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If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Im Morgenlicht. - Kriegs-, Jagd- und Reise-Erlebnisse in Ostafrika - -Author: Hans Paasche - -Release Date: November 2, 2020 [EBook #63601] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK IM MORGENLICHT. *** - - - - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - - - - - - #################################################################### - - Anmerkungen zur Transkription - - Der vorliegende Text wurde anhand der 1907 erschienenen Buchausgabe - so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische - Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute - nicht mehr gebräuchliche Schreibweisen sowie Schreibvarianten - bleiben gegenüber dem Original unverändert, sofern der Sinn des - Texts dadurch nicht beeinträchtigt wird. Fremdsprachliche Zitate - wurden nicht geändert. - - Kopfzeilen, die den Inhalt veranschaulichen, werden hier als - Randnotizen dargestellt, welche wiederum an den jeweils relevanten - Stellen eingefügt wurden. Die Druckfehlerberichtigung (S. 375) - wurde bereits in den Text eingearbeitet. Die Fußnoten finden sich - am Ende des jeweiligen Kapitels. - - Besondere Schriftschnitte wurden mit Hilfe der folgenden Symbole - gekennzeichnet: - - Fettdruck: =Gleichheitszeichen= - gesperrt: ~Tilden~ - Antiqua: _Unterstriche_ - - #################################################################### - - - - -[Illustration: Der Verfasser vor einem Elefanten.] - - - - - Im Morgenlicht. - - == Kriegs-, Jagd- und == - Reise-Erlebnisse in Ostafrika - - von - - Hans Paasche, - - Oberleutnant zur See. - - [Illustration] - - Mit 97 photographischen Aufnahmen des Verfassers. - - ---- Zweite Auflage. ---- - - [Illustration] - - Berlin. - - Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn. - 1907. - - - - - Fräulein ~Wanda Théremin~ hat die Photographien für den Druck - vorbereitet. - - Die Autotypien sind in der Kunstanstalt von ~Carl Schütte~ in - Berlin hergestellt. - - - - -Vorwort. - - _Coelum, non animum, mutant, - qui trans mare currunt._ - - _(Horaz. Epist. I, 11.)_ - - -Dies Buch schildert meine Erlebnisse in Ostafrika; was ich mit meinen -Augen geschaut, mit meinen Ohren gehört habe, will es erzählen. - -Eigene Erlebnisse: ich habe den Versuch gemieden, in meine -Aufzeichnungen hinein zu verbessern, sie zu färben. Hieraus erklärt -sich vielleicht, daß meine Schilderungen den Stempel starker -Subjektivität tragen. - -Mit herzlicher Dankbarkeit denke ich an meine Vorbilder, meine -Meister und Gönner, auch wenn ich sie nicht mit Namen genannt habe. -Und aufrichtig freuen würde es mich, wenn sie sich in meinem Buche -wiederfänden. - -Vielseitig ist unser herrlicher Seemannsberuf. Vielleicht ist das -Schönste an ihm, daß mählich, und oft unbewußt, die flüchtigen -Eindrücke von Ländern und Völkern und von dem bunten Leben in fremder -Welt ein Stück unseres eigenen Seins werden. Man hängt oft fester -daran, als es äußerlich scheinen möchte. - -Ungemein günstige äußere Umstände habe ich gefunden: ich durfte -Wanderungen machen, die jetzt, wo die große, stolze Flotte die Kräfte -in der Heimat mehr zusammenhält, schon seltener und schwieriger werden; -ich war Offizier auf einem kleinen Schiff mit glücklichen dienstlichen -Verhältnissen, hatte wohlwollende Vorgesetzte, hatte Kameraden, die an -allem Teil nahmen, für den Abwesenden sorgten und eintraten; ich fand -freundliches Entgegenkommen beim höchsten Beamten und beim einfachsten -Ansiedler; ich fand endlich ein Land voller starker und großer -Hoffnungen. - -Goethe schrieb aus Italien an Herder: „Ich will, solange ich hier bin, -die Augen auftun, bescheiden sehen und erwarten, was sich mir in der -Seele bilde.“ - -Nach dieser Lehre zu schauen und zu lernen habe ich mich in Ostafrika -bemüht. - - ~Wilhelmshaven~, im Oktober 1907. - - =Hans Paasche.= - - - - -Inhaltsverzeichnis. - - - Seite - - Vorwort III - - Zum Indischen Ozean 3 - - Ost-Indianische Reise im Jahre 1644. -- Von Bremen nach Port - Said. -- Bahnfahrt nach Kairo. -- Blick über die Stadt und das - Niltal. -- Auf der Cheopspyramide. -- Im Zoologischen Garten. - -- Von Suez nach Colombo. -- S. M. S. ‚Bussard‘. -- Ein Ausflug - auf Ceylon. -- Nach den Seychellen. -- Bei einem Ansiedler und - Naturforscher. -- Auf dem Morn Seychellois. -- Im tropischen - Urwald. -- Im Morgenlicht. - - Daressalam 21 - - Die alte, stille Zeit. -- Ein Spaziergang. -- In dem - Negerviertel. -- Eine Negerkneipe. -- Die Quelle am Simbasital. - -- Die Kleidung der Suaheli. -- In der Markthalle. -- - Eine Negerin beim Einkauf. -- Das Aquarium. -- Auf den - Korallenriffen von Makatumbe. -- Die Meeresfauna. -- Haifische - und Schiffshalter. - - An der Küste 37 - - Der Schiffsverkehr. -- Gute Häfen. -- Wind und Wetter. -- - Fischerei der Eingeborenen. -- Sansibar. -- Völkergemisch. -- - Der Deutsche und der Neger. -- Der Handel Sansibars. -- Eine - Wagenfahrt. -- Die Klubschamba. -- Eine junge Dame bekämpft die - Schiffsetikette. -- Saadani und Bagamoyo. -- Johann Jakob Sturz - über Baumwolle. -- Pangani. -- In der Mündung des Pangani. - -- Eine aufregende Fahrt. -- Vor Tanga. -- Ein Jagdausflug. - -- Löwen. -- Treibjagden auf Löwen. -- Eine Löwin auf der - Birsch erlegt. -- Jagd auf Warzenschweine. -- Am Sigi. -- Ein - Buschbock im Wasser erlegt. -- Sonnenuntergang in See. -- Die - Insel Mafia. -- Die Araber schenken fünf Rinder. -- Ein Ritt - durch die Insel. -- Kokospalmen. -- Die Insel Tschole. -- - Begräbnis eines Arabers. - - Der Aufstand 73 - - S. M. S. ‚Bussard‘ bringt Schutztruppen nach Kilwa. -- - Landungsabteilungen. -- Im Mohorrofluß. -- Ankunft in Mohorro. - -- Die Entdeckung des Aufstandes. -- Die Haltung der Araber. - -- Der erste Angriff. -- Ein Überfall abgeschlagen. -- Die - Feuertaufe. -- Ermordung eines Ansiedlers. -- Schwierige - Stellung der weißen Soldaten. -- Ein Nachtmarsch. -- Verrat? - -- Verlassene Dörfer. -- Brennende Hütten. -- Eilmarsch zum - Rufiyi. -- Der Strom als Grenzlinie für den Aufstand. -- Am - Rufiyi aufwärts. -- Am Hirusee. -- Verkleideter Askari. -- - Panik unter den Trägern. -- Lebensmittel beschlagnahmt. -- Ein - Akide. -- Vorposten überrumpelt. -- Gefecht bei Utete. -- Ein - Verlust. -- Todesurteil. -- An den heißen Quellen. - - Gefechte am Rufiyi 104 - - Ein großes Dorf von Aufständigen zerstört. -- Ein Militärposten - am Rufiyi. -- Ein Gnubulle erlegt. -- Herausforderung. - -- Verfolgung fliehender Schenzi. -- Über den Fluß. -- - Zuverlässige Kundschafter. -- Ein Trupp von über tausend - Aufständigen wird zersprengt. -- Mars war uns günstig. -- - Bleigeschosse gegen Neger? -- Flußpferde gefährden die Boote. - -- Geier auf dem Schlachtfeld. -- Rückmarsch nach Mayenge. - -- Ein Gefangener. -- Leutnant Spiegel baut eine Boma. -- In - Booten stromab nach Mohorro. -- Hinrichtung von Rädelsführern. - - Im Aufstandsgebiet 125 - - Der Bezirksamtmann und ich. -- Abmarsch mit Hauptmann Merker. - -- Der erste Schuß auf Elefanten. -- Rettung ertrinkender - Neger. -- Hauptmann Fonck im Usaramobezirk. -- Die Neger - unterwerfen sich. -- In der Boma bei Mayenge. -- Ausbildung - neuer Askari. -- Jagd auf Wasserböcke im Morgennebel. - -- Riedböcke und Buschböcke. -- Baumwolle der Neger. -- - Zusammentreffen mit meinem Vater. -- Sein Urteil über das Land. - - Krokodile und Flußpferde 143 - - Krokodilplage. -- Ein Rekord an erlegten Krokodilen. -- - Die Dawa. -- Der Hongo. -- „Du hast getroffen, riechst du - es nicht?“ -- Treffer auf große Entfernung. -- Ansitz im - Schilf. -- In der Rohrhütte. -- Tierleben auf der Sandbank. - -- Flußpferde im Morgennebel photographiert. -- Die Jagd auf - Flußpferde. -- Abschießen ganzer Herden. -- Ein Schießerfolg. - -- Nutzen und Wert des Flußpferdes. -- Der Geschmack des - Wildprets. -- Neger, die kein Schweinefleisch essen. -- Das - Schächten erlegter Tiere. -- Aasvögel. -- Geier und Marabu am - toten Flußpferd. -- Krokodile angepirscht. -- Vom Flußpferd in - die Luft geworfen. -- Ein starker Bulle erlegt. -- Unfälle; - Flußpferde greifen die Boote an. -- Die Stimme des Kiboko. -- - Tierleben am stillen Weiher. - - Jagden im Busch 171 - - Lager am See. -- Birsch auf Riedböcke. -- Farben im Freien. - -- Schwarzfersenantilopen. -- Der Dank der Neger für das - viele Essen. -- Die Post kommt an. -- Lange, erfolgreiche - Schweißsuche. -- Zebras und Hartebeeste beobachtet. -- - Platzregen. -- Mein Reittier will nicht mehr. -- Starker - Riedbock erlegt. -- Abendbirsch. -- Merkwürdiges Benehmen einer - Ricke. -- Ein Löwe am Lager. -- Gewohnheiten der Riedböcke. -- - Bemerkenswerte Jagdart. -- Elenantilopen. - - Büffeljagden 197 - - Seltenheit des Kaffernbüffels. -- Ein Mißerfolg. -- Der - Büffel im Sumpf. -- Schuß vom Baum aus. -- Den Büffel krank - geschossen. Ob er dem Jäger gefährlich wird? -- In dichtem - Schilfgras sechs Schritt vor dem Stier. -- Der Reiz der Gefahr. - -- Der erste Büffel zur Strecke. -- Büffeljagd am Paregebirge. - -- Im Urwalddickicht. -- Nach vier Tagen endlich die erste - frische Fährte. -- Die Büffel im Walde. -- Ein Büffel in der - Wildgrube. -- Wildgruben. -- Fährtensuchen. -- Pirschkunst. -- - Büffel im Busch auf acht Schritte angepirscht. -- Ermattung. - - Elefanten 226 - - Ein Elefant weckt mich. -- Mein Paradies. -- Nachtwache in - den Feldern. -- Gespenster. -- Der erste Elefant zur Strecke. - -- Was die Neger vom Elefanten wissen. -- Sieben Elefanten. - -- Jagd von der Leiter aus. -- Zweiunddreißig Schüsse auf - einen Elefanten. -- Das Heraushauen der Zähne. -- Vom - Elefanten verfolgt. -- Ali lobt meinen Mut. -- Studien am - Elefantenschädel. -- Elefanten durchschwimmen den Strom. -- Mit - der Kamera auf der Elefantenfährte. -- Die „Brücke zur Heimat“. - -- Allein mit dem Riesen. -- Pürschzeichen und Fährtenfolge. - -- Schlafende Elefanten. -- Jäger und Wild auf demselben - Bilde. -- „Der Star“. -- Spaziergang hinter einem Elefanten. - -- Rappantilope erlegt. -- Löwen an einem Termitenhügel. -- - Die Termiten. -- Der Nyampara und die Arbeiter. -- Geier als - Totverweiser. -- Die Poesie des afrikanischen Weidwerks. -- Der - Tod. - - Nashornjagd 269 - - Übertreibungen. -- Die Gefahr. -- Nashörner in offener Steppe. - -- Am einsamen Berge. -- Ein Nashorn kommt vom Wasser. -- - Nashorn begegnet einer Zebraherde. -- Gute Schüsse mit der - Kamera. -- Ein verwünschter Augenblick. -- Weshalb das Nashorn - „annahm“. - - Am mittleren Rufiyi 281 - - Unter fremden Negern allein. -- Die Boma wird verlassen. -- - Ein mißglückter Überfall. -- Das Lager der Aufständigen. -- - Mtanza. -- Die Flüchtlinge; Rückkehr in die Dörfer. -- Vom - Lagerleben. -- Schwarze Polizisten. -- Boten. -- Das Eheleben - der Schwarzen. -- Der Askariboy. -- Die letzten Matrosen zur - Küste gesandt. -- Hausbau. -- „Befestigung“ der Boma. -- Wunden - bei den Negern. -- Giftpfeile. -- Schlangen. -- Puffotter. -- - Riesenschlange. -- Eine Schlange kriecht in ein Mauseloch. - -- Bissige Ameise. -- Sandfloh. -- Wovon wir lebten. -- - Hungersnot. -- Der farbige Händler. -- Die Neger wandern aus. - -- Mangofrüchte. -- Ein Elefant erlegt als Nahrung. -- Die - Neger wollen kein Elefantenfleisch essen. -- Der Acker wird - bebaut. -- Die Neger sind dem Inder ausgeliefert. -- Ist der - Inder unersetzlich? -- Die Händler im Aufstand. -- Reisen in - der Regenzeit. -- Ein Raubzug in die Äcker der Aufständigen. -- - Vierzehn Stück Wild für achthundert Menschen. -- Ein Schauri. - -- Ein Askari schießt sich selbst ins Bein. -- Die Zeugen. -- - Die Askari hatten Krieg gespielt. - - Ein Streifzug 329 - - Menschenopfer. -- Böse Nachrichten vom Feinde. -- An den - Stromschnellen des Rufiyi. -- Bergsteigen ist unseemännisch. -- - Vorbereitungen zum Überfall. -- Der Angriff. -- Das Dorf wird - geplündert; die Hütten niedergebrannt. -- Roheiten. -- Wie der - Schenzi lebt; Hausrat, Beschäftigung. -- Ein Verwundeter wird - nach Mohorro gebracht. -- Die Gefangenen entlaufen. -- Die - Strafpredigt des Askari Nyati. -- Tierleben an den Schnellen. - -- Einfall der Aufständigen. - - Rückkehr zur Küste 345 - - Weihnachtsfeier. -- Datum vergessen. -- Wie der Schenzi den - Tag einteilt. -- Überschwemmung. -- Der Alte im Dachgebälk. - -- Abrechnung mit Indern. -- Übersetzen. -- In den Schamben - der Wakitschi. -- Ein Gefangener tot. -- Mitleid. -- Kudu. -- - Die kriegerischen Bergbewohner. -- Flußpferd im Mondschein. - -- Gegen den Strom nach Panganya. -- Kranke Träger; ein - Samariterdienst. -- Ob man sich ansiedeln soll. -- Trockenzeit - und Regenzeit. -- Die Eigentümlichkeit des Stromes. -- - Verkehrsaussichten auf der Wasserstraße. -- Umgehungsbahn. -- - Stauwehr. -- Viehzucht. -- Kaisers Geburtstag. -- Büffeljagd - der Neger. -- Tsetse; Anopheles; Glossina und Boophilus. - -- Lederbearbeiten. -- Briefe. -- Diktat. -- Zumessen von - Getreide. -- Die Arbeit; Pflicht zu faulenzen. -- Ein Neger - vom Leoparden getötet; zwei Leoparden erbeutet. -- Abreise. -- - Mattigkeit und Fieber. -- In guter Pflege. -- Mondscheinfahrt - stromab. -- Abschiedsfeier. -- Wieder an der Küste. - - Verzeichnis häufig vorkommender in Deutsch-Ostafrika allgemein - gebrauchter Fremdwörter 374 - - Druckfehlerberichtigung 375 - - -[Illustration: S. M. S. „Bussard“.] - - - - -Zum Indischen Ozean. - - -Vor mir liegt, in Schweinsleder gebunden, ein altes Buch, das mich -nach dem Indischen Ozean begleitet hat: „Johann Jakob Merckleins -Ost-Indianische Reise, welche er im Jahre 1644 löblich unternommen -und im Jahre 1653 glücklich vollendet samt Johann Sigmund Wurfbains -kurtzem Bericht wie eine Reise, so zu Wasser wie zu Lande nach Indien -anzustellen sey.“ - -Das Buch wird bezeichnet als: „Journal alles desjenigen, was sich auf -währender neunjährigen Reise im Dienst der vereinigten geoctroyrten -niederländischen Ost-Indianischen Compagnie täglich begeben und -zugetragen, dabey die Situation und Gelegenheit der Länder und Sitten -unterschiedlicher Völker zu besserer Nachricht in etwas berühret -worden.“ - -Aus den getreuen Aufzeichnungen des Chirurgum und Barbirern Mercklein -weht ein Hauch ursprünglichster Anschaulichkeit, und Freude an fremden -Dingen. Deshalb ist es mir interessant gewesen hineinzusehen, und -ich wurde unwillkürlich angeregt, meine Fahrt mit der des Holländers -zweihundertfünfzig Jahre früher zu vergleichen. - -Die Edle Herren Bewinthabere der Compagnie zu Amsterdam ließen im Jahre -1644 zwei Schiffe zurichten, um neue Besatzungen für die Schiffe und -Faktoreien in Ostindien hinauszusenden. - -Das war also ein Ablösungstransport genau wie der unsere, der am 5. Mai -1904 Bremerhaven verließ, um Mannschaften und Material für die im Osten -stationierten Schiffe der Kaiserlich Deutschen Marine hinauszubringen; -ohne Unterbrechung dampfte der ‚Main‘ die Weser abwärts durch den -englischen Kanal und die Biskaya, an der Hispanischen Halbinsel vorbei, -bog in die Meerenge von Gibraltar ein und erreichte am elften Tage der -Abreise Port Said und die Pforte zum indischen Ozean. - -Die arme Holländerflottille dagegen: Der ~Walfisch~ -- groß 450 Last, -jede zu 3000 Pfund, Kapitän Pieter Dierksoon, Oberkaufmann Herr -Nikolaus Overschie, gewesener Direktor in Persia, -- und der ~Salm~, -zwei neuerbaute Fluytschiffe. -- Am 8. November verließen sie Amsterdam -und konnten, „weil der Wind stetig aus Westen wehete, nicht in das Meer -auslaufen bis auf den 30. Dezember“. An den Suezkanal dachte man damals -noch nicht; die holländischen Segler mußten ihren Kurs unausgesetzt -südlich nehmen, durch den Kalmengürtel der aufsteigenden Luftströme bis -zum Kap der Stürme, das im Heimatlande des portugiesischen Entdeckers -das Kap Bonae Spei genannt wurde, weil seine Entdeckung gegen Ende des -15. Jahrhunderts die Hoffnung auf den Seeweg nach Ostindien in sich -trug. Anfang März hielt sie ein starker Sturm dort fest, an der alten -Pforte zum indischen Ozean und dem reichen Osten. Auf der Reede von -Batavia wurde nach Verlauf von sieben Monaten am 31. May 1645 geankert, -nach einer Seefahrt von 3600 Meilen. -- Den gleichen Punkt etwa -erreicht der deutsche Transportdampfer in dreißig Tagen; und gehört -nicht zu den schnellsten Schiffen. - -Sechs Monate später erst empfingen die Herren Bewinthabere in Amsterdam -den Brief, der ihnen meldete, daß der ‚Walfisch‘ „in des Generals -Residenzstadt Batavia arriviert sey ohne Verlust einiges Menschen -durch Scharbuck oder _morbus Scorbuticus_, welches selten auf so -langen Reisen geschieht“. Heute steht die Ankunft des Dampfers ‚Main‘ -in irgend einem der großen Häfen des fernsten Ozeans noch an demselben -Tage in der Weserzeitung. Und doch behielten die Herren in Amsterdam -die Leitung in Händen; nur das Tempo der Unternehmungen ist eben -schneller geworden. - -Im Grunde erinnern alle Zustände und Ereignisse der Ostindianischen -Compagnie an die heutigen Zustände in den Kolonien. Eine weitgehende -Arbeitsteilung ist eingetreten; Handels- und Kriegsmarine sind -getrennt; die Umgangsformen der Nationen feiner und empfindlicher -geworden; die geräumigen Handelsdampfer tragen keine Kanonen mehr. -Handel, Verwaltung und Waffengewalt liegen in verschiedenen Händen, -während der Kaufmann des 17. Jahrhunderts alles dies in seiner Person -vereinte, die Kapitäne der Schiffe, die Gouverneure, die Verwalter der -Faktoreien ernannte und die Waffengewalt unmittelbar für sein Interesse -einsetzte. - -[Sidenote: Im Niltal.] - -Am 17. Mai 1904 fuhr unser Dampfer zwischen den Molen von Port Said -hindurch in den Suezkanal ein, an dem Denkmal Ferdinand von Lesseps -vorbei, gab Leinen an Land und machte fest, um Kohlen zu nehmen. Die -Agentur des Norddeutschen Lloyd hatte die gefüllten Prähme schon -bereitliegen und das farbige Volk der Kohlenträger ging sofort unter -viel Geschrei an die Arbeit; eine dicke Staubwolke hob sich in die Luft -und verleidete dem Zuschauer den Aufenthalt an Bord. Wer abkömmlich -war, verließ deshalb den Dampfer zu einem Abstecher nach Kairo, um -erst in Suez das Schiff wieder zu besteigen. Auch ich gehörte zu den -Reiselustigen, die in den staubbedeckten Waggons der Schmalspurbahn -nach Ismailia Platz nahmen. - -Die Sonne glühte, aber ein starker Luftzug trug sehr zum Wohlbefinden -bei. - -Zur Linken hatten wir den Suezkanal, zur Rechten die helle -Wüstenlandschaft. Wo sich Menschen angesiedelt hatten, ragte wie -eine Insel ein Fleckchen bebautes Land heraus; mit Dattelpalmen, -Bananenbüschen und bunten Blütenbäumen. Erst der vom Nil hergeleitete -Süßwasserkanal hat den Pflanzenwuchs hier ermöglicht. Ein Trupp -Menschen mit bepackten Kameelen tauchte auf. - -In all den kleinen Stationen stiegen Farbige ein und je näher wir -von Ismailia dem wunderbaren Kairo kamen, desto vielseitiger wurde -das Völkergemisch. Hier ein Araber in bronzefarbenem Gewande mit -geradem Halsausschnitt und auffallend langen Ärmeln, deren weit -hervortretendes, sauberes Futter auf den zierlichen Händen liegt; er -trägt den Turban auf dem Kopf über dem feinen Gesicht. Neben ihm sitzt -ein Türke, dessen große Nase und in Falten aufgehängter Mund sehr -häßlich wirken. -- Immer ausgedehnter werden die mit Kulturpflanzen -bebauten Flächen. Wo das lebenspendende, kräftelösende Wasser -hingeleitet ist, wächst dicht und üppig der Weizen hervor; unmittelbar -daneben leuchtet der leblose Sand. Kameele und Ziegen begnügen sich mit -spärlichem Grün, dann kommen Esel, starke Kühe und Pferde, wo sich die -Pflanzen mehren. Es wechseln ab: Weizen, der gerade zur Ernte reif ist, -Baumwolle und kniehoher, dichter, weißblühender Klee, als Viehfutter. -Gepflügt wird noch mit dem alten Holzhaken, den wir schon auf den -Malereien der alten Ägypter finden. - -In den langen Furchen der sauber gehalten Baumwollfelder glänzt hier -und dort Wasser, und Leute sind beschäftigt, das Naß den Pflanzen -zuzuleiten. Ochsen mit verbundenen Augen ziehen die Göpelwerke der -Schöpfräder und die Trommeln auf den offenen Tennen, wo der Weizen -gedroschen wird. Das Korn wird mit der Sichel gemäht. Wo Kühe weiden, -sitzen ebensoviel Menschen dabei und sehen zu. - -Weithin verläuft das fruchtbare Land. In zarter Färbung von der -Nachmittagssonne umflutet, erscheinen am Horizont zwei Pyramiden und -der Höhenzug über Kairo, gekrönt von einem stolzen Bauwerk: der Moschee -Mehemet Alis in der Zitadelle. - -Durch die belebten Straßen der Stadt bringt uns ein Wagen auf die Höhe. -Am Eingang der Zitadelle steht ein Posten der ‚_Occupation armee_‘ -mit Bajonett, einen Tropenhelm mit silberner Spitze auf dem Kopfe. Um -die hohen, schlanken Minarets kreisen Weihen. In der Moschee werden -der von Teppichen bedeckte Boden, die Alabasterwände, die kunstvolle -Kanzeltreppe und die an langen Ketten hängenden Lampen gezeigt. - -Vier mächtige Pfeiler tragen die Kuppel mit ihren bunten Scheiben, die -dem Innern des Raumes eine feierliche Beleuchtung geben. - -Lästig war es, dem ewig schwatzenden Führer zu folgen; der wollte -die Neugierde befriedigen und hetzte von einer Sehenswürdigkeit zur -andern. Keines Eindrucks konnte man Herr werden; deshalb blieben wir -einen Augenblick zurück, um in aller Ruhe das Bild in uns aufzunehmen. -Dann standen wir an dem hohen Gitter, das das Plateau der Zitadelle -abschließt. - -[Sidenote: Kairo.] - -Unter uns lag die große Stadt mit staubfarbenen Gebäuden, mit Türmen -und Minarets. - -Als breites Silberband schimmerte der Nil durch die Reihen der Häuser; -einzelne Palmen zierten seine Ufer. In der Ferne begann die Wüste -gerade dort, wo die Pyramiden von Gizeh mächtig emporragten. Weiter -links am Nil hinauf waren die Pyramiden von Memphis im Dunst des Tals -und im letzten Schein der feurig in die Sahara untertauchenden Sonne zu -erkennen. - -Als wir zur Stadt zurückfuhren, zündeten braune Gestalten die wenigen -Laternen an; die Fußgänger auf den Straßen mehrten sich; vor den -Trinkhallen saßen Männer auf den Trottoirs und rauchten Wasserpfeife. - -Unter beständigen Zurufen an seine Pferde lenkte der Kutscher unsern -Wagen zum Hotel. - -[Sidenote: Auf der Cheopspyramide] - -Der nächste Morgen war hell, wie fast das ganze Jahr hindurch in Kairo, -als wir über die Nilbrücke nach Gizeh fuhren. Auf dem Wege kamen uns -Kameele und Esel entgegen, die hoch und breit mit Grünfutter, Gemüsen, -Körben mit Geflügel oder großen Milchgefäßen beladen zum Markte -getrieben wurden. Die Sonne stieg höher über die Türme der Stadt und -beleuchtete die üppige blütenreiche Pflanzenpracht des Gizeh-Garden. -Vom Nil her wird das Wasser in den Garten gepumpt, weil es vom Himmel -nicht zu erwarten ist; nun sprudelt es hier und dort aus dem Rasen -hervor und überschwemmt die Beete. - -Der breite von Akazien beschattete Weg biegt nach Westen auf die -Pyramiden zu. - -Wer es nicht gesehen hat, kann sich keinen Begriff machen von dem -Eindruck der mächtigen von Menschen aufgetürmten Steinmassen aus der -Nähe. - -Man sagt, die Pyramide liege in dem Mittelpunkt der ganzen bewohnten -Erde; der Meridian, der den Platz der Pyramide schneidet, decke mehr -Land als irgend ein anderer und auch kein anderer Breitenparallel -soviel wie der 30° N. - -Wie weit solche Betrachtungen von Bedeutung sind, darf man dahin -gestellt sein lassen. Wunderbar aber ist es, daß sich an der -Cheopspyramide geometrische Proportionen nachweisen lassen, daß der -Porphyrkoffer im Innern ein Einheitsmaß darstellt, daß die Richtung -der Seiten bei allen Pyramiden den Himmelsrichtungen entsprechen; -die Phantasie wird mächtig angeregt, wenn sie in dem Riesenbauwerk -verborgene Rätsel sucht. - -Man war überrascht, als s. Zt. im oberen Teil der Pyramide der -leere Sarkophag gefunden wurde. In allen anderen Pyramiden befanden -sich die Grabkammern unter der Grundfläche. Keine Inschrift, kein -Ornament deutete an, daß je eine Mumie dort gebettet wurde und Herodot -berichtet, daß Cheops nicht in der Pyramide begraben sei. Es schien, -als habe der Baumeister mit seinem Verzicht auf jede Inschrift den -späteren Zeiten sagen wollen, daß über den Sinn der Pyramide kein -Zweifel bestehen könne. - -Der Zugang zum Innern war vermauert und ist erst durch ebenfalls -interessante Berechnungen und Überlegungen wieder gefunden worden. - -Die Pyramide soll 2000 Jahre vor Christi Geburt erbaut sein; Cheops -ließ die Tempel schließen, verbot die Opfer und machte es dem Volk -zur Aufgabe, dafür an der Pyramide zu arbeiten. Das Bauwerk ist 227 -_m_ in jeder der Fronten und war früher 147 _m_ hoch. Mehrere -Millionen Tons Steine stecken darin. Die obersten Steine fehlen ebenso -wie die glatte Bedeckung, die nur an der Spitze der Chephrenpyramide -noch vorhanden ist. - -Viel bedeutsamer als alle die oben ausgesprochenen Mutmaßungen -erscheint die Lage des ungeheuren Monuments am Rande der Libyschen -Wüste und des fruchtbaren Niltals. Als die Führer uns von Stein zu -Stein hinaufbefördert hatten und ihre zudringliche Bettelei auf -Minuten zum Stillstand gebracht war, konnte man von der quadratischen -Plattform, die die Spitze der Pyramide bildet, den Rundblick in sich -aufnehmen. Die Ostfront neigt sich nach den üppigen Feldern, die der -Nil überflutet und der alten Chalifenstadt el Fostat, dem heutigen -Kairo. Die Westseite blickt auf die Wüste, auf das unendliche hügelige -Sandmeer, in dessen Fluten die Schatten der Wolken schwimmen. Da geht -die Pilgerstraße durch das Natrontal an die Küste des Mittelmeers; kaum -kann man von einer Straße sprechen. -- -- -- - -Ins Uferlose führen die Spuren. - -[Illustration: Die Sphinx.] - -Auch diese lebensfeindliche Wüste haben der Handel und der Islam -überwunden. Von hier aus ist die Lehre Mohameds nach Westen gegangen, -bis sie in den Gebirgen Spaniens zurückgeworfen wurde. Die Menschen -machte der Koran bedürfnislos und sie fanden in den Kameelen Lasttiere, -durch deren Arbeit und Anspruchslosigkeit sogar die Ufer der Wüste -verbunden werden konnten. - -Menschen und immer wieder Menschen! Auch die den mächtigen Strom -bändigten und ihren Feldern nutzbar machten, die die Steine zu fast -unvergänglichen Bauwerken auftürmten. - -Ein Volk, das Zeit zu solchen Bauten hatte, die nichts weniger sind, -als Nutzbauten, mußte viel Brot besitzen! - -Größeres kann die moderne Technik leisten. Welche Opfer an Leben -aber mag es damals gekostet haben? Noch heute versucht die Natur ihr -Veto einzulegen, wenn große Menschenmengen an einem Ort zur Arbeit -zusammengebracht werden. Krankheiten und Seuchen brechen aus und nur -die wohlorganisierte Arbeit der Ärzte ermöglicht große Unternehmungen. -Wie mag es vor 4000 Jahren gewesen sein! Und wieviel Menschen mögen dem -ungewohnten Klima, dem Fieber und anderen Krankheiten erlegen sein, die -die Menschheit vielleicht jetzt schon überwunden hat! - -Der Gedanke an solche Zustände erhöht die Bewunderung vor den großen -Bauwerken der Alten; unter den heutigen Umständen würde sich eine -Ausnützung von Menschen nach dem Muster der alten Machthaber von selbst -verbieten. Sind es doch gerade die Leiden der Kulis und der Neger -in Zentralafrika gewesen, durch die die Kulturwelt zur Teilnahme an -kolonialen Unternehmungen begeistert wurde. - -Die Ethik der Kulturvölker verbietet eine Ausnutzung der niedriger -stehenden Rassen, wenn auch der Neger noch heute so roh und barbarisch -ist, daß es ihm nicht zur Unehre gereichte, als Diener des Mächtigeren -ausgenützt zu werden. Und welche Kulturarbeit könnte geleistet werden, -wenn die ungeheure Überlegenheit, die wir mit unseren Feuerwaffen über -die Neger besitzen, genutzt würde, um Bahnen und Wege zu bauen, um -Plantagen anzulegen! Eine andere Zeit, hörte ich einmal sagen, hätte im -Besitze einer Macht, wie wir sie haben, andere Werte in den Kolonien -hervorgebracht, und vielleicht würden dann weniger Aufstände gekommen -sein, die zur Vernichtung ganzer Stämme führten, würde schneller durch -Erschließung des Landes der Hungersnot, der Schlafkrankheit und anderen -verheerenden Übeln entgegengetreten sein. - -Was Afrika anging, so war die Möglichkeit zu ähnlicher Herrschaft über -Menschen noch immer vorhanden. In dem großen Kontinent, dem der Nil -entströmt, hat es vor 4000 Jahren wahrscheinlich kaum anders ausgesehen -als vor hundert Jahren. Sklaven holte sich Cheops von dort ebenso wie -vor einem Menschenalter noch die Araber, und die Kunde von dem Mondland -Uniamuezi, aus dem der Nil entspringen sollte, ist jedenfalls diesen -ersten Interessen an dem volkreichen Süden zu danken. - -Soll man einmal fragen, was wohl aus dem Neger geworden wäre, -wenn Europa noch mit den Anschauungen des Mittelalters an die -Erschließung Afrikas hätte gehen können? Es ist wie ein Zufall in der -Weltgeschichte, daß das große, reiche Land solange unbekannt blieb und -daß den vernichtenden Sklavenjägern gleich Rächer erstehen konnten. -Jetzt stellen sich die kolonisierenden Völker die große Aufgabe, die -Kräfte der neuen Länder in einer unserer Ethik entsprechenden Weise zu -entwickeln und nutzbar zu machen. - -Von den Pyramiden ging es auf dem Rücken eines Kameels zur Sphinx und -dann zu einem dritten merkwürdigen Bauwerk, dem Tempel der Sphinx. In -der Erde vergraben erweckt dieses Gebäude den Anschein, niemals für -Außenfassaden, sondern wie der Bau eines Fuchses in die Erde hinein -gebaut zu sein. Es ist von Wüstensand erst wieder freigelegt. Glatte, -sauber gehauene und polierte Granitquadern bis zu 5½ _m_ lang sind -hier mit größter Genauigkeit neben- und übereinander gefügt. Aufrecht -stehende Steine bilden Säulen, auf denen andere als Dach ruhen. -Stellenweise ist Alabaster benutzt und auf jedes Ornament verzichtet -worden: Hier spricht allein das Material durch seine Zusammenfügung, -Wucht und Größe. -- - -[Sidenote: Kairo.] - -Als ich am Nachmittag mit einigen Kameraden durch die Straßen ging, -begegnete uns im Nordviertel der Stadt ein Leichenzug der Fellachen. -Voran ging ein Karree alter Männer; ihnen folgten jüngere Männer mit -Gesangsheften in arabischer Schrift, dann kamen Kinder mit Blumen, -vor dem Sarg, der getragen wurde und mit bunten Tüchern und Blumen -geschmückt war. Unter, neben und hinter dem Sarg gingen klagende -Frauen, darunter eine, die von Zeit zu Zeit die Arme hob, wobei -sie ein Tuch spannte und den Kopf zurückwarf. Ihr Gesicht war mit -schwarzblauer Farbe beschmiert. Der Zug bewegte sich unter dem Klange -eintöniger Lieder langsam vorwärts. - -Ein anmutiges Bild bot sich uns am Nil. Langsam glitten Boote mit -hohen, spitzen Segeln über das ruhige Wasser. Dattelpalmen standen -neben weißen Häusern, darüber der blaue Himmel. - -Wir gelangten über die Nilbrücke zum zoologischen Garten, der nicht -sehr besetzt war. Die wenigen Tiere aber, die dort in üppigem Grün -umherstanden, sahen sauber und wohlgepflegt aus, wie der ganze Garten. -Die Büsche hingen voller Blüten; an vielen Stellen sahen Hydranten aus -dem Boden, mit deren Hilfe den einzelnen Teilen des Gartens Wasser -zugeführt werden kann. Wie im Sommer in den nordischen Gärten die -Tiere durch Luft und Licht besser gedeihen als im Winter, so machte es -sich auch hier vorteilhaft geltend, daß sie andauernd im Freien liegen -konnten. - -Zwischen hohen Fikusbäumen spaziert auf freiem Rasenplatz ein seltsamer -Vogel -- der Walkopfstorch --; sein Schnabel ist plump wie ein -Kasten. Mit ihm teilen den sonnigen Raum einige Kraniche in lebendig -zurechtgeschütteltem Gefieder. Daneben der künstliche Teich mit üppigen -Sumpfgewächsen, Uferbäumen, die von ihren Ästen Wurzelfäden zum Wasser -hinabsenden und breitblättrigen Wasserpflanzen: eine erdrückende Fülle. - -Uns fesselten weniger die ausländischen Tiere, die Hirsche aus Europa -und Ceylon, die Bären, die nicht auf afrikanischem Boden heimisch -sind, sondern die Vertreter der ägyptischen Fauna; sicher wäre es eine -vorteilhafte Beschränkung, wenn in solchen Tiergärten, die kaum einer -allgemeinen Belehrung dienen können, die Tierwelt des Landes in der -ihr eigenen Umgebung und in ihrem Klima möglichst vollständig gezeigt -und auf die fremdländischen Vertreter weniger Wert gelegt würde. -- -Ein hervorragendes Beispiel der Art ist der große ~Rhodespark~ in -~Kapstadt~. - -Die wenigen Gazellen aus dem Sudan waren reizend anzusehen. - -Der Nachmittag sah uns in dem Geschäftsviertel der Stadt Kairo, nachdem -wir die Menge der Wagen an uns hatten vorbeifahren lassen, die zum -Korso den Weg über die große Nilbrücke nach Gizeh nahmen. - -Es gehört Kenntnis der Volkstypen dazu, um sich in dem Menschengewirr, -das die engen Gassen der Bazars füllt, zurechtzufinden. Mich -beschäftigte nur das bunte Bild; die Menschen aller Farben, zwischen -den Läden mit Teppichen, Goldarbeiten, Ölkuchen, Anzügen, Metallwaren -und Spezereien. - -Die Eisenbahn brachte uns in unruhiger Nachtfahrt nach ~Suez~. Der -Dampfer hatte inzwischen den Kanal passiert und nahm uns auf, um seinen -Weg durch das Rote Meer nach ~Colombo~ fortzusetzen. - -[Sidenote: Auf Ceylon.] - -Der Hafen von Colombo, auf Ceylon, wird von allen nach Osten gehenden -Schiffen angelaufen; meist sogar mit etwas Aufenthalt, so daß die -Schönheit der Insel und ihre Fruchtbarkeit sehr bekannt sind. - -Der kleine Kreuzer Bussard, auf dem ich ein zweijähriges Kommando -antrat, lag in dem Hafen. Er kam aus Ostasien und hatte eine schwere -Seefahrt hinter sich, derentwegen man ihm einige Wochen Ruhe zu -Reparaturen und Erholung gab, ein Umstand, der auch dem neuangekommenen -Teil der Besatzung zugute kam. - -So lernte ich außer der schönen von Palmen geschmückten Stadt auch -~Kandy~ und den botanischen Garten von ~Peredenya~ kennen, -und unternahm einen kleinen Jagdausflug, der mich mit dem Charakter der -Landschaft vertraut machte. - -Wundervoll anzusehen ist das Bild des Hafens mit den vielen Schiffen, -die hinter der langen Mole geborgen liegen, während die ungeheure -Brandung von außen dagegen tobt, himmelhoch aufspritzt und eine breite -See hinübergießt, die sich wie ein weißes Spitzentuch über die Mauer -legt. - -Krähen, von den Eingeborenen heilig gehalten, und deshalb geschont, -fliegen in Menge von Schiff zu Schiff, sitzen auf den Stagen und an -Land in den Bäumen. Merkwürdig genug sind auch die aufdringlichen -Singhalesenbengels, die in kleinen Fahrzeugen um die Passagierdampfer -herumfahren, nach Geldstücken tauchen und einen erbärmlichen Chorgesang -anstimmen. - -Den Tag über war man meist an Bord beschäftigt; denn nach jedem -Besatzungswechsel gibt es viel zu ordnen; der Erste Offizier drängt -darauf hin, die Rollen der Mannschaft recht bald einzuüben und den -Schiffsdienst in die Reihe zu bringen. -- Aber an den Abenden fuhr man -an Land und promenierte mit Kameraden nach dem schön gelegenen Galle -face Hotel oder ließ sich von einer Rickschah durch die von üppigen -Bäumen eingefaßten Wege dahinfahren. - -Eine Bahnfahrt in die Berge nach dem hochgelegenen Kandy führte mich -durch die wechselnden Landschaftsbilder der Insel. Anfangs die Ebene -mit Kokospalmwäldern, unterbrochen durch Reisfelder; die Copra, von -Eingeboren geerntet, bildet ein wichtiges Produkt und wird in Colombo -selbst verarbeitet. - -Die ersten Anhöhen kamen, von dichtem Wald bedeckt, Regen strömte -hernieder, Wolken verhüllten die Bergkuppen, die Bahn stieg bergauf -und zog auf kühn angelegter Trace an steilen Berghängen entlang. Über -liebliche Täler ging hier der Blick zu fernen Höhen. An den Hängen -hinab floß Wasser über die Terrassen der Reisfelder; Rinder weideten -dazwischen. - -Nach der ägyptischen Baukunst machten die Tempel auf Ceylon geringen -Eindruck. Kleinlich; es ist, als ob die Menschen nicht fähig waren, -aus der Schönheit der sie umgebenden Natur etwas in ihre Kunst hinüber -zu nehmen. Kuriosa sind es: der Zahn Buddhas, der Silberschatz, die -abgeschmackten Götzenbilder, die heiligen Schildkröten, der heilige -Baum und all der Flitter im Tempel. Desto großartiger ist die Natur -und besonders die Palmenwelt in dem geräumigen botanischen Garten -von Peredenya. Da stand eine Allee von Fächerpalmen wie das Peristil -eines griechischen Tempels. Die Formenfülle der hier vertretenen -Palmen berauschte das Auge. Neben der _Lodoicea Seychellarum_, -der größten Fächerpalme der Erde, zartgerippte Phönixarten, die -Siegelwachspalme mit roten Blattstengeln und die schmückenden -Königspalmen. - -[Sidenote: Ceylon.] - -Das Orchideenhaus erinnerte mich an die begeisterten Schilderungen -eines Freundes, dessen Lieblinge diese schmarotzenden Schönen waren; -ich sah hier manche der Wunderblüten, die ich bisher nur von bunten -Tafeln her kannte. - -Muskatnuß und Kokain, Gummilianen und Teeblüten entdeckte man. -Ungeheuerlich wirkte das mächtige Bambusgebüsch am fließenden Wasser. -Da war jedes Rohr ein dicker Stamm, alle Gräser zusammen bildeten -unten einen geschlossenen Zaun, und man konnte sich vorstellen, welche -Schwierigkeit es sein mag, in einem Bambuswald vorzudringen, wenn nicht -Elefanten uralte Wege offen gehalten haben. - -Von der Bahn aus hatte ich ein merkwürdiges Tier gesehen: eine -Rieseneidechse, die wie ein Krokodil langsam über die Böschung kroch. -In Colombo wurde mir gesagt, daß es nicht schwer sei, solche Tiere im -Lande anzutreffen, und daß auch die Vogelwelt im Tieflande überaus bunt -und vielseitig sei. - -So machte ich mich eines Tages auf den Weg um unter Führung eines -Jägers in der Ebene südlich von Kolombo umherzustreifen; nach -mehrstündiger Bahnfahrt verbrachte ich die Nacht in einem englischen -Rasthause. - -Am folgenden Morgen durchwanderten wir frische grüne Wälder. Mein -Führer kannte alle die bunten Vögel, die in großer Zahl im Walde -flogen. Bald hatte ich eine kleine Kollektion beisammen, und wir hatten -bis in die Nacht zu tun, die Ausbeute zu präparieren. - -Es sind die einzigen Vögel geblieben, die ich im Auslande gesammelt -habe. Die Mühe des Präparierens war mir zu groß, wo größere Trophäen -lockten; deshalb habe ich in Ostafrika außer Hühnern und Tauben fast -keinen Vogel geschossen. - -Mit der bunten Ausbeute, die jetzt in einem Glasschrank an den ersten -bescheidenen Jagdtag am Indischen Ozean erinnert, und mit zwei großen -Eidechsen fuhr ich nach Kolombo zurück. - -Neun Tage waren wir von Ceylon nach den Seychellen unterwegs, ohne ein -fremdes Schiff zu sehen; eine rechte Seefahrt war es, auf der man das -Land verlernt, nur den Himmel mit den leuchtenden Gestirnen und die -dunkle Salzflut um sich sieht. - -Da kommt man dazu, alte Eindrücke zu verarbeiten und auf neue hungrig -zu werden. - -Daß Meere die Länder trennen und Gegensätze in dieser kleinen Welt -erhalten und begünstigt werden, geschieht um uns schauende, genießende -Menschen nicht durch langsame Übergänge stumpf zu machen! - -Am neunten Tage umkreisten Möwen in wachsender Zahl das Schiff und -kündeten die Nähe des Landes an. - -Die Inseln sind grün vom Meeresstrand bis auf die Höhen. Auf einzelnen -erkannte man reihenweise gepflanzte Kokospalmen. Die Bergspitzen der -größten Insel Mahé stecken in den Wolken. Dichtes Grün klettert in den -Schluchten hinauf. Nur einzelne schroffe Wände und große Steinblöcke, -die wie Bastionen nach der See hervorspringen, sind kahl; nach dem -Fuß der Berge wird der Pflanzenwuchs höher und voller, die Häuser -der kleinen Stadt Port Viktoria verschwinden fast darin. Eine weiße -Strandlinie setzt das Grün nach dem Wasser hin ab. Ganz unten, wo das -Meer die Insel umsäumt, leuchtet aus dem seichten Wasser ein breiter -Streifen buntfarbiger Korallen im hellsten Grün und dunklem Violett. -Es ist wunderbar, wie hier der Meeresgrund seine Farbenpracht an -das fruchtbare Gestade heranschiebt, um den großen und freundlichen -Eindruck zu vertiefen. - -Wir fuhren zu einem Abendspaziergang an Land. Nahe der Mole die weit -auf das Riff hinausführt, löschte ein kleines Segelschiff seine Ladung -an lebenden Schildkröten. Die Tiere wurden in ein der Mole angebautes -Bassin geworfen. Dort sah man die großen Schilde von Zeit zu Zeit -auftauchen und den Kopf herausstecken, um Luft zu holen. - -Ein breiter Weg führt durch den Ort auf einen Sattel an der schmalsten -Stelle der langgestreckten Insel. In den Gärten der Eingeborenen -wachsen Lemonen, Ananas, Vanille und Mais. Die Kokospalme neigt ihre -gefiederte Krone über die braunen Dächer der Hütten, in denen das Feuer -zum Abendessen aufflackert. - -[Sidenote: Auf den Seychellen.] - -Ein andermal marschierte ich in den erwachenden Morgen hinein, um auf -einer Tagestour die Insel kennen zu lernen. Ein guter Fahrweg geht -fast rund um die Insel herum; mehrere Verbindungswege über die Höhen. -England hat viel Geld dazu geliehen. 130 Inder mußten zum Wegebau -eingeführt werden, weil die Kreolen zur Arbeit zu faul sind. Das -rührige Vorgehen des Gouvernements in der Schaffung von Verkehrswegen -zur Erleichterung der Produktion ist um so mehr hervorzuheben, als die -Aussichten für das Land recht gering waren. Die Vanille ist stark im -Preise gesunken, seit Kunstprodukte die nicht leicht zu kultivierende -Frucht entbehrlich gemacht haben. Die Kopraproduktion aber nimmt an -Ausdehnung zu; ihr kommen die neuen Wege besonders zustatten. - -Zur Linken hatte ich den Strand, zur Rechten den steil ansteigenden -Berg. Hier unten drängte sich eine formenreiche Pflanzenwelt: -Kokospalmen, Brotfruchtbäume mit den großen, glänzenden und gezackten -Blättern, Oleander, der elegante Stamm einer Betelpalme und die großen -Fächer der Wandererpalme, -- einer Musacee, -- dann die Menge der -Sträucher, Gräser und die starken Schwerter einzelner Agaven, auf der -Höhe der den Weg begrenzenden Mauer. - -Der Morn Seychellois war wolkenfrei. In den zahlreichen Schluchten, in -den vom schattigen Laub überdachten steinigen Bachbetten kam in dieser -Zeit kein Wasser zu Tal. Haushohe Granitblöcke lagen am Strand, vom -Meer umspült. - -Ein kleiner Kreolenknabe führte mich in einer Schlucht bergan, vorbei -an einem Wasserfall, nach Kaskade Estates, der Farm eines Engländers. - -Der Besitzer war zu Hause und begleitete mich in stundenlangem -Spaziergang durch die Anlagen. Eine Menge Nutzpflanzen sah ich zum -ersten Male: die Vanille, deren Schoten im Schatten großer Bäume -gedeihen: (die Befruchtung der Blüten muß künstlich geschehen, weil der -kleine Vogel, der in Amerika den Blütenstaub von Pflanze zu Pflanze -trägt, auf den Seychellen nicht lebt.) - -Auch die hohen Nelkenbäume mit roten Blüten waren mir unbekannt, ebenso -der Indigo und eine andere Farbpflanze: der Arnotto, dessen Früchte in -rote Farbe gebettet sind, die in Amerika, der Heimat der Pflanze, von -den Indianern zum Bemalen der Haut, in Holland zum Färben von Butter -und Käse verwandt wird. - -Eine Menge anderer Pflanzen sah ich noch, die zum Versuch oder nur aus -Interesse an der Botanik angebaut waren. - -Auch über die Tierwelt war mein Gastgeber gut unterrichtet, hatte -eine kleine Bibliothek auserlesener Bücher und erklärte mir an seiner -Pflanzen- und Schneckensammlung merkwürdige Zusammenhänge. - -Die Gruppe der Seychellen umfaßt 29 Inseln, die alle nicht weit -auseinanderliegen; dennoch sind auffallende Trennungen in der Flora und -noch mehr in der Fauna zu finden. - -Die Lodoicea, die riesige Fächerpalme wächst wild nur auf zwei Inseln: -Praslin und Curius island. Ebenso soll es einen Vogel geben, der nur -auf Mahé vorkommt, einen andern, der nur auf Praslin und Felicité lebt -und alle übrigen 27 Inseln meidet. - -Wenn das schwer nachzuweisen ist -- abgesehen von der Tiefseeexpedition -mit ihrem vorübergehenden Aufenthalt, hat sich ein deutscher -Zoologe längere Zeit auf den Seychellen aufgehalten --, so muß man -staunen, wenn man in der genau mit Datum und Fundort bezeichneten -Konchiliensammlung sieht, daß eine Schnecke, die auf allen Inseln -nur mit ganz rundem Gehäuse vorkommt, auf einer einzigen Insel -ausschließlich mit einer ausgesprochen scharfen Kante gefunden wird. - -„Das sind,“ sagte der Pflanzer, „Beobachtungen, an denen sich jeder -Naturfreund freuen sollte; die die Größe der Natur erhöhen und an denen -wir schlichten Sammler Entdeckerfreuden erleben.“ - -Er nahm Haeckels „Welträtsel“ -- in englischer Ausgabe -- aus seinem -Bücherschrank und sagte, die deutsche Jugend könne sich freuen, daß ihr -ein solches Buch gegeben würde, zur Teilnahme an einem großen Kampf. - -Nach dem Essen saßen wir in bequemen Stühlen auf der Veranda, und mein -Gastgeber lockte durch Pfeifen eine große Zahl kleiner Vögel und wilder -Tauben heran, die so zahm waren, daß sie aus der Hand fraßen. - -Auf dem Rückwege nahm ich unter dem Wasserfall ein Bad, dann segelte -mich ein alter Neger in seinem Einbaum mit gutem Winde über die -Korallenriffe hinweg an Bord zurück. - -Mir wurde erzählt, daß in den Bergen der Inseln eine ganz besondere -Vegetation zu finden sei: der tropische Urwald mit riesigen Bäumen -und seltenen Holzarten. Das mochte man kaum glauben, wenn man vom -Ankerplatz des Schiffes aus nach den Höhen der Granitfelsen hinaufsah. - -Die trockenen Reiser, die dort oben sichtbar wurden, wenn die vom Winde -bewegten Nebel ein Fenster offen ließen, sollten große tote Bäume sein? - -Unter Führung schwarzer Holzarbeiter stieg ich eines Morgens hinauf und -stand nach vierstündigem Klettern auf dem höchsten Punkt der Insel, -dreitausend Fuß über dem Meere. - -Urwald umgab mich hier; Laubbäume, von denen Tautropfen fielen, große -Baumfarren und Moos. - -Zwischen den lebenden Stämmen standen riesige unbelaubte -Eisenholzstämme; seit Jahrzehnten abgestorben trotzte ihr zähes Holz -den Einflüssen der Witterung. - -Über die Wipfel der Bäume hinweg sah ich den Horizont. - -Insel im Meere! -- Rundum suchte der Blick nach fernem Land; die weite, -bewegte Flut trennte mich von der Heimat und von der Fremde. - -Die Heimat mit ihrem Wissen, Verarbeiten und Erziehen machte mich -hungrig nach der Fremde! Und Freude an der fremden, bunten Welt hier -draußen lockte mich am frühen Morgen hinaus. Da sah ich das Meer, -im Morgenlicht; die erwachende Tierwelt und die Menschen, die die -Tagesarbeit vorbereiten. - -Nicht der satte Mittag, an dem schon der nächste Tag erhofft wird, kann -den reinen Genuß geben, den der Morgen dem Lebenden gibt. - -Dem erwachenden Tag, dem Morgen mit seiner Schönheit, seinem -aufklärenden Licht habe ich Freuden und Erfolge in Afrika zu danken. -- - -Auch was ich an Kulturansätzen sah, in dem Lande, dem meine -Hauptaufmerksamkeit galt, war wie ein junges, erwachendes Leben. -Endlich war es für mich der erste Versuch frei und selbständig in -die Welt zu gehen und die Dinge anzuschauen; ich selbst stand „im -Morgenlicht“. -- - -[Illustration: Die katholische Kirche in Daressalam. - -Der stolze Bau gibt, in Verbindung mit dem geschmackvoll gebauten -Bischofspalast, dem Städtebild sein Gepräge. Besonders vom Hafen -aus ist der Blick auf die Stadt schön. Im Vordergrund des Bildes -rechts sieht man eine Pandanus mit ihren Stelzwurzeln; die den Ananas -äußerlich ähnlichen Früchte werden in Ostafrika angeblich nicht -gegessen.] - - - - -Daressalam. - - -Die Küstenplätze Ostafrikas, ihre Einrichtungen und Anlagen zu -beschreiben, habe ich mir nicht zur Aufgabe gemacht. Gute Schilderungen -von berufenen finden sich in vielen neuerschienenen Büchern; ich will -nur einen kurzen Einblick geben in Dinge, die nicht oft erwähnt zu -werden pflegen. - -[Sidenote: Daressalam.] - -Als S. M S. Bussard im Sommer 1904 in den Hafen von Daressalam einlief, -war es noch das alte Daressalam; wir durften die ganz stille Zeit noch -miterleben. Ein Jahr später begann der Bahnbau und brachte Leben in die -Stadt. Die Kaufleute hatten zu tun, Unternehmer begannen den Bau der -Bahnstrecke, ein Arbeitsmarkt entstand. - -Der Aufstand kam hinzu, Marinetruppen kamen und gingen; oft lagen drei -Kriegsschiffe zugleich im Hafen. - -Die alte stille Zeit: Da war Daressalam Regierungssitz; für Handel und -Verkehr aber nicht mehr als der Ausgangspunkt für die Pugustraße, die -eine Tagereise weit ins Land führte. Die Karawanen des Zentralmagazins -gingen von hier nach den Innenstationen. - -Sobald man das Weichbild der Stadt überschritt, kam man in Busch, in -Pflanzungen der Eingeborenen. Sehr bezeichnend ist der Ausdruck, den -ich aus dem Munde des Herausgebers der Deutsch-Ostafrikanischen Zeitung -hörte: - -„Beim Anblick Daressalams hat man immer das Gefühl: ‚_bado_‘ -(‚noch nicht!‘).“ - -Dieser Ausspruch soll etwa heißen: jeder, der das Land sieht, sagt: -„ein reiches, aussichtsvolles Land!“ Immer neue kommen, gehen, -erzählen daheim, wie schön es ist, und immer noch läßt der erwartete -Unternehmungsgeist auf sich warten. - -Das ist inzwischen freilich anders geworden: Daß ohne Bahnen kein noch -so reiches Land erschlossen werden kann, hat nachgerade jetzt jeder -eingesehen und bald wird man vergessen haben, welche Mühe sich das -Gouvernement hat geben müssen, um in Deutschland richtige Ansichten -über die Kolonie zu verbreiten. - -Die anerkennenswerten Versuche, durch Wegebau, Begünstigung der -Eingeborenenkulturen, -- besonders was Baumwollbau anbetrifft, -- -die Produktion zu heben, werden hoffentlich bald von den Folgen des -Bahnbaus in Schatten gestellt sein. - -Wochenlange Reparaturzeit, die das Kriegsschiff dank der zu solcher -Leistungsfähigkeit entwickelten Werft der Gouvernementsflottille im -Hafen von Daressalam, anstatt in Kapstadt, verbringen konnte, gab uns -Gelegenheit, an Land zu wohnen und das Städtchen kennen zu lernen. - -Vor Wind und Wetter geschützt hatte das Schiff im Hafen, von Daressalam -einen angenehmen Aufenthalt. In wenigen Minuten war das Land erreicht -und nach kurzem Spaziergang konnte man -- nötigenfalls durch drei -Pfiffe -- das Dinghi, (das kleinste Boot des Kriegsschiffs), mit einem -Neger der Wache bemannt, querab am Strand haben, um schnell wieder an -Bord zu gehen. - -Der Entschluß, an Land zu gehen, wurde einem daher nicht so schwer, -wie an Plätzen, wo das Schiff weit von der Küste auf Reede lag und nur -wenige Routineboote den Verkehr mit Land aufrecht hielten. In dem Falle -überlegte sich mancher, ob er sich den Unbequemlichkeiten der weiten -Bootfahrt aussetzen sollte? - -Wir Seeoffiziere waren in Daressalam stets in beneidenswerter Lage. -Wenn man den Nachmittag nach beendetem Dienst mit Spaziergängen in den -Palmenwäldern und in anregendem Verkehr mit den Offizieren, Kaufleuten -und Beamten der Stadt verbracht hatte, dann brauchte man nicht in -dumpfiger, heißer Stube unter ein Moskitonetz zu kriechen, sondern fuhr -in wenigen Minuten auf sein schwimmendes Heim zurück, das von Insekten -unbehelligt auf dem Wasser lag. Da fand man seine kleine Kammer vor -und schlief bei der größten Hitze und Windstille gleich gut; weil ein -kleiner, elektrischer Ventilator frische Luft über das Bett wehte. - -So konnte man die Vorzüge des Landes genießen, ohne die Nachteile in -Kauf nehmen zu müssen. - --- Einige Europäer haben schon daran gedacht, in Hausbooten auf -dem Wasser zu wohnen, und den Zolldirektor in eine eifrige Debatte -verwickelt über die Frage, ob sie dort Getränke zollfrei genießen -dürften. -- - -Es trieb mich, die Stadt und das Leben in den Straßen zu sehen. - -Vor Tageslicht stand ich auf. Als ich im Dinghi an Land fuhr, -beleuchtete die Sonne warm die weißen Gebäude am Strand; am Zoll ging -ich vorbei. - -Da saß ein schläfriger, schwarzer Matrose und blickte auf die -Araberdhaus, die neben der Brücke verankert lagen; dort regte es -sich schon; die großen Segel wurden gehißt, kräftige schwarze -Seeleute holten an dem Fall; die schweren Takel knarrten, während die -Kokosstricke hindurchliefen. - -Mit dem ersten Morgenwind trieb täglich eine Anzahl der malerischen -Fahrzeuge dem Ausgang der Bucht zu. - -Sie brachten Brennholz vom Rufiyidelta, Kopra von Tschole- (Mafia) -oder Baumwolle von Kilwa und Mohorro; auch Gummi aus dem Dondeland, -Getreide und Wachs. - -Ein Boy führte mir das bestellte Reittier vor. - -Wenige Europäer standen erst unter den Vorbauten der Wohnungen. - -Ich ritt mitten durch die Negerstadt und sah mit Vergnügen zu, wie ein -schreiendes Kind von seiner Mutter gründlich gewaschen wurde. - -[Illustration: Straße in Daressalam. - -Häuser der Europäer, aus Korallenstein erbaut. In dem linken Hause -befindet sich die Druckerei der Deutsch-Ostafrikanischen Zeitung. Eine -‚Bibi‘ in mit großen Sternen bedruckte Tücher gekleidet, trägt eine -Tasse mit Öl in der Hand. Zwei Träger mit Lasten auf Kopf und Schulter; -Boys und ein Eselwagen der Gemeindeverwaltung.] - -Aus den Hütten kamen Negerinnen heraus, die morgens baden, Wasser holen -und sich zum Marktgang vorbereiten. - -Durch die Palmenpflanzungen der Sultansschamba erreichte ich die -Ölpalmenquelle. Zwischen großen Abhängen senkt sich das Tal zum Creek -hin, der zur Flutzeit vom Meerwasser überschwemmt wird. In dem -feuchten Tale stehen ein Dutzend der an der Ostküste seltenen Ölpalmen -als dunkle Gruppe. - -Viele Negermädchen mit Blechtins und irdenen Töpfen waren auf dem Wege -dorthin; an der Quelle schöpften sie Wasser in ihre Gefäße. - -Auf der Straße nach Bagamoyo schritten drei Bibis rüstig aus. Die eine -trug ein kleines Kind auf dem Rücken; in der Hand einen Regenschirm. -Der Reiseanzug bestand aus sauberen, bunten Tüchern; ein Tuch war um -den Kopf gewickelt. Ich fragte wohin sie gingen? - -„Nach Bagamoyo!