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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Fräulein Doctor im Irrenhause - Eine Begebenheit aus unserer Zeit - -Author: Julie Thenen - -Release Date: October 31, 2020 [EBook #63589] - -Language: German - -Character set encoding: ISO-8859-1 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRÄULEIN DOCTOR IM IRRENHAUSE *** - - - - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -https://www.pgdp.net (This file made from scans of public -domain material at Austrian Literature Online.) - - - - - - - - - - Fräulein Doctor im Irrenhause. - - - Eine - - Begebenheit aus unserer Zeit - - von - - J. Thenen, - - Verfasser des »Wunderrabbi«. - - - Der Ertrag ist der allgemeinen Poliklinik in Wien gewidmet. - - [Illustration] - - Wien. - - Verlag von L. Rosner. - - 1881. - - - - -An einem trüben, regnerischen Herbstmorgen schritt eine Frau die breite, -mit feinem Kiessande bestreute Allee entlang, die zur Irrenanstalt führte. -Die Frau war groß und schlank und entwickelte in jeder Bewegung eine -unnachahmliche Grazie, eine vollendete Symmetrie der Form. Ihr Haar war von -einem hellen Braun, auf dem ein Goldglanz lagerte, nicht anders als ruhe -der volle Sonnenschein auf den reichen, wogenden Locken; das Auge, lang -geformt, dunkel und feurig, war von bogenförmig feingezeichneten Brauen -überwölbt und von langen schwarzen Wimpern verschleiert; durch die -lilienweiße Haut schimmerte die Rose auf den Wangen; der feingeschnittene -Mund, die kleinen Perlenzähne und das anmuthreiche Grübchen am Kinn -vervollständigten das harmonische Ganze. Diese Frauengestalt war wunderbar, -entzückend schön. - -Ja, Zerline war schön wie die Fee eines Zaubermärchens und ebenso mächtig -wie diese. Ein Blick ihres Glutauges, ein Wort von ihren duftigen Lippen -vermochten es eben so leicht wie der Zauberstab einer Fee Schaaren von -dienstbaren Geistern um sie zu versammeln. Ihre Alleinherrschaft in der -galanten Welt war anerkannt, unbestritten, unumschränkt. Zu den demüthigen -Zugthieren ihres Siegeswagens zählten die stolzesten Löwen des -Tages. Zerline war eine gefeierte Schauspielerin, das brillanteste -Decorationsstück eines Musentempels in der Provinz. Mißgünstige Rivalinnen -behaupteten wohl, Zerline sei nur auf der Bühne des Lebens eine treffliche -Komödiantin, im Tempel der Kunst nur eine jämmerliche Stümperin. Böse -Zungen erzählten, daß sie durch mächtige Gönner sich ihren Platz auf den -Brettern errungen und nur durch ihre körperlichen Reize und durch ihren -Toilettenreichthum das Publicum blende. Alles dies vermochte aber die -Triumphe Zerlinens nicht zu vermindern. Die Menge huldigt dem Erfolge, ohne -sich zu kümmern, auf welche Weise dieser errungen wird. - -Zerline war also eine Zugkraft ersten Ranges und wurde als solche -vom Leiter des Theaters mit einer bei diesem Herrn nicht gewöhnlichen -Liebenswürdigkeit behandelt. Der Director war ein kluger Mann. Er wußte, -daß eine blendende Staffage eine viel mächtigere Zugkraft sei als ein -echtes Talent, das sich zur reinen Höhe der wahren Kunst emporgeschwungen. -»Das Gute wird gedacht, das Schöne aber betrachtet,« philosophirte er. -»Mein Publicum ist nicht dem Begriffe, sondern der Anschauung zugänglich, -und die Kunst eines praktischen Directors besteht ja nur darin, dem -Publicum den gewünschten Genuß zu verschaffen und ausverkaufte Häuser -zu erzielen.« Zerline feierte Triumphe, wie die wirklichen Künstlerinnen -solche nicht oft und nicht leicht erringen. Milde Kritiker räucherten sie -in dicke Weihrauchwolken ein und nannten sie einen leuchtenden Stern am -Firmamente der tragischen Kunst. Dies, sollte man meinen, müßte sie doch -befriedigt haben. Dem war aber nicht so. Mit dem Erfolge wuchs ihr Ehrgeiz. -Bald verlor die Huldigung der gutmüthigen Provinzler für Zerline jeglichen -Reiz. Der Wirkungskreis in der Provinz erschien ihr eng und armselig und -nur die Bühne in der Residenz ihrer würdig. In der Residenz als Tragödin -gefeiert und umworben zu werden, dies ward fortan der süßeste Traum -ihres Lebens. Um dies zu erreichen, war ja nur vonnöthen ein Gastspiel zu -eröffnen. Daß sie mit ihrem ersten Auftreten das Publicum im Sturm erobere, -dessen war sie sicher, dafür garantirten ihr ja der stürmische Beifall -genügsamer Claqueurs und die Verzückung ihrer Gönner. Wollen und Können war -für die gefeierte Zerline gleichbedeutend. Ein Zauberwort aus ihrem rosigen -Mündchen setzte alsbald die Schaar ihrer Anbeter in Bewegung, und ehe -das Tagesgestirn achtmal seinen Lauf vollendet hatte, war das schier -Unglaubliche verwirklicht, die mächtige Fee hatte die Gewißheit, als Gast -auf der Hofbühne der Residenz ihre Reize und die Munificenz ihrer Gönner -bewundern zu lassen. Als Ophelia sollte sie das Gastspiel eröffnen. Um nun -die Großstädter vollständig zu ihren Füßen zu sehen, wollte sie diese auch -noch durch künstlerische Leistungen in athemlose Bewunderung versetzen. -Deshalb sehen wir sie der Irrenanstalt zuschreiten. Sie will sich für den -bevorstehenden Triumph künstlerisch vorbereiten, sie will nicht bloß die -Empfindungen und Affecte, sondern auch die Begebenheiten, aus denen -solche entsprangen, studiren. In der Irrenanstalt, in dieser Behausung des -menschlichen Jammers, will sie in das große Geheimniß der tragischen Kunst -erst recht eindringen. Hier will sie das Traurige, das Jammervolle, das -Schreckliche, das Entsetzliche von Angesicht zu Angesicht schauen, um dann -ihre Rolle als Geisteskranke mit solch' entsetzlicher Wahrheit zu spielen, -daß dem Publicum darob die Haare zu Berge stehen sollten. Also versicherte -sie ihrer Helferin in der Rüstkammer der weiblichen Toilettengeheimnisse, -der pfiffigen Mizi. - -Man wähne aber ja nicht, daß dies Opfer, welches der Kunst zu bringen -Zerline sich entschlossen hatte, ein gar leichtes war. Zuerst hatte sie -einen mühsamen Kampf zu bestehen, bis es ihr gelang, die entsetzliche -Furcht zu bewältigen, die bei dem Gedanken, in die Behausung des Wahnsinns -einzudringen, sich ihrer bemächtigte. Mizi wußte ihr nicht genug des -Gräßlichen von diesem Orte des Schreckens zu erzählen und bevölkerte die -Phantasie der Kunstjüngerin mit den quälendsten Schreckgebilden. Schon -stand zu befürchten, daß die heraufbeschworenen Phantome der zungenfertigen -Mizi den Drang, das Spiel des Wahnsinns am Born desselben zu schöpfen, -ersticken würden, als zum Glück ein am Siegeswagen Zerlinens ziehender Arzt -ihre Angst beschwichtigte. Nun zeigte sich ein neues Hemmniß; der Leiter -der Irrenanstalt war jedem Besuche abhold. Er fand es dem Wohle seiner -Pflegebefohlenen zuträglich, sie vor profaner Neugier zu wahren. Diesen -Psychiater ihrem Wunsche geneigt zu machen war schwerer, als Zerline es je -gedacht. Trotz der mächtigen Protection ihrer Gönner gelang es ihr nicht, -die Erlaubniß zu erlangen, die Anstalt zu besichtigen. Da verfiel der -sie anbetende Arzt auf den sinnreichen Einfall, sie als Fräulein Doctor -anzumelden. Einem Doctor, der sein Wissen zum Wohle der leidenden -Menschheit bereichern wollte, durfte die Anstalt nicht verschlossen -bleiben. Der Director, obwohl kein besonderer Freund weiblicher Doctoren, -konnte jetzt seine Genehmigung nicht versagen. So machte sich denn Zerline -auf den Weg, um das so sehnlich Gewünschte und doch Gefürchtete von -Angesicht zu Angesicht zu schauen. - -Vom Zauber ihrer sinnberückenden Schönheit umgeben schritt Zerline der -Anstalt zu. Ihr Auge blickte sanft und liebkosend und der schneeige Busen -wogte ruhig und friedlich. Wer konnte ahnen, welch' bedrohliche Pläne für -die Ruhe des starren Leiters der Anstalt sie in ihrem Innern entwarf -und auch welch' wunderbare Curen die Phantasie dem Fräulein Doctor -vorspiegelte! Wie oft hatte sie schon durch ihren Zauber Vernünftige in die -Bande des Wahnsinns geschlagen, warum sollte sie nicht auch Wahnsinnige -zur Vernunft zurückzuführen vermögen? Was war ihrem Liebreiz zu schwer? Wer -vermochte es sich ihrer Macht zu entziehen? Solche und ähnliche Gedanken -beschäftigten sie, bis sie am Eingange der Anstalt Halt machte. Als sie -das Haus mit seinen vergitterten Fenstern erblickte, da begann ihr Herz zu -pochen und zu hämmern. Alle von Mizi heraufbeschworenen Gespenster standen -wieder vor ihrem inneren Auge. Die Kunst lief Gefahr, von der Furcht -besiegt zu werden; Zerline war schon im Begriff die Flucht zu ergreifen, da -erschien noch zur rechten Zeit der Thürsteher der Anstalt. Die Intervention -dieses ungebildeten Volkssohnes ersparte der Muse eine Niederlage. - -Der Thürsteher, der einige Zeit stumm vor Entzücken auf die blendende -Frauenerscheinung gesehen, riß jetzt dienstbeflissen die Thürflügel auf und -lud sie zum Eintritte ein. Mechanisch folgte ihm Zerline in's Wartezimmer. -Hier bat er sie, sich zu gedulden, bis er ihre Ankunft gemeldet haben -werde, und entfernte sich unter zahllosen Bücklingen. - -Vom Schrecken beherrscht fiel Zerline ermattet auf einen Sitz nieder. -Dann ließ sie ihr Auge im Raume umherschweifen. Das Zimmer war einfach und -prunklos, sah aber ganz wohnlich aus. Auch das vergitterte Fenster erschien -von innen nicht so abschreckend, und die Aussicht in den Park war trotz des -trüben, regnerischen Wetters nicht ohne Reiz. Zerline begann sich allmälig -zu beruhigen. Sie erhob sich dann von ihrem Sitze und näherte sich einem -Spiegel, um da eine losgegangene Locke ihrer Frisur zu befestigen. Eben -hatte sie sich des widerspänstigen Löckchens bemächtigt, als zwei Männer in -die Stube traten. - -Die Neueingetretenen blieben beim Anblicke Zerlinens überrascht stehen. -Sie wurden gleich dem Thürsteher vom mächtigen Zuge der Bewunderung -fortgerissen, blieben aber nicht stumm, sondern stießen ein lautes »Ach!« -des Entzückens aus. - -Ein Lächeln des Triumphes kräuselte die Lippen Zerlinens. Mit dem ersten -Blicke hatte sie den Feind bezwungen, den starren, unzugänglichen Leiter -der Anstalt. Dies war er ja doch, der großgewachsene Mann mit wallendem -Bart und Haupthaar, und sein Begleiter war sicherlich der Doctor, der dem -Director in der Krankenpflege treulich zur Seite stand. Also dachte die -Siegesgewisse und wollte auch im Bewußtsein ihrer Macht recht bald ihr -Incognito fallen lassen; als Zerline und nicht als Fräulein Doctor sollte -er sie durch die Räume der Anstalt führen. Diese Hoffnung erwies sich -jedoch bald als trügerisch, denn der stattliche Mann mit wallendem Bart -und Haupthaar stellte sich ihr als Graf Roller vor, sein Begleiter war der -Oberwärter der Anstalt. - -Der Letztere entschuldigte den Director, der durch Krankheit verhindert -sei, Fräulein Doctor zu empfangen. Der Doctor der Herrenabtheilung müsse -den Director in der Kanzlei vertreten, berichtete er, und der Doctor der -Frauenabtheilung sei zu einer Patientin gefahren. Wenn Fräulein Doctor -seine Rückkehr nicht abwarten wolle, so könnte sie sich getrost der Führung -des Grafen Roller anvertrauen. Der Herr Graf sei in der ärztlichen Kunst -bewandert und werde ihr alles Interessante in der Anstalt vorführen, fügte -er zum Schlusse bei. - -Der Graf ermangelte nicht, sich mit der Artigkeit eines feinen Weltmannes -der schönen Besucherin zur Verfügung zu stellen, und Zerline nahm mit einem -verführerischen Lächeln sein Anerbieten an. Vom Grafen geleitet schritt sie -durch eine helle, geräumige Vorflur einer steinernen Treppe zu. - -»Meiner Ansicht nach vermögen solch' äußerliche Anschauungen nur wenig die -functionellen Störungen zu beleuchten,« begann der Graf seine Ansprache zu -dem vermeintlichen Fräulein Doctor. »Ich halte ähnliche Beobachtungen für -einen angehenden Arzt nicht für hinlänglich. Das vornehmste Lehrbuch ist -der Cadaver. Nur anatomische Befunde und zumeist nach frischen Fällen -gewonnene Befunde können dem Arzt Einblick in den Proceß gewähren. Dies ist -meine Ansicht. Wohl meint die moderne Psychiatrie, daß wir im Vorderhirn -die diagnosticirbaren, auffallenden Formen anatomischer Veränderungen noch -im Leben vorfinden, sie behauptet sogar, daß der äußere Verlaufsproceß nur -eine Spiegelung des inneren Processes sei, ich aber verfechte unerschrocken -meine Ansicht, daß ohne den Befund im Cadaver die Wissenschaft im Finstern -tappen muß.« Hier unterbrach er seinen gelehrten Discurs. Sie waren bei -einer Thüre angelangt, welche ein Wärter von innen geräuschlos öffnete und -wieder schloß. Sie traten in einen hohen, hallenden Corridor. - -Zerlinen war es seltsam zu Muthe. Schon der Anblick dieser Räume, die so -viel menschliches Elend bergen sollten, machte ihr das Herz schwer. Ringsum -herrschte eine tiefe, grabähnliche Stille, die nur von ihren und -ihres Begleiters Schritten, welche im steingepflasterten Corridor laut -wiederhallten, unterbrochen wurde. Um ihre Bangigkeit noch zu steigern, -sprach der Graf ein gelehrtes Kauderwelsch, von dem sie kein Wort verstand. -Nur das Eine meinte sie zu verstehen, daß er sie aufforderte, fleißig in -Leichen herumzuwühlen. - -Hu, der Gedanke an dies Schreckliche machte ihre Füßchen schwach bis zum -Umfallen. Jetzt kroch wieder die Furcht wie ein Alp an sie heran und -rief ihr alle die schrecklichen Geschichten, die ihr Mizi von der -Gefährlichkeit, von der Tobsucht und der Raserei der Wahnsinnigen erzählt -hatte, in's Gedächtniß zurück. Bald brachte jedoch die Sucht zu glänzen, -welche Zerline als den Drang, sich auf die wahre Höhe der tragischen Kunst -emporzuschwingen ansah, die Einflüsterungen der Furcht zum Schweigen. -Ja sie wollte unerschrocken das Entsetzliche von Angesicht zu Angesicht -schauen, sie wollte allen Gefahren trotzen, um dann durch ihren meisterhaft -gespielten Wahnsinn alle Rivalinnen vor Neid wahnsinnig zu machen. Mit -dem Panzer dieses menschenfreundlichen Wollens umgürtet betrat sie den -Conversationssaal der Herrenabtheilung. - -Sie sah neugierig und mit nicht geringem Herzklopfen umher. Dies war kein -mit Eisengitter umgebener Käfig, wie die Schauermärchen Mizis die Räume -einer Irrenanstalt schilderten, und auch die Personen, die sie da gewahrte, -hatten keine Aehnlichkeit mit den gefürchteten Schreckbildern aufzuweisen. -Etwa ein Dutzend Männer saßen auf Stühlen und studirten eifrig die -Journale, Andere hatten sich um einen mit Nachdruck sprechenden Priester -gruppirt und lauschten aufmerksam seinen Worten. - -»Dies sind Patienten, mit Melancholie, mit Manie und mit Stupor behaftet,« -erklärte der Graf dem vermeintlichen Arzt. »Wenn Sie den Reden der -Patienten Aufmerksamkeit schenken wollen, dann werden Sie einsehen, wie -wenig die äußerliche Anschauung die functionellen Störungen im Innern zu -veranschaulichen vermag.« - -Zerline nickte bestätigend mit dem Kopfe. Auf andere Weise wußte sie ihrem -gelehrten Führer keine Antwort zu geben. Was begriff sie von functionellen -Störungen und von Stupor und Manie? Bei ihren Anbetern hatte sie wohl stark -ausgesprochene Symptome von Verwirrtheit und Imbecillität gesehen, aber -es genügte ihr zu wissen, daß sie die Ursache und Veranlassung -dieser Erscheinungen war, mit der Lehre von den Krankheiten und ihren -verschiedenen Gattungen und Arten hatte sie sich nicht befaßt. Von -dem gelehrten Unsinn des Grafen verstand sie eben nicht mehr als ihr -Schooßhündchen Zara, wenn sie ihm eine ihrer Rollen vordeclamirte, sie -athmete erleichtert auf, als der Graf sie zu einem Sitze führte und sich -dann zu der Gruppe gesellte, die den Priester umgab. - -»Die moderne Philosophie umnebelt den Kopf der rohen Masse,« sprach der -Priester gerade, als der Graf herzutrat. »Sie demoralisirt das Volk durch -die Zerstörung aller alten Einrichtungen, sie entwurzelt den Glauben an -eine ewige, rächende und richtende Gottheit, an ein Jenseits, an eine -Unsterblichkeit, sie führt die Herrschaft der rohen Materie ein, sie -schmäht und verspottet die Zeit, in welcher die heilige Kirche die Teufel -aus der Menschenbrust vertrieb. Wohin, frage ich, kann und soll dies -führen, wenn nicht zur Herrschaft des Verbrechens und zur totalen Auflösung -aller menschlichen und gesetzlichen Bande? Vermögen all' die subtilen -Verstandestheorien der Apostel des Unglaubens, vermag all' ihr -sophistischer Wortprunk den Glauben, dieses Himmelslicht, zu ersetzen? -Wodurch wollt Ihr die Menschheit für das ihr geraubte Kleinod schadlos -halten, für das göttliche Geschenk, das den Erdensohn im Glücke vor -Uebermuth bewahrt und im Unglücke vor Verzweiflung schützt?« - -Diese Worte waren an einen ältlichen Mann gerichtet, der dem Priester -gegenüberstand und der leidenschaftlichen Rede desselben mit kalter Ruhe -zuhörte. - -»Durch das Bewußtsein, daß Moral und Sittlichkeit nicht erst der Ausfluß -einer geoffenbarten Religion sein müssen, denken wir das Verlorene zu -ersetzen,« erwiederte der Gefragte. »Wir wollen beweisen, daß nicht in den -rohen, materiellen Gefühlen des Fürchtens und Hoffens auf Vergeltung -der wahre, edle Kern der Moral liege, sondern daß er in der geistigen -Veredlung, in der Entwicklung des Rechtsgefühls, in der Unabhängigkeit und -in der Scheu vor jedem unredlichen Beginnen zu suchen und zu finden sei. -Die Menschheit lebt, wie Euer Heiligkeit richtig bemerkten, in einem -materiellen Zeitalter, in welchem Hypothesen nicht mehr genügen, die -nüchterne Menschheit verlangt jetzt Axiome. Gebt ihr solche, und sie wird -wieder ihre Knie vor der Kirche beugen und auch ihr Geist wird anbetend vor -Euch niederfallen.« - -Der Priester maß ihn mit finsteren Blicken und erwiederte dann mit -grollender Stimme: - -»Wo die Ueberzeugung, da ist kein Glaube mehr. Wie die Vernunft so -vermessen wird, mit dem Secirmesser der kalten Berechnung den Glauben -zergliedern zu wollen, da kehrt dieser zum göttlichen Spender zurück, und -der ruchlose Anatom sucht ihn vergebens im zerfleischten Cadaver.« - -»Der Befund im Cadaver muß der einzig richtige Leitfaden für den Forscher -sein,« mischte sich nun Graf Roller in den Disput. - -»Der denkende Mensch will keinen blinden Glauben, er will Wahrheit, und -zur Wahrheit kann man nur durch Forschen und Wissen, nur durch Aufklärung -gelangen,« behauptete ein Mann mit blassen, melancholischen Zügen. »Mag die -Wahrheit noch so grauenvoll sein, der denkende Mensch wird sie immer der -lieblichsten Selbsttäuschung vorziehen.« - -»Die Corruption und all' das scheußliche Heer der Sünden hat Eure -gepriesene Aufklärung der Menschheit gebracht,« schrie der Priester, dessen -Augen jetzt wie zwei sprühende Feuerräder rollten. »Ihr bläht Euch mit der -Vernunft, mit dem Wissen und bleibt doch bei jedem Schritt und Tritt vor -unauflöslichen Problemen stehen. Mit frecher Stirn nennt Ihr sogar das -Gehirn Erzeugungsorgan der Seele, trotzdem Euch nicht mehr als die äußere -Anatomie der Form davon bekannt ist. Gesteht doch einer Eurer mächtigsten -Herrscher auf dem Gebiete des Wissens, daß die Anatomie des inneren Baues -des Gehirnes für immerdar ein mit sieben Siegeln geschlossenes und noch -dazu in Hieroglyphen geschriebenes Buch ist.« - -»Meine Herren, ruhig mögt Ihr nach Herzenslust plaudern, nur nicht das Blut -erhitzen,« ermahnte ein Wärter. - -Zerline war dem Disput mit großer Aufmerksamkeit gefolgt. Sie vermochte es -kaum zu glauben, daß sie Pensionäre der Irrenanstalt reden hörte. Was ihr -Interesse noch steigerte, war, daß sie in dem jungen, schönen Priester -den Fastenprediger erkannte, dessen Reden sie stundenlang in lautloser -Verzückung zu lauschen pflegte. Nach den rauschenden Freuden des Carnevals -war es für sie eine gruselnde Wollust gewesen, von dem schönen Prediger die -Pein, die der Sünder im Reiche Satans harrte, mit glühender Beredsamkeit -schildern zu hören. Sie konnte das Auge von ihm nicht abwenden. Wenn er -sprach, belebte sich das starre, bleiche Antlitz und sein dunkles Auge -glühte und der Körper bebte und jede Muskel zuckte. Er war schön, der -bleiche Priester, so schön, daß Zerline in seinem Anblick versunken den -eigentlichen Zweck ihres Besuches in der Anstalt vergaß und den Grafen, der -sie zum Weitergehen aufforderte, ersuchte, bis zur Beendigung des Disputes -zu bleiben. - -»Der Priester laborirt an jener chronischen Seelenstörung, die wir -partielle Verrücktheit nennen,« flüsterte ihr der Graf zu. »Er ist im -Wahne, der heilige Vater zu sein und schleudert als kirchliches Oberhaupt -alle seine Blitze gegen die Pionniere der Aufklärung. Im steten Kampfe -ist er mit diesem Patienten.« Er bezeichnete den ältlichen Mann, der dem -Priester kampfbereit gegenüberstand. »Dieser, im Wahne der Zeitgeist -zu sein, sucht seinerseits jedes Bollwerk gegen Forschung und Wissen -darniederzureißen und steht dem Fanatiker feindlich gegenüber.« - -Die Irren hatten ihren Wortkampf wieder aufgenommen. - -»Die Wissenschaft gesteht mit ehrlicher Offenheit ihre Ohnmacht, -manches Problem zu lösen, und fordert dadurch die Menschheit zu noch -angestrengterem Forschen auf,« sprach der Widersacher des Priesters mit -leidenschaftsloser Ruhe. - -»Die Forschung ist die Pforte zur Wahrheit und das Wissen ist ihr -Tempel,« ließ sich der Irre mit den bleichen, melancholischen Zügen wieder -vernehmen. »Das leuchtende Antlitz dieser Gottheit verschmäht den Schleier -der Mystik, ihre majestätische Gestalt umwallen keine Prunkgewänder; sie -lockt nicht mit Lohn und droht nicht mit Strafe. Ernst und leidenschaftslos -thront sie auf ihrem erhabenen Sitz und ist jedem Menschenkinde zugänglich. -Wer ihr Antlitz schauen will, darf nicht blind glauben, der muß nur -forschen, denn Zweifel sind die Stufen, die zur Wahrheit führen.« - - »Bairisch Bier und Leberwurst - Juchheidi, juchheida, - Und ein Kind mit runder Brust, - Juchheidi, heida, - Und ein Glas Krambambuli, - Donnerwetter Parapluie, - Juchheidi, heidi, juchheidi, juchheida, - Juchheidi, heidi, heida, juchheidi, heida!« - -krächzte ein Irrer, dessen rubinrothe Nase ihn als Verehrer des Bacchus -kennzeichnete. »Schweig', Ritter von der breiten Krämpe, oder lasse Bacchus -leben!« rief er dem Priester zu. - - »Vivat Bacchus, Bacchus lebe, - Bacchus war ein braver Mann.« - -»=Delirium tremens=,« flüsterte jetzt der Graf dem Fräulein Doctor zu, -welches nur Auge und Ohr für den schönen Fastenprediger hatte. - -Der Eiferer ließ sich durch die triviale Unterbrechung des Säufers -in seinem Dispute nicht stören und erwiederte dem Wahrheitssucher mit -schneidendem Hohngelächter: »Sprecht nur den göttlichen Gesetzen Hohn, -entsagt schamlos der Menschenwürde und pflanzt nur die Vernunft als -Glaubensfahne auf. Die gepriesene Vernunft wird Euch zur Wahrheit -führen, die Vernunft, welche der aufgeklärten Menschheit zur ehrenvollen -Verwandtschaft mit dem Kletterthier verholfen hat. Und du, ihr Apostel, -wohin hat dich deine Forschung geführt? Die Wahrheit hast du gesucht und -das Irrenhaus hast du gefunden.« - -Ein Blick unsäglicher Verachtung aus dem Auge des Wahrheitssuchers fiel auf -den Zeloten. Er wollte antworten, als ein Mann von finsterem Aussehen das -Wort ergriff. - -»Ich behaupte, daß, wenn die Herren Affen nur die Macht des Wortes besäßen, -sie gegen die noble Verwandtschaft mit dem Menschen energisch protestiren -würden,« versicherte der Sprecher mit großer Bestimmtheit. »Die Herren -Affen leben ruhig und friedlich in ihrem primitiven Zustande nur der -Befriedigung ihrer natürlichen Bedürfnisse, die Herren Affen sind von allen -Krebsschäden, die an der menschlichen Gesellschaft fressen, unberührt. -Hochmuth, Eigendünkel, Herrschsucht, Selbstsucht, Scheinheiligkeit, -Verleumdung, Verlogenheit, Heuchelei, Falschheit, Treulosigkeit und -wie sonst noch das Heer menschlicher Leidenschaften heißen mag, nisten -vorzüglich in der Menschenbrust. Jetzt frägt es sich --« - -»Ja, alle diese Leidenschaften nisten im Herzen des Weibes,« unterbrach ihn -Graf Roller in sichtlicher Aufregung. »Fand ich doch alle diese geflügelten -Ungeheuer im Herzen der Falschen.« Hier brach er ab und zuckte schmerzhaft -zusammen. - -Zerline hatte nur Augen für den schönen Priester, dessen Geist trotz -des logischen Zusammenhanges seiner Rede in der Macht des Wahnsinns sein -sollte. Wenn dies Wahnsinn war, frug sie sich, was war gesunder Sinn zu -nennen? Alle, die ihr zu Füßen lagen, besaßen nicht das Wissen und nicht -die Beredsamkeit dieser Unglücklichen, die von der Außenwelt abgeschlossen -hier ihr trauriges Dasein verbrachten. - -»Die wahre Pest unserer unseligen Zeit seid Ihr, die Häupter der tückischen -Bande, die sich die Organe der öffentlichen Meinung nennen,« wendete sich -der Eiferer wieder an einen Mann, der in ein Journal vertieft zu sein -schien. »Ihr reißt die Welt aus den Fugen und verläugnet und kreuzigt mit -Eurer ruchlosen Aufklärung die heilige Religion.« - -»Die Aufklärung verläugnet nicht die Religion,« entgegnete der Angeredete -die Achsel zuckend. »Die Aufklärung will nur nicht diese Religion, wie -manche Priester sie geben. Wahre Religion begehrt weder Demuth -noch knechtische Furcht, sie verlangt Selbstständigkeit und inneres -Durchdrungensein von ihrer Wahrheit, sie will nicht mit Zittern und Zagen, -sie will nur mit Liebe umfaßt sein.« - -»Baut nur Eurem Götzen stolze Tempel und übergoldet seine Altäre mit dem -Raube, den Ihr mit verruchter Hand an mir, dem Stellvertreter Petri, und -auch an den Frommen der gesammten Christenheit begangen habt,« schrie der -Zelot mit heftiger Gesticulation. »Führt nur die Bauten eures sündhaften -Hochmuthes bis in die Wolken und sucht den Himmel zu stürmen. Thut dies, -Ihr ruchlosen Umstürzler, thut dies, bis Ihr die Langmuth Jehovas ermüdet -und Ihr den Lohn dafür da findet, wo ewig Heulen und Zähneklappern ist.« - - »Der Frosch und die Unken - Und andere Halunken, - Die können nur zechen - Mit rächelndem Rachen, - Sie schlürfen aus Bächen, - Aus Pfützen und Lachen, - Aus Gruben und Klüften, - Aus Weihern und Teichen, - Aus Gräbern und Grüften - Und manchem dergleichen - Und plärren im Chor, - Auf Moder und Moor - Nur Schnickschnack und Schnackschnack - Und Unkunk und Quackquack,« - -näselte der Trunkenbold, sein Lied mit possierlichen Grimassen begleitend. - -Der Zeitungsschreiber hatte sich erhoben und stand in drohender Haltung dem -Priester gegenüber. »Elender Fanatiker, mich, dessen einziges Ziel es -ist, die Menschheit zu beglücken, den Gründer des echten, reinen Glaubens, -zeihest du des Raubes, der schmutzigen Gewinnsucht?« rief er zornig. -»Religion ist Gold, im urbaren Zustande dem Menschen in die Hand gegeben. -Ich habe die leuchtende Goldfaser entdeckt, und du, Finsterling, betest die -Schlacken an. Mein Cultus bedarf nicht der Vergoldung. Der Tempel meiner -Religion ist jedes edle Menschenherz, ihr Altar ist die Menschenliebe, ihr -Gebet ist Menschlichkeit und ihr Lohn ist das Bewußtsein, seine Pflicht als -Mensch zu erfüllen. Wozu bedarf ich des Goldes, wozu der physischen -Macht? Mein reiner Glaube will keine käuflichen Glaubensüberläufer und er -verschmäht auch jedes Gewaltmittel zu seiner Ausbreitung.« - -»Warum hast du mir also mein Reich geraubt, warum hast du mir meine -weltliche Macht genommen?« schrie der Zelot in leidenschaftlicher Erregung. - -»Dein Reich ist nicht von dieser Welt,« rief eine hagere, fleischlose -Gestalt, auf den Priester zuschreitend. »Meine Lehre verbietet dir, nach -irdischer Größe, nach sündigem Reichthum zu streben, und nach irdischer -Macht und nach irdischem Prunk lechzt deine Seele. Sündiger Verkünder -meiner Worte, nur du und deinesgleichen, Ihr kreuzigt meinen Glauben und -macht alle meine Wunden auf's Neue bluten.« - -»Religiöser Wahnsinn,« belehrte der Graf Zerlinen und setzte ihr -dann auseinander, wie der Unglückliche, im Wahne der Heiland zu sein, -stundenlang mit ausgespannten Armen dastehe und wie sein kranker Geist ihn -alle die fürchterlichen Qualen des Martyriums wirklich empfinden lasse. - -»Die Liebe ist der Grundstein meines Glaubens, und Liebe und Nachsicht -muß der Kitt sein, der den Bau des Christenthums zusammenhält,« fuhr der -eingebildete Erlöser fort. »Der echte Diener Gottes muß des Glaubens Trost -in das wehe Menschenherz gießen, er muß den Unglücklichen aus den öden -Steppen der Verzweiflung auf die ewig grünende Oase der Hoffnung hinführen, -er muß an dem unversiegbaren Born der göttlichen Gnade ihn erlaben, vor dem -verderblichen Sturm der Leidenschaften ihn warnen und Stab und Stütze -ihm sein auf der irdischen Dornenbahn. Und sein Gebet muß nur Gnade und -Verzeihen für die Sünder erflehen, Vertilgung aber soll es nur für die -Sünde erbitten! So will ich die Verkünder meiner Lehre!« rief der Irre mit -gebieterischer Handbewegung. »Durch Liebe und Duldsamkeit wird mein -Glaube verherrlicht, durch Liebe und Duldsamkeit wird seine Macht -unerschütterlich, und unbezwingbar steht er seinen Feinden gegenüber, wenn -er überhaupt dann noch Feinde zählt.« - - »Herr Bruder, nimm dein Gläschen - Und trink' es fröhlich aus; - Und wirbelt's dir um's Näschen, - So führ' ich dich nach Haus. - Bedenk', es ist ja morgen - Schon Alles wieder gut, - Der Wein vertreibt die Sorgen - Und gibt uns frohen Muth,« - -sang jetzt der rothnasige Zecher, auf den Erlöser zuschreitend. Er faßte -ihn am Arm und zog ihn trotz seines Sträubens mit sanfter Gewalt aus dem -Saale. - -Der streitsüchtige Priester suchte nun wieder einen Gegenstand für seine -Disputirwuth. Er packte den Irren, welcher sich einbildete der Zeitgeist -zu sein, und setzte ihm so hart zu, daß es ihm zuletzt gelang, diesem seine -Gelassenheit zu rauben. - -»Die Zeit ist um, in der die Furcht vor unbekannten Schrecken die -Menschheit abhielt, Eure drohenden Phantome vor das Forum der Vernunft zu -citiren,« schrie nun der Zeitgeist zornig. »Die Menschheit will nicht mehr -die von Euch construirte Brille tragen, die ihr nicht erlaubt über den ihr -angewiesenen Gesichtskreis zu schauen. Ich, der mächtige Zeitgeist, habe -Euren Himmel gestürmt, ich habe Eure morsche Zwingburg in Schutt und -Trümmer gelegt. Mich bekämpfst du, Priester, vergebens. Du, jämmerlicher -Pygmäe, willst hemmend in mein Schaffen und Wirken eingreifen. Ich werde -dich mitleidslos zermalmen, wenn du mich an der glorreichen Vollendung -meines Werkes zu hindern suchst.« - -»Mit wem sprichst du, Verbreiter der schändlichsten Sacrilegien?« brüllte -der Priester. »Du schmähst mich, den unfehlbaren Stellvertreter Petri. Ich -will dich in den Pfuhl der ewigen Verdammniß --« - -Hier bemächtigte sich der Wärter der geballten Fäuste des Eiferers, die -sich in sehr bedrohlicher Weise dem Gesichte des Zeitgeistes genähert -hatten, und führte den Erbitterten einige Schritte abseits. - -»Ja, es ist eine kritische Zeit, heiliger Vater,« sprach ein bis nun -stummer Zuhörer, mit bedenklichem Kopfschütteln zum Priester, der sich -grollend in einen Winkel zurückgezogen hatte. »Das Consortium der -ewigen Seligkeit ist in einer argen Klemme. Unsere Actien sind durch die -Contremine des Zeitgeistes weit unter ihren Nominalwerth herabgedrückt -worden. Nicht die Manöver eines erhöhten Zinsfußes und nicht die lockende -Aussicht auf eine Superdividende vermögen uns jetzt zu helfen. Der einzige -Ausweg wäre,« fügte er im Flüstertone hinzu, »mit der gut accreditirten -Aufklärung einen Cartelvertrag abzuschließen.