer Hütte und die Landschaft ringsum mit -einem Schimmer von Freude und Heiterkeit. Sie studierte mich nicht mehr -und ich nicht sie. Sie verheimlichte mir ihre Liebe nicht länger, und -ich sprach ihr nicht mehr von der meinen. Wir lebten beide in aller -Einfachheit. - -Wie wohl tat es, sich morgens im nächsten Bach zu erfrischen -- ganz wie -ich mir denke, daß es im Paradies der erste Mann und das erste Weib -getan! - -Paradies von Tahiti, _navé navé fénua_, -- köstliches Land! - -Und die Eva dieses Paradieses gestaltete sich immer liebevoller und -empfänglicher. Ich bin von ihrem Duft durchdrungen: _noa, noa_! Sie ist -zur rechten Zeit in mein Leben getreten. Früher hätte ich sie vielleicht -nicht verstanden, und später wäre es zu spät gewesen. Jetzt verstehe ich -sie, wie ich sie liebe, und durch sie dringe ich in Mysterien ein, die -mir bis dahin unzugänglich waren. - -Allein mein Geist verarbeitet diese Entdeckungen noch nicht, ich präge -sie noch nicht meinem Gedächtnisse ein. Alles was Tehura mir erzählt, -erfasse ich nur mit Gefühl. - -In meinen Empfindungen und Eindrücken werde ich ihre Worte einst -wiederfinden. Durch ihre täglichen Mitteilungen über ihr Leben führt sie -mich sicherer, als es durch irgendeine andere Methode geschehen könnte, -zum vollen Verständnis ihrer Rasse. - -Und ich habe kein Bewußtsein mehr von Tagen oder Stunden, von Gut und -Böse. Das Glück ist zuweilen so seltsam, daß der Begriff davon fast -aufgehoben wird. Ich weiß nur, daß alles gut ist, weil alles schön ist. - -Und Tehura stört mich nie, wenn ich arbeite oder träume. Instinktmäßig -schweigt sie dann. Sie weiß sehr gut, wann sie sprechen kann, ohne mich -zu belästigen. - -Wir unterhalten uns über Tahiti, über Europa, über Gott und Götter. Ich -unterrichte sie und sie belehrt mich. - - * * * * * - -Ich mußte für einen Tag nach Papeete fahren. - -Zwar hatte ich versprochen, am selben Abend zurückzukehren, aber der -Wagen, den ich genommen, verließ mich auf halbem Wege, ich mußte den -Rest zu Fuß zurücklegen, und es wurde 1 Uhr morgens, ehe ich zu Hause -anlangte. - -Als ich die Tür öffnete, sah ich beklommenen Herzens, daß es drinnen -dunkel war. Dies hatte an sich nichts Merkwürdiges, denn wir besaßen -augenblicklich nur wenig Licht, und den Vorrat zu erneuern, war mit ein -Grund für meine Abwesenheit. Aber ich zitterte in einem plötzlichen -Gefühl der Furcht und des Argwohns, das ich für eine Vorahnung hielt: -der Vogel war gewiß davongeflogen ... - -Schnell zündete ich ein Streichholz an und sah -- Tehura reglos, nackt, -platt hingestreckt auf dem Bett, die Augen vor Angst übermäßig weit -geöffnet. Sie sah mich an und schien mich nicht zu erkennen. Ich selber -blieb einige Augenblicke in seltsamer Ungewißheit stehen. Tehuras -Entsetzen wirkte ansteckend. Mir war, als entströme ihren starr -blickenden Augen ein Phosphorschein. Niemals hatte ich sie so schön, von -so rührender Schönheit gesehn. Und dann fürchtete ich in diesem, für sie -sicherlich von bedenklichen Erscheinungen belebten Halbdunkel eine -Bewegung zu machen, die sie erschrecken und den Paroxysmus des Kindes -steigern konnte. Wußte ich denn, was ich in diesem Augenblick für sie -war? Ob sie mich mit meinem entsetzten Gesicht nicht für einen Dämon -oder Geist, einen der Tupapaüs hielt, die ihren Sagen nach in -schlaflosen Nächten erscheinen? Wußte ich, wer sie selber eigentlich -war? Die Intensität des Entsetzens, von dem sie unter der physischen und -moralischen Gewalt ihres Aberglaubens besessen war, machte sie zu einem -fremden Wesen für mich, ganz verschieden von allem, was ich bisher -gekannt! - -Endlich kam sie zu sich, rief mich an, und ich ermannte mich, sie zu -schelten, zu beruhigen und zu beschwichtigen. - -Sie hörte mich schmollend an und sagte dann mit vor Schluchzen -zitternder Stimme: - --- Laß mich nicht wieder so allein ohne Licht ... - -Aber kaum war die Furcht eingeschlummert, als die Eifersucht erwachte: - --- Was tatest du in der Stadt? Du hast Frauen besucht, solche, die auf -Märkten tanzen und trinken, die sich Offizieren und Matrosen und jedem -geben ... - -Ich ließ mich auf keinen Streit ein, und die Nacht ward süß -- süß und -feurig, eine Tropennacht. - -Tehura war bald sehr liebevoll und vernünftig, bald ausgelassen und sehr -übermütig. Zwei entgegengesetzte Wesen -- ohne viele andere unendlich -verschiedene mitzurechnen -- in einem vereint, die sich gegenseitig -Lügen straften und in betäubender Geschwindigkeit unvermittelt -aufeinander folgten. Sie war nicht veränderlich, sondern doppelt, -dreifach, hundertfach: das Kind einer _alten_ Rasse. - -Eines Tages kommt ein Hausierer, der ewige Jude -- er macht die Inseln -unsicher wie das Festland -- und bringt ein Kästchen mit Schmucksachen -aus vergoldetem Kupfer an. - -Er breitet seine Waren aus, und alle umringen ihn. - -Ein Paar Ohrringe gehen von Hand zu Hand. Die Augen der Frauen leuchten, -jede möchte sie haben. - -Tehura runzelt die Brauen und sieht mich an. Ihre Augen reden sehr -deutlich. Ich stelle mich, als ob ich sie nicht verstände. - -Sie zieht mich in eine Ecke: - --- Ich will sie haben! - -Ich erkläre ihr, daß dieses Zeug in Frankreich gar keinen Wert habe, daß -sie aus _Kupfer_ seien. - --- Ich will sie haben! - --- Nicht doch! Für solche Dummheit 20 Francs bezahlen! Das wäre eine -Torheit. Nein. - --- Ich will sie haben! - -Und mit leidenschaftlicher Zungenfertigkeit, die Augen voll Tränen, -dringt sie in mich: - --- Wie, würdest du dich nicht schämen, diesen Schmuck in den Ohren einer -andern zu sehen? Einer dort spricht schon davon, sein Pferd zu -verkaufen, um seiner Vahina die Ohrringe zu schenken! - -Ich kann auf diese Torheit nicht eingehen und schlage ihr es zum -zweitenmal ab. - -Tehura blickt mich starr an, ohne noch ein Wort zu verlieren, und weint. - -Ich gehe fort, komme wieder zurück, gebe dem Juden schließlich die -zwanzig Francs -- und die Sonne scheint wieder. - -Zwei Tage später war ein Sonntag. Tehura macht große Toilette. Das Haar -wird mit Seife gewaschen, dann in der Sonne getrocknet und schließlich -mit duftendem Öl eingerieben. In ihrem schönsten Kleide, eins von -_meinen_ Taschentüchern in der Hand, eine Blume hinterm Ohr und mit -- -nackten Füßen geht sie zum Tempel. - --- Und deine Ohrringe? frage ich. - -Tehura verzieht verächtlich den Mund: - --- Sie sind ja aus Kupfer! - -Und mit lautem Lachen überschreitet sie die Schwelle der Hütte und geht, -plötzlich wieder ernst geworden, davon. - -Die Mittagsruhe verbringen wir, wie an jedem andern Tage, schlafend oder -träumend nebeneinander. Vielleicht sieht Tehura in ihrem Traume andere -Ohrringe glitzern. - -Ich möchte alles vergessen, was ich weiß, und immer schlafen ... - - * * * * * - -Eines Tages bei schönem Wetter -- auf Tahiti keine Ausnahme -- -beschlossen wir, uns morgens aufzumachen, um Freunde zu besuchen, deren -Hütte zehn Kilometer von der unsrigen entfernt war. - -Da wir um sechs Uhr aufgebrochen waren, legten wir den Weg in der Kühle -schnell zurück und langten schon um acht Uhr an. - -Wir wurden nicht erwartet: die Freude war groß, und nach beendeter -Begrüßung machten sie sich auf die Suche nach einem Schwein, um uns ein -Fest zu bereiten. Es wurde geschlachtet und dem Schwein noch zwei Hühner -beigesellt. Eine prachtvolle, am Morgen gefangene Tintenschnecke, einige -Bananen und andere Früchte vervollständigten das reichliche Mahl. Ich -machte den Vorschlag, in der Zeit bis zum Mittagessen die Grotten von -Mara zu besichtigen, die ich oft von fern gesehen hatte, ohne jemals die -Gelegenheit zu finden, sie aufzusuchen. - -Drei junge Mädchen, ein Knabe, Tehura und ich, eine lustige kleine -Gesellschaft, hatten das Ziel bald erreicht. - -Vom Wegrand aus könnte man die fast ganz von Guavabäumen verdeckte -Grotte einfach für einen Felsenvorsprung oder eine etwas tiefere Spalte -halten. Aber biegt man die Zweige zurück und gleitet man einen Meter -weiter hinunter, so ist keine Sonne mehr sichtbar, man befindet sich in -einer Art Höhle, deren Grund an eine kleine Bühne mit hochroter, -scheinbar etwa 100 m weit entfernter Decke erinnert. Hie und da an den -Wänden glaubt man riesige Schlangen sich langsam dehnen zu sehen, um an -der Oberfläche des inneren Sees zu trinken. Aber es sind Wurzeln, die -sich einen Weg durch die Felsspalten bahnen. - --- Ob wir ein Bad nehmen? - -Ich erhalte zur Antwort, daß das Wasser zu kalt sei, und abseits werden -lange, von Lachen unterbrochene Unterhandlungen geführt, die mich -neugierig machen. - -Ich gebe nicht nach, und endlich entschließen die Mädchen sich, sie -legen ihre leichten Gewänder