“ - -„In einem Tage?“ - -„Heute schlafen wir in Mbweni!“[1] -- - -Sie gingen den Abhang hinab in das Simbasital, in dem viel -Mangrovengebüsch steht und an die Überschwemmungen des Meeres zur -Flutzeit erinnert. - -Neger mit Feldfrüchten kamen aus den Schamben und gingen zum Markt. - -Auf der Karawanenstraße begegneten mir Träger, die in den großen Hütten -der Karawanserei übernachtet hatten; Fremdlinge, die das gedrängte -Leben der Großstadt fast zu verwirren schien. Sie gingen zum Markt, um -sich Essen zu kaufen: Matamamehl, einige Mohogoknollen und für 1 Pesa -Fisch, in kleinen Stücken auf Pflanzenfasern gereiht. - -Im Staube der Straße saßen am Wege kleine Mädchen hinter geschnitzten -Holztellern, auf denen fettiges Gebäck und gebratene Fische zum Verkauf -lagen. Hier kaufen sich der Boy, der zur Arbeit geht, die Bootsleute -und die Hafenarbeiter ihr Frühstück. - -Dicht dabei war eine regelrechte Eingeborenenkneipe, in der allerdings -nur Sodawasser verschenkt wurde. Die Gäste genossen das prickelnde -Getränk unmittelbar aus der Flasche. Auch Tische standen da und es -wurde Karten gespielt. Hier verkehrten die oberen Zehntausend der -Schwarzen, die Lebewelt, Boys, die gerade Geld bekommen hatten, und -Askari. -- Daß die Damen keinen Zutritt hatten, ist selbstverständlich. --- - -Die Mehrzahl der Gäste waren Stutzer mit langem, bis an die Knöchel -reichendem Hemd, weißer, gestickter Mütze und dünnem Stöckchen. Mancher -trug auch über dem Hemd eine Weste. - -[Illustration: Die Quelle am Simbasital bei Daressalam. - -Negerweiber kommen von weither aus der Stadt, um hier gutes Wasser für -den Hausgebrauch zu schöpfen. In Tontöpfen und Petroleumtins tragen sie -das Wasser auf ihren Köpfen heim. Im Hintergrunde des Bildes sieht man -eine Gruppe der an der Ostküste seltenen Ölpalmen (Elaeis).] - -Durch enge Gäßchen kam ich auf einen sauber gefegten Platz, wie -es viele in den Dörfern der Küstenneger gibt: Hütten mit offener -Veranda, in der eine Bibi sitzt und Streifen Flechtwerk zu einer Matte -zusammennäht. Zäune aus trockenen Palmblättern von grünen Bananen, -Papayen und Zuckerrohr überragt; ein Mangobaum, in dessen Schatten -ein halbes Dutzend Neger um eine polierte Tischplatte herumsitzen und -Karten spielen. - -Zwischen den Inderläden ritt ich entlang. Mädchen mit Körben auf dem -Kopfe für Einkäufe, andere mit einer Flasche oder Tasse, um Öl zu -holen. Auch dies wird auf dem Kopfe getragen; denn die Bibi will beide -Arme frei haben, weil sie mit ihren nur lose umgeschlagenen Tüchern -dauernd zu schaffen hat. An ihrer ganzen Kleidung, die aus zwei dünnen -Baumwolltüchern besteht, ist kein Knopf, keine Naht. - -Auch die Männerkleidung muß erst gesäumt und genäht werden. In -offenen kleinen Buden sitzen ein halbes Dutzend fleißige Suaheli -an Nähmaschinen, nähen Mützen und säumen Tücher. Ein merkwürdiger -Geschmack wird vielfach dabei entfaltet, z. B. Nachahmung von -Oberhemden der Europäer mit Manschetten, die ohne Knöpfe getragen -werden und bei jeder Arbeit hinderlich sind. - -Das Nähen ist nach Anschauung der Suaheli eine Arbeit, die nicht -schändet und deshalb auch von Männern ausgeführt werden kann, während -Feldarbeit, Bereitung des Essens, Wasserholen von dem vornehmen Suaheli -den Weibern überlassen wird. - -An der Markthalle gab ich mein Reittier einem Boy, der es in den Stall -brachte. - -Auf dem Markt war viel zu sehen. Zwischen den Säulen der Halle bewegten -sich die Käufer und Käuferinnen. - -Ich folgte einer Negerin, die einkaufte. - -Sie nahm ihr Körbchen vom Kopfe und suchte sich eine halbe Kokosnuß -aus; sorgfältig und sauber geöffnet lagen die Nüsse da; dann kam sie -zu einem Händler, der fein geriebenen Tabak feilhielt. Das Quantum für -je ein Pesa war in Papier gewickelt. Sie nahm aus einer Schale eine -Probe und wischte den Tabak hinter die Unterlippe, dasselbe wiederholte -sie bei dem nächsten Händler. Hier schien es besser zu schmecken; sie -zahlte die Kupfermünze und nahm ein Päckchen. Dann wurde mit ähnlicher -Sorgfalt ausgewählt: Mohogo, Fisch und anderes. - -Jede Ware ist in kleine Portionen geteilt. Feilschen ist überflüssig, -dennoch ist ein ohrenbetäubendes Reden, Lachen, Zetern und Schreien in -der Halle. Askari, schwarze Polizisten, die Goanesenköche der Hotels -drängen sich zwischen Leuten aus der Karawanserei und den vielen -buntgekleideten Weibern. - -[Illustration: - - Phot. aus Daressalam. - -Negerkinder auf der Straße, beim Essen.] - -An Früchten liegen dort besonders Bananen, Lemonen, Papayen, Ananas, -Zuckerrohr, Mohogo; auch Bohnen und Zwiebeln. Wer sich genauer für die -Produkte interessiert, findet viele Dinge, die ihm neu sind. - -Da werden auch gebleichte Blätter der Phönixpalme (zur Herstellung von -Matten) verkauft und Wurzeln, aus denen der Farbstoff zum Färben des -Flechtmaterials gewonnen wird. - -An seltsamen Fischen sieht man: die großen Stachelrochen, mit -meterlangen scharfkantigen Schwänzen, Tintenfische und Haie. - -Das Haifischfleisch gibt einen widerlichen Geruch von sich und kann dem -Europäer die Spaziergänge im Eingeborenendorf gründlich verleiden. - -Der Markt hatte für mich große Anziehungskraft, denn hier konnte ich -am leichtesten die Stimmung beobachten, die der Neger empfindet, wenn -er in das Volksgedränge kommt, unter die vielen Menschen, die, was -sie schnell verdienen, ebenso schnell wieder verzehren, und deren -Zufriedenheit beim Anblick der reichlichen Lebensmittel in den Worten -zum Ausdruck kommt: „_killa kitu tayari_: es ist alles da“. - -Jeder Fremde, der Daressalam auf der Durchreise besucht und das -Eingeborenenviertel vergleicht mit den Wohnungen der Kaffern in -Delagoabay oder der Neger in Mombasa, bekommt denn auch den Eindruck, -daß es den Schwarzen im deutschen Gebiet gut geht. - -Vom Markt aus bog ich in die Straße „Unter den Akazien“. Knallrote -Blüten bedeckten die Bäume. - -Am Ende der langen Baumreihe liegt der Kulturgarten mit dem Hospital; -nicht weit davon das Wohnhaus des Gouverneurs in schönen Parkanlagen -versteckt, mit der Aussicht auf das Meer. - -Hart am Strande, hinter einem Kasuarinenwäldchen, ist ein kleines -Gebäude halb in das Wasser hinausgebaut: das Aquarium; ein kleiner, -aber viel versprechender Anfang, die reiche Fauna des ostafrikanischen -Meeres zu zeigen und wissenschaftlich zu erforschen. - -Hier fand ich den Stabsarzt unsers Kriegsschiffes beschäftigt, die vier -Wasserbassins mit frisch gefangenen Fischen zu besetzen und durfte mich -auch an dem Anblick einiger großer Langusten erfreuen, die für den -Tisch der Offiziermesse bestimmt waren. - -Da in den nächsten Tagen die Ankunft eines großen Postdampfers von -Süden erwartet wurde, sollte das Aquarium zu einer Sehenswürdigkeit für -die Passagiere gemacht werden, und eine Fahrt nach den Korallenriffen -bei der Leuchtturminsel Makatumbe war nötig, weil dort der -Aquariumssammler reiche Ausbeute findet. - -Jetzt schon lagen in dem ersten Bassin Tintenschnecken wie leblos -zwischen Steinen und Sand, durch sonderbare Höcker und Runzeln ihrer -Umgebung so angepaßt, daß sie schwer darin zu unterscheiden waren. -Zerschnittene Fische, in das Bassin geworfen, brachten schnell Leben in -die unförmigen Geschöpfe, die die Bissen mit den Fangarmen ergriffen -und zum Munde führten. - -[Illustration: Im Palmenwald bei Daressalam. - -Die Palme im Vordergrund zeigt die Einkerbungen, die den Negern als -Stufen dienen, um auf die Baumkrone hinaufzusteigen, Palmwein zu -zapfen, oder Nüsse abzuschlagen. Alle Palmen, bei denen Anzapfen -gestattet ist, sind mit einem _T_ (_tembo_ = Palmwein) gezeichnet. -Dunkle, dichtbelaubte Mangobäume stehen zwischen den schlanken Stämmen -der Kokospalmen. Rechts sieht man auf dem Bilde einen gemauerten -Brunnen mit Auftritt. Der Afrikaner spricht von einer „Palmenschamba“, -d. h. Pflanzung, weil es natürliche Kokoswälder dort nicht gibt.] - -Seesterne, Schlangensterne, Seeigel und Seegurken lagen auf dem Boden -des nächsten Bassins; ein Farben- und Formenreichtum, der das Auge -entzückte. Urkomisch waren die hier häufigen Kofferfische und die -Kugelfische, die sich, aus dem Wasser gehoben, wie ein Ballon aufpumpen -und ihre Stachel von sich spreizen. - -Die Pflege eines Seewasseraquariums erfordert viel Mühe und Sorgfalt, -denn nicht alle Fische halten sich in der Gefangenschaft und gewisse -Arten kann man nur wenige Stunden im Bassin beobachten, dann sterben -sie. - -Obwohl es nicht schwer ist, neue Tiere zu fangen und auch die schwarzen -Fischer häufig Schaustücke mitbringen, kann das Aquarium deshalb nicht -immer eine große Sehenswürdigkeit sein. Wer sich jedoch erst einmal -dafür interessiert, für den gibt es immer etwas zu sehen. - -Am nächsten Morgen begleitete ich den Stabsarzt hinaus, um auf den -Riffen von Makatumbe für das Aquarium zu sammeln. - -Der Südwestmonsum wehte und das aus dem Hafen hinauslaufende Wasser -förderte die Fahrt unserer kleinen einheimischen Auslegerboote. Wenn -der Wind recht stark in das Segel des primitiven Fahrzeugs faßte, -konnte man weit zu luvard auslegen und sah dann das klare, grüne Wasser -unter sich hindurchschießen. Mit uns verließ eine große Inderdhau -die enge Einfahrt, um ihren Kurs nach Sansibar zu nehmen. Der braune -Holzkasten mit der plumpen Takelage und den großen Segeln paßte so -recht zu dem Palmenstrand im Hintergrund und zu den farbigen Menschen. - -Nach einer Fahrt von etwa einer halben Stunde landeten wir auf der -Leuchtturminsel. Die Boote wurden auf den Sandstrand gezogen; die Neger -folgten uns mit Eimern und Glasgefäßen auf die Riffe, die schon fast -frei von Wasser waren. - -Strandläufer und Reiher flogen auf. - -Große, gehobene Korallenfelsen standen da, von der zur Flutzeit -drumherumtobenden Brandung zu fantastischen Formen zurechtgeschlagen. -An dem zackigen, scharfkantigen Gestein saßen Austern, die man mit -Beilen losschlagen mußte; eine kleine aber wohlschmeckende Art. - -Viele Krabben liefen über die Steine hin, ihre spinnenähnlichen, von -gelenkigen Beinen schnell fortbewegten Körper sahen drollig aus, weil -sie nicht vor- oder rückwärts, sondern seitwärts liefen; die Stielaugen -und Fühler waren dabei nach oben gerichtet. - -Die feuchte Oberfläche des Riffs hatte eine braungrüne Farbe. Viele -kleine und große Wasserbecken waren von der Flut zurückgeblieben; jedes -ein natürliches Aquarium mit großem Reichtum an Lebewesen, die sich -vor den glühenden Sonnenstrahlen dorthin geflüchtet hatten, wenn sie -nicht in Hohlräumen unter den Steinen die Rückkehr der Flut erwarteten. -Hunderte von Einsiedlerkrebsen, die sich kleine Muschelschalen, ein -fremdes Kleid, angezogen hatten, spazierten mit ihrem Haus unter den -Schutz der Korallensteine und Tangpflanzen. - -[Illustration: Die Johannesstraße bei Daressalam. - -Links das Meer, davor einige Pandanen; am Strand ein Fischerboot, das -seine Segel zum Trocknen ausgespannt hat. In den Kokospalmen rechts ein -Fischerdorf. -- Die Straße ist nach Major Johannes benannt, einem der -ältesten Offiziere der Schutztruppe, der die Entwickelung der Kolonie -bis heute aktiv miterlebt hat und im Aufstand im Jahre 1905/06 die -Operationen der Schutztruppe im Süden der Kolonie leitete.] - -Wenn man die Steine umdrehte, entfloh aalgleich eine Moräne; vor ihrem -scharfen Biß, der wie der Schnitt eines Rasiermessers ins Fleisch -dringt, mußte man sich hüten. Blitzschnell wand sie sich über den Boden -dahin und war in der nächsten Höhlung verschwunden. - -Die Unterseite einer umgedrehten Steinplatte ist bunt wie die Palette -des Malers. Weichtiere, Schnecken, Brut und Algen in allen erdenklichen -Farben, dazu Schlangensterne verschiedener Art, bunte Muscheln und -Krebstiere. Ein natürliches Wasserbecken nun gar erst, umschließt eine -Welt für sich; wenn kein Wind die Oberfläche kräuselt und die Sonne -warm hineinscheint, ist es ein hoher Genuß für den Naturfreund, dem -Leben darin zuzusehen. - -Die zerklüfteten Korallensteine stellen gleichsam die Landschaft dar; -Berge, Halbinseln, Grotten erscheinen da, Algen und Tange bilden -Wälder, in denen sich Schnecken, Holothurien und Seesterne verbergen, -während Fische über die Bäume hinwegfliegen wie Vögel in der Luft. - - Ostafrikanische Negerin in der Tracht der Küste. - - Ein mit seltsamen Mustern bedrucktes Baumwolltuch bildet ihr - Kleid; es ist über der Brust eingefaltet. Auf dem Nacken liegt - eine Messingkette. Um den Hals trägt sie ein Band mit blauen - Glasperlen; in jeder Ohrmuschel drei Pfropfen aus zusammengerolltem - Papier mit Staniolstreifen durchzogen. Ihr kurzes, krauses Haar - ist mehrfach gescheitelt und in getrennten Bahnen geflochten. - Mit der linken Hand hat sie hinter dem Rücken den rechten - Oberarm angefaßt; durch diese Haltung tritt das Schlüsselbein - besonders stark hervor. Die meisten Negerinnen gehen aufrecht und - schön, weil schon die Gewohnheit, alle Gegenstände (selbst den - zusammengefalteten Sonnenschirm!) auf dem Kopf zu tragen, sie zu - guter Haltung erzieht. Leuchtend weiße, wohlgepflegte Zähne sind - nach unserm Begriff ihr schönster Schmuck. Die Schönheitspflege der - Küstennegerin erstreckt sich sogar auf die Haut und die Fingernägel. - -[Illustration: Ostafrikanische Negerin in der Tracht der Küste.] - -Wenn nun der Blick auf einer ganz beschränkten Stelle haftet, regt -sich dort eine noch kleinere Welt, deren Gestalten schließlich nur noch -mit dem feinen Planktonnetz gefaßt und mit dem Mikroskop erkannt werden -können. - -Während wir noch Eimer und Gläser mit wunderlichem Gewürm anfüllten, -zogen Neger einen mehrere Meter langen Hai auf den Strand. Sie hatten -ihn mit der Angel gefangen und versprachen sich guten Gewinn auf dem -Markt. - -[Illustration: - - C. Uhlig. - -Korallenfelsen bei der Insel Makatumbe.] - -Ich bestellte mir das große Gebiß, das eine Öffnung von fast ½ _m_ -hatte. Der Fisch wurde in Stücke geschnitten, und nur die Wirbelsäule -blieb liegen. Die Neger brachten noch einen anderen merkwürdigen -Fisch: den Schiffshalter. Er trägt an Stelle der vorderen Rückenflosse -eine Haftscheibe, mit der er sich, -- obwohl er selbst sehr gewandt -schwimmt, -- um schneller vorwärts zu kommen, an dem Boden der Schiffe -oder an großen Fischen festsaugt. - -Wir legten ihn in eine Holzbalje mit Wasser; er hielt sich an der -glatten Innenwand so fest, daß ich ihn nur mit großer Gewalt losreißen -konnte. - -Die Flut kam. Schon warf sich die Brandung höher auf die Riffe; ihr -Brausen mahnte uns, schnell zur Insel zurückzugehen, um mit der reichen -Beute die Heimfahrt anzutreten. - -Wir sahen über die Bucht mit ihren grünen Ufern. Hier haben vor dreißig -Jahren noch Flußpferde in der See gelebt! Weit in das Meer hinaus sind -die großen, plumpen Säugetiere geschwommen. In allen Buchten sind -sie heimisch gewesen und von der Küste aus bis nach der Insel Mafia -hinübergetrieben, wo sie heute noch zu finden sind. - -Das ist gewesen. - -Der Ozean aber birgt ein Leben, das unendliche Gelegenheit zu -Beobachtung gibt. Mir scheint, dies Leben ist mit seinem Reichtum -an Farben und Formen, mit seiner Vielseitigkeit, seinen Wundern und -ungelösten Problemen so recht zur Freude des Menschen da und zeigt ihm -unendliche Wege, die sein Wissensdrang noch gehen kann. - - - [1] Spr.: _bueni_. - - - - -[Illustration: Eine Dhau aus Kilwa auf dem Mohorrofluß.] - - -An der Küste. - - -Die über siebenhundert Kilometer lange Küste Deutsch-Ostafrikas ist -reich an guten Häfen für die größten Schiffe, an Creeks und stillen -Buchten für den Dhauverkehr und die Fischerei der Eingeborenen. Inseln -und Bänke sind dem Festlande vorgelagert und schützen gegen die Dünung -des Indischen Ozeans. - -Dadurch zeichnet sich die Küste aus vor der des südlichen und -westlichen Afrikas, die schwer zugänglich ist, und an der sich die -Schiffahrt der Eingeborenen nicht hat entwickeln können. Der Küste -gegenüber liegen die großen, fruchtbaren Inseln Pemba, Sansibar und -Mafia. - -Die Nähe der Insel Sansibar und das Vorhandensein reichbevölkerter -Inselgruppen im Indischen Ozean, die Wind- und Wetterverhältnisse, die -den Verkehr mit Indien und Arabien begünstigten: dies alles hat dazu -beigetragen, daß hier zu allen Zeiten ein reger Handelsverkehr bestand. - -Der Segelschiffverkehr an der Küste von Deutsch-Ostafrika steht im -Zeichen von regelmäßig alljährlich auftretenden Winden; sieben Monate -lang weht bei Sansibar der Südwest-, drei Monate der Nordost-Monsun. In -der übrigen Zeit ist der Wind unbestimmt; die beiden regelmäßigen Winde -aber sind die Grundlage des Handels zwischen Ostafrika und Indien. - -Gegen Ende November, wenn der Nordostwind seine volle Stärke erreicht -hat, füllt sich der Hafen der schönen Nelkeninsel mit Inderdhaus. -Aber auch Mombasa, Daressalam und Mocambique werden von diesen -altertümlichen Holzschiffen angelaufen. - -Die Unsicherheit der Festlandsküste war vor allem Ursache der großen -Bedeutung Sansibars; es wurde der Stapelplatz für alle Güter, die aus -Ostafrika herauskamen und die Operationsbasis für Unternehmungen nach -dem Innern des Kontinents. - -Zugleich war es der günstigste Platz für den Sklavenmarkt, weil die -Insel als fast einziger Produzent der Gewürznelken in der ganzen -Welt stets Arbeiter in den Pflanzungen beschäftigen konnte, und -Menschenkräfte dort nicht brach zu liegen brauchten. - -An die Geheimnisse dieses Handels wird erinnert, wer in den Gewässern -zwischen den Inseln und dem Festlande tagelang kreuzt, wie wir es mit -S. M. S. Bussard taten. - -Die lieblichen Einfahrten, mit hellgrün schimmernden Korallenbänken, -die vielen, kleinen, mit dichtem Busch bestandenen Inseln; die weit ins -Land greifenden Creeks, eintönig mit Mangroven geschmückt: das ist der -Hintergrund für die Schiffahrt schwarzer Menschen in naturfarbenen, -wenig gepflegten Holzkästen mit Baststricken und großen, kühn im Winde -geschwellten Segeln über blauer Flut. - -Die Fischerei wird noch immer selbständig von den Eingeborenen -ausgeübt; in selbstgefertigten, schmalen Auslegerbooten; mit -Angelschnur und Korbreuse in tiefem Wasser, mit Netzen und Rohrgeflecht -in den flachen Buchten, die teilweise zur Ebbezeit trocken fallen. - -An der Fischerei ist ebenso wie an der Schiffahrt alles althergebracht -und der europäische Einfluß hat wenig daran geändert. - -Der Fischreichtum ist groß; das beweisen die Märkte und die gefüllten -Fischerboote, die man auf dem Heimweg zur Stadt antrifft. - -[Sidenote: Sansibar.] - -Da wir ein Interesse daran hatten, die deutschen Küstenplätze vor -Sansibar zu bevorzugen, ging das Kriegsschiff nur selten nach der -Sultansinsel, obschon sie dem Festlande so nahe liegt, daß man von -Saadani aus den Mittagsschuß hören kann, der vor dem Palast des Sultans -gefeuert wird. - -Ich persönlich bedauerte, daß wir so selten in Sansibar waren; denn -dort ist immer noch eine starke Kolonie deutscher Kaufleute, und die -Insel bietet dem Besucher eine Fülle des Sehenswerten. Wohl an keinem -Platz der Erde ist ein solches Völkergemisch vertreten, wie dort; wenn -auch meist nur in wenigen Vertretern. Die Asiaten sind zur Stelle, -vom Japaner bis zum Inder; Bewohner der Seychellen, der Komoren und -Madagaskars, Araber, Belutschen und Neger fast aller Volksstämme könnte -man nachweisen. Dementsprechend ist, was die Händler in ihren dunklen -Läden anzubieten haben. - -In Sansibar trifft man leider schon freche Neger; in den vom -Fremdenverkehr berührten Hafenplätzen können die Schwarzen den -bescheidenen Charakter offenbar auf die Dauer nicht behalten. Sehr bald -wird man auch in Daressalam und in Tanga von der guten, alten Zeit -sprechen, mit ihrer großen Auswahl an anständigen Boys, mit mäßigen -Löhnen, die die Neger doch zufrieden machten. - -Ich weiß nicht, ob der Deutsche fähiger ist als der Engländer, den -Eingeborenen zu distanzieren, traue aber dem Deutschen ein sicheres -Gefühl für seine Stellungnahme zu; denn dem Deutschen ist die Kolonie -nicht nur ein Ort für Gelderwerb, sondern zweite Heimat, die er sich -nicht verleiden lassen will; auch nicht durch Verderb der Eingeborenen, -und durch Minderung des Rassenprestige. Daher kommt vielleicht auch -die sichtbare Abneigung der Deutschen gegen die Missionen, die zum -Teil ohne nationales Interesse auf den Neger einwirken, und ihren -sehr verschiedenen Aufgaben entsprechend, selten eine gemeinsame -Kulturarbeit mit dem Ansiedler betreiben; daher auch der gute Klang des -Titels „alter Afrikaner“ und das Mißtrauen gegen jeden, im Verhalten zu -den Schwarzen noch nicht gefestigten Neuling. -- - -Im allgemeinen geht der Handel Sansibars zurück. Die Ladung der Dampfer -der Deutschen Ostafrikalinie verteilt sich jetzt auf alle kleinen -Küstenplätze, während früher fast der gesamte Handel der Ostküste bis -nach Lamu und Somaliland hinauf über Sansibar nach Europa ging. - -Nach der Nelkenernte riecht die ganze Stadt nach Gewürznelken; am -meisten der Zoll, der an der Landungsstelle liegt. - -Der angenehme Duft empfing auch mich als ich eines Tages mit einem -Kameraden an Land ging. - -Wir machten Einkäufe in den Läden der Hauptstraßen: silberne Kannen, -aus Ebenholz geschnitzte Elefanten, Elfenbeinschnitzereien und seidene -Decken aus Japan; nahmen einen Wagen und fuhren durch die engen Straßen -hinaus nach Mnazi moja, einer breiten Allee, die zu den Sportplätzen -der Europäer hinführt. - -Das Hochwasser füllte die Lagune, die die Stadt von den Negerdörfern -trennt. - -Auf guten, festen Straßen rollte unser Wagen dahin, durch reiche -Vegetation: dunkle Mangobäume mit Kokos- und Betelpalmen hinter weißen -Gartenmauern. - -In den Gärten lagen Landhäuser der Inder und Araber; zum Teil verfallen -und von Pflanzen überwuchert. Viele Negerweiber in sauberen Tüchern -gingen nach dem Ngambo, dem Negerdorfe, zum Tanz; sie hatten nach -Landessitte ein großes Tuch um den Kopf gewickelt. - -Ich fragte einen Neger, der mit zufriedenem Gesichtsausdruck dastand, -was seine Arbeit sei? - -„Ich passe auf eine Schamba auf!“ - -„Wem gehört die Schamba?“ - -„Dem Eigentümer.“ - -„Wer ist der Eigentümer?“ - -„Ein Araber, Ali Sefru.“ - -Gegen Abend trafen wir den deutschen Konsul und die Vertreter der -Firmen Hansing, O’Swald, die Herren von der Agentur der Ostafrikalinie, -der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft und andere Mitglieder des -Deutschen Klubs in der sogenannten Klubschamba, einem schattigen Garten -mit der Aussicht auf das Meer. - -Als es dunkel wurde, schrien die kleinen Ohrenmakis rundum in den -Bäumen; nur bei scharfer Aufmerksamkeit erkannte man die „Komba“, die -eifrige Kerbtierjäger sind und zur Nachtzeit auf Raub ausgehen. - -Die Wagen brachten uns in die Stadt, wo ich einer Einladung folgte und -in einem der malerischen alten Araberhäuser bei deutschen Kaufleuten -dinierte. - -Die Punka, ein großer hängender Fächer, wehte über der Tafel, und wie -überall an der Ostküste servierten schneeweiß gekleidete Boys, die -barfuß und ohne Geräusch um den Tisch eilten. Nach dem Essen gingen wir -in den Klub und saßen hoch oben auf dem Dache beim Whisky-Soda. - -Man sah den hellerleuchteten Sultanspalast und die vielen Schiffe im -Hafen. - -Der Klub soll früher schwere Sitzungen erlebt haben; jetzt ist das -anders geworden. Die Rücksicht auf die ernste Tätigkeit des Tages und -auf die Gesundheit mahnt auch die lustigste Gesellschaft zur Nachtruhe, -und in Afrika ist man, was Mäßigkeit betrifft, im Kneipen schon ebenso -modern wie in Deutschland. Die Natürlichkeit, mit der sich die jungen -Kaufleute rechtzeitig empfahlen, empfanden wir sehr angenehm. - -Am folgenden Abend blieb ich an Bord, weil ich als Piquetoffizier den -Tag über mehrere Komplimentierbesuche auf fremden Kriegsschiffen zu -machen hatte. Konsuln verschiedener Nationen kamen an Bord, und über -vierzig Schuß Salut wurden im Laufe des Tages gefeuert. - -Auch ein großer Passagierdampfer von Südafrika war eingelaufen. - -Der Vollmond hob sich über die Türme und Dächer der Stadt und sein -Licht trat in Wettstreit mit den elektrischen Bogenlampen des -hellerleuchteten Sultanspalastes am Wasser. In der Flut glänzte der -silberne Spiegel. Dunkel zeichnete sich davor die Silhouette eines -italienischen Kriegsschiffes ab. - -Die Mannschaft hatte längst Hängematten, da kam eine Dampfbarkasse an -Steuerbord längsseit. Eine junge Dame führte das Wort: „Ich will den -ersten Offizier sprechen“ rief sie dem Bootsmannsmaaten der Wache zu. - -Der wachthabende Offizier rückte sich Schärpe und Mütze zurecht, ging -auf das Fallrepp und übernahm die Verhandlung mit dem späten Gast -persönlich. Sie wollte gerne das Kriegsschiff sehen; der wachthabende -Offizier aber verweigerte ihr dies in höflicher Form, da die -Schiffsetikette es verbiete, nach sechs Uhr Fremde an Bord zu lassen. - -„Ach was, Schiffsetikette. Fahren Sie weiter,“ sagte sie schließlich -zu dem Bootssteuerer und dann zu dem wachthabenden Offizier und den -inzwischen versammelten Matrosen: „Ihr seid ja gar keine rechten -Soldaten Kaiser Wilhelms!“ - -Der Insel Sansibar gegenüber liegt auf dem Festlande die alte -Handelsstadt Bagamoyo, der Ausgangspunkt für die Karawanen nach Tabora -und Udjiji; nördlich von Bagamoyo, an der Mündung des Wami der kleine -Ort Saadani, wo _Dr._ Peters im Jahre 1884 gelandet ist, um Land -zu erwerben. - -Beides sind keine Hafenstädte und ihr Handel geht deshalb gegen -den Handel Daressalams und Tangas langsam zurück. Bagamoyo war der -Hauptausfuhrplatz für Elfenbein; gerade dieser Artikel wird immer -seltener und macht allmählich der Baumwolle, dem Hanf und anderen -landwirtschaftlichen Produkten Platz. - -[Sidenote: Saadani.] - -Bei Saadani hat das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee auf dem -ausgedehnten Alluvialland der Wamiebene eine Art Baumwollbau- und -Dampfpfluggenossenschaft gegründet, deren Teilnehmer schon 20000 -_ha_ in Pacht genommen haben; Dampfmaschinen für die Entkernung -der Baumwolle wurden im Jahre 1905 aufgestellt. - -Uns zeigte Herr Wendt damals die ersten Erfolge; die Mitafifi -Baumwolle, (die von der Leipziger Baumwollspinnerei mit 85-86 Pfg. pro -½ _kg_ bewertet wurde), die Schamben der Kommune Saadani und einiger -Ansiedler; das gute Vieh: Buckelrinder und Esel. In Saadani ist das -erste große Bauwollunternehmen in Deutschostafrika. - -Der Gedanke, in Kolonien Baumwolle zu bauen, ist vielleicht älter, als -man in Deutschland allgemein glauben mag. - -Jetzt, wo das Interesse dafür so groß ist, sei es erlaubt, auf eine -solche frühe Anregung hinzuweisen. - -Johann Jakob Sturz, einer der rührigsten Vorkämpfer deutscher -Überseepolitik, hat schon ein Jahrzehnt bevor Deutschland die ersten -Schritte in dieser Richtung tat, an eine Kolonisierung Afrikas gedacht; -eine der vielen, anregenden Schriften, die er, unermüdlich anspornend -unter den Gebildeten seines Vaterlandes verbreitete, trägt auf dem -Umschlag eine Kartenskizze Ostafrikas vom Sambesi bis zum Juba.[2] - -Wie vieles, was dieser seltene Mann, seiner Zeit vorauseilend, gedacht -hat, ist auch dieser Traum zur Wirklichkeit geworden. Freilich anders -als er zu hoffen wagte; Sturz schlug vor, ein neutrales Ostafrika zu -schaffen, in dem Deutschland gleichberechtigt neben England Handel -treiben könne. „Vielleicht schon in zwanzig Jahren“, schrieb er (der -immer das größte hoffte), „entwickelt sich dort eine Baumwollkultur, -welche die aller anderen Länder zusammengenommen in Schatten stellt; -denn Millionen von Händen werden sich ihr widmen, sobald sie nur -Abnahme ihres Produktes finden, und wie sollten sie das nicht bei dem -sicherlich leicht herzustellenden Transport zur Küste, teils durch -bereits weit befahrbare Flüsse, teils durch wohlfeil herzustellende -Straßen und Bahnen jeder Art?!“ - -Nördlich von Saadani liegt die Stadt Pangani an der Mündung des -Pangani. Der Pangani kommt vom Kilimandscharo; seine Mündung ist sehr -verschieden von der des Wami, des Rufiyi und des Rovuma; er durchbricht -an der Küste einen niedrigen Höhenzug und hat nur einen Mündungsarm. - -Der Bussard ankerte auf Reede etwa zwei Seemeilen von der Stadt -entfernt. Es fuhren nur wenige Routineboote, die je nach dem Strom gut -oder schlecht vorwärts kamen. - -Ich besuchte die alte Araberstadt und die Plantage Buschirihof und kam -spät am Abend zurück, zum Bezirksamtsgebäude am Ufer des Flusses. - -Der Bussard sollte am Morgen um drei Uhr nach Saadani in See gehen; ich -mußte also unter allen Umständen sofort an Bord fahren. Die Europäer -der Stadt waren alle mit den Booten fort, und mir stand kein Ruderboot -zur Verfügung. Nach langem Hin- und Hersuchen fand ich endlich eine -kleine, offene Dhau mit drei Negern, die mich hinaussegeln wollten. - -Das Fahrzeug machte keinen guten Eindruck; da es aber stockdunkle -Nacht war, sah ich das erst, als ich mit Büchse und Rucksack an Bord -gestiegen war und der Anker hochgenommen wurde. Es war kein Wind und -das große Segel hing lose an der Raa; als der Anker aus dem Grunde war, -trieb das Boot schnell zwischen anderen Fahrzeugen hindurch der Mündung -des Stromes entgegen. - -Ein kurzer Wortwechsel entstand zwischen dem Neger am Steuerruder -und den beiden schwarzen Matrosen vorne; ich achtete nicht darauf. -Plötzlich aber sprangen die beiden über Bord, schwammen an Land und -kletterten an das Ufer. - -Mein Bootsführer sagte, er könne nicht allein fahren; draußen wehe -heftiger Wind und schwere See sei gegenan. - -Ich entgegnete, er solle die Schot und das Segel, ich würde die -Ruderpinne nehmen. - -Er traute mir oder seinem Fahrzeug nicht und meine Lage war nicht -erfreulich. - -Hinter Ras Muhesa, das sich dunkel zur Rechten erhob, und über Kikogwe -stand eine noch dunklere Wolkenwand, und das Rauschen der hohen -Brandung zur Linken kam immer näher. - -Auf weitere Fragen antwortete mein Kapitän nur mit einem -„_bismillah_“; und einmal müßten wir ja doch sterben. Dazu hatte -ich allerdings noch keine Lust. - -Noch war die Luft ruhig, das Boot fing an, einer langsamen -Wellenbewegung zu folgen und plötzlich straffte ein heftiger Wind das -morsche Segel; die Baststricke knarrten und ich fühlte starken Druck -auf dem Ruder. In schneller Fahrt, von Wind und Strom getrieben, ging -es einer immer wachsenden Dünung entgegen. An Backbord blieb die -Brandung zurück, an Steuerbord tauchte die Wracktonne auf, die unter -Ras Muhesa liegt und eine Stelle bezeichnet, die zu meiden ist, weil -ein gesunkenes Schiff dort liegt. - -Das Boot stampfte mächtig ein und starke Spritzer kamen über. - -Der Neger schlug vor, umzukehren und abzuwarten bis der Wind nachlasse. - -Da war wieder eine Gefahr; denn eine Dhau wie diese wendet nicht, -sondern geht vor dem Wind über den andern Bug, was man in der -Seemannssprache „halsen“ nennt. - -Mit nur einem Mann für das große Segel ist es ein gewagtes Stück; man -weiß nicht, wo das Segel während des Manövers bleibt und ob nicht die -Schot brechen wird, wenn der Wind von der anderen Seite plötzlich -hineinfährt. - -Zudem kannte ich das Material nicht, daß ich in der Hand hatte. - -[Sidenote: In der Mündung des Pangani.] - -Mir blieb also nichts übrig, als ein „inshallah“ zu murmeln, das -Ruder zu legen und abzuwarten, was vorne der Neger unterdessen in -der Dunkelheit fertig bringen würde. Und es gelang; das Segel schlug -heftig, aber die Stricke hielten, die Schot stand jetzt an Steuerbord -und derselbe Wind trieb uns wieder der Mündung des Stromes zu, bis -er hinter dem Kap schwächer wurde und die entgegenwirkende Strömung -des Wassers ihm das Gleichgewicht hielt, so daß das Boot zwischen den -beiden entgegengesetzt wirkenden Kräften auf einer Stelle lag. - -Ich war völlig durchnäßt; bald kam rechts die Brandung zu nahe, bald -links die Wracktonne; denn ich war jetzt in der nur etwa 150 _m_ -breiten Fahrrinne. Ras Muhesa aber blieb in derselben Peilung, trotzdem -der Wind voll im Segel stand und das Wasser rauschend an dem Boot -vorbeiging. - -Da sagte ich dem Neger, er solle den Anker werfen, weil wir nicht -vorwärtskamen und in Gefahr waren, dem Riff oder dem Wrack zu nahe zu -kommen. Er ging nach vorne und warf den eisernen Anker über Bord; der -hielt und als wir das Segel festgebunden hatten, lag das Boot auf dem -Strome. - -Nach einer Stunde machte ich einen neuen Versuch, mußte aber wieder -umkehren und ankern; denn der Wind hatte noch nicht nachgelassen. Ich -schöpfte das übergekommene Wasser aus und hielt mich durch diese Arbeit -leidlich warm. - -Endlich schien der Wind abzuflauen, und ich nahm wieder den Kurs nach -See hin. - -Der Neger hatte noch einmal Einwände, aber ich konnte nicht länger -warten. - -Es war eine aufregende Fahrt. Stockdunkel; nur die Lichter des -‚Bussard‘ in der Ferne. Das alte zerbrechliche Boot stampfte tief in -die See ein und füllte sich immer mehr mit Wasser. Der Wind sauste und -trieb mir salzige Tropfen ins Gesicht. - -Aber die Lichter kamen näher; das Kriegsschiff nahm greifbare Gestalt -an. - -Wir waren nur noch zweihundert Meter vom Heck entfernt, als eine -heftige Regenböe herniederfuhr und uns das Schiff fast den Blicken -entzog. Kein Mensch sah uns von Bord aus, denn Lichter führten wir -nicht. - -„Wirf die Schot rechtzeitig los!“ rief ich dem Neger zu, weil mir der -Gedanke kam, wir könnten an dem Schiff vorbeitreiben und es dann aus -Sicht verlieren. - -„Die Schot ist fest, gib mir schnell ein Messer“ antwortete hastig der -Schwarze. - -Ich suchte unter mir, wo der Rucksack im Wasser lag, konnte aber das -Messer nicht finden; jetzt bekam ich wirklich einen Schreck. Ich wollte -wenigstens bemerkt werden, um eine Leine zu bekommen und rief so laut -ich konnte: „Bussard!“ - -Die Stimme des ersten Offiziers antwortete, der an Deck kam und die -Bootsgäste der Wache ans Fallreep schickte. - -In voller Fahrt hielt ich an der Bordwand entlang. Irgend etwas mußte -geschehen und wenn der Mast unter der Backspier abbrechen sollte! - -Da flatterte plötzlich das Segel lose im Winde. Der Neger hatte mit -aller Kraft an dem Tau geholt; die Schot war gebrochen. Eine Leine -wurde mir zugeworfen und ich turnte an Bord. Ich konnte von Glück -sagen, daß die Fahrt in dem schwachen Boot so gut abgelaufen war. - -[Sidenote: Tanga.] - -Am nächsten Tage ankerte S. M. S. ‚Bussard‘ in dem stillen Hafen von -Tanga, dem Ausgangspunkt der Usambarabahn. - -Von Tanga aus machte ich einen Jagdausflug nach dem Sigital. Da -der Dienst mich lange an Bord festhielt, verpaßte ich den Zug der -Usambarabahn, der nur einmal täglich fährt, und bestellte mir einen -Bahnwärterwagen, den mehrere Neger schoben und auf dem ich, mit den -Boys und dem Gepäck gegen Abend auf der Station Ngomeni, eintraf. - -[Illustration: - - Photographie aus Tanga. - -Löwenfalle aus Baumstämmen. - -In der Umzäunung rechts wird eine Ziege angebunden. Wenn der Löwe in -den Gang hineingeht, berührt er einen Abzug; die schweren Stämme fallen -nieder und erschlagen ihn.] - -Die Nacht verbrachte ich in Pingoni, auf der Agavenpflanzung -eines Herrn Stauffer, an den mich ein Bekannter empfohlen hatte. -Herr Stauffer riet mir, am Morgen in der Nähe der Pflanzung auf -Rappantilopen zu birschen und erzählte, ein starker Bock sei noch am -Nachmittag auf den Rodungen gesehen worden. - -In dieser Nacht hörte ich zum erstenmal das Heulen von Hyänen. - -In der Nähe der Küste sind Raubtiere durchaus nicht selten. Besonders -Löwen finden sich dort in großer Zahl und in manchen Jahren hört und -liest man von einer Raubtierplage, weil Neger zur Nachtzeit aus den -Hütten geholt werden. In meiner Zeit aber hörte ich merkwürdigerweise -viel öfter von einer Wildschweinplage, weil die Zahl der Löwen stark -abnahm, und ich bin in Gegenden gekommen, wo mir gesagt wurde: „Aber -schießen Sie bitte meine Löwen nicht!“ - -In seltenen Fällen wird man Löwen auf der Pirsch oder beim -Spazierengehen antreffen; die meisten werden in dem Busch oder den -Pflanzungen der Küste durch Treibjagden zur Strecke gebracht. Gerade, -als wir einmal nach Tanga kamen, war eine solche Jagd gewesen und -unglücklicherweise war ein Feldwebel der Schutztruppe dabei erschossen -worden, ohne daß man wußte, wer der Schütze gewesen war. -- Der -Löwe war angeschossen in hohem Grase verschwunden und wurde bei der -Verfolgung plötzlich in unmittelbarer Nähe des Feldwebels gesehen. Bei -dem heftigen Gewehrfeuer der Askari hat ein Geschoß auch den Feldwebel -getroffen. -- - -[Sidenote: Löwenjagd.] - -Am Morgen nach meiner Ankunft in Pingoni ging ich in Begleitung eines -Negerjungen früh hinaus. - -Die Regenzeit war noch nicht lange vorbei und das Gras war etwa -meterhoch und sehr taufeucht. Ich ging auf der rechten Lehne eines -schmalen, mit üppigem Grase bestandenen Tals, so daß ich in das unter -mir liegende Terrain hineinsehen konnte. - -Plötzlich sah ich auf etwa neunzig Schritt einen braunen Schimmer in -dem grünen Grase; ich blieb stehen und sah durch mein Doppelglas, daß -es ein Stück Wild war; ohne Hörner. Ich fragte den Neger: „Was siehst -du da?“ - -„Etwas Rotes“ antwortete er. - -Jetzt erkannte ich die Luser des Tieres, die für eine Antilope -auffallend weit auseinander lagen, und sprach den Kopf, scharf -hinsehend, als den einer Löwin an. Sie hatte die Seher auf uns -gerichtet, hob den Fang und windete. - -„Ein Löwe“, sagte ich ganz ruhig; doch der Schwarze fand unsere Lage -wohl ungemütlich und sagte: „Wirklich Herr?, wir wollen weglaufen.“ - -Ich befahl ihm hastig, stehen zu bleiben, hatte die Büchse schon -gehoben, entsichert und gestochen und zielte auf den Kopf des Löwen, -zwischen die Lichter. - -Der Stecher meiner Büchse knackt; aber der Schuß geht nicht los. Ich -steche noch einmal, ohne abzusetzen. Der Löwe richtet sich vorne etwas -auf, so daß rechts von dem Kopfe ein Teil des Rückens sichtbar wird. -Unwillkürlich folge ich mit der Büchse sofort nach rechts, der Schuß -fällt und der Löwe springt mit gewaltigem Satz aus seinem Lager heraus, -die linke hintere Pranke lang nach hinten streckend; die nächsten -beiden Sprünge gerade auf mich zu. Nach dem dritten Sprung fällt mein -zweiter Schuß und schlägt dicht vor dem Löwen in das Gras hinein; er -biegt ab. Der nächste Sprung geht wieder nach links, dann sehe ich es -nur noch einmal gelb zwischen den Zweigen schimmern. - -Ein schmerzvolles Knurren folgte; dann war es still. - -Ich blieb noch eine Weile stehen und lauschte; zugleich prägte ich -mir den Ort genau ein. Dann verbrach ich meinen Stand und pürschte in -der alten Richtung weiter. Um zu vermeiden, daß die kranke Löwin von -mir Wind bekam, ging ich nicht einmal auf den Anschuß. Im Weitergehen -kreuzte ich den Paß des Löwen. Wild sah ich nicht mehr; die Raubtiere -hatten offenbar in der letzten Nacht alles verjagt. - -Zwei Stunden später war ich mit Herrn Stauffer und etwa vierzig -speerbewaffneten Negern zur Stelle, erklärte den Anschuß und schickte -die Neger im Bogen herum, damit sie das Gebüsch durchtrieben. -Ich verbot ihnen, den Löwen, wenn er tot sei, mit den Speeren zu -durchstechen (was sie in der Aufregung gerne tun). - -Als die Schwarzen auf den bezeichneten Platz losgingen, sah ich, wie -sich ein Stück Wild über den jenseitigen Hang drückte; vielleicht war -es der männliche Löwe, der sich in der Nähe seiner Gattin aufgehalten -hatte. - -Wir gingen zum Anschuß. Wo das Raubtier gelegen hatte, war nichts zu -sehen, als der tiefe Eingriff der linken Hinterpranke beim Absprung; -kein Schweiß, kein Geschoßaufschlag. - -Während ich noch suchte, erhob sich ein Geschrei -- es klang so -ängstlich, als ob der Löwe jemand angenommen habe. Stauffer und ich -liefen dorthin so schnell wir konnten und sahen einige zwanzig Schwarze -mit gehobenen Speeren dastehen. Zehn Schritt vor ihnen schimmerte im -Grase etwas Gelbes. Ich teilte das Gras auseinander, hob mich auf die -Zehen und rief, als ich den Kopf des Löwen erblickte, voller Freude: -„er ist tot“! - -Die Schwarzen begannen einen Höllenlärm. - -Herr Stauffer beglückwünschte mich zu dem Weidmannsheil und ich steckte -einen grünen Bruch in den kleinen Einschuß der Decke. - -Ein Löwe geschossen! Nie hätte ich es gedacht, daß ich dazu kommen -würde. Der Schuß saß hochblatt und war dicht unter der Wirbelsäule -durchgegangen. Der Ausschuß war nicht groß, obwohl ich ein ¾ -Mantelgeschoß benutzte hatte, eine Geschoßart, die meist große -Zerstörung im Wildkörper verursacht. - -Es wurden Bäume gehauen, um den Löwen daran fest zu binden und nach -Hause zu tragen. Ich schärfte die Pranken an der Innenseite so aus, -daß die Bastbänder unter der Haut durchgenommen werden konnten und -keine Druckstellen auf dem Haarkleid entstanden. Unter dem Gesang der -Wanyamwezi bewegte sich unser Zug nach der Pflanzung. - -[Illustration: Teich bei Kilwa.] - -Der rote Schweiß tropfte noch lange aus den Schußlöchern und färbte das -Gras auf dem Wege. - -Unter einer großen Bananenstaude wurde nahe bei dem Hause Strecke -gemacht. Ich nahm die Maße des Tieres und begann dann sofort die -Haut abzudecken. Die ganze Länge der Löwin betrug 2,42 Meter, die -Schulterhöhe 1,00 Meter, der Brust- und Leibesumfang 1,03 Meter. - -Im linken Hinterschenkel saß innen unter der Decke eine alte -Bleikugel; in dem rechten befand sich ein altes Geschwür, auf dem -Schmeißfliegen schmarotzten; rundherum war das Gewebe infiltriert und -oben wallartig verdickt. Der Mageninhalt bestand nur aus einer Handvoll -Schweinsborsten und einem kleinen Knochensplitter. In der Wandung saßen -Dutzende von weißen Fadenwürmern, die ich einzeln mit der Pinzette -herauszog und in Whisky aufbewahrte. Schwierig war das Auslösen -der Handknochen. Als die Hand nachher dalag, sah sie aus wie eine -Affenhand! Die Krallen drückte ich einzeln nach innen durch und machte -mich dann sorgfältig an das Präparieren der Nase und der Ohren. Zuletzt -wurde das Fell mit der Innenseite nach oben auf der Erde ausgespannt -und mit dünnen Drahtstiften befestigt. Der Kopf kochte unterdessen in -einem großen Blechgefäß. - -Ich fragte die Wanjamwesi, ob sie das Fleisch essen wollten und erhielt -als Antwort nur Ausdrücke des Ekels und der Entrüstung; als ich jedoch -unter dem Dach der Hütte saß und einige Notizen über meine Jagd -aufschrieb, kam der erste Neger vorsichtig hinter einer Banane hervor -und schnitt sich das Fettnetz über dem Gescheide ab. Sofort fielen -auch die andern darüber hin, rissen sich besonders um das Geräusch und -sagten, wie zur Entschuldigung, es sei gute „_dawa_“. Aber auch -das übrige Fleisch, der Magen und das Gescheide fanden schnell ihren -Weg in die Hütten. Die Suaheli setzten sich im Halbkreis um dieses Bild -und lachten aus vollem Halse: „Die Wanjamwesi fressen alles“, sagten -sie, „Schweine und Löwen. Alles ist bei ihnen „_dawa_“: das Herz, -die Knochen und das Fleisch.“ - -Am Nachmittage trennte ich mich von meinem Gastgeber, und ritt -auf seinem Reittier von dannen. Als ich durch das Dorf niedriger -Wanjamwesihütten ritt, riefen mir die Leute ein lautes Lebewohl zu, -worin der Dank für den Löwenbraten liegen mochte. Die vier Neger, die -mich begleiteten, mußten laufen, um mit dem Esel Schritt zu halten. -Durch den Kulumuzi, einen kleinen Fluß, ließ ich mich tragen und den -hübschen, weißen Esel hinterher führen; den Fluß überdeckte dunkler, -kühler Wald. - -Bergauf, bergab ging es in leichtem, schnellem Trabe durch hohes -Gras, durch niedrigen Buschwald und bewohnte mit Kokospalmen, Bohnen, -Mohogo und Negerhirse bebaute Flächen. Die aus dem Felde mit der Hacke -arbeitenden Leute sahen auf; meine Begleiter versäumten nicht, ihnen -die frohe Nachricht zuzurufen, ich sei der Jäger, der heute früh einen -großen Löwen geschossen habe. - -Wir erreichten einen Ort mit Namen Kikuruni. (Diesen Namen konnte -ich in den nächsten Tagen schwer behalten, es schien, als sei mein -Gedächtnis nun nachgerade übersättigt mit Zusammenstellungen der -wenigen Silben ki und ku, ni und na, aus denen die Kisuahelinamen -bestehen.) - -Ich dachte an die Abendpirsche und freute mich, daß die Sonne noch hoch -stand. Blau schimmerten hinter der düsteren, grünen Waldfläche des -Sigitals die hohen Berge von Ostusambara, eingerahmt von hochstämmigen -Kokospalmen dicht vor mir. - -Ich schien heute Glück zu haben; der mir empfohlene Führer stellte sich -in einem der entgegenkommenden Neger vor und folgte mir sofort. Im -Orte strömte das Volk zusammen aus fertigen und halbfertigen Häusern. -Ich suchte einen Platz für das Lager aus und ordnete an, daß mein -„Reisemarschall“ Hans und die Träger dorthin gewiesen werden sollten. -Dann ritt ich noch bis zum Sigi und gab dem Eselboy _rukhsa_[3]. -Mein Führer brachte mich zuerst in Stagenwald mit mäßiger Aussicht; -hier waren deutliche Spuren, daß die Neger täglich Holz zum Hüttenbau -holten; ich befahl, mich in freie Baumsteppe zu führen; die war bald -erreicht und hier sah man Fährten von großen Antilopen. Eine Stunde -verstrich ohne daß die vorsichtige, lautlose Pürsche durch den Anblick -größeren Wildes belebt wurde. Nur eine Herde schnell flüchtender -Hundsaffen; endlich -- fünfhundert Meter weit im Winde ein Rudel von -drei Wildschweinen, die ruhig einherzogen. - -[Sidenote: Warzenschweine.] - -Ich ließ die Neger halten und niederknien und pirschte selbst in -kniehohen, zusammengefallenem Grase, das bei jedem Schritt unangenehm -knisterte, hinter einem Hügel näher. Es waren nur Schweine; in -Ostafrika ein recht gemeines Wild. Doch gibt es nichts Aufregenderes, -als diese Art von gewissermaßen blindem Anpürschen. Der Schlachtplan -ist beim ersten Blick gemacht und dann das Handeln bestimmt bis zu -dem Moment, in dem ich bei jenem Hügel das Wild von neuem zu Gesicht -bekomme, wenn es nicht bereits verschwunden ist. Die Erfahrung mahnt -zur Vorsicht und Ruhe, der Wunsch, über das Verhalten des Wildes -Gewißheit zu erhalten, treibt zur Eile. Deshalb die Aufregung und -eine gewisse Anstrengung! Wenn man das Wild beim Anpirschen im Auge -behält, dann kann man laufen, wenn es äst, und stehen bleiben, wenn -es äugt oder sichert, und kann nötigenfalls auf weite Entfernung -schießen. Beim Anpirschen hinter einer Deckung aber ist es zwecklos, -stehenzubleiben; denn gerade das laute Weitergehen, kann mit dem -Augenblick zusammenfallen, in dem das Wild sichert. Wer sagt mir, ob -es nicht dicht vor mir auf den Hügel zieht oder schon weit hinter den -nächsten Büschen verschwunden ist? Diese vielen Fragen erregen in dem -Jäger eine lebhafte, wohltuende Aufregung. - -Als ich den Hügel erreichte und an ihm vorbeisah, hatten sich die Tiere -in einen lichten Busch eingestellt und brachen dort; sie waren ziemlich -dreist und unaufmerksam. Der stärkste stand breit, ich zog den Stecher -ab und riß mit Gewalt durch, weil das Schloß, ebenso wie heute früh, -dem Stecher nicht folgte. Die Rotte rannte breit nach links; das kranke -Stück blieb etwas zurück und brach nach wenigen Sekunden verendet -zusammen. - -Die beiden anderen verhofften einen Augenblick; ich nahm das -zweitstärkste Stück aufs Korn und schoß; es zeichnete auf den Schuß -sehr merkwürdig und klagte laut. Die Bewegungen, die es machte, -glichen denen eines biegsamen Stockes, den man in der Mitte festhält, -während die Enden rund schwingen; der Schuß mag kurz weidewund gegangen -sein. - -Leider hielt die Geduld meiner Leute nicht länger, sie stürmten von -hinten unter Geschrei und rohem Lachen heran. „Jetzt kommen wir -dran“ hörte ich sie rufen. So kam es, daß das kranke Schwein in -unregelmäßiger Flucht laut klagend das Weite suchte, ohne daß es mir -gelang, noch einen Schuß anzubringen. Auch schnelles Nachlaufen auf -erhöhte Stellen gab mir das Tier nicht noch einmal zu Gesicht. Leider -konnte ich nicht mehr nachsuchen, weil es Abend wurde. Am nächsten Tage -aber wäre es ganz zwecklos gewesen; denn die Hyänen würden das Schwein -jedenfalls längst gefunden haben. - -Ich schickte einen Mann ins Dorf zurück, mit dem Auftrage Träger zu -holen, lüftete das erlegte Tier und ging schnell weiter, weil die Sonne -längst hinter den Bergen stand. Kurz bevor das Büchsenlicht schwand, -bemerkte ich zwei starke Schweine. Ich pürschte mich an, war aber fast -froh, daß ich nicht auf Schußweite hinankam, so sehr stand ich unter -dem Eindruck der nutzlosen Abschlachterei dieses Wildes, das sich meist -so hilflos übertölpeln läßt. - -Etwa achtzig Leute (zum Teil Kinder) waren ausgezogen um den erlegten -Keiler einzubringen. Die Tatsache, daß ich zwei Schweine kurz -hintereinander schoß, und daß das eine ganz tolle Sprünge machte, wurde -immer wieder erzählt und belacht. Manche Leute grinsten auch wenn sie -den Keiler nur ansahen. Der Grund war, daß die Schweine ihre Feinde -waren und mit Pfeil und Bogen von den Mohogopflanzungen vertrieben -werden mußten. Man tat also der Landwirtschaft einen Gefallen, wenn man -sie totschoß. - -Die Wanjamwesi schnitten das Wildpret in große Fladen, steckten Stöcke -hindurch und stellten es an das Feuer. - -Ich legte mich todmüde in mein kleines Zelt und sagte einem Boy, den -ich neu angenommen hatte, er solle das Licht auslöschen; er sah mich -ungläubig an und tat es erst auf meinen zweiten Befehl. - -[Illustration: Borassuspalme.] - -Draußen erzählte er dem älteren Boy, ich schliefe ohne Licht! „Kein -Europäer schläft bei Licht,“ belehrte der ihn, worüber der andere sich -sehr wunderte; denn der Neger schläft immer bei Feuer, der Kälte wegen, -und weil der Rauch die Insekten verscheucht und das Feuer die Raubtiere -fernhält. - -Gegen zwei Uhr wachte ich auf und hörte draußen ein Gemurmel; ich -steckte den Kopf aus dem Zelt und sah die Träger dicht um das Feuer -gelagert. „Weshalb schlaft ihr nicht?