« - -Ein Blitz unsäglicher Wuth entsprang dem Auge des Priesters. Einige nicht -wiederzugebende Ausdrücke waren der Lohn für den wohlmeinenden Rath des -gutherzigen Vermittlers. - -Zerline, ganz im Anblicke des Priesters versunken, hatte, wie schon -erwähnt, fast den Zweck ihres Besuches in der Anstalt vergessen. Sie konnte -und wollte nicht glauben, daß der schöne Fastenprediger geisteskrank sei. -Als sie aber gewahrte, daß er für sie keinen Blick habe, da begann sie -allmälig zur Erkenntniß seines Irrsinns zu gelangen. Unglaublich! Bei ihm -schien ihr herausforderndes Lächeln, das verführerische Spiel ihrer Augen, -kurz die ganze Musik ihrer Reizungen stumpfe Sinne zu finden. Wohl hatte -sie von Asketen vernommen, die, mit dem Panzer der Heiligkeit umgürtet, -jeglichem Sinnesreiz unzugänglich waren, aber diese sollen welke, -lebensmüde Greise gewesen sein, die vielleicht gar von der Verführung -verächtlich übersehen worden waren. Nicht so der schöne Priester. Ein -junges, pulsirendes Leben. Und er blieb kalt und unempfindlich bei all' den -Glutgeschossen aus dem Feuerauge der sinnberückenden Zerline. Bedurfte es -da erst eines ärztlichen Attestes, um seine Verrücktheit zu bescheinigen? -Ja, er war unheilbar wahnsinnig. Voll Aerger und mit dieser Ueberzeugung -verließ sie endlich den Saal, um mit dem Grafen den Rundgang in der Anstalt -fortzusetzen. - -Als sich die Thüre hinter ihnen geschlossen, meinte der Graf lächelnd, -es sei sonderbar, daß die Himmelsinspectoren noch immer den Zins für ein -Plätzchen im Himmel bis zur Unmenschlichkeit steigerten. Hierauf begann er -wieder eine gelehrte Abhandlung über göttliche und irdische Liebe. Letztere -nannte er eine =insania mentis=, und Diejenigen unwissende Thoren, die, -ohne nach dem Befund mit dem Secirmesser im Muskelsack, =vulgo= Herz, zu -forschen, über diesen Krankheitsproceß polemisirten. Der leitende Faden -im Labyrinthe der Diagnostik sei, behaupte er, nicht im Verfolgen des -Krankheitsprocesses zu suchen, und auch auf das Wesen des Processes werde -durch das Nacheinander von Erscheinungen in acuter regressiver, acuter -progressiver, subacut progressiver, chronisch progressiver, aufsteigender, -absteigender Verlaufsweise kein Licht geworfen. Dies behaupte er mit -bewußter Sicherheit und er hoffe, daß auch Zerline sich seiner Behauptung -trotz der widersinnigen Ansichten der modernen Psychiatrie anschließe. Bei -den letzten Worten nahm sein Antlitz einen seltsam verzerrten Ausdruck an -und seine Augen begannen zu glühen. Zerline, deren Gedanken noch immer beim -schönen Priester weilten, bemerkte die Veränderung im Gesichtsausdrucke des -Grafen nicht. Sie nickte zum gelehrten Gallimathias, von dem sie kein Wort -verstand, beifällig mit dem Kopfe, und dieser stumme Beifall verscheuchte -alle Wolken von der Stirn ihres Führers. Bald waren sie bei einem zweiten -Corridor angelangt. Auf das Pochen des Grafen wurde eine Thüre wie zuvor -von innen durch einen Wärter geöffnet und sofort hinter ihnen wieder -geschlossen. - -Im Gange spazierten einige Männer mit über dem Rücken oder über der Brust -gekreuzten Armen schweigend auf und nieder. - -Der Graf bezeichnete sie als Apostel des Scheinwissens, der Vernünftelei, -die das rationelle Wissen, das gründliche Forschen durch die -rostzerfressene Waffe der Metaphysik zu bekämpfen suchen, als -Vernunftgaukler, die auf dem schwanken Seil einer speculativen Philosophie -ihre Künste zeigen und sich der Trugschlüsse als Balancirstange bedienen. -»Narren, die über Liebe polemisiren,« bezeichnete er wieder zwei Männer, -die mit sichtlicher Erregung zu einem Wärter sprachen. - -»Johann, gesteht es nur, vermag alle Zweifelsucht die Wunder der Liebe zu -läugnen?« rief der Eine, die Hand des Wärters ergreifend. »Gibt es für eine -schöne Seele ein süßeres Glück als dieses veredelnde Gefühl, das großmüthig -alle Freuden spendet, ohne solche zu verlangen, denn reine Liebe kann -nur geben und nicht begehren. Reine Liebe mildert die Ueberlegenheit -des Starken, sie hilft der Schwäche aus ihrer Ohnmacht auf, sie ist die -heiligste Empfindung, sie strömt aus der reinsten Quelle und ist göttlicher -Natur.« - -»Johann, laßt Euch nicht betören,« schrie der Zweite und bemächtigte sich -der anderen Hand des Wärters. »Die Liebe ist nur ein Sinn, der darnach -strebt, sich mit dem Sinnlichen zu vereinbaren, eine Ueberreizung -des inneren Sinnes, der seine krankhafte Anschauung dem äußeren Sinne -unterschiebt. Darum der Wahn, den Gegenstand der Anbetung in einem Nimbus -von Vollkommenheiten zu sehen, die dieser nicht besitzt. Das Grab aller -dieser exaltirten Empfindungen ist der Besitz. Mit dem Besitz tritt die -Vernunft wieder in ihr Recht und rächt sich, durch die ihr widerfahrene -Vernachlässigung gekränkt, durch eine desto unumschränktere Herrschaft. Was -geschieht also jetzt? Da sich die Trunkenheit des Geistes an dem Taumel der -Sinneslust verflüchtigt hat, erhebt sich nun der so lange daniedergehaltene -Geist und betrachtet nüchtern den Gegenstand, dem er eine gottgleiche -Anbetung gezollt hat. Was findet er da? Ein mit allen Schwächen und -Gebrechen behaftetes Wesen. Welche Wandlung tritt nun bei ihm ein? Aus dem -Auge seines Idols, früher für ihn der Spiegel tiefster Empfindungen, gähnt -ihn jetzt ein Meer von Inhaltslosigkeit an, das süße, ihm einst unsägliche -Wonne spendende Lächeln wird ihm zur widrigen Grimasse und die schmelzend -modulirende Stimme, die zuvor alle Fibern seines Herzens erzittern machte, -wird ihm zum tremolirenden, unharmonischen Klang. Jetzt hat sich die Liebe -in Gleichgiltigkeit oder in Widerwillen oder gar in Haß verwandelt. -Nun beginnt die Unterwürfigkeit nach Unterjochung zu streben, und der -demüthige, willenlose Sclave wird ein harter, grausamer Gebieter. Dies -ist die einzig logische Erklärung vom Ursprung und vom Ende der Liebe, -die ideale Gefühlsdusler mit einer überirdischen Strahlenglorie umgeben. -Johann, meine Auseinandersetzung ist doch klar und faßlich. Laßt Euch -durch den Redeschwulst eines Geisteskranken vom Wege der Vernunft nicht -weglocken.« Die letzten Worte wurden mit einer nicht zu mißverstehenden -Geberde auf seinen Widersacher begleitet. - -»Freilich sehe ich ein, daß Sie vernünftig beweisen, fünf sei eine gerade -Zahl,« bestätigte der Kampfrichter. - -Bei dieser Versicherung umspielte ein Lächeln stolzer Befriedigung den Mund -des Preisgekrönten, während sich auf der Stirne seines Gegners dräuende -Wolken des Zornes häuften. - -»Du wagst es, die platonische Liebe mit dem thierischen Triebe, die reine -Himmelstochter mit der irdischen Venus zu identificiren?« schrie der -Platoniker wild gesticulirend. »Es ist keine Kunst, über Gefühle Meister zu -werden, die deine schmutzige Seele nicht einmal flüchtig bestreichen. Dem -groben Stoff ist das erhabene Gefühl, welches den Geist zwingt, vor dem -Gegenstand seiner Anbetung niederzufallen, ein Geheimniß, das er nie -ergründen kann. Johann, gebt dem schmutzigen Cyniker keine Macht über Euch, -glaubt seinen Worten nicht, sie sind giftiger Mehlthau für die edelsten, -erhabensten Blüthen, die eurer Seele entsprießen.« Hier zitterte seine -Stimme und sein Auge ruhte flehend auf dem Wärter. - -»Ja, ja, Ihre Behauptung ist die richtige. Ein runder Tisch hat vier -Ecken,« bestätigte der gutmüthige Wärter. - -Jetzt tänzelte eine lange, dürre Gestalt, mit allen Merkmalen eines Löwen -der Mode ausstaffirt, auf die Streitenden zu. - -»Der Platoniker und der Cyniker bauen schon wieder ihre Luftgebäude -von Sophismen,« rief er verächtlich. »Ich bin Raoul von Biber, der alle -Frauenherzen mit eben solchem Gleichmuth wie die Austern verspeist. -Wer wagt es über Liebe zu sprechen, ohne zuvor mein Gutachten -hierüber einzuholen? Ich will eure Lügengebäude Kartenhäusern gleich -zusammenschmeißen.« Und nun begann der Weiberherzenfresser wunderbare Mären -von seinen Eroberungen zu erzählen. In seinem Siegesregister wimmelte -es von Fürstinnen und Herzoginnen, die sich um ihn die Augen ausgeweint. -Primadonnen und dramatische Größen hatten nur für ihn gesungen und -gespielt und zahllose Unglückliche hatten sich aus Verzweiflung über seine -Kaltherzigkeit die Pulsadern aufgeschnitten oder das kalte Wassergrab -aufgesucht. Raoul behandelte, seiner Versicherung nach, die Unglücklichen, -die nach der glänzenden Schmach, seine Sclavinnen zu sein, lechzten, mit -kalter Grausamkeit. Er warf einfach der Bevorzugten das Schnupftuch zu und -nahm es wieder zurück, wenn er eine Andere vor Selbstmord bewahren wollte. - -»Der alberne Nickvogel hat sich einen phantastischen Harem mit glutäugigen -und antilopenäugigen Odalisken geschaffen,« flüsterte Graf Roller Zerlinen -zu, und als sie ihren Rundgang fortsetzen, erzählte er, wie eines Tages -die Schattengestalten, mit denen Raoul seinen selbstgeschaffenen Harem -bevölkerte, sich plötzlich für ihn zu verkörpern begannen. In jedem Weibe -erblickte er nur eine erlauchte Persönlichkeit und zuletzt warf er sich -einer überreifen Tochter Libussas zu Füßen, deren vornehmste Eigenschaften -in der geschickten Handhabung von Scheuerbesen und Aufwaschlappen -gipfelten, und bat sie flehentlich, ihn als Prinz-Gemal zu acceptiren. - -Zerline hörte dem Grafen gelangweilt und mit Mühe das Gähnen unterdrückend -zu. Der Weiberherzenfresser war für sie nicht neu und nicht interessant. -Wie viele solche eingebildeter Frauenbezwinger zählen zu ihren Bekannten! -Ein gutes Stück von Raouls Narrheit steckte ja sogar in ihren mächtigen -Gönnern. Wie ganz verschieden war dies, was sie hier sah und vernahm, von -dem, was sie erwartet hatte. Was konnte sie eigentlich aus diesem Wahnsinn -für ihre Rolle Ersprießliches schöpfen? Sie suchte ja nur den Wahnsinn, -der der Verzweiflung entspringt und Schrecken verbreitet. Was hatte sie bis -jetzt im Irrenhause gefunden? Narren, die sich vernünftiger geberdeten als -alle Anbeter, die zu ihren Füßen lagen. In diesen nicht sehr erquicklichen -Gedanken unterbrach sie der Graf. Er machte sie auf einige Individuen -aufmerksam, deren Antlitz einen stark ausgeprägten Zug speculativer -Schlauheit aufzuweisen hatte. Er bezeichnete sie als Opfer der -Börsenkatastrophe. Einen ältlichen Mann, dessen Brust eine Unzahl Orden aus -Goldpapier schmückte, bezeichnete er als einen gewesenen Börsenmatador, der -unermüdlich immer neue Pläne schmiede, um seine verlorenen Schätze wieder -zu erobern. Pläne, die natürlich an Widersinn und Verrücktheit kaum ihres -Gleichen fänden, die aber ein glänzender Beleg für seine Raffinirtheit in -Gewinnerspähung waren. Er wendete sich nun an den Irren und frug ihn, ob er -schon einen neuen Plan ersonnen habe, um Papier zu säen und Gold zu ernten. -Die Antwort war bejahend. Der Geisteskranke versicherte, er habe den -Schlüssel zur Pforte, die in das Goldland der Glücksgöttin führe, nach -angestrengtem Suchen endlich doch gefunden. Dieser kostbare Fund habe ihm -wieder einen Orden von einem überseeischen Serenissimus eingetragen. Dabei -nestelte er feierlich einen papierenen Orden von seinem Wams los, drückte -diesen ehrfurchtsvoll an seine Lippen und sein Rücken nahm nun eine -solch' unterthänige Krümmung an, daß man schier vermeinte, er wolle -dem überseeischen Serenissimus seine überschwängliche Kriecherei -veranschaulichen. - -Der Graf bezeichnete ihn mit verächtlicher Geberde als den obligaten -Speichellecker der Mächtigen. Dieser Schlag Menschen, behauptete er, sei -nach Darwin ein schlagender Beweis der Accommodationsfähigkeit lebender -Organismen. Dann wendete er sich wieder an den Irren mit der Aufforderung, -ihnen seinen genialen Plan, um die rollende Kugel der launischen -Glücksgöttin festzuhalten, mitzutheilen. Der Patient war gleich bereit -diesen Wunsch zu erfüllen und begann in der weitschweifigsten Weise seinen -Finanzplan zu entrollen. - -Er habe den genialen Gedanken, durch eine Drahtseilbahn in den Mond zu -gelangen, um hier die Goldbergwerke und die Diamantenfelder auszubeuten, -theilte er dem Grafen mit. Um nun dieses großartige Project durchzuführen, -müsse er zuvor einige glänzende Namen an die Spitze seines Unternehmens -stellen, und durch einige gefällige Zeitungsschreiber sein Programm als -überaus günstig anpreisen lassen. Schon beim Beginn wolle er trachten, aus -der Rechnung der Einrichtungsspesen den möglichst hohen Nutzen zu -ziehen, und bei jeder Wahl werde er durch bezahlte Strohmänner sich die -Stimmenmehrheit zu sichern wissen. Für Geld und gute Worte werde er auch -eine freundliche Bank finden, welche bei seinen Papierembryos Pathenstelle -vertreten und diese noch vor der Geburt im Thronsaale Fortunas einführen -und cursfähig machen würde. Wenn diese also lancirt wären, könnte er sie -mit einem fabelhaft hohen Agio in die Welt schicken. Natürlich würde er -dann den Gewinn einstecken und für sich die Präsidentenstelle reserviren, -seine Freunde jedoch zu Verwaltungsräthen machen, um das Institut, das er -geschaffen, nach Belieben zu Grunde richten zu können. Dabei kicherte der -Irre und rieb sich vergnügt die Hände und machte seltsame Bockssprünge, um -seine Freude zu bezeigen, und fuhr immer fort seinen Plan zu entwickeln. -Wenn er die Cassen mit Hilfe seiner Freunde geleert habe, sprach er weiter, -wolle er den Köder einer Superdividende auswerfen und dann durch einen -Cartelvertrag mit einem unter anderem Namen ebenfalls von ihm gegründeten -Institute die dummen Actionäre wieder vertrauensselig machen. Unter der -Vorspiegelung, das junge Unternehmen werde an dem maßlosen Gewinnste der -Mutteranstalt participiren, könnte man sich auch leicht das Bezugsrecht -des jungen bezahlen lassen. Sodann beginne er die Effecten seiner Schöpfung -durch Scheinverkäufe zu contreminiren und schraube sie nach erfolgter -Baisse durch lebhafte Nachfrage in die Höhe. - -Es ist selbstverständlich, daß Zerline kein Sterbenswörtlein von diesen -genialen Finanzoperationen begriff, ebenso wenig verstand sie die -Behauptung des Grafen, daß dieses erhaltene Maß von Intelligenz bei -Verrückten erstaunlich sei. Dies, meinte er dann, sollte nur unter der -Annahme verständlich sein, daß wahrscheinlich ein geregelter Ablauf im -logischen Apparate des Vorderhirns eine minder intensive Arbeitskraft -erfordere, als die Ausübung der Hemmungsacte. Dies wäre die Erklärung eines -mächtigen Fürsten auf dem Gebiete der modernen Psychiatrie. - -Plötzlich wurde der Graf von einem Manne am Arm gefaßt und freundlich -begrüßt. Als Professor und als ein leuchtender Stern am Firmamente des -Wissens stellte der Graf diesen Zerlinen vor und frug sodann den Patienten, -ob es ihm schon gelungen sei das Problem zu lösen. - -»Mein Werk ist vollendet, das Problem ist gelöst und vor dem unerbittlichen -Feinde der Zoobionten ist fortan eine unübersteigliche Schranke errichtet,« -versicherte der Professor mit wichtiger Miene. »Die Zerstörungswuth der -grausamen Natur wird endlich lahmgelegt werden und ihre widersinnigen -Anstrengungen, ihre herrlichsten Werke zu vernichten, werden sich an meiner -Combination machtlos brechen. Der Mensch wird nicht mehr der Sclave seines -Blutes sein, er wird mit starker Hand das Steuer seines Lebensschiffes -regieren, er wird ebenso der Windstille wie der sturmgepeitschten rothen -Wogen spotten. Der Puls darf nicht mehr der Zeiger der Lebensuhr sein, der -Schädel nicht die Gedankenhilfe, die Nase nicht der Lungenschornstein, das -Herz nicht das Blutreservoir und der Magen nicht der Heizungsapparat. Auch -alle vegetativen und animalen Apparate werden durch meine Combinationen -ihrer Functionen enthoben. Hier in dieser wundersam combinirten und aus -reinem Protoplasma construirten Form, hier ruht das Geheimniß des Aufhörens -der Endlichkeit der Bionten,« und bei diesen Worten zog er eine kleine -Thonfigur hervor und zeigte sie dem Grafen und Zerlinen. - -»Weshalb nennen Sie die Natur grausam?« rief jetzt ein Irrer, der dem -Vortrage des Professors aufmerksam zugehört hatte. »Warum der Natur -Vorwürfe machen? Wenn sie ihre mit Sorgfalt herangebildeten Werke zerstört, -so muß sie dies thun, denn dies geschieht ja nach einem ewigen Gesetze und -sie thut es nur mit zerrissenem Herzen.« - -Der Professor maß den Vertheidiger der zerstörungssüchtigen Natur mit -zornigen Blicken und erwiederte in sichtlicher Aufregung, die Natur sei -grausam und lieblos, die Natur setze das Wesen in die Welt, ohne sich um -sein Fortkommen zu kümmern, sie sei eine Rabenmutter, liebe ihre Kinder -nicht mit gleicher Liebe, denn sie lasse diejenigen Wesen, die ihrer -Auswahl nicht zusagten, erbarmungslos verkommen und verkümmern. Er allein -liebe die Menschheit wahrhaft und deshalb werde er diese vor Tod und -Verwesung bewahren. - -»Du willst also der Menschheit die Unsterblichkeit sichern und dadurch mein -Reich entvölkern,« schrie der zweite Irre mit zornblitzenden Augen. »Meinst -du, daß ich, der Tod, dies gutwillig dulden werde?« - -»Nein, nein, das darf er nicht thun, das wird der Herr Director nicht -erlauben,« beschwichtigte ein Wärter den Aufgeregten. - -»Dies werde ich zum Heil der Menschheit thun, trotz des Widerstandes ihres -erbitterten Feindes,« versicherte der Professor würdevoll und kehrte seinem -Gegner den Rücken. - -Der Graf führte nun Zerline weiter und bemerkte lächelnd, der Mensch sei -doch ein eigenthümliches Wesen mit seiner barocken Einbildung, daß er -der bevorzugte aller Bionten und als vollendetes Meisterwerk aus der -Künstlerhand der Natur hervorgegangen sei. Der kleinste Wurm wäre ja in -seiner Art ein ähnliches Wunderwerk wie die menschliche Maschine. Ohne -den complicirten Bau desselben verrichte sein Organismus alle Functionen, -welche zu seiner Erhaltung und Fortpflanzung bedingt sind. Der einzig -unbestreitbare Vorzug des Menschen wäre der göttliche Funke, die -Geisteskraft. Wie oft aber entsage der Mensch diesem Erstgeburtsrechte um -ein Geringeres noch als ein Linsengericht. - -Zerlinens Geduld war nun erschöpft. Sie hatte sich die Füßchen wundgelaufen -und hatte doch nichts Interessant-Verrücktes gesehen. Die schwulstigen, -unverständlichen Reden überschnappter Gelehrten, der Schwindelplan eines -beutesüchtigen Geldmannes und die Vernachlässigung eines gefühllosen -Asketen waren doch weder belehrend noch amüsant. Und doch soll eine ihrer -Rivalinnen in der Residenz den Genius der tragischen Kunst im Irrenhause -gesucht und auch gefunden haben. Auch sie wollte daselbst etwas apart -Verrücktes sehen und gab zuletzt diesem Wunsche ohne Hehl Ausdruck. Der -Graf schien darüber nicht wenig befremdet und schüttelte den Kopf. Er -meinte, die Patienten wären doch für den Arzt sehr interessant. Sie -wähnten sich Millionäre, Könige, Götter, Propheten, die unglücklicher Weise -gezwungen wären, ihrer höheren Macht zu entsagen und die nach vielen Plagen -des Verfolgungswahnes es erst erreicht, sich auf dieses Piedestal der -Narrheit zu stellen. Er begann nun die physiologische Ursache -eines Phänomens, welches die Laien so sehr in Erstaunen setzte, vom -wissenschaftlichen Standpunkte aus zu beleuchten, er hielt wieder einen -Vortrag aus der psychiatrischen Pathologie über Hysterie, Epilepsie, -Hypochondrie und all' den daraus hervorgegangenen Formen des Irrsinns in so -breitspuriger und confuser Weise, daß Zerlinen darob schier Hören und Sehen -verging. Wie eine Erlösung erschien es ihr, als ein Wärter ihnen Einlaß in -einen neuen Saal gewährte. Hier gewahrte sie Schattengestalten, die lautlos -dasaßen und düster vor sich hinstarrten. Der Graf befragte einen dieser -Bedauernswerthen, einen noch jungen Mann, um sein Befinden. Der Irre -beklagte sich nun mit thränenden Augen über seinen verzweifelten Zustand. -Im Hirn habe sich bei ihm ein Tumor ausgebildet, die obere Spitze des -rechten Lungenlappens sei mit Tuberkeln bedeckt, dazu komme noch, daß -die linke Herzklappe nicht mehr schließe und die Verdauungsorgane zu -functioniren aufgehört hätten. Jeder dieser Krankheitsprocesse bedinge -doch einen letalen Ausgang und deshalb sei auch schon bei ihm der Collapsus -eingetreten. Als der Graf ihn zu beruhigen versuchte, riß er sein Wams auf, -entblößte seine Brust und rief schluchzend, daß durch das Glasfenster -an seiner Brust der Einblick in die Verwüstungen, welche die -Krankheitsprocesse angerichtet, ermöglicht sei. Der Graf erzählte nun -Zerlinen, daß der Unglückliche ein Arzt sei, der kurze Zeit nach seiner -Promotion in diesen traurigen Zustand verfallen wäre. Er fügte zum Schlusse -bei, dies wären die Accidentien des Arztes, das Bewußtsein der steten -Gefahren, die der menschlichen Maschine drohen, und die Erkenntniß, daß -von der vehementen Bewegung oder von der Stagnation einiger Bluttropfen der -Mechanismus des Seins oder Nichtseins abhänge. - -»Trostlose Zeiten, trostlose Zustände!« schrie jetzt ein Irrer, auf den -Grafen zuschreitend. Und als der Graf ihn frug, was ihm eigentlich so -trostlos vorkomme, begann der Irre sein Klagelied. Alles jage jetzt dem -leichten, mühelosen Gelderwerbe nach, der Tempel der Kunst und des Wissens -werde immer öder und verlassener und wenn Kunst und Wissen sich jetzt nicht -in das bunte Kleid eines Marktschreiers hüllten, müßten sie im Kampfe um's -Dasein erliegen. Man fasle von Gerechtigkeit, Anerkennung und Humanität. -Dies wären nur schönklingende Phrasen. Wo sei da die Gerechtigkeit, wenn -die Protection mächtiger Gönner die Koryphäen des Wissens schaffe, wo die -Anerkennung, wenn das Verdienst sich zum Fußschemel von Emporkömmlingen -erniedrigen müsse, wo die Humanität, wenn die Gaben nur ostentativ -gespendet würden, um ein Bändchen im Knopfloch zu erhaschen. Werde er nicht -selbst um seines Wissens willen tückisch verfolgt? Suchten ihn nicht die -Schergen der Tyrannei in Geistesfesseln zu schmieden? - -Der Graf bezeichnete den Zustand des Patienten als Verfolgungswahn -und machte dann Zerline auf einen Greis aufmerksam, der jammernd und -händeringend sein geraubtes Geld zurückverlangte. Der Irre war ein reicher -Mann gewesen, der sein Vermögen durch den gräßlichsten Geiz gesammelt -hatte. Der Mammon war sein süßester Genuß, sein Alles gewesen. Er verbarg -ihn sorglich vor jedem Menschenauge. So gut verbarg er sein geliebtes Gold, -daß er nach einer Krankheit, die ihm das Gedächtniß raubte, das Versteck -nicht mehr zu finden wußte. Die Verzweiflung raubte ihm den Verstand. - -Zerline begann nun aus der Apathie zu erwachen. Die Verrücktheit, die sie -jetzt wahrnahm, war interessant und ihrem Begriffsvermögen zugänglich. Die -fleischlosen Jammergestalten näherten sich den Vorstellungen, die sie sich -vom Wahnsinne gemacht hatte. Da hörte sie jammern, schluchzen, sie sah -Thränen, die ein eingebildeter Schmerz erpreßte. Dies war der Wahnsinn, -den sie künstlerisch darstellen wollte. Es wurde immer interessanter. Jetzt -verlangte gar ein Irrer mit flehender Geberde ihre Geldbörse, und als sie -sein Verlangen erfüllte, da betrachtete er prüfend jedes Geldstück -von allen Seiten und murmelte dann traurig: »Patriciermünzen, nur -Patriciermünzen.« Zuletzt gab er ihr die Börse wieder und entfernte sich -mit gesenktem Haupte. Der Graf erzählte ihr nun, daß der Patient ein -leidenschaftlicher Numismatograph gewesen sei. Eines Tages wäre er von -der Wahnidee befallen worden, er müsse in den Besitz jener Münze gelangen, -welche -- nach einer Mythe -- Zeus jedem Sterblichen bei seiner Geburt vom -Olymp hinabwerfe. Diese gespendete Münze soll nun nach der Wahnidee des -Irren, wenn sie auf das Wappen gefallen sei, einem Plebejer, wenn sie auf -den Kopf gefallen sei, einem Patricier gespendet sein. Der Arme suchte nun -als Plebejer seine vom Sturz aus dem Olymp an dem Wappen beschädigte Münze, -fand aber nach seiner Versicherung nur Patriciermünzen. - -Der Graf führte sie nun in ein anderes Gemach, in welchem Zerline einige -Männer in steifer Haltung, mit Brillen auf der Nase, in eifrigem Disput um -einen Tisch herum sitzen sah. Zerline fragte ihren Führer, ob da wohl ein -ärztliches Concilium abgehalten werde. Der Graf bejahte dieses lächelnd und -belehrte sie dann, diese Geisteskranken wähnten sich Sanitätsräthe eines -kranken Staatskörpers und mühten sich ab, dem Patienten, der an einem -Neugebilde laboriren sollte, Hilfe zu bringen. Komisch genug wären die -Heilmethoden, die da versucht werden sollten. Durch die widersinnigsten -Versuche, durch eine Palliativcur wollten sie das Krebsgeschwür -exstirpiren. Auf alle erdenkliche Weise zermarterten sich diese gelehrten -Köpfe das Hirn und keiner fand den Muth, die Schneckenlinie der alten -Therapie zu verlassen. Solch' verzopfte Sanitätsräthe, meinte der Graf, -curiren mit ihren lächerlichen und gefährlichen Experimenten nicht selten -ihren Patienten zu Tode, wenn dessen robuste Natur ihm nicht von selbst -durchhelfe. Als sie einen zweiten Saal betraten, gewahrte Zerline -Geisteskranke, die singend oder weinend auf Lehnstühlen saßen, während -andere in toller Lustigkeit herumsprangen. Das Bild des Wahnsinns wurde -immer ergreifender, düsterer und schauerlicher. Für Zerline ward es immer -interessanter, spannender und, wie sie sich einbildete, für die Kunst -nutzbringend. - -Jetzt bezeichnete ihr der Graf einen Greis, dessen Wehgeschrei den Raum -durchzitterte. Zerline erfuhr nun, daß der Arme drei blühende Söhne im -Kriege verloren und aus Schmerz hierüber irrsinnig geworden sei. Nun -folgten vom Grafen bittere Betrachtungen über die Kriegsfurie. Wie die -Gewalthaber es gar nicht berechnen wollten, welches Elend sie durch die -Kriege über die Völker herabbeschwören, wie zu Gunsten Einzelner der -Wohlstand und das Familienglück Tausender vernichtet würde und wie in -unserer Zeit, welcher man Fortschritt und Humanität nachrühme, die Kriege -an Barbarei und Zerstörungswuth die Gräuel der alten Zeit übertreffen. Dies -Alles fand an Zerline keine sehr aufmerksame und theilnehmende Zuhörerin. -Sie konnte es keinem Machthaber verargen, wenn er die Zahl seiner -Untergebenen zu vergrößen suchte. Eroberungsgelüste waren bei ihr, der -allmächtigen Männerbezwingerin, keineswegs verdammlich, wohl aber der -Widerstand der zu Unterjochenden. Alle Mittel waren dann erlaubt, um -den Sieg zu erringen. Nun führte sie der Graf zu den Isolirzellen der -Tobsüchtigen. Ein Wärter schloß die Thüre einer Zelle auf und der Graf -lud Zerlinen zum Eintritt in dieselbe ein. Die Tragödin wurde bleich und -prallte erschreckt zurück. Aus der Zelle ertönte ein wildes Geheul, und -bald antworteten Stimmen, die keinen menschlichen Klang mehr hatten, im -schauerlichen Chor aus den benachbarten Zellen. - -Der Graf blickte die Erschreckte befremdet an und meinte dann, ihr fehle -der dem Arzte nöthige Stoicismus. Nun möchte er sie am Cadaver mit dem -Secirmesser manipuliren sehen. Er lud sie ein, ihm in die Leichenhalle zu -folgen und sich daselbst ein beliebiges Object zu wählen. Kalter Schweiß -bedeckte die Stirne Zerlinens. Diese Zumuthung machte ihr das Blut -erstarren. Sie sollte eine Leiche anatomisch zerlegen und in deren Innerem -herumwühlen. Lebende verstand sie wohl meisterhaft in Atome zu zerlegen, -im Herzen ihrer Rivalinnen wußte sie geschickt mit dem Scalpell der Bosheit -herumzuwühlen. Aber Leichen zerstücken, welch' ungeheuerliches Verlangen! -Schon wollte sie ihrem empörten Gefühl Worte leihen, als sie sich noch -rechtzeitig ihrer entlehnten Würde als Fräulein Doctor erinnerte. Jetzt -wollte sie sich der Leitung ihres Führers unter dem ersten besten Vorwande -entziehen, als sie plötzlich ihr Vorhaben aufgab. Der Graf erzählte ihr -nämlich, daß er ihr in der Residenz bei ihren wissenschaftlichen Studien -nützlich werden könne. Sein Vater bekleide eine hohe Stellung bei Hofe und -dessen Haus sei der Sammelplatz aller hervorragenden Vertreter der Kunst -und des Wissens. Durch diese Mittheilung gewann der Graf eine nicht geringe -Bedeutung in ihren Augen. Sie mußte doch trachten, die Zahl ihrer Gönner -in der Residenz zu vergrößern. Dies umsomehr, weil der Director des -Hoftheaters ein starrnackiger Pedant war, der wohl den körperlichen Reizen -der Kunstjüngerinnen Gerechtigkeit widerfahren ließ, solche aber als Ersatz -für künstlerische Leistungen nicht gelten lassen wollte. Den Grafen -mußte sie also gewinnen, um sich durch seine Fürsprache den Schutz seines -mächtigen Vaters zu sichern. Der Plan hiefür war von Zerline in einem Nu -entworfen und ohne Zögern schritt sie zu dessen Ausführung. Sie betrachtete -nun aufmerksam den Grafen. Er war kein übler Mann. Sie wunderte sich, daß -sie dies so lange übersehen hatte. Der Drang des Wissens, die Liebe zu -ihrer Kunst hatten dies schier Unglaubliche bewirkt. Sie überblickte nun -den Raum, in welchem sie sich befanden. Es war dies ein öder, endlos -langer Corridor. Vor Störung war man da sicher. Nun begann die kundige -Männerbezwingerin alle Brandraketen aus ihrem Arsenal gegen ihr argloses -Opfer loszufeuern. Mörderische Blicke, süßes Lächeln, sanfte Händedrücke, -berauschende stumme Verheißungen bombardirten das leicht entzündliche Herz -des armen Grafen. Was Wunder also, daß der Ueberfallene der unvermutheten -Attaque nicht zu widerstehen vermochte. Als noch zuletzt die geübte -Strategin einen ihrer harmonischen, reizenden kleinen Schreie wie -ersterbend hinhauchte und von einem plötzlichen Schwindel befallen einen -Stützpunkt suchte und diesen Stützpunkt in den Armen des Grafen fand, da -stimmte sie schon innerlich eine Siegeshymne an. Einige Augenblicke spielte -sie die Bewußtlose, dann zeigte sie durch einen melodiösen Seufzer die -Wiedererstarkung ihrer Nerven an. Ein süßer Blick und ein zarter Händedruck -belohnten den Retter in der Noth. Da riß sich dieser plötzlich von ihr los -und starrte sie mit unheimlich funkelnden Augen an. - -»Nur einmal durfte mich ein Weib betrügen,« murmelte er und fuhr sich zu -wiederholten Malen mit der Hand über die Stirn. Nach wenigen Augenblicken -errang er seine Fassung wieder und zeigte ihr in höflichem, kaltem Tone an, -daß der Rundgang in der Herrenabtheilung zu Ende sei. Die Räume, welche -die weiblichen Irren bewohnten, durfte er nicht betreten. Aergerlich und -gedemüthigt hörte Zerline kaum, wie er ihr die Oberwärterin, welche nun das -Führeramt übernehmen sollte, als eine alte Klatschbase schilderte, die -sich einbilde ärztliches Wissen zu besitzen und die alle bei Fachmännern -gebräuchlichen Ausdrücke bis zur Unkenntlichkeit verstümmle. Als nun auf -sein Pochen die Oberwärterin die Thüre, welche zur Frauenabtheilung führte, -von innen öffnete, empfahl er ihr eindringlich die Wissbegierde eines -weiblichen Arztes zu befriedigen, ohne jedoch die verstümmelten Mißgeburten -ihrer Arzneikunde an's Tageslicht zu fördern. Die Oberwärterin warf ihm -einen Blick zu, der gekränktes Ehrgefühl, selbstbewußte Würde und auch ein -klein wenig Geringschätzung ausdrückte und schloß hinter ihm die Thüre. - - - - -Margarethe, die Oberwärterin, ein wohlbeleibtes Weib mit gutmüthigem -Gesichte, stellte sich dem Fräulein Doctor als gehorsame Dienerin zur -Verfügung. Sie versicherte, vor Freude bis in den Himmel zu wachsen, -wenn sie eine Frau als gestudirten Doctor leibhaft vor sich sehe. Die -aufgeblasenen Mannsbilder trügen die Nase gar so hoch. Nun wäre aber -die gesegnete Zeit gekommen, wo sie einsehen müßten, daß das Weib ebenso -gescheit wäre wie diese Herren Allesmir. Auch die alte Margarethe wäre ein -Doctor geworden, sie hätte das Zeug dazu, aber man habe sie leider nicht -gestudiren lassen. - -Zerline schenkte diesen Worten nur geringe Aufmerksamkeit. Ihren Aerger -über die zweifache Niederlage, die sie in der Anstalt erlitten, die -Vernachlässigung des Priesters und der Widerstand des Grafen, vermochte -sie nicht so bald zu unterdrücken. Zuletzt tröstete sie sich aber mit dem -Gedanken, daß der Graf früher oder später zu ihren Füßen liegen müsse. -Welch' starre Felsenherzen waren vom Glutblicke ihres Feuerauges zu weichem -Wachs geworden, und dieses Gräflein sollte ihr widerstehen? Unbezwingbar -war er nicht, dafür hatte sie Beweise. Wenn er sie nur erst als die -gefeierte Zerline in ihrem reizenden Boudoir sehen würde, dann --. Diese -Siegesgewißheit verscheuchte bald die Wolken des Mißmuthes von ihrer -schönen Stirne. Sie wendete nun ihre Aufmerksamkeit der redseligen -Oberwärterin zu. Bald begann sie sich in deren Gesellschaft wohl und -behaglich zu fühlen. Mit Margarethe durfte sie ohne Furcht, aus der Rolle -des Fräulein Doctor zu fallen und ihre Unwissenheit zu demaskiren, nach -Herzenslust reden, wie sie es verstand. Sie war nun frei und ungezwungen. -Der erste Gebrauch, den sie von dieser köstlichen Errungenschaft machte, -war selbstverständlich um eingehende Erkundigungen über den widerspänstigen -Grafen einzuholen. Die Auskunft, die ihr ward, brachte sie einer wirklichen -Ohnmacht nahe. Der Graf sei ein Patient der Anstalt, berichtete Margarethe. -Durch eine Komödiantin, die er zu seiner Gräfin erhoben, grausam -hintergangen, sei er aus Gram irrsinnig geworden. In einem Wuthanfalle -habe er die Ehebrecherin ermordet. Man fand ihn im Herzen der Todten -herumwühlend, um da zu erforschen, ob die Liebe, die sie ihm geheuchelt, -wirklich nur Lug und Trug gewesen sei. Für jetzt sei er harmlos, nur -das schreckliche Gelüste, in Leichen herumzuwühlen, sei bei ihm nicht -auszurotten. Immer sei er in der Leichenkammer zu finden, allerlei -gelehrten Krimskrams führe er im Munde und seine wunderlichste Einbildung -sei, nur er verstehe die Arzneikunde und nur er wäre der Obergott aller -Doctoren. - -Zerline war, wie schon erwähnt, einer wahren und wirklichen Ohnmacht nahe. -Ihr Riechfläschchen und ein Glas kaltes Wasser, welches Margarethe, -durch ihre Blässe erschreckt, eiligst herbeischaffte, machten erst ihre -Lebensgeister wieder erstarken. Entsetzlich, einen Geisteskranken hatte man -ihr zum Führer in der Behausung des Schreckens gegeben. Jetzt erst ward -ihr das sonderbare Reden und das seltsame Benehmen des verrückten Grafen -erklärlich. Ihr Zorn kehrte sich nun gegen den Oberwärter, der sie aus -purer Bosheit dieser Gefahr preisgegeben hatte. Margarethe gab sich -alle Mühe, die Aufgeregte zu beruhigen. Sie versicherte, daß in allen -Irrenanstalten Kranke, welche alle äußeren Zeichen der Verrücktheit -abgelegt haben, zu Diensten aller Art, ja sogar zur Pflege anderer Kranken -verwendet würden. Die letzte Versicherung rief einen neuen Schreck bei der -Geängstigten hervor. Wie leicht war es möglich, daß Margarethe zu diesen -verrückten Pflegern zählte. Die Angst prägte sich so leserlich auf dem -Antlitz Zerlinens aus, daß Margarethe sofort den Verdacht errieth. Die gute -Oberwärterin suchte die Furchtsame durch alle erdenklichen Beweisgründe von -ihrer Zurechnungsfähigkeit zu überzeugen. Nach vieler Mühe gelang ihr dies -endlich, und Zerline vertraute sich ihrer Leitung an. Margarethe begab sich -nun mit ihr in den Conversationssaal der zweiten Classe. Hier saßen -Frauen verschiedenen Alters, mit Lectüre, Handarbeit und auch mit Musik -beschäftigt. Nach der Versicherung der Oberwärterin verbrachte die Mehrzahl -dieser armen Irren ihre Zeit in der Anstalt viel angenehmer und nützlicher, -als sie es je in ihrem Heim gethan. »Mein Herzchen, wie weit bist du mit -der Arbeit?