ab, und mit dem Paréo umgürtet, sind wir -bald alle im Wasser. - --- Toë, toë! rufen alle einstimmig. - -Das Wasser plätschert, und ihre Rufe werden von tausend Echos -zurückgeworfen, die das _toë, toë_ wiederholen. - --- Kommst du mit mir, frage ich Tehura und zeige auf den Grund. - -Bist du toll? Da hinunter, so weit! Und die Aale? Da hinunter wagt man -sich nie! - -Und anmutig schwang sie sich leicht auf das Ufer, wie einer, der stolz -ist, so gut schwimmen zu können. Aber ich bin auch ein guter Schwimmer, -und obwohl ich mich nicht gern allein so weit fort wagte, steuerte ich -auf den Grund zu. - -Durch welch seltsames Phänomen der Luftspiegelung mochte er sich aber -immer mehr von mir entfernen, je angestrengter ich mich bemühte, ihn zu -erreichen? Ich drang immer weiter vorwärts, und von allen Seiten -blickten die großen Schlangen mich spöttisch an. Einen Augenblick -glaubte ich eine große Schildkröte schwimmen zu sehen, ihr Kopf ragte -aus dem Wasser, und ich unterschied zwei starre, glänzende Augen, die -mich argwöhnisch anschauten. -- Torheit! dachte ich: die -Meerschildkröten leben nicht in süßem Wasser. Dennoch (bin ich denn -wirklich ein Maorie geworden?) kommen mir Zweifel, und es fehlt wenig, -daß mir schaudert. Was sind das nur für breite, stille Wellen da vor -mir? Aale! - --- Ach was, diese lähmende Empfindung von Furcht muß abgeschüttelt -werden! - -Ich ließ mich senkrecht hinunter, um auf den Grund zu kommen. Doch ich -mußte wieder hinauf, ohne daß es mir gelungen war. Vom Ufer rief Tehura -mir zu: - --- Komm zurück! - -Ich wende mich um und sehe sie sehr weit und ganz klein. - -Warum geht die Entfernung auch hier bis ins Unendliche? Tehura ist nur -noch ein schwarzer Punkt in einem leuchtenden Kreise. - -Ich bleibe hartnäckig und schwimme noch eine halbe Stunde: der Grund -scheint immer in der gleichen Entfernung zu bleiben. - -Ein Ruhepunkt auf einem kleinen Plateau und dann wieder ein gähnendes -Loch -- wohin mochte es führen? Ein Geheimnis, das zu ergründen ich -aufgebe. - -Ich gestehe, daß ich schließlich wirklich Furcht empfand. - -Ich brauchte eine volle Stunde, um mein Ziel zu erreichen. - -Tehura allein erwartete mich. Ihre Gefährtinnen waren gleichgültig -fortgegangen. - -Tehura sprach ein Gebet, und wir verließen die Grotte. - -Ich zitterte noch ein wenig -- vor Kälte. Aber im Freien erholte ich -mich bald, besonders als Tehura mit einem Lächeln, das mir nicht ganz -frei von Spott zu sein schien, fragte: - --- Du hast dich nicht gefürchtet? - -Mit Entrüstung erwiderte ich: - --- Wir Franzosen kennen keine Furcht. - -Tehura äußerte weder Mitleid noch Bewunderung. Aber ich merkte, daß sie -aus einem Augenwinkel forschend nach mir spähte, als ich ein paar -Schritte voranging, um eine farbige Tiaré für ihren Haarbusch zu -pflücken. - -Der Weg war schön und herrlich das Meer. Vor uns erhoben sich Moreas -stolze grandiose Berge. - -Wie lebt es sich gut! Und mit welchem Appetit verzehrt man nach einem -zweistündigen Bad das lecker bereitete Schweinchen, das uns im Hause -erwartet! - - * * * * * - -In Mataïéa fand eine große Hochzeit statt -- eine echte Hochzeit, legal -und religiös, wie die Missionare sie den bekehrten Tahitianern -vorschreiben. - -Ich war dazu eingeladen und Tehura begleitete mich. - -Das Mahl bildet auf Tahiti -- wie überall, glaube ich -- die Hauptfeier. -Auf Tahiti wenigstens entfaltet man bei diesen Feierlichkeiten den -größten kulinarischen Luxus. Auf heißen Steinen gebratene Schweinchen, -eine unglaubliche Menge von Fischen, Bananen, Guaven, Taros u. a. - -Der Tisch, an dem eine ansehnliche Zahl von Gästen saß, stand unter -einem improvisierten Dach, das anmutig mit Blumen und Blättern -geschmückt war. Alle Verwandten und Freunde der Neuvermählten waren -anwesend. - -Das junge Mädchen -- die Lehrerin des Ortes, eine Halb-Weiße -- nahm -einen echten Maorie, den Sohn des Häuptlings von Punaauïa, zum Manne. -Sie war in der »frommen Schule« von Papeete erzogen worden, und der -protestantische Bischof, der sich für sie interessierte, hatte diese -Heirat, die viele für etwas übereilt hielten, persönlich vermittelt. -- -Was der Missionar will, ist Gottes Wille, sagt man draußen ... - -Eine volle Stunde wird gespeist und -- viel getrunken. Dann beginnen die -zahlreichen Reden. Sie werden der Reihe nach und mit Methode gehalten, -es ist ein sehr komischer Wettstreit der Beredsamkeit. - -Nun kommt die wichtige Frage: welche der beiden Familien gibt den -Neuvermählten einen neuen Namen? Dieser aus sehr alter Zeit stammende -nationale Brauch bedeutet ein geschätztes, sehr begehrtes und viel -umstrittenes Vorrecht. Nicht selten artet der Streit über diesen Punkt -in einen blutigen Kampf aus. - -Diesmal kam es nicht zu einem solchen. Alles verlief fröhlich und -friedlich. Allerdings war die Tischgesellschaft stark berauscht. Selbst -meine arme Vahina, die nicht unter meiner Aufsicht bleiben konnte, kam, -durch das Beispiel verleitet, in einen furchtbaren Rausch, und ich -brachte sie nicht ohne Mühe nach Haus. - -Mitten am Tische thronte in bewundernswerter Würde die Frau des -Häuptlings von Punaauïa. Ihr auffallendes, phantastisches Kleid von -orangefarbenem Samt gab ihr ungefähr das Aussehen einer -Jahrmarktsheldin. Aber die unverwüstliche Anmut ihrer Rasse, wie das -Bewußtsein ihres Ranges verlieh ihrem Flitter eine unbeschreibliche -Größe. Die Gegenwart dieser majestätischen Frau von sehr reinem Typus -gab diesem Fest eine stärkere Würze als alles andere, und die Wirkung -davon blieb nicht aus. - -Neben ihr saß eine hundertjährige Greisin, deren Hinfälligkeit durch -eine voll erhaltene Doppelreihe Menschenfresserzähne abschreckend war. -Sie nahm wenig teil an dem, was um sie herum geschah, und blieb -unbeweglich starr, fast wie eine Mumie. Aber eine Tätowierung auf ihrer -Wange, ein dunkles, in seiner Form unbestimmtes Zeichen, das an einen -lateinischen Buchstaben erinnerte, sprach in meinen Augen für sie und -erzählte mir ihre Geschichte. Die Tätowierung glich in nichts der der -Wilden: sie stammte sicherlich von europäischer Hand! - -Ich erkundigte mich darnach. - -Ehemals, sagte man mir, als die Missionare gegen die Fleischeslust -eiferten, zeichneten sie »gewisse Frauen« mit dem Stempel der -Ehrlosigkeit, dem »Höllensiegel« -- dessen sie sich schämten, aber nicht -etwa wegen der begangenen Sünden, sondern wegen der Lächerlichkeit und -der Schande einer solchen »Auszeichnung«. - -An jenem Tage verstand ich besser denn je das Mißtrauen der Maories den -Europäern gegenüber, ein Mißtrauen, das heute noch besteht, so milde es -sich bei der großmütigen und gastfreundlichen Natur der australischen -Seele auch zeigen mag. - -Wieviele Jahre lagen zwischen der von dem Priester gezeichneten Greisin -und dem von dem Priester verheirateten jungen Mädchen: Das Zeichen -bleibt unauslöschlich und zeugt von dem Niedergang der Rasse, die sich -ihm unterwarf, und von der Niedrigkeit jener, die es ihr aufzwang. - -Fünf Monate später brachte die junge Frau ein wohlgebildetes Kind zur -Welt. - -Entrüstet forderten die Eltern eine Scheidung. Der junge Mann -widersetzte sich: - --- Was tut es, da wir uns lieben, sagte er. Ist es bei uns nicht Brauch, -fremde Kinder anzunehmen? Ich nehme dieses an. - -Warum aber hatte der Bischof sich so sehr bemüht, die Trauung zu -beschleunigen? Es wurde viel besprochen. Böse Zungen behaupteten, daß -... - -Selbst auf Tahiti gibt es böse Zungen. - - * * * * * - -Abends im Bett haben wir lange Gespräche, mitunter sehr ernste. - -Jetzt, wo ich Tehura verstehen kann, in der der Geist ihrer Vorfahren -noch schlummert und träumt, bemühe ich mich durch diese Kinderseele zu -sehen und zu denken und in ihr die zwar toten, aber in vagen -Erinnerungen noch bestehenden Spuren der fernen Vergangenheit -wiederzufinden. - -Ich stelle Fragen, und sie bleiben nicht alle ohne Antwort. - -Die von unsern Eroberungen mehr betroffenen und von unserer Zivilisation -stärker beeinflußten Männer haben die alten Götter vielleicht vergessen. -Aber im Gedächtnis der Frauen haben diese sich einen Zufluchtsort -bewahrt. Und es ist ein rührendes Schauspiel für mich, wenn unter meiner -Einwirkung die alten nationalen Gottheiten allmählich in Tehuras -Erinnerung erwachen und die künstlichen Schleier abwerfen, in die -protestantische Missionare sie einhüllen zu müssen geglaubt. Im ganzen -war das Werk der Katecheten ein sehr oberflächliches. Die Erfolge ihrer -Tätigkeit entsprachen, besonders bei den Frauen, nur wenig ihren -Erwartungen. Ihre Lehren sind wie eine schwache Firnisschicht, die -schnell bei der geringsten Berührung