“ „Wir können nicht, es ist zu -kalt,“[4] war die ganz natürliche Antwort. Und in der Tat ist es hart, -sich jede halbe Stunde Schlaf durch Auflegen eines neuen Stückes Holz -erkaufen zu müssen! - -Wirklich war es bitter kalt. Im Osten über den düsteren Bäumen -leuchteten zwei helle Sterne. Ich zog meine große Jagddecke über mich -und fror selber, weil ich die Matratze zu Hause gelassen hatte, um die -Bettlast zu erleichtern. - -Eine halbe Stunde vor dem Morgengrauen ging ich durch den Sigifluß. -Das Wasser reichte mir bis unters Knie. Die Kraft der Strömung drängte -beim Vorwärtsschreiten den Fuß zur Seite. Hohe Bäume standen auf beiden -Ufern. Ein ununterbrochenes Rauschen ertönte von fern und nah, wo der -Fluß über Steine lief. - -Am jenseitigen steilen Ufer stieg ich in die Höhe und kam in gute -Pirschgegend. Die Fährten großer Antilopen waren zahlreich. Das -Landschaftsbild erinnerte an deutschen Buchenwald; es gab breite -Lichtungen mit frischer Äsung, gute Deckung und weite Ausblicke. - -Bis gegen zehn Uhr, also beinahe fünf Stunden war ich gepirscht -ohne ein einziges Stück Wild zu sehen. Ich war durch den Fluß -zurückgegangen, ruhte mich unter dem Schatten eines Baumes aus und ließ -mir eine der mitgebrachten Kokosnüsse öffnen. - -Der Anblick der Landschaft vor mir war ganz besonders schön. Hier hatte -der Fluß sein Bett in die Felsen eingewaschen, die sich von beiden -Seiten vorschieben und ihn zu zahlreichen Windungen zwingen. Aus dem -saftigen Grün der Ebene dazwischen ragten einige hohe Borassuspalmen, -die großen Fächerpalmen mit kahlem Stamm. - -[Sidenote: Buschbockjagd am Sigi.] - -Nachmittags gegen zwei Uhr nahm ich einige zwanzig Wadigo mit und ließ -sie durch den Busch gehen, wo ich Wild vermutete. Ein Wasserbock und -zwei Buschböcke brachen nach den Seiten aus, ohne daß ich mir über ihre -Stärke und Geschlecht klar wurde. - -Auch einen Leoparden wollten die Leute gesehen haben. - -Nun ging ich mit den Negern zum Fluß. - -Mein „Büchsenspanner“, ein alter Kerl ohne Vorderzähne, mit -vorzüglichen Augen, schnupfte andauernd Tabak und zog dabei -- wenn -er sich ungestört glaubte -- die tollsten Grimassen. Es schien, als -habe er Nahrung nicht nötig, wenigstens sah ich ihn an den beiden -Tagen, wenn andere aßen, jedesmal nur schnupfen. Unter Mittag saß er -mit einigen anderen Alten unter dem Makutidach[5] einer Hütte und rieb -braunes Mehl in einer Schüssel. „_Chakula cha pua_“ (Essen für die -Nase) nannte er es schmunzelnd. - -Es war bereits vier Uhr; ich stand auf einer Höhe über dem Flusse. -Die Ufer hatten einen breiten Streifen hohes Schilf; dort gingen die -Schwarzen mit Geschrei hindurch. Etwa achtzig Schritt unter mir bewegte -sich plötzlich das Schilf. „Schieß! ein Buschbock mit großem Gehörn,“ -sagte der Alte, der hinter mir stand. Ich sah, wo der Bock sich auf der -Stelle drehte, schoß und glaubte ihm den Schuß auf den Stich zu geben. -Er stürzte; die Gräser bewegten sich mehrere Sekunden lang ungefähr -an derselben Stelle, ohne daß ich noch einmal schießen konnte. Die -Schwarzen kamen schreiend näher; die Bewegung im Schilf wurde heftiger -und zog sich zum Fluß hin. Dann war wieder alles ruhig. Plötzlich -riefen die Treiber: „Der Bock ist in den Fluß gesprungen!“ Ich lief -auf eine höher gelegene Stelle und blieb auf einer vorspringenden -Felsplatte stehen. Da sah ich etwa hundertundvierzig Meter entfernt im -Fluß und schon kurz vor dem jenseitige Ufer den Kopf des Bockes als -kleinen Punkt, wie er durchs Wasser zog und nach beiden Seiten einen -Wellenstrich hinter sich warf; und ich schoß schnell. Kein Aufschlag -war ringsum im Wasser zu sehen; der Kopf tauchte unter. - -Ich ging zu dem Anschuß; hellroter Schweiß führte von dort bis zu der -Stelle, wo der Bock den Fluß angenommen hatte. - -Alle Schwarzen standen am Fluß; da war guter Rat teuer! Einer wollte -nachspringen und tauchen, sagte aber, er dürfte es nicht, der Krokodile -wegen, denn er habe gestern ein Rind geschlachtet. - -Weiter unten floß der Strom über viele Steine. Dort stellte ich zwei -Neger auf, die aufpassen sollten, ob der Bock vielleicht mit dem Strome -antriebe. - -Ich war noch nicht zehn Minuten weitergegangen, als ich rufen hörte: -„Sie haben ihn gefunden! er ist an den Steinen! Du mußt nochmal -schießen; die Krokodile halten ihn fest.“ Ich hielt die Büchse hoch und -lief, so schnell ich konnte den steinigen Pfad hinunter an den Fluß. -Unsicher war ein grauer Gegenstand, auf den die Schwarzen zeigten, -oberhalb eines Steines als der Bock anzusehen, und man konnte erkennen, -daß dem Körper eine fremde Bewegung mitgeteilt wurde. Der Neger, der -dicht dabei auf einer trockenen Felsplatte im Strome stand, versicherte -mir, er sehe ein Krokodil. - -„Paß auf, ich schieße!“ Unterhalb des Steines tauchte der Kerl unter. -Als ich geschossen hatte, trieb der Bock auf den Stein los (ich hatte -etwas daneben ins Wasser gehalten). - -Der Neger griff zu und zog den dunklen Bock ganz zu sich hinauf; da lag -er nun. - -Es war ein erfreulicher Anblick für das Auge eines Jägers: im Rot -der untergehenden Sonne der Stein mitten im Fluß, rings umströmt von -rauschendem Wasser, darauf lang hingestreckt der Buschbock mit dem -wehrhaften, schwarzen Gehörn; daneben die Gestalt des Negers. - -Halb gehend, halb schwimmend, zogen die Neger den Bock an den Hörnern -zum Ufer. - -Mitten zwischen den Hörnern, zwei Finger breit über dem Atlas war -meine zweite Kugel eingedrungen und saß zwischen dem linken Unterkiefer -und der Decke. Der erste Schuß hatte den Hals auf der linken Seite -handbreit über der Schulter durchschlagen, ohne die Wirbel zu -verletzen. Der Ausschuß war stark erweitert; vielleicht schon von den -Krokodilen. - -Als längst die Feuer brannten und die Unterhaltung der Träger -verstummte, ging ich zwischen den Palmen hindurch und stand noch lange -auf einer Anhöhe, über dem weiten Tal. - -In Dunkelheit lag es, von wenigen Sternen beschienen. - - * * * * * - -Als ich nach Tanga zurückkehrte, waren Herren und Damen zum -Nachmittagstee an Bord. Das Löwenfell wurde zum Schmuck aufgehängt, -und mehr als einer beglückwünschte mich mit den Worten: „Ich bin -soundsoviel Jahre in Afrika und habe noch keinen Löwen gesehen, und -Ihnen läuft am zweiten Tage gleich einer in die Flinte.“ - -Und in der Suahelizeitung „Kiongozi“ erschien acht Tage später ein -kurzer Bericht über meine Löwenjagd. - - * * * * * - -[Sidenote: Sonnenuntergang in See.] - -Einige Tage später dampfte der ‚Bussard‘ dem Süden der Kolonie -entgegen, als wir, wie gewöhnlich nach dem Abendbrot auf der Hütte -saßen. - -Es war ein prachtvoller Abend. - -Vom Westen kam goldenes Licht der untergehenden Sonne. Das Land -darunter war nur am Dunst zu vermuten. - -Der Himmel sah kalt aus, weil das Auge in dem unendlichen Blau -vergeblich nach Gebilden suchte, die das wärmende Licht auffingen; nur -im Osten stand tief eine massige Wolke; das Abendlicht färbte sie rosig -rot und die einzelnen Kuppen warfen dunkle Schatten. - -Die unteren Teile waren unbeleuchtet, und schwächer umrissen, schon in -das Blau der Ferne zurückgetreten. - -Roter Widerschein spiegelte in dem glatten Wasser. Von unten herauf -hoben sich die Schleier des Abends, Vorboten der Nacht, und erklommen -die Gipfel des vergänglichen Gebirges bis es mit erstarrten Zügen dalag. - -Jetzt schwand auch im Westen das Gold. Aus der Tiefe des Meeres schien -hier die Nacht heraufzukommen. - -Jedes Blau, das kühnste Violett mit Rot und Gelb gemischt, breitete -sich aus und dicht an der Schiffswand zeichnete die Bewegung der Wellen -blitzende Linien in die schwarze Flut. - - * * * * * - -Bei klarem Wetter näherte sich S. M. S. ‚Bussard‘ von Süden kommend, -der Insel Mafia. Von weitem erinnert der Anblick des dunklen Grün -über dem weißen Strand und der freundlichen Farbe des Wassers an die -pommernsche Ostseeküste; erst aus der Nähe erkennt man, daß die Bäume -keine Kiefern sondern Mangroven, Mangos und Kokospalmen sind; flache -Bänke sind hier im Westen der Insel vorgelagert und fallen zur Ebbzeit -weithin trocken. - -Die Tirenibucht, in deren hellem Wasser wir den Anker fallen ließen, -ist von hohen Palmen umsäumt; ein rechter Ort des Friedens. Selbst der -Westwind hat nicht Raum, hohe See aufzubringen; denn das Festland mit -dem Mündungsdelta des Rufiyi ist nicht weit. - -Im Norden der Bucht fehlen die Palmen; die Vegetation geht in Busch -über und dann verläuft das Land dem Auge als heller Sandstreifen nach -der See hin. - -Zahllose Wasservögel beleben die zur Ebbzeit trockenen Riffe. An dem -steilen Ufer sieht man hellere Stellen, vermutlich Kalkgestein. -- -Baumann sagt allerdings, nur im Innern, im nördlichen Teil der Insel, -komme Kalkstein vor. -- Im übrigen ist die ganze Insel sandig und -hervorragend geeignet zur Anlage von Kokospflanzungen; schon jetzt hat -Mafia eine große und stetig wachsende Ausfuhr an Kopra. - -Die Palmpflanzungen sind zum großen Teil in den Händen von reichen -Arabern. Auf den Schamben wird Vieh gehalten, und die Regierung hat ein -wachsames Auge auf die Erhaltung und Vermehrung des Viehbestandes, der -für die Düngung der Palmen von großer Bedeutung ist. Bei der Nähe der -Küstenstädte mit ihrem großen Bedarf an frischem Fleisch und bei den -leichten Transportverhältnissen lag die Gefahr vor, daß der Viehbestand -der Insel zum Schaden der Pflanzungen vermindert wurde. Deshalb -bestand ein Ausfuhrverbot, und nur mit Erlaubnis des Herrn Steiner, -der dem Bezirksamt in Tschole vorstand, durften die Araber diesmal dem -Kriegsschiff fünf Rinder schenken; als Dank für die Freundlichkeit, mit -der ihnen die Matrosen während der Landwirtschaftlichen Ausstellung in -Daressalam die Einrichtung des „Manovari“[6] gezeigt hatten. - -(Die Mannschaft bekommt bestimmte Verpflegungsgelder; Ersparnisse -werden ausgezahlt oder zu Vergnügungen ausgegeben. Das weiß jeder an -Bord genau und wer der Menage etwas stiftet, ist des Dankes jedes -einzelnen gewiß. So wurde auch das Geschenk der Araber entsprechend -gewürdigt, um so mehr, als diese baten, wir möchten auch Kokosnüsse -nach Bedarf bestellen. -- Die Nüsse wurden von den Matrosen stets sehr -gern gegessen und getrunken.) - -Herr Steiner war mit diesem Verhalten seiner Schutzbefohlenen sehr -zufrieden; er benachrichtigte das Kriegsschiff rechtzeitig und riet, -die Geschenke anzunehmen. - -[Sidenote: Auf der Insel Mafia.] - -Das Landen war in der Tirenibucht nicht einfach; bei Flut konnten -die Boote unmittelbar an Land fahren, bei Ebbzeit aber mußte man -weit durch das Wasser waten oder sich dem Rücken eines Schwarzen -anvertrauen. Doch ein Spaziergang in der wunderbaren Pflanzenwelt der -Ufer dürfte auch größere Mühe und Umstände lohnen. Im Wasser gedeiht -ein dünner Mangrovengürtel, den eine breite Sandstraße von der üppigen -Ufervegetation trennt. Hier glänzen die fein gefiederten Wedel der -wilden Phönixpalme, wie an der Mündung des Rufiyi; große und kleine -Laubbäume wechseln ab mit Büschen, die eine Fülle duftiger, weißer -Schmetterlingsblüten tragen; einzelne Betelpalmen schießen hoch empor -und tragen auf dünnem Stamm die künstlerisch ausgebaute Krone. Mit -erstaunlichem Eifer haben sich die Pflanzen auch einer am Strande -stehenden Ruine bemächtigt. Vor einem halben Menschenalter mag dieses -Haus erbaut sein; wer aber nicht weiß, wie schnell unter tropischer -Sonne Mauern dem Verfall geweiht sind, wird sich versucht fühlen, die -Ruine auf die Portugiesenzeit wohl vierhundert Jahre zurückzuführen und -den Bäumen nach europäischem Maßstabe ein hohes Alter zuzutrauen. - -Die Abendsonne durchleuchtete hier die Blattgewebe der üppigen -Bäume, die sich an das verwitterte Baugestein anlehnten. Dicht dabei -glitzerten die Sonnenstrahlen in der klaren Salzflut. In den Zweigen -der Mangroven hatten sich hunderte von blauen Reihern und kleinen, -weißen Kuhreihern zur Nachtruhe niedergelassen. Milane und Schildraben -umkreisten die Wipfel der schlanken Kokospalmen. - -Ein heller Morgen sah mich wieder am Strand, wo ein kleiner weißer Esel -mit langen, steifen Ohren auf mich wartete. Er wurde nach arabischer -Art gesattelt. Der hübsche Eseljunge, (der offenbar arabisches Blut in -den Adern hatte), legte vier weiche Decken auf, zog mit großer Ruhe und -Ausdauer jede einzelne sorgfältig hin und her und faltete sie gehörig; -dann befestigte er eine weiche Kordel so, daß der fertige Sattel durch -den Schwanz des Tieres am vorrutschen gehindert wurde. Nach vorn führte -gar kein Geschirr; der fertige Sattel ruhte über dem Kreuz des Tieres. -Ein einfacher Strick diente als Zügel; mehr war auch nicht nötig, denn -das Tier war gewohnt stets hinter dem Eseljungen herzulaufen; der warf -sein weißes Gewand über und setzte sich nach Art der Neger in Trab, -indem er Kopf und Oberkörper, besonders beim Anlauf, stark auf dem -niedergehenden Fuß hin und her bewegte. Für die Gangart des Tieres war -also ganz der Junge maßgebend; ich durfte meine Reitkünste zu Hause -lassen und konnte nur durch ein paar auf Kisuaheli zugerufene Worte -meinen Willen zum Ausdruck bringen. - -[Sidenote: Ein Ritt durch die Insel Mafia.] - -An den Pflanzungen sieht man, daß die Palmen auf der ganzen Insel -gedeihen. Ich durchritt sandiges, mit niedrigem Gras bestandenes -Hügelland, in dem von Zeit zu Zeit kleine Schamben lagen; ein Dutzend -Kokospalmen, ein Garten mit Mohogo, dabei eine kleine Hütte. Das -ganze Besitztum sorgfältig gegen Wildschweine eingezäunt. In langen -Talsenkungen stand Wasser; hier gedieh eine artenreiche, dichte -Sumpfvegetation und blaue Wasserrosen deckten den Wasserspiegel. In -der Regenzeit sind diese Täler ganz mit Wasser ausgefüllt. Die Wege -zeigten streckenweise Pflege; an den Seiten war eine Reihe niedriger, -blaugrauer Agaven gepflanzt. Einmal durchschnitt der Weg übermannshohes -Gebüsch von Heidekraut, das zum Teil niedergebrannt war; an einer -Stelle, wo ich zum Frühstücken hielt, stand ein merkwürdiger Busch -mit glänzenden Blättern; es sah aus, als ob gelbe und rote Blüten -nebeneinander auf einem Ast saßen, aber bei näherem Hinsehen konnte -man erkennen, daß nur die gelben Blüten, Blüten waren und die roten, -alte Kelchblätter, die in ziegelroter Farbe abwechselnd grüne, -unreife und schwarze, reife, glänzende Beeren umkränzten. Gewiß eine -Merkwürdigkeit; erhöht durch die Tatsache, daß die Kelchblätter, -solange sie frische Blüten umschlossen, klein und nur zart gefärbt -waren. - -Nach mehrstündigem Ritt näherte ich mich der Ostseite der Insel. Die -Kokospalmen wurden häufiger und bildeten bald regelmäßigen Waldbestand. -Die hohen, gleichmäßig starken Stämme erhoben sich aus niedrigem -Graswuchs; doch, wie um dem Auge einen festeren Halt zu geben, waren -dunkle, volle Mangobäume in diesen einförmigen Wald hineingestreut und -trugen wie Weihnachtsbäume, eine Fülle von Früchten an dünnen Fäden. -Zwischen den Bäumen lagen die naturbraunen, mit Palmblättern gedeckten -Hütten der Menschen; Rinderherden zogen durch den Wald, gefolgt von -schneeweißen Kuhreihern, die in Zusammenleben mit Haustier und Mensch -ihren Bedarf an Insektennahrung an der Haut der Rinder suchen; ein -Umstand, der den Viehzüchtern erwünscht ist. (Die Kuhreiher und -Madenhacker werden in Deutsch-Ostafrika durch das Jagdgesetz geschützt, -weil angenommen wird, daß sie auch die von den Rindern abfallenden -Küstenfieberzecken verzehren. Man ist aber weit davon entfernt, den -Nutzen der Vögel zu überschätzen; sie hacken Löcher in die Haut der -Rinder und bringen ihnen häßliche Wunden bei. Die Insel Mafia selbst -ist vor Seuchengefahr ziemlich sicher und die Vieheinfuhr wird durch -Quarantäne sorgfältig überwacht). - -Auf einem sauber gehaltenen Platze unter hohen Palmen hielt mich -der Jumbe der Insel an, ein Araber, der aus einer wohlgebauten Hütte -heraustrat. Die hagere Gestalt bekleidete ein langes, weißes Hemd aus -dem die zierlichen Glieder und der fein geformte Kopf heraussahen. -Über der glatten, weichen Stirnhaut war das Kopftuch zu einem Turban -zusammengeschlungen. Die lebhaften, großen Augen glänzten und durch die -feinen Lippen leuchteten beim Sprechen weiße Zähne. Vor der Mitte des -Leibes stak im Gürtel der fein verzierte, gebogene Dolch in silberner -Scheide; an den Füßen trug er weit überstehende Ledersandalen. Er bot -mir einen Stuhl an und ließ eine Kokosnuß holen, eine frische, wie er -versicherte; ich konnte das nicht bezweifeln, denn ich sah, wie der -Junge auf die Palme kletterte und umständlich die beste Nuß auswählte -und herunterschlug. - -Die Auswahl muß, wie mir der Araber erläuterte, erlernt werden. Man -unterscheidet Trinknüsse (Madafu) und reife Nüsse zur Kopragewinnung -oder zur Aussaat. Die Trinknüsse haben noch nicht viel Fleisch -angesetzt und sind, nachdem der Bast durchgehauen ist, leicht zu -öffnen. Der Saft macht auf weißen Anzügen braune Flecken, die durch -waschen nicht hinausgehen. - -Bewundernswert ist, wie die Neger die Palmen erklettern. - -Während wir den Druck der Knie beim Klettern benutzen müssen, gestattet -dem Neger sein Körperbau an dem dünnen Stamm einer Palme empor zu -gehen, wobei er den Stamm mit den Händen umfassen kann, weil er sehr -lange Arme hat. In den Stamm der fruchttragenden Palmen sind, um das -Ersteigen zu erleichtern, meist Treppenstufen eingeschnitten. - -Auf dem sauber gefegten Platze vor dem Hause lagen aufgeschnittene -Kokosnüsse zum Trocknen. -- Als ich am Abend wieder vorbeikam, waren -sie unter das überstehende Dach der Hütte gelegt, um sie vor dem hier -reichlichen Nachttau zu schützen. -- - -Ich ritt weiter und hatte bald den Blick zwischen Palmen hindurch -auf das Meer, auf die große Bucht, deren Südseite die Insel Tschole -vorgelagert ist. An den Korallenriffen stand eine hohe Brandung. - -Zwischen den Riffen hindurch führt die Einfahrt in die Tscholebucht, -die bei Hochwasser auch von den kleinen Gouvernementsdampfern -angelaufen werden kann. - -[Illustration: Rinderherde. Kokospalme und Mangobäume.] - -[Sidenote: Kokospalmen.] - -In dem weißen Seesand, dicht am Meere, stand eine sechsjährige -Kokospflanzung, nach dem Wasser hin durch eine Hecke abgeschlossen. Die -Palmen waren gleichmäßig hoch, die Blätter zeigten eine gesunde Farbe. - -Die Kokospalmen blühen im sechsten Jahre und bringen im siebenten Jahre -die erste Ernte. Eine Palme liefert jährlich 75 bis 100 Nüsse, je nach -der Bearbeitung und Düngung, die man ihr gibt. Der schlimmste Feind der -Palme ist der große Nashornkäfer, dessen Larven von den Eingeborenen -eifrig verfolgt werden. - -Am Strande klopfte ein Mann Bast von Kokosnüssen, um Schiffstaue davon -zu machen. - -Zu dem Zwecke wird die Umhüllung der Nüsse im nassen Sand einige -Zeitlang eingegraben, damit die Fleischteile sich von dem eigentlichen -Bast lösen, dann wird der Bast ausgeklopft und getrocknet. Das Material -ist uns bekannt in der Form von Kokosmatten. - -Das Tauwerk aus dem Bast muß sehr stark sein, und sieht deshalb plump -aus. - -Mein Esel ging ohne Zögern durch die glitzernde Flut auf das Boot los, -das etwa 400 _m_ weit vom Strande entfernt im flachen Wasser lag; -ich konnte vom Rücken des Esels in das Boot hineinsteigen. Leider -erlaubte der Wind nicht, Segel zu setzen; ich mußte, um mein Ziel, die -Insel Tschole zu erreichen, in weitem Bogen um eine, bei Ebbe trocken -fallende Landzunge herumrudern lassen. Die Baharias (Matrosen) sangen -laut und kamen dadurch über die eintönige, anstrengende Arbeit hinweg. -Fast eine halbe Stunde lang sangen sie dieselben Worte. „Bringt mich zu -meiner Mutter Faida!“ - -Die schwarzen Bootsleute können, wenn es nötig ist, acht bis zehn -Stunden lang ohne Unterbrechung rudern; kein Weißer könnte das -aushalten. Aber merkwürdig: dieselben Leute sind zu anderer Arbeit -ungeschickt und nur auf die eine Bewegung des Ruderns trainiert. -Man kann wohl annehmen, daß so außerordentliche Anstrengungen ihrer -Gesundheit schaden, aber daran denken sie nicht; wenn sie krank werden, -sind sie für den Dienst unbrauchbar und verschwinden in der Menge. So -sind es immer die kräftigsten und gesundesten aus vielen Negern, die -den Dienst gerade tun und die der Weiße um sich sieht. - -[Sidenote: Tschole.] - -Nach einstündiger Fahrt landete ich auf der Insel Tschole. Links über -den hellen Strand hin gingen viele Menschen und löschten die Ladung -einer Dhau. Man hatte das Fahrzeug auf den Strand auflaufen lassen -und so war es den Trägern jetzt, bei halbem Wasser ein leichtes, die -Ladung zu löschen. Auch ein Rind wurde aus dem Schiff gezerrt und unter -Geschrei am Lande entlang getrieben. -- Eine andere Dhau lag dort, -dicht besetzt mit Passagieren, und wartete die Flut ab, um nach der -Insel hinüberzusegeln. - -Herr Steiner führte mich in sein schön gelegenes Haus, von dessen -Veranda wir die Aussicht auf die Bucht und die Insel Mafia hatten; am -jenseitigen Ufer, soweit das Auge sah, standen Palmen, der Reichtum der -Insel. - -Das Haus einer italienischen Handelsgesellschaft schaute freundlich, -aber verlassen herüber. Wie so oft, waren auch hier grobe Fehler, nicht -die gegebenen Bedingungen an dem Mißlingen des Unternehmens schuld. Die -Gesellschaft hatte Geld an Araber und freie Suahelineger verborgt, die -keine Palmen besaßen und war dadurch in Schulden geraten. Nun hatte -die Gesellschaft das gesegnete Land verlassen; die Schuldner taten -Strafarbeit an der Kette. - -[Illustration: Straße auf Tschole (Mafia). - -Links ein Araberhaus. Rechts Negerhütten. Kasuarinen und Kokospalmen.] - -Als wir vom Mittagessen aufstanden, wartete ein Araber im Vorraum. -Wir wurden gebeten, einer Begräbnisfeier beizuwohnen. Der reichste -Mann der Insel war in der letzten Nacht an Herzschwäche gestorben. -Sein Vermögen wurde auf 800000 Mk. geschätzt, wovon eine hohe -Erbschaftssteuer der Regierung zugute kommen sollte. - -Wir gingen durch die breiten, sauberen Straßen, die von zwei Reihen -dicht belaubter Akazien beschattet wurden. Die Häuser sind aus -Korallenstein gebaut und mit Palmblättern gedeckt. Baumann, in seinem -liebevoll dem Neger angepaßten Geschmack, hatte diese geraden Straßen -verspottet; wir müssen in dieser Anlage einen Fortschritt sehen, denn -mit den dicht belaubten Bäumen wird ebensogut Kühle und Schatten in den -Straßen erreicht, als durch die kreuz und quer durcheinander gebauten -Hütten oder die engen Straßen, wie sie Sansibar hat. - -Neger und Araber in großer Menge standen vor dem Hause, in dessen -dunklen Eingang wir genötigt wurden. Als ich von der hellen Straße -in das Dunkel des Hauses trat, stolperte ich über ein Hindernis, und -merkte mit Schrecken, daß es die Leiche war, die man nahe an der Tür -aufgebahrt hatte! - -Aus dem Innern des Hauses erscholl ein eintöniges Klagen vieler -Weiberstimmen, das sich steigerte, als die Bahre fortgetragen wurde; -die Leiche war mit kostbaren Tüchern überdeckt. Von beiden Seiten -drängten sich die Freunde des Verstorbenen hinan, um jeder einmal -mitgetragen zu haben. Die Weiber kamen in die Gärten und setzten dort -ihr Geschrei fort; den gleichgültigen Gesichtern glaubte man anzusehen, -daß hinter der Heulerei keine wirkliche Trauer steckte. - -Nach arabischer Sitte gehören Frauen nicht in die Moschee, auch nicht -auf den Kirchhof. - -[Sidenote: Araberbegräbnis.] - -Der Kirchhof war ein Platz an der Straße; einige verfallene Grabmale -standen darauf. Zwischen den Gräbern hatte ein mehr materiell als fromm -denkender Mann schon wieder mit Erfolg Mohogo gepflanzt. Dicht bei der -Moschee war ein etwa drei Meter tiefer Schacht gegraben, an dessen -Sohle nach der Seite hin ein Raum ausgehöhlt war, in dem die Leiche -gerade hineinpaßte, und der durch ein Brett verschlossen werden konnte. - -An dem Grabe hielt die Menge. Ein des Korans Kundiger las aus einem -alten Buche vor, und die Umstehenden leierten mit stumpfsnnigen Mienen -den Refrain. -- Drei Männer sprangen in das Grab, ein Tuch wurde -darüber gezogen und unter dem Tuch langsam der Körper des Toten in die -Höhlung hineingeschafft. Keiner darf ihn sehen. Dann langte eine Hand -mehrmals unter dem Tuche hervor und verlangte nach Erde, wahrscheinlich -um das Brett abzustützen. - -[Illustration: - - Presuhn. - -Festungsruinen in Kilwa (Deutsch-Ostafrika). - -Portugiesen und Araber haben jahrhundertelang um die Küstenplätze -Ostafrikas gekämpft. Reste alter Kirchen und Festungen stehen in -Mombasa, Kilwa und Mocambique. Das alte Kilwa hatte in seiner Blütezeit -über hundert Moscheen; jetzt wohnen nur einige Neger auf der Insel im -Beaverhafen, der als Anfangspunkt der Bahn nach Wiedhafen in Aussicht -genommen wurde.] - -Als ich am Abend zurückfuhr, baten mich zwei Araber, mitfahren zu -dürfen. Sie kamen vom Begräbnis und sagten mir, daß der Tote mit dem -Gesicht nach Mekka in das Grab gelegt würde und der eine fügte hinzu: -„Viele Tote liegen schon in allen Ländern um Mekka herum; jeder hat -seine Hoffnung!“ - -Ich mußte denselben Weg zurückreiten, den ich am Vormittag gekommen -war; die Dunkelheit brach herein; die Reiher ruhten schon auf den -Zweigen der Sumpfbäume. An einem kleinen See, der vom letzten -Abendlicht beleuchtet wurde, stieg ich eine Weile ab. - -Es war ganz still und auch der Seewind war eingeschlafen. - -Das Schilfgras reichte weit in den See hinein; ein Saum hochstämmiger -Kokospalmen stand am anderen Ufer. - -Im Wasser spiegelten sich die Sterne des Tropenhimmels zwischen -düsteren Pflanzen. - -Quer auf dem Arabersattel sitzend, sah ich noch eine Weile zurück, bis -das gewohnte Landschaftsbild mich umgab. - -Einmal ging es steil bergan, da hielt der Esel und drehte plötzlich um. -Ich ließ ihm seinen Willen; er ging einige Schritte zurück und dann -seitlich durch das Gebüsch auf einen wenig betretenen Steig. So umging -er die Steigung und kam auf den breiten Weg zurück. - -Das selbständige Handeln des Tieres überraschte mich. Der kleine -Bengel, der sich mir angeschlossen hatte, sagte: „Er will nicht fallen, -deshalb sucht er sich seinen eigenen Weg!“ - -„Ein famoses Tier,“ antwortete ich. - -„Es ist der Esel des Jumben,“ entgegnete der Bengel stolz. - -Am Strande der Tirenibucht wieder angekommen, machte ich mit -langen, brennenden Palmwedeln Feuersignale, die mit den Lampen des -Nachtsignalapparates vom Kriegsschiff aus erwidert wurden; ein -Ruderboot kam und holte mich an Bord. - -In der Messe saßen noch mehrere Kameraden und feierten die Ergebnisse -einer Perlhuhnjagd, die am Nachmittage stattgefunden hatte. - - - [2] „Der wiedergewonnene Weltteil. Ein neues gemeinsames Indien“. - Berlin 1876. Andere Schriften sind: - - „Kann und soll Deutschland eine Dampferflotte haben und Wie“ - (1847). -- „Kann und soll ein Neu-Deutschland werden?“ (1861). - -- „Der Fischfang auf hoher See“ (1862). -- „Der Nord- und - Ostseekanal durch Holstein, Deutschlands Doppelpforte zu seinen - Meeren und zum Weltmeere“ (1864) u. a. m. - - [3] _Rukhsa_ = du kannst gehen. In Ostafrika gebräuchlicher - Ausdruck. - - [4] „_hatuwezi_: _baridi_.“ - - [5] Makuti = Palmblatt. - - [6] Kisuaheli; gebildet aus „_Man of war_“. - - - - -[Illustration: Askari meiner Truppe. - -Es sind Neger aus verschiedenen Stämmen: Wasukuma, Wamakua, Wanjamwesi, -und sogar Warufiyi aus dem Aufstandsgebiet selbst. Vor der Front steht -ein Sudanese, der Betschausch. Die Askari sind in dünne Khakianzüge -gekleidet und tragen Lederstiefel und Beinwickel. Als Waffe haben sie -das Gewehr Mod. 71 und ein Seitengewehr, das als Bajonett aufgesetzt -werden kann.] - - -Der Aufstand. - - -Aufstand? -- - -Wenige glaubten, daß es ernst war --. „Wir kennen unsere Schwarzen!“ -„Spielen einen Stamm gegen den andern aus, wenn es irgendwo losgeht!“ -- - -„Heute können Sie mit dem Spazierstock durch Afrika gehen!“ „An der -Küste vor allem sind Unruhen nicht zu erwarten.“ - -Die Worte klangen noch im Ohre, da kamen Gerüchte vom Angriff auf -eine Ansiedelung und Gefährdung der südlichen Küstenplätze. Und -wieder hieß es: „Zwischen Kilwa und Mohorro sitzen die Matumbi, von -jeher unzufriedene Gesellen, die sich schon öfter regten; es wird -nichts zu bedeuten haben.“ Doch die Nachrichten wurden dringender: -Tausende bewaffnete Eingeborene bedrohten die Orte Kilwa und -Mohorro; ein Ansiedler wurde ermordet, der zum Schutze einer großen -Baumwollpflanzung entsandte Feldwebel mit seiner kleinen Truppe von -zweitausend Schwarzen angegriffen. Man durfte sich nicht mehr täuschen, -die Sache wurde ernst. - -Zufällig lag der kleine Kreuzer „Bussard“ im Hafen von Daressalam. -Mit seiner Hilfe tat der Gouverneur Graf Goetzen alles, was in seinen -Kräften stand, um der Gefahr entgegenzutreten. Die Daressalamer Askari -wurden nach Kilwa gebracht; Matrosendetachements sollten zum Schutze -von Kilwa und Mohorro gelandet werden. - -In den Nachmittagsstunden des 3. Augusts betraten viele schwarze -Soldaten mit Patronentaschen und Gewehren das Oberdeck des -Kriegsschiffs, das in dem stillen Hafen von Daressalam lag. Auf -die Soldaten folgten scheue Träger aus dem Innern, die vielleicht -zum ersten Male ein Schiff aus der Nähe sahen. Reittiere wurden -übergenommen und auf das Vordeck gestellt; alles schon in der -Dunkelheit. - -Abends warf das Schiff von der Boje los und ging durch die enge -Ausfahrt in See. Die Fahrrinne war heute durch Lichter gekennzeichnet. --- Um Mitternacht blitzte das Leuchtfeuer von Mafia an Steuerbord auf. -Hinter der Insel lag Mohorro, der Rufiyi und das Land, in dem der -Aufstand ausgebrochen sein sollte. - -Der „Bussard“ nahm seinen Kurs südwärts nach der Reede von -Kilwa-Kivindje, dem Kilwa, das die Sklavenhändler einst angelegt haben, -weil die flache, sanft ins Meer verlaufende Küste mit ihren weiten -Sandbänken, dem Platz Schutz gegen die Annäherung der Kriegsschiffe -bot. Dort wurde die Schutztruppe am folgenden Nachmittage gelandet und -eine Abteilung Matrosen zur Sicherung der Stadt ausgeschifft. - -Major Johannes ging von Kilwa aus mit der Askaritruppe nach dem Herd -der Unruhen vor, während den Landungsabteilungen S. M. S. „Bussard“ die -Aufgabe zufiel, die Küstenplätze zu sichern. - -[Sidenote: Im Mohorrofluß.] - -Der „Bussard“ ankerte am 5. August vor dem südlichsten Mündungsarm -des Rufiyi, nicht weit von dem Ort Samanga, den Aufständige geplündert -hatten. Am Abend brachte mich der Zollkreuzer Kingani -- ein kleiner -Dampfer des Gouvernements -- in die Utagitemündung des Rufiyi. Ich -hatte zweiundzwanzig Matrosen mit und sollte den Ort Mohorro gegen die -Aufständigen schützen. - -Näher kamen die Umrisse der Uferpartien, immer kleiner wurde das -Kriegsschiff, bis es durch die ersten, mit Büschen bewachsenen -Sandbänke unseren Blicken entzogen wurde; vielleicht hatten wir es für -lange Zeit zum letztenmal gesehen! Die Aussicht auf Erlebnisse und der -Reiz der Wildnis lockten mich; ich hoffte in dieser Stunde, daß mir ein -langer Aufenthalt im Lande bevorstehe. - -Meine Matrosen werden ebenso gedacht haben; die Seeleute haben ja so -selten Gelegenheit, fremde Länder in ihrer wirklichen Schönheit zu -genießen und sehen von den großen Kolonien meist nicht mehr als die -Strandpromenaden, Klubhäuser und Kneipen der Küstenstädte. In der -bevorstehenden Abwechslung sah mancher, den der Drang, die weite Welt -kennen zu lernen, zur Marine getrieben hatte, die Erfüllung seiner -Jugendträume. Die Phantasie malte Steppen und Wälder des Innern, ferne -Berge und Ströme, wilde Menschen und seltene Tiere. - -Die Nacht brach herein; wir mußten ankern, um nicht auf Untiefen -festzufahren. Die Matrosen richteten sich auf dem Deck des kleinen -Dampfers und in dem Schleppboot so gut es ging Schlafplätze ein. -Ich dachte an meine Aufgabe und las immer wieder den sorgfältig -geschriebenen Befehl, den mir der Kommandant, Korvettenkapitän Back -selbst gegeben hatte: nur wenn Mohorro wirklich in Gefahr war, sollte -ich im Lande bleiben, andernfalls sofort an Bord zurückkehren. An -längere kriegerische Tätigkeit glaubte noch niemand; mir fiel ein, was -der Erste Offizier zu mir sagte, als ich mir Wäsche und Proviant für -acht Tage einpackte: „Wozu schleppen Sie so viel mit, übermorgen sind -Sie ja wieder hier.“ Würde er recht behalten? -- Mehr als sechs Monate -vergingen, bis ich unser schönes Schiff wiedersah. - -Leise plätscherte das Wasser des Stromes an der Bordwand des kleinen -Dampfers. Von den Ufern mit ihren düsteren, einförmigen Sumpfbäumen war -bald nichts mehr zu sehen. Alles schlief an Bord. - -Kühler Wind wehte die ganze Nacht hindurch und schaffte uns -erquickenden Schlaf. Als die Sonne am klaren Himmel aufging, sah sie -in lauter frohe Gesichter; jeder erwartete etwas von den nächsten -Tagen. Schon die Bootfahrt war ganz dazu angetan, die Stimmung auf der -Höhe zu halten. Bei Sonnenaufgang wurde der Anker gelichtet und der -Kurs stromauf genommen. In den Mangroven saßen schneeweiße Edelreiher; -Graufischer flatterten über dem Wasser, Brachvögel und Strandläufer -suchten auf dem schlammigen Boden nach Nahrung und waren durch ihre -Farbe kaum von der Umgebung zu unterscheiden. - -Die auflaufende Strömung förderte unsere Fahrt. Bald machte die -einförmige Mangrovenvegetation freundlicheren Landschaftsbildern Platz. - -Der Fluß wurde schmaler. Sandige Uferböschungen traten hervor, -Sträucher, Phönixpalmen; endlich die dunklen, dichtbelaubten Mangobäume -und schlanke Kokospalmen als Zeichen menschlicher Kultur. Kleine -Dörfer in Feldern mit Kaffernkorn und Mais. Neger standen am Ufer und -antworteten „es ist Friede“ wenn man fragte: „Was gibt’s Neues vom -Aufstand?“ Affen turnten durch die Äste der Uferbüsche; Perlhühner -reckten ihre Hälse; ein Flußpferd steckte prustend seine Nase aus dem -Wasser. - -Gegen Mittag mußte der Dampfer ankern, weil das Wasser zu flach wurde. -Wir gingen noch zwei Stunden über Land, durch Felder mit Zuckerrohr, -Mohogo, Mais, Bananen und Ananas. - -[Sidenote: Ankunft in Mohorro.] - -Als wir den Ort Mohorro erreichten und im Gleichschritt durch die -graden Straßen marschierten, kamen Araber, Inder und Neger, malerisch -in bunte Tücher gekleidet, vor die Türen ihrer Hütten und Läden. Es war -das Bild einer sauberen Negerstadt, in der reges Leben herrscht. - -Der Bezirksamtmann, Herr Keudel, kam mir an der großen Holzbrücke, -die den Fluß überspannt, entgegen und führte mich zu den Gebäuden des -Bezirksamts, in denen die Mannschaft untergebracht wurde. - -[Illustration: Mangrovenwald am Mohorrofluß. - -Die Mangroven vertragen Salzwasser. Es gibt mehrere Arten; einige geben -gutes Bretterholz, andere nur Brennholz und Grubenhölzer. Die Rinde -enthält viel Gerbsäure und wird seit einigen Jahren exportiert. Die -Wälder an der Rufiyimündung werden von drei Forstbeamten verwaltet. Die -Mangrove hat sich wunderbar an die Gezeiten des Meeres angepaßt. Ihre -Stelzwurzeln werden zur Flutzeit vom Meerwasser umspült; während der -Ebbe sieht man auf ihnen Muscheln, Krabben und Schlammspringer.] - -Außer dem Bezirksamtmann waren in Mohorro noch sechs Europäer: ein -Bezirksamtssekretär, ein Wirtschaftsinspektor, ein Kommunalsekretär, -der die Kommunalkasse verwaltete, ein Sanitätssergeant, der zugleich -Post- und Telegraph versah, der Unteroffizier der Polizeitruppe und -ein Schreiber. Im Bezirk selbst war nur ein Weißer: Herr Wiebusch, der -Leiter der Schule für Baumwollbau. Der Bezirksamtmann war erst vor -kurzem von einer Reise durch den Bezirk zurückgekehrt und konnte mich -über die Verhältnisse im Lande unterrichten. Nach seinen Schilderungen -waren weite Teile des fruchtbaren Landes in den Niederungen gut -bevölkert und eine reiche Ernte war eingebracht. Der reichliche -und täglich bei Spiel und Tanz wiederholte Genuß der berauschenden -Getränke, die die Neger aus den gewonnenen Ernteprodukten herstellen, -konnte vorübergehend Ursache ihrer feindlichen Haltung sein; es war -aber auch nicht ausgeschlossen, daß tieferliegende Gründe eine lange -vorbereitete Aufstandsbewegung entfacht hatten, die ähnlich wie in -Südwestafrika, plötzlich und unerwartet an allen Ecken losbrechen -konnte, um der Fremdherrschaft ein Ende zu machen. - -So dachte Bezirksamtssekretär Stollowsky, der den Bezirksamtmann -während seiner Abwesenheit vertreten hatte. Er hatte den Andeutungen -und Erzählungen der Neger über sonderbare, einfältige Mittel, mit denen -einheimische Zauberer die Eingeborenen für sich gewannen, besondere -Bedeutung beigelegt und nicht geruht, bis die verdächtigen Leute hinter -Schloß und Riegel saßen. Das kann wohl ein Verdienst genannt werden; -denn wahrscheinlich hat die vorzeitige Entdeckung zu dem mehr lokalen -Ausbruch der Unruhen geführt und so ein planmäßiges, verabredetes und -allgemeines Vorgehen der Neger gegen die Europäer im nächsten Jahre, -vereitelt. - -Nach der Unterdrückung der Araberaufstände, der Unterwerfung der Wahehe -und seitdem die Massaigefahr nüchtern beurteilt wurde, war man von Jahr -zu Jahr sorgloser geworden. - -Kleine Unruhen waren in den Kolonien stets an der Tagesordnung; -wurden aber nicht bekannt, denn es bestand der von allen Afrikanern -gebilligte Brauch, in solchen Fällen nicht von Aufstand oder Krieg zu -sprechen, weil das bei der Schwierigkeit Verhältnisse aus der Ferne -zu beurteilen, leicht in der Heimat unnötig Lärm verursacht. Schnell -wieder Ordnung schaffen mit allen Mitteln, wenn es eben einmal nicht -gelungen war, Ordnung zu halten: das war der Befehl des Gouvernements, -der von allen Bezirkschefs verstanden wurde. Einer Kolonie, die stets -ruhig aussieht, bewilligt man aber keine Soldaten, und so ging man -schon mit der Absicht um, zwei Kompagnien der im Verhältnis zur Größe -der Kolonie nicht großen und nicht zu teuren Schutztruppe zu streichen, -als der Aufstand ausbrach. - -Zum Glück war man diesmal den Schwarzen zuvorgekommen; noch hatten -sich die Polizeiaskari in gewohnter Weise im Lande bewegen und die -gefährlichen Elemente festnehmen können. Kein Widerstand regte sich -dabei. Aber bald darauf zeigten die Neger in den Matumbibergen ihren -Unwillen über den vom Bezirksamt befohlenen Anbau von Baumwolle, der -ihnen lästig war und dessen Nutzen sie noch nicht einsahen; da begannen -die Ausschreitungen. - -[Sidenote: Haltung der Araber.] - -Von Bedeutung war dabei die Haltung der Araber. Im Mohorrobezirk wohnte -eine ganze Anzahl. Sie besaßen gute Pflanzungen in der Umgegend oder -betrieben kleine Zuckermühlen, hatten als Arbeiter Sklaven, die bei -ihnen wohnten und verpflegt wurden, bezahlten außerdem aber schon -Lohnarbeiter. Ihre wirtschaftliche Lage war recht gut, und sie waren -nicht in dem Maße den Indern verschuldet, wie ihre Brüder in den -reichen Zuckergebieten am Pangani, weil das Bezirksamt hier auf den -Wucher der Inder ein Augenmerk hatte. - -Einige von ihnen waren als Unterbeamte, als Akiden angestellt und -hatten als solche Steuern einzutreiben, die Befehle des Bezirksamts -bekannt zu geben und etwas Strafgewalt auszuüben. Diese fühlten -sich durch ihre Vertrauensstellung eng mit der deutschen Herrschaft -verbunden und sahen, daß unter ihr zu leben war. - -Vielleicht gerade wegen dieser Vertrauensstellung hatte sich das -Zerstörungswerk der Aufständischen in den Matumbibergen auch auf den -Besitz der Araber erstreckt; jedenfalls konnten es als gutes Zeichen -für die Stellung der Araber ansehen, daß der Haß der Neger sich auch -gegen diese richtete. - -Der Bezirksamtmann verließ sich deshalb weiter auf seine farbigen -Akiden, die ununterbrochen Boten mit Nachrichten aus dem Lande -schickten und die Lage viel ernster darstellten, als sie anfangs -beurteilt worden war. - -Ich wohnte in dem geräumigen Hause des Bezirksamtmanns und bemühte -mich, aus den Schilderungen der Boten ein Bild von dem Wesen der -Aufstandsbewegung zu bekommen. Es war immer das gleiche: „Schickt -schnell Askari, die Schenzi[7] kommen; sie werden unsere Hütten -abbrennen, das Getreide wegnehmen und uns töten, wenn wir nicht -mitmachen oder fliehen.“ Bald danach kam ein anderer Bote mit der -Hiobspost: „Unsere Hütten sind verbrannt, Menschen erschossen; die -Schenzis ziehen weiter, viele schließen sich ihnen an.“ - -Immer näher bei Mohorro mordeten und brannten die Aufständigen, ohne -daß ihnen entgegengetreten wurde. Ihre Zahl vergrößerte sich von Tag -zu Tag. Noch waren die Stämme auf der Nordseite des Flusses ruhig; -bald konnte die Bewegung auch dorthin übergreifen, dann war Mohorro -isoliert. Wiederholte Bitten des Bezirksamtmanns an die Schutztruppe, -gegen den Rufiyi vorzugehen, blieben erfolglos, weil die Schutztruppe -selbst ernsten Widerstand gefunden hatte. - -In dem Ort Mohorro herrschte deshalb eine sehr gedrückte Stimmung. -Sorge um Sicherheit für Leben und Gut verbreitete sich. Man merkte -es den Eingeborenen an, daß sie nicht verstanden, weshalb die -Europäertruppe untätig blieb; nur zu leicht konnte das als Schwäche und -Feigheit ausgelegt werden. - -Das Vertrauen auf die Macht und den Schutz durch die Soldaten durfte -nicht schwinden, wenn Ruhe im Lande geschaffen und erhalten werden -sollte. Aber ich durfte ohne besonderen Grund nicht wagen, dem Feinde -entgegenzugehen und mußte abwarten bis eine äußere Veranlassung mich -dazu zwang, denn mein Befehl sagte nur, ich sollte Mohorro verteidigen. - -Die Untätigkeit steigerte das Gefühl der Unsicherheit; denn wir wußten -vom Feinde fast nichts, und der Angriff auf Mohorro wurde täglich -erwartet. Bald wurden von Süden, bald von den Kitschibergen her, -Schenzis im Anmarsch gemeldet. Die Telegraphenleitungen waren meistens -unterbrochen; der mit der Reparatur beschäftigte Beamte und sein -kleines Bedeckungskommando wurden oft hart von Angreifern bedrängt. -Auch nachts war scharfe Aufmerksamkeit nötig; denn Niemand konnte -sagen, ob das Volk nicht auch in der Dunkelheit angreife. - -[Sidenote: Der erste Angriff.] - -Am dritten Tage nach meiner Ankunft häuften sich die bösen Nachrichten -aus dem Süden. Flüchtlinge meldeten, daß die Aufständigen anderthalb -Stunden von Mohorro entfernt, brannten, plünderten und schössen. Ein -Knäuel von Menschen erschien vor dem Bezirksamt; erregte Eingeborene, -Araber, Weiber und Kinder schlossen sich den Boten an. Die Aufregung -der Leute angesichts der nahen Gefahr gab zu denken. Wenn es so weiter -ging, und einer nach dem andern von uns abfiel, konnte man durch -Eingeborene aus der nächsten Umgebung überrumpelt werden. Bei den -fortwährenden Übergriffen der Aufständigen, die alle nicht zu ihnen -übertretenden Leute ausplünderten und töteten, standen die Schwarzen an -der Peripherie des Aufstandsgebietes alle vor dem Entschluß, sich dem -Aufstand anzuschließen, um ihr Eigentum und die gerade hereingebrachte -Ernte zu retten, wenn sie nicht Vertrauen auf den Schutz der Europäer -bekommen konnten. - -Der Entschluß zu marschieren wurde mir sehr schwer, weil mein Befehl -ausdrücklich vorschrieb, mich auf die Verteidigung zu beschränken. -Jedoch der Telegraph war unterbrochen, Befehle konnte ich mir also -nicht einholen, und schnelles Handeln tat not. - -Mit elf Matrosen und dreißig Askari der Polizeitruppe verließ ich -Mohorro. Es blieben genug Soldaten zurück, um das Bezirksamt im Notfall -zu schützen. Außerdem war das Maschinengewehr stets gefechtsbereit. --- Schon nach einstündigem Marsch traf ich auf frisch zerstörte -Ortschaften; rauchende Trümmer und ganze Haufen glimmender Vorräte, -die der Wind in rote Glut setzte. Das waren Anzeichen für die Nähe der -Plünderer. Auf einem schmalen Fußpfad ging es vorwärts; durch kniehohes -Gras und niedrigen Busch; durch Felder mit Mohogo, abgeerntetem Mais -und Negerhirse. Bald trafen wir Aufständige. - -Ich hatte unter einer Gruppe von Mangobäumen Rast gemacht und -eine Patrouille vorausgeschickt, die plötzlich hielt und Meldung -zurücksandte, etwa dreißig Schwarze mit Gewehren plünderten ein vor -uns liegendes Dorf und seien im Abziehen. So schnell wir auch folgten, -erreichten wir die Leute doch nicht und kamen an eine Wasserstelle, aus -der offenbar eben getrunken worden war. - -Wir gingen weiter, in hohen Wald hinein. - -Kurz darauf knallte es vor uns; blaue Rauchwölkchen stiegen auf; die -ersten Kugeln pfiffen an uns vorbei: die Vorposten der Aufständigen -hatten uns gesehen. - -Zu beiden Seiten des Weges marschierten die Matrosen auf und feuerten -eine Salve in das vor uns liegende Dickicht; dann lief die ganze Linie -vor, und die Neger flohen zwischen den Büschen. - -Darauf machte ich an der Wasserstelle Mittagsrast und ließ über dem -Winde das hohe, trockene Gras anzünden, um freie Übersicht in dem Walde -zu bekommen. - -Ein Askariposten stand auf dem Wege, der weiter in den Wald hinein -führte. Hin und wieder fielen noch Schüsse; die Schenzis suchten die -Askari an ihrem Auftrage zu hindern. Wir ruhten unter den schattigen -Vordächern der Hütten und warteten auf die Rückkehr der ausgesandten -Patrouillen. - -Plötzlich winkte der Posten. Sergeant ~Kühn~ sprang auf und lief -zu ihm hin; dann fiel ein Schuß. -- Alle griffen zu den Gewehren. -- -Rundum im Busch fielen Schüsse. - -Die Aufständigen waren offenbar in großer Zahl zurückgekehrt, um uns zu -überfallen! Über die ersten Toten ging es hinweg, in den Wald hinein; -Matrosen und Askari stürmten in langer Linie vor. -- Noch rauchte der -Wald vom Brand; hinein mischten sich die Rauchwölkchen der Gewehre, -unsere Kleider wurden von der Asche geschwärzt. -- Zwischen den Büschen -bewegten sich dunkle Leiber mit blauen Tüchern um die Hüften, liefen -und hielten Gewehre, Speere und Äxte in den Händen. Waffen lagen im -Wege und Blutspuren zeigten, daß Verwundete mit den Aufständigen flohen. - -[Sidenote: Ein Überfall abgeschlagen.] - -Für die Schenzis gab es kein Standhalten mehr. Wir ließen ihnen nicht -Zeit, die Gewehre zum zweiten Male zu laden und folgten bis an das -hohe, noch nicht niedergebrannte Gras. Dort ließ ich halten, weil der -Zusammenhang der Truppe in dem unübersichtlichen Gelände verloren ging, -und wir kein freies Schußfeld mehr hatten. - -Alle waren vom Laufen erhitzt und fast außer Atem. Dennoch wären meine -Matrosen am liebsten gleich weiter gegangen, um das Lager der Schenzis -zu suchen. Aber wir mußten an den Rückmarsch denken; es war schon spät. - -Das war nun der erste Zusammenstoß mit dem Feinde gewesen. Blut war -geflossen. Die ersten Toten, von unseren Gewehren erschossen, lagen -da. Wunderbar berührte es mich; wer gab uns das Recht, auf Menschen zu -schießen? -- Weshalb fielen gerade die und andere entkamen? -- - -Als wir, müde und durstig den weiten und sonnigen Weg nach Mohorro -zurückmarschierten, gingen mir die einzelnen Bilder des erlebten -Gefechtes noch einmal durch den Kopf. -- Menschen jagen -- und von -Menschen, wie ein Stück Wild gesucht und gejagt werden: Welch tiefen -Eindruck machte diese Art der Jagd auf mich! -- Dann noch eins: die -Toten! Und es fehlte zum Glück noch das Ergreifendste. Verluste -auf der eigenen Seite. -- In der Erinnerung spiegelte sich jetzt -alles deutlich: wie mich die Sorge um den Zusammenhang der Truppe -beherrschte, welche Einfälle mir kamen; ich sah die schwarzen Teufel, -die hinter den Büschen auf mich anlegten --, Rauch und Knall. Das galt -mir! -- Das Korn meiner Büchse spielt auf dem Körper eines Menschen, -der Schuß fällt -- er stürzt: Ganz ungekannte Eindrücke! Vorwärts! --- Blaue Wölkchen blähen sich plötzlich aus dem Geäst, dann laufen -nackte Gestalten mit großem, altmodischem Gewehr und Pulverhorn. -Bald bleiben rechts, bald links von mir Schützen stehen, heben die -Gewehre und schießen -- zwischen den Büschen brennt das trockene Gras. -Dursterregende rauchige Luft atme ich ein. -- - -Als wir spät abends Mohorro wieder erreichten, war ich froh, das -Bezirksamt noch auf dem alten Fleck zu sehen. Wie leicht hätten -Aufständige hinter meinem Rücken angreifen können, und es wäre mir dann -schwerlich verziehen worden, wenn ein Unglück geschehen wäre. Aber -allein das Maschinengewehr, das mitten auf der Straße stand, wirkte -Wunder an Respekt bei den Eingeborenen. - -Keudel hatte ein auserlesenes Abendbrot zurecht machen lassen, und wir -feierten die Feuertaufe bei einer Flasche Sekt, die ich vom „Bussard“ -mitgebracht hatte. - -Der Erfolg des Vorstoßes machte sich schon am nächsten Tage bemerkbar. -Die benachbarten Jumben (Dorfältesten) kamen mit ihren Leuten und gaben -Gewehre ab. Während die Eingeborenen das Bezirksamt bisher mit Klagen -über Ausschreitungen der Aufständigen überschüttet hatten, herrschte -heute völlige Ruhe. Auch in Mohorro gingen die Europäer unbewaffnet -über die Straße; die Spannung, die Tag und Nacht auf allen gelegen -hatte, machte einer größeren Zuversicht Platz. Wir hatten angegriffen -und dadurch einen gewissen Bann gebrochen. - -Mittlerweile kam eine genaue Nachricht über die oben erwähnte Ermordung -des Ansiedlers Hopfer im Kilwabezirk: Hopfer war krank und ließ sich -von seinen Negern zur Küste tragen, während Aufständige ihn verfolgten. -Als sie näher kamen, liefen seine Träger davon. Er versteckte sich im -Busch; doch sein kleiner Hund schlug an und verriet ihn. Hopfer erschoß -mit seinen letzten Patronen mehrere Angreifer und wurde dann mit Äxten -erschlagen. - -In den nächsten Tagen ließ ich rings um die Gebäude der Station -Bananen und Buschwerk abhauen, um freies Schußfeld zu bekommen. Um -meine Kenntnisse des Kisuaheli zu verbessern, ging ich oft unter die -Bevölkerung und wohnte jeder Gerichtssitzung bei. Auch bei den Askari -gab es allerlei für mich zu lernen, was mir neu war und bei weiterer -Tätigkeit hier helfen konnte. - - Malereien an der getünchten Wand einer Hütte. - - Der Kalk ist um die Figuren herum fortgekratzt. Die Figuren stellen - dar: einen Schenzi mit Schild, Keule und Speer; einen fieberkranken - Mann, der sich von seiner Bibi den Kopf massieren läßt, einen - Fisch, eine Antilope, einen Leoparden und einen Askari. Solche - Anfänge bildender Kunst sind in Ostafrika sehr selten. - -[Illustration: - - (Nach einer Zeichnung des Verfassers.) - -Malereien an der getünchten Wand einer Hütte.] - -Schwierig war es, den Matrosen den richtigen Platz neben den -anderen Europäern und über den Askari und Eingeborenen zu geben. Daß -ich mich selbst durch keinen Burschen bedienen ließ, sondern gleich -mehrere Boys annahm, war selbstverständlich; aber bei der Polizeitruppe -hatte sogar jeder Askari einen Boy, deshalb gab ich auch den Matrosen -Schwarze als Diener; ich wollte den Anschein vermeiden, als stände -der Matrose schlechter da als der Askari. Vor allem aber bemühte ich -mich, den Matrosen klar zu machen, wie sie ihre Stellung zu den Askari -und den Eingeborenen aufzufassen hätten. Die Matrosen konnten jedem -Schwarzen Befehle geben, auch dem schwarzen Feldwebel; sollten es aber -möglichst vermeiden. Auch sollten sie sich nicht mit den schwarzen -Soldaten befreunden. Diese und ähnliche Winke, die den schwierigen -Verhältnissen der Unterordnung und dem Rassenprestige Rechnung trugen, -wurden verstanden. Zum Lob meiner Unteroffiziere und Matrosen kann ich -hier sagen, daß sie den Negern gegenüber eine achtunggebietende Haltung -bewahrt haben, ohne gegen ihre Vorgesetzten in der militärischen -Form nachzulassen. Und in dieser Form mögen die Eingeborenen oft -unsere Macht gesehen haben. Auch den Askari gefiel es wenn sie sahen, -daß sogar Weiße, ebenso wie sie, vor dem Vorgesetzten die Hacken -zusammenschlagen und das Gewehr zum Präsentiergriff von der Schulter -reißen, wenn der Vorgesetzte kommt. - -Jeden Abend saßen Keudel und ich über der Karte und stellten -Vermutungen auf, wie es wohl kommen würde. Die Nachrichten vom Aufstand -waren spärlich; entweder besannen sich die Neger, weil so plötzlich -Truppen im Lande erschienen waren, oder es bereitete sich etwas vor. -Und damit war zu rechnen. - -[Sidenote: Ein Nachtmarsch.] - -Ein Jumbe mit Namen ~Burri~ gefiel sich in der Rolle eines -Vertrauensmannes und Spions. Er behauptete, mit Sicherheit festgestellt -zu haben, daß ein großes Lager der Aufständigen an einem Platze sei, -den man in fünf Stunden erreichen könne. Eine so gute Gelegenheit, den -Gegner zu fassen, durfte ich nicht vorübergehen lassen und entschloß -mich zu einem Marsche in der Nacht, um die Aufständigen womöglich am -Morgen zu überraschen. - -Da der Sergeant inzwischen mit einem Teil der Askari zum Rufiyi -geschickt worden war, hatte ich zum Angriff außer zehn Matrosen nur -acht Askari zur Verfügung. Eine Anzahl bewaffnete Araber und Neger -schlossen sich mir an. In Mohorro blieb der Rest der Matrosen, das -Maschinengewehr und einige ganz alte, marschunfähige Polizeiaskari. - -Bei wundervollem Mondschein setzte sich meine eigenartige Streitmacht -um elf Uhr am Abend in Bewegung. Stabsarzt Engeland, der gerade aus -Daressalam eingetroffen war, begleitete mich. - -Die Araber führten. In ihren langen weißen Gewändern, den silbernen, -krummen Dolch im Gürtel, das Gewehr geschultert, gingen sie vor mir und -suchten mit ihren guten Augen die Schatten der schweigenden Mondnacht -zu durchdringen. Besonders vorsichtig gingen sie durch Pflanzungen -und kleine Dörfer; jeden Augenblick konnten wir den Vorposten der -Aufständigen begegnen. - -Wenn ich mich umdrehte, sah ich die Reihe der im Gänsemarsch gehenden -Truppe sich durch das Gras schlängeln. Die Gestalten der Träger -und Askari verschwammen gespensterhaft mit der scheinbar erhellten -Umgebung, und das Schweigen, das alle wahrten, erhöhte den Eindruck. - -Bei jedem Geräusch -- wenn ein Stück Wild in den Feldern lief -- -stutzten die Führer und lauschten. Als wir wieder eine kleine Ortschaft -passierten, fiel plötzlich seitlich vom Wege ein Schuß. Sofort -wurden auf beiden Seiten Neger im Gebüsch gesehen. Immer noch in der -Besorgnis, Unschuldige anzuschießen, rief ich zweimal: „Wer ist da? -Antwort, wenn Freund des Bezirksamts!