« frug Margarethe ein junges Mädchen, welches mit Charpiezupfen -beschäftigt war, worauf die Irre in klagendem Tone den Namen Egon murmelte. -Margarethe erzählte nun Zerlinen, wie dies das einzige Wort sei, das ein -Menschenkind von dem kranken Lamm zu hören bekomme, es sei dies der Name -des Gewissenlosen, der das arme Kind in's Unglück gestürzt habe. Nun -bezeichnete sie ein altes Weib als vom Wahne ergriffen, in jeder Speise -Nadeln zu finden, eine zweite Kranke bilde sich ein, man wolle sie -vergiften, und nur mit Mühe gelinge es, den armen Närrinnen Nahrung -einzutrichtern. In ein Nebengemach tretend erklärte die redselige -Oberwärterin, auf eine Patientin weisend, sie leide an »Halunkationen«, -dieses junge Herzchen sei ein »Migroköpsalus«, ein Ohnehirn, und der -wandelnde Flaschenkürbis, der heranrolle, sei eine Komödiantin. Diese -Lärmtrommel würde sich schon allein präsentiren. Ihr Mundwerk gehe wie -auf Rädern, die Thränenpumpe sei in ewiger Bewegung, Ach und Weh habe sie -schockweise und Alles sei Lug und Trug. Sie, Margarethe, habe eine Wuth -gegen diese Komödiantenweibsbilder, die halbnackt und mit Flitter behängt -sich von den Mannsbildern begaffen lassen. Ihr Ferdi wolle ihr wohl -einbilden, diese Komödiantenweiber seien nicht so schrecklich, aber sie -wisse wohl, wie viel die Glocke geschlagen habe. - -Zerline überhörte die schmeichelhaften Worte, welche Margarethe ihren -Berufsgenossinnen spendete, ihre Aufmerksamkeit war jetzt einer Person -gewidmet, die, mit verblaßten Theaterflittern aufgeputzt, das aufgedunsene -Gesicht mit einer dicken Schminkenschichte überstrichen, auf sie zuwackelte -und in Thränen zerfließend sich zu ihren Füßen warf. - -»Sie gehören sicherlich nicht zu den Barbaren, die sich an den Zuckungen -des menschlichen Herzens ergötzen,« rief die Irre die Hände ringend. »Sie -werden mich retten, mich, das unglückliche Opfer der schändlichsten Cabale, -Sie werden meine Wehschreie, die in diesen schrecklichen Mauern ungehört -verhallen, zu den Ohren der Gerechtigkeit bringen und mich vor Wahnsinn -oder Selbstmord bewahren. Ja, vor Wahnsinn und Selbstmord, denn ich bin -auf dem Wege, der dahin führt. Belehren Sie die Gerechtigkeit, daß meine -herzlosen Kinder mich aus schnöder Geldgier hier gefangen halten.« Dies und -Aehnliches brachte sie schluchzend hervor, ihren Augen entstürzten bittere -Thränen, ihr Körper bebte unter der Wucht erdrückender Gefühle und es -war sichtbar, daß die Gebilde ihres kranken Geistes ihr herben Schmerz -bereiteten. Die Gebilde ihres kranken Geistes -- denn Margarethe -versicherte Zerlinen, daß die verlogene Komödiantin kein wahres Wort rede, -sie habe ebensowenig Kinder geboren, wie die Fahrstraße ein Blumengarten -sei. Sie nehme sich Komödiantengewinsel nie zu Herzen, denn sie wisse, was -dies werth sei. Die Oberwärterin führte dann den gestudirten weiblichen -Doctor durch viele Räume, erzählte die Krankengeschichten der Irren mit -ermüdender Weitschweifigkeit und ließ keine Gelegenheit unbenützt, um -fremde Worte durch komische Verrenkungen entstellt anzubringen. In einem -Corridor angelangt bemerkte sie, hier wären die Wohnzimmer für die Kranken -der ersten Classe. Die Reichen hätten krank oder gesund, lebend oder todt, -immer das Beste auf dieser Welt. Der Pater Josefus versichere wohl, dem -Armen gehöre das Himmelreich; darauf gebe aber der Bäcker kein Brod. Sie -nahm eine Prise und schlug den Deckel der Tabaksdose heftig zu. In Nr. 85 -wohne eine Gräfin, ein Kobold an Bosheit, berichtete sie dann weiter. -Eine Zunge habe die wie ein scharfgeschliffenes Messer. Seitdem sie in -die Anstalt gekommen, sei Alles aus Rand und Band. Sie sei von einer Wuth -besessen, Vereine zu schaffen und Vorträge zu halten, und habe mit ihrer -Tollheit viele kranke Lämmer in reißende Wölfe verwandelt. Da würden -beständig Sitzungen abgehalten, bei denen die Gräfin als Präsidentin das -große Wort führe, da werde ein gelehrter Krimskrams zusammengedroschen, -daß Einem der Kopf summe und brumme. Der Präsidentin stehe eine Partei -feindlich gegenüber, an deren Spitze sich eine Sozinalkroatin befinde, eine -schreckliche Person, die just Alles von oberst zu unterst kehren wolle, um -gefrorenes Feuer und brennendes Eis zu haben. Sie, Margarethe, habe gegen -die Sozinalkroatinnen eine ähnliche Wuth wie gegen die Komödiantinnen. -Diese Weibsbilder verlangen, es sollte alles Mein und Dein aufhören. Wenn -es nach dem Sinn dieser Tollen ginge, so hätte jede einen Theil an ihrem -Ferdi. Auch einige Emanzipandlerinnen wären bei diesen Sitzungen und hätten -nicht die wenigsten Raupen im Hirn. Nicht daß sie, Margarethe, gegen das -Emanzipandeln einzuwenden hätte, im Gegentheil, sie wäre stets bereit das -Recht der Frauen mit Mund und Faust gegen die Mannsbilder zu vertheidigen. -Aber was zu viel, sei zu viel. Der Himmelvater sei an dem Unrecht, daß die -Mannsbilder Alles an sich gerissen haben, unschuldig wie ein neugeborenes -Kindlein und deshalb dürfe ihm kein Haar gekrümmt werden. Wenn das Weib dem -Herrn Obenaus beweisen wolle, daß es ebenso viel Verstand zum Gestudiren -habe wie sie, das lasse sie sich gefallen, aber den Herrgott aus dem Himmel -und den Gottseibeiuns aus der Hölle dürfe das Weib nicht vertreiben. Es -sei eine Sünde an alle die Gottlosigkeiten des ruchlosen Tarfin zu glauben. -Haarsträubende Dinge habe eine Emanzipandlerin bei der letzten Sitzung -von diesem Tollen erzählt. Er verstehe alle lebenden, kranken und todten -Menschensprachen und auch die Sprache vom lieben Vieh. Durch das liebe -Vieh habe er nun erfahren, daß unsere Großeltern wahre und wirkliche -Affen gewesen wären. Margarethe sei fast vom Schlag getroffen worden, so -niederschmetternd habe diese Schreckenskunde auf sie gewirkt, denn die -Tolle wisse ihren Unsinn so vernünftig vorzutragen, daß man schier meine, -es spreche der Herr Director zu den Gestudirten. Sie waren jetzt an -der Thüre eines Saales, aus welchem ihnen lautes Reden entgegen tönte, -angelangt. - -»Schon wieder eine Sitzung,« knurrte die Oberwärterin und öffnete die -Thüre. In der Mitte des Saales saß vor einem mit Papieren bedeckten Tische -eine großgewachsene Frau mit schwarzen, funkelnden Augen und mit einem -unzarten Anflug um die rothen, fleischigen Lippen. Ihr zur Seite gewahrte -Zerline eine welke Gestalt mit wasserblauen Augen und flachsblonden -Schmachtlocken. Laut schwatzend und gesticulirend saßen Frauen in -verschiedenen Gruppen. Kraus und bunt schwirrten die Stimmen durcheinand -und machten es unmöglich, die Worte, die Margarethe an die Vorsitzende -richtete, zu vernehmen. Das Glockenzeichen der Präsidentin machte erst Alle -verstummen. Die Oberwärterin erbat nun für einen gestudirten weiblichen -Arzt die Erlaubniß, der Sitzung beiwohnen zu dürfen. Dies Ersuchen -wurde von der Vorsitzenden erst nach langem Bedenken und mit nicht sehr -freundlicher Miene gewährt. Margarethe schob nun für Zerline einen -Sessel nahe dem Ausgange zu und begann ihr die Mitglieder der Sitzung zu -bezeichnen. Die Gruppe zur Rechten waren die Vereinsnärrinnen, die treuen -Anhängerinnen der Präsidentin, die Gruppe zur Linken die Sozinalkroatinnen, -die in der Mitte die Emanzipandlerinnen. Die schattenhafte Gestalt neben -der Präsidentin bezeichnete Margarethe als Fräulein Rosalinde Zimperling, -eine alte, versauerte und vertrauerte Jungfer, voll Falschheit, Bosheit, -Tücke, Neid, Schwatzhaftigkeit, Gefallsucht und Putzsucht. Sie häufe allen -möglichen Spott und die bitterste Verunglimpfung mit Schrift und Wort auf -die Emanzipandlerinnen, versicherte die Oberwärterin und zweifelte auch -nicht, daß Zerline bald erstaunen werde, wie solch ein mageres Gefäß so -viel Gift enthalten könne. - -»Fahren Sie in Ihrem Vortrage fort, Fräulein Nani,« rief jetzt die -Vorsitzende mit einer Stimme, die alle Fensterscheiben klirren machte. - -Ein junges, schönes Mädchen zur mittleren Gruppe gehörend, erhob sich und -begann mit wohlklingender Stimme: - -»Meine freundlichen Zuhörer! Ich will Ihnen nun klar darthun, daß alle -diese Sophismen nur dazu dienen, um den menschlichen Geist =ad absurdum= -zu führen. =Cogito, ergo sum!= Welcher Unsinn! Ich esse, trinke und bewege -mich, ist viel richtiger gesagt, denn dieser Beweis ist jedenfalls viel -sicherer geliefert durch den Hinweis auf Dinge, die der realen Welt -entstammen und unseren Sinneswahrnehmungen zugänglich sind, als durch den -auf das Denken, der Mutter der Phantasie, die selbst ein Trugbild uns nur -Trugbilder vorgaukelt. Möge der Mensch sich das Ebenbild des Weltgeistes -nennen, möge er das Denken als ausschließliches Privilegium reclamiren und -seinen Stolz dareinsetzen alleiniger Besitzer desselben zu sein, es ist -für die Existenz keine =conditio sine qua non= und bleibt somit nur ein -unwesentliches Attribut derselben. Wie traurig ist es überhaupt damit -bestellt! Der Gedanke entsteht nicht in uns, wir können ihn nicht nach -Willkür hervorzaubern oder bannen, er wird uns von außenher aufoctroyirt, -beherrscht uns gegen unseren Willen, wir sind nicht sein Herr, sondern -Sclave desselben, und darum bleibt es noch immer zweifelhaft, ob das Denken -ein schönes, erhabenes Besitzthum, ob es die Quelle des Glückes und der -Zufriedenheit, oder nicht vielmehr die alles Unheils und menschlichen -Elends sei.« Hier machte die Sprecherin eine Pause und labte sich mit -einem Schluck Wasser. Das Auditorium setzte alsbald die Sprachwerkzeuge -in Bewegung, um sich für die bis nun auferlegte Enthaltsamkeit möglichst -schadlos zu halten. Das Glockenzeichen und der Befehl, Fräulein Nani möge -in ihrem Vortrage fortfahren, durch die gefürchtete Präsidentin gegeben, -stellte sofort die Ruhe wieder her. Margarethe versicherte Zerlinen, Nani -spreche gottvoll, aber wie sollte sie ihren Verstand nicht verloren haben, -wenn solche grausliche heidnische Worte in ihrem armen Schädel spukten. - -»Wie manche herbe Stunde, wie manche grausame Marter wäre uns erspart, wenn -wir uns dieses geistigen Joches entledigen könnten,« fuhr Nani in ihrem -Vortrage fort. »Vergebens suchen wir unsere Gedanken zurechtzusetzen, -oder ihnen eine uns beliebige Richtung zu geben. Der Impuls von außen ist -gegeben, und keinem andern Gedanken Raum gebend, zuckt es wie Blitz auf -Blitz in unserem Hirn und wieder und immer wieder wird der Gegenstand -beleuchtet, den wir in Nacht und Dunkel begraben möchten.« Die letzten -Worte sprach sie mit bebender Stimme, ihr Blick wurde trüb und umflort, -dann preßte sie die Hände an die Brust und brach in krampfhaftes Schluchzen -aus. - -»Eine schöne Bescherung! Jetzt verfällt sie in ihren Praxismus,« knurrte -die Oberwärterin und befahl einer ihrer Untergebenen die aufgeregte Kranke -in ihre Wohnstube zu führen. Dann wendete sie sich an Zerline und belehrte -sie, daß die arme Nani ihren jammervollen Zustand einem Mosje Ohneherz -verdanke. Für die Herren Allesmir sei eine gestudirte Frau Zacherls -Schabenpulver, deshalb habe der Mosje, dem sie ihr Herz zugewendet, der -Armen eine Mamsel Ohnehirn vorgezogen. - -»Die Närrin sollte nie zu einem Vortrage zugelassen werden,« eiferte die -schmachtlockige Rosalinde. »Das Denken nennt sie ein geistiges Joch, die -Quelle alles Elends. Gibt es ein schöneres, erhabeneres Recht für die -Menschheit als das Denken? Der Gedanke ist nur dann verwerflich, wenn -gewisse Personen ihn zu thörichten und verwerflichen Zwecken mißbrauchen.« -Ein verächtlicher Blick wurde jetzt der mittleren Gruppe zugeschleudert. - -Die Glocke der Präsidentin ertönte bald wieder. Es wurde Fräulein -Rosalinden das Wort ertheilt. - -»Na, da werden wir was Schönes zu hören bekommen,« flüsterte die -Oberwärterin Zerlinen zu. »Dieses Reibeisen schindet immer die armen -Emanzipandlerinnen bis auf's Blut.« - -Rosalinde begann nun mit schriller, kreischender Stimme eine geharnischte -Rede gegen die furchtbarste Geißel der Jetztzeit, gegen die streitwüthigen -Amazonen loszudonnern. Sie versicherte, nichts sei diesen Zerrbildern, -diesen Unnaturen heilig. Das Edelste, Erhabenste werde von ihnen begeifert, -verspottet, verlästert und in den Koth gezogen. Alle weiblichen Tugenden -würden von ihnen lächerlich gemacht, alles Ehrwürdige mit Füßen getreten. -Sie reden der Schamlosigkeit, der Frechheit, der Gottlosigkeit das Wort und -wollten das Frauengeschlecht demoralisiren und zur frechsten Verhöhnung -der göttlichen und menschlichen Gesetze aufstacheln. Da nun das Gesetzbuch -leider keine Strafe für diese Ruchlosigkeiten habe, da man diese -Verbrecherinnen nicht, wie sie es verdienen, mit dem Schwerte des Rechtes -ausrotte, da man ihnen nicht die verleumderischen Zungen ausreiße, die -räuberischen Hände nicht abhaue und sie nicht wie giftige Schlangen -zertrete; so erhalte sie, Rosalinde, ihre Behauptung aufrecht, daß man -dieses schändliche Treiben nicht länger dulden dürfe. Mit Wort und Schrift -müsse man gegen dies vielköpfige Ungeheuer kämpfen. Deshalb stelle sie den -Antrag, daß alle ihre Mitschwestern, alle wahren Hüterinnen des Palladiums -der Weiblichkeit, sich bei der Gründung ihres proponirten Blattes -betheiligen sollten. Dies Blatt sollte »der Feuerbrand« heißen und dadurch, -nur dadurch würde die verderbliche Hydra ausgerottet werden. Dies Blatt -mit den dazugehörigen Illustrationen werde sie ihren Gesinnungsgenossinnen -sofort zur Einsicht unterbreiten. Der hohe Zweck desselben sei, durch -sprühenden Witz und niederschmetternde Beweiskraft allen Uebergriffen der -weiblichen Demagogie zu steuern und sie mit der Knute der Lächerlichkeit in -die angewiesenen Schranken zurückzujagen. - -»Die maustolle Trude. Da werden wir etwas Apartes zu hören bekommen,« -knurrte die Oberwärterin, den Deckel ihrer Tabaksdose heftig zuklappend. -Zerline ihrerseits unterdrückte mühsam ihr Gähngelüst. - -Inzwischen hatte Rosalinde ein Papier entrollt und begann den »Feuerbrand« -gegen die weiblichen Unnaturen zu schleudern. Das erste Bild, erklärte sie, -sei der emancipirte weibliche Arzt am Secirtische. Die ungraziöse Gestalt -in halbmännlicher Kleidung, das kurzgeschorene Haar, die Cigarre im -Munde, die Aermel aufgestreift, die blutbefleckte Hand mit dem Secirmesser -bewaffnet, habe nichts Weibliches mehr an sich. In dem Blicke, den sie -starr auf das bloßgelegte Herz eines weiblichen Cadavers gerichtet habe, -male sich weder Scheu noch Gemüthsbewegung, der Blick drücke nur ein tiefes -Erstaunen über eine entdeckte Abnormität aus, die sie bei allen Cadavern -von emancipirten Frauen entdecke, die Abnormität sei, Atrophie des Herzens. - -Die Oberwärterin machte ihrer Entrüstung durch einen neuen energischen -Klaps auf den Deckel der Tabaksdose Luft und blickte dann erstaunt -auf Zerline, die zu ihrer Bonbonnière Zuflucht genommen hatte, um das -Gähngelüst zu bewältigen. Der gestudirte weibliche Doctor blieb ruhig bei -den boshaften Ausfällen der mageren Giftblase. Margarethe konnte diese -Gelassenheit nicht begreifen. - -Jetzt erklärte Rosalinde das zweite Bild. Dies veranschaulichte den -weiblichen Staatsanwalt, der in der jugendlichen Verbrecherin, die vor -den Schranken des Gerichtes erscheint, die eigene Tochter erkennt. Bis auf -diese Stufe der moralischen Verkommenheit war das Kind durch den Mangel an -Aufsicht von Seite der emancipirten Mutter angelangt. Nun kam Rosalinde -zum dritten Bild, welches die moderne Philosophin skizzirte. Diese saß vor -einer verschwenderisch besetzten Tafel und hielt einen schäumenden Pocal -in Händen. Das rothe, aufgedunsene Gesicht, der stiere Blick und die -verschobenen Kleider zeigten von einer emancipirten Ausschreitung und der -sinnliche Mund stammelte: »=Ede, bibe, lude, post mortem nulla voluptas.=« -Das vierte und letzte Bild zeigte die Zukunftstheologin auf der Kanzel. Der -Text ihrer Predigt war die Darwinsche Theorie und die freie Liebe. »Dies -ist das trostreiche Zukunftsbild der weiblichen Demagogen, zu solchen -Ausschreitungen wird sie ihr unnatürliches Gelüste treiben,« schloß -Rosalinde ihren Vortrag. - -Ein verkrüppeltes Wesen mit wirrem, struppigem Haar wackelte jetzt auf -Rosalinde zu und declamirte aus einem Volksliede: - - »Wann d' Papageien Concerte geb'n - Und d' Affen a Soirée, - Die Schwalben man füttert mit Ziweb'n, - Und die Wanzen mit Kaffee - Und der Bandlwurm a Seiden spinnt, - Der Esel Eisschuh schleift - Und die Leut' auf'n Kopf gar stehen, - Wird dös a g'schehen.« - -Rosalinde stieß sie unsanft von sich und wendete sich zu ihren -Anhängerinnen, deren Gratulationen und Beifall ihr im vollsten Maße zu -theil wurde. Die Wuth ihrer Widersacherinnen machte sich durch Zischen -und Schmähungen Luft. Zu diesen gehörte selbstverständlich auch die -Oberwärterin. - -»Erhebt sich denn gar keine Hand, um diesem Krokodil die Zähne -auszubrechen,« knurrte sie, eine Faust im Sack machend. »Die Giftblase -spielt jetzt die erste Geige. Wenn ich gestudirter Doctor wäre, sollte -sie einen Denkzettel kriegen, den sie sicherlich nicht hinter den Spiegel -stecken würde. Das boshafte Weibsbild scherwenzelt um die Herren Allesmir -und gönnt den armen Emanzipandlerinnen nicht das bischen Freiheit, weil -sie mannstoll ist und durch ihre Kriecherei die Männer erobern möchte. Ihre -Krankheit ist ja die Manonymphie, die Mannsucht.« - -Die linke und mittlere Gruppe waren in zorniger Aufregung. Sie schrien -und kreischten und gesticulirten, während Rosalinde, um die sich ihre -Anhängerinnen geschaart hatten, höhnisch auf ihre Widersacherinnen -herabsah. - -»Frau Pelten will reden. Na, die wird der Viper kein Kleingeld auf ihre -Münze zurückgeben,« murmelte Margarethe, sich vergnügt die Hände reibend. - -Eine stattliche Frau nahm jetzt das Wort. Sie versicherte, daß die -Geistesschärfe und Logik, mit denen die drastischen Bilder entworfen wären, -der Spenderin dieser kostbaren Geistesperlen einen unvergänglichen Ruhm -sicherten. Solch edle Selbstlosigkeit im Kampfe für Weiblichkeit -und Frauenwürde könne wahrlich nur das gefühlvolle Herz einer nicht -emancipirten Frau beseelen. Das Für und Wider der Frauenemancipation wolle -sie hier nicht erörtern, dies sei eine Frage der Zeit. Die Zukunft werde -lehren, ob dies wirklich ein göttliches und natürliches Recht wäre, daß das -Weib allein unverrückbar an einem Standpunkte geschmiedet bleiben -solle. Nur dies bleibe ihr dunkel, warum die Hüterin des Palladiums der -Weiblichkeit behaupte, daß die Aufklärung, und das Streben nach Freiheit, -alle zarten Blüthen der Gefühlswelt entwurzelten. Diese hätten ja erst die -köstlichsten Blüthen zur Entwicklung gebracht. Die Aufklärung, das Denken -über Menschenrechte und Menschenwürde könnten der Weiblichkeit nicht -Abbruch thun und seien nicht gottlos. Die Menschenvernunft sei ja ein -Ausfluß der Gottesvernunft und daher ihr ähnlich, sie sei das Organ des -Verständnisses mit Gott, der Impuls zur wahren Erkenntniß und der Wegweiser -zur reinen Religion. Die Erweiterung des geistigen Horizontes, der -Fortschritt und die immerwährende Weiterentwicklung der Menschheit, bis sie -die Vollendungsstufe erreiche, dies sei ja der wahre Gottesgedanke. -Warum sollte also das urewige Wesen dem Weibe den göttlichen Funken, den -Verstand, gegeben haben, wenn man von ihm nur stumpfe, sterile Gläubigkeit -fordert? Sollte das große, gütige Wesen verlangen, daß die Frau nicht -denke, nicht nach Freiheit, nach Selbstständigkeit strebe, daß sie nur an -die höhere Befähigung und Einsicht, an die Erhabenheit und Oberhoheit des -Mannes blindlings glaube? Dies sei das ungerechteste Verlangen, das je -einem Menschenhirn entsprang, denn göttlich sei sein Ursprung nicht. Der -mächtige Weltgeist verbiete keinem vernunftbegabten Wesen das Joch der -Vorurtheile abzuschütteln, die Bande, welche den Geist umwinden und ihn -stumpf und unfähig machen, zu sprengen. Er gebiete den Aufschwung zum -Menschenrecht und das Emporstreben zur Freiheit. - -Margarethe schüttelte unzufrieden den Kopf. Dies war, wie sie Zerlinen -zuflüsterte, die Antwort nicht, die sie dem Giftpilz gegeben wissen wollte. -Wie Taubeneier groß sollten Hagelkörner dicht über das schuldige Haupt -daniederschmettern, und da kam ein leichter Regenschauer mit Rosenwasser -parfümirt. Zu Rosalinde müßte ein scharfzüngiges Höckerweib reden und nicht -Frau Pelten, eine berühmte Bücherschreiberin. Zerline erhob sich nun von -ihrem Sitze. Die Abhandlungen =pro= und =contra= Emancipation waren ihr -herzlich gleichgiltig. Ein gescheites Weib, dachte sie, benöthigt keine -officielle Anerkennung seiner Rechte. Es weiß die eingebildeten Obergötter -in demüthige Sclaven umzuwandeln. Sie fand selbstverständlich kein -Interesse an diesem Wahnsinn, der sich so vernünftig geberdete, und bat -Margarethe sie zu Geisteskranken zu geleiten, die ihre Verrücktheit nicht -mit dem Gewande der Vernunft bekleideten. Schon wollte die Oberwärterin -ihren Wunsch erfüllen, als eine ältliche Frau mit markirten Zügen das Wort -verlangte. - -»Die Sozinalkroatin will reden,« rief Margarethe aufjubelnd. »Na, da kommt -es gesalzen und gepfeffert. Ich habe gegen die Sozinalkroatin eine Wuth, -wenn sie aber dem Kratzeisen da die Zähne stumpf macht, will ich es ihr -nicht vergessen.« Sie bat nun Zerlinen noch eine Weile sich zu gedulden, um -die Genugthuung zu haben, die Schmerzensschreie Rosalinde's zu vernehmen, -wenn die scharfen Krallen der Sozinalkroatin sich in ihr Gerippe einbohren -würden. Während die Präsidentin die Ruhe bei dem wildaufgeregten Auditorium -herzustellen suchte, berichtete Margarethe Zerlinen, daß Frau Pelten, die -berühmte Bücherschreiberin, bald die Anstalt verlassen würde. Sie sei -vor Gram tiefsinnig gewesen, weil ihr Gatte, ein gewissenloser, dummer -Ohnehirn, die gebildete Frau schrecklich mißhandelt und ihr sogar unter -dem Vorwande, sie habe durch das Bücherschreiben den Verstand verloren, -die Erziehung ihres Töchterchens entzogen habe. Nun sei sie von ihm los -und ledig, sie sei von ihm gesetzlich geschieden und könne nach Herzenslust -berühmte Bücher schreiben. Die Sozinalkroatin bilde sich ein, fuhr sie -dann fort, sie sei dazu berufen, die Ordnung auf der lieben Gotteswelt -herzustellen und deshalb wolle sie Alles zu gemeinem Gut machen. Sie habe -Margarethen erklärt, Alles müsse Allen gehören. Ihr Mund sei ein feuriges -Schwert, versicherte die Oberwärterin, und die mustergiltigste Feuerwehr -würde sich vergeblich anstrengen diesen Höllenbrand zu ersticken. - -Inzwischen hatte das Wortgefecht wieder begonnen. Die Glocke der -Präsidentin und ihre eindringliche Stimme hatten sich endlich Gehör -verschafft. - -»Auch ich will ein Bild entwerfen,« rief die Sprecherin, »ein -wahrheitgetreues Bild von den Hüterinnen des Palladiums der Weiblichkeit -und auch von ihrer Anführerin, der giftgeschwollenen Natter, die feig in -die Ferse sticht und die an Bosheit, Heuchelei, Arglist und tückischen -Ränken alle ihre Anhängerinnen überflügelt.« - -»Man muß ihr das Wort entziehen,« schrie Rosalinde zornglühend. - -»Warum nicht gar,« rief die Oberwärterin, die Hände in die Seiten stemmend. -»Was Einem recht, muß dem Anderen billig sein. In unserer Anstalt darf -jeder frei von der Leber weg reden. Wer nicht hören will, kann gehen.« - -Die dünne, lange Gestalt Rosalinde's zitterte vor Wuth. Ihr grimmig -funkelndes Auge starrte bald die Oberwärterin, bald die Socialdemokratin -mit unsäglichem Haß an. - -Die Rednerin begann nun eine drastische Schilderung dieser Kämpferinnen -für die das Gemüth verfeinernde, verschönernde, veredelnde Weiblichkeit zu -entwerfen. Als Mädchen, versicherte sie, blieben diese zarten Naturen Jahre -hindurch bei der Zahl »zwanzig« stehen und erst wenn sie plötzlich unter -den Augen gewisse ominöse Linien entdeckten, wenn der Teint gelb wie eine -langgebrauchte Messerscheide würde, wenn das Haar sich zu lichten beginne -und indiscrete Silberfäden auftauchten, erst dann entschließen sich die -zarten Lianen den ersten besten Stock als Stütze zu nehmen und die Stufen -der »Fünfundzwanzig« zu erklimmen. Als verheiratete Frauen klammern sie -sich mit verzweifelter Anstrengung an die Zahl »dreißig«, drücken einen -unüberwindlichen Abscheu gegen das barbarische Mittelalter aus und wollen, -o seltsamer Widerspruch! doch nicht fortschreiten, ja sie bestreben sich -sogar Rückschritte zu machen. Sie leben so lange im Wahne, daß sie glauben -machen, was sie glauben machen wollen, bis die Nemesis in Gestalt mannbarer -Töchter sie zur grausamen Wirklichkeit zurückführe. Solch sprechende -Beweise vermögen sie nicht mehr hinwegzudisputiren. Nun höre wohl der Kampf -gegen den schonungslosen Saturn auf und sie singen endlich ihrer längst -dahingeschiedenen Jugend das =requiescat in pace=. Dafür aber nehmen -sie bei der ersten Condolenzvisite des Alters sofort von all' dessen -Privilegien Besitz und werden augenverdrehende Frömmlerinnen und -Jüngerinnen der Medisance. Als Lady Tartuffe, die vom Scandal zum Sacrament -gegriffen, verstehen sie es meisterhaft ihre Antecedentien mit dem -Deckmantel der Heiligkeit zu drapiren und mit gegen Himmel gerichteten -Blicken über die Verderbtheit der Menschheit zu jammern. Als Jüngerinnen -der Medisance wären sie ein furchtbares Tribunal. Wehe den Unglücklichen, -die der Macht dieser Cannibalinnen anheimfielen. Jugend, Schönheit, -Talent, Edelsinn, Hochherzigkeit wären da verdammenswerthe Verbrechen, -die mitleidlos geahndet würden. Um vor der Verfolgungswuth dieser Harpien -gesichert zu sein, müsse man die höchste oder niederste Stufe auf der -socialen Leiter einnehmen. Wer nicht gefürchtet oder übersehen werde, der -fühle, wie diese Ungeheuer mit vereinten Kräften an dem Piedestal seines -Glückes rüttelten, um dies gewaltsam zu zertrümmern. »Diese Weiber nun -nennen sich die Kämpferinnen für die Weiblichkeit,« schloß die Sprecherin -ihre Rede. »Sie verfolgen alle ihre Schwestern, die nicht ihrem Bunde -angehören, die den Muth haben nach Freiheit, nach Menschenrecht, nach -Selbstständigkeit zu ringen, sie begeifern Alle, welche die Schwächen der -zarten Naturen abgestreift, das heißt, welche keine rührenden Sprüche, -keine schönen Redensarten, keine frommen Tractätchen und keine -gleißnerischen Thränen mögen; sie verfolgen die Zerrbilder, welche die -Eitelkeit, die Gefallsucht, den Eigensinn, die Unbeständigkeit, die -Klatschsucht, all' diese reizenden Attribute der zarten Naturen abgestreift -haben, um ohne Scheu zu behaupten, daß Freiheit und Menschenrecht nicht das -Monopol Einzelner, sondern Gemeingut sein müsse.« - -Ein anhaltender Beifall ihrer Parteigängerinnen begleitete die Schlußworte -der Sprecherin. Dann aber folgte ein solch lautes, verwirrtes Gebrause -von Stimmen, daß man nichts Deutliches mehr vernehmen konnte. Die Wuth der -rechten Gruppe war in hellen Flammen ausgebrochen. Mit wildem Geschrei, mit -drohend geballten Fäusten begannen sie alsbald auf ihre Widersacherinnen -einzudringen. An ihrer Spitze gewahrte Zerline die Präsidentin die Glocke -schwingend, um sich derselben als Wurfgeschoß zu bedienen. Ihr zur Seite -befand sich Rosalinde mit funkelnden Augen wie eine wilde Katze, die -mageren Hände mit den krallenartig zugespitzten Nägeln drohend erhoben. -Ehe jedoch die zarten Naturen mit den starken Naturen handgemein werden -konnten, hatten einige handfeste Wärterinnen sie auseinandergebracht und in -ihren Wohnstuben internirt. - -Die Oberwärterin erzählte nun Zerlinen, während sie sich in eine -andere Abtheilung begaben, der Schluß jeder Sitzung gleiche dem der nun -stattgefundenen. Die schattenhafte Jungfer Rührmichnichtan könne keine -Wahrheit verdauen und erwiedere diese durch Prügelargumente. Der Herr -Doctor nenne diese Kämpfe den Frosch- und Mäusekrieg. Nun begann Margarethe -wieder die Krankengeschichten ihrer Pfleglinge zu berichten. Auf -Nr. 89 wohne eine gefährliche Irre, ein altes Mütterchen, das durch die -Schlechtigkeit eines herzlosen Kindes den Verstand verloren habe. Die -entartete Tochter habe der braven Mutter einen Schimpf zugefügt, den ein -ehrliches Mutterherz nicht verwinden könne. Das tolle Lamm bilde sich -nun ein, böse Geister wollten ihr Kind verleumden und kämpfe gegen diese -Teufel. In Nr. 90, belehrte die Oberwärterin weiter, wohne eine arme -Närrin, welche die Treulosigkeit ihres Gatten in die Anstalt gebracht habe. -Er habe das schöne liebe Weib um einer Komödiantin willen verlassen und -dadurch dem Wahnsinne überliefert. Jetzt weine sich die arme Närrin um das -liederliche Tuch die Augen aus. Nach diesen Worten öffnete sie die Thüre -von Nr. 90. - -Auf einem Lehnstuhle saß eine weibliche Gestalt bleich und mit -eingesunkenen Wangen, um die das reiche dunkle Haar in aufgelösten Strähnen -herabfiel. Die großen, düster glühenden Augen starrten in die Ferne, -die Brust hob und senkte sich rasch und die weißen, durchsichtigen Hände -zuckten krampfhaft, bald sich öffnend bald sich wieder zusammenziehend. - -»Sie denkt immer an den Gewissenlosen, der ihr um einer liederlichen -Komödiantin willen das bitterste Herzleid zufügte,« flüsterte Margarethe -Zerlinen zu. »Um seinetwillen hat sie sich in's Wasser gestürzt. Als man -die Arme mit knapper Noth den Wellen entriß, mußte man sie zu uns in die -Anstalt bringen. Diese freche Komödiantin soll der leibhafte böse Geist -sein, schöner als alle Weiber und schlechter als alle Mannsbilder. Na, wenn -die meinen Ferdi mit ihren schamlosen Teufelskünsten verlockt hätte, würde -ich etwas Anderes thun, als mich in's Wasser stürzen und den Verstand -verlieren. Meine Nägel würden ihre Larve in eine wahre Teufelsfratze -verwandeln.