abbröckelt und schwindet. - -Tehura besucht regelmäßig den Gottesdienst und befolgt die Vorschriften -der offiziellen Religion. Aber sie weiß die Namen aller Götter des -maorischen Olymps auswendig, und das ist keine Kleinigkeit. Sie kennt -ihre Geschichte, sie lehrt mich, wie sie die Welt erschaffen haben, wie -sie herrschen und wie sie geehrt sein wollen. Die strengen Lehren der -christlichen Moral sind ihr fremd, oder sie kümmert sich nicht darum, -denkt z. B. nicht daran zu bereuen, daß sie die Konkubine -- wie sie es -nennen -- eines Tané ist. - -Ich weiß nicht recht, wie sie Jesus und Taaro in ihrem Glauben -zueinander stellt. Ich glaube, sie verehrt alle beide. - -Nach und nach hat sie mir einen ganzen Kursus über tahitische Religion -gehalten. Dafür versuche ich ihr auf Grund europäischer Kenntnisse -einige Naturphänomene zu erklären. - -Die Sterne interessieren sie sehr. Sie fragt mich nach der französischen -Benennung des Morgen-, des Abendsterns und der anderen Gestirne. Es wird -ihr schwer zu begreifen, daß die Erde sich um die Sonne dreht ... - -Sie nennt mir die Sterne in ihrer Sprache, und während sie erzählt, sehe -ich beim Schein der Gestirne, die selber Gottheiten sind, die heiligen -Gestalten der maorischen Beherrscher der Luft, des Feuers, der Inseln -und Meere deutlich vor mir. - -Die Bewohner von Tahiti haben immer, soweit man auch in ihrer Geschichte -zurückgreift, ziemlich ausgedehnte Kenntnisse in der Astronomie -besessen. Die periodischen Feste der Aréoïs -- Mitglieder einer geheimen -religiösen und zugleich politischen Gesellschaft, die auf den Inseln -herrschte -- wurden nach der Stellung der Gestirne bestimmt. Selbst die -Natur des Mondlichtes scheint den Maories nicht unbekannt gewesen zu -sein. Sie nehmen an, daß der Mond eine der Erde sehr ähnliche Kugel sei, -wie diese bewohnt und reich an Produkten wie die unsrigen. - -Die Entfernung der Erde vom Monde schätzen sie auf ihre Weise: -- Eine -weiße Taube brachte den Samen des Baumes Ora vom Mond auf die Erde. Sie -brauchte _zwei Monde_, den Trabanten zu erreichen, und als sie nach -abermals zwei Monden auf die Erde fiel, war sie federlos. -- Dieser -Vogel hat von allen den Maories bekannten Vögeln den schnellsten Flug. - -Dies aber ist die tahitische Benennung der Sterne. Ich vervollständige -Tehuras Lektion mit Hilfe des Fragments einer uralten Handschrift, die -in Polynesien gefunden wurde. - -Ist es zu gewagt, darin eher die erste Andeutung eines von der -Astronomie aufgestellten Systems, als ein zufälliges Spiel der Phantasie -zu sehen? - - Roüa -- groß ist sein Stamm -- schlief mit seinem Weibe, der - Düsteren Erde. - - Sie gebar ihren König, die Sonne, darauf die Dämmerung, dann die - Nacht. - - Da verstieß Roüa dieses Weib. - - Roüa -- groß ist sein Stamm -- schlief mit der Frau, genannt »Grande - Réunion«. - - Sie gebar die Königinnen des Himmels, die Gestirne, sodann den Stern - Tahiti, den Abendstern. - - Der König der goldenen Himmel, der einzige König schlief mit seinem - Weibe Fanoüi. - - Von ihr stammt das Gestirn Taüroüa (Venus), der Morgenstern, der - König Taüroüa, der dem Tag und der Nacht und andern Sternen, dem - Mond und der Sonne gebeut und den Schiffern als Führer dient. - - Taüroüa segelte links gen Norden, schlief dort mit seinem Weihe und - zeugte den Roten-Stern, jenen Stern, der abends unter zwei Antlitzen - leuchtet. - - Der Rote-Stern flog gegen Osten und setzte seine Piroge instand, die - Piroge des hellen Tages, und steuerte gen Himmel. Bei Sonnenaufgang - segelte er davon. - - Rehoüa tritt nun im weiten Raume auf. Er schläft mit seinem Weibe - Oüra Tanéïpa. - - Sie zeugten die Zwillings-Könige, den Plejaden gegenüber. - - Diese Zwillings-Könige sind sicher dieselben wie unser Kastor und - Pollux. - - Die erste Version der polynesischen Genesis unterliegt - Veränderungen, die vielleicht nur Entwicklungen sind. - - Taaroa schlief mit der Frau, die sich Göttin des Äußeren (oder des - Meeres) nennt. - - Sie zeugten die weißen Wolken, die schwarzen Wolken und den Regen. - - Taaroa schlief mit der Frau, die sich Göttin des Innern (oder der - Erde) nennt. - - Von ihnen stammt der erste Keim. Stammt alles, was auf der - Oberfläche der Erde wächst. - - Stammt der Nebel auf den Bergen. - - Stammt, was sich das Starke nennt. - - Stammt sie, die sich die Schöne nennt oder die zum - Gefallen-Geschmückte. - - Mahoüi[5] steuert seine Piroge. - - Er setzt sich nieder auf den Boden. Ihm zur Rechten hängt der mit - Haarsträhnen an der Leine befestigte Angelhaken. - - Und die Leine mit dem Angelhaken, die er in der Hand hält, läßt er - in die Tiefe des Weltalls hinunter, um den großen Fisch (die Erde) - zu fischen. - - Der Haken hat sich festgebissen. - - Schon kommen die Achsen zum Vorschein, schon fühlt der Gott das - enorme Gewicht des Erdballs. - - Tefatou (der Gott der Erde und die Erde selber) taucht noch, im - unermeßlichen Raume schwebend, von dem Angelhaken erfaßt, aus der - Nacht empor. - - Mahoüi hat den großen Fisch gefischt, der im Raume schwimmt und den - er nun nach Belieben lenken kann. - - Er hält ihn in der Hand. - - Mahoüi regelt auch den Lauf der Sonne, so daß Tag und Nacht von - gleicher Dauer sind. - -Ich bat Tehura, mir die Götter zu nennen. - - -- Es schlief Taaroa mit Ohina, der Göttin der Luft. - - Von ihnen stammt der Regenbogen, der Mondschein, die roten Wolken - und der rote Regen. - - Es schlief Taaroa mit Ohina, der Göttin des Erdbusens. - - Sie zeugten Tefatou, den Geist, der die Erde belebt und sich durch - unterirdische Geräusche zu erkennen gibt. - - Es schlief Taaroa mit der Frau, genannt Jenseits-der-Erde. - - Sie zeugten die Götter Téirii und Roüanoüa. - - Darauf Roo, der seitwärts aus dem Leibe der Mutter kam. - - Und dieselbe Frau gebar noch den Zorn und den Sturm, die Rasenden - Winde und auch den Frieden, der ihnen folgt. - - Und der Ursprung dieser Geister ist an dem Ort, von dem die Boten - ausgesandt werden. - -Aber Tehura gibt zu, daß diese Darstellung angefochten wird. Es ist die -orthodoxeste Klassifikation. - -Die Götter teilten sich in Atuas und Oromatuas. - -Die höheren Atuas sind alle Söhne und Enkel des Taaroa. - -Sie wohnen in den Himmeln -- es gibt deren sieben. - -Die Söhne Taaroas und seines Weibes Féii Féii Maïtéraï waren: Oro (der -erste der Götter nach seinem Vater, der selbst zwei Söhne hatte, Tetaï -Mati und Oüroü Téféta), Raa (Vater von sieben Söhnen), Tané (Vater von -sechs Söhnen), Roo, Tiéri, Téfatou, Roüa Noüa, Toma Hora, Roüa Oütia, -Moë, Toüpa, Panoüa usw. usw. - -Jeder dieser Götter hatte seine besonderen Abzeichen. - -Die Werke des Mahoüi und des Tefatou kennen wir bereits ... - -Tané hat den siebenten Himmel als Mund -- und dies bedeutet, daß der -Mund dieses Gottes das äußerste Ende des Himmels ist, von wo aus das -Licht die Erde zu erhellen beginnt. - -Rii trennte Himmel und Erde. - -Roüi wühlte die Wasser des Ozeans auf, durchbrach die feste Masse des -Erdballs und teilte ihn in unzählige Teile, die jetzigen Inseln. - -Fanoüra, dessen Haupt bis zu den Wolken und dessen Füße bis zum -Meeresgrund reichten, und Fatoühoüi, ein anderer Riese, stiegen zusammen -nach Eïva -- einem unbekannten Lande -- hinunter, um das ungeheure -Schwein zu bekämpfen und zu vernichten, das die Menschen verschlang. - -Hiro, Gott der Diebe, grub mit seinen Fingern Löcher in den Felsen. Er -befreite eine Jungfrau, die Riesen an einem verzauberten Ort gefangen -hielten: mit einer einzigen Hand riß er die Bäume aus, die am Tage das -Gefängnis der Jungfrau verdeckten, und der Zauber war gebrochen ... - -Die Atuas niederen Ranges kümmerten sich mehr um das Leben und die -Arbeit der Menschen, ohne ihre Gewohnheiten zu teilen. - -Es sind: die Atuas Maho (Götter-Haie), Schutzgeister der Seeleute: die -Pëho, Götter und Göttinnen der Täler, Schutzgeister der Ackerbauer; die -No Te Oüpas Oüpas, Schutzgeister der Sänger, Komödianten und Tänzer; die -Raaoü Pava Maïs, Schutzgeister der Ärzte; die No Apas, Götter, denen -Opfer dargebracht werden, nachdem sie jemand vor Hexerei und Zauber -bewahrt haben; die O Tanoü, Schutzgeister der Arbeiter, die Tané Ité -Haas, Schutzgeister der Zimmerleute und Baumeister; die Minias und -Papéas, Schutzgeister der Dachdecker; die Matatinis, Schutzgeister der -Netzeknüpfer. - -Die Oromatuas sind Hausgötter, die Laren. - -Es gibt wirkliche Oromatuas und Genien. - -Die Oromatuas strafen die Streitsüchtigen und halten den Frieden in den -Familien aufrecht. Es sind: die Varna Taatas, Seelen verstorbener Männer -und Frauen jeder Familie. Die Eriorios, Seelen der in frühem Alter eines -natürlichen Todes gestorbenen Kinder. Die Poüaras, Seelen von Kindern, -die bei der Geburt getötet wurden und in den Körper der Heuschrecke -zurückgekehrt waren. - -Die Genien sind von den Menschen gemutmaßte oder vielmehr wissentlich -erdachte Gottheiten. Sie legen irgendeinem Tiere oder einem Gegenstand, -einem Baume z. B., ohne jeden Grund willkürlich göttliche Bedeutung bei -und fragen ihn dann bei jedem wichtigen Anlaß um Rat. -- Vielleicht ist -das noch eine Spur der Seelenwanderung der Inder, die die Maories höchst -wahrscheinlich gekannt haben. - -Ihre historischen Gesänge sind überreich an Sagen, in denen man die -Götter wieder die Gestalt von Tieren und Pflanzen annehmen sieht. - -Nach den Atuas und Oramatuas kommen in letzter Reihe der himmlischen -Rangordnung die Tiis. - -Diese Söhne Taaroas und Hinas sind sehr zahlreich. - -Als den Göttern untergeordnete und den Menschen fernstehende Geister, -vermitteln sie nach der Schöpfungssage der Maories zwischen organischen -und unorganischen Wesen und verteidigen die Ansprüche und Rechte dieser -gegen die widerrechtlichen Angriffe der anderen. - -Ihre Entstehung ist diese: - -Es schlief Taaroa mit Ani (Sehnsucht) und sie zeugten: die Sehnsucht der -Nacht, den Boten der Finsternis und des Todes; die Sehnsucht des Tages, -den Boten des Lichts und des Lebens; die Sehnsucht der Götter, den Boten -des Himmlischen, und die Sehnsucht der Menschen, den Boten des -Irdischen. - -Sodann zeugten sie: Tii-des-Inneren, der über Tiere und Pflanzen wacht, -Tii-des-Äußeren, der alle Wesen und Dinge des Meeres hütet; -Tii-des-Sandes, Tii-der-Küsten und Tii-der-lockeren Erde; Tii-der-Felsen -und Tii-des-Festen-Landes. - -Später wurden noch geboren: Nachtleben, Tagesleben, Kommen und Gehen, -Ebbe und Flut, Freudenspenden und Genießen. - -Die Bildnisse der Tiis waren an der Außenseite der Maraës (Tempel) -angebracht und begrenzten das Innere des heiligen Bodens. Man sieht -deren auf Felsen und an Küsten, und diese Götzenbilder haben die -Aufgabe, die Grenze zwischen Erde und Meer zu bezeichnen, die Harmonie -zwischen den beiden Elementen aufrechtzuerhalten und ihren -wechselseitigen Eingriffen zu wehren. Reisende haben noch jetzt auf der -Ile-de-Pâques einige Tii-Statuen gesehen. Es sind Riesendenkmäler in -halb menschlicher, halb tierischer Gestalt, die von einem eigentümlichen -Schönheitsbegriff und großer Geschicklichkeit in der Behandlung der -Steine zeugen, die architektonisch in Blöcken von geschickt gewählter -Farbenzusammenstellung übereinander getürmt sind. - -Die europäische Invasion und der Monotheismus haben diese Spuren einer -einst hohen Kultur verwischt. Wenn die Tahitianer heutzutage ein -Monument errichten, zeigen sie Wunder von schlechtem Geschmack -- wie in -der Art des Grabmals des Pomare. Sie haben ihre ursprünglichen Instinkte -verloren, die in dem steten Verkehr mit der Tier- und Pflanzenwelt in so -reichem Maße bei ihnen entwickelt waren. Im Umgang mit uns, in _unserer -Schule_ sind sie erst wahrhaft »Wilde« in jenem Sinne geworden, die der -lateinische Okzident diesem Worte unterlegt. Sie sind schön geblieben -wie Kunstwerke, aber sie sind (wir haben sie) moralisch und auch -physisch unfruchtbar gemacht. - -Es existieren noch Spuren der Maraës. Sie waren von Mauern umgebene -Vierecke, die durch drei Öffnungen unterbrochen wurden. Drei Seiten -bestanden aus Steinmauern von vier bis sechs Fuß, eine weniger hohe als -breite Pyramide bildete die vierte. Das Ganze hatte eine Breite von etwa -hundert und eine Länge von vierzig Metern. -- Bildnisse von Tiis -schmückten dies einfache Bauwerk. - -Der Mond nimmt einen wichtigen Platz in der metaphysischen Anschauung -der Maories ein. Daß ihm zu Ehren ehemals große Feste veranstaltet -wurden, ist schon gesagt worden. Hina wird in den überlieferten -Erzählungen der Aréoïs oft genannt. Jedoch ist ihre Mitwirkung an der -Weltharmonie, ihre Rolle darin eine mehr negative als positive. - -Dies geht deutlich aus dem oben angeführten Gespräch zwischen Hina und -Tefatou hervor. - -Den Exegeten würden solche Worte den schönsten Stoff liefern, wenn sich -die australische Bibel auffinden ließe, um sie auszulegen. Vor allem -würden sie darin die Lehren einer Religion auf der Verehrung von -Naturkräften aufgebaut sehen -- ein gemeinsamer Zug aller primitiven -Religionen. Die Mehrzahl aller maorischen Götter sind eigentlich eine -Personifikation verschiedener Elemente. Aber ein aufmerksamer Blick, der -nicht von dem Wunsch abgelenkt und beeinflußt ist, die Überlegenheit -unserer Philosophie über die jener »Völkerschaften« zu beweisen, wird in -diesen Legenden sicherlich interessante und eigentümliche Züge finden. - -Ich möchte zwei davon anführen -- aber ich begnüge mich, darauf -hinzuweisen. Es ist Aufgabe der Gelehrten, die Richtigkeit dieser -Hypothesen zu bestätigen. - -Vor allem ist es die Klarheit, mit der die beiden einzigen und -allgemeinen Grundideen des Lebens sich unterscheiden und offenbaren. Die -eine, Seele und Intelligenz, Taaora, ist das Männliche, die andere, -gewissermaßen Stoff und Körper des nämlichen Gottes, das Weibliche, und -dies ist Hina, Ihr gehört die ganze Liebe des Menschen, ihm seine -Ehrfurcht. -- Hina ist nicht nur der Name des Mondes; es gibt auch eine -_Hina der Luft_, _Hina des Meeres_, eine _Hina des Inneren_, aber diese -beiden Silben charakterisieren nur die untergeordneten Teile der -Materie. Die Sonne, der Himmel, das Licht und sein Reich, sozusagen alle -edlen Teile der Materie -- oder vielmehr ihre spirituellen Elemente sind -Taaroa. Das geht deutlich aus mehr als einem Ausspruch hervor, in dem -die Definition von Geist und Materie wieder zu erkennen ist. -- Oder was -bedeutet wohl, wenn wir es bei dieser Definition bewenden lassen, die -Grundlehre der maorischen Schöpfungsgeschichte: - - Das Weltall ist nur die Schale des Taaroa --? - -Bestätigt diese Lehre nicht den Urglauben an die Einheit des Stoffes; -wie die Definition und die Trennung von Geist und Körper die Analyse der -zwiefachen Manifestation dieses Stoffes in seiner Einheit! So selten -solch ein philosophisches Vorausempfinden bei den Primitiven auch sein -mag, darf doch dessen Wahrscheinlichkeit nicht bestritten werden. Es ist -wohl zu erkennen, daß die australische Theologie in den Handlungen des -Gottes, der die Welt erschuf und sie erhält, zwei Ziele im Auge hat: die -erzeugende Ursache und die befruchtete Materie, die treibende Kraft und -den verwandelten Gegenstand, Geist und Materie. Ebenso muß man in den -beständigen Wechselwirkungen zwischen dem leuchtenden Geist und der -empfänglichen Materie, die er belebt, in den aufeinander folgenden -Verbindungen des Taaroa mit den verschiedenen Hina-Gestalten, den -fortwährenden und wechselnden Einfluß der Sonne erkennen, wie in den -Früchten dieser Verbindungen die durch eben diese Elemente -hervorgerufenen Wandlungen von Licht und Wärme. Aber hat man dieses -Phänomen, von dem aus die beiden Hauptströmungen sich vereinigten, erst -einmal vor Augen, so verschmelzen in der Frucht die zeugende Ursache und -die befruchtete Materie, in der Bewegung die treibende Kraft und der -verwandelte Gegenstand, im Leben Geist und Materie, und das eben -erschaffene Weltall ist nichts _als die Schale des Taaroa_! - -Aus dem Zwiegespräch zwischen Hina und Tefatou geht hervor, daß Mensch -und Erde untergehen, während der Mond und die Wesen, welche ihn -bewohnen, fortdauern. Wenn wir uns erinnern, daß Hina die Materie -vorstellt -- in der sich einem wissenschaftlichen Ausspruch nach »alles -verwandelt und nichts vergeht« --, werden wir annehmen müssen, daß der -alte maorische Weise, von dem diese Sage stammt, ebensoviel davon wußte -wie wir. Die Materie vergeht nicht, das heißt, sie verliert ihre -sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften nicht. Der Geist dagegen und die -»spirituelle Materie«, das Licht, sind Wandlungen unterworfen: es gibt -Nacht und den Tod, wo die Augen sich schließen, von denen Helle -auszustrahlen schien, die sie zurückwarfen. -- Der Geist, oder die -höchste aktuelle Manifestation des Geistes ist der Mensch. _Und der -Mensch muß sterben ... Er stirbt, um nicht mehr zum Leben zu erwachen._ --- Wenn aber der Mensch und die Erde, die Früchte der Verbindung von -Taaroa mit Hina, auch untergehen, ist doch Taaroa ewig, und uns wird -verkündet, daß Hina, die Materie, fortfahren wird zu sein. In alle -Ewigkeit werden nun Geist und Materie, das Licht und der Gegenstand, den -es zu erhellen strebt, von dem gemeinsamen Verlangen nach einer neuen -Verbindung erfüllt sein, aus der ein neuer »Zustand« der