“ - -Lauschend standen wir auf dem breiten Platz, den das helle Mondlicht -beschien. Keine Antwort kam. Die Leute an den Flügeln zeigten aufgeregt -vor und neben uns in das Gras und behaupteten, viele Leute bewegten -sich darin. - -Um dem Spuk ein Ende zu machen, ließ ich fünf Mann eine Salve in den -Busch feuern. - -Aber nichts regte sich; die Schatten der Büsche flimmerten geisterhaft -wie zuvor. Ein Kind schrie in der Ferne. Als wir noch standen und -warteten, kam der Betschausch (schwarzer Feldwebel) an mich heran -und sagte in geheimnisvollem Tone, die Araber, die mit uns seien, -planten Verrat, ich sollte ihre Vorderlader abfeuern lassen, wenn ich -nicht Gefahr laufen wollte, daß sie plötzlich ihre Gewehre auf mich -richteten. Überrascht sah ich Stabsarzt Engeland an; es konnte etwas -Wahres daran sein. War es doch das erstemal, daß die Araber auf unserer -Seite und nicht gegen uns kämpften! - -Als hätte sich Alles verschworen, um meine Geduld zu prüfen, so -stürmten die Eindrücke auf mich ein und wollten auch meine Phantasie -gefangen nehmen; doch ich behielt zum Glück meine Ruhe. Die Vorderlader -konnten uns nicht viel nutzen, richteten vielleicht sogar in unsern -Reihen Verwirrung an, deshalb ließ ich sie abfeuern. - -Da redeten die Araber auf mich ein und baten, ich sollte ihnen nichts -Schlechtes zutrauen. - -Ich wurde ungeduldig und verwünschte die ganzen Gespenstergeschichten; -denn das waren sie; befahl auf kein Geräusch mehr zu achten und drängte -vorwärts. - -Da war mit einem Male alles vorbei, was uns vorher beunruhigte; zur -Beschämung derer, die fest behauptet hatten, schwarze Gestalten gesehen -zu haben. - -Wir kamen an den Wald und gingen schnell weiter, weil sich starker -Aasgeruch in der Gegend verbreitete, wo vorgestern das Gefecht -stattgefunden hatte. - -Unter den Bäumen war es so dunkel, daß es manchmal schwer fiel, den -Weg zu finden. Große Euphorbien, Fächerpalmen und dichtbelaubtes -Dorngestrüpp ragte in seltsamen Silhouetten zum fahlen Nachthimmel -empor. Ein Feuer am Fuß hoher Stämme warf flackerndes Licht in die -Baumkronen. Ich sandte eine Patrouille hin, um nachzusehen, ob es ein -Vorpostenfeuer sei. Wir warteten auf dem Wege. - -Aber es war nur ein brennender Baumstamm, der an das Feuer erinnerte, -das meine Askari am Tage des ersten Gefechtes angezündet hatten. - -Als wir das Ende des Waldes erreichten, rieten die Führer zu halten und -das Tageslicht abzuwarten; denn die Dörfer der Aufständigen seien dicht -vor uns. - -So legten wir uns denn, wie wir waren, auf dem Wege nieder und -schliefen ohne viel Erquickung; es war kalt und der Morgenwind stieß -uns mehrmals unfreundlich an. - -Beim ersten Morgenlicht gingen wir schnell vorwärts; durch -Mohogopflanzungen und verlassene Dörfer, deren naturfarbene Strohdächer -friedlich aus dem Grün heraussahen. Alle Herdstellen waren kalt; alle -Fährten gingen weiter in die Berge hinein. - -Die Besitzung eines Arabers war stark verwüstet, die Häuser -niedergebrannt und das Hausgerät zerschlagen. Der Besitzer, der mit uns -ging, wütete und suchte unermüdlich nach Spuren der Aufständigen, um -sich zu rächen. - -Als ich nach mehrstündigem Marsche, ohne einen Feind getroffen zu -haben, umkehrte, schwärmten die Araber in die Felder und setzten den -roten Hahn auf alle Dächer der weit verstreuten Hütten. Fast ohne Rauch -stiegen die Flammen empor; in starkem Gelb und Rot gegen den blauen -Himmel. - -Mit einem Feuerbrand in der Hand ging ein hochgewachsener, -schneeweißgekleideter Araber zwischen den Hütten und förderte das -Zerstörungswerk. Es war ein Bild aus den Zeiten als die Hand der -braunen Söhne Maskats in diesem Lande herrschte. - -[Sidenote: Bei Mohorro.] - -Erst gegen Abend erreichten wir müde und verstimmt unsere Quartiere in -Mohorro. Der weite Marsch hatte die meisten Matrosen sehr angestrengt; -einige waren stundenlang barfuß gegangen, weil ihnen die Füße in den -Segeltuchschuhen schmerzten. Die folgenden Ruhetage taten uns gut. - -Eines Tages kam Hauptmann Merker nach Mohorro. Er hatte, um die -Aufständischen zu treffen, in den Matumbibergen schwierige Märsche -gemacht. - -Sein Lager war auch nachts beschossen worden, und er riet uns, für -einen Nachtangriff jederzeit gerüstet zu bleiben. - -Als wir seinen Schilderungen der Vorgänge in den Bergen und bei -Samanga noch zuhörten, kam eine Nachricht, die den Bezirksamtmann sehr -beunruhigte: auch nördlich vom Rufiyi sollte in den Bergen Neigung zum -Aufstand sein. - -„Wenn Sie schnell hingehen,“ sagte er mir, „können Sie viel retten.“ - -Da ich inzwischen telegraphisch die Erlaubnis zu kleineren Streifzügen -bekommen hatte, zögerte ich nicht. Es galt einen Gewaltmarsch -auszuführen; denn schon am nächsten Morgen erwartet der Akide von -Kikale den Angriff der Bergbewohner. - -Meinen Matrosen konnte und wollte ich einen Nachtmarsch nicht wieder -zumuten; deshalb ging ich mit Sergeant Kühn und zwölf Askari am -Abend voraus. Stabsarzt Engeland sollte am nächsten Tage mit einem -Teil der Matrosen nachkommen. Gegen Mitternacht kamen wir an einen -breiten Strom, den Rufiyi, und mußten auf Boote warten. Die dunklen -Wassermassen, auf denen der fahle Glanz der Sterne zitterte, das leise -Rauschen im Schilf und die schweigsame Gruppe der Askari: das alles -hatte etwas Geheimnisvolles, fast Geisterhaftes. - -[Illustration: Boote an einer Fährstelle am Rufiyi.] - -Auf der Höhe der Uferböschung schlief ich, bis die Boote kamen, die uns -übersetzen sollten. Da ließ ein Schuß mich aufspringen und zum Gewehr -greifen; doch der Sergeant beruhigte mich: Die Askari brachten die -Reittiere durch den Strom und schossen in das Wasser, um die Krokodile -zu verscheuchen. - -Endlich kam auch ich an die Reihe und nahm in dem schwankenden Einbaum -Platz, den drei Neger in flachem Wasser mit Stangen, im tiefen Strome -mit kleinen Schaufelrudern vorwärts trieben. - -Als es hell wurde, erreichten wir die waldigen Ufer des Mbumiflusses. -Eine Dhau brachte uns auf das andere Ufer, dann ging es eilig vorwärts -auf dem Wege nach Kikale. Aber noch war der Ort nicht in Sicht, da -kam schon ein Trupp bewaffneter Leute des Akiden, die meldeten, das -Gerücht sei unbegründet, sie seien selbst nachts in den Bergen gewesen -und hätten nichts Verdächtiges bemerkt. Sie freuten sich, daß ich so -schnell zu Hilfe gekommen war. - -Die Gegend kannte ich von einem früheren Jagdausflug her; trotz der -großen Müdigkeit ging ich deshalb etwas vom Wege ab und erlegte für -die Küche der Matrosen zwei Warzenschweine, die ich mit Trägern nach -Mohorro schickte. - -Durch Eilboten wurde Stabsarzt Engeland benachrichtigt, umzukehren, der -Sergeant und ich aber schliefen bis gegen Abend unter einem Mangobaum; -die Anstrengungen der Nacht machten sich geltend. - -Spät am Abend trafen wir in Mohorro ein. Wenn die beiden letzten, -anstrengenden Nachtmärsche auch nicht zu einem Zusammenstoß mit -Aufständigen geführt hatten, so waren sie doch nicht vergeblich -gewesen; denn sie gaben der noch treuen Bevölkerung die Gewißheit, daß -etwas für ihre Sicherheit geschah, und für mich waren sie nützlich, -weil ich Land und Leute kennen lernte und sah, was ich mit meiner -Truppe unter den gegebenen Verhältnissen leisten konnte. - -Die Möglichkeit, Streifzüge auszuführen, wurde für mich noch größer, -als Leutnant zur See Schröder mit zwölf Mann von S. M. S. Bussard in -Mohorro eintraf. - -Kapitän Back stellte außerdem weitere Verstärkung unter Oberleutnant -zur See Wernecke in Aussicht, fügte aber hinzu, daß S. M. S. „Bussard“ -zu Landungen an anderen Küstenplätzen bereit sein müsse. Mit Rücksicht -darauf meldete ich, die Verstärkung sei nicht mehr nötig und erfuhr -später, wie der Kommandant jeden einzelnen Mann brauchte, um die vielen -Landungen auszuführen, die in den nächsten Wochen stattfanden. (Dabei -ist es vorgekommen, daß sämtliche Offiziere, der Ingenieur und der -Zahlmeister an Land waren und der Kommandant mit zwei Maschinisten und -dreißig Mann allein an Bord blieb!) - -[Sidenote: Am Rufiyi aufwärts.] - -Der Bezirksamtmann war besorgt um die dichtbevölkerten und fruchtbaren -Gebiete am Rufiyi. Als die Gerüchte sagten, daß auch die Bewohner der -südlich davon gelegenen Kitschiberge sich dem Aufstande anschlössen, -schien der Rufiyi bedroht zu sein. Es war eine verlockende Aufgabe, den -Strom zur nördlichen Grenzlinie für die von Ort zu Ort fortschreitende -Aufstandsbewegung zu machen. - -Das konnte nur durch einen Marsch den Rufiyi aufwärts geschehen. Von -der Schutztruppe war keine Hilfe mehr zu erwarten, nachdem Hauptmann -Merker von neuem in den Matumbibergen zu tun bekommen hatte; also blieb -nur mir die Aufgabe, von der Keudel und ich jetzt täglich sprachen. - -Am 15. August verdichteten sich die Meldungen über das Auftreten der -Rebellen auf dem Südufer des Rufiyi, und ich entschloß mich, noch an -demselben Tage aufzubrechen, um die von Aufständigen besetzten Plätze -zu suchen. Auf wenigstens acht Tage Abwesenheit von Mohorro war zu -rechnen. Träger wurden bestellt, Lasten mit Proviant gepackt, Zelte, -Decken und Kochgeschirr bereit gelegt, und am Nachmittag gegen vier -Uhr setzte sich meine Truppe, in Stärke von drei Unteroffizieren, zehn -Matrosen und fünfunddreißig Askari in Marsch. Stabsarzt Engeland und -ich hatten Reittiere; Sergeant Kühn nahm im Vertrauen auf die guten, -von der Kommune angelegten Wege sein Fahrrad mit. - -Anfangs folgte ich einem Wege, der in westlicher Richtung auf die -Kitschiberge zeigte. Durch Wald, an den Teakholzpflanzungen der Kommune -vorbei, führte die breite Straße nach einem verlassenen Dorfe, in dem -nach dreistündigem Marsche das Nachtlager aufgeschlagen wurde. - -Eine meiner Hauptsorgen bei dieser ersten größeren Expedition war -die Gesundheit der Matrosen. Proviant und Kochgeschirr hatten wir. -Wasser durfte nur abgekocht getrunken werden. Schwierig war es nur, -die Matrosen in der Nacht gesund unterzubringen. Für zehn Mann waren -nur zwei Zelte da. Jeder hatte eine wasserdichte Unterlage zum Schutze -gegen die Feuchtigkeit, eine wollene Decke und ein Moskitonetz, das -an eingeschlagenen Stöcken befestigt wurde. Ich selbst stellte mein -Feldbett, das mir schon auf früheren Jagdausflügen gedient hatte, mit -in Stabsarzt Engelands Zelt auf. - -Kranke konnten mir bei meinen Märschen sehr zur Last fallen, und es -mußte mir verdacht werden, wenn ich meine Leute der Fiebergefahr -allzusehr aussetzte; deshalb war es nur eine große Beruhigung, einen -erfahrenen Arzt bei meiner Truppe zu haben.[8] - -[Sidenote: Am Hirusee.] - -Am zweiten Morgen schlugen wir die Richtung auf den Hirusee ein. -Die Türen der Hütten, an denen wir vorbeikamen, waren durch starke -Stäbe von außen verschlossen, ein Beweis, daß die Menschen in den -Wald geflüchtet waren, um sich den Aufständigen anzuschließen. Es ist -das alte Verfahren der afrikanischen Völker: im Kriege die Dörfer zu -verlassen und wie Tiere in einsamer Wildnis verborgen zu leben. Dem -Verfolger bleiben Hütten ohne Vorräte, Ställe ohne Haustiere; und einer -großen Truppe wird es dann schwer, sich zu verpflegen. - -Gegen Mittag rasteten wir auf einer Halbinsel, die sich mit dicht -bewaldeten Ufern in den Hirusee hineinschob. Auch hier lagen im Walde -verstreut Ansiedelungen, und auf den kleinen Rodungen waren Mohogo und -Bohnen gepflanzt; Fischereigerät deutete auf die Beschäftigung der -Eingeborenen. Die Hütten waren sehr primitiv aus Erde, Rohr und Gras -gebaut, während die dem Flusse und der Küste näher wohnenden Stämme -oft recht gute Wohnhäuser bauen; mit Lehmbewurf und Kalkanstrich, mit -überstehendem, auf Pfosten ruhenden Makutidach. - -Aus dem Dunkel einer kleinen Hütte wurde eine alte Frau herausgezogen, -die als marschunfähig zurückgelassen worden war. Nur einen Napf mit -Bohnen und einen Topf mit Wasser hatte man ihr hingestellt, damit sie -nicht zu verhungern brauchte. - -Unter den Bäumen, nahe an der Spiegelfläche des Wassers lagerten meine -Matrosen und Askari. Kleine Feuer wurden angezündet und das Mittagessen -bereitet. Die Matrosen kochten den beliebten Hammelkohl, (die beste -Fleisch- und Gemüsekonserve, die ich auf allen Reisen kennen lernte). -Man kann dies Gericht täglich essen, ohne seiner überdrüssig zu werden, -und auch die Matrosen (die an Bord sehr gutes Essen bekommen) waren -froh, wenn es Hammelfleisch mit Kohl gab, während ihnen gekochter Reis -mit Fleisch von Wasserbock oder Riedbock weniger zusagte. Das aber -wurde die Nahrung in den nächsten Tagen, als die Konserven zu Ende -gingen; ich mußte mit meiner Büchse für frisches Fleisch sorgen, da die -Neger jener Gegend kaum nennenswert Viehzucht treiben und die wenigen -vorhandenen Rinder, Ziegen und Schafe vor uns verborgen hielten. - -[Illustration: Negerhütten in den Kitschibergen.] - -Unter Mittag fielen am Wege mehrere Schüsse: Die Posten schossen auf -zwei Leute, die mit Lasten auf dem Kopf des Weges kamen und, angerufen, -sich zur Wehr setzten. Der eine wurde getötet, der andere warf seine -Last hin und entkam. - -Am Nachmittag marschierten wir weiter. Der Sergeant fuhr mit seinem -Rade etwas voraus und bemerkte einige Aufständige, die sich in den -Maisschamben verproviantierten. Sobald sie uns erblickten, griffen -sie zu ihren Waffen und suchten im nahen Gebüsch Deckung; aber drei -fielen von unseren Gewehrkugeln getroffen. Die Nähe der Feinde zwang zu -besonderer Vorsicht. Als der Abend nahe war, hielt ich in einem Dorfe, -das anmutig auf bewaldeter Höhe lag mit der Aussicht auf den Strom und -auf die weiten, fast unabsehbaren Grasniederungen seiner Ufer. - -Um Lärm zu vermeiden, ließ ich keine Zelte aufschlagen, sondern -Schlafplätze unter den vorspringenden Dächern der Hütten einrichten. -Das Abendessen wurde auf den Herdsteinen im Innern der verlassenen -Hütten gekocht. - -Blutrot ging die Sonne hinter dem Flusse unter. Wir glaubten den -Aufständigen nahe zu sein, deshalb stand ich lange mit dem Sergeanten -auf dem höchsten Dach des Dorfes und suchte nach dem Schein von -Lagerfeuern in der Ferne. Aber nichts Bestimmtes war zu erkennen. - -Die Neger, Askari wie Träger, schliefen ohne Decken im Freien. Zwei -Posten waren ausgestellt. - -Ein besonders gewandter Askari wurde als Schenzi mit blauem Kanicki -verkleidet, bekam einen Speer in die Hand und erhielt den Auftrag, sich -unter die Aufständigen zu mischen, um etwas über ihre Absichten und -ihren Aufenthalt zu erfahren. - -Nach einigen Stunden kam er zurück und erzählte, er habe Schenzis -getroffen, die zu ihm sagten: „Sieh dich vor, die Europäer haben heute -am Rufiyi geschossen.“ Er darauf: „Ich gehe nach Kitschi, da kriegen -sie mich nicht!“ Die Aufständigen: „Auch wir gehen nach Kitschi und -unsere Frauen und Kinder sind im Wald versteckt.“ - -Gewiß war das alles Phantasie. Der Askari hatte sich wahrscheinlich -eine Zeitlang im Busch verborgen und war dann mit der erdichteten -Geschichte zurückgekommen. - -Unter dem Vordach einer Hütte stand mein Feldbett; im Kreise herum -lagen die Askari auf dem Wege, unter einer anderen Hütte die Matrosen. -Die Träger schliefen dicht aneinander gedrängt nahe an dem Abhang, von -dem aus am wenigsten Gefahr drohte. - -[Illustration: Eines Tages traf ich in einem verlassenen Negerdorf -auffallend zahme Tauben. Die Tiere waren offenbar gewohnt, ihr Futter -von Menschenhand zu bekommen, und waren jetzt halb verhungert; sie -pickten Maiskörner, die ich über mich streute, aus meinem Hut und -fraßen aus der Hand.] - -[Sidenote: Panik unter den Trägern.] - -Mitten in der Nacht wurde ich durch plötzliche Schreckensrufe aus -vielen Kehlen geweckt. Ein Menschenhaufe drang in das Lager. Ich sprang -auf, griff zur Büchse, verwickelte mich in mein Moskitonetz, zerriß es -und stand auf dem Platz im ersten Augenblick völlig im Unklaren über -das, was vorfiel. - -Auch die Mannschaften standen plötzlich alle da; die Matrosen und -Askari mit ihren Gewehren, und die Träger hinter ihnen Schutz suchend. -Aber kein Feind ließ sich blicken und nun wurde der Vorfall als ganz -harmlos aufgeklärt: Ein Träger war ausgetreten und wurde, als er aus -dem Gebüsch zurückkam, plötzlich von anderen bemerkt, die ihn, aus dem -Schlaf erwachend, für einen Feind hielten, aufschrien, davon rannten -und alle andern mit sich rissen. - -Zum Glück hatte niemand geschossen; ein Gewehr war in dem Durcheinander -zerbrochen, sonst war kein Unheil geschehen. -- So aber mag der -Eindruck sein, wenn ein nächtlicher Überfall die Schläfer aus dem -Schlaf emporschreckt! -- - -Auch als wir am folgenden Tage weiter marschierten, war von den -Aufständigen noch nichts zu sehen. Als ich unter Mittag am Fluß -lagerte, kam ein Boot mit Lebensmitteln, die uns sehr willkommen waren, -weil unsere Vorräte zu Ende gingen. Ich ließ das Boot anhalten und -kaufte alles was darin war. Die Bootsleute erzählten, sie seien heute -vom Ufer aus beschossen worden; in Utete, vier Stunden stromaufwärts -lagerten Aufständige, die jedes Boot anzuhalten versuchten, um später -auf das Nordufer übersetzen zu können. - -[Sidenote: Ein Akide.] - -Vom Nordufer kam der Akide Melicki, der das niedergebrannte, große Dorf -Mayenge verlassen hatte; er brachte eine Ziege, Hühner und Reis. Ihn -begleiteten seine beiden Polizisten in phantastischen Kleidern, und -andere Neger mit Vorderladern; eine sonderbar aussehende, bunte Truppe. - -Dieser Akide Melicki hat mich später auf allen meinen Streifzügen -stets begleitet, bis friedlichere Zustände eintraten. Er war zwar -kein Araber, sondern ein Neger aus den Matumbibergen, aber ein -vortrefflicher Nachahmer arabischen Wesens, und dadurch nicht ohne -Ansehen bei den Eingeborenen. Sein Wert bestand in der vermittelnden -Stellung, die er zwischen mir und den Eingeborenen einnahm. Er sprach -die Dialekte der Bergbewohner und Pogoro und kannte jedes Haus in -seinem Akidat, weil er die Hüttensteuer einzutreiben hatte. Es ist -gewiß bemerkenswert, daß ein Neger es versteht, eine solche Stellung -einzunehmen und daß ihn Äußerlichkeiten, wie Kleidung, Schrift und -religiöse Übungen dabei unterstützen. Man kann aber von den farbigen -Akiden ebensowenig wie von den meisten Arabern erwarten, daß ihn ein -Vertrauensposten hindert, seinen eigenen Vorteil dabei wahrzunehmen -und Geldgeschäfte damit zu machen; denn dem Neger ist es nicht leicht -verständlich, daß jemand Macht besitzen soll, ohne sich durch sie zu -bereichern. Und wenn er die Tugend auch beim Europäer sieht, selbst -kann er sie nicht üben. - -Die Akiden haben sich durch Strafgeld bereichert und den Aufstand -benutzt, Geld verschwinden zu lassen. - -[Illustration: Dorfstraße am Rufiyi. - -Unter dem überstehenden Dache des Hauses links schlief ich einmal, als -eine Herde Elefanten in der Nacht zwischen den Häusern hindurchging. -Rechts stehen Askari bei Bettstellen, die sie sich zum ausruhen aus -den verlassenen Hütten geholt haben. In der Mitte sieht man unsere -Reitesel.] - -Für den nächsten Tag hoffte ich auf einen Handstreich gegen die -Schenzis. Die von den Bootsleuten bezeichnete „Boma“ der Aufständigen -sollte etwa zwei Stunden von meinem Lagerplatz entfernt sein; das -bestätigte mir auch der Akide. Ich selbst wollte um 4 Uhr morgens -mit der Hälfte der Truppe so schnell als möglich vorgehen. Stabsarzt -Engeland sollte bei Tagesanbruch mit dem Rest der Truppe und mit der -Trägerkolonne folgen. So glaubte ich schneller und sicherer an den -Feind zu kommen, als wenn ich stets mit dem ganzen Troß marschierte. -Außerdem konnte das Lager beim Tageslicht leichter abgebrochen werden -als bei Nacht. - -Pünktlich um 3½ Uhr weckte der Posten, und eine halbe Stunde später -verließ ich das Lager mit zwei Unteroffizieren, sieben Matrosen und -achtzehn Askari. Der Akide zeigte den Weg. An der Spitze gingen -Sergeant Kühn und ich. Wir schlichen durch verlassene Dörfer, drangen -in die dunklen Hütten, die leer waren, und prüften jedes Feuer in den -Herdsteinen auf sein Alter. - -Als es hell wurde, gingen wir lange durch niedrigen, offenen Wald und -kamen gegen 7 Uhr über eine Anhöhe, die sich in sanftem Abfall zum -Rufiyi senkte. - -Da stieg eine Rauchwolke aus dem Schilf empor; der Akide sagte, das sei -der Platz, an dem wir die Schenzis vermuteten. - -Um ungesehen näher zu kommen, gingen wir seitlich in den Wald und sahen -hier plötzlich eine Hütte mit Wachtturm vor uns. Schwacher Rauch stieg -daraus empor. Wenn uns die Wächter bemerkten und Lärm schlugen, war -der Überfall mißglückt; ich gab deshalb dem Sergeanten einen Wink. Wir -liefen auf den Zehen um das Haus herum, drangen leise in die offene -Hütte hinein und schlugen die drei Leute, die dort auf Maisvorräten -schliefen, mit den Fäusten nieder, ehe sie zu den Waffen greifen -konnten; dann wurden sie gefesselt. Die Überraschung dieser Wächter war -so groß, daß sie nur unartikulierte Töne wimmerten. - -Ich teilte nun meine kleine Truppe in drei kleinere Abteilungen, -deren eine ich selber führte, die zweite Sergeant Kühn, die dritte -der Betschausch. Während ich langsam in gerader Richtung vorging, -sollten Sergeant Kühn und der Betschausch von links und rechts das Lager -umfassen. Aber trotzdem hier kein Schuß gefallen war und wir keinen -Lärm machten, mußten wir schon bemerkt sein; denn als ich über eine -niedrige Anhöhe kam, sah ich viele Bewaffnete in der Ebene unruhig -hin und her laufen. Um besser sehen zu können, lief ich etwa dreißig -Schritt vor, blieb stehen und hob mein Doppelglas. - -[Sidenote: Gefecht bei Utete.] - -Da krachten unmittelbar vor mir in dichtem Gras eine Anzahl Schüsse; -ein Matrose, der mir gefolgt war, brach neben mir zusammen. Ich riß -in der Überraschung mein Gewehrschloß auf und repetierte eine neue -Patrone in den Lauf, ohne geschossen zu haben. Dann erst schoß ich -einen Schwarzen nieder, der sich aus der Rauchwolke seines Vorderladers -erhob, um fortzulaufen. Das alles geschah in wenigen Sekunden. Die -Matrosen und Askaris kamen in die Reihe; ein heftiges Feuergefecht -entspann sich. Die Schwarzen lagen hinter Bäumen und großen Steinen und -drückten sich, nachdem sie abgefeuert hatten, wie tot ins Gras, wenn -wir vorbeikamen. - -Lauter Zuruf von unten sagte uns, daß der Betschausch und die Begleiter -des Akiden in unsere Schußrichtung gekommen waren, um die fliehenden -Schenzis einzufangen. Da machten die Matrosen von ihren Seitengewehren -Gebrauch, um nicht eigene Leute durch Schießen zu gefährden, und -drangen mit großem Ungestüm auf die noch standhaltenden Neger ein. Nur -kurze Zeit hatte das Gefecht gedauert. Weit unten am jenseitigen Ufer -eines Sees sah ich die Aufständigen laufen und verschwinden und sandte -ihnen einige Schüsse mit hohem Visier nach. - -„Wer von uns ist gefallen?“ fragte ich den Feuerwerksmaaten Fuchs. -„Matrose Gramkau; er ist tot.“ Ich ging zu dem Platz, an dem er lag. Er -war unmittelbar neben mir lautlos ins Gras gesunken; ich hatte nicht -Zeit gehabt, mich nach ihm umzusehen. -- Da lag der Tote im Grase -zwischen den hohen Steinen, die den Feinden als Deckung gedient hatten. -Ein Geschoß war ihm in den Mund gedrungen und hatte die Halswirbel -durchschlagen. Ein anderer Schuß hatte den rechten Arm getroffen und -die Holzbekleidung des Gewehres zersplittert. - -Es war ein schmerzlicher Verlust für mich, hier mitten zwischen den -zahlreichen Aufständigen einen der wenigen Europäer meiner kleinen -Truppe zu verlieren. Ich war erregt und empfand es als ein Verbrechen -und Unglück, daß dieser rohe, unebenbürtige Gegner mir einen meiner -wertvollen Männer genommen hatte. Der errungene Sieg war teuer erkauft. - -In dichtem Haufen standen die Leute des Akiden auf dem Wege. -Die Askari hatten die Gefangenen in die Mitte genommen, die alle -Pulverhörner und Kugeltaschen trugen; sie hatten auf uns geschossen und -waren mit schuld an unserem Verlust. - -Zur Bewachung und zum Transport der Gefangenen fehlten mir die nötigen -Mannschaften. Von Feinden umgeben, konnte ich keinen meiner Soldaten -entbehren. - -Es galt, Eindruck auf die Gegner zu machen, um mehr Blutvergießen -zu hindern; deshalb beriet ich kurz mit den Unteroffizieren und dem -Akiden, ließ die Askari antreten und die Rebellen erschießen. Als sich -die Pulverwolke der Gewehrsalve verzogen hatte, lagen die Verurteilten -tot am Boden. - -Wir wandten uns unserm Toten zu; er wurde auf eine Bahre gelegt -und zugedeckt. Die Matrosen traten auf der einen, die Askari auf -der anderen Seite des Weges an und präsentierten, als die Leiche -vorbeigetragen wurde, um unter der Bedeckung von vier Askari nach -Mohorro gebracht zu werden. - -Als Stabsarzt Engeland mit seiner Abteilung eintraf, ließ ich das -Dorf plündern. Aus der Hütte eines Jägers wurden mehrere Häute von -Wasserböcken angebracht; vielleicht waren gerade die Jäger die guten -Schützen der Gegner. Große Mengen Reis lagen in der Wachthütte; sie -wurden den Leuten des Akiden gegeben und auf das Nordufer geschafft. - -Die Wachthütte war sehr geschickt in einem Seitental angelegt, mit der -Aussicht auf den Weg, den wir gekommen waren. Eine Leiter führte in den -Aufbau, in dem sich die Reste eines Feuers befanden, das die Wächter in -der Nacht offenbar unterhalten hatten, um sich zu wärmen. - -Ich fühlte das Bedürfnis nach Ablenkung. Die Eindrücke des Morgens, das -Gefecht, der Tod des Kameraden und die Entschlüsse, die mich zu dem -Todesurteil über die Rebellen brachten, packten mich stark. Und immer -wieder trat das Gefühl der Verantwortung hervor: würde man einsehen, -daß ich Recht tat, dem Feinde in seine Schlupfwinkel zu folgen und -immer weiter vorzugehen? Würde man das Opfer verstehen, das der Kampf -an diesem Morgen forderte? - -Da war es mir willkommen, daß der Matrose, der für die Verpflegung -sorgte, meldete, unsere Fleischvorräte seien zu Ende. - -[Sidenote: An den heißen Quellen.] - -Ich ging mit Sergeant Kühn in den Wald, um wenn möglich einen -Wasserbock zu schießen. Mehrere Askari ließ ich zu unserer Bedeckung -folgen. Nach kurzem Marsch trafen wir, einem Seitenpfade folgend, auf -ein Dornverhau, aus dem bewaffnete Schenzis entsprangen, ohne von ihren -Flinten Gebrauch zu machen. Das war nun ein ganz eigenartiges Gefühl: -dem Wilde folgend, jederzeit gewärtig zu sein, selbst angeschossen zu -werden. Dennoch trennten wir uns, weil sonst auf einen Jagderfolg nicht -zu rechnen war, und ich erreichte bald ein offenes, mit kurzem Gras -bewachsenes Tal, durch das ein heißer Bach hindurchfloß. - -Hier ästen zwei starke Wasserböcke. Niedrige Fächerpalmen boten mir -Deckung zum anpirschen, und ich erlegte beide Böcke mit schnellen -Schüssen, gerade als sie mich bemerkten und in langen Sprüngen flüchtig -wurden. - -Sofort schickte ich nach den Trägern, die aber erst nach Anbruch der -Dunkelheit eintrafen. - -Inzwischen hatte ein Askari mir in dem heißen Quellbache eine Stelle -gezeigt, an der früher schon Europäer gebadet haben sollten; während -die beiden schwarzen Soldaten Wache hielten, entkleidete ich mich, -legte mich lang in den schnell fließenden Bach und ließ das empfindlich -heiße Wasser über mich strömen. Ein Wohlbehagen ging durch den ganzen -Körper während ich so dalag und die eilenden Wolken über mir sah, deren -westliche Wände von der untergehenden Sonne gerötet wurden. - - „Aber, die noch eben blühten, - Ihre Kränze welken sacht, - Und die letzten blassen Blüten - Fallen in den Schoß der Nacht.“ - - (Gustav Falke, „Wolken“) - - - [7] Als Schenzi (spr. Schensi) wird von dem auf seine weltmännische - Art stolzen Küstenneger der Neger des Innenlandes bezeichnet, - stets mit dem Klang: „ungebildeter Bauer“. Im Aufstand war - „Schenzi“ die Bezeichnung für „Rebellen“. - - [8] Sämtliche Marinedetachements führten die Chininprophylaxe - durch, wie sie Geheimrat Koch vorschreibt; an jedem siebenten - und achten Tage wurde 1 _g_ Chinin genommen. Trotzdem sind fast - alle Matrosen krank geworden. Ich selbst habe nur zu Anfang des - Aufstands Chinin genommen; später habe ich es unterlassen, weil - die Sicherheit beim Schießen an dem folgenden Tage jedesmal - litt. Erst als die Regenzeit einsetzte, bekam ich Fieber. - - - - -[Illustration: Galeriewald am Rufiyi.] - - -Gefechte am Rufiyi. - - -Die Nacht ließ mich das traurige Ereignis des letzten Tages vergessen; -am nächsten Morgen waren wir frühzeitig unterwegs, um von neuem in -das unbekannte Land zu ziehen und Rebellen aufzuspüren. Ein Graben -wurde mit Hilfe eines kleinen Kanoes überschritten. Dann ging es durch -dunklen Wald, bis verlassene Hütten auftauchten. - -Der Akide empfahl, hier Feuer anzulegen, als Strafe für die -Aufständigen, und sagte auf mein Bedenken hin, man würde den -Feuerschein nicht weit sehen in dem Morgendunst. - -[Sidenote: Zerstörte Dörfer.] - -Die Askari rissen trockene Blätter aus der Dachbedeckung, entzündeten -sie und hielten den Feuerbrand im Weitergehen unter jedes einzelne -Strohdach. Schnell kletterten die Flammen empor und breiteten sich aus. - -Am Ende des Dorfes machte ich Halt und blickte auf das schauerlich -schöne Bild. Zwischen den brennenden Häuserreihen marschierten meine -Leute hervor. Die Flammen beleuchteten rundum den Wald und den Dunst -der Luft. Sparren krachten und Dächer stürzten ein. - -Zehn Minuten hinter dem brennenden Dorf war schon nichts mehr von dem -Feuerschein zu sehen, weil der Platz im Walde versteckt lag. - -Als es hell wurde, öffnete sich der Blick auf eine Schilfniederung, -in der einzelne kleine Hütten verteilt lagen. Dahinter blickte das -Silberband des Stromes hervor. - -Schamben (Pflanzungen der Neger) waren da und dort zu erkennen; an dem -frischen Morgen glaubte man ein weites, fruchtbares Land vor sich zu -sehen --. Und dies Land ist auch fruchtbar. - -Askaripatrouillen gingen von Hütte zu Hütte, während wir auf der Höhe -warteten und beobachteten. Schenzis schossen aus dem Schilf, die -Askari liefen, schossen wieder und kehrten zurück mit der Meldung, die -Verfolgten seien in den Strom gesprungen und entkommen. Als der Wald -endete, bot sich mir ein unvergeßlicher Anblick: Da lag eine breite -Straße, von Ruinen gesäumt. Die vom Feuer geschwärzten Wände mit hohlen -Fensteröffnungen bildeten eine lange Reihe. Mitten auf der Straße stand -ein einzelner großer Baum. - -Selbst die Neger waren einen Augenblick in Anschauen versunken. Der -Eindruck des langen Trümmerfeldes war zu groß; ein ungewöhnlich reich -bevölkerter Ort war hier verlassen und zerstört. - -Wo waren die Menschen, die hier noch vor acht Tagen auf der breiten -Straße gingen, in der großen Gerichtshalle saßen, an den Inderläden -Einkäufe machten und die Felder in der Ebene bestellten? - -Der Akide wußte Antwort; „_wamehama_“ hieß das Wort, das ich noch -oft hören sollte: „sie haben das Weite gesucht.“ „Teils sind sie zu den -Aufständigen übergegangen, teils auf das Nordufer geflohen und warten -auf deinen Schutz. Bau du eine Boma hier, dann kommen sie wieder und -bauen die Hütten auf, die ihnen die Schenzi niederbrannten.“ - -Ganz gut; es leuchtete mir ein; aber bei der Aussicht, täglich zur -Küste zurückgerufen werden zu können, stand ein solcher Plan außer -Erwägung. - -Ich schrieb einen Brief an das Bezirksamt und wies auf die Bedeutung -eines Militärpostens am Rufiyi hin, ohne zu ahnen, daß mir selbst in -den nächsten Monaten die Aufgabe, die Rufiyilinie zu sichern, zugeteilt -werden würde, und daß ich von dem, was der erste Eindruck dieser -verwüsteten Gebiete mich lehrte, später noch reichlich Gebrauch machen -konnte. - -Die Straße machte bald eine Biegung und führte weiter in der Richtung -auf die Kitschiberge. Das ganze Dorf war auf einem vorgeschobenen -Ausläufer der Berge erbaut. Unmittelbar neben den Häusern fiel das -Land zu der Ebene ab, die vom Hochwasser alljährlich überschwemmt -wird. Noch jetzt stand Altwasser von der letzten Regenzeit in einer -von Schilf umgebenen Talmulde und diente offenbar den Dorfbewohnern -als Schöpfstelle; denn Brunnen gibt es im ganzen Lande nicht. An der -Wegbiegung stand auch das Haus des Akiden und die Schaurihalle. Jetzt -war alles nur noch ein Trümmerhaufen. - -Welch ein Leben muß hier in friedlichen Zeiten herrschen! Aus den -Bergen bringen die Neger Gummi, Bergreis und Kafferkorn, um es bei den -Indern zu verkaufen und gegen Tücher, Glasperlen, Tabak, Nadeln und -Messer einzutauschen. Die Warufiyi, die Leute am Strom, ernten ihre -großen üppigen Reis- und Maisfelder ab, hauen Einbäume im Walde und -verschicken das Getreide nach der Küste, wo der Inder des Dorfes seinen -Gläubiger wohnen hat. - -In den Händen des Inders sind sie alle, denn der ist ein sehr -geschickter Geschäftsmann und versteht es, auf die Neigungen der -Eingeborenen einzugehen. - -In der Ebene standen vereinzelt riesige Borassuspalmen; fern sah man -dunkle Gruppen von Mangobäumen und weit, weit dahinter die Berge von -Magongo, nördlich vom Rufiyi. - -Der Akide führte uns durch das Schilf der Ebene zu einem Seitenarm des -Stromes. Hier wurden unter schattigen Bäumen die Zelte aufgeschlagen. - -Das jenseitige Ufer gehörte einer Insel; dorthin hatten sich die -Bewohner von Nyamwiki mit ihrem Akiden geflüchtet. Am Nachmittage nahm -ich eine Abteilung Askari mit mir und ging in westlicher Richtung. Hier -waren die Häuser im Walde nicht niedergebrannt, und da mir von den -Eingeborenen versichert wurde, daß die Besitzer sich den Aufständigen -angeschlossen hatten, holte ich das Versäumte nach. Dann suchte ich in -lichtem Akazienwald nach jagdbarem Wild. - -Die Askari folgten auf etwa hundert Schritt, denn ich durfte die -Vorsicht hier nicht außer acht lassen. - -[Illustration: Die Rufiyi-Ebene bei Mayenge. - -Bei den Palmen sieht man Trümmerhaufen, die Reste niedergebrannter -Hütten.] - -[Sidenote: Ein Gnubulle erlegt.] - -Als ich um einen Busch herumging, standen plötzlich vier Gnubullen auf -kurze Entfernung vor mir und ich hatte es leicht, eins der prächtigen, -starken Tiere zu erlegen. Es war ein Glück, daß ich nun sofort den -Weg zum Lager einschlug, nachdem das Wild zerwirkt und auf die Träger -verteilt war, denn bald darauf -- ich saß gerade in der Badewanne -- -erschien zwischen den Häusern des Dorfes, die wir genau beobachten -konnten, ein Trupp Aufständiger. - -Mehrere Matrosen und Askari wurden ihnen entgegengeschickt. Da -ereignete sich folgende Geschichte, die einem Heldenepos entnommen sein -könnte: Weithin sichtbar mit langen Flinten in den Händen stand ein -Häuflein schwarzer Kerle auf dem freien vorspringenden Hang zwischen -den Häusern. Ein einzelner, hagerer Neger trat vor und rief auf -Kisuaheli, laut, wobei er die Vokale der Endsilben in die Länge zog: -„Kommt her, wenn ihr Männer seid!“ Ein Matrose aber strich sorgsam -sein Gewehr an einen Baum und traf den lötfesten Gesellen so, daß er -vornüber auf die Nase fiel. -- Da verschwanden die andern so schnell -sie konnten. - -Der Akide erkannte auch diesen Gefallenen als einen Jäger. Diese -schienen die Hauptanführer und die mutigsten Leute zu sein. - -Am nächsten Morgen griffen die Neger in zwei Haufen an, vermutlich in -der Absicht, uns aus dem Lager heraus und in eine Falle zu locken. - -Doch als sie sahen, daß wir nicht darauf hineinfielen, zogen sie sich -schnell zurück. - -Nun sandte ich Patrouillen aus. - -Kurz nach Mittagszeit kam ein Askari atemlos zurück; er wurde von dem -Posten schon gesehen als er den Abhang von dem Dorfe herunterlief; -hinter ihm erschienen bewaffnete Eingeborene. - -Sofort machte ich mich mit Sergeant Kühn, mehreren Matrosen und Askari -auf den Weg. - -Auf der Höhe des Dorfes überraschten wir einen größeren Trupp mit -Gewehren bewaffneter Eingeborener, die sich hinter den Büschen auf -mein Lager anschlichen. Als uns die Krieger sahen, warfen sie sich zum -Teil ins Gras. Andere blieben mitten auf dem Wege stehen und hoben -ihre Flinten. Ein kurzes Gewehrfeuer entspann sich. Hier hörte ich zum -ersten Male deutlich das Pfeifen der dicken Eisenkugeln, die mir dicht -am Ohr vorbeiflogen. Aber noch unangenehmer klang, als ich schießen -wollte, das Gewehr eines meiner Matrosen, der hinter mir stehen -geblieben war. Ich drehte mich entrüstet um --. Der Mann versicherte -mir später dankbar, er würde den Griff nie vergessen, mit dem ich ihn -in die Schützenlinie holte. Als drüben die ersten Treffer einschlugen -und ein Neger hinstürzte, liefen die Gegner auseinander und wir mit -lautem Hurra hinterher, wodurch auch die im Grase liegenden Rebellen -aufgeschreckt wurden und das Weite suchten. - -[Sidenote: Verfolgung fliehender Schenzis.] - -Wir folgten den Fliehenden mehrere Stunden weit auf einem breiten Wege, -der nach dem Westabhang der Berge führte. Große Dumpalmen standen da; -die Früchte waren reif heruntergefallen und von Menschen benagt. Durch -wechselnde Landschaftsbilder führte uns der Weg. Oft liefen wir, wenn -Gestalten vor uns auftauchten, kamen aber nur noch zweimal zu Schuß. - -An einem Abhang lag ein Dorf, aus dem sich die Aufständigen entfernten, -ehe wir uns auf Schußweite näherten. Die Hütten waren ausgeräumt, ein -Beweis, daß auch diese Leute das Kriegsbeil ausgegraben hatten. Nach -zweistündiger Verfolgung mußten wir umkehren, weil es spät wurde. - -Das Dorf mit seinen dicken Strohdächern wurde in Brand gesetzt; auf -dem Wege stand auch ein neuangefertigter Einbaum, den man mindestens -zehn Kilometer weit zum Wasser hätte schaffen müssen. Als ich am Abend -im Lager eintraf, sagte mir Stabsarzt Engeland, daß die Aufständigen -von mehreren Seiten gleichzeitig an uns heranzukommen versucht hatten; -ich war nur auf eine Abteilung gestoßen; aber mein Angriff fern vom -Lager kam ihnen jedenfalls so unerwartet, daß sie den Plan, uns zu -überfallen, aufgaben. - -Am nächsten Tage wurde mir ein Schreiben des Akiden von Kooni[9] -gebracht. „Komm schnell,“ schrieb der Araber, „die Schenzis sind am -Flusse und wollen zu uns übersetzen. Es sind so viele wie Gras, sie -werden uns töten, unsere Häuser verbrennen, wenn du nicht mit Askari -kommst, -- schnell! schnell!“ - -Nun hieß es, einen Entschluß fassen! - -Sollte ich mich noch weiter von Mohorro entfernen, ohne zu wissen, was -hinter mir geschah? -- - -Gewiß hätte ich keinen Augenblick gezögert, wenn ich der Nachricht -bestimmt hätte glauben können. Aber aufs Geratewohl weiter ziehen, weil -ein Akide in Furcht vor den Aufständigen eine Meldung schrieb? - -Ich fragte den Akiden Melicki, ob noch viele große Dörfer, viel Leben -und Eigentum dort zu schützen sei und er schilderte mir das Land in -den rosigsten Farben. Da entschloß ich mich, dem Feind so schnell als -möglich entgegen zu gehen und ihn womöglich zu überraschen, während -er mich noch weit entfernt glaubte. Wenn das gelang, konnte es großen -Eindruck auf die Schwarzen machen. - -Am nächsten Morgen schickte ich eine Abteilung zur Aufklärung nach -Westen, um sicher zu gehen, daß ich beim Übersetzen über den Strom -nicht von herumstreifenden Aufständigen beobachtet würde. - -Gegen Mittag kamen die Askari zurück und gleichzeitig traf eine -Verstärkung ein: der Betschausch und fünf Askari aus Ndundu, so daß ich -Ersatz hatte für die mit der Leiche des Matrosen nach Mohoro gesandte -Bedeckung. In großen Einbäumen wurde auf das Nordufer übergesetzt. - -Der Marsch führte uns stundenlang durch eine weite, fruchtbare Ebene -mit üppigem, mehrere Meter hohem Schilfgras. - -Der schwere, tonige Boden zeigte unzählige, beim Austrocknen -entstandene Risse. Bei dem Dorfe Panganya standen Baumwollstauden so -üppig, wie ich sie nirgendwo bisher gesehen hatte. Alle afrikanischen -Getreidearten gediehen hervorragend, von dem großen Schotenstrauch, -Barazi[10] genannt, bis zum Reis und den Mohogoknollen. Und immer -das Wasser in unmittelbarer Nähe der Felder; ein wahrhaft gesegnetes -Ackerland. - -Gegen Abend erreichten wir das Akidendorf Kooni, aus dem ebenfalls -bereits die meisten Bewohner, als erste jedoch die Inder, geflohen -waren. Nach einer kurzen Beratung mit dem Akiden und Vernehmung der -vorausgesandten Kundschafter entschloß ich mich, unter den großen -Mangobäumen vor dem Dorfe zu lagern, um in der Nacht so zeitig -aufzubrechen, daß ich kurz nach Tagesanbruch die Aufständigen erreichte. - -[Sidenote: Zuverlässige Kundschafter.] - -Der Erfolg war sehr zweifelhaft und hing von der Glaubwürdigkeit der -Leute ab. Meine Karten reichten nicht bis in die Gegend, in die -ich hineinmarschierte und ich konnte mir nur durch langes Ausfragen -vieler, mehr oder weniger erleuchteter Neger ein ungefähres Bild von -dem Terrain machen, in dem ich den Zusammenstoß mit der Hauptmacht der -Aufständigen zu erwarten hatte. - -In solcher Lage merkt man erst, wie sehr man durch Karten und -Bücher gewohnt ist, sich vorher in eine Gegend hineinzufinden und -Dispositionen zu treffen; ich war nach langem Hin- und Herreden soweit, -zu wissen, daß ich nichts wußte, und mich dem Zufall anzuvertrauen. - -Die Lagerfeuer brannten; der Rauch zog in die Kronen der dunklen Bäume -hinauf und der Feuerschein erhellte den Umkreis. Am Wege hockten -Hunderte von Eingeborenen, die von dem nächsten Tage eine Entscheidung -erwarteten. Das schnelle Erscheinen einer Marinetruppe im Lande und -die Erfolge der ersten Scharmützel machte sie stutzig. „Wer zu den -Aufständigen hält, wird erschossen,“ hieß es, und das Gericht von dem -schnellen Urteil über die Rebellen bei Utete besonders, hielt die -Schwankenden in Schach. - -Als es später wurde und die stummen Zuschauer sich durch die -Postenkette hindurch in die Nacht zerstreuten, wollte es mir nicht in -den Sinn, daß keiner dieser Neger zu den Aufständigen liefe, um sie -zu warnen -- um gar eine Falle vorzubereiten, in die ich hineingehen -sollte!? - -In der Nacht kamen Boten mit Meldungen, die immer klarer und -zuverlässiger aussahen. Mehrmals wurde ich geweckt. Da standen die -Kundschafter mit großen Vorderladern und berichteten: „Es sind -ungeheuer viel Feinde. Bei Mtanza sind sie übergesetzt. Jetzt brennen -Lagerfeuer im ganzen Walde.“ - -Um zwei Uhr kam der Akide selbst, ein kleiner, listig aussehender -Araber. Er riet, erst um vier Uhr abzumarschieren. - -Pünktlich um drei Uhr weckte der Posten. - -Ich nahm mit mir zwei Unteroffiziere, -- Sergeant Kühn und -Feuerwerksmaat Fuchs --, vier Matrosen und dreißig Askari. - -In den nächsten Dörfern, durch die wir in der Dunkelheit gingen, -saßen die Menschen dicht gedrängt unter den Vordächern der Hütten -und sahen der Truppe nach, die schweigend ihres Weges zog. Dann ging -es eine kleine Anhöhe hinauf und auf der Höhe weiter, durch eintönige -Buschlandschaft. - -Es wurde hell, und noch immer war vom Gegner nichts zu sehen. - -Da kamen die beiden als Schenzi verkleideten Askari, die ich voraus -gesandt hatte, in vollem Lauf zurück und meldeten: „Sie kommen; aber es -sind sehr viele.“ - -Eine freudige Spannung ergriff mich: „Schnell alles vom Wege runter,“ -war mein erster Gedanke, „damit wir nicht zu früh gesehen werden“; -und mehrere hundert Meter seitlich im Walde formierte ich die -Schützenlinie. Die Boys, die Reittiere und die Träger blieben im -Versteck. Dann ließ ich behutsam in schräger Richtung auf den Weg -vorgehen. - -Der Busch wurde niedriger und lichter, und öffnete sich bald zu -weiterer Aussicht, als plötzlich die Aufständigen zu sehen waren, in -langer, ununterbrochener Linie im Gänsemarsch daherkommend. Der weiße -Kopfputz leuchtete auf der dunklen Stirn; die geschulterten, langen -Flinten, die Patronentaschen und das blaue Tuch um die Hüften gaben der -Masse ein uniformiertes, kriegerisches Aussehen. - -In gebückter Haltung kamen wir bis auf etwa sechzig Schritt an die -sorglos einhermarschierenden Neger hinan, als die ersten stehen -blieben, stutzten, und ihre Gewehre von der Schulter nahmen. Sofort -blieb ich stehen, entsicherte mein Gewehr und schoß, ohne einen Befehl -zu geben. - -[Sidenote: Das Gefecht bei Kipo.] - -In den nächsten Minuten herrschte ohrenbetäubender Lärm. Alle meine -Leute schossen; aus etwa dreihundert Gewehren wurde das Feuer von -drüben erwidert. In Gräsern und Büschen vor mir, sah ich die plötzliche -Bewegung einschlagender Geschosse; -- die Askari schrien laut vor -Erregung --. - -Ich hatte den zweiten Ladestreifen eben in den Kasten meines -Gewehres geschoben -- also schon sechs Patronen verfeuert -- als ich -vorlief; die ganze Linie folgte und die Spitze der Gegner zerstreute -sich. Wo die ersten Toten lagen, blieben wir stehen und nahmen -einen Menschenhaufen unter Feuer, der aus dem Dorf auf der Höhe -hervordrängte und sich in das Gras verteilte. Der nächste Anlauf -brachte uns, fast atemlos, auf die Anhöhe; in wilder Flucht stürzten -die Aufständigen vor uns den Abhang hinab. - -Am Fuße der Anhöhe im hohen Grase bewegten sich Bogenschützen; -Verwundete und Leute, die ihre Waffen fortgeworfen hatten, liefen -dazwischen. Man sah Anführer, die den Versuch zu machen schienen, ihre -Leute zum Widerstand zu bewegen. - -Es gab kein Halten mehr! -- - -Alles drängte über eine Brücke und hier war es leicht, mit schnellen -Schüssen zu treffen. - -Ich warf einen kurzen Blick auf meine Leute. Die Unteroffiziere und -Matrosen schossen ruhig. Sergeant Kühn hatte die unsichersten der -Askari in seine Nähe genommen. Diese führten die Ladegriffe noch so -exerziermäßig aus, daß man die „praktische Instruktion“ dazwischen zu -hören glaubte. - -Nun folgte der letzte Anlauf den Abhang hinab, über die Brücke weg -in ein abgeerntetes Maisfeld. Die Neger liefen auf die Sandbänke und -stürzten sich in den Fluß; die Mehrzahl floh in westlicher Richtung. - -Waffen, Patronentaschen und sogar den leichten, aus Pflanzenmark -hergestellten Kopfputz warfen sie fort, um schneller laufen zu können. - -Wir waren bis aufs äußerste erschöpft und erhitzt, als ich das Gefecht -abbrach. Die Askari drängten sich um mich herum und schüttelten mir in -ihrer Erregung minutenlang die Hände. - -Jeder wußte: Mühe und Anstrengung hatten sich heute belohnt, und die -überraschende Niederlage der Aufständigen würde großen Eindruck machen, -wenn nicht zum Frieden führen. - -Als ich antreten ließ, hatte ich die bange Sorge um eigene Verluste, -aber es ergab sich zu aller Freude, daß nicht ein einziger fehlte; -mit geradezu unglaublichem Glück waren wir durch den Geschoßhagel der -Vorderlader hindurchgelaufen. - -Die Überraschung der Aufständigen, die nicht Zeit hatten, sich ins Gras -niederzuwerfen, hatte das ihre dazu getan. - -Der große Verlust des Gegners aber -- über siebzig Tote lagen allein -auf dem Kampfplatz -- mußte als ein Erfolg angesehen werden. Die -Schenzi waren mit dem Wahn zu Felde gezogen, daß ihre Waffen treffen -würden, und aus unseren Gewehren, durch die Macht der Zauberer, nur -Wasser kommen würde. - -Jetzt waren sie eines anderen belehrt! - -Ein Neger behauptete, er habe auch hinter uns ferne im Wald schießen -hören und ich war etwas besorgt um die Abteilung des Stabsarztes -Engeland, die verhältnismäßig schwach war, weil ich in der Zuversicht, -den Gegner nur ~vor~ mir zu haben, die meisten Kräfte an mich -genommen hatte. Doch bald traf die kleine Kolonne mit den Trägern -und Lasten ein und Stabsarzt Engeland freute sich mit mir über den -Erfolg des Tages, durch den mein ganzer, auf eigene Verantwortung -unternommener Zug eine Rechtfertigung fand. - -Die Aufständigen waren nämlich auf dem Wege nach Osten gewesen, hätten -noch an demselben Tage die Landschaft Kooni erreicht und von dort -weiter die gut bevölkerten und reichen Landschaften nach der Küste -hin mit in den Aufstand gerissen und verwüstet, wenn ich ihnen nicht -begegnet wäre. - -Auch hatten sie, wie später sicher festgestellt wurde, schon -Beziehungen zu Häuptlingen im Usaramobezirk (Daressalam; nördlich vom -Rufiyi), die sich nach der Niederlage am 21. August den Fall noch -einmal überlegten und ruhig blieben. - -Nun kam es darauf an, festzuhalten, was durch den schnellen Vormarsch -und die entscheidenden Gefechte erreicht worden war. Von der Mündung -des Stromes bis nach der Landschaft Kibambawe hin war das Nordufer in -einer Linie von etwa 180 _km_ Länge gesichert durch friedliche -Neger, die durch unser Vorgehen das Vertrauen auf den Schutz der -Regierung behalten hatten. - -Auf dem Nordufer war daher eine dauernde Botenverbindung mit Mohorro -möglich. Das Südufer mußte allerdings allmählich unterworfen werden und -das konnte nur geschehen unter Aufsicht eines Militärpostens am Rufiyi. - -[Sidenote: Die Aufständigen vollständig zersprengt.] - -Die Aufständigen, die ich am 21. früh bei Kipo traf, waren aus den -Kitschi- und Matumbibergen südlich vom Rufiyi vor den Operationen des -Majors Johannes ausgewichen. - -Daß ich sie an einem für ein Gefecht mir so außerordentlich günstigen -Platze traf, ist reiner Zufall gewesen. Ich habe das Nordufer später -noch genauer kennen gelernt; auf dem ganzen Wege von der Stelle, an -der die Aufständigen über den Fluß gesetzt waren, bis nach meinem -Ausgangspunkt Kooni hin ist nicht ein Platz, der annähernd den -erreichten Erfolg ermöglicht hätte; an jeder anderen Stelle wäre uns -höchstens die Spitze des Gegners schußrecht gekommen; die Neger hätten -sich in das Gras geworfen und es wäre nicht ohne schwere Verluste auf -unserer Seite abgegangen. - -Bei Kipo aber öffnete sich das Terrain; links floß der Strom, rechts -lag ein großer See und die Höhe, die wir beim zweiten Vorlaufen -erreichten, beherrschte den schmalen Paß, auf dem der Gegner fliehen -mußte. Die völlige Überraschung der Aufständigen kam hinzu, um den -Eindruck unseres Erscheinens zu erhöhen. - -Sie mögen anfangs gedacht haben, daß ihnen ein so kleines Häuflein -Soldaten nichts anhaben könnte und daß wir uns durch ihre große Zahl -einschüchtern lassen würden; als aber an ihrer Spitze gleich vierzehn -der unverwundbaren Krieger hinsanken, verloren sie den Kopf. - -Hätte es nicht auch anders kommen können? Ich weiß es nicht; aber es -ist mir in Erinnerung, daß ich mich im ersten Augenblick, als ich die -endlose Reihe der schwarzen Krieger sah, fragte: „Wird diese Masse ins -Wanken kommen, oder werden sie sich entschlossen auf uns stürzen?