« - -Die Irre hatte jetzt die Eintretenden bemerkt. Sie erhob sich von ihrem -Sitze, näherte sich langsam Zerlinen und richtete ihr großes Auge mit -unsäglicher Schwermuth auf die Besucherin. - -»Kommen auch Sie, Aermste, hierher, um eine Zuflucht zu suchen?« frug sie -mitleidig. »Für ein hartgetroffenes Gemüth liegt die Heilung einzig und -allein nur in der Abgeschiedenheit von der Welt und im Aufgeben jeglichen -Kampfes gegen Tücke und Bosheit. Ja, Tücke und Bosheit führen das Scepter -auf Erden und treten das Recht mit Füßen,« fuhr sie düster fort. »Was man -uns auch vom Lohn der Tugend und von der Strafe des Lasters erzählen mag, -dies Alles ist erdichtet. Das Böse triumphirt, das Gute wird mißhandelt. -Einst war ich eine überspannte Träumerin,« fuhr sie nach einer Pause mit -zuckenden Lippen fort, »einst sah ich Alles vom Glanze seliger Hoffnung -umstrahlt. Damals erschien mir die Welt als blühender Zaubergarten, -die Menschen sah ich als Engel an, ich lebte noch in den Träumen der -Märchenwelt, die unsere Kindheit beglücken. Die drei Himmelslichter Glaube, -Liebe und Hoffnung flammten hell und leuchtend in meiner Seele. Der Traum -war voll überirdischer Wonne. Da erloschen der Glaube und die Hoffnung -miteinander, und finstere Nacht mit all ihren Schrecknissen umgab mich.« -Nach diesen Worten hielt sie wie von der Wucht schrecklicher Erinnerungen -daniedergedrückt, einige Augenblicke inne. - -Zerline athmete kaum. Hier sah sie den Schmerz ungekünstelt und doch mit -solch hinreißender Wahrheit ausgedrückt. So und nicht anders mußte sie als -Ophelia sprechen, diese Bewegungen mußte sie copiren. Der Wahnsinn sollte -von ihr mit unerreichbarer Virtuosität dargestellt werden, keine Rivalin -sollte ihr je darin gleichkommen. Solche und ähnliche Gedanken erfüllten -den Kopf und das Herz der Bühnen-Heroine. Sie ahnte nicht mit welch -furchtbarer Wahrheit sie bald eine Rolle, ohne diese zu studiren, spielen -sollte. - -»Gibt es einen größeren Schmerz, als vom Manne, den man über Alles liebt, -verrathen und betrogen zu werden?« fuhr die Irre wie im Selbstgespräch -fort. »Ein Dämon hat meine heiligsten Empfindungen, meine seligsten -Hoffnungen mit kalter Berechnung gemeuchelt, eine farbenprächtige Natter -hat sein Herz vergiftet und seine Liebe zu mir ertödtet. Die Welt erschien -mir nun als Wildniß mit reißenden Thieren bevölkert, das Leben wurde mir -eine Bürde. Mein greiser Vater suchte mich nun durch die Versicherung zu -trösten, daß allüberall, an den glühenden Sandsteppen der Sahara, wie -an den Eisfeldern der Polargegenden, da, wo die Menschheit im primitiven -Zustande vegetirt, und dort, wo sie den Zenith der Cultur erreicht zu haben -wähnt, allüberall, sagte er, werde oft Liebe und Vertrauen mit Verrath -gelohnt. Wie vermochte aber der Schmerz anderer Verrathenen mein Weh zu -mildern und die feurige Lohe, die in meinem Innern brennt, zu löschen. -Diese Flammen brennen fort und verzehren meine gefolterte Seele.« Hier -preßte sie die Hände gegen die Stirn und stöhnte laut und schmerzlich. - -Zerline lauschte lautlos mit zurückgehaltenem Athem. Mit Freuden würde -sie ihren kostbarsten Schmuck geopfert haben, um dieses Mienenspiel, diese -Handbewegung, diese erschütternden Töne ihr eigen zu nennen. Wie mußte -solch ein Spiel das Publicum hinreißen, wenn sie, die Tragödin, davon so -hingerissen wurde. - -»Sie sind ja gleich mir eine arme Schiffbrüchige,« wendete sich die Irre -wieder an Zerline. »Sie kennen also das gräßliche Gefühl, welches der -Unglückliche empfindet, wenn er rings um sich her die Trümmer seines -Lebensglückes sieht und wenn ihm in der finsteren Nacht der Verzweiflung -kein Hoffnungsschimmer mehr blinkt.« Hier blieb sie wieder einige -Augenblicke in düsteres Sinnen verloren stehen. »Im Traume verrieth er -sich,« begann sie dann mit gehobener Stimme. »Jene Stunde brachte mir die -gräßliche Wahrheit, so furchtbar, so unausbleiblich wie Elend und Tod. -Robert liebte mich nicht mehr. Da saß mit einemmale die Natter,« sie schlug -mit der Hand auf ihr Herz, »hier sitzt sie und will nicht weichen. Da -fühlte ich es am ersten, da schmerzt es am heftigsten, da tönt es schaurig, -er liebt dich nicht mehr, er liebt eine Andere. Seit jener Stunde verlor -ich mich selbst, seitdem ich seine Stimme nicht höre, seinen Puls, seinen -Hauch nicht fühle, war ich den finsteren Mächten verfallen. Mit einemmale -vernahm ich Stimmen aus den blauen Fluten, Stimmen, die mir geheimnißvoll -zuflüsterten, in die stille, friedliche Tiefe zu steigen, um da meinen -glühenden Schmerz zu stillen. Die Wellen flüsterten so süß und lockend, daß -ich dem Syrenensang nicht zu widerstehen vermochte. Ich stieg in die Tiefe, -um Heilung und Vergessen zu suchen. Ich fand da keine Heilung und kein -Vergessen,« fuhr die Irre mit steigender Erregung fort. »Der Wasserspiegel -ist ebenso falsch wie Robert. Auch er birgt in seinem Innern gefährliche -Abgründe, treulose Klippen und gräßliche Ungeheuer.« - -Zerline begann jetzt ängstlich zu werden. Die Irre wurde immer aufgeregter, -der Wahnsinn begann sich in furchtbarer Gestalt zu zeigen. Bei all' ihrer -Opferwilligkeit für die Kunst konnte sich Zerline doch nicht enthalten -der Oberwärterin ihren Wunsch, die unheimliche Kranke zu verlassen, -auszudrücken. Margarethe beruhigte sie jedoch durch die Versicherung, die -arme Närrin sei harmlos wie ein Kind und ihr Praxismus erlösche wie nasses -Holz. - -Mit der Irren ging nun eine immer schrecklichere Veränderung vor. Ihr -Antlitz bedeckte sich mit brennender Röthe, die Augen glühten in immer -unheimlicherem Glanze, das Geberdenspiel wurde immer wilder und die Sätze -wurden abgebrochen und mit heiserer Stimme hervorgestoßen. - -»Sein Kuß -- seine Liebesschwüre -- hinreißende Lügen -- Im Schlafe -- ruft -sein Mund -- das Trugbild!« stieß sie mühsam hervor. »Da seht -- da reckt -die Natter -- den Kamm aus dem Grase.« -- Sie bezeichnete eine Vision ihres -kranken Geistes. »Ihre Giftzähne beißen sich -- in mein Herz ein!« schrie -sie auf und preßte die Hand an die Brust. - -Zerline wurde todtenbleich und wich erschrocken bis zur Thür zurück. - -»Sie thut keiner Fliege was zu Leid,« versicherte Margarethe. - -»Der Brand in meinem Kopfe wird immer stärker,« stöhnte die Irre. Plötzlich -blieb sie in lauschender Stellung mit zurückgehaltenem Athem stehen. -»Robert spricht im Schlafe,« flüsterte sie und blieb dann einige -Augenblicke regungslos horchend. Mit einemmale zuckte sie zusammen und grub -die Nägel in ihre Brust. »Sein Mund ruft Zerline,« schrie sie mit wilder -Wuth. »Zerline, Teufelin vom Pesthauch der Hölle erzeugt, sei verflucht!« - -Wäre der Blitz zu den Füßen Zerlinens eingeschlagen, dies würde kaum eine -schrecklichere Wirkung auf sie hervorgebracht haben, als die Entdeckung, -daß sie die Ursache vom Wahnsinn des unglücklichen Weibes sei. Sie war -also die Komödiantin, welche das Liebesglück der zärtlichen Gattin zerstört -hatte. Die leichtsinnige, eroberungssüchtige Männerbezwingerin vermochte -beim Anblick der Jammergestalt, die sie vor Augen hatte, ein Gefühl, -das sie nur selten empfand, das der Reue, nicht zu bemeistern. Ja das -Schuldbewußtsein übermannte sie dergestalt, daß sie wie gelähmt dastand und -mit weitaufgerissenen Augen auf die Geisteskranke starrte, deren Paroxysmus -sich immer mehr steigerte. Schmerzensschreie eines gebrochenen Herzens -wechselten mit flehentlichen Bitten an den Treulosen, sie nicht in Wahnsinn -und Tod zu jagen und mit wilden Flüchen und Schmähungen gegen den Dämon, -der ihr Glück gemeuchelt. Dies war die Agonie einer bis auf den Tod -getroffenen Seele. In großen Tropfen perlte der Angstschweiß von der Stirn -Zerlinens, ihre Füße waren wie am Boden festgenietet und vermochten sie -nicht aus dem Bereiche der Schrecklichen zu tragen. Erst als dem Paroxysmus -der Irren eine vollständige Erschöpfung folgte und die Unglückliche -kraftlos und gebrochen zusammenbrach, erst dann wich die Erstarrung von -Zerline. - -Jetzt stürzte sie der Thüre zu und wollte entfliehen, da stellte sich ihr -aber ein Hemmniß entgegen. Eine bleiche Frau mit einer Harfe in der Hand -stand an der offenen Thüre. - -»Du hier. Dich soll ich ja kennen,« murmelte die Neueingetretene und -starrte Zerlinen mit ihren großen, seltsam glänzenden Augen an. - -Kalter Schweiß perlte von Zerlinens Stirn. Sie wich erschrocken von der -Thüre zurück. Diese Züge, diese Stimme waren ihr nicht fremd. - -»Was willst du, Bänkelsängerin? Hier ist nicht der Ort, um deine -unfläthigen Lieder auszukramen. Fort, Komödiantin,« knurrte Margarethe und -unterstützte ihre Worte mit einer drohenden Geberde. Die Irre schien aber -die Weisung der Oberwärterin nicht zu beachten, sie starrte auf Zerline, -wie auf eine Vision und fuhr mit der Hand über die Stirn, als suche -sie ihre Gedanken zu sammeln. »Ich weiß es jetzt,« rief sie plötzlich -aufjauchzend. »Du bist Zerlinchen. Du kommst auch zu uns. Ha, ha, ha, die -schöne Zerline kommt mir Gesellschaft leisten! Wir wollen lustig sein. Nur -nicht weinerlich, Zerlinchen. Sollst ein lustig's Lied'l haben.« - - »Schauts außi wie's regn't, - Und schauts außi wie's gießt, - Und schauts außi wie der Reg'n - Vom Dach abischießt.« - -»Fort, Komödiantin,« schrie die Oberwärterin, nach deren Meinung diese -Benennung den herbsten Schimpf enthielt. Die Volkssängerin wich knurrend -zurück und forderte Zerline auf, die Verunglimpfung ihres Standes an dem -alten Reibeisen zu rächen. Die Oberwärterin war nicht wenig über die ihr -beigelegte Benamsung, wie auch über die dem gestudirten weiblichen Arzt -angethane Beleidigung empört und lieh ihrer Entrüstung derbe Worte. - -»Mein schönes Zerlinchen, welches alle Männer am Narrenseil führt, soll -ein Quacksalber sein: Eine Schauspielerin ist sie. Ja das ist sie, du alte -Truthenne, und wenn auch deine Kropfkorallen darüber braun und blau werden, -bleibt Zerlinchen doch eine Theaterprinzessin,« kicherte die Irre zur nicht -geringen Wuth der Oberwärterin. - -Die erschrockene Zerline suchte nur die Thüre zu gewinnen. Sie fühlte -sich dem Wahnsinn nahe, sie mußte aus dieser Behausung des Entsetzlichen -entfliehen. Schon war sie dem Ausgange nahe, als sich ihr wieder ein -Hemmniß in den Weg stellte. Eine Hand legte sich auf ihre Achsel und eine -Stimme, die das Blut in ihren Adern erstarren machte, frug sie: »Du bist -also Zerline?« Die Tragödin erbebte und blickte entsetzt in das verzerrte -Antlitz der unglücklichen Gattin Roberts. »Du bist also Zerline?« -wiederholte diese ihre Frage mit wachsender Aufregung. Vor Schreck außer -sich, kaum wissend was sie that, beantwortete Zerline die verhängnißvolle -Frage mit einer bestätigenden Kopfbewegung. Die Irre stieß nun einen Schrei -aus, der dem Wuthgebrüll eines wilden Thieres glich, und umspannte mit -rasender Gewalt das zarte Handgelenk der Tragödin. Diese schrie vor Schmerz -und Schrecken laut auf und rief um Hilfe. Die Oberwärterin, der es endlich -gelungen war die Bänkelsängerin aus dem Zimmer zu entfernen, eilte sofort -herbei und suchte Zerlinen aus der Gewalt der Geisteskranken zu befreien. -Weder Bitten noch Vorstellungen vermochten die Irre zur Nachgiebigkeit zu -bewegen. - -»Sie ist mein, die farbenprächtige Natter,« schrie sie in wilder Wuth. »Sie -kam, um sich an meinem Todeskampfe zu weiden, um wie ein Vampyr das Blut -aus meinem Herzen zu trinken, sie muß dafür mit mir den bösen Geistern -verfallen. Ich will ihre Schönheit, mit der sie Handel treibt, vernichten, -ich will ihr kaltes Herz, mit dem sie Liebe heuchelt, mit meinen Nägeln -zerfleischen, ich will ihr die Giftzähne ausbrechen. Ein Scheusal soll sie -äußerlich werden, wie sie es innerlich ist. Robert soll sie in ihrer wahren -Gestalt sehen. Dann wird er sie von sich stoßen, wie er es mir gethan, und -die feurige Lohe, die mich verzehrt, wird auch in ihrem Innern lodern.« - -Vergeblich suchte Margarethe die Wuth der Irren durch Versicherungen und -Schwüre, daß die Bänkelsängerin schamlos gelogen habe, zu beschwichtigen. -Fräulein Doctor sehe doch nicht einem frechen Komödiantenweibsbild ähnlich. -Diesen Ungeheuern sei ja ihr schamloser Beruf deutlich genug auf der Larve -gepinselt, behauptete die Oberwärterin. Alle diese Beweise erwiesen sich -aber fruchtlos. Die Geisteskranke wollte ihre Gefangene nicht freigeben. -Als zuletzt Margarethe die Hand Zerlinens aus der Umklammerung mit sanfter -Gewalt befreien wollte, da stieß die Irre einen schrillen Schrei aus und -schleuderte die Zudringliche mit Riesenkraft von sich. - -»Heilige Mutter Gottes, stehe uns bei! Sie wird tobsüchtig,« stöhnte die -Oberwärterin. »Reizen Sie das tolle Lamm nicht, verhalten Sie sich ruhig. -Ich will Hilfe herbeirufen,« flüsterte sie Zerlinen zu und eilte aus dem -Zimmer. - -Zerline hörte sie nicht, sie stand regungslos wie ein Steinbild und starrte -angstvoll auf die Geisteskranke. Diese schien jetzt, da man sie durch die -Versuche ihre Gefangene zu befreien nicht mehr reizte, ruhiger zu werden. - -»Du bist also seine vergötterte Zerline mit der junonischen Gestalt, mit -dem unergründlichen Feuerauge und mit dem goldenen Lockengeringel,« rief -sie dann, die Tragödin mit den Augen verschlingend. »Ja du bist schön wie -der Geist des Bösen, dessen verhängnißvolle Schönheit der Menschheit Jammer -und Elend bereitet. Auch ich war einst schön, und Robert liebte mich, bis -du Teufelin mich zu dem gemacht hast, was ich nun bin. Deine Schönheit soll -wie die meine verderben. Auch du sollst trockene Thränen weinen, Thränen, -die wie Gluttropfen auf die Seele fallen und sie in Brand setzen.« - -»Gnade, Erbarmen!« stammelte Zerline angstvoll. - -»Das Erbarmen, das du mit mir gehabt, will ich mit dir haben,« erwiederte -die Geisteskranke. - -»Du willst mich tödten,« murmelte Zerline auf die Knie sinkend und das -todtenbleiche Antlitz mit den Händen bedeckend. - -»Dich tödten? Nein. Du sollst leben und leiden und die Schale der -Wiedervergeltung bis auf den letzten Tropfen leeren. Deine Schönheit will -ich zerstören, und Robert soll dich von sich stoßen!« rief die Irre mit -flammenden Blicken. - -Zerline bebte wie Espenlaub. Sie fühlte sich schwach und hinfällig und war -allein mit der Wahnsinnigen, hilflos ihrer Macht preisgegeben. Ihre Sinne -schwanden, der Boden wich unter ihren Füßen, mit einem Schreckensschrei -sank sie zusammen. - -»Du darfst nicht sterben, du mußt leben und leiden, wenn Robert dich von -sich stößt,« kreischte die Irre. Mit einemmale unterbrach sie sich und -blieb lauschend stehen. Im Corridor ließ sich ein Geräusch von eilig -nahenden Schritten vernehmen. Die Irre zuckte zusammen und wendete ihren -Blick der Thüre zu. Sie sah Margarethe von zwei Wärterinnen begleitet -in die Stube treten. Mit wilder Heftigkeit umschlang sie die bewußtlose -Zerline und stellte sich in drohender Haltung der Oberwärterin entgegen. - -»Jesus, das tolle Lamm wird das Fräulein Doctor erdrosseln!« kreischte -Margarethe. Sie suchte die Irre zu begütigen. Als aber dies fehlschlug, -da entschloß sie sich Gewalt zu gebrauchen. Sie befahl den Wärterinnen der -Irrsinnigen eine Decke über den Kopf zu werfen und sich dann mit Gewalt -ihrer zu bemächtigen. Die Wuth der Geisteskranken erreichte nun den -Höhepunkt. Ihr Auge schoß wilde Flammen; mit einem Arm hielt sie Zerline -umschlungen, der andere war drohend gegen die Wärterinnen erhoben. - -Jetzt sauste die Decke durch die Luft. Die Irre, die Gefahr bemerkend, wich -aber dem Wurfe aus. Die Lage Zerlinens wurde immer gefährlicher. Sie -hing wie leblos in den Armen der Wahnsinnigen und gab auf alle Zurufe -der Oberwärterin keine Antwort. Kalter Angstschweiß bedeckte die Stirne -Margarethens. Sie befahl nun den Wärterinnen die Aufmerksamkeit der Irren -zu beschäftigen, damit sie sich ihr unvermerkt nähern könne. Das gutherzige -Weib flehte alle Heiligen um Hilfe in dieser Noth an. Sie wollte schon ihr -Leben wagen, um die Wüthende zu bewältigen, wenn nur das Fräulein Doctor -der Gefahr entrissen wurde. Ja es war mit nicht geringer Gefahr verbunden, -der Irren ihr Opfer zu entreißen. Die Oberwärterin wußte aus Erfahrung, -welche Riesenkraft der Wahnsinn dem schwächsten Körper verleiht. Gebete -murmelnd spähte Margarethe auf den günstigen Moment, um ihr Vorhaben -auszuführen, als Stimmen und eilige Schritte auf dem Corridor vernehmbar -wurden. »Der Doctor! Wir sind gerettet!« schluchzte die Oberwärterin, -die Hände dankend zum Himmel erhoben. Bald erschien auch der Arzt der -Frauenabtheilung athemlos an der Thüre. Ein Blick genügte dem Psychiater, -um das Schreckliche zu übersehen. Rasches Handeln war dringend nöthig, um -die bewußtlose Zerline aus ihrer gefährlichen Lage zu befreien, aber die -Irre mußte besänftigt und nicht gereizt werden. Der erfahrene Psychiater -befahl den Anwesenden das Zimmer zu räumen und begann dann langsam sich der -Irren zu nähern. Er sprach sanfte, beruhigende Worte, die ihr versicherten, -daß die Verfolgerinnen die Flucht ergriffen hätten. Die Wahnsinnige, die in -einem Winkel zusammengekauert, Zerline fest an sich drückend dasaß, -erhob beim Klange seiner Stimme das Haupt. Als sie den Arzt erblickte, -verstummten ihre Schreie, die wilde Wuth begann zu schwinden. Je näher der -Psychiater kam und je sanfter seine Worte erklangen, desto mehr legte sich -die Aufregung der Unglücklichen. Als er nun endlich ihr gegenüberstand und -sein durchdringendes Auge fest auf das ihre heftete, da wurde sie sanft und -ruhig. Der Ring, den ihre Hände um Zerline geschlossen hatten, wurde jetzt -immer loser, er löste sich bald ganz, und ihre Arme sanken schlaff hinab. -Jetzt fing der Arzt die regungslose Zerline in seinen Armen auf und begann, -das Antlitz der Irren zugewendet, langsam der Thüre zuzuschreiten. Immer -noch erklangen die sanften, beschwichtigenden Worte und immer haftete sein -fascinirender Blick auf der Irren, welche ihr Auge von dem des Psychiaters -nicht loszureißen vermochte. Nun war er der Thüre nahe, die sich -geräuschlos von außen öffnete. Noch ein Moment namenloser Angst, -unsäglicher Bangigkeit für Margarethe und sie sah das Fräulein Doctor außer -dem Bereiche der Wahnsinnigen. - -Als Zerline zum Bewußtsein zurückkehrte, mußte sie eine niederschmetternde -Anklage vom Arzte anhören. Das arme Weib, dessen Lebensglück sie zerstört -hatte, war nun auch durch ihre Schuld in unheilbare Tobsucht verfallen. -Scharf und verächtlich waren die Worte, welche der Psychiater zum Fräulein -Doctor, das sich als die berüchtigte Zerline entpuppt hatte, sprach. Die -empörte Oberwärterin rief ihr ihrerseits zu, die gemeine Katze, welche sich -frech in eine Löwenhaut gesteckt, werde ihr noch einst in die Hände -fallen, denn der Lohn für die Schlechtigkeiten der schamlosen -Komödiantenweibsbilder sei das Spital oder das Irrenhaus. Zerline vermochte -bei dieser trostreichen Verheißung einen Schauer nicht zu unterdrücken. - -Seitdem besucht die Tragödin kein Irrenhaus mehr, um da den Genius der -tragischen Kunst zu suchen. - - -_Ende._ - - - - -Druck von Johann N. Vernay, Wien, =IX.=, Mariannengasse 17. - - - - -Verlag von L. Rosner in Wien. - - -Der Wunderrabbi. - -Roman von #J. Thenen#. - -8. 293 Seiten. Preis fl. 2.-- oder M. 4. - -Der Reiz dieses Buches liegt in der vortrefflichen Ausführung. In Scenen -voll dramatischen Lebens erkennen wir die Macht des Rabbi über die -verblendeten Geister -- eine Macht, der selbst der christliche Edelmann -im Falle der Bedrängniß huldigt; aber wir erkennen auch die ganze -- -Tiefe dieses Aberglaubens, indem wir Einblick in den Charakter des Rabbi -erhalten, der ein wunderliches Gemisch von Selbstsucht, Aberglauben und -Zelotismus ist. Dann führt uns die Dichterin mit gleicher Kunst in das -elende, vom Unglücke erfüllte Haus seiner tragischen Gegner, und so reiht -sich Bild an Bild, Scene an Scene, die uns -- die Handlung immer weiter -leitend -- in den Charakter und Geist jener eigenthümlichen Menschen -hineinblicken lassen. In einzelnen Capiteln erreicht die Dichterin eine -tragische Größe; in anderen entfaltet sie herrlichen Humor. Ueberall aber -verräth sie eine ganz intime Kenntniß nicht blos der Sitten und Gebräuche -jener Menschen, sondern auch ihres eigenthümlichen Geistes, jener -spiritualistischen Denkweise, die aus der völligen Durchdringung des Lebens -durch den Glauben entstammt. Sind doch alle die Geschichten und Schicksale, -die sie erzählt, mehr oder weniger thatsächliche Geschehnisse. Und selbst -aus der Darstellung athmet der Geist des Volkes, der so einseitig sich -nur dem Menschengeiste und dem Glauben zuwendete, der Natur jedoch, -ihrer Schönheit, ihrem Genusse sich so fernhielt. In diesem Sinne ist -es charakteristisch, daß im ganzen Buche nur zwei kleine landschaftliche -Schilderungen vorkommen, die aber freilich recht hübsch sind. Kurz, es -ist ein Buch, das ein männlicher Geist in einem dichterischen Frauenkopfe -ersonnen. - - »Neue Freie Presse.« - - - - -Verlag von L. Rosner in Wien. - - -Der Wunderrabbi. - -Roman von #J. Thenen#. - -8. 293 Seiten. Preis fl. 2.-- oder M. 4. - -Die Verfasserin hat das Leben und Treiben dieses Chassiden studirt und -hat »halb Wahrheit, halb Dichtung« wirkliche Vorkommenheiten zu einer -spannenden Erzählung vereint, die, ohne als Culturstudie gewollt zu sein, -den Zweck einer solchen in reichstem Maße erfüllt. Der crasse Betrug, -die wilde Habgier, die niedrige Genußsucht, welche dem ganzen Dichten und -Trachten dieser Chassidengemeinden Bewegung geben, sind ohne Scheu mit -der vollsten und behaglichsten Naturwahrheit gezeichnet. Die talentvolle -Beobachterin hat in ihrem Buche jedes Mäntelchen verschmäht und -gibt ungeschminkt und unverhüllt die Wirklichkeit. Dieser Reiz der -Unmittelbarkeit und des kaustischen Humors aber ist es, der unvermindert in -den ersten Seiten fesselt und anhält bis zu jenem Punkte, wo die -Handlung den Boden verläßt, auf dem die Wunderrabbis gedeihen, und, Jahre -überspringend, harmonisch ausklingt. Das Buch wird von Laien um seiner -reichbewegten Handlung und seiner farbenkräftigen Schilderungen, von dem -Culturforscher aber deshalb mit Vergnügen gelesen werden, weil das Erzählte -und Geschilderte wahr ist. - - »Presse.« - - - - -[ Hinweise zur Transkription - - -Der Schmutztitel wurde entfernt. - -Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. - -Darstellung abweichender Schriftarten: _gesperrt_, =Antiqua=, #fett#. - -Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, mit folgenden -Ausnahmen, - - Seite 27: - "Ihr" geändert in "ihr" - (Brille tragen, die ihr nicht erlaubt) - - Seite 35: - "Mähren" geändert in "Mären" - (wunderbare Mären von seinen Eroberungen zu erzählen) - - Seite 36: - "«" entfernt hinter "acceptiren." - (ihn als Prinz-Gemal zu acceptiren.) - - Seite 37: - "Wamms" geändert in "Wams" - (Orden von seinem Wams los) - - Seite 50: - "staarnackiger" geändert in "starrnackiger" - (Director des Hoftheaters ein starrnackiger Pedant) - - Seite 72: - "Rosalinda's" geändert in "Rosalinde's" - (die Schmerzensschreie Rosalinde's zu vernehmen) - - Seite 73: - "Rosalinda" geändert in "Rosalinde" - (»Man muß ihr das Wort entziehen,« schrie Rosalinde) - - Seite 85: - "«" eingefügt - (Vom Dach abischießt.«) - - Seite 89: - "." eingefügt - (und sie in Brand setzen.«) ] - - - - - - - -End of Project Gutenberg's Fräulein Doctor im Irrenhause, by Julie Thenen - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRÄULEIN DOCTOR IM IRRENHAUSE *** - -***** This file should be named 63589-8.txt or 63589-8.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/3/5/8/63589/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -https://www.pgdp.net (This file made from scans of public -domain material at Austrian Literature Online.) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - diff --git a/old/63589-8.zip b/old/63589-8.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 9810257..0000000 --- a/old/63589-8.zip +++ /dev/null diff --git a/old/63589-h.zip b/old/63589-h.zip Binary files differdeleted file mode 100644 index 7b2c7e3..0000000 --- a/old/63589-h.zip +++ /dev/null diff --git a/old/63589-h/63589-h.htm b/old/63589-h/63589-h.htm deleted file mode 100644 index 874fbbe..0000000 --- a/old/63589-h/63589-h.htm +++ /dev/null @@ -1,3103 +0,0 @@ - - -<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.0 Strict//EN" - "http://www.w3.org/TR/xhtml1/DTD/xhtml1-strict.dtd"> - -<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="de" lang="de"> - -<head> -<meta http-equiv="Content-Type" content="text/html; charset=iso-8859-1" /> -<meta http-equiv="Content-Style-Type" content="text/css" /> - -<title>The Project Gutenberg eBook of -Fräulein Doctor im Irrenhause -by -Julie Thenen</title> - -<link rel="coverpage" href="images/cover.jpg" /> -<style type="text/css"> - -body {margin-left: 10%; margin-right: 10%;} - -h1 {font-size: 200%; text-align: center; margin-top: 1em; line-height: 1; font-style: normal; page-break-before: always;} -h2 {font-size: 125%; text-align: center; font-weight: normal; margin-top: 4em; margin-bottom: 1em; line-height: 1.5; page-break-before: always;} - -p {text-indent: 1em; text-align: justify; margin-top: 0.75em; margin-bottom: 0.75em;} - -hr {width: 50%; margin-top: 1.5em; margin-bottom: 1.5em; page-break-before: avoid;} -img {padding: 0; border: 0; margin-top: 2em; margin-bottom: 1.5em;} - -.ce {text-align: center; text-indent: 0;} -.ci {margin-left: 5%; margin-right: 5%; text-indent:0;} -.si {text-align: right; margin-right: 2em;} -.ge {font-style: normal; letter-spacing: .12em; padding-left: .12em;} -.in0 {text-indent: 0;} -.nd {text-decoration: none;} -.pb {page-break-before: always;} - -.lh1 {line-height: 1.3;} -.lh2 {line-height: 2;} - -.fsl {font-size: 125%;} -.fsxl {font-size: 150%;} -.fss {font-size: 85%;} - -.mt2 {margin-top: 2em;} -.mt4 {margin-top: 4em;} - -table {font-size: 85%; margin-left: auto; margin-right: auto; margin-top: 1em; margin-bottom: 1em;} -.tdl {text-align: left; vertical-align: top; padding-left: 1em; text-indent: -1em;} - -a[title].pagenum {position: absolute; right:3%;} - -a[title].pagenum:after { - content: attr(title); - border: 1px solid silver; - display: inline; - font-size: x-small; - text-align: right; - color: #808080; - background-color: inherit; - font-style: normal; - padding: 1px 4px 1px 4px; - font-variant: normal; - font-weight: normal; - text-decoration: none; - text-indent: 0; - letter-spacing: 0; -} - -</style> -</head> - - -<body> - - -<pre> - -The Project Gutenberg EBook of Fräulein Doctor im Irrenhause, by Julie Thenen - -This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most -other parts of the world at no cost and with almost no restrictions -whatsoever. 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Thenen,</span><br /> - -<span class="fss">Verfasser des »Wunderrabbi«.</span></p> - - -<p class="ce mt2">Der Ertrag ist der allgemeinen Poliklinik in Wien gewidmet.</p> - -<p class="ce"><img src="images/signet.jpg" alt="" /></p> - -<p class="ce lh1"><span class="fsxl ge">Wien.</span><br /> - -<span class="fsl ge">Verlag von L. Rosner.</span><br /> - -<span class="ge">1881.</span></p> - - - - -<p class="pb mt4"><a class="pagenum" id="page_005" title="5"> </a> -<span><b>A</b></span>n einem trüben, regnerischen Herbstmorgen schritt -eine Frau die breite, mit feinem Kiessande bestreute -Allee entlang, die zur Irrenanstalt führte. Die Frau -war groß und schlank und entwickelte in jeder Bewegung -eine unnachahmliche Grazie, eine vollendete -Symmetrie der Form. Ihr Haar war von einem hellen -Braun, auf dem ein Goldglanz lagerte, nicht anders -als ruhe der volle Sonnenschein auf den reichen, wogenden -Locken; das Auge, lang geformt, dunkel und feurig, -war von bogenförmig feingezeichneten Brauen überwölbt -und von langen schwarzen Wimpern verschleiert; durch -die lilienweiße Haut schimmerte die Rose auf den Wangen; -der feingeschnittene Mund, die kleinen Perlenzähne und -das anmuthreiche Grübchen am Kinn vervollständigten -das harmonische Ganze. Diese Frauengestalt war wunderbar, -entzückend schön.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_006" title="6"> </a> -Ja, Zerline war schön wie die Fee eines Zaubermärchens -und ebenso mächtig wie diese. Ein Blick ihres -Glutauges, ein Wort von ihren duftigen Lippen vermochten -es eben so leicht wie der Zauberstab einer Fee -Schaaren von dienstbaren Geistern um sie zu versammeln. -Ihre Alleinherrschaft in der galanten Welt war anerkannt, -unbestritten, unumschränkt. Zu den demüthigen -Zugthieren ihres Siegeswagens zählten die stolzesten -Löwen des Tages. Zerline war eine gefeierte Schauspielerin, -das brillanteste Decorationsstück eines Musentempels -in der Provinz. Mißgünstige Rivalinnen behaupteten -wohl, Zerline sei nur auf der Bühne des Lebens eine -treffliche Komödiantin, im Tempel der Kunst nur eine -jämmerliche Stümperin. Böse Zungen erzählten, daß sie -durch mächtige Gönner sich ihren Platz auf den Brettern -errungen und nur durch ihre körperlichen Reize und durch -ihren Toilettenreichthum das Publicum blende. Alles -dies vermochte aber die Triumphe Zerlinens nicht zu vermindern. -Die Menge huldigt dem Erfolge, ohne sich zu -kümmern, auf welche Weise dieser errungen wird.</p> - -<p>Zerline war also eine Zugkraft ersten Ranges und -wurde als solche vom Leiter des Theaters mit einer bei -diesem Herrn nicht gewöhnlichen Liebenswürdigkeit behandelt. -Der Director war ein kluger Mann. Er wußte, daß eine -blendende Staffage eine viel mächtigere Zugkraft sei als -<a class="pagenum" id="page_007" title="7"> </a> -ein echtes Talent, das sich zur reinen Höhe der wahren Kunst -emporgeschwungen. »Das Gute wird gedacht, das Schöne -aber betrachtet,« philosophirte er. »Mein Publicum ist -nicht dem Begriffe, sondern der Anschauung zugänglich, -und die Kunst eines praktischen Directors besteht ja nur -darin, dem Publicum den gewünschten Genuß zu verschaffen -und ausverkaufte Häuser zu erzielen.