unendlichen -Evolution des Lebens hervorgehen wird. - -Evolution! ... Einheit des Stoffes ... Wer hätte erwartet, in den -Vorstellungen ehemaliger Kannibalen die Beweise einer so hohen Kultur zu -finden? Ich kann mit gutem Gewissen sagen, daß ich der Wahrheit nichts -zugefügt habe. - -Tehura zweifelte zwar durchaus nicht an diesen Abstraktionen, aber sie -war nicht davon abzubringen, in den Sternschnuppen schweifende Tupapaüs -und trauernde Genien zu sehen. Im selben Sinne wie ihre Vorfahren Taaroa -für den Himmel in Person und die von ihm stammende Atuas für Götter und -Himmelskörper zugleich hielten, schrieb sie den Sternen menschliche -Empfindungen zu. Ich weiß nicht, inwiefern diese poetischen -Vorstellungen den Fortschritt der positivsten Wissenschaft hemmen, und -bis zu welchem Punkt die höchste Wissenschaft sie verwerfen würde ... - -Von einem andern Gesichtspunkt aus wären für das Gespräch zwischen Hina -und Tefatou verschiedene Deutungen zulässig. -- Der Rat des Mondes, der -eine Frau ist, könnte der gefährliche Rat blinden Mitleids und -sentimentaler Schwäche sein: der Mond und die Frauen (in der Vorstellung -der Maories) gleichbedeutend mit Materie, brauchten nicht zu wissen, daß -der Tod allein die Geheimnisse des Lebens birgt. -- Die Antwort des -Tefatou könnte ein strenger, aber voraussehender und uneigennütziger -Ausspruch von höchster Weisheit sein, die erkennt, daß die individuellen -Äußerungen aktuellen Lebens einem höheren Wesen weichen müssen, auf daß -es komme, und ihm geopfert werden müssen, auf daß es siege. - -Früher hätte diese Antwort die Bedeutung einer nationalen Prophezeiung -von noch größerer Tragweite gehabt: ein großer Geist hätte in alter Zeit -die Lebensfähigkeit seiner Rasse studiert und abgeschätzt, hätte die -Todeskeime in ihrem Blut ohne die Möglichkeit einer Heilung oder -Wiedergenesung vorausgesehen und sich gesagt: - - Tahiti wird aussterben, es wird aussterben, um nicht wieder zu - erstehen. - - * * * * * - -Tehura sprach mit einer gewissen religiösen Scheu von jener Sekte oder -geheimen Gemeinschaft der Aréoïs, die zur Zeit ihrer Herrschaft die -Inseln regierte. - -Aus den verworrenen Reden des Kindes sonderte ich Erinnerungen an einen -furchtbaren, eigentümlichen Brauch, ich ahnte eine tragische -Vergangenheit voll unerhörter Verbrechen, in die einzudringen aber den -Neugierigen durch ein streng gehütetes Geheimnis verwehrt war. - -Nachdem Tehura mir alles darüber erzählt hatte, was sie wußte, forschte -ich überall danach. - -Der sagenhafte Ursprung jener mächtigen Gemeinschaft ist dieser: - -Oro, der Sohn des Taaroa und nach seinem Vater der höchste der Götter, -beschloß eines Tages, unter den Sterblichen eine Gefährtin zu suchen. - -Es sollte eine Jungfrau sein, schön und tauglich, mit ihm unter den -Menschen eine Rasse zu gründen, die allen bevorzugt und überlegen war. - -Er durchschritt also die sieben Himmel und stieg hinunter auf den Païa, -einen hohen Berg auf der Insel Bora-Bora, wo seine Schwestern, die -Göttinnen Téouri und Oaaoa, wohnten. - -Nun trat Oro in Gestalt eines jungen Kriegers und seine Schwestern in -junge Mädchen verwandelt, eine Fahrt durch die Insel an, um dort ein -Wesen zu suchen, das eines Gottes Kuß würdig wäre. - -Oro ergriff den Regenbogen, stützte ein Ende auf den Gipfel des Païa, -das andere auf die Erde, und so schritten der Gott und die Göttinnen -über Täler und Fluten. - -Auf den verschiedenen Inseln, wo man eilte sie zu empfangen, gaben die -Reisenden prunkvolle, wunderbare Feste, zu denen alle Frauen sich -drängten. - -Und Oro hielt Umschau unter ihnen. Aber sein Herz war betrübt, denn der -Gott fand Liebe, aber er liebte nicht. Auf keiner der Menschentöchter -weilte sein Blick lange, denn er entdeckte nicht eine der Tugenden und -Vorzüge, von denen er geträumt. - -Und nachdem viele Tage unter vergeblichem Suchen verstrichen waren, -beschloß er, in die Himmel zurückzukehren, als er zu Vaïtapé auf der -Insel Bora-Bora eine Jungfrau von seltener Schönheit erblickte, die in -dem schönen See von Avaï Aïa badete. - -Sie war von hoher Gestalt, und die Sonnenglut brannte und leuchtete auf -ihrem herrlichen Fleisch, während der ganze Zauber der Liebe in der -Nacht ihres Haares schlummerte. - -Entzückt bat Oro die Schwestern, die Jungfrau anzureden. - -Er selber zog sich zurück, um das Ergebnis ihrer Sendung auf dem Gipfel -des Païa abzuwarten. - -Die Göttinnen redeten die Jungfrau mit einem Gruß an, priesen ihre -Schönheit und sagten, daß sie aus Avanaü, einem Ort auf Bora-Bora, -kämen. - --- Unser Bruder läßt dich fragen, ob du einwilligst, sein Weib zu -werden. - -Vaïraümati -- dies war der Name der Jungfrau -- blickte die Fremden -prüfend an und erwiderte: - --- Ihr seid nicht aus Avanaü. Doch ist euer Bruder ein Häuptling, ist er -jung und schön, so mag er kommen, Vaïraümati wird sein Weib werden. - -Téouri und Oaaoa stiegen unverzüglich zum Païa hinauf, um ihrem Bruder -mitzuteilen, daß er erwartet werde. - -Sogleich begab Oro sich wie vorher auf dem Regenbogen hinunter nach -Vaïtapé. - -Vaïraümati hatte zu seinem Empfang eine mit den schönsten Früchten -besetzte Tafel und aus den feinsten Matten und seltensten Stoffen ein -Lager bereitet. - -Göttlich in ihrer Anmut und Kraft, pflegten sie der Liebe in Hain und -Flur, am Ufer des Meeres und im Schatten des Tamaris und des Paudanus. -Jeden Morgen stieg der Gott auf den Gipfel des Païa, und jeden Abend -ging er hinunter, mit ihr zu schlafen. - -Kein anderes sterbliches Mädchen durfte ihn in irdischer Gestalt -erblicken. - -Und stets diente der zwischen Païa und Vaïtapé gespannte Regenbogen ihm -als Weg. - -Viele Monde hatten geleuchtet und waren wieder erloschen, seitdem die -verödeten Sieben Himmel ohne Kunde von Oros Aufenthalt waren. Darum -nahmen nun zwei andere Söhne des Taaroa, Orotéfa und Oürétéfa, -menschliche Gestalt an und machten sich auf, ihren Bruder zu suchen. -Lange irrten sie auf den Inseln umher, ohne ihn zu finden. Endlich -jedoch entdeckten sie auf Bora-Bora den jungen Gott, der mit Vaïraümati -im Schatten eines heiligen Mangobaumes ruhte. - -Sie waren voll Staunen über die Schönheit des jungen Weibes und wollten -ihm als Zeichen ihrer Bewunderung einige Geschenke darbieten. Also -verwandelte Orotéfa sich in eine Sau und Oürétéfa in rote Federn, nahmen -dann gleich wieder menschliche Gestalt an, ohne daß Sau und Federn -verschwanden, und näherten sich mit ihren Gaben den Liebenden. - -Erfreut empfingen Oro und Vaïraümati die beiden hohen Reisenden. - -In derselben Nacht warf die Sau sieben Junge, von denen das erste einer -späteren Verwendung vorbehalten blieb; das zweite wurde den Göttern -geopfert, das dritte der Gastfreundschaft geweiht und den Fremden -angeboten, das vierte nannten sie: Opferschwein zu Ehren der Liebe, das -fünfte und sechste sollte bis zur ersten Tracht verschont bleiben, um -die Art zu mehren, und das siebente endlich wurde im ganzen auf heißen -Steinen gebraten -- also nach maorischem Brauch göttlich geweiht -- und -verzehrt. - -Die Brüder des Oro kehrten wieder in die Himmel zurück. - -Einige Wochen darauf sagte Vaïraümati zu Oro, daß sie sich Mutter fühle. - -Da nahm Oro das erste der sieben Schweine, das verschont geblieben war, -und begab sich nach Raïatéa, zu dem großen Maraë, dem Tempel des Gottes -Vapoa. - -Dort traf er einen Mann namens Mahi, dem er das Schwein übergab, und -sprach: - -_Maiï maitaï oétéinéi boüaa_ (Nimm dieses Schwein und hüte es wohl). - -Und feierlich fuhr der Gott fort: - --- Es ist das heilige Schwein. In seinem Blut wird der Bund der Männer -gefärbt sein, die von mir stammen. Denn ich bin Vater in dieser Welt. -Sie werden sich Oréoïs nennen. Dir übermittle ich ihre Vorrechte und -ihren Namen. Ich selber kann hier nicht länger weilen. - -Mahi suchte den Häuptling von Raïatéa auf und erzählte ihm sein -Abenteuer. Aber da er das ihm anvertraute heilige Gut nicht hüten -konnte, ohne der Freund des Häuptlings zu sein, fügte er hinzu: - --- Mein Name sei der deinige und dein Name der meine. - -Der Häuptling war es zufrieden, und sie nahmen beide den Namen -Taramanini an. - -Inzwischen war Oro wieder zu Vaïraümati zurückgekehrt und verkündigte -dieser, daß sie einen Sohn gebären würde, den er ihr Hoa Tabou të Raï -(heiliger Freund des Himmels) zu nennen gebot. - -Dann sprach er: - --- Die Zeit ist erfüllet und ich muß dich verlassen. - -Er verwandelte sich sodann in eine ungeheure Feuersäule und hob sich -majestätisch in die Lüfte bis über den Periréré, den höchsten Berg von -Bora-Bora. Und hier entschwand er den Blicken seiner weinenden Gattin -und des