“ - -Und wahrscheinlich hätte zaudern uns an diesem Tage einen Mißerfolg -gebracht. - -Die Wirkung der Stahlmantelgeschosse aus den 98er Gewehren war viel -kleiner als die der Bleigeschosse aus den 71er Gewehren der Askari. Ich -habe selbst beobachtet, daß der erste Schwarze, den ich genau aufs Korn -nahm, erst beim dritten Schusse fiel; und ich hatte offenbar jedesmal -getroffen, denn der Leichnam wies nachher drei verschiedene Schüsse auf! - -Da man den Angeschossenen doch nur in sehr seltenen Fällen helfen kann, -stände nichts im Wege, angefeilte oder Bleispitzengeschosse gegen -Aufständige zu verwenden. Die Qualen des Verwundeten werden abgekürzt -und vor allen Dingen wird der Gegner schneller kampfunfähig gemacht. - -Ist doch die Wirkung der Bleigeschosse ebensogroß wie die der -angefeilten Geschosse und weshalb soll man sich dieser Wirkung begeben, -die man bei den Askarigewehren als vorteilhaft anerkennt? Wenn man -Neger schonen will, soll man überhaupt nicht schießen. - -Etwas ganz anderes ist es, wenn ärztliche Hilfe, Verbandzeug und -Krankenpflege vorhanden sind, was bei Eingeborenenaufständen in Afrika -nie so ausreichend der Fall sein wird, daß man die Hilfe auch den -verwundeten Gegnern zuteil werden lassen kann. Man hat nämlich die Wahl -zwischen großen Erfolgen mit geringen Mitteln oder geringen Erfolgen -mit einer großen Ausrüstung (die an jeder schnellen Aktion hindert). -Das hat sich oft in dem ostafrikanischen Aufstand gezeigt. Und deshalb -kann man auch an Verbandzeug usw. nur das Allernotwendigste mitnehmen. -(Trotz diesen Erwägungen habe ich nur Vollmantelgeschosse verwendet, -schon um Ladehemmungen, die durch angefeilte Geschosse entstehen -können, auszuschließen.) - -Das Mittagessen wurde im Dorfe gekocht; nach kurzer Rast marschierten -wir weiter in der Richtung, die der fliehende Feind genommen hatte. Ein -schmaler, aber guter Weg führte auf der Höhe des Rückens entlang, der -hier steil zum Fluß abfiel. - -Ziemlich gleichmäßiger Buschwald stand zu beiden Seiten. - -Mehrmals ging ich vom Wege ab, an den Abhang hinan und genoß den -schönen Blick von oben auf den breiten Fluß, die großen Inseln im Strom -und die fernen Wälder. - -Gegen abend gingen wir zum Fluß hinab und erwarteten auf einer weit -vorgeschobenen Sandbank die Boote, die der Akide in einem Versteck -wußte. Gerade an der Stelle, die wir uns zur Überfahrt ausgesucht -hatten, schwammen zwei ungeheure Nilpferde im Wasser herum und die -Boote konnten nur durch geschickte Manöver ausweichen. Die Schwarzen -sahen immer ängstlich nach den Tieren und ruderten aus Leibeskräften, -sobald das Boot in tiefes Wasser kam. - -Ganz unheimlich aber wurde es erst nach Anbruch der Dunkelheit, als wir -nur aus dem Schnaufen und dem unwilligen Brüllen merken konnten, wo -sich die Kibokos befanden; wir atmeten erleichtert auf, als sämtliche -Menschen, Reittiere und Lasten das Südufer erreicht hatten. - -Der Proviant für die Europäer war fast zu Ende; drei Tage konnten wir -uns allenfalls noch durchschlagen. So war ich denn im Zweifel, ob -ich noch einen Zug in die Landschaft Mtanza unternehmen sollte, der -mindestens zwei Tage Zeit forderte. - -Ein farbiger Händler kam und berichtete am nächsten Morgen über die -Lage in Mtanza. - -Er schilderte, in welcher Verfassung die Aufständigen zurückgekommen -seien: Hals über Kopf seien sie in die Boote gestürzt, viele Verwundete -seien auf Bettstellen getragen worden; sie hätten die Nase voll. -Als ich noch überlegte was zu tun sei, kam ein Bote und brachte -einen Befehl von Hauptmann Merker aus Mohorro, ich sollte mit meiner -Expedition nach dort zurückkehren. - -Am nächsten Morgen trat ich gerade rechtzeitig aus dem Zelt um zu -sehen, wie ein großes Flußpferd aus dem Schilf kam und über die -Sandbank hin langsam ins Wasser ging. -- - -Der Rückmarsch wurde begonnen und gegen Mittag dem gestrigen -Gefechtsfeld gegenüber gelagert. - -[Sidenote: Geier auf dem Schlachtfeld.] - -Mit vieler Mühe beschaffte mir der Akide ein Boot und ich fuhr hinüber. -Zahlreiche Geier und Marabus kreisten in der Luft über den Leichen und -saßen auf den Sandbänken. Ein großer Teil der Toten aber war schon in -der Nacht fortgetragen und wahrscheinlich begraben worden. - -Die Leichen sahen entsetzlich aus; die schwarze Pigmentschicht der Haut -war geschwunden und durch ein unansehnliches Rot ersetzt. Hyänen und -Aasvögel hatten bereits ihre Schuldigkeit getan; die nahe dem Wasser -liegenden Kadaver waren den Krokodilen zugefallen. - -Die Natur sorgt in der Wildnis aufs beste für Reinlichkeit und Ordnung. --- Das Vorkommen von Hyänen und Geiern ist deshalb sehr gewünscht, -und in den Bergen, wo sie fehlen, verpesten die Toten monatelang die -Umgegend. -- - -[Sidenote: Ein Gefangener.] - -Durch ziemlich gleichmäßige, ebene Landschaft erreichten wir gegen -Abend ein scheinbar verlassenes Dorf inmitten alter Flußbetten, die -zum Teil noch Wasserlachen aufwiesen. Da wir den ganzen Tag über keine -Aufständigen gesehen hatten, ließ ich mich, ganz entgegen meiner -bisherigen Vorsicht verleiten, auf ein großes Krokodil zu schießen, -das uns gewissermaßen den Zugang zum Wasser sperrte. Gleich darauf -sagte ein Askari: „Eben ist ein Schenzi da hinten von einem Dach -heruntergesprungen.“ -- Infolge meines Schusses natürlich: ich war -wütend auf mich selbst! Patrouillen wurden ausgeschickt und schließlich -ein Gefangener eingebracht. - - Die Neger plündern ein brennendes Dorf nach einem Gefecht. - - Tief im unwirtlichen, wasserarmen Walde versteckt, hatten die - aufständigen Wapogoro, die sich nicht unterwerfen wollten, neue - Dörfer angelegt. Ich zog mit anderen Eingeborenen, die zu mir - hielten, dorthin, vertrieb die Aufständigen und ließ die Hütten - plündern und in Brand setzen. Man sieht die Neger mit Beute beladen - aus dem Dorfe herauskommen; der Rauch zieht durch den Wald. - -[Illustration: Die Neger plündern ein brennendes Dorf nach einem -Gefecht.] - -Die Askari meldeten eifrig, es sei alles fertig, um den Schenzi ins -Jenseits zu befördern und waren nicht sehr erfreut, als ich dazu keinen -Befehl gab; aber jetzt, wo unsere eigene Lage sicher schien, kam eine -Exekution nicht mehr in Frage. - -Es widersprach mir aufs äußerste, diesem wehrlosen ein Leid zu tun, -wenn auch die Askari auf die Abzeichen hinwiesen, die der Gefangene -trug; das blaue Hüfttuch, die Patronentaschen und die schneeweißen -Klötzchen aus Matamamark, die er mit einem Bastfädchen über die glatte, -dunkle Haut seines Oberarms gebunden hatte. - -Vielleicht hatte er sich aus Dummheit dem Aufstand angeschlossen; -vielleicht hatte die Uniform der Vaterlandsretter ihn gelockt oder ihm, -dem Hinterwäldler, die Kriegstrommel und das sichere Auftreten der -waffentragenden Männer ringsum Eindruck gemacht. - -Nein! Keinem dieser Helden kann man es übel nehmen, wenn sie sich auf -die Waffen besinnen, und der Instinkt sie irre führt in dem Glauben, -daß ihr gemeinsamer Kampf unbequeme Zustände heben könne. - -Also sei das unser Grundsatz: Schützen müssen wir uns, gleichgültig -ob durch Blutvergießen oder wie -- wenn wir Herren bleiben wollen, -wo wir doch nur das Recht des Stärkeren haben und das Vorrecht des -Kulturmenschen, der mehr braucht, als das Naturkind (nicht immer auch -geben kann und darf) aber Blutvergießen und Rachekrieg nur soweit es -die eigene Sicherheit fordert. - -Wer wird sein Pferd, das für ihn Arbeit tut, erschießen, weil es -schlägt? War nicht vielleicht der Strang zu kurz; und die Peitsche -sollte helfen? - -Wir waren nur wenige Stunden von Mayenge entfernt. (Dem großen -zerstörten Ort, bei dem ich drei Tage vorher gelagert hatte.) Da ich am -nächsten Morgen einen Angriff auf das Dorf unternehmen wollte, in dem, -wie ich glaubte, sich inzwischen wieder Aufständige hingezogen haben -würden, blieb ich auf der Halbinsel zwischen den Wasserläufen, um den -Soldaten Zeit zur Mittagsrast zu geben. - -Dem Tierfreund kann ich diesen Platz empfehlen; hier ist wirklich gute -Gelegenheit, Krokodile zu beobachten. Wo man an einen Tümpel oder -Wasserlauf kam, bewegte es sich, und die langen, trägen Echsen ließen -sich in die trübe Flut gleiten. Wo sie still, zwischen Pflanzen halb im -Morast versunken lagen, waren sie kaum zu sehen; denn ihre Farbe ist an -Land und im Wasser gleich gut, um sie mit der Umgebung verschwimmen zu -lassen. Die Augen sogar haben dieselbe gelbgrüne Farbe wie der Panzer -und es ist unheimlich aus der Nähe die Bewegung der Augen in der trägen -Masse plötzlich wahrzunehmen. - -In den Hütten vergraben wurde viel Reis gefunden, in Boote geschüttet -und den treu gebliebenen Negern des Nordufers geschenkt. Zur -Beaufsichtigung der Boote blieben mehrere Askari zurück, während der -Akide die Expedition nach einer Ansiedelung führte, die in Feldern und -Schilf versteckt an fließendem Wasser lag und sich als Lagerplatz für -die Nacht eignete; hier wurden die Zelte aufgeschlagen und im Dunkel -der Hütten das Abendbrot gekocht. - -Der Betschausch mit sechs Askari war auf Patrouille ausgesandt und -kam nicht wieder; die in dem Dorf zurückgelassene Abteilung sandte -Meldung, ein Askari sei von einem explodierten Pulverfaß schwer -verletzt worden; ein Matrose litt stark unter Fieber und mußte alle -Energie zusammennehmen, um in der Marschordnung zu bleiben: durch diese -Zwischenfälle wurden die Aussichten für den kommenden Morgen etwas -beeinträchtigt, und ich mußte den Plan aufgeben, um zwei Uhr früh -aufzubrechen. - -Das schadete auch nichts, wie sich herausstellte; denn als wir uns -nach mehrstündigem Marsche durch ebenes Schwemmland um acht Uhr am -Morgen Mayenge näherten, begegnete uns schon der Betschausch mit seiner -Patrouille und meldete, daß keine Aufständigen in weitem Umkreise zu -spüren seien; (er hatte am Abend vorher unser verstecktes Lager nicht -finden können und war, da ihm mein Plan, bei Tagesanbruch vor Mayenge -zu stehen, bekannt war, von selbst dorthin gegangen). - -Ich lagerte an der alten Stelle und ich erwartete die angekündigte -Ankunft des Leutnant Spiegel, um dann den Rückmarsch nach Mohorro -anzutreten. Als Spiegel eintraf, erzählte er, daß Hauptmann Merker mit -ihm nach Mohorro geeilt sei, weil Gerüchte kamen, ich sei am Rufiyi von -Aufständigen eingeschlossen. - -Leutnant Spiegel begann mit dem Bau einer Boma, während ich zum -Rückmarsch rüstete. Trotzdem der Bezirksamtmann, der persönlich böse -Erfahrungen mit den Nilpferden gemacht hatte, mir in seinen Briefen -mehrmals abriet, in Booten auf dem Strom zu fahren, entschloß ich mich, -die Europäer wenigstens alle in den Booten zu befördern, umsomehr, als -den Kranken der Marsch doch zu beschwerlich geworden wäre. - -Den ersten Teil des Weges legte ich selbst jedoch zusammen mit den -Askari auf dem Südufer zurück, weil ich feststellen wollte, wie die -Ortschaften aussahen, die wir niedergebrannt hatten und ob die Neger -daran dachten, zurückzukehren, sich zu unterwerfen und die Häuser -wieder aufzubauen. - -Der Marsch über Land bot nicht viel Neues; überall waren Anzeichen, -daß die Aufständigen die Umgegend noch nicht verlassen hatten und in -die Felder kamen, um die Reste der Feldfrüchte wegzuholen. Die Leichen -waren verschwunden und nichts verriet mehr, daß hier blutige Gefechte -stattgefunden hatten. - -Am verabredeten Ort traf ich mit Stabsarzt Engeland und den Matrosen -zusammen, die den Weg in Booten zurückgelegt hatten. - -Am folgenden Morgen fuhren wir alle in großen, geräumigen Einbäumen -stromab und hatten eine an Abwechselung reiche Fahrt; Flußpferdherden -wurden passiert, Kuhreiher in Flügen von zwanzig flogen vom Ufer auf, -an dem das Boot lautlos entlangglitt; kleine Königsfischer schwirrten -tief über das Wasser hin. - -Am Ufer lagen Krokodile, auf die wir in tödlichem Haß schossen, wenn es -irgend Erfolg versprach; über die Resultate wurde Buch geführt. - -So ging die Zeit schnell hin; die Matrosen sangen hinter uns in den -Booten. - -Um sieben Uhr früh waren wir aufgebrochen und erreichten um acht Uhr am -Abend bereits Mohorro; auf dem Landwege hätten wir zu dieser Entfernung -mindestens zwei Tage gebraucht. - -Das Bezirksamtsgebäude in Mohorro hatte Hauptmann Merker unterdessen -mit einem Drahtzaun umgeben lassen. Darin wurde nachts auch die -Viehherde der Kommune untergebracht. - -Leutnant zur See Schröder war nach Kilwa kommandiert. - -[Sidenote: Hinrichtung.] - -Eine unangenehme Aufgabe harrte meiner: Ich sollte mit Hauptmann -Merker ein Kriegsgericht bilden, um vier Anführer der Aufständigen -abzuurteilen. Hier, wo man den Gefangenen nicht mehr ansehen konnte, -was sie verbrochen hatten, wurde mir das recht schwer. - -Es schien ein großer Unterschied zu sein, zwischen diesen elenden -gefesselten, die von den Askari aus dem Untersuchungsgefängnis -gebracht wurden, und den trotzigen Kriegern bei Utete, die auf uns -geschossen hatten. - -Notwehr und Krieg das eine; Justiz das andere. Nach langen Vernehmungen -wurden sie zum Tode durch den Strang verurteilt. Wie es meist bei -derartigen Gerichtssitzungen der Fall ist, leugneten die Angeklagten -alles und wußten von nichts; die Zeugen aber sprachen die schlimmsten -Beschuldigungen aus. Beiden darf man nicht glauben, und ist nur wenn -die Angeklagten bei der Tat ertappt wurden sicher, gerecht zu urteilen. - -Als das Urteil bekanntgegeben wurde, blieben die Verurteilten ganz -ruhig. Einer aber sagte mit größter Gelassenheit plötzlich: „Laß meinen -Nachbar etwas von mir abrücken; er stinkt.“ - -Der lange vorbereiteten Hinrichtung zusehen zu müssen, war mir anfangs -peinlich; um so mehr war ich erstaunt, wie ruhig sich alles vollzog. -Ein Haufe von Menschen stand herum. Das Urteil wurde auf Kisuaheli -vorgelesen. Die Verurteilten sahen gelassen zu, wie einer nach dem -anderen den Wagen mit der Kiste bestieg und den Kopf in die Schlinge -steckte. Der Wagen wurde dann weggezogen, und der Körper hing mit dem -Kopf in der Schlinge. (Die Ärzte sagen, daß in demselben Augenblick -schon die Besinnung schwinde.) - -Ein Askariposten blieb auf dem Richtplatz, während das Volk auseinander -ging. Weiber und Kinder hatten mit gleicher Neugierde dem Schauspiel -zugesehen. Bei vielen war ein gewisses Vergnügen an der Szene -unverkennbar; wie bei uns im Mittelalter. - -Etwas aufregender soll die Hinrichtung der Hauptzauberer gewesen sein, -die schon vor meiner Ankunft stattgefunden hatte. Der eine hatte -gesagt: „Ihr könnt mich dreist aufhängen, ich bleibe doch leben und -komme wieder“, und hatte eine Rede an das versammelte Volk gehalten. -Als er dann gehenkt wurde, rutschte der Kopf aus der Schlinge; der -Verurteilte stieg aber sofort wieder auf den Wagen, um sich den Strick -von neuem umlegen zu lassen. - -An dem Tage war zu fürchten, daß das Volk die Zauberer befreite. - - - [9] Spr. _kǒṓni_. - - [10] Sprich: _Umbarási_. - - - - -[Illustration: Aufständige aus den Kitschibergen unterwerfen sich.] - - -Im Aufstandsgebiet. - - -Ich blieb nur einige Tage in Mohorro; als Hauptmann Merker wieder in -die Matumbiberge gehen wollte, rüstete ich mich aus, um ihn zum Rufiyi -zu begleiten und den Militärposten in Mayenge zu übernehmen. - -Dem Bezirksamtmann Keudel lag sehr viel daran, daß ich am Rufiyi bliebe -und den errungenen Erfolg ausnützte; er gab mir aus den Beständen -des Bezirksamts mit, was ich irgend nötig hatte, um selbständige -Kriegsexpeditionen auszuführen: Zelte, Feldbetten, Kochgeschirr und die -Reittiere der Kommunalverwaltung. - -Da Leutnant zur See Schroeder inzwischen abgerufen war, um einen -anderen Posten zu übernehmen, erbot sich Keudel sogar, für das -Matrosendetachement zu sorgen, während ich weg sei. - -Auf meine Matrosen konnte ich mich verlassen; ich merkte, daß ich -nur gute Leute mitbekommen hatte, die stolz waren, wenn man sie -unbeaufsichtigt ließ, und wenn sie das Vertrauen, das ich in sie -setzte, verdienten. Dadurch war ich in der Lage, hinzugehen, wo ich -nötig zu sein glaubte. - -Während der Bezirksamtmann -- später war es Herr Graß -- mich in -Mohorro vertrat, half ich ihm fortan in seinen Geschäften im Bezirk. - -„Krieg“ und Frieden scharf zu trennen wäre auch falsch gewesen; dieser -„Krieg“ war nur eine verschärfte Strafausübung und sollte möglichst -schnell zum wirklichen Frieden führen. - -Ich nahm auf die neue Expedition von dem Bussarddetachement nur einen -Unteroffizier und drei Matrosen mit; außer diesen hatte ich nur Askari. - -Am ersten Tage unseres Marsches überraschte uns nahe bei Mohorro ein -seltener Anblick: fünf Elefanten standen zwischen hohen Bäumen und -schienen zu ruhen. - -Die Karawane hielt auf dem Wege; ich ging näher, ohne recht zu wissen, -ob ich mich auch zum Schuß entschließen sollte; denn eigentlich war -ich auf so hohe Begegnung nicht gefaßt gewesen und traute mir kaum -Erfolg zu, nach all dem, was ich aus dem Munde erfahrener Jäger -über die Schwierigkeiten eines erfolgreichen Schusses auf Elefanten -vernommen hatte. Mir war nur in Erinnerung, man solle von vorn auf den -Rüsselansatz und nicht aus zu geringer Entfernung schießen; sonst gehe -der Schuß zu steil hoch und verfehle das Gehirn. Mit diesen ziemlich -unklaren Vorstellungen ging ich an die Elefanten hinan und fragte mich -beim Anblick der Riesenschädel und der großen, glatten, erdfarbenen -Flächen vergeblich, wo eigentlich der Rüsselansatz zu suchen sei? - -[Sidenote: Der erste Schuß auf Elefanten.] - -Allein, die ganze Expedition wartete auf dem Wege und lange aufhalten -durfte ich sie nicht. Die Reittiere schrien laut; so zögerte ich nicht -mehr lange, blieb auf etwa hundert Schritte stehen, nahm einen großen -Elefanten, der mir die Stirn und beide gewaltigen Zähne zukehrte, -aufs Korn und schoß dahin, wo ich mir den Rüsselansatz dachte. Sofort -kam Bewegung in die plumpen Tierleiber; in wenigen Sekunden waren sie -zwischen Stämmen und Laub in einer großen Staubwolke verschwunden. - -Ein Mißerfolg! Zu entschuldigen durch die ungewöhnlichen Umstände, -unter denen ich zum ersten Male auf das größte Wild der Erde zu Schuß -kam. - -Selbstverständlich ließ ich an die Bäume am Wege Zeichen einhauen -und benachrichtigte den Bezirksamtmann, der, leider ohne Erfolg, -eingeborene Jäger auf die Fährte des angeschossenen Tieres schickte. - -Da wieder Nachrichten kamen, das Nordufer sei gefährdet, gingen wir -am nächsten Tage auf einem kleinen Waldwege zum Rufiyi und setzten -nach dem Orte Ndundu über. Ich ging etwas vorweg, um ein Stück Wild -zur Verpflegung zu schießen; sah aber nur ein Warzenschwein, das ich -fehlte und einige Riedböcke, die schnell im hohen Grase verschwanden, -bevor ich schießen konnte. Nahe beim Strom kamen wir durch ausgedehnte, -abgeerntete Reisfelder der Warufiyi. - -Am folgenden Tage ereignete sich ein kleiner Zwischenfall: ein Boot -mit Eingeborenen kenterte, als die Expedition über den Fluß setzte. -Sergeant Kühn und Matrose Homfeld sprangen sofort nach und wurden von -den ungeschickten Negern unter Wasser gezogen. Ich kam etwas später, -aber doch noch rechtzeitig, um dem Sergeanten zum Ufer zu helfen. - -Es machte auf die Neger einen guten Eindruck, daß sie sahen, wie wir -für das Leben derer, die bei uns Dienst taten, uns selbst in Gefahr -begaben. - -Die Gerüchte über Unruhen im Ndundugebiet waren unbegründet; trotzdem -war es vielleicht gut, daß wir auf dem Nordufer marschierten, und auch -die Eingeborenen dort einmal Soldaten zu sehen bekamen. - -Am dritten Tage trafen wir in Mayenge ein, wo Leutnant Spiegel -inzwischen mit Hilfe der treugebliebenen Neger der Umgegend aus starken -Pfählen eine Umzäunung errichtet hatte, die fortan als Boma diente und -mit Wohnräumen, Küche und Ställen ausgebaut wurde. - -Aus Kooni kam Nachricht, daß Hauptmann Fonck von Daressalam eintreffe, -vor dem hatten die Eingeborenen, wie ich später merkte, großen Respekt; -sein Auftreten im Usaramobezirk, gleich zu Beginn des Aufstandes, rief -allgemeine Furcht hervor, so daß es hier nur noch zu lokalen Unruhen -kam, die Regierungsrat Boeder mit der Polizeitruppe beendete. - -Mit Hauptmann Fonck war Stabsarzt Stierling, den ich als einen guten -Jäger schon früher kannte. Er schrieb mir einen Brief und bat um -Proviant, sie wären so schnell von Daressalam aufgebrochen, daß sie -sich nicht mehr hätten ausrüsten können und müßten von Huhn und Mohogo -leben. - -Ich hatte selbst fast nichts; war aber doch in der glücklichen Lage, -mit Kleinigkeiten andern eine Freude machen zu können. - -Nach langen Beratungen über die Anzahl der Askari, die ich -zurückbehalten sollte, ging Hauptmann Merker mit seiner Truppe nach -Süden in die Kitschi- und Matumbiberge und ich blieb allein mit zwei -Unteroffizieren, einem Sanitätsunteroffizier, drei Matrosen und -fünfzehn, zum größten Teil kranken Askari in der Boma; es war eine -recht kleine Truppe! - -[Sidenote: Die Kriegssteuer.] - -So waren mir die Flügel beschnitten und wenn mir nicht neue Askari -gesandt wurden, konnte ich meinen Forderungen den Negern gegenüber -nicht mit Waffengewalt Nachdruck geben. Aber vorläufig wirkten die -Gefechte der letzten Wochen nach; die Neger kamen, gaben Gewehre -ab und zahlten die geforderten Strafgelder. Als Bedingung für die -Unterwerfung hatte der Gouverneur festgesetzt: Die Aufständigen sollten -ihre Waffen abliefern, und jeder erwachsene Mann drei Rupien[11] -Kriegssteuer zahlen. Dies ließ ich durch die beiden Akiden an die -Jumben bekannt geben, soweit diese Dorfschulzen nicht auch im Busch bei -den Aufständigen weilten. - -In Scharen, oft zu hunderten, kamen die Neger an, und wir hatten -alle Hände voll zu tun, das Kupfergeld zu zählen, die Namen der -Unterworfenen in eine Liste einzutragen und jedem seinen numerierten -Quittungszettel auszustellen; eine sonderbare Tätigkeit. - -Anfangs waren die Namen nicht zu verstehen, bis man sich an den Klang -gewöhnt und sich ihre Schreibung erdacht hatte. Dazu war ein dauerndes -Hin- und Herfragen nötig, wobei der Akide oft erklärend dazwischen -kommen mußte, während einige Askari das Publikum mit dem Geschick von -Straßenpolizisten sortierten. - -Um den Transport zur Küste zu sparen, ließ ich die Gewehre an Ort und -Stelle zerschlagen und in den Strom werfen, wo sie von Fafner, dem -großen Krokodil, wohl noch heute bewacht werden, damit sie nicht neuem -Frevel dienen. - -Bald kam die Nachricht, zwanzig Askari seien für mich von Daressalam -nach Mohorro in Marsch gesetzt; bis zu ihrer Ankunft müsse ich mich -gedulden und, meinem Befehle gemäß, in Mayenge stehen bleiben. Die -wenigen Wochen dort erschienen mir wie eine Ewigkeit; als einzige -Abwechselung hatte ich die Jagd, die ich schon aus Rücksicht auf -Verpflegung meines Kriegslagers eifrig ausüben mußte. - -[Illustration: Die Boma bei Mayenge. - -Auf dem geebneten Platze exerzieren die Askari.] - -Zu besonderer Freude erhielt ich ein Telegramm, das mit dem Namen des -Gouverneurs unterzeichnet war: „Spreche Ihnen und Ihren Mannschaften -meine Anerkennung und Dank aus.“ - -Die Boma bewährte sich an ihrem Platze sehr gut; sie lehnte sich -auf einer Seite an den Nebenarm des Flusses an, an dem eine Menge -Boote bereit lagen zum Übersetzen und um jederzeit nach der Küste -zurückkehren zu können. - -Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses wohnten die friedlichen -Eingeborenen, die uns mit Eiern und Mehl versahen und Träger und Boten -stellten, wenn es gefordert wurde -- natürlich alles dies, wie in -Friedenszeiten, gegen Bezahlung. -- - -Arbeit gab es täglich. Ähnlich mag die Gründung einer Station vor -sich gehen; ich konnte mir vorstellen, welche Freude es macht, einen -Ort zu entwickeln, Anlagen und Wege zu schaffen und das Vertrauen der -Bevölkerung zu gewinnen. - -Ein hoher Zaun aus eingerammten Bäumen umgab im Halbkreis den Platz, -auf dem die Zelte der Europäer, die Hütten der Askari, die Küchen, der -Eselstall und das Hühnerhäuschen verteilt waren. Am Tor befand sich die -Wache; dort saßen die Gefangenen, die Tags unter Aufsicht arbeiteten. - -[Sidenote: Meine Askari.] - -Vor der Umzäunung wurde ein großer Platz planiert und von Gras -gesäubert, um Übersicht zu bekommen. Täglich sah man Sergeant Kühn hier -mit den Askari exerzieren und in kurzer Zeit wurde aus zum Teil ganz -neu eingestellten Negern eine brauchbare Truppe. Man konnte beobachten, -wie das Beispiel einiger alter Sudanesen -- der beste Soldatentypus -unter den Negern -- bei meinen Leuten Nachahmung fand. - -Die Uniform und die Waffen machten aus den unscheinbaren Buschnegern in -wenigen Wochen brauchbare Soldaten. Jeder füllte seinen Platz in der -Linie aus, wenn es zum Gefecht kam, und oft hatte ich das Gefühl, daß -von dem Geist, der in den wenigen geschulten Soldaten meiner Truppe -steckte, ohne weiteres dabei etwas in diese Mitkämpfer überging. Das -Zutrauen, das in sie gesetzt wurde, machte sie stolz und hob ihre -Leistungen. Sie schossen schlecht; aber darauf kam es auch weniger an; -wir Europäer und einige der älteren Askari trafen genug. Die übrigen -verlängerten die Schützenlinie, stärkten durch Knallen den moralischen -Eindruck und griffen herzhaft zu, wenn es galt, Gefangene zu machen. - -Eines Morgens stand ich um vier Uhr auf, um auf dem Nordufer zu jagen. - -Früh aufstehen mochte der eine Boy gar nicht; er reichte mir beim -Anziehen alle Sachen verkehrt und schlief oft zu meinem Vergnügen -während der Arbeit wieder ein. So nießte er mich auch heute plötzlich -im Dunkeln an, bekam eine Backpfeife und entschuldigte sich wieder -damit, er sei eingeschlafen. - -[Illustration: Wasserbock vom Rufiyi.] - -Ich fuhr zwischen dunklen Ufern stromab. Der Vollmond stand noch am -Himmel; sein Licht glänzte auf den Blättern der hohen Borassuspalmen -und erzeugte einen grellen Lichtstreifen auf der Rundung des Bootes. -Bald kamen wir in den breiten Hauptstrom und durchquerten ihn. - -Der Nebel war so dicht, daß die Ufer nicht zu sehen waren. So kam es -auch, daß ich auf dem Nordufer ganz die Richtung verlor und nicht -wußte, wohin ich geführt wurde; und das hatte einen besonderen Reiz. - -Wir gingen zwischen hohen Bananenstauden und durch ein schlafendes -Dorf. Ein Haus sah wie das andere aus; der Führer ging auf eine Tür -zu, auf die der Schatten des vorspringenden Daches fiel und klopfte: -„Hodi“! (anklopfen). - -Stimme von innen: „nani“ (wer)? - -Der Führer: „mi, Abdallah“ (ich). - -Dann wurde ein Stück Holz zur Seite gedrückt und die Tür geöffnet; ein -Mann kam heraus und reihte sich in die Marschkolonne ein. Er ging vor -mir, wickelte sich das Lendentuch fester und drückte die Oberarme dicht -an den Leib, weil es kalt war. - -Das starke Schilfgras an beiden Seiten des Weges war zum Teil -niedergebrannt. - -Neben uns im Flusse brüllten die Nilpferde, die schon von der Äsung in -ihr schützendes Element zurückgekehrt waren. - -Nach halbstündigem Marsche sagte der Führer: „Wir sind dicht bei der -Stelle, an der das Wild äst.“ - -Der Nebel war noch so dicht, daß man, auch als es allmählich hell -wurde, nicht fünfzig Schritt weit sehen konnte. - -Gegen sechs Uhr ging ich langsam in das taufrische Gras hinein, das -zwischen daniederliegenden, trockenen Rohrstengeln als begehrte Weide -für das Wild emporsproß. - -Der Nebel wurde dünner und man konnte auf weitere Entfernungen sehen. -Da zeichnete sich in dem Dunst, wie vor einem weißen Tuch, die Gestalt -einer Antilope ab: ein Wasserbock ohne Hörner. Das Tier wurde flüchtig; -ihm folgten noch andere, die im Nebel nicht zu erkennen waren. - -Das Gehen in den niedergebrannten, durcheinander liegenden Rohrstengeln -wurde sehr beschwerlich, und war den nackten Füßen der Schwarzen eine -Qual. - -[Sidenote: Jagd auf Wasserböcke.] - -Kurze zeitlang war der Nebel vom Sonnenlicht durchtränkt, dann wurde -es plötzlich klar; vierhundert Schritt vor mir stand ein ganzes Rudel -Wasserböcke (von den Negern „Grungalla“ genannt). Sie ästen auf einer -weiten Grasfläche mit Termitenhügeln und einzelnen Baumgruppen. - -Fünf stolze Böcke mit hohen, sanft gekrümmten Hörnern waren dabei. -Sie hatten uns bemerkt, kamen, als wir uns beobachtend hinter einen -Termitenhügel versteckten, schrittweis näher und suchten einen Platz -zum Ausgucken. Deutlich zeichnete sich zwischen den Lusern das -ebenmäßig gebogene Gehörn in der klaren Morgenluft ab. - -Das Rudel zog nach links; ich kroch bis zu einem näher liegenden -Erdhügel vor und schoß auf etwa zweihundert Meter. - -[Illustration: Neger vom Rufiyi haben ihre Waffen abgegeben und -Kriegssteuer gezahlt. Der Askari im Vordergrunde grüßt „durch -Stillstehen mit der Front nach dem Vorgesetzten“. Der Vorgesetzte bin -ich; ich stehe nämlich im Boot und photographiere im Vorbeifahren. --- Rechts ist ein Zaun zum Schutz gegen die Krokodile in das Wasser -hineingebaut. An Vorsicht gewöhnt, stehen alle Neger zwei Meter vom -Wasser entfernt.] - -Das ganze Rudel wurde flüchtig, der getroffene Bock aber brach in der -Flucht zusammen. - -Ich setzte die Jagd fort, bis ich drei stattliche Böcke zur Strecke -hatte, ließ sie aufbrechen und folgte den übrigen Tieren noch einmal, -um zu beobachten. - -Sie waren in hohem Gras zwischen Mangobäumen stehen geblieben. Einige -hatten sich niedergetan; ein Schmaltier äste; das Leittier sah nach -mir her und erkletterte einen hohen Erdhügel, auf dem es dann wie ein -Erzbild stand. - -Während ich mit dem Doppelglas die Ebene weithin absuchte, sah ich -zu nicht geringem Schrecken plötzlich eine lange Reihe Eingeborener -mit Gewehren, Mann hinter Mann durch das Schilf ziehen. Der Ombascha -beruhigte mich sogleich: Die Leute trugen weiße Hemden und nicht die -blauen Lendentücher der Aufständigen, sie hatten also keine bösen -Absichten und wollten nur ihre Flinten zur Boma bringen. - -An der Übersetzstelle holte ich sie ein. Sie kamen unter Führung -eines pflichteifrigen Jumben, der mir versicherte, daß nun in seinem -Machtbereich keiner mehr ein Gewehr habe. - -Außer Wasserböcken gab es in der Nähe der Boma: Gnus, Riedböcke, -Buschböcke, Hartebeeste, Zwergantilopen und Warzenschweine. - -Riedböcke -- die dem Rehwild so ähnlich sind -- waren besonders häufig. -Reizvoll waren Pürschgänge auf dem Südufer in der Richtung auf die -Berge, in dem sich die Feinde aufhielten. Nur wurden die Gänge dadurch -erschwert, daß man jedesmal eine kleine Streitmacht im Gefolge haben -mußte und sich von dieser nur in sehr offenem Terrain etwas absondern -durfte. - -[Sidenote: Jagd auf Buschböcke.] - -Da war ein beliebter Weg auf der Höhe eines Ausläufers der Berge mit -der Aussicht auf die Ebene, in der viele kleine, mit schwimmenden -Pflanzen ganz zugedeckte Teiche lagen. In diesen Teichen hielten sich -auch Flußpferde auf, und wenn sich die langen Rücken der Dickhäuter, -von Pflanzen wie mit einem Teppich bedeckt, durch das schlammige -Bassin schoben, saßen kleine, weiße Kuhreiher und braune Wasserhühner -obendrauf. Krokodile schien es hier nicht zu geben. Die Gebüsche rundum -zeigten ausgetretene Wechsel der Kiboko; ihnen folgend kam man an die -Stellen, wo die, überall nur vereinzelnd vorkommenden und deshalb bei -dem Jäger so beliebten Buschböcke gerne lagen. Diese schönen Antilopen -bevorzugen Gegenden mit ständigem Wasser. Zahlreich sind sie auch -in den Mangrovenwäldern im Mündungsdelta des Rufiyi, wo ich sie in -unmittelbarer Nähe menschlicher Wohnungen antraf. Sie entfernen sich, -ebenso wie die Riedböcke, nicht weit von ihrem Schlafplatze, wenn sie -auf Äsung ziehen. - -Wenn der Buschbock im Schilf steht, kann er den Kopf so still halten, -daß die gewundenen, spitzen Hörner zwischen den vielen hochragenden, -spitzen und glänzenden Blättern gar nicht auffallen. Doch ist dies -nicht so wunderbar; denn die Antilopenhörner sind oft überhaupt schwer -zu erkennen und es gibt Lichtverhältnisse, bei denen sogar die großen, -halbmeterlangen Hörner eines freistehenden Wasserbockes auf dreißig -Schritt Entfernung übersehen werden; mir ist es wenigstens einmal -passiert, daß ich das Gehörn erst bei genauerem Hinsehen entdeckte, -weil die glatten Flächen der Hörner zu stark im Licht standen. - -[Illustration: Ein Riedbock zur Strecke. - -Ich mußte in dieser Zeit stets eine Bedeckung von Askari mitnehmen, -wenn ich auf die Birsch ritt. -- In den Morgenstunden trug ich eine -Mütze; wenn die Sonne höher stieg, nahm ich meinen großen Filzhut und -der Boy setzte sich meine Mütze auf. (Er hatte seine ‚kofia‘ darunter!)] - -Eines Morgens sah ich auf dem genannten Wege zwei Stücke Wild hinter -einem Hügel verschwinden und sprach das eine als einen Bock an. Da -beide hintereinander standen, mußte ich nach dem Kopf schießen, um -nicht die Ricke mit zu verletzen. Der Bock stürzte auf den Schuß, kam -wieder hoch und verschwand im Schilf; auf dem Anschuß aber lag ein -Stück der eigentümlichen Hautzapfen, wie sie die Wiederkäuer im Geäse -haben. - -Ich hatte den Bock also in den Unterkiefer geschossen und die -Weidmannspflicht gebot, alles zu tun, um ihn vor grausamem Hungertode -zu bewahren. Schnell wurden Ausguckposten auf Bäume und Hügel geschickt -und ein Treiben veranstaltet, da die Fährte in dem harten Boden -zwischen gebrannten und trockenen Rohrstengeln nicht zu finden war. Als -der Bock sich von beiden Seiten umstellt sah, blieb er stehen und wurde -von Treibern gesehen, die mich holten; so konnte ich ihm den Fangschuß -geben. Drei Stunden hatte dies sorgfältige Weidwerk gedauert; doch die -Befriedigung über den Erfolg lohnte jede Mühe. - -Mehr in den offenen Akazienwäldern hielten sich Gnus und Hartebeeste. -Das sind ausgesprochene Herdentiere; die dritten im Bunde sind -gewöhnlich Zebra; doch bekam ich sie erst später und weiter westlich am -Utungisee zu Gesicht. - -Die Gnus wurden in dieser Zeit in Herden gesehen, die nach -Geschlechtern getrennt waren. Es gingen zusammen: sechs Bullen und über -dreißig Kühe und Kälber. - -Zwischen die letzten Vorläufer der Berge und die eigentlichen, -steilansteigenden Höhen war ein langes, stilles Tal geschoben, dessen -Wasser mit dem Rufiyi in Verbindung stand. In der Trockenzeit waren an -beiden Seiten breite, völlig kahle Uferränder, über die das Wild gehen -mußte, wenn es aus dem hohen Uferwald zum Wasser kam. - -Unzählige Krokodile bewohnten das Gewässer, das malerisch zwischen -den Bergen lag. Flußpferde fühlten sich hier ganz sicher und durften -unbehelligt gelassen werden, weil sie auch in der Nähe keinen Schaden -anrichten konnten. In einem flachen Ausläufer des Sees sah ich Nilgänse -mit Jungen. Weiße Reiher, Pelikane, und Störche waren auch hier nur -in recht beschränkter Zahl; Flamingos habe ich am Rufiyi gar nicht -beobachtet. - -[Illustration: Wasserbock.] - -[Sidenote: Baumwolle.] - -Hinter dem See hatten Eingeborene Baumwollfelder angelegt, denen man -ansah, daß die Neger über die neue Kultur noch nicht unterrichtet -waren: die Pflanzen waren sehr dicht aufgegangen und dann von den -Negern nicht gelichtet worden, so daß sie sich gegenseitig in die -Höhe trieben und keine Kapseln ansetzten. Ähnlich verfehlte Anlagen -gab es viele in den Bergen. An einigen Stellen standen die Stauden zu -dicht, an anderen fehlten sie ganz, und für Reinhaltung von Unkraut -war offenbar keine Hacke angerührt worden. Da mußten dann die Erträge -fehlen. Die Neger sahen nicht, was ihnen der Baumwollbau nutzen sollte -und so ist der Druck, den die Bezirksämter auf die Neger ausübten, um -sie zum Anbau von Baumwolle zu zwingen, eine der wenigen, sichtbaren -Ursachen des Aufstandes geworden. - -[Illustration: Gehörn eines Gnubullen.] - -Bevor private Unternehmer den Aufkauf, die Entkernung und den Versand -der Baumwolle in die Hand nahmen, wollte man diese Aufgabe den Kommunen -der Bezirke geben, um so den Anbau des wichtigen Ausfuhrartikels zu -fördern; die Jumben wurden zum Bezirksamt gerufen, bekamen Saat -ausgehändigt und wurden angeleitet, wie sie zu pflanzen sei. Jedes Dorf -sollte eine gemeinsame Baumwollpflanzung unterhalten, und der Erlös der -Ernte auf die Arbeiter verteilt werden. - -Auch hierbei ließen sich die Dorfältesten zu Unterschlagungen -verleiten, und der Zwang, den sie auf die Arbeiter ausübten, wurde bei -dem geringen Erfolg doppelt mit Unwillen aufgenommen. - -[Sidenote: Mein Vater.] - -Eines Tages brachte die Post die frohe Nachricht, daß mein Vater in -Mohorro eingetroffen sei und versuchen wolle, zu mir zu kommen. - -Das war eine große Freude. Wenn es schon an sich merkwürdig genug war, -daß ich meinen Vater hier draußen sehen sollte, so gewann dies freudige -Ereignis noch Bedeutung durch die Umstände, unter denen das Wiedersehen -stattfinden sollte. - -Angeregt durch meine Schilderungen des Landes hatte er, der früher -schon in Amerika und Westindien wirtschaftliche Studien getrieben -hatte, sich entschlossen, Deutsch-Ostafrika selbst zu sehen, um als -Reichstagsabgeordneter ein eigenes Urteil über das Land zu bekommen. -Bei seiner Abreise aus Deutschland brach der Aufstand in der Kolonie -aus, und nun traf er mich mitten darin. - -Mir war es lieb, daß ich ihm das Feld meiner Tätigkeit zeigen und ihm -die Beruhigung mitgeben konnte, daß die Gefahren und Strapazen, an die -man daheim immer zuerst denkt, aus der Nähe gesehen, gar nicht so groß -sind. - -Der Ort Kipei, vier Stunden unterhalb meines Lagers, wurde als -Treffpunkt verabredet, und ich ging mit einer kleinen Askaribedeckung -dorthin. - -Als ich über ein abgemähtes Reisfeld ritt, sah ich meinen Vater von der -anderen Seite kommen; mit Tropenhelm, in einem Khakianzug und mit einer -Pistole an der Seite. - -Ich sprang aus dem Sattel und lief ihm entgegen. - -Herr John Booth, ein alter Afrikaner, hatte ihn hierher begleitet und -wartete in dem Zeltlager am Flusse auf uns. - -Zwei Tage blieben wir zusammen. - -Wir ritten den Fluß hinauf, besuchten die heißen Quellen bei Utete, -die Plätze, an denen Gefechte gewesen waren und meine Boma in Mayenge. - -Was die Fruchtbarkeit des Landes betraf, so fand mein Vater seine -Erwartungen schon jetzt weit übertroffen. Er bestätigte, was oft -ausgesprochen worden ist, daß man trotz den vielen Schilderungen -immer wieder dazu neigt, Begriffe zu verallgemeinern; daß selbst der -Gebildete in Deutschland zu leicht irgendeine Nachricht aus Afrika -auf alle afrikanischen Kolonien bezieht, und die widersprechenden -Beobachtungen mit der Zeit einen gewissen Zweifel an den wirklichen -Aussichten des Landes aufkommen lassen. Da hilft dann nur persönliche -Anschauung. - -[Illustration: Ich hatte die große Freude, in der Aufstandszeit meinen -Vater zu sehen. Zwei Tage blieben wir zusammen, dann fuhr er stromab -zur Küste.] - -Es ist falsch, zu sagen: „in Afrika“; denn Afrika ist groß und in -seinen Teilen zu verschieden. (Oder zu sagen: „der Neger“; gerade dies -hört man oft, und es ist noch viel verkehrter, als wenn jemand sagen -wollte: „der Europäer“.) Man kann die Landwirtschaft in Deutschland -auch nicht beurteilen, wenn man nur die Lüneburger Heide gesehen hat! - -Gegen Abend des Tages nach unserm Zusammentreffen fuhren wir gemeinsam -mehrere Stunden weit stromabwärts und waren noch eine Nacht unter einem -Zeltdach zusammen. Am nächsten Morgen mußte mein Vater abreisen; denn -der Gouvernementsdampfer erwartete ihn zu bestimmter Stunde in Salale, -an der Mündung des Rufiyi. - -Ich sah ihm noch lange nach, wie er im Boote stand und winkte, bis er -weit unten, hinter einer Biegung des Stromes meinen Blicken entzogen -wurde. - - - [11] Drei Rupien = vier Mark. - - - - -[Illustration: Schädel eines von mir erlegten, fast fünf Meter langen -Krokodils.] - - -Krokodile und Flußpferde. - - -„Es hat auf der Erde eine Zeit gegeben, in der die Kriechtiere das -große Wort führten,“ schrieb Brehm im „Tierleben“ am Anfang des -Abschnitts über die Panzerechsen, und an diesen Satz wird erinnert, -wer gesehen hat, wie die letzten Vertreter dieser Tiere in gewissen -Gegenden Ostafrikas noch heute ein Wort mitsprechen. Die Eingeborenen -sind machtlos dem „Leviathan“ gegenüber, wie der Dichter des Alten -Testamentes das Nilkrokodil nennt, der auch von ihm sagt: „Wenn du -deine Hand an ihn legst, so gedenke, daß ein Streit sei, den du nicht -ausführen wirst.“ -- Mit Pfeil und Bogen, mit Speer- und Steinwürfen -ist dem Ungeheuer, das durch eine starke Schuppenhaut geschützt wird, -allerdings nicht beizukommen. Wohl werden einzelne, von Eingeborenen -mit List und großer Mühe erlegt, in Fischnetzen zufällig gefangen oder -auch geangelt; doch die Vermehrung ist so stark, daß die Krokodile nur -in Gegenden, die der Europäer mit seinen guten, treffsicheren Waffen -auf längere Zeit besucht, ganz vernichtet werden. Dem Gewehrgeschoß -bietet kein Krokodilpanzer erfolgreich Widerstand; kleine Krokodile -kann man sogar mit dem Schrotgewehr schießen. - -Jeder Europäer, selbst wer nicht Jäger ist, beteiligt sich eifrig an -dem Vernichtungskrieg, und auch ich habe, nachdem ich die grauenhafte -Gefahr, von Krokodilen gepackt und ersäuft zu werden, selbst in -der Nähe gesehen habe, eine Ehre darin gesucht, möglichst viele der -schädlichen Räuber auf die Schußliste setzen zu können. Meine ganze -Bleispitzenmunition widmete ich dem Schießsport auf Krokodile, und tat -es gern, weil unzuverlässige Patronen darunter waren, die Versager -gaben, und deshalb zu anderen Zwecken nicht verwandt werden konnten. -Die 11/12-Mantelgeschosse mit Bleispitze rissen sehr stark und waren -deshalb wirksamer als Vollmantelgeschosse. - -[Sidenote: Dreihundert Krokodile.] - -Nahezu dreihundert Krokodile rühme ich mich während des Aufenthalts in -Ostafrika ums Leben gebracht zu haben. Es ist das einzige Wild, bei dem -man die große Zahl der erlegten Tiere als Erfolg angeben darf, während -die Afrikaner einem durchaus nicht Bewunderung zollen und noch weniger -erfreut sind, wenn man sagt, man habe z. B. so und soviel Kuhantilopen -geschossen. Das Streben des passionierten Jägers geht in Afrika nicht -dahin, sich einer großen Strecke rühmen zu können, sondern eine -möglichst vielseitige Ausbeute zu haben und Erlebnisse auf alle Arten -Hochwild zu suchen. Große Strecken kommen aber doch vor, und reiche -Ausbeute an Trophäen läßt sich oft auf die besonderen Umstände bei -längeren Expeditionen zurückführen, wo Wild zur Verpflegung der Träger -und Soldaten geschossen werden mußte, ist also durchaus nicht immer zu -verurteilen. - -Im Gegensatz dazu erfreut bei Krokodilen die hohe Zahl der vernichteten -Tiere, und Rekorde sind im Interesse der Menschen erwünscht. - -Es soll über zwanzig verschiedene Arten von Krokodilen geben; in -Ostafrika haben wir es allein mit dem Nilkrokodil zu tun. Dies -bevorzugt Süßwasserseen und Flüsse, kommt nur ausnahmsweise in das -Salzwasser des Meeres und ist daher in den Buchten der Küste nur zu -finden, wo Flüsse einmünden. - -Selbst an der Fähre, die den großen Verkehr auf der Karawanenstraße -über den Kingani vermittelt, kommen häufig Unglücksfälle durch -Krokodile vor, trotzdem hier schon unzählige Europäer den Tieren -nachgestellt haben. - -Große Krokodile sind an der Küste jedoch schon selten, und in den -Mündungen des Kingani, des Sigi und Rufiyi habe ich nur kleinere -geschossen. Das Vorkommen eines besonders starken Ungetüms regt stets -die Jagdlust der nahen Europäer an; denn ein großer Krokodilkopf -mit fingerlangen, weißen Zähnen ist eine originelle, leicht zu -konservierende Trophäe. - -Im Aufstand, bei tagelangen Märschen an Flußufern, an Seen und Tümpeln -entlang, sind mir unzählige Krokodile zu Gesicht gekommen; sieben -Menschen sind in meiner nächsten Nähe von Krokodilen geraubt worden. -Nicht von jedem Fall erfährt man; die Neger sind abstoßend gleichgültig -gegen geschehenes Unglück. Ein Schutztruppenoffizier erzählte folgendes -Erlebnis: Als seine Trägerkarawane durch einen Fluß hindurchging, -wurde ein Mann mitten aus der Reihe von einem Krokodil erfaßt und -fortgeschleppt; die anderen Träger gingen ruhig weiter, als ob nichts -geschehen sei. Der Offizier fragte einen der Neger darüber. Antwort: -„Ja mir passiert nichts, ich habe eine gute „_dawa_“.“[12] „Der -andere hatte aber doch auch Medizin?“ „Die wird wohl nichts getaugt -haben, meine aber ist gut!“ - -Von den Ägyptern wissen wir, daß sie die Krokodile einbalsamierten, -ihnen also eine gewisse göttliche Verehrung zukommen ließen. Allerdings -vermutet man, daß sie die Bestien erst selbst töteten und ihnen dann, -gewissermaßen zur Versöhnung, die Totenehren erwiesen. Bei den Negern -waren die Krokodile gefürchtet aber nicht verehrt. An einer Hütte -sah ich über der Tür ein rohes Relief, aus dem Lehm des Wandbewurfs -herausgeformt: die Gestalt eines Krokodils darstellend; niemand aber -wußte, ob es mehr sein sollte, als ein launiges Kunstwerk, das jemand -in einer Mußestunde zurecht geknetet hatte. - -Obwohl jederzeit Menschen am Rufiyi durch Krokodile geraubt werden -können, ohne daß jemand davon erfährt, schieben die Anwohner des -Flusses das rätselhafte Verschwinden eines Menschen einer Schlange zu, -die im Flusse leben soll, die aber immer ein anderer gesehen haben -soll, nie der Vertrauensmann, den man gerade fragt. - -Wenn die Neger an ein solches Tier glauben, zeigen sie offenbar ein -Bedürfnis, die Phantasie zu befriedigen. - -Der große Wels, der sich tief in den Schlamm verkriecht, und das -unheimliche Krokodil genügen meiner Phantasie allerdings durchaus; denn -es sind groteske Tiere, und offenbar werfen die Neger die Eigenschaften -dieser beiden Flußbewohner zusammen, wenn sie von der ‚Hongo‘ sprechen. - -[Sidenote: Krokodile.] - -Als ich, aus Mangel an Streitkräften zu tatenlosem Warten genötigt, -wochenlang in meiner Boma bei Mayenge saß, hatte ich reichlich -Gelegenheit, Krokodile zu beobachten und zu erlegen. Obwohl -fast täglich vom Pallisadenzaun des Lagers aus nach den Tieren -geschossen wurde, lagen immer wieder welche da, angelockt durch die -Kadaver ihrer Brüder, die ihnen als Nahrung willkommen waren. Die -geschossenen Krokodile trieben nicht etwa -- wie man das oft in -Reisebeschreibungen ausgesprochen findet -- weit in dem Strom fort, -sondern erschienen, ebenso wie andere Kadaver, nach einigen Stunden, -an der Oberfläche und wurden dann, meist nicht weit von der Stelle, -an der sie geschossen waren, nahe am Ufer mit abgefressenen Füßen -gefunden. Wahrscheinlich hatten andere Krokodile sie beim Fressen -dort hingeschoben. Auch angeschossene sind durch die Gefräßigkeit -ihrer Brüder dem Tode geweiht. Ich habe gesehen, wie ein Krokodil, -das durch einen Bauchschuß verwundet war, wild im Wasser umhertobte, -während andere von verschiedenen Seiten herzuschwammen und es, gewiß -nicht bloß aus Neugierde, verfolgten. Der Geruchsinn soll schlecht -sein; dagegen scheint die Tatsache zu sprechen, daß die Krokodile -sofort herbeischwimmen, wenn ein Flußpferd verwundet wird, von gesunden -Tieren aber gar keine Notiz nehmen. Ich schoß einmal auf ein Flußpferd -und wußte nicht, ob ich getroffen hatte, weil ich ziemlich hoch über -den Fluß stand und das Geschoß ebensogut in das Wasser eingedrungen -sein konnte -- während Geschosse, die aus flachem Winkel fehl gehen, -gewöhnlich vom Wasserspiegel absetzen und pfeifend in die Luft -weiterfliegen. -- Da sagte ein Neger: „Du hast getroffen, riechst -du es nicht?