« Zerline -feierte Triumphe, wie die wirklichen Künstlerinnen solche -nicht oft und nicht leicht erringen. Milde Kritiker räucherten -sie in dicke Weihrauchwolken ein und nannten sie einen -leuchtenden Stern am Firmamente der tragischen Kunst. -Dies, sollte man meinen, müßte sie doch befriedigt -haben. Dem war aber nicht so. Mit dem Erfolge wuchs -ihr Ehrgeiz. Bald verlor die Huldigung der gutmüthigen -Provinzler für Zerline jeglichen Reiz. Der Wirkungskreis -in der Provinz erschien ihr eng und armselig und nur -die Bühne in der Residenz ihrer würdig. In der Residenz -als Tragödin gefeiert und umworben zu werden, dies -ward fortan der süßeste Traum ihres Lebens. Um dies -zu erreichen, war ja nur vonnöthen ein Gastspiel zu eröffnen. -Daß sie mit ihrem ersten Auftreten das Publicum -im Sturm erobere, dessen war sie sicher, dafür garantirten -ihr ja der stürmische Beifall genügsamer Claqueurs und die -Verzückung ihrer Gönner. Wollen und Können war für -die gefeierte Zerline gleichbedeutend. Ein Zauberwort -<a class="pagenum" id="page_008" title="8"> </a> -aus ihrem rosigen Mündchen setzte alsbald die Schaar -ihrer Anbeter in Bewegung, und ehe das Tagesgestirn -achtmal seinen Lauf vollendet hatte, war das schier -Unglaubliche verwirklicht, die mächtige Fee hatte die -Gewißheit, als Gast auf der Hofbühne der Residenz ihre -Reize und die Munificenz ihrer Gönner bewundern zu -lassen. Als Ophelia sollte sie das Gastspiel eröffnen. -Um nun die Großstädter vollständig zu ihren Füßen zu -sehen, wollte sie diese auch noch durch künstlerische Leistungen -in athemlose Bewunderung versetzen. Deshalb sehen wir -sie der Irrenanstalt zuschreiten. Sie will sich für den -bevorstehenden Triumph künstlerisch vorbereiten, sie will -nicht bloß die Empfindungen und Affecte, sondern auch -die Begebenheiten, aus denen solche entsprangen, studiren. -In der Irrenanstalt, in dieser Behausung des menschlichen -Jammers, will sie in das große Geheimniß der -tragischen Kunst erst recht eindringen. Hier will sie das -Traurige, das Jammervolle, das Schreckliche, das Entsetzliche -von Angesicht zu Angesicht schauen, um dann ihre Rolle -als Geisteskranke mit solch' entsetzlicher Wahrheit zu spielen, -daß dem Publicum darob die Haare zu Berge stehen sollten. -Also versicherte sie ihrer Helferin in der Rüstkammer -der weiblichen Toilettengeheimnisse, der pfiffigen Mizi.</p> - -<p>Man wähne aber ja nicht, daß dies Opfer, welches -der Kunst zu bringen Zerline sich entschlossen hatte, ein -<a class="pagenum" id="page_009" title="9"> </a> -gar leichtes war. Zuerst hatte sie einen mühsamen Kampf -zu bestehen, bis es ihr gelang, die entsetzliche Furcht -zu bewältigen, die bei dem Gedanken, in die Behausung des -Wahnsinns einzudringen, sich ihrer bemächtigte. Mizi -wußte ihr nicht genug des Gräßlichen von diesem Orte -des Schreckens zu erzählen und bevölkerte die Phantasie -der Kunstjüngerin mit den quälendsten Schreckgebilden. -Schon stand zu befürchten, daß die heraufbeschworenen -Phantome der zungenfertigen Mizi den Drang, das Spiel -des Wahnsinns am Born desselben zu schöpfen, ersticken -würden, als zum Glück ein am Siegeswagen Zerlinens -ziehender Arzt ihre Angst beschwichtigte. Nun zeigte sich -ein neues Hemmniß; der Leiter der Irrenanstalt war -jedem Besuche abhold. Er fand es dem Wohle seiner -Pflegebefohlenen zuträglich, sie vor profaner Neugier zu -wahren. Diesen Psychiater ihrem Wunsche geneigt zu -machen war schwerer, als Zerline es je gedacht. Trotz -der mächtigen Protection ihrer Gönner gelang es ihr -nicht, die Erlaubniß zu erlangen, die Anstalt zu besichtigen. -Da verfiel der sie anbetende Arzt auf den sinnreichen -Einfall, sie als Fräulein Doctor anzumelden. -Einem Doctor, der sein Wissen zum Wohle der leidenden -Menschheit bereichern wollte, durfte die Anstalt nicht -verschlossen bleiben. Der Director, obwohl kein besonderer -Freund weiblicher Doctoren, konnte jetzt seine Genehmigung -<a class="pagenum" id="page_010" title="10"> </a> -nicht versagen. So machte sich denn Zerline auf den Weg, -um das so sehnlich Gewünschte und doch Gefürchtete von -Angesicht zu Angesicht zu schauen.</p> - -<p>Vom Zauber ihrer sinnberückenden Schönheit umgeben -schritt Zerline der Anstalt zu. Ihr Auge blickte -sanft und liebkosend und der schneeige Busen wogte -ruhig und friedlich. Wer konnte ahnen, welch' bedrohliche -Pläne für die Ruhe des starren Leiters der Anstalt sie -in ihrem Innern entwarf und auch welch' wunderbare -Curen die Phantasie dem Fräulein Doctor vorspiegelte! -Wie oft hatte sie schon durch ihren Zauber Vernünftige -in die Bande des Wahnsinns geschlagen, warum sollte -sie nicht auch Wahnsinnige zur Vernunft zurückzuführen -vermögen? Was war ihrem Liebreiz zu schwer? Wer -vermochte es sich ihrer Macht zu entziehen? Solche und -ähnliche Gedanken beschäftigten sie, bis sie am Eingange -der Anstalt Halt machte. Als sie das Haus mit seinen -vergitterten Fenstern erblickte, da begann ihr Herz zu -pochen und zu hämmern. Alle von Mizi heraufbeschworenen -Gespenster standen wieder vor ihrem inneren Auge. Die -Kunst lief Gefahr, von der Furcht besiegt zu werden; -Zerline war schon im Begriff die Flucht zu ergreifen, -da erschien noch zur rechten Zeit der Thürsteher der -Anstalt. Die Intervention dieses ungebildeten Volkssohnes -ersparte der Muse eine Niederlage.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_011" title="11"> </a> -Der Thürsteher, der einige Zeit stumm vor Entzücken -auf die blendende Frauenerscheinung gesehen, riß jetzt -dienstbeflissen die Thürflügel auf und lud sie zum Eintritte -ein. Mechanisch folgte ihm Zerline in's Wartezimmer. -Hier bat er sie, sich zu gedulden, bis er ihre -Ankunft gemeldet haben werde, und entfernte sich unter -zahllosen Bücklingen.</p> - -<p>Vom Schrecken beherrscht fiel Zerline ermattet auf -einen Sitz nieder. Dann ließ sie ihr Auge im Raume -umherschweifen. Das Zimmer war einfach und prunklos, -sah aber ganz wohnlich aus. Auch das vergitterte Fenster -erschien von innen nicht so abschreckend, und die Aussicht -in den Park war trotz des trüben, regnerischen Wetters -nicht ohne Reiz. Zerline begann sich allmälig zu beruhigen. -Sie erhob sich dann von ihrem Sitze und näherte sich -einem Spiegel, um da eine losgegangene Locke ihrer -Frisur zu befestigen. Eben hatte sie sich des widerspänstigen -Löckchens bemächtigt, als zwei Männer in die -Stube traten.</p> - -<p>Die Neueingetretenen blieben beim Anblicke Zerlinens -überrascht stehen. Sie wurden gleich dem Thürsteher vom -mächtigen Zuge der Bewunderung fortgerissen, blieben -aber nicht stumm, sondern stießen ein lautes »Ach!« des -Entzückens aus.</p> - -<p>Ein Lächeln des Triumphes kräuselte die Lippen -<a class="pagenum" id="page_012" title="12"> </a> -Zerlinens. Mit dem ersten Blicke hatte sie den Feind bezwungen, -den starren, unzugänglichen Leiter der Anstalt. -Dies war er ja doch, der großgewachsene Mann mit -wallendem Bart und Haupthaar, und sein Begleiter war -sicherlich der Doctor, der dem Director in der Krankenpflege -treulich zur Seite stand. Also dachte die Siegesgewisse -und wollte auch im Bewußtsein ihrer Macht -recht bald ihr Incognito fallen lassen; als Zerline und -nicht als Fräulein Doctor sollte er sie durch die Räume -der Anstalt führen. Diese Hoffnung erwies sich jedoch -bald als trügerisch, denn der stattliche Mann mit wallendem -Bart und Haupthaar stellte sich ihr als Graf Roller -vor, sein Begleiter war der Oberwärter der Anstalt.</p> - -<p>Der Letztere entschuldigte den Director, der durch -Krankheit verhindert sei, Fräulein Doctor zu empfangen. -Der Doctor der Herrenabtheilung müsse den Director -in der Kanzlei vertreten, berichtete er, und der Doctor -der Frauenabtheilung sei zu einer Patientin gefahren. -Wenn Fräulein Doctor seine Rückkehr nicht abwarten -wolle, so könnte sie sich getrost der Führung des Grafen -Roller anvertrauen. Der Herr Graf sei in der ärztlichen -Kunst bewandert und werde ihr alles Interessante in -der Anstalt vorführen, fügte er zum Schlusse bei.</p> - -<p>Der Graf ermangelte nicht, sich mit der Artigkeit eines -feinen Weltmannes der schönen Besucherin zur Verfügung zu -<a class="pagenum" id="page_013" title="13"> </a> -stellen, und Zerline nahm mit einem verführerischen -Lächeln sein Anerbieten an. Vom Grafen geleitet schritt -sie durch eine helle, geräumige Vorflur einer steinernen -Treppe zu.</p> - -<p>»Meiner Ansicht nach vermögen solch' äußerliche -Anschauungen nur wenig die functionellen Störungen -zu beleuchten,« begann der Graf seine Ansprache zu dem -vermeintlichen Fräulein Doctor. »Ich halte ähnliche -Beobachtungen für einen angehenden Arzt nicht für -hinlänglich. Das vornehmste Lehrbuch ist der Cadaver. -Nur anatomische Befunde und zumeist nach frischen Fällen -gewonnene Befunde können dem Arzt Einblick in den -Proceß gewähren. Dies ist meine Ansicht. Wohl meint -die moderne Psychiatrie, daß wir im Vorderhirn die -diagnosticirbaren, auffallenden Formen anatomischer Veränderungen -noch im Leben vorfinden, sie behauptet -sogar, daß der äußere Verlaufsproceß nur eine Spiegelung -des inneren Processes sei, ich aber verfechte unerschrocken -meine Ansicht, daß ohne den Befund im Cadaver die -Wissenschaft im Finstern tappen muß.« Hier unterbrach -er seinen gelehrten Discurs. Sie waren bei einer Thüre -angelangt, welche ein Wärter von innen geräuschlos -öffnete und wieder schloß. Sie traten in einen hohen, -hallenden Corridor.</p> - -<p>Zerlinen war es seltsam zu Muthe. Schon der -<a class="pagenum" id="page_014" title="14"> </a> -Anblick dieser Räume, die so viel menschliches Elend -bergen sollten, machte ihr das Herz schwer. Ringsum -herrschte eine tiefe, grabähnliche Stille, die nur von -ihren und ihres Begleiters Schritten, welche im steingepflasterten -Corridor laut wiederhallten, unterbrochen -wurde. Um ihre Bangigkeit noch zu steigern, sprach der -Graf ein gelehrtes Kauderwelsch, von dem sie kein -Wort verstand. Nur das Eine meinte sie zu verstehen, -daß er sie aufforderte, fleißig in Leichen herumzuwühlen.</p> - -<p>Hu, der Gedanke an dies Schreckliche machte ihre -Füßchen schwach bis zum Umfallen. Jetzt kroch wieder die -Furcht wie ein Alp an sie heran und rief ihr alle die -schrecklichen Geschichten, die ihr Mizi von der Gefährlichkeit, -von der Tobsucht und der Raserei der Wahnsinnigen -erzählt hatte, in's Gedächtniß zurück. Bald brachte jedoch -die Sucht zu glänzen, welche Zerline als den Drang, -sich auf die wahre Höhe der tragischen Kunst emporzuschwingen -ansah, die Einflüsterungen der Furcht zum -Schweigen. Ja sie wollte unerschrocken das Entsetzliche -von Angesicht zu Angesicht schauen, sie wollte allen Gefahren -trotzen, um dann durch ihren meisterhaft gespielten -Wahnsinn alle Rivalinnen vor Neid wahnsinnig zu machen. -Mit dem Panzer dieses menschenfreundlichen Wollens -umgürtet betrat sie den Conversationssaal der Herrenabtheilung.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_015" title="15"> </a> -Sie sah neugierig und mit nicht geringem Herzklopfen -umher. Dies war kein mit Eisengitter umgebener -Käfig, wie die Schauermärchen Mizis die Räume einer -Irrenanstalt schilderten, und auch die Personen, die sie -da gewahrte, hatten keine Aehnlichkeit mit den gefürchteten -Schreckbildern aufzuweisen. Etwa ein Dutzend Männer -saßen auf Stühlen und studirten eifrig die Journale, -Andere hatten sich um einen mit Nachdruck sprechenden -Priester gruppirt und lauschten aufmerksam seinen Worten.</p> - -<p>»Dies sind Patienten, mit Melancholie, mit Manie -und mit Stupor behaftet,« erklärte der Graf dem vermeintlichen -Arzt. »Wenn Sie den Reden der Patienten -Aufmerksamkeit schenken wollen, dann werden Sie einsehen, -wie wenig die äußerliche Anschauung die functionellen -Störungen im Innern zu veranschaulichen vermag.«</p> - -<p>Zerline nickte bestätigend mit dem Kopfe. Auf andere -Weise wußte sie ihrem gelehrten Führer keine Antwort zu -geben. Was begriff sie von functionellen Störungen und -von Stupor und Manie? Bei ihren Anbetern hatte sie -wohl stark ausgesprochene Symptome von Verwirrtheit -und Imbecillität gesehen, aber es genügte ihr zu wissen, -daß sie die Ursache und Veranlassung dieser Erscheinungen -war, mit der Lehre von den Krankheiten und ihren verschiedenen -Gattungen und Arten hatte sie sich nicht befaßt. -Von dem gelehrten Unsinn des Grafen verstand sie eben -<a class="pagenum" id="page_016" title="16"> </a> -nicht mehr als ihr Schooßhündchen Zara, wenn sie ihm eine -ihrer Rollen vordeclamirte, sie athmete erleichtert auf, -als der Graf sie zu einem Sitze führte und sich dann -zu der Gruppe gesellte, die den Priester umgab.</p> - -<p>»Die moderne Philosophie umnebelt den Kopf der -rohen Masse,« sprach der Priester gerade, als der Graf -herzutrat. »Sie demoralisirt das Volk durch die Zerstörung -aller alten Einrichtungen, sie entwurzelt den Glauben -an eine ewige, rächende und richtende Gottheit, an ein -Jenseits, an eine Unsterblichkeit, sie führt die Herrschaft -der rohen Materie ein, sie schmäht und verspottet die -Zeit, in welcher die heilige Kirche die Teufel aus der -Menschenbrust vertrieb. Wohin, frage ich, kann und soll -dies führen, wenn nicht zur Herrschaft des Verbrechens -und zur totalen Auflösung aller menschlichen und gesetzlichen -Bande? Vermögen all' die subtilen Verstandestheorien -der Apostel des Unglaubens, vermag all' ihr -sophistischer Wortprunk den Glauben, dieses Himmelslicht, -zu ersetzen? Wodurch wollt Ihr die Menschheit für das -ihr geraubte Kleinod schadlos halten, für das göttliche -Geschenk, das den Erdensohn im Glücke vor Uebermuth -bewahrt und im Unglücke vor Verzweiflung schützt?«</p> - -<p>Diese Worte waren an einen ältlichen Mann gerichtet, -der dem Priester gegenüberstand und der leidenschaftlichen -Rede desselben mit kalter Ruhe zuhörte.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_017" title="17"> </a> -»Durch das Bewußtsein, daß Moral und Sittlichkeit -nicht erst der Ausfluß einer geoffenbarten Religion -sein müssen, denken wir das Verlorene zu ersetzen,« erwiederte -der Gefragte. »Wir wollen beweisen, daß nicht -in den rohen, materiellen Gefühlen des Fürchtens und -Hoffens auf Vergeltung der wahre, edle Kern der Moral -liege, sondern daß er in der geistigen Veredlung, in der -Entwicklung des Rechtsgefühls, in der Unabhängigkeit -und in der Scheu vor jedem unredlichen Beginnen zu -suchen und zu finden sei. Die Menschheit lebt, wie Euer -Heiligkeit richtig bemerkten, in einem materiellen Zeitalter, -in welchem Hypothesen nicht mehr genügen, die -nüchterne Menschheit verlangt jetzt Axiome. Gebt ihr -solche, und sie wird wieder ihre Knie vor der Kirche -beugen und auch ihr Geist wird anbetend vor Euch -niederfallen.«</p> - -<p>Der Priester maß ihn mit finsteren Blicken und erwiederte -dann mit grollender Stimme:</p> - -<p>»Wo die Ueberzeugung, da ist kein Glaube mehr. -Wie die Vernunft so vermessen wird, mit dem Secirmesser -der kalten Berechnung den Glauben zergliedern -zu wollen, da kehrt dieser zum göttlichen Spender zurück, -und der ruchlose Anatom sucht ihn vergebens im zerfleischten -Cadaver.«</p> - -<p>»Der Befund im Cadaver muß der einzig richtige -<a class="pagenum" id="page_018" title="18"> </a> -Leitfaden für den Forscher sein,« mischte sich nun Graf -Roller in den Disput.</p> - -<p>»Der denkende Mensch will keinen blinden Glauben, -er will Wahrheit, und zur Wahrheit kann man nur durch -Forschen und Wissen, nur durch Aufklärung gelangen,« -behauptete ein Mann mit blassen, melancholischen Zügen. -»Mag die Wahrheit noch so grauenvoll sein, der denkende -Mensch wird sie immer der lieblichsten Selbsttäuschung -vorziehen.«</p> - -<p>»Die Corruption und all' das scheußliche Heer der -Sünden hat Eure gepriesene Aufklärung der Menschheit -gebracht,« schrie der Priester, dessen Augen jetzt wie -zwei sprühende Feuerräder rollten. »Ihr bläht Euch mit -der Vernunft, mit dem Wissen und bleibt doch bei jedem -Schritt und Tritt vor unauflöslichen Problemen stehen. -Mit frecher Stirn nennt Ihr sogar das Gehirn Erzeugungsorgan -der Seele, trotzdem Euch nicht mehr als -die äußere Anatomie der Form davon bekannt ist. Gesteht -doch einer Eurer mächtigsten Herrscher auf dem -Gebiete des Wissens, daß die Anatomie des inneren -Baues des Gehirnes für immerdar ein mit sieben Siegeln -geschlossenes und noch dazu in Hieroglyphen geschriebenes -Buch ist.«</p> - -<p>»Meine Herren, ruhig mögt Ihr nach Herzenslust -<a class="pagenum" id="page_019" title="19"> </a> -plaudern, nur nicht das Blut erhitzen,« ermahnte ein -Wärter.</p> - -<p>Zerline war dem Disput mit großer Aufmerksamkeit -gefolgt. Sie vermochte es kaum zu glauben, daß sie -Pensionäre der Irrenanstalt reden hörte. Was ihr -Interesse noch steigerte, war, daß sie in dem jungen, -schönen Priester den Fastenprediger erkannte, dessen Reden -sie stundenlang in lautloser Verzückung zu lauschen pflegte. -Nach den rauschenden Freuden des Carnevals war es -für sie eine gruselnde Wollust gewesen, von dem schönen -Prediger die Pein, die der Sünder im Reiche Satans -harrte, mit glühender Beredsamkeit schildern zu hören. -Sie konnte das Auge von ihm nicht abwenden. Wenn -er sprach, belebte sich das starre, bleiche Antlitz und sein -dunkles Auge glühte und der Körper bebte und jede -Muskel zuckte. Er war schön, der bleiche Priester, so -schön, daß Zerline in seinem Anblick versunken den eigentlichen -Zweck ihres Besuches in der Anstalt vergaß und -den Grafen, der sie zum Weitergehen aufforderte, ersuchte, -bis zur Beendigung des Disputes zu bleiben.</p> - -<p>»Der Priester laborirt an jener chronischen Seelenstörung, -die wir partielle Verrücktheit nennen,« flüsterte -ihr der Graf zu. »Er ist im Wahne, der heilige Vater -zu sein und schleudert als kirchliches Oberhaupt alle -seine Blitze gegen die Pionniere der Aufklärung. Im -<a class="pagenum" id="page_020" title="20"> </a> -steten Kampfe ist er mit diesem Patienten.« Er bezeichnete -den ältlichen Mann, der dem Priester kampfbereit gegenüberstand. -»Dieser, im Wahne der Zeitgeist zu sein, sucht -seinerseits jedes Bollwerk gegen Forschung und Wissen -darniederzureißen und steht dem Fanatiker feindlich gegenüber.«</p> - -<p>Die Irren hatten ihren Wortkampf wieder aufgenommen.</p> - -<p>»Die Wissenschaft gesteht mit ehrlicher Offenheit -ihre Ohnmacht, manches Problem zu lösen, und fordert -dadurch die Menschheit zu noch angestrengterem Forschen -auf,« sprach der Widersacher des Priesters mit leidenschaftsloser -Ruhe.</p> - -<p>»Die Forschung ist die Pforte zur Wahrheit und -das Wissen ist ihr Tempel,« ließ sich der Irre mit den -bleichen, melancholischen Zügen wieder vernehmen. »Das -leuchtende Antlitz dieser Gottheit verschmäht den Schleier -der Mystik, ihre majestätische Gestalt umwallen keine -Prunkgewänder; sie lockt nicht mit Lohn und droht nicht -mit Strafe. Ernst und leidenschaftslos thront sie auf -ihrem erhabenen Sitz und ist jedem Menschenkinde zugänglich. -Wer ihr Antlitz schauen will, darf nicht blind -glauben, der muß nur forschen, denn Zweifel sind die -Stufen, die zur Wahrheit führen.«</p> - -<table summary="" border="0" cellpadding="0"> - <tr><td class="tdl">»Bairisch Bier und Leberwurst - <a class="pagenum" id="page_021" title="21"> </a></td></tr> - <tr><td class="tdl">Juchheidi, juchheida,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und ein Kind mit runder Brust,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Juchheidi, heida,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und ein Glas Krambambuli,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Donnerwetter Parapluie,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Juchheidi, heidi, juchheidi, juchheida,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Juchheidi, heidi, heida, juchheidi, heida!«</td></tr> -</table> - -<p class="in0">krächzte ein Irrer, dessen rubinrothe Nase ihn als Verehrer -des Bacchus kennzeichnete. »Schweig', Ritter von -der breiten Krämpe, oder lasse Bacchus leben!« rief er -dem Priester zu.</p> - -<table summary="" border="0" cellpadding="0"> - <tr><td class="tdl">»Vivat Bacchus, Bacchus lebe,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Bacchus war ein braver Mann.«</td></tr> -</table> - -<p>»<i>Delirium tremens</i>,« flüsterte jetzt der Graf dem -Fräulein Doctor zu, welches nur Auge und Ohr für den -schönen Fastenprediger hatte.</p> - -<p>Der Eiferer ließ sich durch die triviale Unterbrechung -des Säufers in seinem Dispute nicht stören und erwiederte -dem Wahrheitssucher mit schneidendem Hohngelächter: -»Sprecht nur den göttlichen Gesetzen Hohn, -entsagt schamlos der Menschenwürde und pflanzt nur -die Vernunft als Glaubensfahne auf. Die gepriesene -Vernunft wird Euch zur Wahrheit führen, die Vernunft, -welche der aufgeklärten Menschheit zur ehrenvollen Verwandtschaft -mit dem Kletterthier verholfen hat. Und du, -ihr Apostel, wohin hat dich deine Forschung geführt? -<a class="pagenum" id="page_022" title="22"> </a> -Die Wahrheit hast du gesucht und das Irrenhaus hast -du gefunden.«</p> - -<p>Ein Blick unsäglicher Verachtung aus dem Auge -des Wahrheitssuchers fiel auf den Zeloten. Er wollte -antworten, als ein Mann von finsterem Aussehen das -Wort ergriff.</p> - -<p>»Ich behaupte, daß, wenn die Herren Affen nur die -Macht des Wortes besäßen, sie gegen die noble Verwandtschaft -mit dem Menschen energisch protestiren -würden,« versicherte der Sprecher mit großer Bestimmtheit. -»Die Herren Affen leben ruhig und friedlich in -ihrem primitiven Zustande nur der Befriedigung ihrer -natürlichen Bedürfnisse, die Herren Affen sind von allen -Krebsschäden, die an der menschlichen Gesellschaft fressen, -unberührt. Hochmuth, Eigendünkel, Herrschsucht, Selbstsucht, -Scheinheiligkeit, Verleumdung, Verlogenheit, -Heuchelei, Falschheit, Treulosigkeit und wie sonst noch -das Heer menschlicher Leidenschaften heißen mag, nisten -vorzüglich in der Menschenbrust. Jetzt frägt es sich –«</p> - -<p>»Ja, alle diese Leidenschaften nisten im Herzen des -Weibes,« unterbrach ihn Graf Roller in sichtlicher Aufregung. -»Fand ich doch alle diese geflügelten Ungeheuer -im Herzen der Falschen.« Hier brach er ab und zuckte -schmerzhaft zusammen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_023" title="23"> </a> -Zerline hatte nur Augen für den schönen Priester, -dessen Geist trotz des logischen Zusammenhanges seiner -Rede in der Macht des Wahnsinns sein sollte. Wenn -dies Wahnsinn war, frug sie sich, was war gesunder -Sinn zu nennen? Alle, die ihr zu Füßen lagen, besaßen -nicht das Wissen und nicht die Beredsamkeit dieser Unglücklichen, -die von der Außenwelt abgeschlossen hier ihr -trauriges Dasein verbrachten.</p> - -<p>»Die wahre Pest unserer unseligen Zeit seid Ihr, -die Häupter der tückischen Bande, die sich die Organe -der öffentlichen Meinung nennen,« wendete sich der Eiferer -wieder an einen Mann, der in ein Journal vertieft -zu sein schien. »Ihr reißt die Welt aus den Fugen und -verläugnet und kreuzigt mit Eurer ruchlosen Aufklärung -die heilige Religion.«</p> - -<p>»Die Aufklärung verläugnet nicht die Religion,« -entgegnete der Angeredete die Achsel zuckend. »Die Aufklärung -will nur nicht diese Religion, wie manche Priester -sie geben. Wahre Religion begehrt weder Demuth noch -knechtische Furcht, sie verlangt Selbstständigkeit und inneres -Durchdrungensein von ihrer Wahrheit, sie will nicht mit -Zittern und Zagen, sie will nur mit Liebe umfaßt sein.«</p> - -<p>»Baut nur Eurem Götzen stolze Tempel und übergoldet -seine Altäre mit dem Raube, den Ihr mit verruchter -Hand an mir, dem Stellvertreter Petri, und auch -<a class="pagenum" id="page_024" title="24"> </a> -an den Frommen der gesammten Christenheit begangen -habt,« schrie der Zelot mit heftiger Gesticulation. »Führt -nur die Bauten eures sündhaften Hochmuthes bis in -die Wolken und sucht den Himmel zu stürmen. Thut -dies, Ihr ruchlosen Umstürzler, thut dies, bis Ihr die -Langmuth Jehovas ermüdet und Ihr den Lohn dafür da -findet, wo ewig Heulen und Zähneklappern ist.«</p> - -<table summary="" border="0" cellpadding="0"> - <tr><td class="tdl">»Der Frosch und die Unken</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und andere Halunken,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Die können nur zechen</td></tr> - <tr><td class="tdl">Mit rächelndem Rachen,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Sie schlürfen aus Bächen,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Aus Pfützen und Lachen,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Aus Gruben und Klüften,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Aus Weihern und Teichen,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Aus Gräbern und Grüften</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und manchem dergleichen</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und plärren im Chor,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Auf Moder und Moor</td></tr> - <tr><td class="tdl">Nur Schnickschnack und Schnackschnack</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und Unkunk und Quackquack,«</td></tr> -</table> - -<p class="in0">näselte der Trunkenbold, sein Lied mit possierlichen Grimassen -begleitend.</p> - -<p>Der Zeitungsschreiber hatte sich erhoben und stand -in drohender Haltung dem Priester gegenüber. »Elender -Fanatiker, mich, dessen einziges Ziel es ist, die Menschheit -zu beglücken, den Gründer des echten, reinen Glaubens, -zeihest du des Raubes, der schmutzigen Gewinnsucht?« -<a class="pagenum" id="page_025" title="25"> </a> -rief er zornig. »Religion ist Gold, im urbaren Zustande -dem Menschen in die Hand gegeben. Ich habe die leuchtende -Goldfaser entdeckt, und du, Finsterling, betest die Schlacken -an. Mein Cultus bedarf nicht der Vergoldung. Der -Tempel meiner Religion ist jedes edle Menschenherz, -ihr Altar ist die Menschenliebe, ihr Gebet ist Menschlichkeit -und ihr Lohn ist das Bewußtsein, seine -Pflicht als Mensch zu erfüllen. Wozu bedarf ich des -Goldes, wozu der physischen Macht? Mein reiner -Glaube will keine käuflichen Glaubensüberläufer und -er verschmäht auch jedes Gewaltmittel zu seiner Ausbreitung.«</p> - -<p>»Warum hast du mir also mein Reich geraubt, -warum hast du mir meine weltliche Macht genommen?« -schrie der Zelot in leidenschaftlicher Erregung.</p> - -<p>»Dein Reich ist nicht von dieser Welt,« rief eine -hagere, fleischlose Gestalt, auf den Priester zuschreitend. -»Meine Lehre verbietet dir, nach irdischer Größe, nach -sündigem Reichthum zu streben, und nach irdischer Macht -und nach irdischem Prunk lechzt deine Seele. Sündiger -Verkünder meiner Worte, nur du und deinesgleichen, -Ihr kreuzigt meinen Glauben und macht alle meine -Wunden auf's Neue bluten.«</p> - -<p>»Religiöser Wahnsinn,« belehrte der Graf Zerlinen -<a class="pagenum" id="page_026" title="26"> </a> -und setzte ihr dann auseinander, wie der Unglückliche, -im Wahne der Heiland zu sein, stundenlang mit ausgespannten -Armen dastehe und wie sein kranker Geist -ihn alle die fürchterlichen Qualen des Martyriums -wirklich empfinden lasse.</p> - -<p>»Die Liebe ist der Grundstein meines Glaubens, -und Liebe und Nachsicht muß der Kitt sein, der den Bau -des Christenthums zusammenhält,« fuhr der eingebildete -Erlöser fort. »Der echte Diener Gottes muß des Glaubens -Trost in das wehe Menschenherz gießen, er muß den -Unglücklichen aus den öden Steppen der Verzweiflung -auf die ewig grünende Oase der Hoffnung hinführen, -er muß an dem unversiegbaren Born der göttlichen -Gnade ihn erlaben, vor dem verderblichen Sturm der -Leidenschaften ihn warnen und Stab und Stütze ihm -sein auf der irdischen Dornenbahn. Und sein Gebet -muß nur Gnade und Verzeihen für die Sünder -erflehen, Vertilgung aber soll es nur für die Sünde -erbitten! So will ich die Verkünder meiner Lehre!« -rief der Irre mit gebieterischer Handbewegung. »Durch -Liebe und Duldsamkeit wird mein Glaube verherrlicht, -durch Liebe und Duldsamkeit wird seine Macht unerschütterlich, -und unbezwingbar steht er seinen Feinden -gegenüber, wenn er überhaupt dann noch Feinde -zählt.«</p> - -<table summary="" border="0" cellpadding="0"> - <tr><td class="tdl">»Herr Bruder, nimm dein Gläschen - <a class="pagenum" id="page_027" title="27"> </a></td></tr> - <tr><td class="tdl">Und trink' es fröhlich aus;</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und wirbelt's dir um's Näschen,</td></tr> - <tr><td class="tdl">So führ' ich dich nach Haus.</td></tr> - <tr><td class="tdl">Bedenk', es ist ja morgen</td></tr> - <tr><td class="tdl">Schon Alles wieder gut,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Der Wein vertreibt die Sorgen</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und gibt uns frohen Muth,«</td></tr> -</table> - -<p class="in0">sang jetzt der rothnasige Zecher, auf den Erlöser zuschreitend. -Er faßte ihn am Arm und zog ihn trotz -seines Sträubens mit sanfter Gewalt aus dem Saale.</p> - -<p>Der streitsüchtige Priester suchte nun wieder einen -Gegenstand für seine Disputirwuth. Er packte den Irren, -welcher sich einbildete der Zeitgeist zu sein, und setzte -ihm so hart zu, daß es ihm zuletzt gelang, diesem seine -Gelassenheit zu rauben.</p> - -<p>»Die Zeit ist um, in der die Furcht vor unbekannten -Schrecken die Menschheit abhielt, Eure drohenden Phantome -vor das Forum der Vernunft zu citiren,« schrie nun -der Zeitgeist zornig. »Die Menschheit will nicht mehr -die von Euch construirte Brille tragen, die ihr nicht -erlaubt über den ihr angewiesenen Gesichtskreis zu -schauen. Ich, der mächtige Zeitgeist, habe Euren Himmel -gestürmt, ich habe Eure morsche Zwingburg in Schutt -und Trümmer gelegt. Mich bekämpfst du, Priester, vergebens. -Du, jämmerlicher Pygmäe, willst hemmend in -mein Schaffen und Wirken eingreifen. Ich werde dich -<a class="pagenum" id="page_028" title="28"> </a> -mitleidslos zermalmen, wenn du mich an der glorreichen -Vollendung meines Werkes zu hindern suchst.«</p> - -<p>»Mit wem sprichst du, Verbreiter der schändlichsten -Sacrilegien?« brüllte der Priester. »Du schmähst mich, -den unfehlbaren Stellvertreter Petri. Ich will dich in den -Pfuhl der ewigen Verdammniß –«</p> - -<p>Hier bemächtigte sich der Wärter der geballten -Fäuste des Eiferers, die sich in sehr bedrohlicher Weise -dem Gesichte des Zeitgeistes genähert hatten, und führte -den Erbitterten einige Schritte abseits.</p> - -<p>»Ja, es ist eine kritische Zeit, heiliger Vater,« -sprach ein bis nun stummer Zuhörer, mit bedenklichem -Kopfschütteln zum Priester, der sich grollend in einen -Winkel zurückgezogen hatte. »Das Consortium der ewigen -Seligkeit ist in einer argen Klemme. Unsere Actien sind -durch die Contremine des Zeitgeistes weit unter ihren -Nominalwerth herabgedrückt worden. Nicht die Manöver -eines erhöhten Zinsfußes und nicht die lockende Aussicht -auf eine Superdividende vermögen uns jetzt zu helfen. -Der einzige Ausweg wäre,« fügte er im Flüstertone -hinzu, »mit der gut accreditirten Aufklärung einen Cartelvertrag -abzuschließen.«</p> - -<p>Ein Blitz unsäglicher Wuth entsprang dem Auge -des Priesters. Einige nicht wiederzugebende Ausdrücke -<a class="pagenum" id="page_029" title="29"> </a> -waren der Lohn für den wohlmeinenden Rath des gutherzigen -Vermittlers.</p> - -<p>Zerline, ganz im Anblicke des Priesters versunken, -hatte, wie schon erwähnt, fast den Zweck ihres Besuches -in der Anstalt vergessen. Sie konnte und wollte nicht -glauben, daß der schöne Fastenprediger geisteskrank sei. -Als sie aber gewahrte, daß er für sie keinen Blick habe, -da begann sie allmälig zur Erkenntniß seines Irrsinns -zu gelangen. Unglaublich! Bei ihm schien ihr herausforderndes -Lächeln, das verführerische Spiel ihrer Augen, -kurz die ganze Musik ihrer Reizungen stumpfe Sinne zu -finden. Wohl hatte sie von Asketen vernommen, die, mit -dem Panzer der Heiligkeit umgürtet, jeglichem Sinnesreiz -unzugänglich waren, aber diese sollen welke, lebensmüde -Greise gewesen sein, die vielleicht gar von der Verführung -verächtlich übersehen worden waren. Nicht so der schöne -Priester. Ein junges, pulsirendes Leben. Und er blieb -kalt und unempfindlich bei all' den Glutgeschossen aus -dem Feuerauge der sinnberückenden Zerline. Bedurfte es -da erst eines ärztlichen Attestes, um seine Verrücktheit -zu bescheinigen? Ja, er war unheilbar wahnsinnig. Voll -Aerger und mit dieser Ueberzeugung verließ sie endlich -den Saal, um mit dem Grafen den Rundgang in der -Anstalt fortzusetzen.