staunenden Volkes. - -Hoa Tabou të Raï ward ein großer Häuptling und tat den Menschen viel -Gutes. Bei seinem Tode wurde er in den Himmel erhoben, wo Vaïraümati -selber den Rang einer Göttin einnahm. - - * * * * * - -Oro könnte gut ein umherwandelnder Brahmine sein, der den Inseln -- -wann? die Lehre des Brahma brachte (auf deren Spuren in der -australischen Religion ich schon hinwies). - -In der Reinheit dieser Lehre erwachte das maorische Genie. Geister, die -fähig waren zu verstehen, erkannten einander und vereinigten sich, -- -natürlich völlig abgesondert vom Volk, -- um die vorgeschriebenen Riten -auszuüben. Aufgeklärter als die übrigen ihrer Rasse, rissen sie bald die -religiöse und politische Herrschaft über die Inseln an sich, sicherten -sich wichtige Vorrechte und gründeten eine starke Übermacht, die in der -Geschichte des Inselmeers die glänzendste Periode bildete. - -Obwohl sie des Schreibens unkundig gewesen zu sein scheinen, waren die -Aréoïs wahre Gelehrte. Sie verbrachten ganze Nächte damit, alte -»Aussprüche der Götter« Wort für Wort mit peinlichster Genauigkeit zu -erforschen, und sie auszulegen erforderte eine jahrelange Arbeit. Diese -ihnen allein zugänglichen Aussprüche der Götter, denen sie höchstens -Kommentare beifügen durften, verschaffte den Aréoïs die Sicherheit eines -geistigen Mittelpunkts, regte sie zu gewohnheitsmäßigem Nachdenken an, -berechtigte sie zu einer übermenschlichen Mission und gab ihnen ein -Ansehen, vor dem jeder sich beugte. - -Es gibt in unserm christlichen, lehnspflichtigen Mittelalter ganz -ähnliche Einrichtungen wie diese, und ich kenne nichts Furchtbareres als -jene religiöse und kriegerische Gemeinschaft, jenes Konzil, das im Namen -Gottes Urteile fällte und allmächtig über Leben und Tod entschied. - -Die Aréoïs lehrten, daß Menschenopfer den Göttern wohlgefällig seien, -und opferten selber in den Maraës alle ihre Kinder außer den -Erstgeborenen: das Symbol dieses blutigen Ritus war die Sage von den -sieben Schweinen, die außer dem ersten, dem »heiligen Schwein«, alle -getötet wurden. - -Doch dürfen wir über diese Barbarei nicht voreilig schelten. - -Diese grausame Pflicht, der so viele primitive Völkerschaften sich -unterwarfen, hatte tiefe Gründe sozialer Art und allgemeinen Interesses. - -Bei sehr fruchtbaren Rassen, wie es die der Maories einst war, bedrohte -die unbegrenzte Vermehrung der Bevölkerung ihre nationale wie positive -Existenz. Das Leben auf den Inseln war zwar mühelos, und es bedurfte -keines großen Fleißes, um sich das Notwendige zu verschaffen. Aber das -sehr beschränkte Gebiet, von dem unermeßlichen, den gebrechlichen -Pirogen unzugänglichen Ozean umgeben, wäre für ein sich stetig -vermehrendes Volk bald unzureichend geworden. Das Meer hätte nicht mehr -genügend Fische geliefert und der Wald nicht genug Früchte. Eine -Hungersnot wäre nicht ausgeblieben und hätte, wie sie es immer getan, -die Anthropophagie zur Folge gehabt. -- Um Männermorde zu vermeiden, -beschränkten die Maories sich auf Kinderopfer. Übrigens war -Menschenfresserei bereits üblich, als die Aréoïs auftraten, und um diese -zu bekämpfen und die Ursache aufzuheben, führten sie den Kindesmord ein, -der vielleicht als eine Milderung der Sitten zu bezeichnen wäre, wenn -das unheimlich Komische dieser Behauptung auch einem Possenschreiber zur -Belustigung dienen könnte. Die Aréoïs mußten wahrscheinlich große -Energie anwenden, um diesen Fortschritt durchzusetzen, und erreichten es -wohl nur dadurch, daß sie sich in den Augen des Volkes die volle -Autorität der Götter anmaßten. - -Schließlich wurde der Kindesmord ein mächtiges Mittel der Zuchtwahl für -die Rasse. Das furchtbare Recht der Erstgeburt, ein Recht auf das Leben -selber, erhielt die Kraft des Volkes unverkürzt, indem es von den -schädlichen Folgen erschöpfter Säfte verschont blieb. Es nährte in all -diesen Kindern auch das Bewußtsein unverwüstlichen Stolzes. Die Urkraft -und letzte Blüte dieses Stolzes ist es auch, die wir noch bei den -letzten Sprößlingen einer großen, im Aussterben begriffenen Rasse -bewundern. - -Das beständige Beispiel und die häufige Wiederkehr des Todes war -schließlich eine erhabene und belebende Lehre. Die Krieger lernten -Schmerzen gering schätzen, und die ganze Nation fand eine wohltätige -intensive Erregung dabei, die sie vor der tropischen Erschlaffung und -entnervender Mattigkeit bei dem fortdauernden Nichtstun bewahrte. Es ist -eine historische Tatsache, daß der Niedergang der Maories mit dem -gesetzlichen Verbot der Opfer begann, und daß sie von da an allmählich -jede moralische Kraft und physische Fruchtbarkeit verloren. Sollte dies -auch nicht die Ursache davon sein, so gibt das Zusammentreffen doch zu -denken. - -Und vielleicht haben die Aréoïs die tiefe Bedeutung und symbolische -Notwendigkeit des Opfers verstanden ... Die Prostitution war ihnen eine -heilige Pflicht. Bei uns hat sich das geändert. Auch hat sie auf Tahiti -keineswegs aufgehört, seit wir es mit den Wohltaten unserer Zivilisation -überhäuft haben: sie blüht fort. Aber sie ist weder Pflicht noch -geheiligt, sondern nur ohne Größe und entschuldbar. - -Die geistliche Würde ging vom Vater auf den Sohn über, dessen Einweihung -schon im Kindesalter begann. - -Die Gesellschaft war ursprünglich in zwölf Logen geteilt, deren -Großmeister die zwölf obersten Aréoïs waren. Dann kamen die Würdenträger -zweiten Ranges und endlich die Lehrjünger. Die verschiedenen Grade -unterschieden sich durch besondere Tätowierungen auf den Armen, an den -Seiten, den Schultern, Beinen und Knöcheln. - - * * * * * - -Der _Matamua_ der Aréoïs, eine maorische Szene bei der feierlichen -Einsetzung eines Königs in alter Zeit: - -Der neue Herrscher verläßt, in prächtige Gewänder gekleidet und von den -Vornehmsten der Inseln umgeben, seinen Palast. Vor ihm schreiten die -Großmeister der Aréoïs mit seltenen Federn im Haar. - -Er begibt sich mit seinem Gefolge zum Maraë. - -Als die Priester, die ihn an der Schwelle erwarten, seiner ansichtig -werden, verkünden sie unter lautem Trompetenschall und Trommelschlag, -daß die Zeremonie beginnt. - -Dann beim Eintritt in den Tempel mit dem König legen sie ein -Menschenopfer, einen Leichnam, vor das Bild des Gottes. - -Der König spricht und singt mit den Priestern vereint Gebete, worauf der -Priester das Opfer beider Augen beraubt. Er bietet das rechte Auge dem -Gotte dar und das linke dem König; dieser öffnet den Mund, wie um das -blutige Auge zu verschlingen, aber der Priester zieht es zurück und legt -es wieder zu dem Körper[6]. - -Nun wird die Statue des Gottes auf eine geschnitzte, von Priestern -getragene Bahre gestellt. Auf den Schultern der beiden Oberpriester -sitzend, folgt der König dem Götzenbild, von den Aréoïs wie zu einer -Abreise begleitet, bis zum Ufer des Meeres. Auf dem ganzen Wege fahren -die Priester fort die Trompete zu blasen, die Trommel zu schlagen. - -Die Menge geht ehrfurchtsvoll und still hinterher. - -An der Bucht wiegt sich die heilige, zu dieser Feier mit grünen Zweigen -und Blumen geschmückte Piroge. Zuerst wird das Götzenbild darin -untergebracht, dann der König seiner Gewänder entledigt, und die -Priester geleiten ihn in das Meer, wo die Atuas-Mao (Götter-Haie) ihn in -den Fluten waschen und liebkosen. - -So zum andernmal vom Kuß des Meeres im Beisein des Gottes geweiht, wie -zuvor das erstemal in dessen Tempel, besteigt der König die heilige -Piroge, wo der Oberpriester ihn mit dem _maro oüroü_ umgürtet und um -sein Haupt das _taoü mata_, die Binden der Herrschaft, windet. - -Vorn im Boot stehend zeigt der König sich nun dem Volk. - -Und dieses bricht bei dem Anblick endlich das lange Schweigen, und -überall ertönt der feierliche Ruf: - --- _Maëva Arii_ (Es lebe der König)! - -Nachdem der erste laute Jubel sich gelegt hat, wird der König auf das -heilige Lager gebettet, wo eben das Götzenbild geruht, und alle kehren -auf demselben Wege, fast in derselben Reihenfolge wie vorher, zum Maraë -zurück. - -Wieder tragen die Priester das Götzenbild und die Oberpriester den -König, und der Zug wird abermals mit Musik und Tanz eröffnet. - -Das Volk folgt hinterher. Aber jetzt rufen sie, ihrer Freude überlassen, -fortwährend: - --- Maëva Arii! - -Das Götzenbild wird feierlich auf seinen Altar zurückgestellt. - -Und damit schließt die religiöse Feier. Nun soll das Volksfest seinen -Anfang nehmen. - -Wie den Göttern im Tempel und der Natur im Meer, wird der König sich dem -Volke weihen[7]. -- Auf Matten gebettet muß der König jetzt die _höchste -Huldigung des Volkes_ entgegennehmen. - -Die frenetische Huldigung eines wilden