“ In der Tat nahm ich, da wir halb unter Wind standen, -deutlich einen süßen Geruch wahr, den die Haut des toten Flußpferdes -ausdünstete. Kurz darauf erschienen zwei große Krokodile und schwammen -gegen Strom und Wind auf die Schußstelle los. Ob sie nur ihrem Gehör -gefolgt waren und vielleicht unter Wasser von dem Todeskampf Laute -vernommen hatten, die uns oben ganz entgangen waren? Es ist kaum -anzunehmen. - -[Illustration: Die Krokodile ruhen gerne auf den Uferböschungen dicht -am Flusse. Oft habe ich sie quer über den Strom hin geschossen, oft -auch in dichtem Schilf bis auf wenige Schritte angepirscht.] - -Auf der Stelle tödlich sind beim Krokodil nur Kopf- und Herzschüsse; -jedoch lähmen auch alle Schüsse, die die Wirbelsäule treffen, das Tier -so, daß es nicht mehr weiter kann. - -Es gehört ein guter Schütze dazu, die kleine Hirnschale zu treffen, -die wie ein treibendes Stück Borke auf dem Wasser erscheint. Liegt -die lange Panzerechse aber breit auf dem trockenen Ufer, so ist sie, -wenigstens in der Horizontalen, kaum zu verfehlen und es kommt nur -darauf an, für das niedrige Ziel die Entfernung genau zu schätzen und -dann in der Vertikalen ganz sorgfältig abzukommen. Solche Treffer, auf -zwei bis dreihundert Meter aus Anschlag im Liegen über den Strom hin, -haben mich oft erfreut; das Krokodil zeichnet, wenn es getroffen wird, -jedesmal, indem es mit dem geöffneten Rachen schnell um sich haut, und -darf in der Schußliste notiert werden, auch wenn es noch die gelbe Flut -erreicht. Manchmal sieht man den Schwanz eines geschossenen Krokodils -beim Näherkommen noch halb am Strand; das Tier gleitet aber bald in -die Tiefe und ist wahrscheinlich tot. Aber wer wagt es, den Zackenkamm -anzufassen auf die Gefahr hin, im nächsten Moment mit einem Biß belohnt -zu werden; denn die Echse ist sehr wohl imstande, nach der eigenen -Schwanzspitze zu beißen. -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- - -Es war in der Trockenzeit im Monat September und der Strom hatte seinen -niedrigsten Wasserstand. - -Zu beiden Seiten sah man hohe Uferböschungen, von denen das Wasser -unaufhörlich Erde abbröckelte, um sie mit sich zu führen und weiter -unten wieder abzusetzen. Ältere Sandbänke lagen jetzt trocken und -boten, weit in den Strom vorgeschoben, den Krokodilen willkommenen -Platz zum Mittagsschlaf. - -[Sidenote: Ansitz im Schilf.] - -Auf einer solchen Sandbank stand dichtes, hohes Schilfrohr und der -Fluß machte gerade vor dem in sich angeschlossenen Rohrgebüsch eine -Biegung, so daß es möglich war, sich mit dem Boote lautlos treibend zu -nähern, ohne von der anderen Seite gesehen zu werden. Hier hatte ich -aus Sand und Rohrstengeln eine Hütte gebaut, und einen Gang durch das -Rohr geschlagen, um unbemerkt hineinzukriechen. Der Platz war besonders -geeignet, Krokodile, Flußpferde und Wasservögel zu beobachten. - -Gegen die Sonne durch ein Flechtwerk geschützt, lag ich oft stundenlang -und sah den Tieren zu, die gar nicht merkten, wenn ich von hinten -vorsichtig in meine Hütte kroch. - -An einem stillen, feierlichen Tage war ich gegen zehn Uhr vormittags -auf meinem Posten. Kein Wölkchen stand am Himmel und der Wind, der -frühmorgens aus Westen wehte, war allmählich eingeschlafen. - -Zwei kleine Krokodile liegen auf Wurfweite vor mir; mit dem Doppelglas -kann ich jede Falte ihrer Haut sehen und sogar die länglichen -Augensterne erkennen. Die Tiere liegen ganz auf dem Trockenen; -plötzlich erscheint auf etwa zwanzig Schritt die flache Oberfläche -eines Krokodilkopfes, in langsamer Bewegung sich dem Ufer nähernd; -dahinter taucht der zackige Kamm des langen Schwanzes auf. Vorsichtig -bleibt das Tier, bewegungslos dicht am Ufer liegen und hebt sich erst -nach geraumer Zeit, langsam aus dem Wasser; beschreibt auf dem Sand -einen Halbkreis, läßt sich plötzlich schwer auf den Bauch fallen und -sperrt den Rachen weit auf. Da es sich in der Drehung von mir ab und -wieder dem Wasser zugewandt hat, kann ich nur einen Teil des Kopfes -sehen. - -Stunden vergehen. Über die Sandbank kommen Nilgänse, die an einer -Lagune zur Äsung waren; graue Fischreiher, fleischfarbene Pelikane und -weiße Löffler fallen weiter unten ein; dazu setzen sich gelbschnäblige -Störche. - -In meine Nähe scheint nichts mehr zu kommen; da ziele ich denn in aller -Ruhe auf den dicken Wanst des Drachenviehs, das in seinem bronzegrünen, -schwarz gefleckten Panzerkleide dicht vor mir liegt. Von hinten, etwas -seitlich soll ihm mein Geschoß in den Brustkorb dringen und das Herz -treffen -- -- -- Rrumms! - -Blitzschnell fährt es mit dem Kopf vorne hoch und reißt den Rachen, der -von spitzen, weißen Zähnen starrt, weit auf, sinkt in sich zusammen, -klappt noch zweimal laut mit den Kiefern und verendet. - -Die beiden anderen Krokodile waren auf den Schuß in das Wasser gestürzt -und die Vögel hatten sich in die Luft gehoben. - -Der Drache ist tot und ich kann ihn in Ruhe betrachten. - -Die Farbe seiner Haut ist nur oben und an den Seiten dunkel, die -Bauchseite zeigt ein feines Elfenbeinweiß. Der Rumpf ist langgestreckt, -der Schwanz seitlich als Ruder zusammengedrückt. Auf ihm laufen zwei -Kammreihen entlang, die sich am Ende zu einer vereinen. - -Die Füße stehen nach den Seiten weg. Sie haben vorne fünf, hinten -vier Zehen, die durch Schwimmhäute verbunden sind und Krallennägel -tragen. Das kleine, grüne Auge wird durch drei Lider geschützt; die -Ohröffnungen können durch klappenartige Hautfalten, die Nasenlöcher, -die vorne im Oberkiefer liegen, durch Aneinanderdrücken ihrer wulstigen -Ränder geschlossen werden, wenn das Tier untertaucht. - -Da die Gefährlichkeit der Krokodile sehr verschieden ist, kommt es -immer wieder vor, daß leichtsinnige Menschen verunglücken; wenn alle -Krokodile gefürchtet würden, wäre das nicht der Fall. - -Da die Hauptnahrung der Tiere in Fischen besteht, gibt es Gewässer, -in denen die Krokodile ungefährlich sind, weil sie reichlich -Nahrung haben. Man sagt, daß sich in allen Gegenden, die von der -Kultur unberührt bleiben, der Bestand an Krokodilen und Fischen das -Gleichgewicht halten. Wenn nämlich die Raubtiere überhand nehmen, -beginnen sie sich bald, aus Mangel an Nahrung und der lästigen -Konkurrenz halber, gegenseitig aufzufressen und dann bekommen die -Fische wieder freiere Bahn. Auf Tiere, Wasservögel oder gar Menschen, -die zur Tränke kommen, sind die Krokodile demnach nicht angewiesen; -doch mag ihnen der Fischfang in manchen Gegenden so schwer fallen, -daß sie gerne jedem anderen Bissen auflauern, während sie an anderen -Plätzen mehr gesättigt sind. - -Die Eingeborenen kennen meist die Krokodile in ihrer Nähe recht genau -und wissen auch einige Plätze, an denen sie getrost baden können. -Selten raubt das Krokodil aus flachem Wasser; denn seine Methode ist, -das Opfer mit dem Schwanz ins Wasser zu schlagen, zu packen und zu -ersäufen. Dazu ist ihm flaches Wasser nicht günstig. Während die Neger -da recht sorglos sind -- vielleicht auch, weil das Herannahen eines -Krokodils leichter zu bemerken ist -- vermeiden sie es, an tiefes -Wasser hinanzugehen und warnten mich jedesmal, wenn ich es tat. - -In manchen Gegenden sind die Wasserschöpfstellen an steileren Ufern -durch Zäune geschützt, die in das Wasser hinein gehen, oder die Weiber -schöpfen vom hohen Ufer aus mit Kalebassen, die an langen Stangen -befestigt sind. - -[Illustration: Trotz den Krokodilen sprangen die Neger über Bord, als -das Wasser flacher wurde und zogen das Flußpferd an eine Sandbank. -- -Am Boot steht meine Büchse, ein Militärgewehr, dessen Holzbekleidung im -Gefecht bei Utete durch einen Schuß zersplittert worden war und das ich -mir dann zu einem leichten, handlichen Gewehr zurechtgestutzt hatte.] - -[Sidenote: Flußpferde photographiert.] - -Einmal führte mich mein Weg durch das Jagdschonrevier des -Kissakibezirks, und ich traf, wo der Mrokafluß in den Rufiyi mündet, im -Morgennebel drei Flußpferde, die in dem sumpfigen Uferrande ruhten. Ich -nahm die Kamera und ging, von Schilfstauden gedeckt, vorsichtig näher. - -Der Boden war so weich, daß ich bis an die Knie einsank. Ich zog die -Kassette auf, machte die Kamera fertig und trat dann plötzlich hinter -dem Schilf hervor, so daß ich auf etwa fünfzig Schritt ganz frei vor -den Tieren stand. - -Ein alter Flußpferdbulle mit plumpem, schwerem Kopf richtete sich mit -der Vorderhand auf und sah nach mir her, als ich die erste Aufnahme -machte. (Bild Seite 155.) - -Während ich die Kassette umdrehte und die Kamera zum zweiten Male hob, -wurde er nach dem tieferen Wasser hin flüchtig. Auch die übrigen Tiere -erhoben sich jetzt jäh aus ihrem Schlafe, und waren in wenigen Sekunden -unter dem Wasserspiegel verschwunden. - -Die Jagd auf Flußpferde ist da uninteressant, wo die Tiere in großer -Zahl und vertraut angetroffen werden; denn an solchen Stellen kann ein -sicherer Schütze Dutzende in kurzer Zeit schießen. Das ist keine Jagd. - -Dagegen kann man von Jägerfreuden sprechen, wenn sich jemand mit vieler -Zeit und Mühe aus einer großen Herde den größten Bullen heraussucht -und ihn zur Strecke bringt; denn ein starker Flußpferdschädel mit hoch -aus dem Unterkiefer herausragenden, gebräunten Zähnen, ist eine schöne -Trophäe. Sie gewinnt dadurch, daß man erzählen kann, man habe außerdem -kein Stück der Herde angeschossen! - -[Sidenote: Flußpferdjagd.] - -Großen Reiz hat es auch, in versteckten Teichen nahe der Küste den -dort sehr seltenen und ungewöhnlich vorsichtigen, vielleicht sogar -gefährlichen Flußpferden nachzustellen. - -Nicht gerne aber denke ich an zwei Schießereien zurück, zu denen ich -mich hergab, weil der Schaden, den die Flußpferde der Landwirtschaft -zufügten, die Neger zu berechtigten Klagen veranlaßten: Das auf -Flußpferde stehende Schußgeld von 26 Mark für jedes erlegte Tier war -gerade aufgehoben worden, weil die Dickhäuter in manchen Gegenden -derart überhand genommen hatten, daß sie eingeschränkt werden mußten. - -Aus einer Landschaft besonders kamen immer wieder Klagen der Neger, die -Kibokos schliefen im Wasser neben den Feldern und trampelten nachts auf -Äsung in den Saaten umher, so daß kein Halm stehen bleibe. - -Ich erlaubte deshalb dem Sergeanten, die Tiere abzuschießen. Er kam -zurück mit der Meldung, er habe beinahe zwanzig Stück in drei Stunden -zur Strecke gebracht. Am nächsten Tage brachten die Eingeborenen, froh -über dies Resultat, die abgeschnittenen Schädel, große und kleine, die -im Ufersande des Flusses vergraben wurden, damit die Zähne lose würden. - -Anfangs glaubte ich, der Sergeant habe allzusehr unter den Tieren -aufgeräumt; denn acht Tage später kam ich an den Ort der Tat vorbei und -sah die vielen, großen Kadaver auf den Sandbänken liegen. Viele Hundert -Geier und Marabus standen dabei, und im Wasser schwammen unzählige -Krokodile. Lebende Flußpferde aber waren nicht mehr zu sehen. - -[Illustration: Ein erlegtes Flußpferd wird ans Ufer gewälzt.] - -Drei Monate später -- ich hatte in der Zwischenzeit kein einziges -Flußpferd schießen lassen -- kam ich wieder an der Stelle vorbei -und traf zu meinem Erstaunen in der Nähe eines großen Dorfes drei -Flußpferdherden von zusammen etwa achtzig Köpfen. Die Neger waren -geradezu machtlos gegen diese Tiere und sagten, sie müßten auswandern, -wenn ich ihnen nicht helfen könnte. Darum entschloß ich mich, mit -Unteroffizier Lauer zusammen einige starke Bullen aus einer der Herden -abzuschießen. - -Wir wählten zwei geeignete Plätze auf der hohen, sandigen Uferböschung -und legten uns in Anschlag. - -Die Herde mußte, wenn sie stromauf entweichen wollte, an mir, stromab -an dem Unteroffizier vorbei und über flachere Stellen hinweg, was die -Flußpferde vermeiden, wenn Gefahr ist. - -Weinrot und glänzend erschienen die Körper der plumpen Dickhäuter, wenn -sie auftauchten. - -Wir hatten beide große Übung im Schießen und schossen nur nach dem -Gehirn. So brachten die ersten vier Schüsse vier Nilpferde zur Strecke, -die auf der Stelle tot waren. Dann bekam die Sache als Schießsport -einen gewissen Reiz; denn die Tiere steckten, vorsichtig gemacht, die -Köpfe nur auf Sekunden aus dem schützenden Naß, um fauchend Luft zu -schnappen und sich umzusehen. Da mußte das Ziel schnell erfaßt und -sofort geschossen werden, was um so schwerer war, als wir nur starke -Tiere schießen wollten und jedesmal die Frage erst beantworten mußten: -ist es ein großer Kopf? Und dann war er bereits wieder auf Minuten -verschwunden. Trotzdem hatten wir in kurzer Zeit acht starke Nilpferde -getötet. Ein angeschossenes Stück, das aus der Nase schweißte, machte -es uns recht schwer, weil es zwischen den gesunden auftauchte; als -wir auch dies zur Strecke hatten, hörten wir auf. Kein anderes Tier -war angeschossen! Wenn es auch kein Jagderfolg war, der Freude machen -konnte, war es jedenfalls ein Schießresultat, mit dem wir uns hätten -sehen lassen können. - -Jetzt schickten wir Boten in die umliegenden Dörfer, und es kamen an -dreihundert Eingeborene mit Beilen, Messern und Stricken. Einbäume -wurden herbeigeschafft, und die erlegten Tiere mit vereinten Kräften -auf die Sandbänke gezogen. Auf den Lärm hin verließen einige der -überlebenden Dickhäuter das Schlachtfeld und rannten über die Sandbänke -in entferntere Wasserbecken. - -Wo sie durch flaches Wasser hindurchliefen, spritzte es mit Getöse nach -den Seiten. - -[Illustration: „Ein alter Flußpferdbulle richtete sich auf und sah -herüber, als ich hinter dem Schilf hervortrat.“ (Seite 152.)] - -[Sidenote: Nutzen des Flußpferds.] - -Leider konnten wir von der Beute nichts verwerten als die Zähne; -die Eingeborenen in der Gegend aßen das Fleisch nicht, während -andere Negerstämme sich darum reißen. Die Schwarte war so rissig -und durchlöchert, daß ich kaum ein gutes Stück fand, aus dem ich -Peitschen schneiden konnte. Die Decken der Tiere waren daher für uns -wertlos; auch die Händler hatten uns geantwortet, sie kauften keine -Flußpferdhaut. (Wie verschieden übrigens die Verhältnisse oft sind, -lehrt folgendes Beispiel: Die Inder in Mohorro kauften Wildhäute -zu bestimmten Marktpreisen nach Gewicht. Sie nahmen gern Felle von -Antilopen, Gnus und Schweinen, wollten mir aber mein Büffelfell -nicht abkaufen und nahmen keine Flußpferdhaut. Das hatte ich in -Erinnerung, als ich später am Kilimandscharo zwei Büffel schoß; und -ich verschenkte die Häute an meine Träger. Kurz darauf wurde ich -in Moshi nach den Fellen gefragt und erfuhr, daß sie dort ein ganz -besonders gut bezahlter und sehr gesuchter Artikel seien. Dagegen -wurden Antilopenhäute dort sehr schlecht bezahlt. Ähnlich ging es -mit Nilpferdhaut; am Rufiyi nahm sie der Händler nicht geschenkt; in -Daressalam und Sansibar boten die Inder hohen Preis. Das wußte ich -nicht, als wir die vielen Tiere schossen und so mußte das wertvolle -Material ungenutzt verfaulen.) - -Es war auch ein Mangel an Erfahrung dabei, wenn ich glaubte, man könne -die Tiere nicht nutzen. Das habe ich später bei den Buren gesehen -und aus den Erzählungen südafrikanischer Jäger gelernt. Einer, der -die Jagd berufsmäßig ausübte, hätte vielleicht großen Gewinn daraus -gezogen, wenn er das Fell präparierte, die Knochen klein stampfte -zu Düngungszwecken und Leimfabrikation, das Fett zu Seife einkochte -und das Fleisch als Hühner- und Hundefutter trocknete. Ein feistes -Flußpferd liefert etwa achtzig Pfund Fett, das sehr gut schmeckt und -sich in den Tropen zum Braten besser eignet als irgend ein anderes -Fett. Die Buren räucherten sogar Speckseiten von Flußpferden. - -Das Flußpferd hat überhaupt viel Ähnlichkeit mit dem Schwein -- bei -den Ägyptern hieß es „Flußschwein“. -- Sein Fleisch kann ich als -schmackhaft bezeichnen, wenngleich ich alle Fleischsorten, die ich -probierte, vom Elefanten bis zum Steppenhasen, bei der völligen -Unkenntnis meines Kochs, gleich schlecht zubereitet bekam. - -Wenn der Abschuß großer Flußpferdherden noch irgendwo notwendig -wird, sollte man ihn Jägern überlassen, die damit Geld verdienen und -Nutzen aus den Tieren ziehen können. Insofern bedaure ich, daß wir -dort eingegriffen haben. Uns brachte es jedoch in gewisser Beziehung -auch einigen Nutzen: Die Eingeborenen sahen die Wirkung unserer -Waffen, waren dankbar für die Vernichtung der Tiere im Interesse der -Landwirtschaft, und dachten nicht mehr daran, auszuwandern. - -Es war ärgerlich, daß die Neger kein Flußpferdfleisch essen wollten. -Vor zwanzig Jahren nämlich sollen sie es noch gerne gegessen haben. -Ihr Vorurteil kommt von den Mohammedanern; die essen kein Fleisch von -Tieren, denen nicht die Gurgel abgeschnitten wird, solange sie noch -leben. Wahrscheinlich weil eine solche Handlung bei den Dickhäutern -nicht auszuführen ist, verzichten die mohammedanischen Neger auf das -Fleisch. - -Wenn ich auch sonst jede Äußerung religiösen Empfindens beim Neger -achtete, habe ich diese Angewohnheit lächerlich gemacht, wo ich immer -Gelegenheit dazu hatte. - -Den armen Negern wird mit solch einem Vorurteil kein Gefallen getan, -und der Weiße kann in große Verlegenheit kommen, wenn er nichts Anderes -als Flußpferd hat, um seine Arbeiter zu verpflegen. - -Wenn schon der Islam nicht die Religion ist, die diese Neger brauchen, -ist überhaupt kein Grund, auf religiöse Gebräuche Rücksicht zu -nehmen, die den kulturellen Aufgaben des Europäers geradezu entgegen -sind. (Menschenfresserei dulden wir nicht; auch wenn sie aus tiefer -Religiösität entspringt; den Massai zeigen wir, daß wir nicht -einverstanden sind, wenn sie Vieh rauben, weil ihre Religion sagt, -alles Vieh gehöre eigentlich den Massai.) - -Es ist auch ein Jammer, daß die Küstenneger, seit sie sich Mohammedaner -nennen, Schweinefleisch verschmähen; gerade die ärgsten Feinde ihrer -Pflanzungen, die so sehr zahlreichen Warzenschweine und Wildschweine -werden von ihnen nicht gegessen und sie stellen ihnen nur aus Gründen -der Abwehr nach. Und was das schlimmste ist: Selbst in Zeiten der -Hungersnot überwinden sie den eingebildeten Ekel nicht und verhungern -lieber, als daß sie Schweinefleisch anrühren! Gier und Gefräßigkeit -kann man diesen Negern also nicht ohne Einschränkung nachsagen. - -Die Erklärung für dies Verhalten liegt in folgendem: Es gilt als fein, -Suaheli zu sein, und dazu gehört die Nachahmung mohammedanischer -Gebräuche. Mancher Neger würde ohne Zögern Schweinefleisch essen, wenn -er mit dem Europäer allein wäre. Aber in Gegenwart anderer mag er sich -nichts vergeben. So kommt es, daß die Anwesenheit einer vornehm tuenden -Clique von „Suahelinegern“ in einer Expedition ansteckend auf alle -übrigen Neger wirkt. Wer die Gebräuche nicht mitmacht, wird „Schenzi“ -genannt und hört so oft die Bemerkung: „er frißt ja Schweinefleisch“, -bis er es auch läßt. - -Merkwürdig ist, daß dem Neger das Vorbild des Europäers, der doch -Schweinefleisch ißt, gar nichts gilt. - -[Sidenote: Der Schächtschnitt.] - -Ein anderes Vorurteil, das der Neger sehr zu seinem Schaden von dem -„Suaheli“ angenommen hat, ist, daß er nur Fleisch von Tieren ißt, -denen die Kehle durchgeschnitten wurde. Bei Haustieren ist das einfach -durchzuführen; bei Wild sehr schwer. Und das Schächten des Wildes ist -ein Brauch, den der deutsche Jäger nicht erlauben sollte. - -Es geschieht nämlich auf folgende Art: Sowie ein Stück Wild vom Schuß -fällt, stürzen die Schwarzen mit ihren Messern darauf los, biegen ihm -den Kopf zurück und schneiden die Kehle durch. Der Anblick des so -zugerichteten Tieres ist häßlich; der Kopf hängt nur noch lose am Hals -und aus den geöffneten Halsschlagadern spritzt in hohem Strahl der -Schweiß hervor, weil das Herz noch in Tätigkeit ist. - -Jeder erfahrene Jäger weiß, daß es falsch ist, auf ein Stück Wild, das -vom Schuß fällt, sofort darauf loszugehen; denn oft kommt das Wild dann -in seiner Angst wieder hoch, wird weit flüchtig und kann dem Jäger -sogar verloren gehen. In anderen Fällen wird es dem Schützen durch das -Aufspringen der Leute unmöglich gemacht, ein zweites Stück des Rudels -zu schießen. Wer etwas von Jagd versteht, sollte deshalb gegen den -Gebrauch ankämpfen. - -Es muß den Negern verboten sein, aufzuspringen, und die Jagdbegleiter -sind streng anzuhalten, im Grase liegen zu bleiben. Der erste, der an -das Wild hinantritt, ist der Schütze; mit fertigem Gewehr: andernfalls -kann ihm die Gelegenheit zu einem Fangschuß entgehen, durch den er das -Stück bestimmt in seinen Besitz bekommt. - -Der Sinn des Schächtens ist: „Das Fleisch soll ausbluten“, und wer -jedesmal fragt, ob es geschlachtet ist? glaubt damit die Sicherheit -zu haben, daß er nie Fleisch von gefallenen Tieren bekommt. Die Neger -aber machen eine geistlose Handlung daraus, denn sie schneiden einer -Antilope auch noch den Hals durch, wenn sie vierundzwanzig Stunden nach -dem Schuß gefunden wird. - -Schon daraus sieht man, daß man die Neger in solchen Gebräuchen oft -nicht ernst zu nehmen braucht. - -Auch mir versuchten meine Askari und Träger einzureden, das Wild müsse -geschlachtet werden. - -Ich drehte aber sofort den Spieß um und sagte, ich dürfe nicht von -geschächtetem Wild essen, deshalb verbiete ich es. - -„Dann essen wir es nicht.“ - -„Es ist mir lieber, ihr verhungert, als daß ich hungern muß.“ - -Anfangs sahen die Strenggläubigen zu, ohne mitzuessen; sie hofften -immer noch, ich würde nachgeben und vielleicht erlauben, daß ein -besonderes Stück für sie geschlachtet würde. Später siegte der Hunger, -und im Verlauf der Expedition sprach kein Mensch mehr davon. Jedem -Neuling wurde gesagt: „Der Herr will es nicht.“ - -Viel schwieriger ist es bei privaten Expeditionen gegen solche -Vorurteile anzukämpfen, und ich werde darauf zurückkommen, wenn ich von -meiner Jagdreise in die Massaisteppe erzähle. -- - - * * * * * - -[Sidenote: Geier und Marabu.] - -Wenn man von Flußpferdjagden spricht, sind Aasvögel und Krokodile nicht -leicht davon zu trennen; sie finden sich schnell ein, und die Stelle, -an der ein erlegtes Nilpferd liegt, wird sehr bald zum Schauplatz eines -bunten Treibens. - -Auf die Sandbank gezogen, nicht weit vom acht Meter hohen Schilfrohr -lag der Körper eines toten Flußpferdes. Ein langer Schnitt in die Haut -hatte den Aasvögeln die Möglichkeit gegeben, mit der Mahlzeit gleich zu -beginnen; (sonst müssen sie warten, bis der Körper gänzlich in Fäulnis -übergeht, da sie nicht imstande sind, die Haut zu durchschlagen). - -Wohl hundert Geier saßen herum; einige auf, andere in dem Kadaver. Ein -Dutzend Marabu spazierten zwischen den Gruppen der Vögel hindurch. -Heiseres Gekrächze kam von dem Schauplatze. - -Ich lag im Schilf und beobachtete. Ein Geier arbeitete in der vom -Wasser durchspülten, faulen Masse. Kopf und Hals verschwanden darin. -Ein anderer hatte ein Stück losgerissen, wollte sich dann auf die Seite -stehlen, wurde aber von drei Neidern verfolgt. Zwei andere rissen sich -mit langen Hälsen um einen Bissen. Der Marabu tat, als wenn er überall -Aufsicht ausüben mußte. - -Gern nimmt er den Geiern Stücke ab. Sein langer, spitzer Schnabel ist -mit Recht gefürchtet. Dieser Schnabel eignet sich weit weniger als der -gekrümmte des Geiers zum Losreißen von Stücken Fleisch. Selten sieht -man daher den Marabu selber am Aas arbeiten; er nutzt die Geier dazu -aus. Große Stücke schlingt er auf einmal hinunter; die baumeln dann in -dem tief hinabhängenden Kropfbeutel. - -„Schäbig ist der Marabu“ sagt Busch. Schäbig ist nur das Gefieder -seiner Kopf- und Halspartie; reich sein übriges Federkleid. Man meint, -er sei ein dürftiger Geselle in einem feinen, stahlblauen Gehrock. Ein -knallroter Fleck auf der Haut sitzt hinten im Nacken, wie um zu zeigen, -daß ein Vogel auch ohne Federn bunt sein kann. Das Männchen hat weiße -Ränder an den Deckfedern der Flügel. Sein Gefieder ist mehr graublau, -während das des Weibchens fast schwarz und einfarbig ist. - -Der frische Wind wehte mir den Aasgeruch in die Nase. (Niemand sage: -Pfui, wie unappetitlich! Am ersten Tage, auch am zweiten, ja. Später -aber riecht es genau, wie Camembert; es ist Geschmacksache. Die -Schwarzen essen z. B. etwas angefaultes Fleisch sehr gerne; auch den -Marabu selbst essen sie. Vielleicht ist ihnen diese Fäulnis das, was -uns der Alkohol und der Käse). Hoch in den Lüften kreisen zwei weitere -Marabu. Hell leuchtet das weiße Gefieder der Brust, das sich bis unter -die Flügel fortsetzt. Wie ein Fähnchen flattert der leere Beutel am -Halse. - -Nun heißt’s den besten aussuchen; mit dem Doppelglas natürlich. Es -ist nicht leicht; denn der größte Vogel hat oft die kleinsten Federn, -oder die Federn sind groß, aber der zarte Flaum ist schon abgenutzt. -Außerdem trägt der Marabu die sehr beliebten Federn nicht auf dem -Kopfe, wie manche Damen vielleicht denken. Wer da nicht genau hinsieht -und aussucht, wird oft unzufrieden sein über seine Beute. -- Da -ist einer! Jetzt mit der Büchse im Anschlag warten, bis er mir die -Seite zeigt, denn das beste ist, stets einen Flügelknochen mit zu -zertrümmern, dann kann der Vogel nicht mehr fortfliegen. Schuß; er -liegt. - -Die andern fliegen auf, setzen sich aber gleich wieder, kommen heran, -sperren die Schnäbel auf, was stets Erstaunen, Schrecken, Angst -bedeutet und sehen erst mit dem rechten und dann mit dem linken Auge -zu mir herüber; ein umständliches Verfahren, zu dem fast alle Vögel -gezwungen sind, wenn sie die Absicht haben, stereoskopisch zu sehen. -(Die gelehrten Eulen machen eine Ausnahme.) Es ist kein Vogel mehr -darunter, der mir gefällt; ich trete aus meinem Versteck, da hebt -sich die ganze Schar der Riesenvögel und kreist, wie vom Wirbelwind -getrieben, über mir in der Luft. Zwanzig gute Federn hatte der erlegte -Marabu. Ich nahm die Federn an mich; der Balg mit seinem schneeweißen -Flaum und die großen Flügel wurden von den Askari mit Sorgfalt für -die Ngoma[13] in Daressalam präpariert. Das Fleisch bekamen die -Eingeborenen. - - * * * * * - -Während oben die Vögel an dem Kadaver eines Flußpferdes fressen, tun es -im Wasser gleichzeitig die Krokodile. Diese geben sich alle Mühe, die -Beute für sich allein zu reservieren und ins tiefe Wasser zu ziehen. -Gelingt es ihnen, dann folgen sie dem treibenden Körper. Einem zwölf -Fuß langen Krokodil habe ich einmal vom hohen Ufer aus den Garaus -gemacht, als es einem toten, treibenden Kiboko folgend, unmittelbar an -mir vorbeischwamm, um den aufgedunsenen Kadaver herum sah ich wohl ein -Dutzend der langen, grünen Köpfe. - -Auf den Schuß zeichnete das große Krokodil; die übrigen entfernten sich -schnell und näherten sich dem gegenüberliegenden Ufer. Sie verloren -entweder die Spur des treibenden Körpers oder waren satt. - -[Sidenote: Schlafende Krokodile.] - -In der Nähe des Kadavers ruhen die Krokodile auf Sandbänken prall -vollgefressen; oft mit weit geöffnetem Rachen. Da ist es denn ein -besonderer Spaß, solch einen Schläfer in guter Deckung auf wenige -Schritte anzupürschen. Das gelingt stets, wenn er dicht an einer -hohen Böschung liegt. Aber auch auf freiem Sande geht es, wenn kein -anderes Krokodil in der Nähe ist und man den Schläfer genau von hinten -anschleicht. Wenigstens bin ich auf fünfzehn Schritt hinangekommen -- -im ersten Falle sagen wir auf drei Schritt, d. h. eigentlich bis ich -unmittelbar über ihm stand. -- Der Schreck der Bestie, wenn man ihr -dann einen Knüppel aufs Rückgrat wirft! Wie elektrisiert schnellt sie -empor und plauzt ins Wasser. - -Einmal wollte ich Flußpferde vom Boot aus photographieren. Der Strom -hatte nur wenig Wasser. Große Sandbänke lagen trocken, und an vielen -Stellen waren tote Buchten oder sogar kleine, abgeschlossene Teiche -entstanden. Von einem hohen Felsen aus konnte ich an dieser Stelle die -Krokodile zählen; Flußpferde steckten ihre Köpfe tief unter mir aus dem -Wasser; Nilgänse, Riesenreiher und Marabu standen am Ufer. - -Ich ließ zwei Kanoes zusammenbinden und fuhr auf die Flußpferdherden -los, um Aufnahmen zu machen. Unteroffizier Lauer saß im linken, ich im -rechten Boot. - -Die erste Herde tauchte unter, bevor ich eine Aufnahme gemacht hatte. -Eine andere Herde ruhte am Ufer, dicht hinter einem Felsen. Unser -doppeltes Boot trieb langsam an den Büschen entlang und an glatten -Steinen vorbei, die allmählich aus dem Wasser emporstiegen. In -schneller Fahrt wurde es um einen Felsvorsprung herumgerissen und -schoß dann in das seichtere Wasser einer kleinen Bucht hinein, in der -kein Strom war. - -Ein starker Bulle stand ganz auf dem Trockenen, die übrigen fünf Tiere -halb im Wasser. Eins hatte seinen Kopf ausruhend auf den Rücken eines -anderen Flußpferdes gelegt und hielt uns die breite, borstige Schnauze -gerade entgegen. - -Diesmal glückte es. Ich stand auf einem Feldstuhl, Lauer hielt mich an -den Fußgelenken fest. -- Die schwarzen Steuerer durchquerten die Breite -der Bucht, und bevor das Boot auf dem anderen Ufer mit sanftem Stoß -aufgehalten wurde, hatte ich eine Aufnahme gemacht. - -Die Herde suchte das tiefere Wasser auf und mußte dicht am Boote -vorbei. -- Starke Wellen gingen von den plumpen Tierkörpern aus, -schlugen gegen die Bordwand und liefen schäumend über den Sand. - -Wir waren sehr froh über das wohlgeglückte Manöver; frohlockten aber zu -früh! - -[Sidenote: Vom Flußpferd in die Luft geworfen.] - -Das Boot trieb wieder auf dem freien Strom und nahm Kurs auf ein -einzelnes Flußpferd, das den Kopf von Zeit zu Zeit aus dem Wasser hob; -ich wollte schießen. Auf hundert Meter tauchte der Kopf unter. Da ließ -ich bremsen, um in der Zeit, die der Dickhäuter unter Wasser zubringt, -nicht darüberhinwegzufahren. -- Plötzlich gab es einen starken Stoß -- --- -- ich fand mich im Wasser und tauchte auf: Das Boot, in dem ich -gesessen hatte, war zerbrochen, das andere lag auf der Seite. Hinter -mir rauschte es, ein großes Nilpferd durchquerte eine flache Stelle im -Strom. - -Mein erster Gedanke war an Gewehr und Kamera; doch bevor ich den Kopf -wieder in die gelbe Flut steckte, sah ich nach den Ufern, um mir die -Peilung einzuprägen. Wir trieben. -- -- - -Also erstmal zum Ufer mit allem, was noch oben schwamm! Das Boot wurde -auf den Sand gezogen. -- - -Ein Neger hatte die Ledertasche mit der Kamera und den Kassetten -ergriffen; das Wasser strömte heraus! - -[Illustration: An den Kadavern der Flußpferde schoß ich zwei Marabu mit -einer Kugel.] - -Mein Gewehr fehlte noch. Lauer und ich waren die ersten, die wieder -ins Wasser sprangen; keiner von uns dachte an die Krokodile. Die -Ruderer tauchten um uns herum; nach wenigen Minuten war auch das Gewehr -gefunden. - -Vermißt wurden nur noch entbehrliche Dinge. - -Leider mußte ich die Kassetten schnell öffnen und die Platten -herausnehmen, denn es war Wasser hineingedrungen; der schwarze Belag -blätterte von den Rückwänden ab, dennoch sind alle späteren Aufnahmen -gut gelungen. - -Wir sprachen über den kleinen Unfall, der einen so harmlosen Ausgang -hatte. Mein Begleiter sagte, er wisse ganz genau, wie er durch die Luft -geflogen sei, ich sei in kürzerem Bogen ins Wasser gerutscht. - -Es war merkwürdig, daß ich mich auf diesen Augenblick gar nicht -besinnen konnte; vielleicht hatte der starke Stoß mir für Bruchteile -von Sekunden die Besinnung geraubt. So erklärt sich auch nur, daß ich -mein Gewehr losließ. - -Ich glaube nicht, daß das Flußpferd uns hat annehmen wollen, sondern -es hat in so flachem Wasser gestanden, daß das Boot es berühren mußte. -Da ist das Tier erschreckt losgesprungen, hat, vielleicht lediglich -durch eine kurze Bewegung seines starken Kopfes, das Boot in die Luft -geworfen und dann über die nächste Sandbank hin das Weite gesucht. - -Es ist schwer, das Verhalten eines Tieres richtig zu beurteilen. Ich -bin der Ansicht, daß die Tiere im allgemeinen froh sind, wenn man -sie in Ruhe läßt, und daß sie nur, wenn man sie plötzlich stört und -belästigt, im ersten Unwillen sich ihrer Kraft bewußt werden und auf -den Störenfried drauflosrennen. - -Die Tatsache war aber nicht zu leugnen, daß uns ein Flußpferd in die -Luft geworfen hatte, und wir waren froh, den Schreck so billig bezahlt -zu haben. - -Völlig durchnäßt setzten wir die Verfolgung der Flußpferde in dem noch -schwimmenden Boote fort. - -Ich wollte einen starken Bullen schießen und mich dadurch für den -Verlust der schönen Aufnahme schadlos halten. - -Als ein starker Kopf die Augen und die Ohren aus dem Wasser steckte, -schoß ich. Der Schuß ging dicht vor den Augen durch den Schädel. -Einige Sekunden blieb das Flußpferd unter Wasser, dann sprang es -hoch heraus und schweißte stark. Mit geöffnetem Maul erschien es -immer wieder an der Oberfläche; es schien unfähig zu sein, in tiefem -Wasser aufzutauchen und suchte deshalb die Nähe einer Sandbank, wo es -halb aus dem Wasser herausstand und sich um nichts zu kümmern schien. -Wahrscheinlich war es vor Schmerz apathisch. - -Ich ließ gerade auf das Tier zusteuern. Als wir ihm auf Bootslänge -nahe waren, erkannte es die Gefahr, wandte sich plötzlich um und fuhr -ungestüm auf unser kleines Boot los; ein schneller Schuß ins Gehirn -tötete das Flußpferd jedoch auf der Stelle, kurz bevor es das Boot -erreichte. Zweifellos hätte das schwer gereizte Tier uns gefährlich -werden können. - -Den abgeschnittenen Kopf trugen acht Neger mit Mühe an einem langen -Baum; er mag wohl nahezu vier Zentner gewogen haben. - -An diesem Tage konnte ich noch ein merkwürdiges Erlebnis aufzeichnen: -als wir unter einer etwa zwei Meter hohen, steilen Uferböschung -ziemlich geräuschlos entlang fuhren, sprang ein großes Krokodil dicht -über das Boot weg ins Wasser. - - * * * * * - -Ein andermal schoß ich zusammen mit Herrn Bezirksamtmann Graß eine -Flußpferdherde ab, in der einige angriffslustige Bullen waren. Die -Bootsunfälle, durch Angriffe der Flußpferde hervorgerufen, waren an -dieser Stelle so häufig, daß die Neger sich mit ihren Booten nicht an -der Herde vorbeizufahren trauten, wenn nicht ein Askari mitfuhr, (der -durch sein Knallen wahrscheinlich nur dazu beitrug, die Tiere noch mehr -zu reizen). - -Der Strom war hier so tief, daß die Tiere entkommen konnten, indem sie -weite Strecken unter Wasser zurücklegten. - -Wir mußten deshalb auf dem Ufer nebenherlaufen, um in einem neuen -Versteck schon in Anschlag zu liegen, sobald die Tiere an einer -entfernten Stelle wieder auftauchten. - -[Sidenote: Jagd vom Boot aus.] - -Oft habe ich Flußpferde mit dem Boot verfolgt und so geschossen. Bei -dieser Jagdart müssen die Ruderer genau auf jeden Wink des Schützen -achten, weil die Kunst darin liegt, an der richtigen Stelle zu sein, -wenn der Kopf des Tieres auftaucht. Dann erscheint die breite, -borstige Schnauze manchmal dicht vor dem Boot und wird im Schreck über -die so unerwartet nahe Gefahr unter kurzem Prusten wieder unter Wasser -gesteckt. - -Die Begegnungen, die ich bei monatelangem Aufenthalt an Flüssen, Seen -und Sümpfen mit Flußpferden und Krokodilen hatte, sind zahlreich und -gaben mir viele Beobachtungen. - -In manchen Gegenden ertönte der tiefe, urkräftige Baß der alten -Flußpferdbullen Tag und Nacht. Keine andere Tierstimme hat so ungeheure -Macht und Stärke. Aus Seen mit dichtem, üppigen Schilf und schwimmenden -Pflanzen dröhnt zur Mittagszeit das Grunzen, von dem man nicht weiß, -ob es Groll oder Wohlbehagen ausdrücken soll. Heiß brennt die Sonne -auf dem Wasser. Oft habe ich schweigend zugehört, wenn ich am Ufer in -einem der tief ausgetretenen Pässe saß, auf denen das Kiboko nachts dem -Wasser entsteigt. - -[Illustration: Schädel eines von mir erlegten Nilpferds. - -_Dr._ R. Kandt sagt sehr treffend: „Das Gebiß sieht aus, als wäre -dem Tier bei der Schöpfung eine handvoll Zähne in jeder Form und Größe -in den Rachen geworfen worden, von denen jeder gerade Wurzel faßte, wo -und wie er zufällig hinfiel“.] - -Das Tierleben an solchem stillen Weiher zu beobachten, hat großen Reiz. - -Der helle, melodische Schrei des weißköpfigen Adlers ertönt aus der -Luft. Blütenweiße Edelreiher, Schlangenhalsvögel und graue Fischreiher -sitzen auf kahlen Ästen der Uferbäume, die ebenso wie das hohe Rohr mit -den zierlich geflochtenen Nestern der gelben Webervögel übersät sind. - -Da streicht ein Riesenreiher mit kupferrotem, im Bogen zurückgelegten -Hals über den See hin und fällt in meiner Nähe ein. Der „Korongo“[14] -steht vielleicht eine Stunde lang bewegungslos, bis er plötzlich mit -seinem Kopf nach unten fährt und mit einem zweipfündigen Fisch im -Schnabel langsam in ganz flaches Wasser schreitet, wo er den noch -Zappelnden bedächtig niederlegt. - -Mit schwirrendem Flug kommt einer der bunten Königsfischer angeflogen -und setzt sich auf einen Zweig, dicht vor meiner Nase, so daß ich das -farbenprächtige Kleid bewundern kann. Der kleine Räuber ähnelt mit dem -großen, starken Schnabel dem Bolzen einer Armbrust. - -Besonders stark sind die Flußpferde gegen Abend zu vernehmen; wenn -eins seine Stimme erhebt, ertönt fast ununterbrochen Antwort aus -entfernteren Herden. - -Es wird noch lange dauern, bis das letzte Kiboko aus den Flüssen -Ostafrikas verschwindet; aber die an paradiesische Zeiten erinnernden -großen Herden Tag für Tag um sich zu sehen, das mag nicht mehr vielen -Jägern beschieden sein. - -Ob man die Krokodile auch einmal schonen wird und, wie es jetzt in -Nordamerika geschehen soll, durch strenge Strafgesetze vor Ausrottung -schützen, das glaube ich nicht. Wenigstens scheint es mir zweifelhaft, -weil ich noch gelernt habe, diese Tiere als gefährliche Feinde des -Menschen zu fürchten. - - - [12] „_Dawa_“, irgend ein Amulett, ein Stück Horn oder Metall, ein - Knopf oder Stein, etwas Sand oder Mehl in Blätter, Papier, - Tuch eingewickelt, gebunden oder genäht und an einer Schnur am - Körper befestigt. - - Um sich solche „_dawa_“ zu beschaffen, laufen die Leute oft - sehr weit zu einem Zauberer, von dem sie gehört haben und - zahlen diesem einige Kupfermünzen dafür. - - Im Aufstand fanden wir bei allen Gefangenen kleine Fläschchen - mit Wasser. Meist waren es blaue Gläser, wie sie die Inder - zu Schnupftabak verkaufen; das Wasser weihte der Zauberer - Hongo, der an den Panganischnellen des Rufiyi wohnte (an einer - Stelle, die gleich weit von allen umliegenden Bezirksämtern - und Militärstationen entfernt war). Nach seiner Gefangennahme - entstand sofort ein neuer Jumbe Hongo, dessen Zauberapotheke - uns bei dem Überfall von Nyamwera in die Hände fiel. Der - Kriegsruf der Aufständigen war: „_Maji, maji_ = Wasser, - Wasser“ und hatte sicher mit den Fläschchen etwas zu tun, die - die Krieger bei sich trugen. - - [13] Ngoma heißt eigentlich „Trommel“ übertragen auch Tanzfest, - weil dabei die Trommel geschlagen wird. - - [14] _korongo_ = eigentlich Storch. - - - - -[Illustration: Gehörn einer Elenantilope vom Rufiyi.] - - -Jagden im Busch. - - -Im Süden der Warufiyi wohnen die Wapogoro; in kleinen Dörfern und -einzelnen Hütten im Busch. Da sie nicht weiter behelligt wurden, kamen -sie nicht zur Unterwerfung, bildeten aber eine stete Gefahr für mich; -denn mit ihrer Hilfe konnten die Aufständigen leicht Einfälle in die -von mir geschützten Gegenden machen. - -Ich wollte auch die Wapogoro zur Unterwerfung treiben und so einen -Stamm nach dem andern dem friedlichen Gebiete anschließen; deshalb zog -ich mit dem Unteroffizier und zwanzig Askari in das ziemlich schwach -bewohnte Land, in dem auch die Wasserstellen nach Süden immer seltener -wurden. Die Eingeborenen zeigten sich feindlich gesinnt, flohen jedoch -meist ohne Gegenwehr; ihre Dörfer wurden niedergebrannt und das -Getreide weggenommen. - -Eines Tages lagerte ich am Ende eines langgestreckten Sees und schickte -einen Gefangenen zu den Aufständigen, mit der Aufforderung sich zu -unterwerfen. - -Die Ufer des Sees säumte hoher Wald, der in lichten Buschwald überging; -an einer Seite war das Ufer unbewaldet, und eine Talmulde mit weiten -Grasflächen schloß sich an. Stark ausgetretene Wildwechsel mündeten am -Wasser. - -Vom Lager aus konnten wir im See die Flußpferde beobachten und die -Uferpartien überblicken, an denen das Wild zur Tränke kam. - -Da es bei meinem Hauptlager in Mtanza gar kein Wild gab, wollte ich -hier für meine Leute einen Vorrat schießen und hatte Träger genug -mitgenommen, um das Fleisch fortzuschaffen. - -Als ich kurz nach Mittag das Lager in Begleitung des Unteroffiziers, -einiger Askari und Träger verließ, waren alle Vorbereitungen für die -Nacht getroffen; ein Dornverhau umgab in weitem Bogen die Zelte und -war nach dem Wasser zu offen. Die Schwarzen hatten sich kleine Hütten -gebaut und hockten im Schatten. Einige badeten in dem flachen Wasser -am Ufer des Sees; andere brachten Brennholz. Ein Flußpferd, das sich -von der Herde getrennt hatte, war nahe herangekommen und beobachtete -neugierig und ängstlich die Vorgänge im Lager. Von Zeit zu Zeit tauchte -es unter, und erschien bald danach laut prustend wieder mit dem Kopf -über der Wasserfläche. Die Neger freuten sich darüber ebenso wie ich; -man konnte sich dem Eindruck nicht entziehen, daß das einzelne Tier -für die Sicherheit der ruhig im Hintergrund schlummernden Herde solch -Interesse an uns nahm. - -[Sidenote: Birsch auf Riedböcke.] - -An dem Rande eines Akazienwaldes pürschte ich entlang und brachte in -etwa zwei Fuß hohem, trockenem Grase bald einen Riedbock hoch, der nach -mehreren Fluchten verhoffte. Mit einem Hochblattschuß streckte ich -ihn im Feuer. Das blanke, starke Gehörn erfreute mich ebenso wie der -einwandfreie Schuß; es entsteht stets ein Gefühl von Sicherheit und -Befriedigung, wenn der Anfang der Jagd von Erfolg begleitet ist. - -Ich ging nun quer über die Lichtungen; da wurden mehr Riedböcke -flüchtig, die alle trotz der heißen Nachmittagssonne und der Nähe des -schattigen Waldes im hellen Sonnenlicht ruhten. - -[Illustration: Gehörn eines Swallahbocks (Schwarzfersenantilope.)] - -Hier wurde ich auf einen Umstand aufmerksam, der mir schon öfter -aufgefallen war. In der Ferne sah ich einen Gegenstand von rotbrauner -Farbe, einem Stück Hochwild täuschend ähnlich, erkannte aber durch das -Doppelglas, daß es ein Termitenhügel von matt dunkelbrauner Farbe war. -Vor dem Hügel schwankten einige gelbe Gräser, die mit bloßem Auge nicht -zu erkennen waren. Sie gaben ihm die rötliche Färbung. Mehrmals sah ich -abwechselnd mit bloßem Auge und mit dem Glase hin; der Unterschied -war auffallend. Dem unbewaffneten, also auch dem schwächeren Auge -vermengen sich wie die Gegenstände, auch ihre Farben und bilden eine -neue Gesamtfarbe. Augen verschiedener Sehschärfe werden also oft im -Freien die Farben verschieden sehen. Das macht sich am häufigsten -bemerkbar, wo Sträucher und Gräser die Gegenstände mannigfach bedecken. -Ein Jäger mit scharfen Augen kann also an vielem vorübergehen, was ein -anderer nur zu leicht für Wild hält, weil er Umrisse und Farbe anders -wahrnimmt, als sie dem Kurzsichtigen erscheinen. - -Die Landschaft nahm jetzt einen mehr parkartigen Charakter an; Gruppen -von Bäumen und Busch wechselten ab mit offenen Grasflächen, über die -einzelne Schirmakazien ihre weitausgelegten Äste breiteten. - -Auf einer Lichtung stand ein Gnubulle, sah uns einen Augenblick -verdutzt an und flüchtete in langsamem Galopp. - -[Sidenote: Schwarzfersenantilopen.] - -Ein Rudel -- etwa vierzig -- Schwarzfersenantilopen tanzte plötzlich -zwischen den Bäumen. Das sah wunderbar aus. Zum ersten Male sah ich -die „Swallah“, wie sie von Jägern und Eingeborenen genannt werden. -Wie Gummibälle federten die Tiere wohl um das Dreifache ihrer eigenen -Größe hoch in die Luft. Ich war entzückt über den Anblick und freute -mich über das Bild, das um so schöner wirkte, weil sich die Tiere -zwischen den Gruppen der Büsche und Bäume, in die das helle Sonnenlicht -hineinfiel, wie zwischen Theaterkulissen bewegten. Die auffallend rote -Farbe der Antilopen stand in frischem Gegensatz zu dem hellen Grün der -Gräser und Büsche. Die Tiere sprangen nicht einmal alle in derselben -Fluchtrichtung, sondern hier und dort schnellte ein Körper hoch über -die anderen empor, und es sah aus, als sprängen sie übereinander weg. - -[Illustration: 1. Buschbock vom Sigi; Ostafrika. 2. Giraffengazelle -aus der Massaisteppe. 3. Riedbock vom Pungwe; Südafrika. 4. Kudu vom -Kilimandscharo.] - -Es gelang mir der Herde den Weg abzuschneiden und einem starken Bock, -der als letzter folgte, die Kugel zu geben. Er zeichnete auf den Schuß -und flüchtete mit dem Rudel; doch folgte ich den frischen Fährten -und ließ Leute zu beiden Seiten gehen. Nach beinahe einstündigem, -angestrengtem Suchen wurde der Bock nicht weit vom Anschuß verendet -gefunden. Mit etwas tiefem Lungenschuß hatte er sich nach zweihundert -Schritten von dem Rudel getrennt und sich nach weiteren zweihundert -Schritten niedergetan. Da nur wenig Schweiß in der Fährte lag, war es -nicht möglich gewesen, dem angeschossenen Tiere in dem von vielen Hufen -aufgewühlten Boden zu folgen. - -Ich bewunderte die Farbe und den Glanz der Decke. Der Rücken ist -dunkelrot, an den Seiten wird die Färbung matter bräunlich und geht -unten und an der Innenseite der Läufe in reines Weiß über. Kräftige -Sprunggelenke und Sehnen an den Läufen befähigen das Tier, solche -Sprünge auszuführen, wie ich sie vorher sah. Die Decke liegt locker und -beweglich auf der fein ausgeprägten Muskulatur. An den Hinterläufen -befinden sich stark entwickelte, schwarze Haarbüschel; das Gehörn ist -glänzend schwarz poliert. - -Da es mittlerweile spät geworden war, schlug ich die Richtung zum -Lager ein und traf auf einer Lichtung ein starkes Rudel Wasserböcke, -die mich nicht bemerkt hatten. Mehrere saßen im Grase, während zwei -Böcke sich gegenseitig verfolgten und dabei den Kopf wie zum Angriff -senkten. Junge Swallahböcke ästen zwischen den ersten Büschen am Rande -der Lichtung. Als mich die Tiere bemerkten, standen die Wasserböcke und -äugten nach mir, so daß ich die schön gezeichneten Köpfe aus der Nähe -sehen konnte. - -Noch ein Rudel Schwarzfersenantilopen wurde flüchtig. Ich schoß zwei -Böcke krank, aber es dunkelte; ich mußte die Nachsuche für heute -aufgeben, band mein Taschentuch an einen Baum, verbrach den Anschuß und -bezeichnete die Stellen, an denen ich das Wild aus dem Auge verloren -hatte. - -Als ich aus dem Walde kam, näherte sich von der andern Seite ein -einzelner Neger den Lagerfeuern und wurde von den Posten angerufen. Es -war ein häßlicher Mpogoro, er reichte mir einen Giftpfeil als Zeichen -der Unterwerfung und kündigte das Erscheinen seiner Brüder für den -nächsten Mittag an. - -„Weshalb kommt ihr nicht heute?“ - -„Sollen wir Frauen und Kinder allein lassen? Wir müssen erst Hütten im -Pori bauen“ war die Antwort. - -Am Abend fiel leichter Regen; schnell machten sich alle Neger im Lager -dabei, ihre Hütten, die sie am Mittag gegen die Sonnenstrahlen erbaut -hatten, dicht mit Gras zu bepacken, so daß sie auch Schutz gegen den -Regen boten. - -Der Unteroffizier hatte einen Wasserbock geschossen, ich einen Riedbock -und eine Swallah. Als wir die Strecke besichtigten, glaubten wir auf -Tage hinaus verproviantiert zu sein; aber schnell verschwand das -Fleisch, obwohl kein Mangel an Nahrungsmitteln war; (denn jeder hatte -bei der Plünderung der Dörfer reichlich Getreide für sich auf die Seite -geschafft). Der sonst oft anspruchslose Neger kann, wenn Überfluß -vorhanden ist, unglaubliche Mengen vertilgen! - -Den Dank für die Gewährung so reichlicher Nahrung gaben uns die Leute -nach dem Mahle durch lautes, behagliches Aufstoßen zu erkennen. -Das klang so viehisch, daß ich mir unwillkürlich ausmalte, welchen -Eindruck es wohl machen würde, wenn Menschen das hörten, die keinen -Begriff von dem Gebahren der Neger haben. Gewiß würden viele es als -eine Unverschämtheit auffassen, wenn der Neger, während er mit ihnen -spricht, plötzlich laut aufstößt! Wie mancher wird da mit einer -handgreiflichen Antwort bereit sein! -- Und der Neger würde vielleicht -denken, der Europäer hält und versteht nichts von gutem Ton. - -[Sidenote: Die Post.] - -Der Abend brachte uns angenehme Erinnerungen an die Heimat. Ein -Bote aus Mohorro war angekommen und hatte, sorgfältig in schwarzes -Wachstuch verpackt, ein Paket gebracht, von dem Bezirksamtmann, Herrn -Graß. Ein ausführlicher Brief von ihm lag dabei, der mich über die -Verhältnisse in Mohorro unterrichtete. Als Antwort auf eine Bestellung -von Lebensmitteln hieß es: „Auch hier ist alles knapp. Der Dampfer ist -noch nicht dagewesen und wir erwarten täglich Lasten von Daressalam.“ -Aber Kaffee und mehrere Flaschen Rotwein schickte er mit, und vor allen -Dingen die Post. Ein Brief von den Eltern! Doch heute gab es noch -mehr. Alte Bekannte benutzten die Gelegenheit, mir zu meinen „Siegen“ -Glück zu wünschen; Zeitungsausschnitte und Abbildungen zeigten, -daß man meinem Aufenthalt hier ein ganz ungewöhnliches Interesse -entgegenbrachte. Stammtischkarten (eine Korona mit Biergläsern und § -11!) muteten mich in dieser Umgebung ganz eigentümlich an; ebenso auch -die Kartengrüße sammelnder Mädchen und Knaben, die glaubten, ich könnte -ihnen „per Feldpost“ Karten mit Ansichten meines „Kriegslagers“ senden. -Wie sonderbar war doch, was von dem Leben der Heimat zu uns in die -Wildnis drang! Eine Zeitung mit Neuigkeiten, die längst wertlos sind, -Zeitschriften, die in Wort und Bild spiegeln, wie die Ereignisse in -Afrika auf die Anschauung in der Heimat wirken und was dort bedeutend -erscheint; ein Katalog mit Bildern warmer Kleidungsstücke, deren -Anblick allein schon in der schwülen Abendluft eine Beklemmung auf der -Brust hervorruft; die „Jugend“, und eine vergessene Rechnung. - -[Illustration: Hartebeest, männlich (_bubalis lichtensteini_).] - -Der Koch brachte den langentbehrten Kaffee; der hielt uns wach, und ich -erzählte von den beiden Swallahböcken, die ich nicht gefunden hatte, -von Nachsuche, von deutscher Jägerei und früheren Jagden, die ich in -der Heimat erlebte. - -Mein Begleiter, der daheim nie etwas von den Dingen gehört hatte, -gewann immer mehr Interesse und freute sich darauf, an der Nachsuche -am nächsten Morgen teilzunehmen. Die Ankunft der Pogoro war erst für -Mittag in Aussicht gestellt. Wir konnten also den ganzen Vormittag -jagen und nötigenfalls am Nachmittage weitermarschieren. - -[Illustration: Hartebeest mit abgebrochenem Horn. - -(Erlegt bei den Panganischnellen des Rufiyi). Die Bruchstelle bedeckt -eine Hornplatte.] - -[Sidenote: Erfolgreiche Nachsuche.] - -In der Nacht regnete es stark, so daß ich mir von der Schweißsuche am -Morgen nicht viel versprechen konnte. Ich nahm deshalb den größten -Teil meiner Träger mit und begann den Busch an der Stelle, an der ich -die Böcke geschossen hatte, abzusuchen. In langer Reihe, mit Abständen -von zwanzig Schritt, ließ ich die Neger durch den Busch gehen und fand -bald den einen, aber erst nach Verlauf einer vollen Stunde den zweiten -Bock, gerade, als ich daran dachte, mit einem lauten „Halt“ die Suche -einzustellen. Das freute mich um so mehr, als die Neger die Arbeit für -ziemlich zwecklos zu halten schienen und ich ihnen beweisen konnte, daß -ich getroffen hatte und nicht auf einen Fehlschuß hin die langwierige -Nachsuche unternahm. - -„Schieß doch ein anderes Stück,“ hatte der Ombascha schüchtern gesagt -„hier sind ja so viele.