</p> - -<p>Als sich die Thüre hinter ihnen geschlossen, meinte -<a class="pagenum" id="page_030" title="30"> </a> -der Graf lächelnd, es sei sonderbar, daß die Himmelsinspectoren -noch immer den Zins für ein Plätzchen im -Himmel bis zur Unmenschlichkeit steigerten. Hierauf begann -er wieder eine gelehrte Abhandlung über göttliche -und irdische Liebe. Letztere nannte er eine <i>insania mentis</i>, -und Diejenigen unwissende Thoren, die, ohne nach dem -Befund mit dem Secirmesser im Muskelsack, <i>vulgo</i> Herz, -zu forschen, über diesen Krankheitsproceß polemisirten. -Der leitende Faden im Labyrinthe der Diagnostik sei, -behaupte er, nicht im Verfolgen des Krankheitsprocesses -zu suchen, und auch auf das Wesen des Processes werde -durch das Nacheinander von Erscheinungen in acuter -regressiver, acuter progressiver, subacut progressiver, -chronisch progressiver, aufsteigender, absteigender Verlaufsweise -kein Licht geworfen. Dies behaupte er mit bewußter -Sicherheit und er hoffe, daß auch Zerline sich seiner -Behauptung trotz der widersinnigen Ansichten der modernen -Psychiatrie anschließe. Bei den letzten Worten nahm sein -Antlitz einen seltsam verzerrten Ausdruck an und seine -Augen begannen zu glühen. Zerline, deren Gedanken -noch immer beim schönen Priester weilten, bemerkte die -Veränderung im Gesichtsausdrucke des Grafen nicht. Sie -nickte zum gelehrten Gallimathias, von dem sie kein Wort -verstand, beifällig mit dem Kopfe, und dieser stumme -Beifall verscheuchte alle Wolken von der Stirn ihres -<a class="pagenum" id="page_031" title="31"> </a> -Führers. Bald waren sie bei einem zweiten Corridor -angelangt. Auf das Pochen des Grafen wurde eine -Thüre wie zuvor von innen durch einen Wärter geöffnet -und sofort hinter ihnen wieder geschlossen.</p> - -<p>Im Gange spazierten einige Männer mit über -dem Rücken oder über der Brust gekreuzten Armen -schweigend auf und nieder.</p> - -<p>Der Graf bezeichnete sie als Apostel des Scheinwissens, -der Vernünftelei, die das rationelle Wissen, das -gründliche Forschen durch die rostzerfressene Waffe der -Metaphysik zu bekämpfen suchen, als Vernunftgaukler, -die auf dem schwanken Seil einer speculativen Philosophie -ihre Künste zeigen und sich der Trugschlüsse als Balancirstange -bedienen. »Narren, die über Liebe polemisiren,« -bezeichnete er wieder zwei Männer, die mit sichtlicher -Erregung zu einem Wärter sprachen.</p> - -<p>»Johann, gesteht es nur, vermag alle Zweifelsucht -die Wunder der Liebe zu läugnen?« rief der Eine, die -Hand des Wärters ergreifend. »Gibt es für eine schöne -Seele ein süßeres Glück als dieses veredelnde Gefühl, -das großmüthig alle Freuden spendet, ohne solche zu -verlangen, denn reine Liebe kann nur geben und nicht -begehren. Reine Liebe mildert die Ueberlegenheit des -Starken, sie hilft der Schwäche aus ihrer Ohnmacht auf, -<a class="pagenum" id="page_032" title="32"> </a> -sie ist die heiligste Empfindung, sie strömt aus der reinsten -Quelle und ist göttlicher Natur.«</p> - -<p>»Johann, laßt Euch nicht betören,« schrie der -Zweite und bemächtigte sich der anderen Hand des Wärters. -»Die Liebe ist nur ein Sinn, der darnach strebt, sich mit -dem Sinnlichen zu vereinbaren, eine Ueberreizung des -inneren Sinnes, der seine krankhafte Anschauung dem -äußeren Sinne unterschiebt. Darum der Wahn, den Gegenstand -der Anbetung in einem Nimbus von Vollkommenheiten -zu sehen, die dieser nicht besitzt. Das Grab aller -dieser exaltirten Empfindungen ist der Besitz. Mit dem -Besitz tritt die Vernunft wieder in ihr Recht und rächt -sich, durch die ihr widerfahrene Vernachlässigung gekränkt, -durch eine desto unumschränktere Herrschaft. Was -geschieht also jetzt? Da sich die Trunkenheit des Geistes -an dem Taumel der Sinneslust verflüchtigt hat, erhebt -sich nun der so lange daniedergehaltene Geist und betrachtet -nüchtern den Gegenstand, dem er eine gottgleiche -Anbetung gezollt hat. Was findet er da? Ein mit allen -Schwächen und Gebrechen behaftetes Wesen. Welche -Wandlung tritt nun bei ihm ein? Aus dem Auge seines -Idols, früher für ihn der Spiegel tiefster Empfindungen, -gähnt ihn jetzt ein Meer von Inhaltslosigkeit an, das -süße, ihm einst unsägliche Wonne spendende Lächeln -wird ihm zur widrigen Grimasse und die schmelzend modulirende -<a class="pagenum" id="page_033" title="33"> </a> -Stimme, die zuvor alle Fibern seines Herzens -erzittern machte, wird ihm zum tremolirenden, unharmonischen -Klang. Jetzt hat sich die Liebe in Gleichgiltigkeit -oder in Widerwillen oder gar in Haß verwandelt. -Nun beginnt die Unterwürfigkeit nach Unterjochung zu -streben, und der demüthige, willenlose Sclave wird ein -harter, grausamer Gebieter. Dies ist die einzig logische -Erklärung vom Ursprung und vom Ende der Liebe, die -ideale Gefühlsdusler mit einer überirdischen Strahlenglorie -umgeben. Johann, meine Auseinandersetzung ist doch -klar und faßlich. Laßt Euch durch den Redeschwulst eines -Geisteskranken vom Wege der Vernunft nicht weglocken.« -Die letzten Worte wurden mit einer nicht zu -mißverstehenden Geberde auf seinen Widersacher begleitet.</p> - -<p>»Freilich sehe ich ein, daß Sie vernünftig beweisen, -fünf sei eine gerade Zahl,« bestätigte der Kampfrichter.</p> - -<p>Bei dieser Versicherung umspielte ein Lächeln stolzer -Befriedigung den Mund des Preisgekrönten, während -sich auf der Stirne seines Gegners dräuende Wolken -des Zornes häuften.</p> - -<p>»Du wagst es, die platonische Liebe mit dem thierischen -Triebe, die reine Himmelstochter mit der irdischen Venus -<a class="pagenum" id="page_034" title="34"> </a> -zu identificiren?« schrie der Platoniker wild gesticulirend. -»Es ist keine Kunst, über Gefühle Meister zu werden, -die deine schmutzige Seele nicht einmal flüchtig bestreichen. -Dem groben Stoff ist das erhabene Gefühl, welches -den Geist zwingt, vor dem Gegenstand seiner Anbetung -niederzufallen, ein Geheimniß, das er nie ergründen -kann. Johann, gebt dem schmutzigen Cyniker keine Macht -über Euch, glaubt seinen Worten nicht, sie sind giftiger -Mehlthau für die edelsten, erhabensten Blüthen, die -eurer Seele entsprießen.« Hier zitterte seine Stimme -und sein Auge ruhte flehend auf dem Wärter.</p> - -<p>»Ja, ja, Ihre Behauptung ist die richtige. Ein -runder Tisch hat vier Ecken,« bestätigte der gutmüthige -Wärter.</p> - -<p>Jetzt tänzelte eine lange, dürre Gestalt, mit allen -Merkmalen eines Löwen der Mode ausstaffirt, auf die -Streitenden zu.</p> - -<p>»Der Platoniker und der Cyniker bauen schon wieder -ihre Luftgebäude von Sophismen,« rief er verächtlich. -»Ich bin Raoul von Biber, der alle Frauenherzen mit -eben solchem Gleichmuth wie die Austern verspeist. Wer -wagt es über Liebe zu sprechen, ohne zuvor mein Gutachten -hierüber einzuholen? Ich will eure Lügengebäude -Kartenhäusern gleich zusammenschmeißen.« Und nun begann -<a class="pagenum" id="page_035" title="35"> </a> -der Weiberherzenfresser wunderbare Mären von -seinen Eroberungen zu erzählen. In seinem Siegesregister -wimmelte es von Fürstinnen und Herzoginnen, die sich um -ihn die Augen ausgeweint. Primadonnen und dramatische -Größen hatten nur für ihn gesungen und gespielt -und zahllose Unglückliche hatten sich aus Verzweiflung -über seine Kaltherzigkeit die Pulsadern aufgeschnitten -oder das kalte Wassergrab aufgesucht. Raoul behandelte, -seiner Versicherung nach, die Unglücklichen, die nach der -glänzenden Schmach, seine Sclavinnen zu sein, lechzten, -mit kalter Grausamkeit. Er warf einfach der Bevorzugten -das Schnupftuch zu und nahm es wieder -zurück, wenn er eine Andere vor Selbstmord bewahren -wollte.</p> - -<p>»Der alberne Nickvogel hat sich einen phantastischen -Harem mit glutäugigen und antilopenäugigen Odalisken -geschaffen,« flüsterte Graf Roller Zerlinen zu, und als -sie ihren Rundgang fortsetzen, erzählte er, wie eines -Tages die Schattengestalten, mit denen Raoul seinen -selbstgeschaffenen Harem bevölkerte, sich plötzlich für -ihn zu verkörpern begannen. In jedem Weibe erblickte -er nur eine erlauchte Persönlichkeit und zuletzt warf -er sich einer überreifen Tochter Libussas zu Füßen, -deren vornehmste Eigenschaften in der geschickten -Handhabung von Scheuerbesen und Aufwaschlappen -<a class="pagenum" id="page_036" title="36"> </a> -gipfelten, und bat sie flehentlich, ihn als Prinz-Gemal -zu acceptiren.</p> - -<p>Zerline hörte dem Grafen gelangweilt und mit -Mühe das Gähnen unterdrückend zu. Der Weiberherzenfresser -war für sie nicht neu und nicht interessant. Wie -viele solche eingebildeter Frauenbezwinger zählen zu ihren -Bekannten! Ein gutes Stück von Raouls Narrheit steckte -ja sogar in ihren mächtigen Gönnern. Wie ganz verschieden -war dies, was sie hier sah und vernahm, von dem, was -sie erwartet hatte. Was konnte sie eigentlich aus diesem -Wahnsinn für ihre Rolle Ersprießliches schöpfen? Sie -suchte ja nur den Wahnsinn, der der Verzweiflung entspringt -und Schrecken verbreitet. Was hatte sie bis jetzt -im Irrenhause gefunden? Narren, die sich vernünftiger -geberdeten als alle Anbeter, die zu ihren Füßen lagen. -In diesen nicht sehr erquicklichen Gedanken unterbrach -sie der Graf. Er machte sie auf einige Individuen aufmerksam, -deren Antlitz einen stark ausgeprägten Zug -speculativer Schlauheit aufzuweisen hatte. Er bezeichnete -sie als Opfer der Börsenkatastrophe. Einen ältlichen -Mann, dessen Brust eine Unzahl Orden aus Goldpapier -schmückte, bezeichnete er als einen gewesenen Börsenmatador, -der unermüdlich immer neue Pläne schmiede, um seine -verlorenen Schätze wieder zu erobern. Pläne, die natürlich -an Widersinn und Verrücktheit kaum ihres Gleichen -<a class="pagenum" id="page_037" title="37"> </a> -fänden, die aber ein glänzender Beleg für seine Raffinirtheit -in Gewinnerspähung waren. Er wendete sich nun an -den Irren und frug ihn, ob er schon einen neuen Plan -ersonnen habe, um Papier zu säen und Gold zu ernten. -Die Antwort war bejahend. Der Geisteskranke versicherte, -er habe den Schlüssel zur Pforte, die in das Goldland der -Glücksgöttin führe, nach angestrengtem Suchen endlich doch -gefunden. Dieser kostbare Fund habe ihm wieder einen Orden -von einem überseeischen Serenissimus eingetragen. Dabei -nestelte er feierlich einen papierenen Orden von seinem Wams -los, drückte diesen ehrfurchtsvoll an seine Lippen und -sein Rücken nahm nun eine solch' unterthänige Krümmung -an, daß man schier vermeinte, er wolle dem überseeischen -Serenissimus seine überschwängliche Kriecherei veranschaulichen.</p> - -<p>Der Graf bezeichnete ihn mit verächtlicher Geberde -als den obligaten Speichellecker der Mächtigen. Dieser -Schlag Menschen, behauptete er, sei nach Darwin ein -schlagender Beweis der Accommodationsfähigkeit lebender -Organismen. Dann wendete er sich wieder an den Irren -mit der Aufforderung, ihnen seinen genialen Plan, um -die rollende Kugel der launischen Glücksgöttin festzuhalten, -mitzutheilen. Der Patient war gleich bereit diesen Wunsch -zu erfüllen und begann in der weitschweifigsten Weise -seinen Finanzplan zu entrollen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_038" title="38"> </a> -Er habe den genialen Gedanken, durch eine Drahtseilbahn -in den Mond zu gelangen, um hier die Goldbergwerke -und die Diamantenfelder auszubeuten, theilte -er dem Grafen mit. Um nun dieses großartige Project -durchzuführen, müsse er zuvor einige glänzende Namen -an die Spitze seines Unternehmens stellen, und durch -einige gefällige Zeitungsschreiber sein Programm als -überaus günstig anpreisen lassen. Schon beim Beginn -wolle er trachten, aus der Rechnung der Einrichtungsspesen -den möglichst hohen Nutzen zu ziehen, und bei -jeder Wahl werde er durch bezahlte Strohmänner sich -die Stimmenmehrheit zu sichern wissen. Für Geld und -gute Worte werde er auch eine freundliche Bank finden, -welche bei seinen Papierembryos Pathenstelle vertreten -und diese noch vor der Geburt im Thronsaale Fortunas -einführen und cursfähig machen würde. Wenn diese also -lancirt wären, könnte er sie mit einem fabelhaft hohen -Agio in die Welt schicken. Natürlich würde er dann den -Gewinn einstecken und für sich die Präsidentenstelle reserviren, -seine Freunde jedoch zu Verwaltungsräthen machen, -um das Institut, das er geschaffen, nach Belieben zu -Grunde richten zu können. Dabei kicherte der Irre und -rieb sich vergnügt die Hände und machte seltsame Bockssprünge, -um seine Freude zu bezeigen, und fuhr immer -fort seinen Plan zu entwickeln. Wenn er die Cassen mit -<a class="pagenum" id="page_039" title="39"> </a> -Hilfe seiner Freunde geleert habe, sprach er weiter, wolle -er den Köder einer Superdividende auswerfen und dann -durch einen Cartelvertrag mit einem unter anderem -Namen ebenfalls von ihm gegründeten Institute die -dummen Actionäre wieder vertrauensselig machen. Unter -der Vorspiegelung, das junge Unternehmen werde an -dem maßlosen Gewinnste der Mutteranstalt participiren, -könnte man sich auch leicht das Bezugsrecht des jungen -bezahlen lassen. Sodann beginne er die Effecten seiner -Schöpfung durch Scheinverkäufe zu contreminiren und -schraube sie nach erfolgter Baisse durch lebhafte Nachfrage -in die Höhe.</p> - -<p>Es ist selbstverständlich, daß Zerline kein Sterbenswörtlein -von diesen genialen Finanzoperationen begriff, -ebenso wenig verstand sie die Behauptung des Grafen, -daß dieses erhaltene Maß von Intelligenz bei Verrückten -erstaunlich sei. Dies, meinte er dann, sollte nur unter -der Annahme verständlich sein, daß wahrscheinlich ein -geregelter Ablauf im logischen Apparate des Vorderhirns -eine minder intensive Arbeitskraft erfordere, als -die Ausübung der Hemmungsacte. Dies wäre die Erklärung -eines mächtigen Fürsten auf dem Gebiete der -modernen Psychiatrie.</p> - -<p>Plötzlich wurde der Graf von einem Manne am Arm -gefaßt und freundlich begrüßt. Als Professor und als -<a class="pagenum" id="page_040" title="40"> </a> -ein leuchtender Stern am Firmamente des Wissens stellte -der Graf diesen Zerlinen vor und frug sodann den Patienten, -ob es ihm schon gelungen sei das Problem zu lösen.</p> - -<p>»Mein Werk ist vollendet, das Problem ist gelöst -und vor dem unerbittlichen Feinde der Zoobionten ist -fortan eine unübersteigliche Schranke errichtet,« versicherte -der Professor mit wichtiger Miene. »Die Zerstörungswuth -der grausamen Natur wird endlich lahmgelegt -werden und ihre widersinnigen Anstrengungen, ihre herrlichsten -Werke zu vernichten, werden sich an meiner Combination -machtlos brechen. Der Mensch wird nicht mehr -der Sclave seines Blutes sein, er wird mit starker Hand -das Steuer seines Lebensschiffes regieren, er wird ebenso -der Windstille wie der sturmgepeitschten rothen Wogen -spotten. Der Puls darf nicht mehr der Zeiger der Lebensuhr -sein, der Schädel nicht die Gedankenhilfe, die Nase -nicht der Lungenschornstein, das Herz nicht das Blutreservoir -und der Magen nicht der Heizungsapparat. -Auch alle vegetativen und animalen Apparate werden -durch meine Combinationen ihrer Functionen enthoben. -Hier in dieser wundersam combinirten und aus reinem -Protoplasma construirten Form, hier ruht das Geheimniß -des Aufhörens der Endlichkeit der Bionten,« und bei -diesen Worten zog er eine kleine Thonfigur hervor und -zeigte sie dem Grafen und Zerlinen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_041" title="41"> </a> -»Weshalb nennen Sie die Natur grausam?« rief jetzt -ein Irrer, der dem Vortrage des Professors aufmerksam -zugehört hatte. »Warum der Natur Vorwürfe machen? -Wenn sie ihre mit Sorgfalt herangebildeten Werke zerstört, -so muß sie dies thun, denn dies geschieht ja nach einem -ewigen Gesetze und sie thut es nur mit zerrissenem -Herzen.«</p> - -<p>Der Professor maß den Vertheidiger der zerstörungssüchtigen -Natur mit zornigen Blicken und erwiederte in -sichtlicher Aufregung, die Natur sei grausam und lieblos, -die Natur setze das Wesen in die Welt, ohne sich um -sein Fortkommen zu kümmern, sie sei eine Rabenmutter, -liebe ihre Kinder nicht mit gleicher Liebe, denn sie lasse -diejenigen Wesen, die ihrer Auswahl nicht zusagten, -erbarmungslos verkommen und verkümmern. Er allein -liebe die Menschheit wahrhaft und deshalb werde er -diese vor Tod und Verwesung bewahren.</p> - -<p>»Du willst also der Menschheit die Unsterblichkeit -sichern und dadurch mein Reich entvölkern,« schrie der -zweite Irre mit zornblitzenden Augen. »Meinst du, daß -ich, der Tod, dies gutwillig dulden werde?«</p> - -<p>»Nein, nein, das darf er nicht thun, das wird der -Herr Director nicht erlauben,« beschwichtigte ein Wärter -den Aufgeregten.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_042" title="42"> </a> -»Dies werde ich zum Heil der Menschheit thun, -trotz des Widerstandes ihres erbitterten Feindes,« versicherte -der Professor würdevoll und kehrte seinem Gegner -den Rücken.</p> - -<p>Der Graf führte nun Zerline weiter und bemerkte -lächelnd, der Mensch sei doch ein eigenthümliches Wesen -mit seiner barocken Einbildung, daß er der bevorzugte -aller Bionten und als vollendetes Meisterwerk aus der -Künstlerhand der Natur hervorgegangen sei. Der kleinste -Wurm wäre ja in seiner Art ein ähnliches Wunderwerk -wie die menschliche Maschine. Ohne den complicirten -Bau desselben verrichte sein Organismus alle -Functionen, welche zu seiner Erhaltung und Fortpflanzung -bedingt sind. Der einzig unbestreitbare Vorzug des -Menschen wäre der göttliche Funke, die Geisteskraft. -Wie oft aber entsage der Mensch diesem Erstgeburtsrechte -um ein Geringeres noch als ein Linsengericht.</p> - -<p>Zerlinens Geduld war nun erschöpft. Sie hatte sich -die Füßchen wundgelaufen und hatte doch nichts Interessant-Verrücktes -gesehen. Die schwulstigen, unverständlichen -Reden überschnappter Gelehrten, der Schwindelplan eines -beutesüchtigen Geldmannes und die Vernachlässigung eines -gefühllosen Asketen waren doch weder belehrend noch -amüsant. Und doch soll eine ihrer Rivalinnen in der -Residenz den Genius der tragischen Kunst im Irrenhause -<a class="pagenum" id="page_043" title="43"> </a> -gesucht und auch gefunden haben. Auch sie wollte daselbst -etwas apart Verrücktes sehen und gab zuletzt diesem -Wunsche ohne Hehl Ausdruck. Der Graf schien darüber -nicht wenig befremdet und schüttelte den Kopf. Er meinte, -die Patienten wären doch für den Arzt sehr interessant. -Sie wähnten sich Millionäre, Könige, Götter, Propheten, -die unglücklicher Weise gezwungen wären, ihrer -höheren Macht zu entsagen und die nach vielen Plagen -des Verfolgungswahnes es erst erreicht, sich auf dieses -Piedestal der Narrheit zu stellen. Er begann nun die -physiologische Ursache eines Phänomens, welches die Laien -so sehr in Erstaunen setzte, vom wissenschaftlichen Standpunkte -aus zu beleuchten, er hielt wieder einen Vortrag -aus der psychiatrischen Pathologie über Hysterie, Epilepsie, -Hypochondrie und all' den daraus hervorgegangenen Formen -des Irrsinns in so breitspuriger und confuser Weise, -daß Zerlinen darob schier Hören und Sehen verging. -Wie eine Erlösung erschien es ihr, als ein Wärter ihnen -Einlaß in einen neuen Saal gewährte. Hier gewahrte -sie Schattengestalten, die lautlos dasaßen und düster vor -sich hinstarrten. Der Graf befragte einen dieser Bedauernswerthen, -einen noch jungen Mann, um sein Befinden. -Der Irre beklagte sich nun mit thränenden Augen -über seinen verzweifelten Zustand. Im Hirn habe sich bei -ihm ein Tumor ausgebildet, die obere Spitze des rechten -<a class="pagenum" id="page_044" title="44"> </a> -Lungenlappens sei mit Tuberkeln bedeckt, dazu komme -noch, daß die linke Herzklappe nicht mehr schließe und -die Verdauungsorgane zu functioniren aufgehört hätten. -Jeder dieser Krankheitsprocesse bedinge doch einen letalen -Ausgang und deshalb sei auch schon bei ihm der Collapsus -eingetreten. Als der Graf ihn zu beruhigen versuchte, -riß er sein Wams auf, entblößte seine Brust und -rief schluchzend, daß durch das Glasfenster an seiner -Brust der Einblick in die Verwüstungen, welche die -Krankheitsprocesse angerichtet, ermöglicht sei. Der Graf -erzählte nun Zerlinen, daß der Unglückliche ein Arzt sei, -der kurze Zeit nach seiner Promotion in diesen traurigen -Zustand verfallen wäre. Er fügte zum Schlusse bei, dies -wären die Accidentien des Arztes, das Bewußtsein der -steten Gefahren, die der menschlichen Maschine drohen, -und die Erkenntniß, daß von der vehementen Bewegung -oder von der Stagnation einiger Bluttropfen der Mechanismus -des Seins oder Nichtseins abhänge.</p> - -<p>»Trostlose Zeiten, trostlose Zustände!« schrie jetzt -ein Irrer, auf den Grafen zuschreitend. Und als der -Graf ihn frug, was ihm eigentlich so trostlos vorkomme, -begann der Irre sein Klagelied. Alles jage jetzt dem -leichten, mühelosen Gelderwerbe nach, der Tempel der -Kunst und des Wissens werde immer öder und verlassener -und wenn Kunst und Wissen sich jetzt nicht in -<a class="pagenum" id="page_045" title="45"> </a> -das bunte Kleid eines Marktschreiers hüllten, müßten sie -im Kampfe um's Dasein erliegen. Man fasle von Gerechtigkeit, -Anerkennung und Humanität. Dies wären nur -schönklingende Phrasen. Wo sei da die Gerechtigkeit, wenn -die Protection mächtiger Gönner die Koryphäen des -Wissens schaffe, wo die Anerkennung, wenn das Verdienst -sich zum Fußschemel von Emporkömmlingen erniedrigen -müsse, wo die Humanität, wenn die Gaben -nur ostentativ gespendet würden, um ein Bändchen im -Knopfloch zu erhaschen. Werde er nicht selbst um seines -Wissens willen tückisch verfolgt? Suchten ihn nicht die -Schergen der Tyrannei in Geistesfesseln zu schmieden?</p> - -<p>Der Graf bezeichnete den Zustand des Patienten als -Verfolgungswahn und machte dann Zerline auf einen -Greis aufmerksam, der jammernd und händeringend sein -geraubtes Geld zurückverlangte. Der Irre war ein reicher -Mann gewesen, der sein Vermögen durch den gräßlichsten -Geiz gesammelt hatte. Der Mammon war sein süßester -Genuß, sein Alles gewesen. Er verbarg ihn sorglich vor -jedem Menschenauge. So gut verbarg er sein geliebtes -Gold, daß er nach einer Krankheit, die ihm das Gedächtniß -raubte, das Versteck nicht mehr zu finden wußte. -Die Verzweiflung raubte ihm den Verstand.</p> - -<p>Zerline begann nun aus der Apathie zu erwachen. -Die Verrücktheit, die sie jetzt wahrnahm, war interessant -<a class="pagenum" id="page_046" title="46"> </a> -und ihrem Begriffsvermögen zugänglich. Die fleischlosen -Jammergestalten näherten sich den Vorstellungen, die sie -sich vom Wahnsinne gemacht hatte. Da hörte sie jammern, -schluchzen, sie sah Thränen, die ein eingebildeter Schmerz -erpreßte. Dies war der Wahnsinn, den sie künstlerisch darstellen -wollte. Es wurde immer interessanter. Jetzt verlangte -gar ein Irrer mit flehender Geberde ihre -Geldbörse, und als sie sein Verlangen erfüllte, da betrachtete -er prüfend jedes Geldstück von allen Seiten und -murmelte dann traurig: »Patriciermünzen, nur Patriciermünzen.« -Zuletzt gab er ihr die Börse wieder und entfernte -sich mit gesenktem Haupte. Der Graf erzählte ihr -nun, daß der Patient ein leidenschaftlicher Numismatograph -gewesen sei. Eines Tages wäre er von der Wahnidee -befallen worden, er müsse in den Besitz jener Münze -gelangen, welche – nach einer Mythe – Zeus jedem Sterblichen -bei seiner Geburt vom Olymp hinabwerfe. Diese -gespendete Münze soll nun nach der Wahnidee des Irren, -wenn sie auf das Wappen gefallen sei, einem Plebejer, -wenn sie auf den Kopf gefallen sei, einem Patricier gespendet -sein. Der Arme suchte nun als Plebejer seine vom -Sturz aus dem Olymp an dem Wappen beschädigte -Münze, fand aber nach seiner Versicherung nur Patriciermünzen.</p> - -<p>Der Graf führte sie nun in ein anderes Gemach, -<a class="pagenum" id="page_047" title="47"> </a> -in welchem Zerline einige Männer in steifer Haltung, -mit Brillen auf der Nase, in eifrigem Disput um einen -Tisch herum sitzen sah. Zerline fragte ihren Führer, ob -da wohl ein ärztliches Concilium abgehalten werde. Der -Graf bejahte dieses lächelnd und belehrte sie dann, diese -Geisteskranken wähnten sich Sanitätsräthe eines kranken -Staatskörpers und mühten sich ab, dem Patienten, der -an einem Neugebilde laboriren sollte, Hilfe zu bringen. -Komisch genug wären die Heilmethoden, die da versucht -werden sollten. Durch die widersinnigsten Versuche, durch -eine Palliativcur wollten sie das Krebsgeschwür exstirpiren. -Auf alle erdenkliche Weise zermarterten sich diese -gelehrten Köpfe das Hirn und keiner fand den Muth, -die Schneckenlinie der alten Therapie zu verlassen. Solch' -verzopfte Sanitätsräthe, meinte der Graf, curiren mit -ihren lächerlichen und gefährlichen Experimenten nicht -selten ihren Patienten zu Tode, wenn dessen robuste Natur -ihm nicht von selbst durchhelfe. Als sie einen zweiten -Saal betraten, gewahrte Zerline Geisteskranke, die singend -oder weinend auf Lehnstühlen saßen, während andere in -toller Lustigkeit herumsprangen. Das Bild des Wahnsinns -wurde immer ergreifender, düsterer und schauerlicher. -Für Zerline ward es immer interessanter, spannender -und, wie sie sich einbildete, für die Kunst nutzbringend.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_048" title="48"> </a> -Jetzt bezeichnete ihr der Graf einen Greis, dessen -Wehgeschrei den Raum durchzitterte. Zerline erfuhr nun, -daß der Arme drei blühende Söhne im Kriege verloren -und aus Schmerz hierüber irrsinnig geworden sei. Nun -folgten vom Grafen bittere Betrachtungen über die -Kriegsfurie. Wie die Gewalthaber es gar nicht berechnen -wollten, welches Elend sie durch die Kriege über die -Völker herabbeschwören, wie zu Gunsten Einzelner der -Wohlstand und das Familienglück Tausender vernichtet -würde und wie in unserer Zeit, welcher man Fortschritt -und Humanität nachrühme, die Kriege an Barbarei und -Zerstörungswuth die Gräuel der alten Zeit übertreffen. -Dies Alles fand an Zerline keine sehr aufmerksame und -theilnehmende Zuhörerin. Sie konnte es keinem Machthaber -verargen, wenn er die Zahl seiner Untergebenen -zu vergrößen suchte. Eroberungsgelüste waren bei ihr, -der allmächtigen Männerbezwingerin, keineswegs verdammlich, -wohl aber der Widerstand der zu Unterjochenden. -Alle Mittel waren dann erlaubt, um den -Sieg zu erringen. Nun führte sie der Graf zu den -Isolirzellen der Tobsüchtigen. Ein Wärter schloß die -Thüre einer Zelle auf und der Graf lud Zerlinen zum -Eintritt in dieselbe ein. Die Tragödin wurde bleich und -prallte erschreckt zurück. Aus der Zelle ertönte ein wildes -Geheul, und bald antworteten Stimmen, die keinen -<a class="pagenum" id="page_049" title="49"> </a> -menschlichen Klang mehr hatten, im schauerlichen Chor -aus den benachbarten Zellen.</p> - -<p>Der Graf blickte die Erschreckte befremdet an und meinte -dann, ihr fehle der dem Arzte nöthige Stoicismus. Nun -möchte er sie am Cadaver mit dem Secirmesser manipuliren -sehen. Er lud sie ein, ihm in die Leichenhalle -zu folgen und sich daselbst ein beliebiges Object zu -wählen. Kalter Schweiß bedeckte die Stirne Zerlinens. -Diese Zumuthung machte ihr das Blut erstarren. Sie -sollte eine Leiche anatomisch zerlegen und in deren Innerem -herumwühlen. Lebende verstand sie wohl meisterhaft in -Atome zu zerlegen, im Herzen ihrer Rivalinnen wußte -sie geschickt mit dem Scalpell der Bosheit herumzuwühlen. -Aber Leichen zerstücken, welch' ungeheuerliches -Verlangen! Schon wollte sie ihrem empörten Gefühl -Worte leihen, als sie sich noch rechtzeitig ihrer entlehnten -Würde als Fräulein Doctor erinnerte. Jetzt -wollte sie sich der Leitung ihres Führers unter dem -ersten besten Vorwande entziehen, als sie plötzlich ihr -Vorhaben aufgab. Der Graf erzählte ihr nämlich, daß -er ihr in der Residenz bei ihren wissenschaftlichen Studien -nützlich werden könne. Sein Vater bekleide eine hohe -Stellung bei Hofe und dessen Haus sei der Sammelplatz -aller hervorragenden Vertreter der Kunst und des -Wissens. Durch diese Mittheilung gewann der Graf eine -<a class="pagenum" id="page_050" title="50"> </a> -nicht geringe Bedeutung in ihren Augen. Sie mußte -doch trachten, die Zahl ihrer Gönner in der Residenz -zu vergrößern. Dies umsomehr, weil der Director des -Hoftheaters ein starrnackiger Pedant war, der wohl den -körperlichen Reizen der Kunstjüngerinnen Gerechtigkeit -widerfahren ließ, solche aber als Ersatz für künstlerische -Leistungen nicht gelten lassen wollte. Den Grafen mußte -sie also gewinnen, um sich durch seine Fürsprache den -Schutz seines mächtigen Vaters zu sichern. Der Plan -hiefür war von Zerline in einem Nu entworfen und -ohne Zögern schritt sie zu dessen Ausführung. Sie betrachtete -nun aufmerksam den Grafen. Er war kein übler -Mann. Sie wunderte sich, daß sie dies so lange übersehen -hatte. Der Drang des Wissens, die Liebe zu ihrer -Kunst hatten dies schier Unglaubliche bewirkt. Sie überblickte -nun den Raum, in welchem sie sich befanden. Es -war dies ein öder, endlos langer Corridor. Vor Störung -war man da sicher. Nun begann die kundige Männerbezwingerin -alle Brandraketen aus ihrem Arsenal gegen -ihr argloses Opfer loszufeuern. Mörderische Blicke, süßes -Lächeln, sanfte Händedrücke, berauschende stumme Verheißungen -bombardirten das leicht entzündliche Herz des -armen Grafen. Was Wunder also, daß der Ueberfallene -der unvermutheten Attaque nicht zu widerstehen vermochte. -Als noch zuletzt die geübte Strategin einen ihrer -<a class="pagenum" id="page_051" title="51"> </a> -harmonischen, reizenden kleinen Schreie wie ersterbend -hinhauchte und von einem plötzlichen Schwindel befallen -einen Stützpunkt suchte und diesen Stützpunkt in den -Armen des Grafen fand, da stimmte sie schon innerlich -eine Siegeshymne an. Einige Augenblicke spielte sie die -Bewußtlose, dann zeigte sie durch einen melodiösen Seufzer -die Wiedererstarkung ihrer Nerven an. Ein süßer Blick -und ein zarter Händedruck belohnten den Retter in der -Noth. Da riß sich dieser plötzlich von ihr los und starrte -sie mit unheimlich funkelnden Augen an.</p> - -<p>»Nur einmal durfte mich ein Weib betrügen,« murmelte -er und fuhr sich zu wiederholten Malen mit der Hand über -die Stirn. Nach wenigen Augenblicken errang er seine Fassung -wieder und zeigte ihr in höflichem, kaltem Tone an, daß -der Rundgang in der Herrenabtheilung zu Ende sei. -Die Räume, welche die weiblichen Irren bewohnten, -durfte er nicht betreten. Aergerlich und gedemüthigt -hörte Zerline kaum, wie er ihr die Oberwärterin, welche -nun das Führeramt übernehmen sollte, als eine alte -Klatschbase schilderte, die sich einbilde ärztliches Wissen -zu besitzen und die alle bei Fachmännern gebräuchlichen -Ausdrücke bis zur Unkenntlichkeit verstümmle. Als nun -auf sein Pochen die Oberwärterin die Thüre, welche zur -Frauenabtheilung führte, von innen öffnete, empfahl er -ihr eindringlich die Wissbegierde eines weiblichen Arztes -<a class="pagenum" id="page_052" title="52"> </a> -zu befriedigen, ohne jedoch die verstümmelten Mißgeburten -ihrer Arzneikunde an's Tageslicht zu fördern. Die Oberwärterin -warf ihm einen Blick zu, der gekränktes Ehrgefühl, -selbstbewußte Würde und auch ein klein wenig -Geringschätzung ausdrückte und schloß hinter ihm die -Thüre.</p> - - - - -<p class="pb mt4"><a class="pagenum" id="page_053" title="53"> </a> -<span><b>M</b></span>argarethe, die Oberwärterin, ein wohlbeleibtes -Weib mit gutmüthigem Gesichte, stellte sich dem Fräulein -Doctor als gehorsame Dienerin zur Verfügung. Sie -versicherte, vor Freude bis in den Himmel zu wachsen, -wenn sie eine Frau als gestudirten Doctor leibhaft vor -sich sehe. Die aufgeblasenen Mannsbilder trügen die Nase -gar so hoch. Nun wäre aber die gesegnete Zeit gekommen, -wo sie einsehen müßten, daß das Weib ebenso gescheit -wäre wie diese Herren Allesmir. Auch die alte Margarethe -wäre ein Doctor geworden, sie hätte das Zeug -dazu, aber man habe sie leider nicht gestudiren lassen.