Volkes. - -Eine ganze Menge in Bezeigung ihrer Liebe für _einen Menschen_, und -dieser Mensch ist der König. Großartig bis zum Schrecken, bis zum -Entsetzen ist dieses Schauspiel zwischen der Menge und dem einen -Menschen. Morgen wird er Herr sein, er wird nach Belieben mit Geschicken -schalten, über die er zu bestimmen hat, und die ganze Zukunft ist sein! -Der Menge gehört nur diese eine Stunde. - -Völlig nackt, in lasziven Tänzen umkreisen Männer und Frauen den König -und bemühen sich, gewisse Teile seines Körpers mit gewissen Teilen des -ihren zu streifen, eine Berührung ist dabei nicht immer zu vermeiden. -Und die Raserei des Volkes steigert sich bis zur Tollheit. Die ganze -friedliche Insel hallt von furchtbarem Geschrei wieder, und der -hereinbrechende Abend zeigt das phantastische Bild einer verzückten -wahnsinnigen Menge. - -Aber plötzlich schmettert der Klang der heiligen Trompeten und Trommeln. - -Die Huldigung ist zu Ende, zu Ende das Fest, das Signal zum Rückzug -ertönt. Selbst die Rasendsten gehorchen, alles beruhigt sich, und jäh -tritt absolute Stille ein. - -Der König erhebt sich und kehrt feierlich, majestätisch, von seinem -Gefolge geleitet, in seinen Palast zurück. - - * * * * * - -Seit etwa vierzehn Tagen wimmelte es von sonst selten auftretenden -Fliegen, die unerträglich wurden. - -Aber die Maories freute es, denn die Thunfische und andere Fische -stiegen vom Grunde an die Oberfläche. Die Fliegen kündigten die Zeit des -Fischfangs, die Zeit der Arbeit an. Man vergesse nicht, daß Arbeit auf -Tahiti ein Vergnügen ist. - -Jeder prüfte die Haltbarkeit seiner Netze und seine Angeln. Frauen und -Kinder halfen mit ungewöhnlichem Eifer Netze oder vielmehr lange Gitter -von Kokosnußblättern an den Strand und auf die Korallenriffe zwischen -Land und Klippen schleppen. Auf diese Art werden gewisse Köderfischchen -gefangen, die am schmackhaftesten für die Thunfische sind. - -Als die Vorbereitungen beendet waren, was etwa drei Wochen in Anspruch -genommen hatte, wurden zwei große, miteinander verbundene Pirogen aufs -Meer gelassen, an denen vorn eine sehr lange, mit einem Angelhaken -versehene Stange angebracht war, die mittels zweier hinten befestigter -Taue schnell gehoben werden konnte. Sobald der Fisch angebissen hat, -wird er sofort herausgezogen und in dem Fahrzeug untergebracht. - -Eines schönen Morgens zogen wir (ich war -- natürlich -- mit bei dem -Fest) aufs Meer hinaus und hatten die Klippenreihe bald glücklich hinter -uns. Wir wagten uns ziemlich weit hinaus. Ich sehe noch eine -Schildkröte, die uns, den Kopf überm Wasser, im Vorüberfahren -nachschaute. - -Die Fischer waren alle in fröhlicher Stimmung und ruderten eifrig. - -Wir kamen den _Grotten_ von _Mara_[8] gegenüber an eine Stelle, -_Thunloch_ genannt, wo das Wasser sehr tief ist. - -Dort, sagt man, schlafen die Thunfische nachts in einer Tiefe, die den -Haifischen unerreichbar ist. - -Nach Fischen spähend, schwebte eine Wolke von Seevögeln über dem Loch. -Sobald einer an der Oberfläche erscheint, stoßen die Vögel mit -unglaublicher Geschwindigkeit darauf herab und steigen mit einem Bissen -im Schnabel wieder in die Höhe. - -So herrscht im Meer und in der Luft, selbst in unseren Pirogen nur der -Gedanke an Blut und Mord. - -Als ich meine Gefährten fragte, warum sie nicht eine lange Angelschnur -in das Thunloch hinunterließen, erwiderten sie, daß es unmöglich sei, es -wäre ein geheiligter Ort: - --- Der Gott des Meeres wohne da. - -Ich vermutete eine Sage dahinter und ließ sie mir erzählen. - - * * * * * - -»Roüa Hatou, eine Art tahitischer Neptun, schlief auf dem Meeresgrund an -dieser Stelle. - -Ein Maorie war einst so tollkühn dort zu fischen, und da sein Angelhaken -sich in den Haaren des Gottes verfing, erwachte dieser. - -Zornig stieg er an die Oberfläche, um zu sehen, wer die Kühnheit gehabt, -seine Ruhe zu stören, und als er sah, daß der Schuldige ein Mensch war, -beschloß er die ganze Menschenrasse zu vertilgen, um die Ruchlosigkeit -des einen zu sühnen. - -Der Strafe entging jedoch -- durch unerklärliche Nachsicht -- gerade der -Missetäter selber. - -Der Gott gebot ihm, mit seiner ganzen Familie auf den _Toa Marama_ zu -gehen, nach einigen eine Insel oder ein Berg, nach andern eine Piroge -oder »Arche«. - -Als der Fischer sich mit den Seinen an den bezeichneten Ort begeben -hatte, begannen die Wasser des Meeres zu steigen. Sie bedeckten -allmählich selbst die höchsten Gipfel, und alles Lebende bis auf jene, -die sich zum Toa Marama geflüchtet hatten, kam darin um. - -Später bevölkerten sie die Insel aufs neue[9].« - - * * * * * - -Wir ließen also das Thunloch hinter uns, und der Führer der Piroge -bezeichnete einen Mann, der die Stange ins Meer lassen und die Angel -auswerfen mußte. - -Lange Minuten wurde gewartet, kein Thunfisch biß an. - -Ein anderer Ruderer kam an die Reihe, und diesmal biß ein prachtvoller -Thunfisch an und bog die Stange hinunter. Vier kräftige Arme hoben sie -empor, indem sie die Taue hinten anzogen, und der Fisch erschien an der -Oberfläche. Aber gleichzeitig schnellte ein riesiger Hai über die Wogen: -ein paar furchtbare Bisse, und wir hatten nichts weiter am Angelhaken -als einen abgetrennten Kopf. - -Nun gab der Führer mir ein Zeichen, und ich warf die Angel aus. - -Nach ganz kurzer Zeit fischten wir einen riesenhaften Thunfisch. -- Ohne -es viel zu beachten, hörte ich meine Nachbarn unter sich kichern und -tuscheln. -- Das durch Stockschläge auf den Kopf getötete Tier wand sich -auf dem Boden des Fahrzeuges, und sein Leib, jetzt einem schillernden -Spiegel gleich, entsandte tausend blitzende Strahlen. - -Ein zweites Mal hatte ich ebenfalls Glück. - -Meine Gefährten beglückwünschten mich fröhlich, nannten mich einen -Glückspilz, und in meinem Stolz widersprach ich nicht. - -Aber in dem einstimmigen Lob unterschied ich, wie bei meinem ersten -Versuch, ein unerklärliches Lachen und Getuschel. - -Das Fischen währte bis zum Abend. Als der Vorrat der kleinen Köderfische -erschöpft war, entzündete die Sonne rote Flammen am Horizont, und unser -Fahrzeug war mit zehn prächtigen Thunfischen beladen. - -Wir bereiteten uns zur Rückfahrt vor. Während alles instandgesetzt -wurde, fragte ich einen jungen Burschen nach dem Sinn der ganz leise -gewechselten Worte und nach dem Lachen, das beide Male meinen Fang -begleitet hatte. Er weigerte sich zu antworten. Aber ich ließ nicht -nach, denn ich wußte, wie gering die Widerstandskraft des Maorie ist und -wie bald er energischem Drängen nachgibt. - -Schließlich vertraute er mir an: Wem der Thunfisch in den Angelhaken -beißt -- und meine hatten das beide getan, -- dem ist zu Haus die Vahina -untreu. - -Ich lächelte ungläubig. - -Und wir kehrten zurück. - -Die Nacht bricht in den Tropen schnell herein. Es galt ihr -zuvorzukommen. Zweiundzwanzig muntere Pageien (schaufelartige Ruder) -tauchten gleichzeitig ins Wasser, und um sich anzufeuern, stießen die -Ruderer im Takt dazu laute Rufe aus. Unsere Piroge hinterließ eine -phosphorleuchtende Furche. - -Mir war zumute wie auf einer tollen Flucht: die ergrimmten Herrscher des -Ozeans verfolgten uns, und um uns schnellten, wie phantastische Scharen -unbestimmter Gestalten, die aufgeschreckten, neugierigen Fische empor. - -In zwei Stunden erreichten wir die äußersten Klippen. - -Die Brandung ist dort gewaltig, und die Fahrt des Seegangs wegen -gefährlich. Es ist kein Leichtes, die Piroge richtig vor die Sandbank zu -steuern. Aber die Eingeborenen sind gewandt, und ich verfolgte mit -lebhaftem Interesse, jedoch nicht ganz ohne Furcht, die Operation, die -glänzend vonstatten ging. - -Vor uns war das Land von lohenden Feuern erhellt, -- es waren enorme -Fackeln von Zweigen des Kokosnußbaumes. Der Anblick der auf dem Sande am -Ufer des beleuchteten Meeres lagernden Fischerfamilien war wunderbar. -Einige saßen reglos da, andere liefen, die Fackeln schwingend, den -Strand entlang, die Kinder sprangen hin und her, und man vernahm in der -Ferne ihr stilles Geschrei. - -Mit leichtem Schwung fuhr unsere Piroge auf den Strand, und die -Verteilung der Beute begann sogleich. - -Alle Fische wurden auf die Erde gelegt, und der Anführer teilte sie in -so viele gleiche Teile, wie die Anzahl der Personen -- Männer, Frauen -und Kinder -- betrug, die sich am Fischfang und dem Fischen der -Köderfischchen beteiligt hatten. - -Es waren 37 Teile. - -Ohne Zeit zu verlieren, nahm meine Vahina ein Beil, spaltete Holz damit -und zündete ein Feuer an, während ich noch ein wenig Toilette machte und -mich wegen der Nachtkühle einhüllte. - -Von unseren beiden Anteilen wurde der eine gekocht, und den