“ - -Merkwürdigerweise waren beide Böcke während der Nacht von Raubtieren -nicht berührt worden, und auch die Aasvögel, die sonst oft dem Jäger -den Weg zu einem erlegten Stück Wild zeigen, fehlten ganz. - -[Illustration: Hartebeest, weiblich.] - -Da wir die Reittiere mitgenommen hatten, entschlossen wir uns zu einer -weiteren Pürsche durch den Busch und die Uferpartien des Sees. Aber die -Feldflaschen waren vergessen; wir mußten zum Lager schicken und warten. - -[Sidenote: Zebras und Hartebeeste.] - -Während die Neger im Schatten ruhten, kletterte ich auf einen Baum und -sah in dem hohen Gras zahlreiche Zebras, Hartebeeste, Riedböcke und -Wasserböcke. Durch das Gras gedeckt kam ich an ein Rudel Zebras nahe -hinan. Die feine Zeichnung dieser schönen Steppenpferde fiel mir heute -besonders auf; die Linien und Streifen über die Decke hin, über Kopf, -Hals und Mähne gaben ihnen ein samtartiges, geschmücktes Aussehen. Die -Zebras waren voll und rund, ganz im Gegensatz zu unseren Reittieren -mit ihren eckigen Formen. Lange genoß ich den schönen Anblick. Auf -meinem Maultier ließen sie mich sehr nahe kommen und flüchteten dann -im Galopp. War das ein Anblick für den Naturfreund und Jäger! Wie die -Mähnen federten, die Schwänze flatterten! Dicht drängte sich das Rudel -in der Flucht zusammen, und Staub schwebte hinter ihm. - -Unteroffizier Lauer schoß sein erstes Hartebeest. Der Boy kam mit -den Feldflaschen voll kaltem Tee. Ein Imbiß wurde genommen: kalter -gekochter Reis und eine Dose Sardinen. - -Die Natur der uns umgebenden Wälder ist in den Karten treffend mit den -Ausdrücken: „lichter Buschwald“, „Parklandschaft“ bezeichnet. Man geht -zwischen niederen Büschen im Schatten größerer Bäume. - -Eindrucksvoll ist der sogenannte Galeriewald, der die Ufer des Sees und -die jetzt trockenen Flußbetten säumt. Nach dem Wasser hin bildet er, -wie Regenwald, Wände grüner Pflanzenmassen, auch in der Trockenzeit. -Im Unterholz finden sich, die Laubbäume umschlingend und verbindend, -Lianen mancherlei Art, dazwischen große und kleine Dumpalmen; -stellenweise stehen ganze Haine der etwa fünfzehn Meter hohen Palmen -beisammen und alte, von Tieren abgenagte Kerne liegen haufenweise auf -dem Boden. Dieselben Kerne fand ich häufig auch an Stellen, wo keine -Palmen standen, als Reste von Elefantenlosung; denn die Elefanten -lieben die Früchte, und auch die Menschen nagen gern die dünne -Fleischschicht ab, die den großen Kern umgibt und im Geschmack an Äpfel -erinnert. - -In einer Talsenkung war eine kleine Waldwiese mit einem Teiche. - -Ich hatte gehofft, hier irgend etwas Besonderes zu finden; doch -nur zwei junge Swallahböcke mit handlangem Gehörn spiegelten ihre -schlanken Leiber in dem glatten Wasser. Sonst war der Wald wie -ausgestorben; wo keine Vögel, keine Affen sind, da kann man auch kein -Raubzeug erwarten. - -Um so lebendiger war es am See. Dutzende von Krokodilen lagen am Ufer, -Flußpferde fauchten und trieben sich im Wasser; die Vogelwelt fehlte -aber auch hier gänzlich. - -Im Lager erwarteten mich Boten mit Greuelnachrichten aus fernen -Gegenden, und schleuniger Rückmarsch zum Strom schien geboten. Die -angekündigten Wapogoro waren noch nicht zu sehen. Sollte ich ihretwegen -bleiben? -- Sie konnten ja auch nachkommen! - -Das Essen war fertig, die Lasten geschnürt, ich wartete bis gegen -drei Uhr, dann brach ich auf. Nach kurzem Marsche öffnete der Himmel -plötzlich seine Schleusen und ein Regen, wie ich ihn noch nicht gesehen -hatte, strömte auf uns und auf den von der Trockenheit zerklüfteten -Boden herab; in unglaublich kurzer Zeit stand das Wasser fußhoch. Ich -hatte keine Blechkoffer und mußte um meine Sachen und Sammlungen in -den Kisten besorgt sein. Aber was half es! Die Sorge war zwecklos und -wich bald einer stillen Ergebung in das Schicksal. Wir selbst wurden -durchnäßt bis auf die Haut; weiter ging es nicht, damit tröstete ich -mich und den Unteroffizier. - -Ein neues Mißgeschick kam hinzu: Mein Reittier wollte nicht mehr -vorwärts. Es war offenbar krank, und schien überhaupt nicht mehr -leben zu wollen. Unter Bewachung einiger Askari wurde es im Busch -zurückgelassen. Wir haben später nur sein Grab wiedergesehen. - -Als die Abendsonne noch einmal durch die Wolken brach, wie um -nachzusehen, welchen Eindruck die Dusche auf uns gemacht hatte, wurden -ihre spärlichen Strahlen noch genutzt, um unsere Sachen schnell zu -trocken. Wir befanden uns in einer Ortschaft unterworfener Leute im -Busch. Große Feuer wurden angezündet und das Mißvergnügen über die -Unbequemlichkeiten der Regenzeit beim Abendbrot vergessen. - -[Sidenote: Riedböcke.] - -Ein anderes Mal war ich mit meiner Truppe auf dem Marsche von den -Kitschibergen in die Ebene, als mir ein Sprung besonders starker -Riedböcke zu Gesicht kam. Das Schießen von Wild auf dem Marsche hält -oft unliebsam auf, da man nie weiß, ob nicht eine lange Nachsuche nötig -sein wird; deshalb ist es ratsam, in den ersten Marschstunden nichts -zu schießen und erst in der Nähe des Marschziels nach einem Braten -auszusehen, um auch den Trägern den Weg mit dem Fleisch möglichst zu -kürzen. - -Heute aber ließ ich die Karawane halten, lief den Riedböcken nach und -versuchte, da ich nicht viel Zeit opfern wollte, einen Schuß auf etwa -250 Meter mit Visier 300, unten angefaßt. - -Deutlicher Kugelschlag. -- Das Rudel, flüchtig, wird von dem kranken -Bock zurückgehalten -- wie man häufig beobachtet, daß ein krankes, -zurückbleibendes Stück die übrigen Tiere veranlaßt, zu warten. - -Ich laufe schnell nach und sehe den Bock mit einem Schuß kurz Blatt -nicht weit von mir flüchtig werden. Um die Jagd abzukürzen, schieße -und schieße ich, habe aber nur Vollmantelgeschosse geladen, die -im Gegensatz zu angefeilten und Bleispitzengeschossen nur geringe -Zerstörung im Wildkörper anrichten und deshalb ruhige, gute Schüsse -voraussetzen, wenn sie Erfolg haben sollen. - -Die Wirkung ist entsprechend gering, wenngleich von den fünf auf das -flüchtige Wild abgegebenen Schüssen zwei gut und einer als Streifschuß -sitzen. - -Jetzt tut der Bock sich nieder und bekommt einen Fangschuß durch den -Hals. So mittelmäßig diese Hetzjagd war, der Anblick des Gehörns ließ -kein Mißvergnügen aufkommen. Das Tier gehörte der größeren in diesem -Gebiet vorkommenden Art an. Sein Gehörn war breit ausgelegt und sehr -hoch, die Querwulste von feiner Plastik; die Decke war wolliger als die -des gelben Riedbocks. - -Ich habe nur ein Stück dieser Art am Rufiyi geschossen. Am Pungwe -in Südafrika erlegte ich später einen ähnlichen Bock. (Abbildung -Seite 175.) Den kleineren Bergriedbock, oder grauen Riedbock, der in -Südafrika und auf den Hügeln der Massaisteppe so häufig ist, habe ich -am Rufiyi nicht angetroffen. - -Es war noch in der Trockenzeit. Ich befand mich auf dem Rückwege von -einem Negerdorfe, in dem ich die wenigen Wapogoro angesiedelt hatte, -die sich unter meinen Schutz begeben hatten. Mein Zelt stand an einer -sandigen Böschung, die in der Regenzeit das Wasser eines breiten -Stromes begrenzt. - -[Illustration: Gelber Riedbock vom Rufiyi.] - -Zwei Stunden vor Sonnenuntergang brach ich auf, um auf Riedböcke zu -pirschen. Die Abendsonne schien freundlich in das Landschaftsbild; -klar zeichneten sich die fernsten Zweige ab; denn ein kurzer -Nachmittagsregen hatte die Luft gereinigt. Dicht bei einem kleinen, von -allen Seiten zugänglichen Tümpel zogen zwei Riedböcke; äsend und öfters -sichernd näherten sie sich einer Bodenfalte, in der sie für kurze Zeit -verschwanden. - -Ich lief schnell bis auf fünfzig Schritt hinan. Die Ricke warf auf und -äugte nach mir; ich stand ganz frei vor ihr. - -Von dem Gelb der Decke hoben sich die dunkeln Lichter, der Grind und -die Luserspitzen stark ab. Wohl zwei Minuten äugte das niedliche -Gesichtchen nach mir herüber, dann tat die Ricke einen quietschenden -Pfiff und sprang ab. Der Bock -- ein Schneider -- hinterher. - -Für den Pfiff habe ich einen naheliegenden Vergleich: es ist der -Ton, den Gummihunde und -puppen von sich geben, die innen hohl sind, -ein metallenes Pfeifchen haben und durch schnelles Zusammendrücken -musikalisch betätigt werden. - -Die Riedböcke hatte ich also laufen lassen! Weiter. Als nächstes Wild -sah ich Hartebeeste; mochte ich heute nicht. Dann, als die Sonne -schon zur Rüste ging, einen Riedbock und drei Ricken in welligem, -recht freiem Grasland. Zwei der Ricken gingen voraus, der Bock und -ein Schmaltier blieben auf einem Sandrücken stehen. Ich näherte mich -vorsichtig bis auf vierzig Schritt und stellte mich so, daß ich gerade -über die Gräser einer flachen Kuppe hinwegsehen konnte. - -Ich bin sehr nahe an dem Wild, der Wind ist aber gut, es wäre die -schönste Gelegenheit zu einer Aufnahme, aber leider habe ich die -Kamera nicht zur Hand. Darum suche ich mir den Anblick um so genauer -einzuprägen und beobachte die Tiere einige Minuten lang: Der Bock -erscheint dunkler als die Ricke, sein Hals ist stärker, die ganze -Gestalt voller, die Haltung des Kopfes ist steiler, das dunkle Gehörn -wirkt aus dieser Nähe als schöner Schmuck. -- Die beiden Tiere äsen -friedlich. Endlich entschließe ich mich zum Schuß. Der Bock, auf -den Stich getroffen, sinkt lautlos zusammen, Hals und Kopf bleiben -aufgerichtet. Nach einigen schwachen Versuchen, sich zu erheben, bleibt -er still sitzen, kein Mensch könnte diesem Tiere ansehen, daß es -tödlich getroffen ist. Das erstaunlichste aber ist: Selbst die Ricke -merkt es nicht, obwohl sie nahe bei dem Bock steht; hat auch den Schuß -nicht beachtet. Sie sieht wohl einmal nach dem Gefährten hin, äst dann -aber ruhig weiter. Ich gebe dem Bock noch einen Schuß aufs Blatt; er -verendet. - -Dasselbe rätselhafte Verhalten der Ricke! Sie äste noch einige Minuten, -hatte dabei offenbar das Bestreben, vorwärts zu gehen und äugte -mehrmals nach dem Toten, weil er nicht mitkam. - -Dann stand sie eine Zeit lang mit erhobenem Kopfe und schien die beiden -anderen Ricken zu suchen. Sah sie nicht; denn die standen seit dem -ersten Schuß, wie ausgestopft, auf 250 Schritt und äugten herüber. -Endlich entfernte sich die kleine Ricke in lässigem Galopp, ohne mich -bemerkt zu haben. - -[Illustration: Warzenschweine; Keiler und Bache. - -An der Küste sehr häufig und der Landwirtschaft schädlich; für den -Jäger ungefährlich. Ungemein häßliche Tiere. Hauptnahrung der Löwen. Wo -der Mensch die Löwen ausrottet, werden die Schweine oft zur Landplage.] - -Den Bock ließ ich bis zur Löwenfalle tragen und brach ihn dort auf. - -Die Falle hatte ein Askari, dem das besonderes Vergnügen machte, nahe -beim Lager aufgestellt und eine kleine Umzäunung gebaut; dahinein wurde -der Aufbruch des erlegten Wildes geworfen, nachdem es in weitem Bogen -herumgeschleift war, um den Raubtieren Witterung zu geben. - -Die Sonne war kaum untergegangen, die regenfeuchte Erde verbreitete -eine wohltuende Kühle, da kam ein tiefes dumpfes Brüllen aus einem der -nächstliegenden Büsche. - -Der Löwe mußte schon vorher in unserer Nähe gewesen sein und zog jetzt -der Witterung nach. Ein zweiter ließ sich nicht weit davon hören. -- - -Nach einer halben Stunde erklang es aus der Ferne noch einmal. Ich -kniete vor dem Dornenzaun meines Lagers, neben mir drei Askari mit -ihren Gewehren. Einen Augenblick sahen wir den Löwen in der Nähe der -Falle zwischen den Büschen, und glaubten er würde hineingehen. - -Er tat es leider nicht, wie ich am andern Morgen sah; eine Hyäne war, -vielleicht schon bevor die Löwen an dem Platz vorbeikamen, in das Eisen -gegangen, hatte es etwa sechzig Schritt weit geschleppt, sich dann -befreit, und nur einige Haare und etwas Schweiß zurückgelassen. - -Riedböcke sind mir stets ein begehrenswertes Wild gewesen, und ich -habe selten eine Gelegenheit vorüber gehen lassen, einen guten Bock zu -schießen. Fleisch gebrauchte ich für meine Karawane immer; die Jagd hat -einen ähnlichen Reiz, wie die Pirsch auf Rehböcke; weil man bei diesen -Tieren meist die Möglichkeit hat, den Starken zu suchen; das kleine -schwarze Gehörn aber wird ebenso wie Gamsgehörn und Rehkrone in Stunden -der Erinnerung Gegenstand langer ästhetischer Betrachtungen. Die -Ähnlichkeit des Wildes im Aussehen und Benehmen mit dem heimatlichen -Rehwild ist ganz erstaunlich; wo ich jagte besonders konnte ich unter -dem Eindruck der Rehbirsch stehen; denn die Riedböcke bevorzugten -breite, freie Sandflächen mit wenig Gebüsch und kurzem Gras. Von weit -her konnte ich die gelb-rot gefärbten Tiere wahrnehmen. - -Nie habe ich mehr als sechs Riedböcke an einem Platze zusammen -beobachtet, meist einen Bock und eine bis zwei Ricken allein, ähnlich, -wie unsere Rehe zusammen leben. Die Riedböcke lieben die Nähe des -Wassers, und man kann sicher sein, sie in Grasniederungen, die von -Flüssen durchschnitten werden, zu finden. Der Riedbock ist sehr bequem; -er legt keine weiten Strecken zurück und ist täglich an derselben -Stelle wieder anzutreffen. Ich habe einen einzelnen Bock, den ich an -der Stärke seines Gehörns kannte, mehrere Tage hintereinander an einer -bestimmten Stelle angebirscht, dann nach Wochen und Monaten wieder dort -gesehen. - -In den Morgenstunden sieht man die Riedböcke in kurzem Grase äsen, -doch tun sie sich bald im höheren Grase nieder und verzichten dabei -auf Schatten. Ihre Harmlosigkeit ist sehr groß; selbst wenn sie sich -aus Verdacht erhoben haben, setzen sie sich sehr bald wieder. Dies -Hinsetzen gleicht mehr einem trägen Sichfallenlassen; das Bedürfnis -nach Ruhe scheint ungemein stark zu sein; doch wird der Riedbock, -plötzlich überrascht, schnell flüchtig. Auch dann ist er mir selten -entgangen, wenn ich ihn schießen wollte. Ich hatte eine bemerkenswerte -Art der Jagd herausgefunden: Während das Stück in Bewegung war, lief -ich ihm nach, um es im Auge zu behalten, und an einem günstigen Platz -in Anschlag zu gehen; denn der Bock bleibt sehr bald stehen, stellt -sich breit und äugt zurück. Machte er aber nicht Halt, dann brachte ein -Schuß über seinen Kopf hin, ihn fast regelmäßig zum Stehen. Der nächste -Schuß darf dann freilich nicht lange auf sich warten lassen! - -Selten habe ich es nötig gehabt, einem hochgebrachten Stück in -dichteren Busch zu folgen. Das ist schwierig; die Aufgabe reizte mich -aber, als eines Tages ein frischer Regen alle alten Fährten ausgelöscht -hatte und die Folge auf einer gesunden Fährte dadurch möglich wurde. - -Ein starker Bock war von einer breiten Grasfläche gut in den Wind in -das Dickicht geflüchtet, wo ich nur Schritt für Schritt auf der Fährte -folgen konnte. Nach 300 Metern etwa sprang der Bock hinter einem Busch -ab; nach weiteren 500 Metern sehr aufmerksamen Pirschens sah ich seinen -Kopf hinter einer kleinen Fächerpalme etwa fünfzehn Schritt vor mir. -Mit einem schnellen Schuß streckte ich das Tier. Ich hatte die Stellung -ziemlich richtig angesprochen; der Schuß saß hinter der Schulter. - -Die Riedböcke haben zwischen den Hinterblättern vier beutelartige -Vertiefungen von etwa drei Zentimeter Tiefe; Drüsen befinden sich nicht -darin. Da ich mir über die Bedeutung dieser Gruben nicht klar wurde, -fragte ich auch die Neger danach und bekam eine der häufigen Antworten, -aus denen der Weiße schließen muß, daß die Beobachtungsgabe des Negers -unzuverlässig ist. „Mit diesen Löchern“ hieß es, „erregen die Tiere -beim Laufen die Pfiffe, die ein erschreckter Riedbock gelegentlich von -sich gibt!“ - -Eines Tages pirschte ich mit dem Bezirksamtmann von Mohorro, Herrn -Graß. Wir brauchten notwendig Fleisch, deshalb sollten auch schwache -Böcke daran glauben. Das erste Stück bemerkte ich und schoß flink, als -ich sah, daß es ein Gehörn hatte. Es fiel mit Kreuzschuß, dabei war -nichts Besonderes. Aber jetzt kam es drollig: Die nächsten drei Stücke -zogen in lichte Flötenakazien, und wieder bemerkte ich die Tiere vor -den Schwarzen. Rechtwinklig zur bisherigen Marschrichtung pirschten wir -nach, sahen durch die Gläser und suchten nach Gehörnen. So vergingen -einige Minuten, da raunte uns ein Neger mit erregter Stimme zu: -„Bwana! dort ist Wild, da! da!“ und zeigte in die Richtung auf unsere -Riedböcke. Wir dachten mindestens an Löwen und stierten vergeblich -suchend ins Gelände. „Ja, seht ihr’s denn nicht?“ sagte in überlegenem -Tone der Schwarze. „Meinst du die Riedböcke?“ Wirklich, so war’s! Ich -hätte ihn prügeln mögen, daß er unsere Erwartungen vergeblich anspannte! - -Endlich steht der Starke schußrecht vor einem Busch. - -Ich schieße; Kugelschlag! - -Er springt ab; hinter dem Busch aber, vierzig Schritt weiter, schlägt’s -mit den Läufen: da liegt ein Spießer! Ich hatte den ersten überschossen -und den zweiten getroffen, ohne ihn gesehen zu haben! In beiden Fällen -hatte ich zu hoch geschossen, weil ich die Entfernung überschätzte. - -Ich brachte mehrere Tage in dem unbewohnten Busch im Süden der -Landschaft Usaramo zu, um die Zustände dort kennen zu lernen, und -Verstecke versprengter Aufständiger, von denen ich Nachricht erhalten -hatte, zu suchen. - -Es war Anfang Oktober, also gegen Ende der Trockenzeit. Der Wald sah -winterlich kahl aus, der Boden war steinhart und das Gras, wo es noch -nicht niedergebrannt war, völlig dürr. Trotzdem war Wild zu spüren: -Zebra, Wasserbock, Elenantilope und einzelne Büffel. Auf ein Rudel -Swallah pirschte ich ohne Erfolg, ich bekam keinen der Böcke zu Schuß. -Ebenso ging es mir mit zwei fast schwarzen Rappböcken, an denen die -ganze Karawane auf fünfzig Schritt vorbeigegangen war, ehe die stolz -dastehenden Tiere im Gewirr der Äste gesehen wurden. - -An einem kleinen, damals fast trockenen Fluß spürte ich auch Löwen und -Elefanten, konnte mich aber ihretwegen nicht aufhalten. - -Nach einigen Tagen traf ich die verlassenen Verstecke der Aufständigen. -Obwohl deutliche Anzeichen da waren, daß die Leute erst vor kurzem in -den kleinen Tümpeln im Bett des Baches Schlammfische gefangen hatten, -war keiner der heimlichen Räuber mehr aufzutreiben; ich mußte das -weitere Suchen einstellen, da die mitgeführten Nahrungsmittel zu Ende -gingen. - -Meine Leute verlangten nach Fleisch. Ich schlug abends nach langem -Marsch das Lager nahe an einem der wenigen, im schattigen Flußbett -versteckten Teiche auf, die von der Regenzeit zurückgeblieben waren, -und ging am frühen Morgen pirschen. An die dichte Vegetation des Baches -schloß sich lichter, dürrer Steppenwald. Dort suchte ich Wild und hielt -mich dabei in der Nähe des Wasserlaufes; aber das einzige Wild, was -mir in fünf langen Stunden zu Gesicht kam, waren Hartebeeste, die weit -flüchteten. - -[Sidenote: Elenantilopen.] - -Als ich im weiten Bogen schon beinahe auf meinen Lagerplatz -zurückgelangt war, kam ich an eine Stelle, die mit Fährten geradezu -bedeckt war. Elenantilopen! Hufabdrücke, die durch ihre Größe zuerst -auf Büffel schließen ließen; alle in einer Richtung und ganz frisch! - -Eifrig folgte ich der Spur und traf nach zwanzig Minuten die Herde -die in langsamer Bewegung vorwärts zog. Ich hieß meine Schwarzen sich -niederlegen und pirschte allein vorsichtig weiter, so gut es ging am -Rande eines Mimosengehölzes Deckung haltend. Aber es ging eben nicht; -denn ich zählte etwa achtzig der großen Hornträger, die in den Büschen -zerstreut vorwärts gingen, so daß einige der Tiere mich stets sehen -mußten. Auffallend war der Unterschied in der Färbung der Tiere; ein -helles Braun herrschte vor, doch einzelne besonders starke Tiere waren -gelbgrau; das mußten die Bullen sein. Alle trugen hohe, gedrehte -Hörner. Ein prächtiger Anblick! Der vielen Kälber und der Mittagshitze -wegen schob sich die Herde nur langsam vorwärts, und ich hatte -Gelegenheit, die riesenhaften, als ziemlich selten geltenden Antilopen -zu beobachten, die ein Gewicht bis zu zwanzig Zentner erreichen. Da -ich Fleisch für meine Leute beschaffen mußte und nach den bisherigen -Erkundungen des Tages wenig Aussicht war, anderes Wildbret zu erhalten, -entschloß ich mich, ein Stück zu schießen. Die Wahl wurde sehr schwer, -da die Herde in ständiger Bewegung war und die Tiere sich durcheinander -schoben. Der Entfernung halber kamen überhaupt nur die letzten -Stücke in Betracht, und unter ihnen suchte ich nach einem möglichst -stattlichen Exemplar der hellgrau gefärbten Tiere, die ich für die -Bullen hielt. Da aber die Farbenabstufungen ineinander übergingen, -richtete ich mein Augenmerk bald mehr auf die stärksten Tiere und -wählte ein abseits gehendes, prächtiges Stück mit hohem Gehörn. - -Ich kam gut ab und hörte den Aufschlag des Geschosses, aber die -Antilope ging mit der Herde beschleunigt ab. Im vollen Lauf folgte -ich und sah bald, wie eine einzelne Elenantilope, offenbar krank, -langsam der Herde nachzog. Vom schnellen Laufe erregt, blieb ich einen -Augenblick stehen, um meine Ruhe wieder zu gewinnen und schoß spitz von -hinten auf den Hals; die Antilope brach zusammen. - -Als ich neben dem gefallenen Wild stand, sah ich mit Schrecken, daß es -eine Kuh mit vollem Euter war; alle Freude an dem Jagderfolg schwand. -Mißmutig und ziemlich ermattet zog ich meinen Rock aus und legte -mich in den spärlichen Schatten einer Akazie, um die Leute mit der -Feldflasche und den Messern zu erwarten. Ich hatte, einem erprobten -Grundsatz folgend, trotz der sengenden Sonnenglut den ganzen Morgen -keinen Tropfen getrunken und war durch das schnelle Laufen stark -erhitzt; die Zunge klebte am Gaumen und ich sehnte mich nach einem -erfrischenden Trunk. - -[Illustration: Elenantilope.] - -[Sidenote: Elenantilope.] - -Aber der Boy kam ohne die Feldflasche! Ein Askari bot mir Wasser aus -der seinen. Ich widerstand der Versuchung; ungekochtes Wasser? Nein, -lieber weiter dürsten, als sich einer Dysenteriegefahr aussetzen. Ich -saß in schlechter Laune und starrte auf meine Jagdbeute, da fiel mein -Blick auf das volle Euter der eben erlegten Antilope. Ich dachte mir, -es sei nichts Unappetitliches, einem noch lebenswarmen Tiere die Milch -zu nehmen und es interessierte mich auch, den Geschmack kennen zu -lernen; sollen doch ähnliche Antilopen bei den alten Ägyptern Haustiere -gewesen und wie Milchkühe genutzt worden sein. Ich füllte einen Becher -mit der warmen Milch und trank -- es schmeckte genau wie frische -Kuhmilch. - -Während meine Leute das Tier sorgfältig abdeckten und sich über den -großen Fleischvorrat freuten, dachte ich daran, ob das Kälbchen wohl -eine Pflegemutter finde? Es schien mir sehr unwahrscheinlich. Nur -von wenigen Tieren weiß man, daß säugende Mütter sich fremder oder -verwaister Kälber annehmen. Vom Elefanten wird es behauptet; bei -Flußpferden beobachtete ich einen Fall, bei dem nach Abschuß einer -Mutter das etwa zwei Monate alte Junge einige Tage später treibend im -Strome gefunden wurde. Vielleicht war kein Weibchen mit ausreichender -Nahrung vorhanden gewesen, hier bei der Herde waren aber mehrere -Mütter, die die Ernährung hätten übernehmen können. Hoffentlich haben -sie sich der armen Waise angenommen. - -Es ist gut, wenn sich der Jäger über die Folgen seiner Handlung selbst -zur Rechenschaft zieht. Auch in diesem Falle konnte ich mich nicht -damit entschuldigen, daß es schwierig ist, die Bullen von den Kühen zu -unterscheiden; denn der richtige Jäger ~muß~ diese Unterscheidung -machen und sie als eine gesteigerte Anforderung betrachten. Die -Tatsache, daß es viele nicht können, ändert nichts an dem Unheil, das -durch Abschießen stillender Tiere angerichtet wird. Aber auch der beste -Jäger hat wohl dem Wilde viel Leid zugefügt und mußte viel Lehrgeld -zahlen, bis er es zum waidgerechten Jagen brachte und mit sich -zufrieden sein konnte. - -Ich erinnerte mich an ein Bild, das mir als Jungen von vierzehn Jahren -und angehenden Jäger tiefen Eindruck gemacht hat: - -Auf einsamer Höhe steht ein Hirschkalb bei seiner toten Mutter. - -„Verwaist“, lautete die Unterschrift. -- -- - -„Mir sind die Jäger überhaupt unverständlich,“ sagte ein Freund, „sie -schießen die Tiere tot und nachher tut es ihnen leid.“ - - - - -[Illustration: Unteroffizier Lauer sieht sich das Gehörn meines -am Rufiyi erlegten Büffels an. Daneben liegen Gehörne von Gnus, -Wasserböcken und eine Rappantilope. -- Im Hintergrunde sieht man den -Pallisadenzaun, links eine angefangene Hütte, rechts die „Hauptwache“, -und den Hund „Moritz“.] - - -Büffeljagden. - - -In Ostafrika gilt das Gehörn eines starken Kaffernbüffels als die -schönste Trophäe, die ein Jäger erbeuten kann. Nicht mit Unrecht steht -hier der Büffel über dem Löwen; denn ob man einen Löwen antrifft, ist -meist Zufall, und die Reviere, in denen man mit der Absicht, Löwen zu -schießen, pirschen kann, sind selten. Der Erfolg ist weniger von der -eigenen Kunst als vom Glück abhängig. Wer aber heute Büffel jagen will, -muß sie suchen, darf keine Mühe und Anstrengung scheuen und kann dann -den Erfolg meist dem eigenen Geschick zuschreiben. Wer die entlegenen, -schwer zugänglichen Plätze, an denen Büffel stehen, nicht aufsucht und -sich von Mißerfolgen abschrecken läßt, wird die heimlichen Rinder der -Wildnis nicht zu sehen bekommen. - -Man unterscheidet mehrere Arten von afrikanischen Büffeln; unter ihnen -ist der Kaffernbüffel der stärkste. Ihm nahe steht der abessynische; -der westafrikanische Rotbüffel ist kleiner, die Hörner sind kurz, die -hellere, gelbbraune Färbung läßt den Ausdruck der Wildheit nicht so -stark hervortreten. - -Den Kaffernbüffel zeichnet seine Seltenheit, seine aus vielen Berichten -bekannte Angriffslust und Gefährlichkeit aus, und macht die Jagd auf -ihn zu dem reizvollsten Unternehmen, das der Jäger in Ostafrika kennt. -Von ihren Büffeljagden erzählen selbst alte Jäger mit großer Wärme und -Begeisterung, und ich habe oft gemerkt, daß mein Ansehen als Jäger -bedeutend stieg, wenn ich meine starken Büffelgehörne zeigen und wenn -ich glaubhaft machen konnte, ich habe sie selbst erbeutet. - -Nach dem, was ich mit den Büffeln erlebte, verstehe ich auch, daß -jeder erfahrene Jäger den Erzählungen von Büffeljagden mit besonderer -Neugierde lauscht. - -Der Büffelstier trägt gewaltige, helmartig auf dem starken Knochenbau -des Kopfes aufgesetzte Hörner, die bei alten Bullen eine Breite von -30 Zentimeter und eine Auslage von über 1,20 Meter erreichen und -deren Masse sich auf dem Scheitel fast vereinigt. Während diese -schützend auf dem Schädel aufgelegte und durch starke Knochenzapfen -getragene Hornmasse das Tier befähigt, durch die Wucht seines -Ansturms niederzudrücken, was sich ihm in den Weg stellt, und starke -Stöße aufzufangen, bilden die nach vorne und oben gebogenen spitzen -Hörner eine Waffe, die gefährliche Verletzungen austeilen kann. Die -Hörner sind nach hinten geneigt und verlaufen, sich verjüngend, in -regelmäßiger Biegung bis zu den Spitzen. - -Der Anblick des herrlichen Gehörns ruft in dem Jäger den Wunsch wach, -den kräftigen Tierkörper einmal zu sehen, der diesen Kopfschmuck als -Schild und Waffe vor sich herträgt. - -[Sidenote: Büffel; Seltenheit.] - -Leider ist aber der Kaffernbüffel[15] in Ostafrika jetzt ziemlich -selten. Während früher ganze Herden der Tiere in den Gebieten zwischen -Tana und Rovuma zu finden waren, leben heute nur noch kleine Trupps, -die die Rinderpest durch Zufall oder besondere Veranlagung überstanden -haben. - -Ihr Aufenthalt ist nicht mehr in den offenen Steppen, wie in früheren -Zeiten, sondern in schwer zugänglichen, von Menschen gemiedenen -Schilfniederungen und einsamen, kühlen Wäldern mit guten Weiden und -Wasser. - -Ich hatte Glück mit den Büffeln. - -Allerdings habe ich den ersten Büffel, ebenso wie seinerzeit den ersten -Hirsch, den ersten Elefanten und später auch das erste Nashorn, das ich -sah, nicht zur Strecke gebracht. - -Es war am Rufiyi; ein Abend nach langem Marsche. Ich suchte Wild, um -die hungrigen Mägen meiner Askari und Träger zu füllen; traf im hohen -Schilfgras alte und neue Büffelfährten, folgte hierhin und dorthin, bis -die Sonne dem Horizont nahe war, und blieb endlich auf einer kleinen -Anhöhe stehen. -- -- Da sah ich, wie sich aus einem dunklen Etwas, das -ich für einen Erdhügel angesehen hatte, ein gekrümmtes Horn erhob. -- --- Ein Büffel auf etwa dreißig Schritt! - -Die Sonne steht genau über dem Tierkörper und blendet mich, während -die Umrisse der regungslos verharrenden Masse in dem Feuer des -Lichts verschwimmen, so daß ich auf dem dunklen Tierkörper nichts -unterscheiden, und nur aus der Stellung des plötzlich aufgetauchten -Horns schließen kann, wo ich die Stirn etwa zu suchen habe. Schnell -greife ich nach der Büchse, die ein Schwarzer trägt, und schieße kurz -entschlossen auf den Kopf etwas unter die Hörner. - -Der Büffel wirft sich herum und verschwindet, in hohem Schilfgrase -davontobend. - -Ich folgte der Fährte des kranken Stiers, solange es das Tageslicht -erlaubte. Er war im Galopp durch das Schilf gestürmt; an mehreren -Stellen fand sich Schweiß. Als ich der Fährte eine halbe Stunde lang -nachgegangen war, wurde es dunkel und ich mußte die Jagd abbrechen in -der seltsamen Stimmung, die jeder Jäger in der Lage kennt: Grübeln, -Hoffnung, Ausfragen aller Leute, die so aussehen, als könnten sie einem -Mut zureden, Vorwürfe gegen sich selbst und das ewige „wenn“ und -„aber“ auf alle durchlebten Momente der Jagd angewandt; endlich wieder -hoffnungsfrohes Ausmalen des Erfolges: wenn wirklich der erste Büffel -zur Strecke gebracht wäre! Und der Gedanke an den und jenen Freund, dem -man seine Freude mitteilen wird! - -Aber ich mußte mir sagen, daß die Hoffnung, den Büffel zu finden, -gering war; denn ein Kopfschuß hat nur Sinn, wenn er das Gehirn trifft -und das Tier gleich umwirft. - -Bei ruhiger Überlegung wußte ich, daß dieser Büffel für mich verloren -war, und in bösen Augenblicken peinigte mich der naheliegende Gedanke, -daß mein Schuß dem edlen Tiere Verletzungen am Geäse beigebracht -haben konnte, die ihn an der Aufnahme von Nahrung hinderten und zum -Hungertode verurteilten, eine Möglichkeit, die schon manchen sicheren -Schützen und gewissenhaften Jäger von den Kopfschüssen abgebracht hat. - -Auf den Kopf habe ich geschossen, weil mir aus Wißmanns und anderer -Jäger Schilderungen in Erinnerung war, daß ein Büffel stets annimmt und -weil die Entfernung zwischen mir und dem Büffel zu gering war, als daß -er, durch einen Blattschuß verwundet, mich nicht mehr hätte erreichen -können. -- Ein Kopfschuß, der das Gehirn trifft, tötet jedes Tier auf -der Stelle. - -Es ist mir nicht klar, wie ich den Büffel getroffen habe. Mit einem -Blattschuß oder Weidewundschuß hätte ich ihn jedenfalls zur Strecke -gebracht. - -Ich mußte am nächsten Morgen weitermarschieren. Erprobte Eingeborene -suchten den kranken Büffel noch tagelang und stellten fest, daß er -lebte und die alte Wasserstelle, einen unzugänglichen Sumpf, annahm. -Die Leute kannten ihn als den „roten“ Büffel; er sollte ausnahmsweise -rötliche Behaarung tragen, was ich bei der Beleuchtung nicht sehen -konnte. - - * * * * * - -[Sidenote: Ein Mißerfolg.] - -Daß ich den ersten Büffel nicht hinter die Schulter schoß, konnte ich -mir lange nicht verzeihen und mein Wunsch, so edles Wild wieder zu -treffen und dann die Scharte auszuwetzen, wurde immer brennender. - -Wenige Monate später schien er in Erfüllung zu gehen. Als ich -wieder einmal in eine Gegend kam, in der ich die ziemlich frische -Fährte eines starken Büffels sah, nahm ich meine zwei besten und -ausdauerndsten Leute mit und suchte vom frühen Morgen an nach dem -heimlichen Wild. Nach rastlosem Marsche durch offenen Busch mit -eingestreuten Grasflächen kam ich gegen drei Uhr nachmittags an eine -Schilfniederung, warf mich ermüdet im Schatten eines großen Mangobaumes -nieder und schickte Sefu, meinen Gewehrträger, in den Baum, um nach -Wild auszusehen. Ali, mein zweiter Begleiter, umkreiste die anderen -Mangobäume und entdeckte an den von Menschen und Tieren bereits -abgeernteten Bäumen noch einige versteckte Früchte. - -Wenn es doch überall Mangobäume und Kokospalmen gäbe! dachte ich (-- -- -dann, muß es allerdings heißen, würden die Neger gar nicht arbeiten!). -Der Saft einer Kokosnuß oder das Fleisch einer reifen _embe dodo_, -einer großen Mangofrucht, gehören nach anstrengendem Marsch zu den -großen Genüssen, die Afrika bietet. Im Schatten eines fruchtbeladenen -Mangobaumes ruhend, kann man getrost singen: „Bei einem Wirte -wundermild, da bin ich heut zu Gaste.“ - -Die einzigen Störenfriede waren heute Ameisen, die in reichlicher -Anzahl den Boden bedeckten und mich aus dem kühlen Schatten vertreiben -zu wollen schienen. - -Ich dachte gerade, ob ich wohl einen Büffel zur Strecke bringen würde -und dann den ersten Mißerfolg auf das heiß begehrte Wild vergessen, -als Sefus Stimme hoch oben aus dem Baume erklang: „Ich sehe Wild. -- -Vielleicht Wasserbock!“ Wie mich die Meldung des Schwarzen aufspringen -ließ! Merkwürdig: ich glaubte nicht an Wasserbock, und war fest -überzeugt, es müsse das ersehnte Wild sein. - -Mit neuem Mut stieg ich selbst auf den hohen Baum und sah durch das -Doppelglas einen langen, grauen Wildkörper, der mir für die Entfernung -von etwa 1500 Meter sehr groß erschien; das mußte ein Büffel sein! -Schnell die Richtung eingeprägt und dann durch hohes Gras drauflos. - -Als wir noch nicht an der Stelle angelangt waren, die ich mir gemerkt -hatte, klettere ich wieder auf einen Baum, dessen schwache Äste soeben -meinem Zweck genügten, konnte aber den Büffel nicht mehr an dem alten -Platze sehen. - -Vor mir lag ein Sumpf mit hohem Schilf in einer Ausdehnung von etwa 700 -Meter Länge und 300 Meter Breite. An dem jenseitigen Rande des Sumpfes -fand ich mit dem Auge die Stelle wieder, an der der Büffel gestanden -hatte. - -Ich überlegte noch, ob ich den Sumpf umgehen und die Fährte aufnehmen -sollte; da blickte ich zufällig unter mich und gewahrte den Büffel etwa -fünfzig Schritt von mir entfernt, wie er langsam durch das Schilf ging -und gerade eine kleine, tiefere Pfanne passierte, in der die Gräser -weniger hoch waren. - -Schnell winke ich dem Sefu, mir die Büchse zu reichen, -- -- das -gelingt; und von meinem schwankenden Beobachtungsstand aus gebe ich dem -stahlblau aussehenden Tiere einen Schuß hinter die Schulter, gerade als -es in höherem Schilf verschwinden will. - -Gut getroffen macht der Bulle ein paar mächtige Galoppsprünge, und ich -sehe an der Bewegung im Schilf, wie weit er geht. -- -- Das ist kaum -mehr als 30 Meter vom Anschuß. - -Nichts regte sich mehr. - -Meine Neger standen unter dem Baum, reckten die Hälse, konnten aber -nicht über das hohe Gras hinweg sehen. Ich reichte die Büchse hinunter --- ein verfluchtes Gefühl, die geladene Büchse an der Mündung fassen zu -müssen oder sie in der Lage herauf zu bekommen! -- und stieg selbst von -meiner Kanzel. - -„Nyati!“[16] sagte ich in würdevollem Tone zu meinen beiden Getreuen, -denen ich vor Freude je fünfzig Rupie geschenkt hätte, wenn ich sie zur -Hand gehabt hätte. - -Ich war in einem Zustand, wie ein Kind vor der verschlossenen Tür, -hinter der der Weihnachtsmann ausgepackt hat. Noch ist das Geschenk -nicht mein, aber ich weiß, daß ich es bekomme. -- Nur Geduld! - -Ich wollte eine Stunde warten, um dem Büffel Zeit zu lassen, sich zu -verbluten. - -[Illustration: Ein kapitaler Kaffernbüffel; das am meisten begehrte -Wild in Ostafrika.] - -Solange es im Schilfe ruhig blieb, war es gewiß, daß er sich -schwerkrank nieder getan hatte; darum jetzt ruhig Blut, ~den~ -haben wir! - -So saßen wir zu dritt unter dem kleinen Baume und hingen unseren -Gedanken nach, die gemeinsam bei dem Büffel verweilten. Doch dachten -meine Schwarzen wohl mehr an den Braten, ich an mein Jagdglück. -- -Alles war mir heute günstig gewesen, als Lohn für die Ausdauer: die -zufällige Entdeckung des Wildes, mein Entschluß, den kleinen Baum zu -besteigen -- an dem wir schon vorbei waren, als ich dachte: besser -ist besser --, endlich der Umstand, daß der Büffel gerade die Stelle -kreuzte, an der das Gras so niedrig war, daß ich wenigstens den Rücken -sehen konnte. - -Nach etwa zwanzig Minuten wurde den beiden Negern die Zeit des Wartens -zu lang und sie schlugen mir vor, nachzusehen, ob der Büffel tot sei. - -Wider bessere Einsicht ließ ich mich verleiten; die Neugierde gewann -auch bei mir die Oberhand. Ich gab die Richtung an. Sefu aber nutzte -einen Termitenhügel aus, im Vorbeigehen einen Ausblick zu gewinnen -und war noch nicht halb oben, als er sich plötzlich duckte und mich -heranwinkte. - -[Sidenote: Der kranke Stier.] - -Ich berühre im Vorbeigehen die Blätter einer kleinen Fächerpalme. Da -steht fünf Schritt vor mir, also unmittelbar hinter dem Hügel, der -Büffel auf, ein mächtiger dunkler Stier! - -Die Flanke ist rotgefärbt von Schweiß, der Kopf mit den gewaltigen -Hörnern vorgestreckt. - -Ohne Besinnen gebe ich ihm zwei Blattschüsse, während er davonrast. - -„Gehen wir nach,“ sagten Ali und Sefu zu meiner großen Verwunderung. - -„Ist der Büffel nicht gefährlich?“ - -„Ja, wenn einer jagt und seine Bibi wird ihm untreu.“ - -„Sonst nicht?“ - -„Nein!“ - -Dies „nein“ kam so überzeugend heraus, daß auch in mir der letzte -Zweifel an der Ungefährlichkeit des Büffels zerstört wurde. - -Die Fährte war leicht zu verfolgen. Das hohe Gras war an der linken -Seite ununterbrochen rot gefärbt und unsere Kleider wurden von dem Blut -durchtränkt. - -Mehrmals wurde der Büffel dicht vor mir flüchtig, ehe ich ihn bemerkt -hatte; das Gras war etwa drei Meter hoch. - -Bei der Windstille hatte es keinen Zweck, lange zu überlegen; jede -Folge war ausgesprochener Leichtsinn, denn der Büffel mußte uns wittern. - -Aber in dem Suchen der Gefahr lag ein so seltener, heute leicht zu -erlangender Genuß, daß ich immer wieder in die Nähe des totwunden -Stieres ging. - -Noch zwei Schüsse gab ich ab, doch anstatt aufs Blatt auf die -Hinterschenkel, ich konnte nicht ausmachen, wo vorn, wo hinten war; -erst als der Büffel weiter stürmte, merkte ich meinen Irrtum. Dann -wurde das Gras so dicht, daß ich erst etwa auf sechs Schritt erkennen -konnte, wenn der Stier vor mir stand. -- - -Ich sah die Gräser, die von seinem Atem bewegt wurden, -- -- -- ging -noch näher und sah den nassen Grind, - -- die Nüstern, -- -- -- die -dunklen Lichter, -- -- -- die gescheitelten Hörner, als er plötzlich -unter lautem Krachen des trocknen Grases wild fauchend losbrach. - -Wir stoben auseinander, erkannten jedoch im nächsten Augenblick, daß -er auch diesmal nichts von der Untreue der Bibis wußte, er nahm eine -andere Richtung. - -Ich wollte ihm jetzt den Fangschuß geben und befahl meinem Leichtsinn -ein energisches „Halt“!; nutzte wieder einen Baum aus und stand in noch -windigerer Position, als ich dem Büffel den letzten Schuß von links -hinter die Schulter gab. - -Er ging nicht mehr weit. - -Mit einmal begann er mächtig zu brüllen, mit feuchtem, großen Ton, wie -nur Rinder es können. Alle halbe Minute ertönte das langgezogene tiefe -„Eöh“, das einen ungeheuren, verzweifelten Schmerz auszudrücken schien: -Er verendete. - -Ich ging ganz in seine Nähe und blieb, andächtig lauschend, stehen. -Der Wind war mir günstig. Sehen konnte ich nichts; dichtes Rohr sperrte -die Aussicht auf wenige Schritte. - -Endlich noch ein letztes schmerzvolles Brüllen, dann peitschte der -Schwanz den Boden und es war still. - -Ich ging hinzu. - -[Illustration: Der Nashornhügel am Jipesee. - -Während bisher Busch und Dornen ein immer gleichmäßiges Bild boten, -begann hier eine vielseitige Vegetation. Hyphaenen (Dumpalmen) wurden -immer zahlreicher und bildeten in der Ebene ganze Wälder. An den Ufern -des Panpani erhob sich schattiger Wald mit Phönixpalmen, Schirmakazien -und Affenbrotbäumen. Auf den Hügeln standen Euphorbien und -Juniperussträucher. -- Weiße Stellen an den Steinblöcken bezeichneten -den Aufenthaltsort von Klippschliefern.] - -[Sidenote: Der erste Büffel zur Strecke.] - -Da lag der starke Wildstier mit der prächtigen Zier auf dem -breitgestirnten Schädel, mit einem Gesichtsausdruck, in dem Kraft und -Selbstbewußtsein zu liegen schienen -- wenn es erlaubt ist, in dem -Gesicht der Tiere wie im Menschenantlitz zu lesen. -- - -Ich habe noch kein Tier gesehen, das im Tode so edel und schön aussah. - -Als ich in freudiger Bewunderung dastand, fuhren Wolken herauf und -mächtiger Donner rollte von den nahen Bergen herüber. Mir war, als sei, -was die Natur hier gab, für mich allein gemacht, für mich, den einzigen -Weißen in weitem Umkreise. -- -- Freude und Stolz beherrschten mein -Empfinden, während ich das Glanzhaar am Halse meines ersten Büffels -streichelte. - -Im August 1906 jagte ich am Paregebirge im Norden Deutsch-Ostafrikas -auf Büffel. - -Von Osten den großen Jipesumpf erreichend, hatte ich gesehen, daß -Büffelfährten hier und da meinen Weg kreuzten und erkundigte mich bei -den Eingeborenen nach den Gewohnheiten des Wildes. Die bezeichneten die -kleine Landschaft Ungueno als den jetzigen Standort der Tiere. - -Am Jipesumpf schlug ich das Hauptlager auf, nahe an dem großen, dichten -Papyrushain, der sich in ungeheurer Ausdehnung an das flache Wasser des -Sees anschließt. - -Hohe Tamarindenbäume säumten das Ufer, in ihren Ästen hingen -Bienenkörbe der Eingeborenen. Prächtige, bunte Vögel ruhten auf den -Büschen, große Züge von Pelikanen, Reihern und Störchen schwebten in -der Luft. - -Der Blick auf das Paregebirge war von großer Schönheit. Man konnte die -Pässe, die in das Hochland führen, erkennen und die Täler vermuten, die -Wasser in die Ebene leiten. - -[Sidenote: Büffeljagd am Paregebirge.] - -Drei Tage brauchte ich, um in dem weiten, beschwerlichen Gebiet endlich -die Wasserstellen aufzufinden, an die sich die Büffel jetzt hielten. -Vom ersten Morgengrauen bis in den späten Abend war ich täglich -unterwegs, um Fährten zu suchen. - -Das in Betracht kommende Gebiet war eine mit dichtem, hohen Gras -und Gebüsch bewachsene Ebene, die auf drei Seiten von bewaldeten -Bergen eingerahmt wurde und nach dem Sumpf hin offen war. Nur Büffel -und Nashörner waren zu spüren. Von allen Fährten hieß es „gestern“ -oder „vorgestern“ und die Tiere wurden mir von Stunde zu Stunde -geisterhafter. - -Am ersten Tage durchsuchte ich die Ostseite, am zweiten die Westseite -der Abhänge. Die Büffel hatten alte, ausgetrocknete Wasserstellen -besucht und in schattigem Busch gelagert, in einem Labyrinth von Ästen -und Blättern. Da drang das gedämpfte Sonnenlicht hinein und erhellte -die verlassenen Schlafplätze. - -Oft in gebückter Haltung und durch ein Wirrwarr von Dornen, Gras und -Ranken schlichen wir vorwärts; ich mußte dem Führer -- Makange hieß er --- zugeben, daß es ein schwieriges und höchst bedenkliches Unternehmen -war, in dieser Jahreszeit, bevor die Steppenbrände das Unterholz -gelichtet hatten, Büffel zu jagen. Die Aussicht auf Erfolg schien denn -auch immer mehr zu schwinden. Aber ich wollte die der Aufgabe gewidmete -Zeit nicht umsonst geopfert haben und dachte nicht an Umkehr! - -[Illustration: An den Ästen großer Bäume hängen die Neger ausgehöhlte -Baumstämme als Bienenkörbe auf.] - -Am zweiten Abend schlief ich in einem kleinen Bergzelte, an der Stelle, -wo der Weg nach Moshi den Fußpfad ins Paregebirge kreuzt. - -Eine einzelne, hohe Dumpalme, mit abgestorbenen Blattstielen seltsam -geschmückt, schüttelte neben mir ihr Fächerhaupt. Ganz zart tauchte am -Abendhimmel der Schneedom des Kilimandscharo aus den Wolken empor. - -Ich lag in dem kleinen Ausschnitt, der den Eingang zu dem Zelte bildete -und schrieb in mein Tagebuch. Die roten Flackerlichter des von den -Negern entfachten Holzfeuers kämpften auf dem Papier mit dem blauen -Tageslicht und trugen bald den Sieg davon; die Nacht brach herein. - -Am Morgen des dritten Tages spürten sich mehrere Nashörner, die am -Sumpf zur Tränke gekommen und nach den Abhängen zurückgewechselt waren. -Sonst nicht eine frische Fährte von Antilopen oder Raubtieren! - -Nur ein Zierböckchen stand im Busch und kratzte sich mit dem Hinterlauf -am Kopfe! - -Gegen zehn Uhr am Vormittag fand ich, von Süden kommend, endlich die -Fährten der Büffel, an einem Waldbach. - -Nun kam es mir nur noch darauf an, festzustellen, ob die Herde südlich -oder nördlich von diesem Bache stand. „Südlich“ war die Antwort der -Leute, die ich in dem Wasserlauf aufwärts schickte; doch sie hatten -Unrecht, und nach anstrengendem Absuchen des dichten Busches auf der -Südseite fand ich gegen vier Uhr am Nachmittag die Stelle, an der die -Herde den Bach nach Norden gekreuzt hatte! - -Für heute war es zu spät; auf den nächsten Tag aber setzte ich große -Hoffnungen, die auch in wunderbarer Weise in Erfüllung gingen. - -Ich lagerte in dieser Nacht dort, wo der Bach, in dem die Büffel sich -spürten, in der Steppe verfloß. Wieder hatte ich nur ein kleines, -offenes Zelt mit und schlief ohne Bett und Moskitonetz zu ebener Erde. - -Das Lagerfeuer wurde mit Sonnenuntergang gelöscht. Meerkatzen in -den Bäumen über uns taten sehr verwundert über unsere Anwesenheit; -die Frösche quakten unaufhörlich. Wenn sie aber einmal verstummten, -dann horchte ich auf, denn dann war Wild in ihre Nähe gekommen. Ich -zog schließlich die Decke ganz über den Kopf, um so vor den hier -zahlreichen Mücken Schutz zu finden. - -Es war noch dunkel, als ich am nächsten Morgen das kalte Wasser -durchwatete, das meinen Schlafplatz von dem Walde trennte. Ich ging -im Bache aufwärts und stellte fest, daß die Büffel ihn heute nicht -angenommen hatten, also noch auf der Nordseite standen. Da es wenig -Zweck hatte, den Spuren von gestern zu folgen, ging ich aufs Geratewohl -in dem dunkeln, von Büffelpfaden durchzogenen Walde vorwärts und war -ganz zufällig einer frischen Nashornfährte einige Zeit gefolgt, als -nicht weit über mir am Berge das Röhren eines Büffels hörbar wurde. - -Endlich war ich dem ersehnten Ziel nahe! Ich zog schnell Schuhe -mit Gummisohlen an, die zu der im Rucksack mitgeführten nötigsten -Ausrüstung gehören, und ging unter Wind auf die Stelle los, von der her -ich den seltenen Laut vernommen hatte. - -Dunkler, ästereicher Wald; der Boden mit vermoderten Blättern bedeckt; -zwischendurch Buschpartien mit hellem Licht. Frühnebel strichen über -die Baumkronen. - -[Sidenote: Büffel im Waldesdickicht.] - -Jetzt knackte ein Ast vor mir; wieder ein Brüllen, kurz abgesetzt. - -Ich schlich auf einen starken, gefallenen Baum zu, über den hinweg ich -gerade in eine Lichtung sehen konnte, als die ganze Büffelherde unter -Krachen und Brechen von Ästen in der Dickung vorwärts drängte. - -Zwischen Blättern und Ästegewirr konnte ich die schwarzen Tierkörper -auf Sekunden sehen, wie sie auf etwa dreißig Schritt quer an mir -vorbeizogen. Dem Lärm nach konnte ich glauben, sie seien flüchtig. - -Sofort ging ich mit meinen drei Leuten auf die frische Fährte und sah -hier mit Erstaunen, wie die Büffel, ohne Rücksicht auf ihre breiten -Hörner, schnurstracks durch das Wirrwarr von Stämmen und Ästen gestoßen -waren. Auch konnte man erneut beobachten, wie eine frische Fährte -aussieht. Die Hufe waren über gefallene Bäume hinweggerissen, die Rinde -frischer Stämme blutete und der Milchsaft von Pflanzen war in den Weg -gespritzt. - -Mit großer Vorsicht folgte ich auf der Fährte und brachte die Büffel, -die irgend etwas Verdächtiges merkten, noch dreimal in Bewegung, ohne -ihnen nahe genug kommen zu können. - -Ich wollte bis Mittag warten; dann liegen die Büffel und schlafen. - -Da ertönte in der Nähe lautes Brüllen, das wiederholte sich und klang -gerade so wie das Todesbrüllen des verendenden Büffels am Rufiyi. - -„Hier jagen Wapare aus den Bergen,“ sagte ich sofort zu dem Führer. - -„Nein, Herr!“ - -Nun aber ließen sich menschliche Stimmen vernehmen, die sich durch -Laute Zeichen gaben und einer meiner Leute rief: - -„Seid ruhig, der Weiße will Büffel schießen.“ - -Als die Angerufenen nicht antworteten, wurde mein Verdacht zur -Gewißheit und ich ging weiter, um nachzusehen, was dort los sei. - -Plötzlich springt der Führer zur Seite und raunt mir hastig zu: „Ein -Nashorn, Herr! dort im nächsten Busch!“ - -[Sidenote: Büffel in einer Fallgrube.] - -Ich sehe wie sich in einer Vertiefung der dunkle Nacken eines Wildes -bewegt, denke an ein Tier in der Suhle, kann aber nichts erkennen, bis -ich auf etwa fünf Schritt an den Platz hinangehe. Da hebt sich ein -Büffelkopf mit gewaltigen Hörnern aus der Vertiefung. - -Ich stehe über dem Tiere und schieße von oben in den Rücken. - -Der Stier versucht, aus der Vertiefung herauszuspringen, ist aber -hilflos gefangen und ich erkenne jetzt, was ich hier vor mir habe: Den -Büffel in einer von Menschen gegrabenen Wildgrube! - -Dies seltene Bild sah ich mir nun etwas genauer an; die Grube verengte -sich keilförmig nach unten und hatte ungefähr die Länge des Büffels. -Der Körper des Tieres war fest eingeklemmt; so sehr der noch lebende -Büffel versuchte, vorne hoch zu kommen, er fiel immer wieder zurück. Er -war so wehrlos, daß ich ihn an die Hörner fassen konnte. - -Als das meine Leute von den umstehenden Bäumen aus sahen, kamen sie -auch herbei. - -[Illustration: Mähnenlöwe (in Ostafrika selten; ich überraschte einmal -vier Mähnenlöwen an einem geschlagenen Zebra).] - -Dutzende von frischen, etwa sechs Zentimeter breiten Speerstichen -im Hinterteil des Büffels zeigten, auf welche Weise die Fallensteller -versucht hatten, das Tier zu töten und erklärten mir auch das -schmerzerfüllte Brüllen, das ich vorhin gehört hatte. Ich -photographierte den Büffel in der Grube und gab ihm den Fangschuß. - -[Illustration: Büffelstier, in einer Wildgrube lebend gefangen.] - -„Ein so schönes, großes Gehörn habe ich noch nie gesehen,“ sagte der -Führer, der hoffte, alle Mühe und Arbeit sollte nun zu Ende sein. Als -ich ihm aber erklärte, dies sei nicht mein Büffel, ich wollte meinen -Büffel ohne Hilfe der Wapare schießen, meldete er mir, er müsse nach -Hause, seine Bibi erwarte den Klapperstorch. „Was haben bloß die Weiber -immer mit meinen Jagden zu tun?“ dachte ich. Da ich aber schon lange -an derartige seltsame Fernwirkungen nicht mehr glaubte, entgegnete ich -ihm: „Erst wollen wir noch einen Büffel haben, so lange kann deine Frau -noch warten.“ -- Damit mußte er zufrieden sein; denn wie fast immer bei -den Negern, war der Grund seines Urlaubsgesuchs erfunden. - -Ich legte mich auf die Lauer und ließ den Führer die vorhin gehörten -Zurufe wiederholen und dadurch die Fallensteller heranlocken. Es -gelang, sieben der wild aussehenden, mit Bogen, Keulen, Schwertern, -Speeren und Messern bewaffneten Kerle zu fangen, die ich gebunden -nach Moschi sandte, wo sie mit mehreren Monaten Kettenarbeit bestraft -wurden.[17] - -Das war ihr Lohn für die Hilfe, die sie mir unbeabsichtigt geleistet -hatten. - -Bei dem Wild ließ ich zwei meiner Leute, die den Kopf abschneiden und -das Fleisch zerteilen sollten, was bei der Lage und der Größe des -Büffels in der engen Grube keine geringe Arbeit gewesen sein wird. -Zum Glück waren mehrere meiner Träger den Schüssen gefolgt, so daß -ich die Gefangenen zum Lager schicken und mehr Leute zum Fleischholen -bestellen konnte. Ich pirschte weiter und traf auch bald wieder auf die -Büffel. Als ich ihnen nahe war, hakte ein Dornzweig an meiner Jacke und -schnellte mit Geräusch zurück; die Büffel sausten los. Die Fährte, der -ich noch kurze Zeit folgte, führte an Dutzenden von Wildgruben dicht -vorbei; leicht hätten noch mehr Büffel da hineinfallen können. - -[Sidenote: Die Wildgruben.] - -Die Gruben waren mit großer Sorgfalt und vielem Geschick angelegt, oben -etwa 1,10 Meter breit und 3 Meter lang, 2,50 Meter tief, und verengten -sich nach unten stark.[18] Auf halber Länge der Grube war in dem -harten Tonboden eine achtzig Zentimeter hohe Querwand stehen gelassen, -die verhindert, daß der Büffel die Hinterläufe zu weit nach vorne setzt -und sich so herausarbeiten kann. Durch sein eigenes Gewicht wird der -unglückliche Gefangene hier so in den Schacht gepreßt, daß die Flanken -der Atembewegung nicht mehr ausweichen können und die Läufe dicht -aneinander liegen, ohne die Sohle der Grube zu erreichen. Über die -Fallen sind dünne Stöcke gelegt und darauf trockene Blätter und Gras. - -[Illustration: Wapare, die ich beim Büffelfang ertappte.] - -Die Gruben befanden sich in den Wechseln der Büffel. - -Wenn auch die ausgehobene Erde sorgfältig verdeckt worden war, war es -bei Tage nicht schwer, die gefahrdrohenden Stellen zu sehen. Aber die -Büffel werden nicht mit den Augen sichern, sondern mit der Nase. Die -Wildsteller versuchen außerdem die Herde in schneller Gangart über die -Fallen hin zu drücken, so daß die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß ein -Büffel, dem engen Pfad folgend, hineinstürzt. - -Da keine Aussicht mehr war, die flüchtige Büffelherde heute noch -zu erreichen, ging ich, um Platten zu entwickeln und die Kassetten -meiner Kamera neu zu füllen, zu meinem Hauptlager am Jipesumpf -zurück. Da kamen Leute und baten mich, gegen Abend einige Krokodile -abzuschießen, die es sich an der Schöpfstelle des Dorfes allzu bequem -machten. Ich schoß zwei der großen Echsen; ein Neger suchte die Tiere -herauszuziehen, kam aber sofort zurück und beklagte sich über die -Blutegel, die ihn im Wasser angefallen hätten. - -Am nächsten Morgen suchte und fand ich bald frische Büffelfährten und -folgte ihnen. - -Wieder fiel der Mangel an jedem anderen Wild auf; nur Büffel und -Nashörner waren in dem hohen, trockenen Grase zu spüren, während -alte, eingetrocknete Fährten zeigten, daß sich hier zu anderer -Jahreszeit Löwen, Leoparden und viele große und kleine Antilopen der -verschiedensten Art aufhielten. - -Sobald das Gras höher wird, verziehen sich, wie es scheint, die -schwächeren Wildarten in die offene Steppe, aus Furcht vor den -Raubtieren, die sich ihnen im Grase zu leicht nähern können. Nur die -wehrhaften Dickhäuter, denen die großen Katzen nichts anhaben, dürfen -sich weiter in der Kühle der Wälder aufhalten; wahrscheinlich würden -auch die Antilopen und Zebras nicht in die sonnige, heiße Steppe gehen, -wenn der Löwe nicht wäre. - -[Sidenote: Fährtensuchen.] - -Heute leisteten die drei ausgesuchten Neger, die mich begleiteten, -gradezu Bewundernswertes in der Ausdauer und Gewissenhaftigkeit beim -Fährtensuchen. Eine besondere Glanzleistung war es, festzustellen, wo -die Tiere eine Waldwiese, auf der sie äsend hin und her gezogen waren, -verlassen hatten. Da meine Leute zuverlässig arbeiteten, hatte ich -nichts weiter zu tun, als mich fertig zu halten für den Augenblick, -in dem wir auf die Büffel stoßen würden, und mich nur manchmal zu -überzeugen, ob die Fährte, der wir folgten, frisch war. - -Ohne Hilfe von Negern, allein eine Fährte zu halten, ist sehr ermüdend. -Acht Augen sehen mehr als zwei; aber es gilt, sie richtig zu nutzen. -Ich möchte sagen: es gibt auch eine Führung der Fährtensucher; und die -muß der Schütze übernehmen. Er selbst sieht gerade aus und bleibt -auf dem letzten, mit Sicherheit festgestellten Zeichen stehen. Von da -aus kann er oft, indem er nur in der Richtung sieht, in der das Wild -voraussichtlich gegangen ist, ein entferntes Zeichen sehen, dorthin -gehen, seine Leute neu ansetzen und so Zeit und Nervenkraft sparen. In -dem dichten Busch gibt es meist nur wenige Durchgänge, die das Wild -genommen haben kann, und am wahrscheinlichsten ist es immer, daß es die -Hauptrichtung inne gehalten hat; da wird zuerst gesucht. Allmählich -bekommt der Jäger große Übung darin, ganz unauffälligen Merkmalen -sichere Schlüsse zu entnehmen. Der Strich des Grases z. B. zeigt ihm, -wo ein Tier hindurch gegangen ist. -- Ich spreche selbstverständlich -nur von trockenem Grase; denn im saftigen Grün kann jeder Laie einer -Fährte folgen. -- - -Besonders wichtig ist es, darauf zu halten, daß niemand zu früh in -eine Fährte läuft, von der nicht sicher festgestellt wurde, daß sie -die richtige ist; sowie Menschen in der Fährte gegangen sind, wird sie -verwischt und unkenntlich. - -Die besten Aussichten auf erfolgreiche Arbeit hat man mit -gewissenhaften Spürnegern, viel Verdruß aber mit solchen, die -darauf losgehen und durch ein sicheres Benehmen die übrigen in -Unaufmerksamkeit einwiegen. Wenn eine Fährte verloren ist, soll man -nicht ausschwärmen lassen, um sie wieder zu finden, sondern befehlen: -„Alle stehen bleiben!“ und mit den sachverständigsten zwei Leuten -vorsichtig einen Kreis schlagen. Erst wenn das zu keinem Ergebnis -führte, kann man die Neger in alle Richtungen schicken, um vielleicht -in größerer Entfernung eine Spur wieder zu finden; das ist dann besser -als gleich umkehren zu müssen. - -Ich habe es oft so gemacht: mich ruhig hingesetzt und gegrollt, daß -meine Methode nicht ohne weiteres zum Ziele führte und die Neger zu -zwei und zwei in verschiedene Richtungen geschickt mit dem Befehl, nach -einer halben Stunde wieder zurück zu sein, falls nicht ein Pfiff sie -schon vorher riefe. - -Die Reize einer solchen Fährtenfolge liegen in der Erwartung, jeden -Augenblick das Wild zu sehen, für dessen Anwesenheit der Jäger als -sicherste Urkunde den Abdruck der Hufe vor sich hat. - -[Sidenote: Pirschkunst.] - -Auf Umwegen leitete uns der Weg der Büffel heute an den Abhang des -Berges. Immer schwieriger wurde es, ohne Geräusch vorwärts zu dringen, -da wir durch verwachsene Schluchten und tief ausgewaschene Täler an -steinigen Berghängen entlang geführt wurden. - -Der alte Makange schlich vor mir. Er drehte sich mehrmals um, hob -die kleine Holzkeule, die er in der Hand hielt, bedeutungsvoll und -flüsterte: „_Karibu ya kulala!_“ („Sie sind dicht vorm Hinlegen!