</p> - -<p>Zerline schenkte diesen Worten nur geringe Aufmerksamkeit. -Ihren Aerger über die zweifache Niederlage, -die sie in der Anstalt erlitten, die Vernachlässigung des -Priesters und der Widerstand des Grafen, vermochte sie -nicht so bald zu unterdrücken. Zuletzt tröstete sie sich -aber mit dem Gedanken, daß der Graf früher oder später -zu ihren Füßen liegen müsse. Welch' starre Felsenherzen -<a class="pagenum" id="page_054" title="54"> </a> -waren vom Glutblicke ihres Feuerauges zu weichem -Wachs geworden, und dieses Gräflein sollte ihr widerstehen? -Unbezwingbar war er nicht, dafür hatte sie -Beweise. Wenn er sie nur erst als die gefeierte Zerline -in ihrem reizenden Boudoir sehen würde, dann –. Diese -Siegesgewißheit verscheuchte bald die Wolken des Mißmuthes -von ihrer schönen Stirne. Sie wendete nun ihre -Aufmerksamkeit der redseligen Oberwärterin zu. Bald -begann sie sich in deren Gesellschaft wohl und behaglich -zu fühlen. Mit Margarethe durfte sie ohne Furcht, aus -der Rolle des Fräulein Doctor zu fallen und ihre Unwissenheit -zu demaskiren, nach Herzenslust reden, wie sie -es verstand. Sie war nun frei und ungezwungen. Der -erste Gebrauch, den sie von dieser köstlichen Errungenschaft -machte, war selbstverständlich um eingehende Erkundigungen -über den widerspänstigen Grafen einzuholen. -Die Auskunft, die ihr ward, brachte sie einer wirklichen -Ohnmacht nahe. Der Graf sei ein Patient der Anstalt, -berichtete Margarethe. Durch eine Komödiantin, die er -zu seiner Gräfin erhoben, grausam hintergangen, sei er -aus Gram irrsinnig geworden. In einem Wuthanfalle -habe er die Ehebrecherin ermordet. Man fand ihn im -Herzen der Todten herumwühlend, um da zu erforschen, -ob die Liebe, die sie ihm geheuchelt, wirklich -nur Lug und Trug gewesen sei. Für jetzt sei er -<a class="pagenum" id="page_055" title="55"> </a> -harmlos, nur das schreckliche Gelüste, in Leichen herumzuwühlen, -sei bei ihm nicht auszurotten. Immer sei er -in der Leichenkammer zu finden, allerlei gelehrten Krimskrams -führe er im Munde und seine wunderlichste Einbildung -sei, nur er verstehe die Arzneikunde und nur er -wäre der Obergott aller Doctoren.</p> - -<p>Zerline war, wie schon erwähnt, einer wahren und -wirklichen Ohnmacht nahe. Ihr Riechfläschchen und ein -Glas kaltes Wasser, welches Margarethe, durch ihre -Blässe erschreckt, eiligst herbeischaffte, machten erst ihre -Lebensgeister wieder erstarken. Entsetzlich, einen Geisteskranken -hatte man ihr zum Führer in der Behausung -des Schreckens gegeben. Jetzt erst ward ihr das sonderbare -Reden und das seltsame Benehmen des verrückten Grafen -erklärlich. Ihr Zorn kehrte sich nun gegen den Oberwärter, -der sie aus purer Bosheit dieser Gefahr preisgegeben -hatte. Margarethe gab sich alle Mühe, die Aufgeregte zu -beruhigen. Sie versicherte, daß in allen Irrenanstalten -Kranke, welche alle äußeren Zeichen der Verrücktheit abgelegt -haben, zu Diensten aller Art, ja sogar zur Pflege -anderer Kranken verwendet würden. Die letzte Versicherung -rief einen neuen Schreck bei der Geängstigten hervor. -Wie leicht war es möglich, daß Margarethe zu diesen -verrückten Pflegern zählte. Die Angst prägte sich so -leserlich auf dem Antlitz Zerlinens aus, daß Margarethe -<a class="pagenum" id="page_056" title="56"> </a> -sofort den Verdacht errieth. Die gute Oberwärterin suchte -die Furchtsame durch alle erdenklichen Beweisgründe von -ihrer Zurechnungsfähigkeit zu überzeugen. Nach vieler -Mühe gelang ihr dies endlich, und Zerline vertraute -sich ihrer Leitung an. Margarethe begab sich nun mit -ihr in den Conversationssaal der zweiten Classe. Hier -saßen Frauen verschiedenen Alters, mit Lectüre, Handarbeit -und auch mit Musik beschäftigt. Nach der Versicherung -der Oberwärterin verbrachte die Mehrzahl -dieser armen Irren ihre Zeit in der Anstalt viel angenehmer -und nützlicher, als sie es je in ihrem Heim gethan. -»Mein Herzchen, wie weit bist du mit der Arbeit?« -frug Margarethe ein junges Mädchen, welches mit -Charpiezupfen beschäftigt war, worauf die Irre in -klagendem Tone den Namen Egon murmelte. Margarethe -erzählte nun Zerlinen, wie dies das einzige Wort sei, -das ein Menschenkind von dem kranken Lamm zu hören -bekomme, es sei dies der Name des Gewissenlosen, der -das arme Kind in's Unglück gestürzt habe. Nun bezeichnete -sie ein altes Weib als vom Wahne ergriffen, in jeder -Speise Nadeln zu finden, eine zweite Kranke bilde sich -ein, man wolle sie vergiften, und nur mit Mühe gelinge -es, den armen Närrinnen Nahrung einzutrichtern. In ein -Nebengemach tretend erklärte die redselige Oberwärterin, auf -eine Patientin weisend, sie leide an »Halunkationen«, dieses -<a class="pagenum" id="page_057" title="57"> </a> -junge Herzchen sei ein »Migroköpsalus«, ein Ohnehirn, und -der wandelnde Flaschenkürbis, der heranrolle, sei eine -Komödiantin. Diese Lärmtrommel würde sich schon allein -präsentiren. Ihr Mundwerk gehe wie auf Rädern, die -Thränenpumpe sei in ewiger Bewegung, Ach und Weh -habe sie schockweise und Alles sei Lug und Trug. Sie, -Margarethe, habe eine Wuth gegen diese Komödiantenweibsbilder, -die halbnackt und mit Flitter behängt sich -von den Mannsbildern begaffen lassen. Ihr Ferdi wolle -ihr wohl einbilden, diese Komödiantenweiber seien nicht -so schrecklich, aber sie wisse wohl, wie viel die Glocke geschlagen -habe.</p> - -<p>Zerline überhörte die schmeichelhaften Worte, welche -Margarethe ihren Berufsgenossinnen spendete, ihre Aufmerksamkeit -war jetzt einer Person gewidmet, die, mit -verblaßten Theaterflittern aufgeputzt, das aufgedunsene Gesicht -mit einer dicken Schminkenschichte überstrichen, auf -sie zuwackelte und in Thränen zerfließend sich zu ihren -Füßen warf.</p> - -<p>»Sie gehören sicherlich nicht zu den Barbaren, die -sich an den Zuckungen des menschlichen Herzens ergötzen,« -rief die Irre die Hände ringend. »Sie werden mich -retten, mich, das unglückliche Opfer der schändlichsten -Cabale, Sie werden meine Wehschreie, die in diesen -schrecklichen Mauern ungehört verhallen, zu den Ohren -<a class="pagenum" id="page_058" title="58"> </a> -der Gerechtigkeit bringen und mich vor Wahnsinn oder -Selbstmord bewahren. Ja, vor Wahnsinn und Selbstmord, -denn ich bin auf dem Wege, der dahin führt. -Belehren Sie die Gerechtigkeit, daß meine herzlosen Kinder -mich aus schnöder Geldgier hier gefangen halten.« Dies -und Aehnliches brachte sie schluchzend hervor, ihren -Augen entstürzten bittere Thränen, ihr Körper bebte -unter der Wucht erdrückender Gefühle und es war sichtbar, -daß die Gebilde ihres kranken Geistes ihr herben -Schmerz bereiteten. Die Gebilde ihres kranken Geistes – -denn Margarethe versicherte Zerlinen, daß die verlogene -Komödiantin kein wahres Wort rede, sie habe ebensowenig -Kinder geboren, wie die Fahrstraße ein Blumengarten -sei. Sie nehme sich Komödiantengewinsel nie zu Herzen, -denn sie wisse, was dies werth sei. Die Oberwärterin -führte dann den gestudirten weiblichen Doctor durch -viele Räume, erzählte die Krankengeschichten der -Irren mit ermüdender Weitschweifigkeit und ließ keine -Gelegenheit unbenützt, um fremde Worte durch komische -Verrenkungen entstellt anzubringen. In einem Corridor -angelangt bemerkte sie, hier wären die Wohnzimmer für -die Kranken der ersten Classe. Die Reichen hätten krank -oder gesund, lebend oder todt, immer das Beste auf -dieser Welt. Der Pater Josefus versichere wohl, dem -Armen gehöre das Himmelreich; darauf gebe aber der -<a class="pagenum" id="page_059" title="59"> </a> -Bäcker kein Brod. Sie nahm eine Prise und schlug den -Deckel der Tabaksdose heftig zu. In Nr. 85 wohne eine -Gräfin, ein Kobold an Bosheit, berichtete sie dann -weiter. Eine Zunge habe die wie ein scharfgeschliffenes -Messer. Seitdem sie in die Anstalt gekommen, sei Alles -aus Rand und Band. Sie sei von einer Wuth besessen, -Vereine zu schaffen und Vorträge zu halten, und habe -mit ihrer Tollheit viele kranke Lämmer in reißende -Wölfe verwandelt. Da würden beständig Sitzungen abgehalten, -bei denen die Gräfin als Präsidentin das -große Wort führe, da werde ein gelehrter Krimskrams -zusammengedroschen, daß Einem der Kopf summe und -brumme. Der Präsidentin stehe eine Partei feindlich -gegenüber, an deren Spitze sich eine Sozinalkroatin befinde, -eine schreckliche Person, die just Alles von oberst -zu unterst kehren wolle, um gefrorenes Feuer und brennendes -Eis zu haben. Sie, Margarethe, habe gegen die -Sozinalkroatinnen eine ähnliche Wuth wie gegen die -Komödiantinnen. Diese Weibsbilder verlangen, es sollte -alles Mein und Dein aufhören. Wenn es nach dem Sinn -dieser Tollen ginge, so hätte jede einen Theil an ihrem -Ferdi. Auch einige Emanzipandlerinnen wären bei diesen -Sitzungen und hätten nicht die wenigsten Raupen im -Hirn. Nicht daß sie, Margarethe, gegen das Emanzipandeln -einzuwenden hätte, im Gegentheil, sie wäre stets -<a class="pagenum" id="page_060" title="60"> </a> -bereit das Recht der Frauen mit Mund und Faust gegen -die Mannsbilder zu vertheidigen. Aber was zu viel, sei -zu viel. Der Himmelvater sei an dem Unrecht, daß die -Mannsbilder Alles an sich gerissen haben, unschuldig wie -ein neugeborenes Kindlein und deshalb dürfe ihm kein -Haar gekrümmt werden. Wenn das Weib dem Herrn -Obenaus beweisen wolle, daß es ebenso viel Verstand -zum Gestudiren habe wie sie, das lasse sie sich gefallen, -aber den Herrgott aus dem Himmel und den Gottseibeiuns -aus der Hölle dürfe das Weib nicht vertreiben. -Es sei eine Sünde an alle die Gottlosigkeiten des ruchlosen -Tarfin zu glauben. Haarsträubende Dinge habe -eine Emanzipandlerin bei der letzten Sitzung von diesem -Tollen erzählt. Er verstehe alle lebenden, kranken und -todten Menschensprachen und auch die Sprache vom lieben -Vieh. Durch das liebe Vieh habe er nun erfahren, daß -unsere Großeltern wahre und wirkliche Affen gewesen -wären. Margarethe sei fast vom Schlag getroffen worden, -so niederschmetternd habe diese Schreckenskunde auf -sie gewirkt, denn die Tolle wisse ihren Unsinn so vernünftig -vorzutragen, daß man schier meine, es spreche -der Herr Director zu den Gestudirten. Sie waren jetzt -an der Thüre eines Saales, aus welchem ihnen lautes -Reden entgegen tönte, angelangt.</p> - -<p>»Schon wieder eine Sitzung,« knurrte die Oberwärterin -<a class="pagenum" id="page_061" title="61"> </a> -und öffnete die Thüre. In der Mitte des -Saales saß vor einem mit Papieren bedeckten Tische -eine großgewachsene Frau mit schwarzen, funkelnden Augen -und mit einem unzarten Anflug um die rothen, fleischigen -Lippen. Ihr zur Seite gewahrte Zerline eine welke -Gestalt mit wasserblauen Augen und flachsblonden -Schmachtlocken. Laut schwatzend und gesticulirend saßen -Frauen in verschiedenen Gruppen. Kraus und bunt -schwirrten die Stimmen durcheinand und machten es -unmöglich, die Worte, die Margarethe an die Vorsitzende -richtete, zu vernehmen. Das Glockenzeichen der Präsidentin -machte erst Alle verstummen. Die Oberwärterin -erbat nun für einen gestudirten weiblichen Arzt die Erlaubniß, -der Sitzung beiwohnen zu dürfen. Dies Ersuchen -wurde von der Vorsitzenden erst nach langem Bedenken -und mit nicht sehr freundlicher Miene gewährt. -Margarethe schob nun für Zerline einen Sessel nahe -dem Ausgange zu und begann ihr die Mitglieder der -Sitzung zu bezeichnen. Die Gruppe zur Rechten waren -die Vereinsnärrinnen, die treuen Anhängerinnen der Präsidentin, -die Gruppe zur Linken die Sozinalkroatinnen, -die in der Mitte die Emanzipandlerinnen. Die schattenhafte -Gestalt neben der Präsidentin bezeichnete Margarethe -als Fräulein Rosalinde Zimperling, eine alte, -versauerte und vertrauerte Jungfer, voll Falschheit, Bosheit, -<a class="pagenum" id="page_062" title="62"> </a> -Tücke, Neid, Schwatzhaftigkeit, Gefallsucht und Putzsucht. -Sie häufe allen möglichen Spott und die bitterste -Verunglimpfung mit Schrift und Wort auf die Emanzipandlerinnen, -versicherte die Oberwärterin und zweifelte -auch nicht, daß Zerline bald erstaunen werde, wie solch -ein mageres Gefäß so viel Gift enthalten könne.</p> - -<p>»Fahren Sie in Ihrem Vortrage fort, Fräulein -Nani,« rief jetzt die Vorsitzende mit einer Stimme, die -alle Fensterscheiben klirren machte.</p> - -<p>Ein junges, schönes Mädchen zur mittleren Gruppe -gehörend, erhob sich und begann mit wohlklingender -Stimme:</p> - -<p>»Meine freundlichen Zuhörer! Ich will Ihnen nun -klar darthun, daß alle diese Sophismen nur dazu dienen, -um den menschlichen Geist <i>ad absurdum</i> zu führen. -<i>Cogito, ergo sum!</i> Welcher Unsinn! Ich esse, trinke und -bewege mich, ist viel richtiger gesagt, denn dieser Beweis -ist jedenfalls viel sicherer geliefert durch den Hinweis -auf Dinge, die der realen Welt entstammen und unseren -Sinneswahrnehmungen zugänglich sind, als durch den -auf das Denken, der Mutter der Phantasie, die selbst -ein Trugbild uns nur Trugbilder vorgaukelt. Möge der -Mensch sich das Ebenbild des Weltgeistes nennen, möge -er das Denken als ausschließliches Privilegium reclamiren -und seinen Stolz dareinsetzen alleiniger Besitzer desselben -<a class="pagenum" id="page_063" title="63"> </a> -zu sein, es ist für die Existenz keine <i>conditio sine qua -non</i> und bleibt somit nur ein unwesentliches Attribut -derselben. Wie traurig ist es überhaupt damit bestellt! -Der Gedanke entsteht nicht in uns, wir können ihn nicht -nach Willkür hervorzaubern oder bannen, er wird uns -von außenher aufoctroyirt, beherrscht uns gegen unseren -Willen, wir sind nicht sein Herr, sondern Sclave desselben, -und darum bleibt es noch immer zweifelhaft, ob -das Denken ein schönes, erhabenes Besitzthum, ob es die -Quelle des Glückes und der Zufriedenheit, oder nicht -vielmehr die alles Unheils und menschlichen Elends sei.« -Hier machte die Sprecherin eine Pause und labte sich -mit einem Schluck Wasser. Das Auditorium setzte alsbald -die Sprachwerkzeuge in Bewegung, um sich für die -bis nun auferlegte Enthaltsamkeit möglichst schadlos zu -halten. Das Glockenzeichen und der Befehl, Fräulein -Nani möge in ihrem Vortrage fortfahren, durch die gefürchtete -Präsidentin gegeben, stellte sofort die Ruhe -wieder her. Margarethe versicherte Zerlinen, Nani spreche -gottvoll, aber wie sollte sie ihren Verstand nicht verloren -haben, wenn solche grausliche heidnische Worte in ihrem -armen Schädel spukten.</p> - -<p>»Wie manche herbe Stunde, wie manche grausame -Marter wäre uns erspart, wenn wir uns dieses geistigen -Joches entledigen könnten,« fuhr Nani in ihrem Vortrage -<a class="pagenum" id="page_064" title="64"> </a> -fort. »Vergebens suchen wir unsere Gedanken zurechtzusetzen, -oder ihnen eine uns beliebige Richtung zu geben. -Der Impuls von außen ist gegeben, und keinem andern -Gedanken Raum gebend, zuckt es wie Blitz auf Blitz in -unserem Hirn und wieder und immer wieder wird der -Gegenstand beleuchtet, den wir in Nacht und Dunkel begraben -möchten.« Die letzten Worte sprach sie mit bebender -Stimme, ihr Blick wurde trüb und umflort, dann preßte -sie die Hände an die Brust und brach in krampfhaftes -Schluchzen aus.</p> - -<p>»Eine schöne Bescherung! Jetzt verfällt sie in ihren -Praxismus,« knurrte die Oberwärterin und befahl einer -ihrer Untergebenen die aufgeregte Kranke in ihre Wohnstube -zu führen. Dann wendete sie sich an Zerline und -belehrte sie, daß die arme Nani ihren jammervollen Zustand -einem Mosje Ohneherz verdanke. Für die Herren -Allesmir sei eine gestudirte Frau Zacherls Schabenpulver, -deshalb habe der Mosje, dem sie ihr Herz -zugewendet, der Armen eine Mamsel Ohnehirn vorgezogen.</p> - -<p>»Die Närrin sollte nie zu einem Vortrage zugelassen -werden,« eiferte die schmachtlockige Rosalinde. »Das -Denken nennt sie ein geistiges Joch, die Quelle alles -Elends. Gibt es ein schöneres, erhabeneres Recht für die -Menschheit als das Denken? Der Gedanke ist nur dann -<a class="pagenum" id="page_065" title="65"> </a> -verwerflich, wenn gewisse Personen ihn zu thörichten -und verwerflichen Zwecken mißbrauchen.« Ein verächtlicher -Blick wurde jetzt der mittleren Gruppe zugeschleudert.</p> - -<p>Die Glocke der Präsidentin ertönte bald wieder. -Es wurde Fräulein Rosalinden das Wort ertheilt.</p> - -<p>»Na, da werden wir was Schönes zu hören bekommen,« -flüsterte die Oberwärterin Zerlinen zu. »Dieses -Reibeisen schindet immer die armen Emanzipandlerinnen -bis auf's Blut.«</p> - -<p>Rosalinde begann nun mit schriller, kreischender -Stimme eine geharnischte Rede gegen die furchtbarste -Geißel der Jetztzeit, gegen die streitwüthigen Amazonen -loszudonnern. Sie versicherte, nichts sei diesen Zerrbildern, -diesen Unnaturen heilig. Das Edelste, Erhabenste -werde von ihnen begeifert, verspottet, verlästert und in -den Koth gezogen. Alle weiblichen Tugenden würden von -ihnen lächerlich gemacht, alles Ehrwürdige mit Füßen -getreten. Sie reden der Schamlosigkeit, der Frechheit, -der Gottlosigkeit das Wort und wollten das Frauengeschlecht -demoralisiren und zur frechsten Verhöhnung der -göttlichen und menschlichen Gesetze aufstacheln. Da nun -das Gesetzbuch leider keine Strafe für diese Ruchlosigkeiten -habe, da man diese Verbrecherinnen nicht, wie sie -es verdienen, mit dem Schwerte des Rechtes ausrotte, -<a class="pagenum" id="page_066" title="66"> </a> -da man ihnen nicht die verleumderischen Zungen ausreiße, -die räuberischen Hände nicht abhaue und sie nicht -wie giftige Schlangen zertrete; so erhalte sie, Rosalinde, -ihre Behauptung aufrecht, daß man dieses schändliche -Treiben nicht länger dulden dürfe. Mit Wort und Schrift -müsse man gegen dies vielköpfige Ungeheuer kämpfen. -Deshalb stelle sie den Antrag, daß alle ihre Mitschwestern, -alle wahren Hüterinnen des Palladiums der Weiblichkeit, -sich bei der Gründung ihres proponirten Blattes -betheiligen sollten. Dies Blatt sollte »der Feuerbrand« -heißen und dadurch, nur dadurch würde die verderbliche -Hydra ausgerottet werden. Dies Blatt mit den dazugehörigen -Illustrationen werde sie ihren Gesinnungsgenossinnen -sofort zur Einsicht unterbreiten. Der hohe -Zweck desselben sei, durch sprühenden Witz und niederschmetternde -Beweiskraft allen Uebergriffen der weiblichen -Demagogie zu steuern und sie mit der Knute der -Lächerlichkeit in die angewiesenen Schranken zurückzujagen.</p> - -<p>»Die maustolle Trude. Da werden wir etwas -Apartes zu hören bekommen,« knurrte die Oberwärterin, -den Deckel ihrer Tabaksdose heftig zuklappend. Zerline -ihrerseits unterdrückte mühsam ihr Gähngelüst.</p> - -<p>Inzwischen hatte Rosalinde ein Papier entrollt und -begann den »Feuerbrand« gegen die weiblichen Unnaturen -zu schleudern. Das erste Bild, erklärte sie, sei der emancipirte -<a class="pagenum" id="page_067" title="67"> </a> -weibliche Arzt am Secirtische. Die ungraziöse -Gestalt in halbmännlicher Kleidung, das kurzgeschorene -Haar, die Cigarre im Munde, die Aermel aufgestreift, -die blutbefleckte Hand mit dem Secirmesser bewaffnet, -habe nichts Weibliches mehr an sich. In dem Blicke, -den sie starr auf das bloßgelegte Herz eines weiblichen -Cadavers gerichtet habe, male sich weder Scheu noch -Gemüthsbewegung, der Blick drücke nur ein tiefes Erstaunen -über eine entdeckte Abnormität aus, die sie bei -allen Cadavern von emancipirten Frauen entdecke, die -Abnormität sei, Atrophie des Herzens.</p> - -<p>Die Oberwärterin machte ihrer Entrüstung durch -einen neuen energischen Klaps auf den Deckel der Tabaksdose -Luft und blickte dann erstaunt auf Zerline, die zu -ihrer Bonbonnière Zuflucht genommen hatte, um das -Gähngelüst zu bewältigen. Der gestudirte weibliche -Doctor blieb ruhig bei den boshaften Ausfällen der -mageren Giftblase. Margarethe konnte diese Gelassenheit -nicht begreifen.</p> - -<p>Jetzt erklärte Rosalinde das zweite Bild. Dies -veranschaulichte den weiblichen Staatsanwalt, der in der -jugendlichen Verbrecherin, die vor den Schranken des -Gerichtes erscheint, die eigene Tochter erkennt. Bis auf -diese Stufe der moralischen Verkommenheit war das -Kind durch den Mangel an Aufsicht von Seite der -<a class="pagenum" id="page_068" title="68"> </a> -emancipirten Mutter angelangt. Nun kam Rosalinde -zum dritten Bild, welches die moderne Philosophin -skizzirte. Diese saß vor einer verschwenderisch besetzten -Tafel und hielt einen schäumenden Pocal in Händen. -Das rothe, aufgedunsene Gesicht, der stiere Blick und -die verschobenen Kleider zeigten von einer emancipirten -Ausschreitung und der sinnliche Mund stammelte: »<i>Ede, -bibe, lude, post mortem nulla voluptas.</i>« Das -vierte und letzte Bild zeigte die Zukunftstheologin auf -der Kanzel. Der Text ihrer Predigt war die Darwinsche -Theorie und die freie Liebe. »Dies ist das trostreiche -Zukunftsbild der weiblichen Demagogen, zu solchen Ausschreitungen -wird sie ihr unnatürliches Gelüste treiben,« -schloß Rosalinde ihren Vortrag.</p> - -<p>Ein verkrüppeltes Wesen mit wirrem, struppigem -Haar wackelte jetzt auf Rosalinde zu und declamirte aus -einem Volksliede:</p> - -<table summary="" border="0" cellpadding="0"> - <tr><td class="tdl">»Wann d' Papageien Concerte geb'n</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und d' Affen a Soirée,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Die Schwalben man füttert mit Ziweb'n,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und die Wanzen mit Kaffee</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und der Bandlwurm a Seiden spinnt,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Der Esel Eisschuh schleift</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und die Leut' auf'n Kopf gar stehen,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Wird dös a g'schehen.«</td></tr> -</table> - -<p>Rosalinde stieß sie unsanft von sich und wendete -sich zu ihren Anhängerinnen, deren Gratulationen und -<a class="pagenum" id="page_069" title="69"> </a> -Beifall ihr im vollsten Maße zu theil wurde. Die Wuth -ihrer Widersacherinnen machte sich durch Zischen und -Schmähungen Luft. Zu diesen gehörte selbstverständlich -auch die Oberwärterin.</p> - -<p>»Erhebt sich denn gar keine Hand, um diesem Krokodil -die Zähne auszubrechen,« knurrte sie, eine Faust im Sack -machend. »Die Giftblase spielt jetzt die erste Geige. Wenn -ich gestudirter Doctor wäre, sollte sie einen Denkzettel -kriegen, den sie sicherlich nicht hinter den Spiegel stecken -würde. Das boshafte Weibsbild scherwenzelt um die -Herren Allesmir und gönnt den armen Emanzipandlerinnen -nicht das bischen Freiheit, weil sie mannstoll ist und -durch ihre Kriecherei die Männer erobern möchte. Ihre -Krankheit ist ja die Manonymphie, die Mannsucht.«</p> - -<p>Die linke und mittlere Gruppe waren in zorniger -Aufregung. Sie schrien und kreischten und gesticulirten, -während Rosalinde, um die sich ihre Anhängerinnen geschaart -hatten, höhnisch auf ihre Widersacherinnen -herabsah.</p> - -<p>»Frau Pelten will reden. Na, die wird der Viper -kein Kleingeld auf ihre Münze zurückgeben,« murmelte -Margarethe, sich vergnügt die Hände reibend.</p> - -<p>Eine stattliche Frau nahm jetzt das Wort. Sie -versicherte, daß die Geistesschärfe und Logik, mit denen -<a class="pagenum" id="page_070" title="70"> </a> -die drastischen Bilder entworfen wären, der Spenderin -dieser kostbaren Geistesperlen einen unvergänglichen Ruhm -sicherten. Solch edle Selbstlosigkeit im Kampfe für Weiblichkeit -und Frauenwürde könne wahrlich nur das gefühlvolle -Herz einer nicht emancipirten Frau beseelen. Das -Für und Wider der Frauenemancipation wolle sie hier -nicht erörtern, dies sei eine Frage der Zeit. Die Zukunft -werde lehren, ob dies wirklich ein göttliches und natürliches -Recht wäre, daß das Weib allein unverrückbar an -einem Standpunkte geschmiedet bleiben solle. Nur dies -bleibe ihr dunkel, warum die Hüterin des Palladiums -der Weiblichkeit behaupte, daß die Aufklärung, und das -Streben nach Freiheit, alle zarten Blüthen der Gefühlswelt -entwurzelten. Diese hätten ja erst die köstlichsten -Blüthen zur Entwicklung gebracht. Die Aufklärung, das -Denken über Menschenrechte und Menschenwürde könnten -der Weiblichkeit nicht Abbruch thun und seien nicht gottlos. -Die Menschenvernunft sei ja ein Ausfluß der Gottesvernunft -und daher ihr ähnlich, sie sei das Organ des -Verständnisses mit Gott, der Impuls zur wahren Erkenntniß -und der Wegweiser zur reinen Religion. Die -Erweiterung des geistigen Horizontes, der Fortschritt -und die immerwährende Weiterentwicklung der Menschheit, -bis sie die Vollendungsstufe erreiche, dies sei ja -der wahre Gottesgedanke. Warum sollte also das urewige -<a class="pagenum" id="page_071" title="71"> </a> -Wesen dem Weibe den göttlichen Funken, den Verstand, -gegeben haben, wenn man von ihm nur stumpfe, sterile -Gläubigkeit fordert? Sollte das große, gütige Wesen -verlangen, daß die Frau nicht denke, nicht nach Freiheit, -nach Selbstständigkeit strebe, daß sie nur an die höhere -Befähigung und Einsicht, an die Erhabenheit und Oberhoheit -des Mannes blindlings glaube? Dies sei das -ungerechteste Verlangen, das je einem Menschenhirn -entsprang, denn göttlich sei sein Ursprung nicht. Der -mächtige Weltgeist verbiete keinem vernunftbegabten -Wesen das Joch der Vorurtheile abzuschütteln, die Bande, -welche den Geist umwinden und ihn stumpf und unfähig -machen, zu sprengen. Er gebiete den Aufschwung zum -Menschenrecht und das Emporstreben zur Freiheit.</p> - -<p>Margarethe schüttelte unzufrieden den Kopf. Dies -war, wie sie Zerlinen zuflüsterte, die Antwort nicht, die -sie dem Giftpilz gegeben wissen wollte. Wie Taubeneier -groß sollten Hagelkörner dicht über das schuldige Haupt -daniederschmettern, und da kam ein leichter Regenschauer -mit Rosenwasser parfümirt. Zu Rosalinde müßte ein -scharfzüngiges Höckerweib reden und nicht Frau Pelten, -eine berühmte Bücherschreiberin. Zerline erhob sich nun -von ihrem Sitze. Die Abhandlungen <i>pro</i> und <i>contra</i> -Emancipation waren ihr herzlich gleichgiltig. Ein gescheites -Weib, dachte sie, benöthigt keine officielle Anerkennung -<a class="pagenum" id="page_072" title="72"> </a> -seiner Rechte. Es weiß die eingebildeten Obergötter -in demüthige Sclaven umzuwandeln. Sie fand -selbstverständlich kein Interesse an diesem Wahnsinn, der -sich so vernünftig geberdete, und bat Margarethe sie zu -Geisteskranken zu geleiten, die ihre Verrücktheit nicht mit -dem Gewande der Vernunft bekleideten. Schon wollte -die Oberwärterin ihren Wunsch erfüllen, als eine ältliche -Frau mit markirten Zügen das Wort verlangte.</p> - -<p>»Die Sozinalkroatin will reden,« rief Margarethe -aufjubelnd. »Na, da kommt es gesalzen und gepfeffert. -Ich habe gegen die Sozinalkroatin eine Wuth, wenn -sie aber dem Kratzeisen da die Zähne stumpf macht, will -ich es ihr nicht vergessen.« Sie bat nun Zerlinen noch -eine Weile sich zu gedulden, um die Genugthuung zu -haben, die Schmerzensschreie Rosalinde's zu vernehmen, -wenn die scharfen Krallen der Sozinalkroatin sich in ihr -Gerippe einbohren würden. Während die Präsidentin die -Ruhe bei dem wildaufgeregten Auditorium herzustellen -suchte, berichtete Margarethe Zerlinen, daß Frau Pelten, -die berühmte Bücherschreiberin, bald die Anstalt verlassen -würde. Sie sei vor Gram tiefsinnig gewesen, weil -ihr Gatte, ein gewissenloser, dummer Ohnehirn, die gebildete -Frau schrecklich mißhandelt und ihr sogar unter -dem Vorwande, sie habe durch das Bücherschreiben den -Verstand verloren, die Erziehung ihres Töchterchens entzogen -<a class="pagenum" id="page_073" title="73"> </a> -habe. Nun sei sie von ihm los und ledig, sie sei -von ihm gesetzlich geschieden und könne nach Herzenslust -berühmte Bücher schreiben. Die Sozinalkroatin bilde sich -ein, fuhr sie dann fort, sie sei dazu berufen, die Ordnung -auf der lieben Gotteswelt herzustellen und deshalb -wolle sie Alles zu gemeinem Gut machen. Sie habe -Margarethen erklärt, Alles müsse Allen gehören. Ihr -Mund sei ein feuriges Schwert, versicherte die Oberwärterin, -und die mustergiltigste Feuerwehr würde -sich vergeblich anstrengen diesen Höllenbrand zu ersticken.</p> - -<p>Inzwischen hatte das Wortgefecht wieder begonnen. -Die Glocke der Präsidentin und ihre eindringliche Stimme -hatten sich endlich Gehör verschafft.</p> - -<p>»Auch ich will ein Bild entwerfen,« rief die Sprecherin, -»ein wahrheitgetreues Bild von den Hüterinnen des -Palladiums der Weiblichkeit und auch von ihrer Anführerin, -der giftgeschwollenen Natter, die feig in die -Ferse sticht und die an Bosheit, Heuchelei, Arglist und -tückischen Ränken alle ihre Anhängerinnen überflügelt.«</p> - -<p>»Man muß ihr das Wort entziehen,« schrie Rosalinde -zornglühend.</p> - -<p>»Warum nicht gar,« rief die Oberwärterin, die -Hände in die Seiten stemmend. »Was Einem recht, muß -<a class="pagenum" id="page_074" title="74"> </a> -dem Anderen billig sein. In unserer Anstalt darf jeder -frei von der Leber weg reden. Wer nicht hören will, -kann gehen.«</p> - -<p>Die dünne, lange Gestalt Rosalinde's zitterte vor -Wuth. Ihr grimmig funkelndes Auge starrte bald die -Oberwärterin, bald die Socialdemokratin mit unsäglichem -Haß an.</p> - -<p>Die Rednerin begann nun eine drastische Schilderung -dieser Kämpferinnen für die das Gemüth verfeinernde, -verschönernde, veredelnde Weiblichkeit zu entwerfen. -Als Mädchen, versicherte sie, blieben diese zarten -Naturen Jahre hindurch bei der Zahl »zwanzig« stehen -und erst wenn sie plötzlich unter den Augen gewisse -ominöse Linien entdeckten, wenn der Teint gelb wie eine -langgebrauchte Messerscheide würde, wenn das Haar sich -zu lichten beginne und indiscrete Silberfäden auftauchten, -erst dann entschließen sich die zarten Lianen den ersten -besten Stock als Stütze zu nehmen und die Stufen der -»Fünfundzwanzig« zu erklimmen. Als verheiratete Frauen -klammern sie sich mit verzweifelter Anstrengung an die -Zahl »dreißig«, drücken einen unüberwindlichen Abscheu -gegen das barbarische Mittelalter aus und wollen, o -seltsamer Widerspruch! doch nicht fortschreiten, ja sie -bestreben sich sogar Rückschritte zu machen. Sie leben so -lange im Wahne, daß sie glauben machen, was sie glauben -<a class="pagenum" id="page_075" title="75"> </a> -machen wollen, bis die Nemesis in Gestalt mannbarer -Töchter sie zur grausamen Wirklichkeit zurückführe. -Solch sprechende Beweise vermögen sie nicht mehr -hinwegzudisputiren. Nun höre wohl der Kampf gegen den -schonungslosen Saturn auf und sie singen endlich ihrer -längst dahingeschiedenen Jugend das <i>requiescat in pace</i>. -Dafür aber nehmen sie bei der ersten Condolenzvisite -des Alters sofort von all' dessen Privilegien Besitz und -werden augenverdrehende Frömmlerinnen und Jüngerinnen -der Medisance. Als Lady Tartuffe, die vom Scandal -zum Sacrament gegriffen, verstehen sie es meisterhaft -ihre Antecedentien mit dem Deckmantel der Heiligkeit zu -drapiren und mit gegen Himmel gerichteten Blicken über -die Verderbtheit der Menschheit zu jammern. Als Jüngerinnen -der Medisance wären sie ein furchtbares Tribunal. -Wehe den Unglücklichen, die der Macht dieser Cannibalinnen -anheimfielen. Jugend, Schönheit, Talent, Edelsinn, -Hochherzigkeit wären da verdammenswerthe Verbrechen, -die mitleidlos geahndet würden. Um vor der -Verfolgungswuth dieser Harpien gesichert zu sein, müsse -man die höchste oder niederste Stufe auf der socialen -Leiter einnehmen. Wer nicht gefürchtet oder übersehen -werde, der fühle, wie diese Ungeheuer mit vereinten -Kräften an dem Piedestal seines Glückes rüttelten, um -dies gewaltsam zu zertrümmern. »Diese Weiber nun -<a class="pagenum" id="page_076" title="76"> </a> -nennen sich die Kämpferinnen für die Weiblichkeit,« schloß -die Sprecherin ihre Rede. »Sie verfolgen alle ihre -Schwestern, die nicht ihrem Bunde angehören, die den -Muth haben nach Freiheit, nach Menschenrecht, nach -Selbstständigkeit zu ringen, sie begeifern Alle, welche die -Schwächen der zarten Naturen abgestreift, das heißt, -welche keine rührenden Sprüche, keine schönen Redensarten, -keine frommen Tractätchen und keine gleißnerischen -Thränen mögen; sie verfolgen die Zerrbilder, welche -die Eitelkeit, die Gefallsucht, den Eigensinn, die Unbeständigkeit, -die Klatschsucht, all' diese reizenden Attribute -der zarten Naturen abgestreift haben, um ohne Scheu zu -behaupten, daß Freiheit und Menschenrecht nicht das -Monopol Einzelner, sondern Gemeingut sein müsse.