anderen -bewahrte Tehura roh auf. - -Dann fragte sie mich des langen und breiten über die verschiedenen -Vorkommnisse beim Fischfang aus, und ich befriedigte willfährig ihre -Neugierde. Genügsam und kindlich erheiterte sie sich an allem, und ich -beobachtete sie, ohne sie meine geheimen Gedanken merken zu lassen. Im -Grunde meiner Seele war ohne jede Ursache eine Unruhe erwacht, die nicht -zu beschwichtigen war. Ich brannte darauf, an Tehura eine Frage zu -stellen -- eine gewisse Frage ... und es half mir nichts, mir zu sagen: -Wozu? Ich antwortete mir selber: Wer weiß? - - * * * * * - -Die Zeit des Schlafengehens kam heran, und als wir beide ausgestreckt -nebeneinander lagen, fragte ich plötzlich: - --- Bist du vernünftig gewesen? - --- Ja. - --- Und dein Geliebter, war er nach deinem Geschmack? - --- Ich habe keinen Geliebten. - --- Du lügst, der Fisch hat es verraten. - -Tehura erhob sich und blickte mich starr an. Ihr Antlitz hatte einen -seltsamen mystischen Ausdruck majestätischer Größe, der mir fremd war -und den ich in ihren heiteren, fast kindlichen Zügen nie vermutet hätte. - -Die Atmosphäre in unserer kleinen Hütte hatte sich verwandelt: Ich -fühlte, daß etwas Erhabenes sich zwischen uns erhob. Und wider Willen -unterlag ich dem Einfluß des Glaubens und erwartete eine Botschaft von -oben. Ich zweifelte nicht, daß sie kommen würde, obwohl die fruchtlosen -Bedenken unseres Skeptizismus dieser glühenden, wenn auch nur einem -Aberglauben geltenden Inbrunst gegenüber noch ihre Macht auf mich -ausübten. - -Tehura schlich leise zur Tür, um sich zu vergewissern, daß sie gut -verschlossen war, und als sie bis in die Mitte der Kammer zurückgekommen -war, sprach sie folgendes Gebet: - - Rette mich! Rette mich! - Es ist Abend, es ist Abend der Götter. - Wache über mich, o mein Gott! - Wache über mich, o mein Herr! - Behüte mich vor Betörung und schlechten Ratschlägen. - Bewahre mich vor einem plötzlichen Tode, - Vor dem Bösen und Verwünschungen; - Bewahre mich vor Streit um die Teilung des Landes, - Möge Frieden herrschen unter uns! - O mein Gott, schütze mich vor den rasenden Kriegern! - Hüte mich vor dem, der mich bedroht, - Den es freut zu ängstigen, - Vor dem, dessen Haar sich beständig sträubt! - Auf daß ich und mein Geist leben können, - O mein Gott! - -An diesem Abend, wahrlich, habe ich mit Tehura gebetet. - -Als sie ihr Gebet beendet hatte, kam sie mit Tränen in den Augen zu mir -hin und flehte mich an, sie zu schlagen. - -Und vor dem tiefen Ernst dieses Antlitzes, vor der vollkommenen -Schönheit dieser lebenden Statue glaubte ich die von Tehura -heraufbeschworene Gottheit selber vor mir zu sehen. - -Verflucht sei ewig meine Hand, wenn sie es wagte, sich gegen ein -Meisterwerk der Natur zu erheben! - -Sie wiederholte ihr Flehen, sie zu schlagen. - --- Tust du es nicht, so zürnst du lange und wirst krank. - -Ich küßte sie. - -Und jetzt, wo ich sie ohne Mißtrauen liebe, so liebe, wie ich sie -bewunderte, kamen mir die Worte Buddhas auf die Lippen: - -»Ja, durch Sanftmut muß man den Zorn besiegen, durch das Gute Böses, und -durch Wahrheit Lüge.« - -Diese Nacht ward göttlich, köstlicher als die anderen alle -- und -strahlend erwachte der Tag. - -Frühmorgens brachte ihre Mutter uns einige frische Kokosnüsse. - -Mit einem Blick befragte sie Tehura. - -Sie _wußte_. - -Mit feinem Mienenspiel sagte sie zu mir: - --- Du warst gestern auf dem Fischfang, ist alles gut verlaufen? - -Ich erwiderte: - --- Ich hoffe, bald wieder dabei zu sein. - - * * * * * - -Ich war genötigt, nach Frankreich zurückzukehren. Wichtige -Familienangelegenheiten riefen mich zurück. - -Lebe wohl, gastfreies Land, köstliches Land, Heimat der Freiheit und der -Schönheit! - -Zwei Jahre älter geworden und um zwanzig Jahre verjüngt gehe ich fort, -_verwilderter_ als ich gekommen war und doch _gescheiter_. - -Die Wilden, diese Unwissenden, haben den alten Kulturmenschen vieles -gelehrt, vieles in der Kunst zu leben und glücklich zu sein: Vor allem -haben sie mich gelehrt, mich selber besser zu kennen, ich habe von ihnen -nur tiefste Wahrheit gehört. - -War das dein Mysterium, du geheimnisvolle Welt? Du hast mir Licht -gebracht, und ich bin gewachsen in der Bewunderung deiner antiken -Schönheit, der unvergänglichen Jugend der Natur. - -Das Verständnis und die Liebe zu der Seele deiner Menschen, zu dieser -Blume, die aufhört zu blühen, und deren Duft niemand mehr einatmen wird, -hat mich besser gemacht. - - * * * * * - -Als ich den Quai verließ, um an Bord zu gehen, sah ich Tehura zum -letztenmal. - -Sie hatte Nächte hindurch geweint, jetzt saß sie erschöpft und traurig, -aber ruhig mit herabhängenden Beinen auf einem Stein, und ihre starken, -festen Füße berührten das schmutzige Wasser. - -Die Blume, die sie am Morgen hinters Ohr gesteckt hatte, war welk auf -ihre Knie herabgefallen. - -Hier und dort starrten andere, wie sie, matt, schweigend, düster, -gedankenlos, auf den dichten Qualm des Schiffes, das uns alle für immer -weit fort tragen sollte. - -Und von der Schiffsbrücke aus glaubten wir, während wir uns immer weiter -entfernten, mit dem Fernglas auf ihren Lippen noch lange jene alten -maorischen Verse zu lesen: - - Ihr leisen Winde von Süd und Ost, - Die ein zärtlich Spiel über meinem Haupte vereint, - Eilt schnell zur nächsten Insel hin. - Dort findet ihr im Schatten seines Lieblingsbaumes - Ihn, der mich verlassen hat. - Sagt ihm, daß ihr in Tränen mich gesehn. - - - - - Fußnoten - - -[1] Paréo -- Gürtel, einziges Kleidungsstück der Eingeborenen. - -[2] Leichtes, aus einem Stamm gemachtes Fahrzeug der Wilden. - -[3] Tupapaüs -- Geister von Verstorbenen, Kobolde und Nachtgespenster. - -[4] Vivo -- Musikinstrument. - -[5] Dieser Mahoüi scheint ebenso wie Roüa, der die Sterne schuf, -derselbe wie Taaroa. Es sind wahrscheinlich verschiedene Namen desselben -Gottes. - -[6] Die symbolische Bedeutung dieses Ritus, das klare Verbot der -Anthropophagie, ist nicht zu verkennen. - -[7] Es ist zu befürchten, daß die Missionare (von denen diese -Überlieferungen stammen) zu einem leicht zu erratenden Zweck, in diesem -wie vielen anderen Punkten, die Vorfahren ihrer Pfarrkinder verleumdet -haben. Aber trotz alles Brutalen, Grotesken und vielleicht Abstoßenden -wird man doch zugeben müssen, daß dieser merkwürdige Ritus nicht einer -eigentümlichen Schönheit entbehrt. - -[8] Das Wort _Mara_ kommt in der Sprache der Buddhisten vor, wo es _Tod_ -bedeutet und, davon abgeleitet, _Sünde_. - -[9] Die Legende ist _eine_ der vielen maorischen Erklärungen der -Sintflut. - - - Neue Auflagen im Verlage Bruno Cassirer, Berlin - - - OTTO BRAUN: - AUS NACHGELASSENEN SCHRIFTEN - EINES FRÜHVOLLENDETEN - - 16. bis 45. Tausend - - - FEDOR DOSTOJEWSKI: DER IDIOT - - Erste vollständige deutsche Ausgabe von August Scholz - - 8. und 9. Aufl. -- In Ganzleinen gebunden mit einer Lithographie - - - FEDOR DOSTOJEWSKI: DER GATTE - - Deutsche Ausgabe von August Scholz - - 6. bis 9. Tausend -- In Halbleinen gebunden - - - DIE SEELE RUSSLANDS - - Aus den Romanen von Fedor Dostojewski herausgegeben und eingeleitet - von Karl Scheffler, deutsch von August Scholz - - In Halbleinen gebunden - - mit einer Lithographie von Otto Müller - - - VINCENT VAN GOGH: BRIEFE - - Mit 16 Abbildungen -- 8. und 9. Auflage - - In Japankreppapier gebunden - - - IWAN GONTSCHAROW, GESAMMELTE WERKE - - Vier Bände in Ganzleinen - - Buchschmuck und Entwurf des Einbandes von Professor Weiß - - - Band I: EINE ALLTÄGLICHE GESCHICHTE - - - Band II: OBLOMOW - - - Band III/IV: DIE SCHLUCHT, Zwei Bände - - - Anmerkungen zur Transkription - -Fußnoten wurden am Ende des Buches gesammelt. - -Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Weitere -Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher): - - [S. 41]: - ... deren Bewohner noch nach altem maorischem Brauch ... - ... dessen Bewohner noch nach altem maorischem Brauch ... - - [S. 60]: - ... Hochzeit, legal und religiös, wie die Missionare so den ... - ... Hochzeit, legal und religiös, wie die Missionare sie den ... - - [S. 73]: - ... fernstehende Geister, vermitteln sie nach der Schöpfungsfrage ... - ... fernstehende Geister, vermitteln sie nach der Schöpfungssage ... - - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Noa Noa, by Paul Gauguin - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK NOA NOA *** - -***** This file should be named 62800-8.txt or 62800-8.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/2/8/0/62800/ - -Produced by Jens Sadowski and the Online Distributed -Proofreading Team at https://www.pgdp.net. 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