«</p> - -<p>Ein anhaltender Beifall ihrer Parteigängerinnen -begleitete die Schlußworte der Sprecherin. Dann aber -folgte ein solch lautes, verwirrtes Gebrause von Stimmen, -daß man nichts Deutliches mehr vernehmen konnte. Die -Wuth der rechten Gruppe war in hellen Flammen ausgebrochen. -Mit wildem Geschrei, mit drohend geballten -Fäusten begannen sie alsbald auf ihre Widersacherinnen -einzudringen. An ihrer Spitze gewahrte Zerline die Präsidentin -die Glocke schwingend, um sich derselben als Wurfgeschoß -zu bedienen. Ihr zur Seite befand sich Rosalinde -mit funkelnden Augen wie eine wilde Katze, die mageren -<a class="pagenum" id="page_077" title="77"> </a> -Hände mit den krallenartig zugespitzten Nägeln drohend -erhoben. Ehe jedoch die zarten Naturen mit den starken -Naturen handgemein werden konnten, hatten einige handfeste -Wärterinnen sie auseinandergebracht und in ihren -Wohnstuben internirt.</p> - -<p>Die Oberwärterin erzählte nun Zerlinen, während -sie sich in eine andere Abtheilung begaben, der Schluß -jeder Sitzung gleiche dem der nun stattgefundenen. Die -schattenhafte Jungfer Rührmichnichtan könne keine Wahrheit -verdauen und erwiedere diese durch Prügelargumente. -Der Herr Doctor nenne diese Kämpfe den Frosch- -und Mäusekrieg. Nun begann Margarethe wieder die -Krankengeschichten ihrer Pfleglinge zu berichten. Auf Nr. 89 -wohne eine gefährliche Irre, ein altes Mütterchen, das -durch die Schlechtigkeit eines herzlosen Kindes den Verstand -verloren habe. Die entartete Tochter habe der -braven Mutter einen Schimpf zugefügt, den ein ehrliches -Mutterherz nicht verwinden könne. Das tolle Lamm bilde -sich nun ein, böse Geister wollten ihr Kind verleumden -und kämpfe gegen diese Teufel. In Nr. 90, belehrte die -Oberwärterin weiter, wohne eine arme Närrin, welche -die Treulosigkeit ihres Gatten in die Anstalt gebracht -habe. Er habe das schöne liebe Weib um einer Komödiantin -willen verlassen und dadurch dem Wahnsinne -überliefert. Jetzt weine sich die arme Närrin um das -<a class="pagenum" id="page_078" title="78"> </a> -liederliche Tuch die Augen aus. Nach diesen Worten -öffnete sie die Thüre von Nr. 90.</p> - -<p>Auf einem Lehnstuhle saß eine weibliche Gestalt -bleich und mit eingesunkenen Wangen, um die das reiche -dunkle Haar in aufgelösten Strähnen herabfiel. Die -großen, düster glühenden Augen starrten in die Ferne, -die Brust hob und senkte sich rasch und die weißen, durchsichtigen -Hände zuckten krampfhaft, bald sich öffnend bald -sich wieder zusammenziehend.</p> - -<p>»Sie denkt immer an den Gewissenlosen, der ihr um -einer liederlichen Komödiantin willen das bitterste Herzleid -zufügte,« flüsterte Margarethe Zerlinen zu. »Um -seinetwillen hat sie sich in's Wasser gestürzt. Als man -die Arme mit knapper Noth den Wellen entriß, mußte -man sie zu uns in die Anstalt bringen. Diese freche -Komödiantin soll der leibhafte böse Geist sein, schöner als -alle Weiber und schlechter als alle Mannsbilder. Na, wenn -die meinen Ferdi mit ihren schamlosen Teufelskünsten -verlockt hätte, würde ich etwas Anderes thun, als mich -in's Wasser stürzen und den Verstand verlieren. Meine -Nägel würden ihre Larve in eine wahre Teufelsfratze -verwandeln.«</p> - -<p>Die Irre hatte jetzt die Eintretenden bemerkt. Sie -erhob sich von ihrem Sitze, näherte sich langsam Zerlinen -<a class="pagenum" id="page_079" title="79"> </a> -und richtete ihr großes Auge mit unsäglicher Schwermuth -auf die Besucherin.</p> - -<p>»Kommen auch Sie, Aermste, hierher, um eine Zuflucht -zu suchen?« frug sie mitleidig. »Für ein hartgetroffenes -Gemüth liegt die Heilung einzig und allein nur -in der Abgeschiedenheit von der Welt und im Aufgeben -jeglichen Kampfes gegen Tücke und Bosheit. Ja, Tücke -und Bosheit führen das Scepter auf Erden und treten -das Recht mit Füßen,« fuhr sie düster fort. »Was man -uns auch vom Lohn der Tugend und von der Strafe -des Lasters erzählen mag, dies Alles ist erdichtet. Das -Böse triumphirt, das Gute wird mißhandelt. Einst war -ich eine überspannte Träumerin,« fuhr sie nach einer -Pause mit zuckenden Lippen fort, »einst sah ich Alles vom -Glanze seliger Hoffnung umstrahlt. Damals erschien mir die -Welt als blühender Zaubergarten, die Menschen sah ich als -Engel an, ich lebte noch in den Träumen der Märchenwelt, -die unsere Kindheit beglücken. Die drei Himmelslichter -Glaube, Liebe und Hoffnung flammten hell und -leuchtend in meiner Seele. Der Traum war voll überirdischer -Wonne. Da erloschen der Glaube und die -Hoffnung miteinander, und finstere Nacht mit all ihren -Schrecknissen umgab mich.« Nach diesen Worten hielt sie -wie von der Wucht schrecklicher Erinnerungen daniedergedrückt, -einige Augenblicke inne.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_080" title="80"> </a> -Zerline athmete kaum. Hier sah sie den Schmerz -ungekünstelt und doch mit solch hinreißender Wahrheit -ausgedrückt. So und nicht anders mußte sie als Ophelia -sprechen, diese Bewegungen mußte sie copiren. Der Wahnsinn -sollte von ihr mit unerreichbarer Virtuosität dargestellt -werden, keine Rivalin sollte ihr je darin gleichkommen. -Solche und ähnliche Gedanken erfüllten den -Kopf und das Herz der Bühnen-Heroine. Sie ahnte nicht -mit welch furchtbarer Wahrheit sie bald eine Rolle, ohne -diese zu studiren, spielen sollte.</p> - -<p>»Gibt es einen größeren Schmerz, als vom Manne, -den man über Alles liebt, verrathen und betrogen zu -werden?« fuhr die Irre wie im Selbstgespräch fort. »Ein -Dämon hat meine heiligsten Empfindungen, meine seligsten -Hoffnungen mit kalter Berechnung gemeuchelt, eine -farbenprächtige Natter hat sein Herz vergiftet und seine -Liebe zu mir ertödtet. Die Welt erschien mir nun als -Wildniß mit reißenden Thieren bevölkert, das Leben -wurde mir eine Bürde. Mein greiser Vater suchte mich -nun durch die Versicherung zu trösten, daß allüberall, -an den glühenden Sandsteppen der Sahara, wie an den -Eisfeldern der Polargegenden, da, wo die Menschheit -im primitiven Zustande vegetirt, und dort, wo sie den -Zenith der Cultur erreicht zu haben wähnt, allüberall, -sagte er, werde oft Liebe und Vertrauen mit Verrath -<a class="pagenum" id="page_081" title="81"> </a> -gelohnt. Wie vermochte aber der Schmerz anderer Verrathenen -mein Weh zu mildern und die feurige Lohe, -die in meinem Innern brennt, zu löschen. Diese Flammen -brennen fort und verzehren meine gefolterte Seele.« Hier -preßte sie die Hände gegen die Stirn und stöhnte laut -und schmerzlich.</p> - -<p>Zerline lauschte lautlos mit zurückgehaltenem Athem. -Mit Freuden würde sie ihren kostbarsten Schmuck geopfert -haben, um dieses Mienenspiel, diese Handbewegung, diese -erschütternden Töne ihr eigen zu nennen. Wie mußte solch -ein Spiel das Publicum hinreißen, wenn sie, die Tragödin, -davon so hingerissen wurde.</p> - -<p>»Sie sind ja gleich mir eine arme Schiffbrüchige,« -wendete sich die Irre wieder an Zerline. »Sie kennen -also das gräßliche Gefühl, welches der Unglückliche empfindet, -wenn er rings um sich her die Trümmer seines -Lebensglückes sieht und wenn ihm in der finsteren Nacht -der Verzweiflung kein Hoffnungsschimmer mehr blinkt.« -Hier blieb sie wieder einige Augenblicke in düsteres Sinnen -verloren stehen. »Im Traume verrieth er sich,« begann -sie dann mit gehobener Stimme. »Jene Stunde brachte -mir die gräßliche Wahrheit, so furchtbar, so unausbleiblich -wie Elend und Tod. Robert liebte mich nicht mehr. -Da saß mit einemmale die Natter,« sie schlug mit der -Hand auf ihr Herz, »hier sitzt sie und will nicht weichen. -<a class="pagenum" id="page_082" title="82"> </a> -Da fühlte ich es am ersten, da schmerzt es am heftigsten, -da tönt es schaurig, er liebt dich nicht mehr, er -liebt eine Andere. Seit jener Stunde verlor ich mich -selbst, seitdem ich seine Stimme nicht höre, seinen Puls, -seinen Hauch nicht fühle, war ich den finsteren Mächten -verfallen. Mit einemmale vernahm ich Stimmen aus den -blauen Fluten, Stimmen, die mir geheimnißvoll zuflüsterten, -in die stille, friedliche Tiefe zu steigen, um -da meinen glühenden Schmerz zu stillen. Die Wellen -flüsterten so süß und lockend, daß ich dem Syrenensang -nicht zu widerstehen vermochte. Ich stieg in die Tiefe, -um Heilung und Vergessen zu suchen. Ich fand da keine -Heilung und kein Vergessen,« fuhr die Irre mit steigender -Erregung fort. »Der Wasserspiegel ist ebenso falsch -wie Robert. Auch er birgt in seinem Innern gefährliche -Abgründe, treulose Klippen und gräßliche Ungeheuer.«</p> - -<p>Zerline begann jetzt ängstlich zu werden. Die Irre -wurde immer aufgeregter, der Wahnsinn begann sich in -furchtbarer Gestalt zu zeigen. Bei all' ihrer Opferwilligkeit -für die Kunst konnte sich Zerline doch nicht enthalten -der Oberwärterin ihren Wunsch, die unheimliche -Kranke zu verlassen, auszudrücken. Margarethe beruhigte -sie jedoch durch die Versicherung, die arme Närrin sei -harmlos wie ein Kind und ihr Praxismus erlösche wie -nasses Holz.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_083" title="83"> </a> -Mit der Irren ging nun eine immer schrecklichere -Veränderung vor. Ihr Antlitz bedeckte sich mit brennender -Röthe, die Augen glühten in immer unheimlicherem Glanze, -das Geberdenspiel wurde immer wilder und die Sätze -wurden abgebrochen und mit heiserer Stimme hervorgestoßen.</p> - -<p>»Sein Kuß – seine Liebesschwüre – hinreißende -Lügen – Im Schlafe – ruft sein Mund – das Trugbild!« -stieß sie mühsam hervor. »Da seht – da reckt -die Natter – den Kamm aus dem Grase.« – Sie -bezeichnete eine Vision ihres kranken Geistes. »Ihre -Giftzähne beißen sich – in mein Herz ein!« schrie sie -auf und preßte die Hand an die Brust.</p> - -<p>Zerline wurde todtenbleich und wich erschrocken bis -zur Thür zurück.</p> - -<p>»Sie thut keiner Fliege was zu Leid,« versicherte -Margarethe.</p> - -<p>»Der Brand in meinem Kopfe wird immer stärker,« -stöhnte die Irre. Plötzlich blieb sie in lauschender Stellung -mit zurückgehaltenem Athem stehen. »Robert spricht im -Schlafe,« flüsterte sie und blieb dann einige Augenblicke -regungslos horchend. Mit einemmale zuckte sie zusammen -und grub die Nägel in ihre Brust. »Sein -Mund ruft Zerline,« schrie sie mit wilder Wuth. »Zerline, -Teufelin vom Pesthauch der Hölle erzeugt, sei verflucht!«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_084" title="84"> </a> -Wäre der Blitz zu den Füßen Zerlinens eingeschlagen, -dies würde kaum eine schrecklichere Wirkung auf sie hervorgebracht -haben, als die Entdeckung, daß sie die Ursache -vom Wahnsinn des unglücklichen Weibes sei. Sie -war also die Komödiantin, welche das Liebesglück der -zärtlichen Gattin zerstört hatte. Die leichtsinnige, eroberungssüchtige -Männerbezwingerin vermochte beim Anblick der -Jammergestalt, die sie vor Augen hatte, ein Gefühl, -das sie nur selten empfand, das der Reue, nicht zu bemeistern. -Ja das Schuldbewußtsein übermannte sie dergestalt, -daß sie wie gelähmt dastand und mit weitaufgerissenen -Augen auf die Geisteskranke starrte, deren -Paroxysmus sich immer mehr steigerte. Schmerzensschreie -eines gebrochenen Herzens wechselten mit flehentlichen -Bitten an den Treulosen, sie nicht in Wahnsinn und -Tod zu jagen und mit wilden Flüchen und Schmähungen -gegen den Dämon, der ihr Glück gemeuchelt. Dies war -die Agonie einer bis auf den Tod getroffenen Seele. In -großen Tropfen perlte der Angstschweiß von der Stirn -Zerlinens, ihre Füße waren wie am Boden festgenietet -und vermochten sie nicht aus dem Bereiche der Schrecklichen -zu tragen. Erst als dem Paroxysmus der Irren -eine vollständige Erschöpfung folgte und die Unglückliche -kraftlos und gebrochen zusammenbrach, erst dann wich -die Erstarrung von Zerline.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_085" title="85"> </a> -Jetzt stürzte sie der Thüre zu und wollte entfliehen, -da stellte sich ihr aber ein Hemmniß entgegen. Eine -bleiche Frau mit einer Harfe in der Hand stand an der -offenen Thüre.</p> - -<p>»Du hier. Dich soll ich ja kennen,« murmelte die -Neueingetretene und starrte Zerlinen mit ihren großen, -seltsam glänzenden Augen an.</p> - -<p>Kalter Schweiß perlte von Zerlinens Stirn. Sie -wich erschrocken von der Thüre zurück. Diese Züge, -diese Stimme waren ihr nicht fremd.</p> - -<p>»Was willst du, Bänkelsängerin? Hier ist nicht der -Ort, um deine unfläthigen Lieder auszukramen. Fort, -Komödiantin,« knurrte Margarethe und unterstützte ihre -Worte mit einer drohenden Geberde. Die Irre schien -aber die Weisung der Oberwärterin nicht zu beachten, -sie starrte auf Zerline, wie auf eine Vision und fuhr -mit der Hand über die Stirn, als suche sie ihre Gedanken -zu sammeln. »Ich weiß es jetzt,« rief sie plötzlich -aufjauchzend. »Du bist Zerlinchen. Du kommst auch zu -uns. Ha, ha, ha, die schöne Zerline kommt mir Gesellschaft -leisten! Wir wollen lustig sein. Nur nicht weinerlich, -Zerlinchen. Sollst ein lustig's Lied'l haben.«</p> - -<table summary="" border="0" cellpadding="0"> - <tr><td class="tdl">»Schauts außi wie's regn't,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und schauts außi wie's gießt,</td></tr> - <tr><td class="tdl">Und schauts außi wie der Reg'n</td></tr> - <tr><td class="tdl">Vom Dach abischießt.«</td></tr> -</table> - -<p><a class="pagenum" id="page_086" title="86"> </a> -»Fort, Komödiantin,« schrie die Oberwärterin, nach -deren Meinung diese Benennung den herbsten Schimpf -enthielt. Die Volkssängerin wich knurrend zurück und -forderte Zerline auf, die Verunglimpfung ihres Standes -an dem alten Reibeisen zu rächen. Die Oberwärterin -war nicht wenig über die ihr beigelegte Benamsung, -wie auch über die dem gestudirten weiblichen Arzt angethane -Beleidigung empört und lieh ihrer Entrüstung derbe Worte.</p> - -<p>»Mein schönes Zerlinchen, welches alle Männer am -Narrenseil führt, soll ein Quacksalber sein: Eine Schauspielerin -ist sie. Ja das ist sie, du alte Truthenne, und -wenn auch deine Kropfkorallen darüber braun und blau -werden, bleibt Zerlinchen doch eine Theaterprinzessin,« -kicherte die Irre zur nicht geringen Wuth der Oberwärterin.</p> - -<p>Die erschrockene Zerline suchte nur die Thüre zu -gewinnen. Sie fühlte sich dem Wahnsinn nahe, sie mußte -aus dieser Behausung des Entsetzlichen entfliehen. Schon -war sie dem Ausgange nahe, als sich ihr wieder ein -Hemmniß in den Weg stellte. Eine Hand legte sich auf -ihre Achsel und eine Stimme, die das Blut in ihren -Adern erstarren machte, frug sie: »Du bist also Zerline?« -Die Tragödin erbebte und blickte entsetzt in das verzerrte -Antlitz der unglücklichen Gattin Roberts. »Du bist also -Zerline?« wiederholte diese ihre Frage mit wachsender -<a class="pagenum" id="page_087" title="87"> </a> -Aufregung. Vor Schreck außer sich, kaum wissend was -sie that, beantwortete Zerline die verhängnißvolle Frage -mit einer bestätigenden Kopfbewegung. Die Irre stieß -nun einen Schrei aus, der dem Wuthgebrüll eines wilden -Thieres glich, und umspannte mit rasender Gewalt das -zarte Handgelenk der Tragödin. Diese schrie vor Schmerz -und Schrecken laut auf und rief um Hilfe. Die Oberwärterin, -der es endlich gelungen war die Bänkelsängerin -aus dem Zimmer zu entfernen, eilte sofort herbei und -suchte Zerlinen aus der Gewalt der Geisteskranken zu -befreien. Weder Bitten noch Vorstellungen vermochten -die Irre zur Nachgiebigkeit zu bewegen.</p> - -<p>»Sie ist mein, die farbenprächtige Natter,« schrie -sie in wilder Wuth. »Sie kam, um sich an meinem -Todeskampfe zu weiden, um wie ein Vampyr das Blut -aus meinem Herzen zu trinken, sie muß dafür mit mir -den bösen Geistern verfallen. Ich will ihre Schönheit, -mit der sie Handel treibt, vernichten, ich will ihr kaltes -Herz, mit dem sie Liebe heuchelt, mit meinen Nägeln -zerfleischen, ich will ihr die Giftzähne ausbrechen. Ein -Scheusal soll sie äußerlich werden, wie sie es innerlich -ist. Robert soll sie in ihrer wahren Gestalt sehen. Dann -wird er sie von sich stoßen, wie er es mir gethan, und -die feurige Lohe, die mich verzehrt, wird auch in ihrem -Innern lodern.«</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_088" title="88"> </a> -Vergeblich suchte Margarethe die Wuth der Irren -durch Versicherungen und Schwüre, daß die Bänkelsängerin -schamlos gelogen habe, zu beschwichtigen. -Fräulein Doctor sehe doch nicht einem frechen Komödiantenweibsbild -ähnlich. Diesen Ungeheuern sei ja ihr schamloser -Beruf deutlich genug auf der Larve gepinselt, behauptete -die Oberwärterin. Alle diese Beweise erwiesen sich aber -fruchtlos. Die Geisteskranke wollte ihre Gefangene nicht -freigeben. Als zuletzt Margarethe die Hand Zerlinens -aus der Umklammerung mit sanfter Gewalt befreien -wollte, da stieß die Irre einen schrillen Schrei aus und -schleuderte die Zudringliche mit Riesenkraft von sich.</p> - -<p>»Heilige Mutter Gottes, stehe uns bei! Sie wird -tobsüchtig,« stöhnte die Oberwärterin. »Reizen Sie das -tolle Lamm nicht, verhalten Sie sich ruhig. Ich will -Hilfe herbeirufen,« flüsterte sie Zerlinen zu und eilte aus -dem Zimmer.</p> - -<p>Zerline hörte sie nicht, sie stand regungslos wie ein -Steinbild und starrte angstvoll auf die Geisteskranke. -Diese schien jetzt, da man sie durch die Versuche ihre -Gefangene zu befreien nicht mehr reizte, ruhiger zu -werden.</p> - -<p>»Du bist also seine vergötterte Zerline mit der -junonischen Gestalt, mit dem unergründlichen Feuerauge -und mit dem goldenen Lockengeringel,« rief sie dann, -<a class="pagenum" id="page_089" title="89"> </a> -die Tragödin mit den Augen verschlingend. »Ja du bist -schön wie der Geist des Bösen, dessen verhängnißvolle -Schönheit der Menschheit Jammer und Elend bereitet. -Auch ich war einst schön, und Robert liebte mich, bis -du Teufelin mich zu dem gemacht hast, was ich nun -bin. Deine Schönheit soll wie die meine verderben. Auch -du sollst trockene Thränen weinen, Thränen, die wie -Gluttropfen auf die Seele fallen und sie in Brand -setzen.«</p> - -<p>»Gnade, Erbarmen!« stammelte Zerline angstvoll.</p> - -<p>»Das Erbarmen, das du mit mir gehabt, will ich -mit dir haben,« erwiederte die Geisteskranke.</p> - -<p>»Du willst mich tödten,« murmelte Zerline auf die -Knie sinkend und das todtenbleiche Antlitz mit den Händen -bedeckend.</p> - -<p>»Dich tödten? Nein. Du sollst leben und leiden und -die Schale der Wiedervergeltung bis auf den letzten -Tropfen leeren. Deine Schönheit will ich zerstören, und -Robert soll dich von sich stoßen!« rief die Irre mit -flammenden Blicken.</p> - -<p>Zerline bebte wie Espenlaub. Sie fühlte sich schwach -und hinfällig und war allein mit der Wahnsinnigen, -hilflos ihrer Macht preisgegeben. Ihre Sinne schwanden, -der Boden wich unter ihren Füßen, mit einem Schreckensschrei -sank sie zusammen.</p> - -<p><a class="pagenum" id="page_090" title="90"> </a> -»Du darfst nicht sterben, du mußt leben und leiden, -wenn Robert dich von sich stößt,« kreischte die Irre. -Mit einemmale unterbrach sie sich und blieb lauschend -stehen. Im Corridor ließ sich ein Geräusch von eilig -nahenden Schritten vernehmen. Die Irre zuckte zusammen -und wendete ihren Blick der Thüre zu. Sie sah Margarethe -von zwei Wärterinnen begleitet in die Stube treten. Mit -wilder Heftigkeit umschlang sie die bewußtlose Zerline -und stellte sich in drohender Haltung der Oberwärterin -entgegen.</p> - -<p>»Jesus, das tolle Lamm wird das Fräulein Doctor -erdrosseln!« kreischte Margarethe. Sie suchte die Irre zu -begütigen. Als aber dies fehlschlug, da entschloß sie sich -Gewalt zu gebrauchen. Sie befahl den Wärterinnen der -Irrsinnigen eine Decke über den Kopf zu werfen und -sich dann mit Gewalt ihrer zu bemächtigen. Die Wuth -der Geisteskranken erreichte nun den Höhepunkt. Ihr -Auge schoß wilde Flammen; mit einem Arm hielt sie -Zerline umschlungen, der andere war drohend gegen die -Wärterinnen erhoben.</p> - -<p>Jetzt sauste die Decke durch die Luft. Die Irre, -die Gefahr bemerkend, wich aber dem Wurfe aus. Die -Lage Zerlinens wurde immer gefährlicher. Sie hing wie -leblos in den Armen der Wahnsinnigen und gab auf -alle Zurufe der Oberwärterin keine Antwort. Kalter Angstschweiß -<a class="pagenum" id="page_091" title="91"> </a> -bedeckte die Stirne Margarethens. Sie befahl -nun den Wärterinnen die Aufmerksamkeit der Irren zu beschäftigen, -damit sie sich ihr unvermerkt nähern könne. Das -gutherzige Weib flehte alle Heiligen um Hilfe in dieser Noth -an. Sie wollte schon ihr Leben wagen, um die Wüthende -zu bewältigen, wenn nur das Fräulein Doctor der Gefahr -entrissen wurde. Ja es war mit nicht geringer Gefahr -verbunden, der Irren ihr Opfer zu entreißen. Die Oberwärterin -wußte aus Erfahrung, welche Riesenkraft der -Wahnsinn dem schwächsten Körper verleiht. Gebete -murmelnd spähte Margarethe auf den günstigen Moment, -um ihr Vorhaben auszuführen, als Stimmen und eilige -Schritte auf dem Corridor vernehmbar wurden. »Der -Doctor! Wir sind gerettet!« schluchzte die Oberwärterin, -die Hände dankend zum Himmel erhoben. Bald erschien -auch der Arzt der Frauenabtheilung athemlos an der -Thüre. Ein Blick genügte dem Psychiater, um das -Schreckliche zu übersehen. Rasches Handeln war dringend -nöthig, um die bewußtlose Zerline aus ihrer gefährlichen -Lage zu befreien, aber die Irre mußte besänftigt und -nicht gereizt werden. Der erfahrene Psychiater befahl den -Anwesenden das Zimmer zu räumen und begann dann -langsam sich der Irren zu nähern. Er sprach sanfte, -beruhigende Worte, die ihr versicherten, daß die Verfolgerinnen -die Flucht ergriffen hätten. Die Wahnsinnige, -<a class="pagenum" id="page_092" title="92"> </a> -die in einem Winkel zusammengekauert, Zerline fest an sich -drückend dasaß, erhob beim Klange seiner Stimme das -Haupt. Als sie den Arzt erblickte, verstummten ihre -Schreie, die wilde Wuth begann zu schwinden. Je näher -der Psychiater kam und je sanfter seine Worte erklangen, -desto mehr legte sich die Aufregung der Unglücklichen. -Als er nun endlich ihr gegenüberstand und sein durchdringendes -Auge fest auf das ihre heftete, da wurde sie -sanft und ruhig. Der Ring, den ihre Hände um Zerline -geschlossen hatten, wurde jetzt immer loser, er löste sich -bald ganz, und ihre Arme sanken schlaff hinab. Jetzt -fing der Arzt die regungslose Zerline in seinen Armen -auf und begann, das Antlitz der Irren zugewendet, -langsam der Thüre zuzuschreiten. Immer noch erklangen -die sanften, beschwichtigenden Worte und immer haftete -sein fascinirender Blick auf der Irren, welche ihr Auge -von dem des Psychiaters nicht loszureißen vermochte. -Nun war er der Thüre nahe, die sich geräuschlos von -außen öffnete. Noch ein Moment namenloser Angst, unsäglicher -Bangigkeit für Margarethe und sie sah das -Fräulein Doctor außer dem Bereiche der Wahnsinnigen.</p> - -<p>Als Zerline zum Bewußtsein zurückkehrte, mußte sie -eine niederschmetternde Anklage vom Arzte anhören. Das -arme Weib, dessen Lebensglück sie zerstört hatte, war -nun auch durch ihre Schuld in unheilbare Tobsucht verfallen. -<a class="pagenum" id="page_093" title="93"> </a> -Scharf und verächtlich waren die Worte, welche -der Psychiater zum Fräulein Doctor, das sich als die -berüchtigte Zerline entpuppt hatte, sprach. Die empörte -Oberwärterin rief ihr ihrerseits zu, die gemeine Katze, -welche sich frech in eine Löwenhaut gesteckt, werde ihr -noch einst in die Hände fallen, denn der Lohn für die -Schlechtigkeiten der schamlosen Komödiantenweibsbilder -sei das Spital oder das Irrenhaus. Zerline vermochte -bei dieser trostreichen Verheißung einen Schauer nicht zu -unterdrücken.</p> - -<p>Seitdem besucht die Tragödin kein Irrenhaus mehr, -um da den Genius der tragischen Kunst zu suchen.</p> - - -<p class="mt2 ce fsl"><span class="ge">Ende.</span></p> - - - - -<p class="mt2 ce fss"><a class="pagenum" id="page_094" title="94"> </a> -Druck von Johann N. Vernay, Wien, <i>IX.</i>, Mariannengasse 17.</p> - -<hr /> - - - - -<p class="pb mt4 ce"><a class="pagenum" id="page_095" title="95"> </a> -<span class="fsl ge">Verlag von L. Rosner in Wien.</span></p> - - -<p class="ce mt2 lh1"><span class="fsxl">Der Wunderrabbi.</span><br/> - -<span class="fsl">Roman von <b>J. Thenen</b>.</span><br /> - -8. 293 Seiten. Preis fl. 2.– oder M. 4.</p> - -<p>Der Reiz dieses Buches liegt in der vortrefflichen Ausführung. -In Scenen voll dramatischen Lebens erkennen wir die -Macht des Rabbi über die verblendeten Geister – eine Macht, -der selbst der christliche Edelmann im Falle der Bedrängniß -huldigt; aber wir erkennen auch die ganze – Tiefe dieses Aberglaubens, -indem wir Einblick in den Charakter des Rabbi erhalten, -der ein wunderliches Gemisch von Selbstsucht, Aberglauben und -Zelotismus ist. Dann führt uns die Dichterin mit gleicher Kunst -in das elende, vom Unglücke erfüllte Haus seiner tragischen Gegner, -und so reiht sich Bild an Bild, Scene an Scene, die uns – die -Handlung immer weiter leitend – in den Charakter und Geist -jener eigenthümlichen Menschen hineinblicken lassen. In einzelnen -Capiteln erreicht die Dichterin eine tragische Größe; in anderen -entfaltet sie herrlichen Humor. Ueberall aber verräth sie eine ganz -intime Kenntniß nicht blos der Sitten und Gebräuche jener Menschen, -sondern auch ihres eigenthümlichen Geistes, jener spiritualistischen -Denkweise, die aus der völligen Durchdringung des Lebens durch -den Glauben entstammt. Sind doch alle die Geschichten und Schicksale, -die sie erzählt, mehr oder weniger thatsächliche Geschehnisse. -Und selbst aus der Darstellung athmet der Geist des Volkes, der -so einseitig sich nur dem Menschengeiste und dem Glauben zuwendete, -der Natur jedoch, ihrer Schönheit, ihrem Genusse sich so -fernhielt. In diesem Sinne ist es charakteristisch, daß im ganzen -Buche nur zwei kleine landschaftliche Schilderungen vorkommen, -die aber freilich recht hübsch sind. Kurz, es ist ein Buch, das ein -männlicher Geist in einem dichterischen Frauenkopfe ersonnen.</p> - -<p class="si">»Neue Freie Presse.«</p> - - - - -<p class="pb mt4 ce"><a class="pagenum" id="page_096" title="96"> </a> -<span class="fsl ge">Verlag von L. Rosner in Wien.</span></p> - - -<p class="ce mt2 lh1"><span class="fsxl">Der Wunderrabbi.</span><br /> - -<span class="fsl">Roman von <b>J. Thenen</b>.</span><br /> - -8. 293 Seiten. Preis fl. 2.– oder M. 4.</p> - -<p>Die Verfasserin hat das Leben und Treiben dieses Chassiden -studirt und hat »halb Wahrheit, halb Dichtung« wirkliche Vorkommenheiten -zu einer spannenden Erzählung vereint, die, ohne -als Culturstudie gewollt zu sein, den Zweck einer solchen in -reichstem Maße erfüllt. Der crasse Betrug, die wilde Habgier, die -niedrige Genußsucht, welche dem ganzen Dichten und Trachten -dieser Chassidengemeinden Bewegung geben, sind ohne Scheu -mit der vollsten und behaglichsten Naturwahrheit gezeichnet. Die -talentvolle Beobachterin hat in ihrem Buche jedes Mäntelchen -verschmäht und gibt ungeschminkt und unverhüllt die Wirklichkeit. -Dieser Reiz der Unmittelbarkeit und des kaustischen Humors aber -ist es, der unvermindert in den ersten Seiten fesselt und anhält -bis zu jenem Punkte, wo die Handlung den Boden verläßt, auf -dem die Wunderrabbis gedeihen, und, Jahre überspringend, -harmonisch ausklingt. Das Buch wird von Laien um seiner reichbewegten -Handlung und seiner farbenkräftigen Schilderungen, von -dem Culturforscher aber deshalb mit Vergnügen gelesen werden, -weil das Erzählte und Geschilderte wahr ist.</p> - -<p class="si">»Presse.«</p> - -<hr /> - - - - -<h2>Hinweise zur Transkription</h2> - - -<p class="in0">Der Schmutztitel wurde entfernt.</p> - -<p class="in0">Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt.</p> - -<p class="in0">Darstellung abweichender Schriftarten: <span class="ge">gesperrt</span>, <i>Antiqua</i>, <b>fett</b>.</p> - -<p class="in0">Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, mit folgenden -Ausnahmen,</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_027">27</a>:<br /> -"Ihr" geändert in "ihr"<br /> -(Brille tragen, die ihr nicht erlaubt)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_035">35</a>:<br /> -"Mähren" geändert in "Mären"<br /> -(wunderbare Mären von seinen Eroberungen zu erzählen)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_036">36</a>:<br /> -"«" entfernt hinter "acceptiren."<br /> -(ihn als Prinz-Gemal zu acceptiren.)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_037">37</a>:<br /> -"Wamms" geändert in "Wams"<br /> -(Orden von seinem Wams los)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_050">50</a>:<br /> -"staarnackiger" geändert in "starrnackiger"<br /> -(Director des Hoftheaters ein starrnackiger Pedant)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_072">72</a>:<br /> -"Rosalinda's" geändert in "Rosalinde's"<br /> -(die Schmerzensschreie Rosalinde's zu vernehmen)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_073">73</a>:<br /> -"Rosalinda" geändert in "Rosalinde"<br /> -(»Man muß ihr das Wort entziehen,« schrie Rosalinde)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_085">85</a>:<br /> -"«" eingefügt<br /> -(Vom Dach abischießt.«)</p> - -<p class="ci">Seite <a class="nd" href="#page_089">89</a>:<br /> -"." eingefügt<br /> -(und sie in Brand setzen.«)</p> - -<hr /> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of Project Gutenberg's Fräulein Doctor im Irrenhause, by Julie Thenen - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK FRÄULEIN DOCTOR IM IRRENHAUSE *** - -***** This file should be named 63589-h.htm or 63589-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/3/5/8/63589/ - -Produced by the Online Distributed Proofreading Team at -https://www.pgdp.net (This file made from scans of public -domain material at Austrian Literature Online.) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation - -The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit -501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the -state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal -Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification -number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by -U.S. federal laws and your state's laws. - -The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the -mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its -volunteers and employees are scattered throughout numerous -locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt -Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. Compliance requirements are not uniform and it takes a -considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up -with these requirements. We do not solicit donations in locations -where we have not received written confirmation of compliance. To SEND -DONATIONS or determine the status of compliance for any particular -state visit www.gutenberg.org/donate - -While we cannot and do not solicit contributions from states where we -have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition -against accepting unsolicited donations from donors in such states who -approach us with offers to donate. - -International donations are gratefully accepted, but we cannot make -any statements concerning tax treatment of donations received from -outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. - -Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation -methods and addresses. Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - - -</pre> - -</body> -</html> - - diff --git a/old/63589-h/images/cover.jpg b/old/63589-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index da91c6d..0000000 --- a/old/63589-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/63589-h/images/signet.jpg b/old/63589-h/images/signet.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 98d62fd..0000000 --- a/old/63589-h/images/signet.jpg +++ /dev/null |