“) -Das sah er aus der trägen Gangart der Tiere. Ich zog die Gummisohlen -an, legte die steifen Ledergamaschen ab, zog den Rock aus, machte den -Gewehrriemen von der Büchse los, weil er an Büschen hängen bleiben kann -und setzte eine kleine Kappe auf, die weniger Geräusch macht als der -breitkrempige Filzhut, wenn Blätter daran entlang streifen. - -Äußerste Vorsicht war jetzt geboten. - -An einer sandigen Stelle füllte ich mir die Hosentasche mit trockenem -Staub und ließ von Zeit zu Zeit etwas davon fallen, um den Wind zu -prüfen. - -In dem dichten, von hohem Grase durchsetzten Busch, durch den die -Büffel ihren Weg genommen hatten, war bestenfalls auf zehn Schritt zu -sehen. - -Es war kein Gehen mehr, es war ein Schleichen, ein -Sichvorwärtsschlängeln, um jedes Geräusch zu vermeiden. Und dennoch: -Wenn ich einmal stehen blieb und die Träger abwartete, die leise gingen -und doch zu hören waren, dann hielt ich es für unmöglich, ungehört -an die Büffel hinanzukommen; denn allein das Gras, das an den Beinen -entlang strich und die trockenen Blätter, die dicht im Wege lagen, -machten so viel Geräusch, daß es die ruhenden Büffel hören mußten! - -Das stundenlange Vorwärtsschleichen und vergebliche Spähen ermüdet und -macht schließlich ungeduldig, man vergißt die Vorsicht und geht zu -schnell, ein trockener Ast knackt unter dem Fuße, ein Zweig schnellt zu -plötzlich in seine Ruhestellung zurück, die Büffel stehen dicht dabei --- -- und alle Anstrengung war umsonst. - -Wenn man nur ungefähr wüßte, ob die Tiere nahe sind! - -Ich erwarte die Neger, setze mich hin und lasse mir Frühstück geben. - -Nein, dieser Busch; wie da bloß ein Büffel durchkommt! -- Man erkennt -kaum, daß er es tat; die Zweige schließen sich hinter ihm und die -Dornen strecken ihre Äste nach wie vor in den engen Paß. Nur Dickhäuter -gehen unbeschadet durch: der Büffel mit seinem starken Kopfschild, und -das Nashorn. - -Welche Ausdauer gehört dazu, unter tropischer Sonne mitten am Tage den -Fährten eines Wildes zu folgen, tagelang, mit so geringer Aussicht auf -Erfolg; auf flacher Erde irgendwo im Busch zu schlafen; allein mit -wenigen Negern. - -Plötzlich ein Schnaufen, gar nicht weit: die Büffel haben sich verraten! - -Jetzt weiß ich, daß ich nicht mehr stundenweit zu gehen habe und kann -meine ganze Kraft daran setzen, unbemerkt, ungehört die nächsten -hundert bis zweihundert Schritte zurückzulegen. So nahe bei den Büffeln -zu sein: ein Bewußtsein, das die Lebensgeister freudig aufrüttelt! - -Zu den nächsten hundert Schritten brauche ich etwa eine Viertelstunde. - -Bei diesem Pirschen, diesem sich lautlos durch die Büsche drücken sind -alle Muskeln und Sinne angespannt. Der Fuß sucht vorsichtig einen neuen -Stützpunkt, die Schulter weicht einem Dornenzweige aus, der Kolben der -Büchse wird Fuß für Fuß vorgesetzt. - -Nach langem Warten gibt ein leises Schnaufen von neuem die Richtung an. - -Der Wind ist gut. - -Ich erreiche eine drei Meter breite, steinige Schlucht, an deren -gegenüberliegender Seite im Dunkel der Büsche eine ungewisse Bewegung -spielt. - -Der Führer mit der Reservebüchse ist hinter mir; er umfaßt vor Furcht -zitternd mein Handgelenk und bedeutet mich, stehen zu bleiben. - -[Sidenote: Büffel auf acht Schritte angepirscht.] - -Zwei Schritt turne ich noch vorwärts, ohne daß sich ein Steinchen -löst oder ein Zweig knackt, hebe mich etwas und sehe den Rücken und -das Hinterteil eines ruhenden Büffels, acht Schritt vor mir, wie im -Kuhstall! Es ist sehr dunkel unter den Büschen, trotz der hellen -Mittagssonne, doch erkenne ich bald auch im Schatten die Enden der -Hörner, weit auseinander liegend, und zweifle gar nicht daran, daß ich -einen starken Bullen vor mir habe. - -Ich fühle unsagbare Freude, daß es mir gelang, ein Tier mit so feinen -Sinnen auf die geringe Entfernung angepirscht zu haben. - -Nach einer Weile regt es sich an einer entfernteren Stelle unterhalb -im Busch, wo ein anderer Büffel etwas bemerkt zu haben scheint. Mein -Wild erhebt sich langsam, ich kann die Umrisse beurteilen, und als es -eben auf allen vier Läufen steht, schieße ich schräg von hinten auf den -Rumpf. - -Sofort rollt der Büffel zu Boden. Zweiter, dritter Schuß! Wildbrüllend -arbeitet er sich wieder hoch, auf mich zu! - -Ich weiche nach rechts aus, drücke mich an den Grabenrand und schieße -den vierten und fünften Schuß. Mit einem tiefen Röcheln senkt sich der -Kopf des vornüber stürzenden Büffels neben mir in den Graben. - -Ich halte die Mündung der Büchse dem riesigen Tiere auf den Nacken und -zerschmettere ihm die Wirbelsäule. - -Das alles geschah in wenigen Sekunden; die Schüsse folgten aufeinander -so schnell, wie man mit großer Übung überhaupt repetieren kann. - -Der sechste Schuß war hinaus, -- meine Büchse leer. - -Das Gehörn des Büffels lag etwa ein Meter von meinem Knie entfernt. - -Ich kniete noch fast an derselben Stelle, an der ich den ersten Schuß -abgegeben hatte; die Tatsache machte dem Neger, dem einzigen Zeugen des -wilden Vorganges, großen Eindruck. - -Erst jetzt polterte die Herde der Büffel mit lautem Krachen den Abhang -hinunter, ohne daß in dem dichten Gebüsch etwas zu erkennen war. Ich -fand dadurch bestätigt, was der Führer vorher wiederholt behauptet -hatte: „Wenn die Büffel in der Mittagshitze schlafen, kann man zwei, -drei schießen, bevor sich die Herde erhebt!“ (Vorausgesetzt, daß man -selbst die Büffel sieht!) - -Ich betrachtete meine Beute; es war eine Büffelkuh. Die starken Hörner -setzten erst an der Seite des Kopfes an, während die Stirnfläche, die -beim Stier mit Hornwulsten bedeckt ist, nur Fell trug. Der Schädel mit -den Hörnern allein hätte schlecht ausgesehen, ich beschloß deshalb den -Kopf mit Fell bis zur Schulter zu präparieren und machte mich mit zwei -Leuten an die Arbeit, während Irambe Maridadi zum Lager ging, um Leute -zu holen und den Koch und die Boys zu der Lagerstelle von vorgestern -hinzubestellen; ich wollte in der Frühe des nächsten Tages noch einmal -die Hänge absuchen. - -Wir arbeiteten drei Stunden lang hart; als die Träger kamen, war die -Kopfhaut abgezogen und der Büffel in vierzehn Fleischlasten zerwirkt, -auch eine große Menge Fett für die Küche bereit. Das starke Fell aber -wurde von den Negern zur Anfertigung von Sandalen begehrt. - -Der Abend war nahe, als ich mit drei Leuten aufbrach. - -Die Neger rieten davon ab, den Weg zum kleinen Lager zu nehmen, es sei -weiter, als ich glaubte; dennoch blieb ich bei meiner Absicht. - -Die Dunkelheit brach herein; der beschwerliche Weg durch Dornen, -Gestrüpp und Gras wollte kein Ende nehmen. - -Wie zersetzend wirkte die Müdigkeit auf uns. - -Die Neger rieten, liegen zu bleiben, wo wir waren. - -Das wollte ich nicht; die Mückenplage, Kälte, Hunger und Durst trieben -mich weiter. - -Es war stockdunkel. Nur ein schwacher Schimmer ging von dem trockenen -Steppengrase aus. Der finstere Busch war weit und nah, eine düstere -unbestimmte Masse, mit dem Berg verschwimmend. - -Die oft gehörten Stimmen der kalten Nacht riefen heute nur: „Ruht!“ - -Es war, als höhnten sie über unsere Ohnmacht. - -Hell strahlte die Venus über den Bergkamm; sie war meinen Augen der -Leitstern. - -„Bana, wir werden in Wildgruben fallen!“ sagte der Makange, der vor -mir ging. Kurz darauf klang seine Stimme von unten, wie ein Vorwurf zu -mir herauf: „Siehst du!“ Und aus einer Grube zu meinen Füßen heraus -kletternd, sagte er: „Ja, so ist es, wenn man Nachts hier geht.“ - -„Das schadet dir doch nichts!“ - -„Es kann ein Leopard in der Grube sein.“ - -Ich ging voran und war kaum fünfzig Schritte gegangen, da fühlte ich -dünne Zweige unter mir federn und brechen, und mit Wucht fiel ich in -eine Grube. Ich blieb eine Weile darin sitzen und rief hinauf: „Es ist -sehr schön hier unten!“ Allein der Heiterkeitserfolg blieb diesmal -schwach. - -Voran! Der Busch wurde dichter, fast undurchdringlich. Die Leute -blieben stehen; das dichte Gras wollte nicht weichen. Wie Filz waren -Zweige und Gräser durcheinander gewachsen; Dornen hielten. Unwillig -arbeitete ich mich vorwärts, fast erlahmte meine Kraft. - -Da drängte sich Umnasi[19] vor mich, und er, der vom frühen Morgen -keinen Augenblick ohne Arbeit gewesen war, brach wie ein Stier durch -das Dickicht. So durchkreuzten wir eine düstere Waldecke. Da ertönte -von ferne das Quaken von Fröschen; das war die Richtung auf unser Lager! - -Schilfgras, so stark und dicht, daß es dem Körper Widerstand bot, -sperrte den Weg; wieder war Umnasi vor mir, sprang hoch, warf sich -auf das Gras und drückte die hohen Massen der Halme mit seinem -Körpergewicht vor sich nieder; er hielt ein Beil in der Hand und -trug auf dem Rücken einen gefüllten Rucksack. Was dieser brave Neger -heute leistete, war bewundernswert. Er bahnte uns den Weg, bis ein -Feuerschein aus den Büschen zu uns herüberleuchtete. - -[Sidenote: Ermattung.] - -So erreichten wir spät in der Nacht todmüde das Lager. - -Als ich einschlief, hörte ich noch die Unterhaltung der Neger. Alle -schimpften auf die niederträchtige Gegend, nur der unverwüstliche -Umnasi phantasierte ihnen zum Trotz, er wolle sich hier anbauen -und nicht mehr als Träger überall Dienst nehmen, er wolle zum -Bezirksamtmann gehen und ihm sagen. „Ich, der Umnasi, bin da, gib -mir drei Weiber, ich will jetzt eine Pflanzung anlegen. Und der -Bezirksamtmann sagt dann: ‚Gut, Umnasi, das freut mich, hier hast du -drei Weiber!‘ -- Dann werde ich hier ein Haus bauen und viel Geld -verdienen mit Mais, Mohogo, Reis, Matama, Bohnen, Ziegen -- -- --“ - -Neues Holz wurde auf das Feuer gelegt. Die Flammen leuchteten auf; ich -fiel in tiefen, erquickenden Schlaf. - - - [15] Der Kapbüffel, der eigentliche Kaffernbüffel ist wohl - ausgerottet; sein Gehörn unterscheidet sich von dem aller - anderen ostafrikanischen Büffel durch kappenartige Fortsätze - über der Stirn. - - [16] Büffel. - - [17] Der Tierfang in Gruben ist den Eingeborenen verboten, - weil eine verständige Ausübung der Jagd, ebenso wie eine - Aufrechterhaltung der Schongesetze damit unmöglich ist. - - [18] Der ausgewachsene Kaffernbüffel ist etwa 2,60 Meter lang und - 1,50 Meter hoch. - - [19] richtig geschrieben: Mnazi = Cocospalme. - - - - -[Illustration: In Mombasa sah ich einen abnormen Elfenbeinzahn (linker -Zahn). Es ist zu bedauern, daß der Schädel zu diesem Zahn fehlt, der -Zahn beginnt schon, wo er in der Knochenhöhlung des Oberkiefers sitzt, -sich zu winden; der Schädel muß also ganz auffallende Spuren einer -schweren Verletzung tragen.] - - -Elefanten. - - -Am 18. Dezember 1905 schrieb ich in mein Tagebuch: „Es ist drei Uhr am -Morgen; ich kann -- nein, ich will nicht mehr schlafen. - -[Sidenote: Ein Elefant an meinem Zelt.] - -Ich bin geweckt worden; aber anders, als alle anderen Menschen heute -geweckt werden: ein Elefant hat mich geweckt. Und dafür danke ich ihm; -denn er hat recht, wenn er mir sagt: ‚Du Mensch, du kleiner, dürftiger --- du, einer von denen, die die Welt verändern, die sie öde und leer -machen -- merk auf, wenn die Majestäten kommen; denn bald werden sie -nicht mehr sein; bald wird nur das Gedächtnis noch an sie erinnern; -ihre Herrlichkeit wird vergehen und du, du warst dann einer von denen, -die noch berufen waren, von ihrem Glanze zu erzählen.‘“ - -Ich lag in tiefem Schlaf. - -Da reißt jemand an den Stangen meines Zeltes. - -Ich richte mich auf im Bett: wo bin ich? - -Stockduster. - -Ich taste nach dem Kopfende meines Feldbettes, wo die Büchse steht, und -horche. - -Da: „Kleng! -- kleng! --“ Irgend jemand vergnügt sich hier mitten in -der Nacht damit, eine Konservendose -- ich hatte am Abend eine Dose -Pflaumen öffnen lassen -- in gleichmäßigen Zeitabständen auf den Boden -zu werfen! - -„Korrokón!“ - -„Tjarrr?!“ - -„Keléle?!“ - -„Ndófu!“[20] - -Jetzt mußte ich einige Sekunden überlegen; denn mir war im ersten -Augenblick nicht klar, ob ich recht gehört hatte. Dann knöpfte ich -leise mein Zelt an der Rückseite auf und ging vorsichtig hinaus. - -Da stand wirklich an einem großen Baume ein riesiger Elefant, und zwei -lange Zähne leuchteten an seinem Kopfe. Der hatte also mit meiner -Konservendose gespielt! - -Der Askari kam heran. - -„Weshalb jagst du ihn nicht weg?“ - -„Du hast es verboten!“ Da hatte er recht; aber das war mir denn doch -zu viel! Ich bückte mich, hob einen Knüppel auf, ging dicht an den -Elefanten hinan und warf ihm das Holz an den Kopf, daß es klappte. Er -schnaubte und lief davon. -- - - * * * * * - -Das ist vor einer Stunde geschehen und jetzt sitze ich vor dem Zelt, -schreibe beim Schein einer Küchenlaterne und warte, daß es hell werde. - -Eben brüllt ein Löwe. Von dem „Konzert“, von dem andere erzählen, habe -ich eigentlich noch nie etwas gehört; auch was ich jetzt höre, klingt -nur wie ein grimmiges, mißmutiges und faules Hineinknurren in eine -leere Tonne. Hier am Rufiyi scheinen Löwen und Elefanten eingesehen zu -haben, daß sie gegen die Stimme des Kiboko nicht ankommen können; auch -das Trompeten des Elefanten, das „markerschütternde“, habe ich noch -nicht gehört. - -Elefant, Löwe und Büffel! Gibt es noch ein Revier auf dieser Erde, das -wertvolleres Wild beherbergt? - -Gibt es eine größere Wildnis, als die, die mich hier mit wundervollem -Zauber umgibt? - -Der größte der lebenden Dickhäuter; die starke und gewandte Katze; -der wilde Stier: wo dies Kleeblatt noch zu finden ist, da sind -paradiesische Zustände. - -Ich weiß das; weiß, daß ich ein Glück genieße, wie es mir im Leben -nicht reiner wieder begegnen wird. - -Fern von den Menschen; fern von Neid, Haß und Habgier; von den -Schmerzen und der Langeweile, die uns tagein, tagaus verfolgen und -peinigen. - -Alles, was in Städten und Dörfern lebt, was gegen Not und Elend kämpft, -und mit ungestillter, unverstandener Sehnsucht ringt, liegt hinter den -blauen Bergen dort unten. - -[Sidenote: Glücksgefühl.] - -Ich bin hereingekommen in ein Paradies, und will es im Innern -festhalten und dem Geschick danken, das mir so hohes Glück beschert hat! - -Ich will mir hier einen Schatz fürs Leben sammeln und nie vergessen, -daß ich in dieser Zeit frei von allem Leiden war; jung und stark und -gesund in einer Welt, die meinen Neigungen Nahrung gab. - -An jedem Morgen empfinde ich das von neuem. - -Wenn die Sonne aufgeht, kommt auch meine Freude wieder. Die Nacht ist -ein Warten; Andacht die Morgenstunde; Erfüllung der Tag. - -Und der Abend ist ein rechter Abend, mit Müdigkeit und Frieden, -mit stillem Zurückschauen und ganz zarter Hoffnung auf eine neue -Lebenswelle, die der neue Tag bringt. - -Das nenne ich ein Leben! -- - - * * * * * - -Eines Tages kam ich in ein Dorf, dessen Einwohner oft über Wildschaden -geklagt hatten. - -Flußpferde, Schweine und Elefanten seien Nacht für Nacht auf den -Feldern, und die Männer müßten beim brennenden Feuer Wache halten, um -ihre Felder zu schützen. - -Als die Sonne unterging, lag ich auf der Uferböschung des Flusses, nahe -bei dem Dorfe, und beobachtete ein großes Krokodil, das auf dem andern -Ufer schlief. - -Die rote Abendsonne schien dem Drachenvieh in den weit geöffneten -Rachen. - -Ich überlegte, ob ich das Raubtier durch einen wohlgezielten Schuß ins -Jenseits befördern sollte. - -Da wurde ich auf eine Flußpferdherde aufmerksam, die dicht am Ufer auf -die Dunkelheit wartete, um zur Äsung an Land zu steigen; es waren wohl -zwanzig Köpfe. - -Als es dunkel wurde, hoben sich die ersten beiden plumpen Leiber auf -das Ufer; dann folgte ein starker Bulle mit weit nach vorn gesenktem -Kopfe. - -Ich gab ihm eine Kugel in das Gehirn; er brach auf der Stelle zusammen. -Die Herde drängte in das tiefere Wasser und warf eine hohe Welle vor -sich auf; die beiden am Ufer stehenden Tiere stürzten sich von oben in -den Fluß und folgten der Herde. - -Ich band den erlegten Bullen mit Schilf am Ufer fest und ging zu meiner -Hütte zurück. - -Als ich beim Abendbrot saß, brüllte dicht neben mir im Wasser noch ein -Flußpferd. - -Das Dorf, dessen Bewohner mir hier eine kleine, saubere Rasthütte -gebaut hatten, lag dicht am Strome. Die Leute waren dem Strome gefolgt, -der sein Bett vor einigen Jahren hierher verlegt hatte, und wohnten -noch nicht lange an dieser Stelle; noch keiner der angepflanzten Bäume -war mehr als drei Jahre alt. - -Die Neger in diesem Orte waren sehr freundlich zu mir. Sie hockten im -Kreise um ein kleines Feuer mitten auf der Dorfstraße und erzählten -sich etwas. - -Ich setzte mich im langen Stuhl in ihre Nähe und hörte zu. Sie klagten, -die Flußpferde ließen keinen Halm auf ihren Feldern wenn das Feuer bei -den Wachthütten einmal ausgehe. - -Nach einer Weile trennten sich einige Leute von der Gruppe und sagten, -sie müßten in die Schamba gehen, um Wache zu halten. - -Kurz entschlossen hängte ich meine Büchse um und ging mit ihnen. - -Das war eine der eigenartigsten Nächte, die ich auf afrikanischem -Boden erlebte! Die Klarheit des Himmels, die scheinbar unendliche -Masse des hohen Schilfes, in die die Neger barfuß, mit vorsichtigen -Tritten hineingingen; das schrille, ohrenbetäubende Zirpen der Zikaden -die, wenn wir näher kamen, ganz plötzlich verstummten; die vielen -kleinen Hütten auf hohen Pfählen, an denen wir vorbeikamen, und aus -denen jedesmal eine Menschenstimme Antwort gab: Das machte auf mich -einen so tiefen Eindruck; denn es war ein Stück von der Geschichte des -Elefanten, des größten Wildes der Erde. - -Hier durfte ich noch Zeuge sein, wie halbwilde Menschen um ihre Nahrung -mit den Tieren der Vorwelt kämpften; wie die Lebensweise der Dickhäuter -das Treiben der Menschen beeinflußte. - -Und mir schien, als ob die Menschen reger, stärker und besser würden -durch den dauernden Kampf. Das waren meine Gedanken, als ich den -biegsamen Gestalten der Neger folgte, die mit ihren Sinnen ganz -beschäftigt waren, den Weg zu suchen. - -Der eine Neger ging abseits auf ein Feld. Ich folgte dem anderen und -wir stiegen an schwachen Pfählen auf ein Gerüst hinauf, das eine kleine -Hütte trug. - -Nicht weit davon brannte zu ebener Erde ein Feuer und Brennholz lag -daneben. - -Der Schwarze brachte einen Arm voll trockenen Grases und legte es mir -unter den Rücken. Ich machte es mir so bequem wie möglich. - -[Illustration: Schädel eines Elefanten, den ich geschossen habe. Die -Zähne sind 221 Zentimeter lang.] - -Die Pfähle wackelten stark, als der Neger hinunterstieg, um neue Reiser -auf das Feuer zu werfen. - -In der kleinen Hütte war ein starker Negergeruch, den ich in Kauf -nehmen mußte. Der Schwarze hockte dicht bei mir, nestelte an seinem -Hüfttuch herum, holte Tabak heraus und schob ihn in den Mund und die -Nase. - -Im Schein des Feuers sah ich, daß er große Narben im Gesicht und -auf dem Schädel hatte, und er erzählte mir, daß ihn ein Leopard vor -mehreren Jahren in der Nacht auf einer Wachthütte besucht habe. Er habe -geschlafen, sich plötzlich gepackt gefühlt, um sich gegriffen, den -Leoparden mit aller Kraft gefaßt und geschrien; da sei seine Bibi mit -Feuer gekommen und habe ihn befreit. Ob der Leopard mehr gebissen oder -geschlagen hatte, konnte der Mann mir nicht sagen. - -Die Zikaden zirpten ununterbrochen. - -Eine Fledermaus besuchte unseren kleinen Raum und flatterte geisterhaft -um das Strohdach. - -Von Zeit zu Zeit ertönte das mächtige Brüllen der Flußpferde fern und -nah; dann hörte man wieder Rufe, Scheuchen und Schlagen von Trommeln -rundum in den Feldern. - -Stunden vergingen -- --. Wenn mir der Kopf niedersank, durchfuhr mich -ein Gefühl des Ekels bei dem Geruch, der den Gegenständen in der Hütte -anhaftete; ich sah wieder in die Dunkelheit hinaus. - -[Sidenote: Elefanten in den Feldern.] - -Stunden vergingen -- --. Mit einmal war ich wieder ganz wach und mein -Herz schlug schneller: „Elefanten,“ sagte der Neger leise. „Sie kommen -in die Schamba.“ - -Ich hörte nur ein leises Streichen von Gräsern, ein Schurren, Kluppen, -Schnaufen; dumpfe Stöße; aber alles dies so leise, daß nur die -Phantasie sich die Nähe der großen Tiere dazu vorstellen konnte. Nichts -von dem Trompeten, auf das ich gehofft hatte. Ich horchte lange hinaus -in die Nacht und als ich genug gehört hatte, sang der Neger laut und -schlug auf eine dumpfe Trommel. - -Ich ging auf Umwegen zum Dorfe zurück und merkte dabei, daß es -unverständig ist, in diesem Lande nachts allein zu gehen; man sieht und -hört Gespenster. - -Gerade der Pirschjäger, und besonders der Europäer, ist gewohnt, seine -Augen zu gebrauchen, wenn er ein verdächtiges Geräusch gehört hat. Hier -aber ist nachts ein lautes Treiben und hält die Sinne des Wanderers -fortgesetzt in Anspannung, ohne daß er etwas sehen kann. - -Steht da nicht ein Flußpferd? - -Im Grase raschelt’s; ein fernes Brechen -- -- Elefanten? - -Man steht und lauscht. - -Das Geräusch der eigenen Tritte verbietet vorwärts zu gehen, weil man -die anderen Geräusche, die man zu beachten gewohnt ist, zu übertönen -fürchtet; wenn andere mitgehen, schreitet man aus, ohne Rücksicht auf -den Lärm der Tritte, die sich mit denen der anderen verbinden. - -Am Morgen kamen die Neger, weckten mich und meldeten, die Elefanten -hätten die Schamben verlassen und seien nach dem Walde hingewechselt. - -Eilig brach ich auf, um den Tieren den Weg abzuschneiden. Durch hohes -Schilfgras kam ich auf Umwegen in Buschwald. Da fanden die Leute bald -die ganz frische Fährte eines Elefanten, dem wir folgten. - -Kurz darauf prallte der vor mir gehende Neger zurück und sagte. -„Ndofu.“[21] - -Ein großer Elefant stieg dicht vor uns aus einem kleinen Tal und -verschwand schnaubend in den Büschen. - -Er hatte uns gehört. Ich lief nach und sah ihn in ziemlich offenem -Gelände stehen, als er sich zu mir umdrehte. Ohne zu zögern ging ich -an den völlig freistehenden Riesen bis auf fünfundzwanzig Schritt -hinan und schoß zwischen Auge und Ohr, während er seine großen Gehöre -abgespreizt hielt, als wollte er mit den riesigen Schallfängern jeden -Laut aus der Richtung seines Angreifers auffangen. - -[Sidenote: Der erste Elefant zur Strecke.] - -Auf den Schuß tat der Elefant mehrere Schritte vorwärts, brach vorne -nieder, so daß die Zähne den Erdboden aufpflügten, legte sich langsam -auf die Seite und verendete. - -Der Eindruck, den dieser Vorgang auf mich machte, war überwältigend. -Alles war so schnell gegangen: Das Wahrnehmen des Tieres, der Schuß -und die verblüffende Wirkung, daß der große Elefant, der eben noch im -Vollbesitz seiner ungeheuren Kräfte war, leblos zusammensank. -- Das -war der Tod? - -Ein Schwarzer sprang auf den toten Elefant los, hielt seinen -Vorderlader mit gestreckten Armen vor sich und feuerte ihm die Ladung -in den Rücken. - -Hinter den Büschen ertönte ein dumpfes Trompeten; es klang, als ob -Schrecken darin läge. - -Ich folgte dem Tone und sah drei Elefanten, die in schnellem Trab -flüchteten und sich dabei dicht aneinander drängten. - -Als ich zurückkehrte, warnten die Neger noch immer davor, dem Elefanten -zu nahe zu kommen, man könne nicht wissen, ob er wirklich tot sei. - -Am nächsten Morgen war ich mit der Kamera und neugefüllten Kassetten -zur Stelle und photographierte meinen ersten Elefanten. - -Auf den umstehenden Bäumen saßen Hunderte von Aasvögeln und warteten, -bis irgend jemand die Decke des Dickhäuters durchschlagen würde. Der -riesige Leib war in den vierundzwanzig Stunden mächtig aufgetrieben, -und als er geöffnet wurde, schwoll der Magen wie ein Ballon heraus. Da -näherte sich ein Witzbold vorsichtig von der Rückenseite und stach mit -seinem Messer kurz in die gespannte Wand. Es gab einen lauten Knall, -der Ballon platzte, und der Mageninhalt flog weit herum, zum großen -Vergnügen der Zuschauer. - -Merkwürdig war, daß das Hinterbein des auf der Seite liegenden -Elefanten frei in der Luft schwebte und selbst das Gewicht mehrerer -Menschen tragen konnte, ohne nach unten gedrückt zu werden. - -An dem ersten Elefanten gab es noch vieles andere zu sehen: Die -Proportionen des Tieres, die Beschaffenheit der Haut (die viel -schwächer ist, als die des Flußpferdes), die Größe der Ohren, die -Muskulatur des Rüssels und die Form des Greifers (des Rüsselendes, in -das die Nasenkanäle münden). - -Die Neger sprachen über den Elefanten und teilten sich mit, was sie -von ihm wußten. „Der ißt keine Kürbisse mehr,“ sagte einer. „Aber sein -Freund“ (_ndugu_), ein anderer. „Er schläft nie liegend,“ „er legt -sich nie hin, weil er dann nicht wieder aufstehen kann.“ „Er legt die -Zähne auf einen Baum, wenn er schlafen will; weil sie schwer sind.“ - -Sie betrachteten den Rüssel --, „damit greift er sich Mangos,“ „und -trinkt Wasser,“ „und gräbt Löcher.“ Ich sah mir an, wie die Zähne -herausgehauen wurden. - -Der linke Zahn war kürzer als der rechte und trug an der Spitze -Bruchstellen. Die Schwarzen nannten den linken Zahn „_gumbiro_“, -den rechten „_lugori_“ und sagten, mit dem _gumbiro_ arbeite -der Elefant, den _lugori_ hätte er bloß zum Schmuck; der sei sein -Vermögen (_mali_). - -Bei allen Elefanten, die ich geschossen und gesehen habe, war der linke -Zahn kürzer als der rechte. Der linke war meist stärker und abgenutzt; -der rechte endigte in einer langen, glatten Spitze. Oft war der linke -Zahn sogar ganz abgebrochen. - -Die Schwarzen schnitten mit ihren weichen, schlechten Messern die -Haut und das Fleisch über den Knochenpartien ab, bis die großen -Knochenwulste, in die die Zähne gebettet sind, zutage lagen. Dann wurde -der Knochen mit Beilen abgesplittert. Die beiden Zähne saßen sehr fest; -es forderte stundenlange Arbeit, sie zu lösen. Der obere Rand jedes -Zahnes ist durch eine dünne Hautplatte abgeschlossen, unter der der -große, rosarote Nerv liegt. Der ist gut anderthalb Fuß lang und geht -nach unten spitz zu wie eine Rübe. Er füllt die Höhlung des Zahnes aus. - - * * * * * - -Eines morgens brach ich anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang mit -wenigen, besonders zuverlässigen Leuten auf, um Elefanten zu suchen, in -einer Gegend, in der ich frische Fährten gesehen hatte. - -Es war noch völlig dunkel, als wir in der Ferne ein Brechen hörten. - -Das Geräusch entfernte sich langsam. Ich mußte warten, bis es hell -wurde. Dann gingen wir suchend an Wassertümpeln entlang, in denen sich -hohe Bäume spiegelten. Das erste Licht fiel zwischen Blätter und Gräser -hinein. Skarabäen schwirrten in der Luft -- große Käfer, die dem Geruch -der Elefantenlosung folgten. -- - -Plötzlich zeigte ein Neger seitwärts. - -[Sidenote: Sieben Elefanten.] - -Zwischen den Zweigen reckte sich der Rüssel eines Elefanten, einer -mächtigen Schlange gleich, steil in die Luft. - -Da kein Wind war, brauchte ich nicht lange zu überlegen, was ich tun -sollte; ich ging einfach darauf los und erreichte eine Herde von sieben -Elefanten, die zwischen den Büschen ästen und dabei langsam vorwärts -gingen. - -Die Elefanten gingen nur in schnellem Schritt. Trotzdem hatte ich Mühe, -ihnen zu folgen. - -Einmal waren links von mir vier, rechts zwei, und der stärkste, ein -Bulle, blieb etwas zurück. Ich lief und wußte, da ich schießen wollte, -keinen anderen Rat, als schräg von hinten an den stärksten Bullen -hinanzulaufen und seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Es war ein -Wagnis; denn ich kannte die Elefantenjagd noch kaum und hatte erst zum -fünften Male Elefanten vor mir. Aber es war höchste Zeit, zu handeln; -meine Kräfte ließen nach und ich fürchtete, durch das Laufen zu unruhig -zu werden zu einem sichern Schuß. - -Die Gräser wurden niedriger, die Büsche spärlicher und die Elefanten -waren bis zu den Kniegelenken hinab zu sehen. - -Nur noch dreißig Schritt trennten mich von dem Bullen, da wandte er -sich zu mir um. - -Sofort blieb ich stehen und schoß ihm zwei Schuß auf das Ohr; da -beeilte sich der Elefant, der Herde zu folgen; er zeigte mir nur sein -Hinterteil, so daß ich keinen wirksamen Schuß abgeben konnte, und ich -schoß auf den linken Hinterfuß. - -Die Herde verschwand schnell in dem hohen Grase. - -Nun wartete ich auf meine Leute und nahm dann die Fährte auf. Ich hielt -es für aussichtslos und war in recht gedrückter Stimmung; was nützten -die kleinen Tropfen Schweiß, die hie und da an den Blättern gefunden -wurden! - -Wir kamen an einem hohen Baume vorbei und ich kletterte hinauf; da sah -ich die Elefantenherde tausend Meter von mir entfernt im Schilf stehen. - -In dem hohen Schilf hinanzugehen wäre ein bodenloser Leichtsinn -gewesen, solange kein Wind wehte. Deshalb beschloß ich, auf den -Nachmittagswind zu warten, der regelmäßig aus Osten wehte, und ging bis -zu einem einzelnen, großen Baume, der in dem weiten Grasmeere stand, -und von dem aus die Herde gut zu sehen war. - -[Sidenote: Die Jagd mit der Leiter.] - -Ich schickte Leute weg, die im Busch eine Leiter bauen sollten, und -ließ mir Essen und die Kamera holen. - -Mit der Leiter wollte ich im Schilf an die Herde hinangehen, weil es -unmöglich und auch zu gefährlich war, sich der Herde zu ebener Erde zu -nähern; man konnte in dem etwa drei Meter hohen, dichten Schilfgrase -nicht fünf Schritt weit sehen. - -Gegen drei Uhr am Nachmittag kam der Wind durch, auf den ich gewartet -hatte. - -Nun ging ich an die Herde hinan, um von der Leiter aus photographische -Aufnahmen zu machen. - -Zwei Neger hielten die Leiter, zwei andere lehnten starke Astgabeln -dagegen; dann stieg ich hinauf und sah von oben über das Schilf hin -nach den Elefanten aus. - -Ich machte Aufnahmen auf hundertundzwanzig Meter. -- Der erfahrene -Photograph wird wissen, daß fast nichts auf der Platte zu sehen war; -nur ein paar kleine Pünktchen; die Entfernung war für eine Kamera ohne -Fernobjektiv zu groß! -- - -Mit vieler Mühe machte ich den angeschossenen Elefanten aus. Ich -erkannte ihn daran, daß er sich mit dem Greifer seines Rüssels oft nach -den Schußstellen am Kopfe faßte. Die Herde stand in heißem Sonnenlicht. -Zweimal schienen die gesunden Tiere Anstalten zu machen, weiter zu -gehen (um Schatten zu suchen) kehrten aber jedesmal wieder zu dem -kranken Elefanten zurück. - -Alle klappten mit den großen Ohren, und manchmal hob sich ein -gekrümmter Rüssel in die Luft, um zu winden. Auch warfen die Tiere sich -glitzernden Sand über den Rücken, so daß ich dachte, sie ständen am -Wasser. - -Endlich ging ich ganz nahe an die Elefanten hinan, um den krank -geschossenen Bullen zur Strecke zu bringen. Als wir in hohem Schilfe -näher kamen, wuchsen die Schwierigkeiten; denn meine Neger, die die -Leiter halten sollten, hörten das Prusten der Elefanten, das Klappen -der Gehöre und das Kollern (das bekannte Geräusch, das man bei ruhenden -Elefanten so oft vernimmt). Die Schwarzen wurden ängstlich, wollten -nicht weiter mitkommen und ich mußte darauf gefaßt sein, daß sie, -während ich oben auf der Leiter stand, bei Zeichen von Gefahr loslassen -würden, und ich dann mit dem Gewehr ins Schilf fiele. - -Ich ließ einige Neger auf die Leiter steigen, damit sie sich davon -überzeugten, daß die Elefanten ganz ruhig aussahen und keine Gefahr zu -ahnen schienen. - -Wenn ich unten im Schilf stand und die Elefanten nicht sah, hatte ich -allerdings selbst ein Gefühl von Unsicherheit. - -Der kranke Elefant stand günstig und zeigte mir, als ich gegen den Wind -näher ging, schräg von vorne die Fläche seines Kopfes. - -Aber nach welcher Seite würde die Herde nach dem Schuß ausbrechen? -Würden die Tiere in Wut kommen und mich suchen? Möglich war das nach -den Schauergeschichten, die hier und da erzählt werden. - -Ich stellte mich oben auf die Leiter und schoß. - -Der Elefant blieb stehen; die übrigen stürmten davon. Nur mit Mühe -brachte ich die Neger dazu, zu bleiben und meine Leiter festzuhalten. -Aber die Leiter wackelte jetzt so, daß ich keinen ganz sicheren Schuß -abgeben konnte; ich wurde hitzig und schoß abwechselnd auf den Kopf und -die Schulter, weil die Schulter ein größeres Ziel bot. - -Der Elefant blieb wie verzaubert stehen. - -Auf den zweiunddreißigsten Schuß, einen Kopfschuß, brach er in die Knie -zusammen. - -Ich atmete auf: das war ja wie eine Warnung für später; wenn dieser -Elefant nicht den Schuß in den Fuß gehabt hätte, wäre er mir dreißigmal -verloren gegangen! - -Er lag so da, daß er von vorne wie lebend aussah, wenn ich die großen -Gehöre nach vorne drücken ließ; ich hätte ein sehr imposantes Bild -machen können, wenn meine Platten nicht alle gewesen wären. Am nächsten -Tage war ich dabei, als die Zähne ausgeschlagen wurden, und studierte -den Kopf des Elefanten und die Wirkung meiner Schüsse. - -Das Aushauen der Zähne war eine langwierige Arbeit, viel mühsamer -als ich gedacht hatte. Die Haut, das Fleisch und die Knochenmassen -um die Zähne mußten entfernt werden, und da immer nur wenige Leute -gleichzeitig arbeiten konnten, dauerte es über vier Stunden, bis die -Zähne zum Transport fertig dalagen. - -Wenn der Neger einen Elefanten schießt, wartet er so lange, bis die -Knochenhaut, die den Zahn umgibt, fault und die Zähne in den Alveolen -locker werden, so daß er sie mühelos herausziehen kann. Darauf muß er -beinahe vierzehn Tage warten, und wird sich dazu wohl bei dem erlegten -Elefanten eine Hütte bauen, um seine kostbare Beute zu bewachen. - -[Sidenote: Schlechte Schüsse; Enttäuschung.] - -Nach der Erfahrung mit dem Elefanten, der erst auf den -zweiunddreißigsten Schuß fiel, beschloß ich, die Elefantenjagd fortan -zu unterlassen; entweder war ich unfähig oder mein Gewehrkaliber -reichte für Elefanten nicht aus. Ich hatte keine Lust, Elefanten krank -zu schießen und noch weniger, den Vorwurf bodenlosen Leichtsinns zu -verdienen; denn Leichtsinn, nicht Mut ist es, wenn jemand sich in -Gefahr begibt, ohne sich und seiner Waffe trauen zu können. - -Einen Monat hindurch fehlte mir auch jede Zeit zur Jagd, dann aber -hatte ich eine ganz unerwartete Begegnung mit einem Elefanten und -lernte an einem Tage, wie es zu machen sei, einen Elefanten mit einem -einzigen Stahlmantelgeschoß zu töten. - -Ich ging mit zwei Boys auf einem Negerpfad, der in Schlangenlinien -durch dichten Busch führte. Hie und da standen üppige Dumpalmen, -und hohes Gras neigte sich von beiden Seiten in den Weg. Als wir um -einen Palmstrauch bogen, stand plötzlich ein Elefant dicht vor uns. -Die Boys liefen weg und auch mir blieb nichts anderes übrig, als -zurückzuspringen. - -[Illustration: Der wilde Elefant, der mich wütend verfolgte, fiel nach -dem zehnten Schuß.] - -Auch der Elefant war erschrocken, hob den Kopf, streckte den Rüssel -geradeaus nach vorne und trottete in den Busch. Ich folgte ihm, -stieg auf einen Baum, um nicht zuviel Zeit mit dem Suchen der Spur -zu verlieren und sah den Elefanten, als er das jenseitige Ufer eines -etwa vierhundert Meter breiten Sumpfes hinaufstieg und in die Büsche -hineinging. Ohne Zögern sprang ich zu Boden und arbeitete mich durch -den Sumpf, erreichte das jenseitige Ufer und stieg die Böschung hinauf: -als der Elefant ganz unerwartet wieder vor mir stand. Der einzige -Neger, der mit mir war, rief: „_anakuja_“[22] und lief davon. Ich -war in einer schwierigen Lage; hinter mir der Sumpf, zehn Schritt vor -mir der Elefant. - -[Illustration: Das Heraushauen der Elfenbeinzähne aus dem Schädel -ist eine schwere, langwierige Arbeit. Bei diesem Elefanten wurde die -Arbeit durch die Lage des Tieres erleichtert; es war zusammengebrochen -ohne auf die Seite zu fallen, und so konnten die Schwarzen an beiden -Zähnen gleichzeitig arbeiten. -- An dem Elefanten steht die Leiter, die -ich mir schnell hatte zusammenbinden lassen, um über das große Gras -hinwegsehen zu können. --] - -Schnell riß ich das Gewehr hoch und schoß auf den Kopf des Elefanten, -repetierte und schoß den zweiten Schuß auf den Rüsselansatz, als der -Rüssel schon dicht vor mir war; dann sprang ich schräg nach links an -dem Elefanten vorbei, weil ich wußte, daß ich in dem Sumpf verloren -gewesen wäre. - -[Sidenote: Vom Elefanten verfolgt.] - -Der Elefant war hinter mir, ich hörte die Tritte, sprang völlig aufs -Geratewohl zur Seite und schoß den dritten Schuß auf den Kopf des -Elefanten. - -Ich sah über dem Grase nur den Rücken und den Kopf mit den gewaltigen -Gehören. Wieder stand der Elefant, hob den Rüssel und stieß einen -lauten Ton aus, der so klang, als wenn eine Straßenbahn sich schrill in -einer Kurve scheuert. - -Noch zwei Schuß in fieberhafter Schnelligkeit auf den Gehöreingang! - -Patronen: Die Taschen sind leer! „Ali!“ „Ali!“ „Risassi!“[23] - -Der Elefant ist wieder hinter mir. - -Ich laufe. An einem Busch pralle ich mit Ali zusammen; der wirft den -Patronengürtel hin; ich hebe den Gürtel auf, laufe, springe, reiße zwei -Ladestreifen aus der Ledertasche, lasse den Gürtel wieder fallen, lade. -Ich sehe den Elefanten auf Alis Spur und schieße fünfmal; da bleibt der -Elefant stehen, dreht sich im Kreise, schlägt mit dem Rüssel in die -Luft, trompetet in wilder Wut und fällt langsam auf die rechte Seite. -- - -Es ist kein Zweifel, daß dieser Elefant mich angenommen hat. Ich hatte -ihn zweimal überrascht, und darüber war er ärgerlich; er mußte mich als -seinen Verfolger erkennen, er war gereizt. Er hatte nach meinen ersten -Schüssen zweimal die Richtung geändert, muß also wohl andere Absichten -gehabt haben, als nur davonzulaufen. - -Obgleich mir nicht Zeit blieb, an die Gefahr zu denken oder gar Furcht -zu empfinden, kann ich doch eins als etwas Unangenehmes schildern: -fortlaufen zu müssen, dem Gegner den Rücken zu kehren und das Geräusch -seiner Tritte hinter sich zu hören. - -Erhöht wurde die unangenehme Lage noch dadurch, daß man in dem hohen -Grase stellenweise nicht sehen konnte, wohin der Elefant lief. - -Nach einer Weile erschienen beide Boys wieder auf der Bildfläche. -Wenige Schritte von der Stelle, an der der Elefant gefallen war, -lag ein alter Elefantenschädel, und ich kam auf den glücklichen -Einfall, diesen Schädel neben den Elefanten legen zu lassen, genau zu -vergleichen und zu messen, um zu lernen, wohin und wie ich schießen -müsse, um das Gehirn zu treffen. - -Wer sich nämlich auf der grauen Fläche am Kopfe des Elefanten -zurechtfinden will, muß den Schädel unter der Decke erkennen und das -große Gebilde wie mit Röntgenstrahlen durchschauen. Das lernte ich -an diesem Tage und übte mich in den fünf Stunden, die ich bei dem -Elefanten und dem Schädel zubrachte, durch dauerndes Vergleichen so, -daß ich aus jeder Richtung wußte, wieviel Knochen und Fleischmasse mein -Geschoß zu durchschlagen hatte. - -Ich ließ mir mein Skizzenbuch und Bleistifte holen und machte -Zeichnungen des Elefantenschädels in allen verschiedenen Stellungen. -Diese Mühe -- es war übrigens eine lehrreiche und nützliche -Beschäftigung -- machte sich belohnt, und selten bin ich mit mir selbst -zufriedener gewesen als an dem Tage, an dem ich den nächsten Elefanten -anpirschte und auf fünfzehn Schritt mit einem einzigen Schuß tötete. - -Mittlerweile kamen meine Träger und zwei ganz alte Männer, deren Brust- -und Rückenhaut in vielen Falten auf dem Körper lag. Sie bauten sich -eine kleine Hütte und blieben tagelang bei dem Elefanten, um Fleisch zu -essen. - -Wenn ich eitel wäre, müßte ich aufzeichnen, was Ali im Lager über -meinen Mut erzählte, wie ich geschossen hätte, bis der Elefant mich -beinahe faßte, wie ich immer wieder stehen geblieben sei um zu -schießen. Das „_hakimbii_“ („er läuft nicht weg“) ging von Mund zu -Mund, und mir konnte es nur recht sein, wenn die Neger daran glaubten; -denn mit einem Feigling gehen sie weder auf die Jagd noch ins Gefecht. - -Übrigens gewann Alis Schilderung noch bedeutend, als er dagegen -vormachte, wie ein anderer Europäer vor Jahren auf eine -Riesenentfernung auf Elefanten geschossen habe. Ali markierte den -Europäer, ein andrer den Boy des Europäers. Der Europäer legte die -Mündung des Gewehres auf die Schulter seines Boy, um sicher zu zielen -und ging dabei immer rückwärts, wobei er ängstlich um sich blickte und -fragte: „_Nipige? nipige?_“ (Soll ich schießen?) - -So gewann ich also auf Kosten eines Unbekannten, der mir, wenn er dies -lesen sollte, verzeihen möge, daß ich die Schwarzen gewähren ließ und -nichts tat, um sein Ansehen wiederherzustellen. - - * * * * * - -[Sidenote: Elefanten durchqueren den Strom.] - -Eines Tages kamen Leute und meldeten, zwei Elefanten seien gegen Morgen -durch den Fluß gegangen und ständen jetzt nahe bei einem Dorfe im Busch. - -Ich ließ ein Maultier satteln und machte mich auf den Weg, um zu sehen, -was daran wahr sei. - -Nach zwei Stunden erreichte ich die Stelle, wo die Elefanten den Strom -verlassen hatten. Die Fährten waren deutlich; ringsum sah man, wo das -Wasser von den großen Tierleibern herabgetropft war. - -Es war kein Zweifel, daß die Tiere durch den Strom gekommen waren. Aber -wie? geschwommen? - -„Nein, der Elefant ist (zu) schwer,“ sagten die Neger und behaupteten, -er sei ganz unter Wasser gewesen; nur das Rüsselende habe herausgesehen. - -Ich füge nichts hinzu; es ist in jedem Falle merkwürdig, auch wenn es -eine Lüge der Neger sein sollte. - -Da die Neger sagten, die Elefanten ständen ganz in der Nähe, folgte ich -der Fährte. Nach kurzer Zeit -- ich war noch gar nicht darauf gefaßt -- -standen plötzlich beide Elefanten vor mir. - -Sie hatten schlanke, dünne Zähne; es waren Kühe und ich hatte nicht -die Absicht sie zu schießen -- wie ich überhaupt nie eine Elefantenkuh -geschossen habe. -- - -Die Neger sagten mir in ihrer eigentümlichen Ausdrucksweise „_shauri -yako, lakini mali_“. („Wie du willst; aber die Zähne sind sehr -wertvoll!“) - -Ich ging zum Strome zurück und ließ mir ein Boot holen, nahm eine -Bastleine mit einem Stein, fuhr über den Fluß und lotete bis zu -achtzehn Fuß Wassertiefe; der Wasserstand war in der Zeit schon -ziemlich hoch. - -Da die Elefanten etwa elf Fuß hoch waren, müssen sie entweder -geschwommen sein oder, wie die Neger sagten, wirklich den Rüssel als -Luftleitung hochgehalten haben. Leider habe ich selbst nie Elefanten im -Strome gesehen. - -Zu Fuß Elefanten zu folgen, ist eine anstrengende, oft vergebliche -Mühe; (zu Pferde wäre es eine Kleinigkeit). Das merkte ich, als ich -Elefanten photographieren wollte. Ich mußte dazu an die Plätze gehen, -wo die Elefanten bestimmt nachts ästen. Dort blieben aber die Tiere bei -Tage nicht, sondern zerstreuten sich in verschiedene, ganz unbestimmte -Richtungen und ich mußte ihnen dann folgen, bis gutes Licht zum -photographieren war. - -Die ersten Aufnahmen -- die ich für die allerbesten zu halten Grund -hatte -- mißlangen vollständig, weil ich noch nicht dreist genug war -und jedesmal zu früh zur Büchse griff, wenn der Elefant mir gefährlich -wurde. - -So war ich eines Morgens einem Elefanten schon in der Dunkelheit -gefolgt und ging hinter ihm her, um ihn zu photographieren, sobald es -hell genug würde. - -[Sidenote: Allein mit dem Riesen.] - -Ich ging ganz alleine; hatte die Büchse in der Hand und die Kamera -umgehängt. - -Meine Leute hatten den Auftrag, mir erst nach Tagesanbruch zu folgen. - -Ich wollte ganz alleine sein, weil ich dann von niemand gestört wurde -und weil es für jemand, der seine Sinne zusammennimmt, bei Jagd auf -gefährliches Wild wirklich das Sicherste ist, allein zu gehen; denn -viele Leute, viele Fehler. - -Damit aber die Neger meiner Fährte schnell und sicher folgen konnten, -hatte ich mir die Taschen mit Papierschnitzel gefüllt, die ich von Zeit -zu Zeit fallen ließ.[24] Diese Vorsichtsmaßregel war sehr wichtig, -da ich auch die Gewohnheit hatte, Gegenstände, die mir lästig wurden, -abzulegen und in der Fährte liegen zu lassen, damit meine Leute sie -mitnähmen, und weil man einen Unfall haben kann, bei dem schnelle Hilfe -nötig ist. - -Der Elefant ging ganz langsam durch den Busch und kam in eine offene -Ebene mit kurzem, saftigen Gras. Ich war meist nur vierzig Schritt -hinter ihm. - -Er blieb oft stehen und nahm mit dem Rüssel Gras auf. Dabei krümmte er -das untere Ende des Rüssels wie eine Sichel, raffte die Halme zusammen, -riß ein Bündel ab und steckte es in den Mund. - -Über eine Stunde war es schon hell, da machte ich die erste Aufnahme -(auf fünfzig Schritt, schräg von hinten). - -Zum Glück ließ ich die Kassette auf der Erde liegen -- ich band ein -Taschentuch daran, deckte Gras über die Kassette um sie vor Sonnenlicht -zu schützen und ließ das Taschentuch darunter hervorsehen, damit die -Neger, die meiner Fährte folgten, darauf aufmerksam würden. - -So wurde diese Aufnahme wenigstens gerettet. - -Ich hatte jetzt nur noch eine Doppelkassette (zwei unbelichtete -Platten). Als der Elefant einen ganz sanften Abhang hinanstieg, lief -ich nach rechts und photographierte ihn von der Seite. - -Da sah ich einen anderen Elefanten von links kommen und blieb stehen, -um zu beobachten, wann sich die Tiere gegenseitig bemerken würden. Als -sie etwa vierzig Schritt voneinander entfernt waren, blieb der Elefant, -dem ich folgte, stehen und wartete, bis der andere dicht vor ihm -vorübergegangen war. Dann aber drehte er sich ganz ohne Veranlassung -plötzlich um, so daß ich genau vor ihm stand, und spreizte beide Ohren. -Ich hatte die große Ruhe, jetzt die Kamera zu heben, zu zielen und zu -knipsen. Der Schlitzverschluß rollte auffallend laut; der Elefant hob -den Rüssel und schnaubte. - -Er hatte mich bemerkt. - -Ich stand fünfundzwanzig Schritt vor ihm; was tun? - -Ich ließ die Kamera ins Gras fallen, hob schnell die Büchse und schoß. -Der Elefant brach vorne zusammen und rollte tot auf die Seite. - -War es ein Gegner? War dies Aug in Auge mit dem Riesen ein Moment, in -dem es sich um Leben oder Tod handelte? - -[Illustration: Der Elefant ging in kurzem Grase. Ich war fünfzig -Schritt hinter ihm, als ich die erste Aufnahme machte.] - -Ich weiß es nicht; jedenfalls gehört es zu den seltensten Erlebnissen, -auf Wurfweite in ganz freiem Terrain mit einem wilden Elefanten allein -zu sein und von ihm bemerkt zu werden. - -Leider ist die obenstehende Aufnahme die einzige von den dreien, die -gelungen ist. Die beiden anderen, auf die ich mich monatelang freute, -habe ich nie wieder gesehen und ich weiß nicht, wodurch die Platten -verdorben sind; vielleicht wurden sie beschädigt, als ich die Kamera -hinwarf. - -Ein solcher Verlust ist sehr schwer zu vergessen; denn es gibt -keine besseren Beweise für die Wahrheit von Jagderlebnissen, als -Photographien, die in die Erlebnisse mitten hinein führen und einen -Teil der Aufregung und Gefahr schildern. Photographien sind viel -wertvollere Erinnerungen, als die Jagdtrophäen selber! - -Leider fehlten mir oft Platten, so daß ich manche Gelegenheit, -wertvolle Aufnahmen zu machen, vorübergehen lassen mußte. - -[Sidenote: Pirschzeichen und Fährtenfolge.] - -Eines Tages aber hatte ich sechs gefüllte Doppelkassetten und war -in einer Gegend, in der Elefanten frisch zu spüren waren. Kurz vor -Sonnenaufgang gingen zwei Elefanten nahe bei meinem Zelte vorbei. -Schnell stand ich auf und bereitete alles vor, um zusammen mit -Unteroffizier Lauer die Fährte aufzunehmen, sobald es hell würde. - -Fünf Stunden lang folgten wir der Fährte in heißem Sonnenbrand, ohne -auszuruhen. Je höher die Sonne stieg, um so schwieriger war es, das -Alter der Fährte zu bestimmen, was notwendig war, weil oft andere, -ältere Fährten dazwischen kamen, denen zu folgen natürlich zwecklos -gewesen wäre. - -Wenn ich zum Beispiel zwei Fährten vergleiche: Ich nehme an, die eine -ist von gestern früh, die andere von heute nach Sonnenaufgang. Es ist -Trockenzeit; kein Regen; aber nachts fällt Tau. - -Dann ist die Fährte von gestern früh den ganzen Tag über von der Sonne -beschienen worden; die Bruchstellen abgebrochener Blätter und Gräser -sind dadurch getrocknet. Danach ist der Nachttau in die Fährte gefallen -und hat alles gleichmäßig mit Feuchtigkeit benetzt. - -Die Fährte von heute früh dagegen ist trocken, weil der Huf des -Wildes die Tauschicht durchbrochen und den trockenen Sand von unten -heraufgewühlt hat; abgerissene Blätter aber zeigen nasse, also frische -Bruchstellen. - -[Illustration: Ich ging bis auf acht Meter hinan. Der größere Elefant -hatte sich hingeworfen und schnarchte.] - -Das sind die Unterschiede zwischen zwei Fährten von verschiedenem -Alter. Je höher aber die Sonne steigt, um so feiner werden diese -Unterschiede; denn auch die heute früh abgebrochenen Blattstengel -fangen an zu trocknen und der Tau verdunstet. Das macht dann oft -viel Kopfzerbrechen. Aber es gibt für den aufmerksamen Fährtensucher -auch dann noch viele Merkmale, mit deren Beschreibung ich den deutschen -Jäger langweilen würde -- und meine übrigen Leser vielleicht noch mehr. --- - -(Bald findet man eine Schramme an einem Baum, an einer Stelle, die nach -Westen liegt; ist diese Wunde an der Haut des Baumes so frisch, daß man -annehmen kann, die Nachmittagssonne des vorigen Tages habe nicht darauf -geschienen, so wird man sie mit den Elefanten von heute in Verbindung -bringen.) Andere wichtige Merkmale sind: der Zustand der Losung; -Wassertropfen und Schlamm an Stellen, wo der Elefant durch einen Sumpf -gegangen ist. Aus alledem geht hervor, daß der Jäger, wenn er eine -Fährte beurteilen will, an die Witterung der letzten Tage denken muß -und daß er die Veränderungen kennen muß, denen eine Fährte unterworfen -ist. - -Wenn man einer Fährte schon meilenweit gefolgt ist, kennt man sie meist -schon genau an der Größe und Form der Fußabdrücke, an dem Schrank und -der Entfernung der Tritte voneinander, so daß es dadurch wieder etwas -leichter wird, Fehler zu vermeiden. - -Je länger man einer Fährte folgt, um so stärker wird der Wunsch, Erfolg -zu haben; es ist so, als ob man viel Kapital in eine Sache gesteckt -hat und es nicht ganz verlieren will. Deshalb ist es sehr ärgerlich, -wenn man nach fünf Stunden an eine Stelle kommt, wo die Fährten so -undeutlich kreuz und quer gehen, daß niemand aus noch ein weiß. - -So ging es uns heute, und mein Begleiter, der mir sagte, er kenne -solche Sachen, wie ich sie hier machte, nur aus dem Lederstrumpf, -glaubte nicht an den Erfolg und hatte längst den Mut verloren. - -Als die exakte Methode (von dem letzten mit Sicherheit beobachteten -Fußabdruck den folgenden zu suchen und keinen zu überspringen) zu -keinem Resultat führte, ließ ich in größerer Entfernung suchen und da -fanden wir die Fährte wieder. - -Wir kamen aus der Schilfebene in hohen Buschwald mit hartem Boden. Die -Fährten der großen, schweren Tiere waren hier wirklich kaum zu sehen; -die Schalen einer kleinen Antilope drücken sich im Boden deutlicher ab, -als die breiten, weichen Kissen[25], die der Elefant unter den Füßen -trägt, und er geht damit so leise, daß man ihn kaum hört. - -Auf unserm Wege erlebten wir noch einen Zwischenfall: Ich sah auf einem -Baume einen Geier sitzen und schickte einen Neger hin, der nachsehen -sollte, ob ein Stück Wild dort gefallen sei. Der Neger kam entsetzt -zurück und führte uns zu der Leiche eines Mannes, der offenbar erst -in der letzten Nacht getötet worden war. Die linke Brust war häßlich -zerfleischt. Deutliche Fährtenabdrücke im Staube verrieten den Täter: -einen starken Löwen. - -Später erfuhren wir den Zusammenhang: - -Der Löwe hatte den Neger in der Nacht aus einer Hütte geholt, die vier -Kilometer von dem Platz entfernt war, an dem wir den Toten fanden. - -Ein Bote benachrichtigte die Neger des Dorfes, die schon, bis an die -Zähne bewaffnet, der Fährte des Löwen gefolgt waren, die Verfolgung -aber aus Feigheit aufgegeben hatten und sich statt dessen an Pombe -betranken. - -[Sidenote: Bei den Elefanten.] - -Wir folgten der Fährte der Elefanten weiter und kamen in ein Tal, in -dem uns eine scharlachrote Blätterwand schon von weitem auffiel. In -Deutschland ist der Herbst die Jahreszeit der bunten Blätter, in Afrika -offenbar der Frühling, der Anfang der Regenzeit. Man denke sich die -zarte, blutrote Farbe junger Eichentriebe von Baum zu Baum fortgesetzt -auf eine weite Strecke hin; darunter das satte Grün junger Gräser: so -war das Bild, das wir hier sahen. - -Sieben und eine halbe Stunde waren wir unterwegs, als wir das rote Tal -durchquerten und auf der anderen Seite plötzlich die Elefanten vor uns -sahen. Der eine stand mit dem Kopf im dichten Laub eines Baumes, der -andere außerhalb im Schatten. - -In dieser Stellung lohnte es nicht, eine Aufnahme zu machen; deshalb -wartete ich geduldig und verabredete mit meinem Begleiter, wie wir es -anstellen wollten, heute eine Reihe guter Elefantenbilder zu machen. - -Ich wollte ohne Gewehr an die Elefanten hinangehen, um zu -photographieren, er sollte mit der Büchse bereitstehen, um im Notfalle -zu schießen. - -Wir setzten uns ganz gemütlich hin und frühstückten in der seltenen -Nachbarschaft zweier Elefanten mit einer Ruhe, als hätten wir den -Erfolg schon in der Tasche. - -Endlich bewegten sich die Elefanten; der außerhalb des Baumes stehende -drängte den anderen zur Seite. Nun hatten sie beide nicht in dem Laub -des Baumes Platz und gingen weiter. - -Da kamen sie in den Sonnenschein und blieben, wie schlaftrunken, schon -an dem nächsten, hochstämmigen Baume stehen, der sehr wenig Schatten -gab. Das war mir sehr willkommen. - -Der Wind war gleichmäßig, so daß ich nicht zu fürchten brauchte, -bemerkt zu werden. - -[Sidenote: Photographische Aufnahmen.] - -Ich ließ meine Büchse an einem Strauch stehen und schlich langsam mit -der Kamera dem Elefanten näher. Als ich auf etwa fünfzehn Schritt hinan -war, warf sich der rechtsstehende, größere Elefant plötzlich hin und -begann laut zu schnarchen. - -Diesen Augenblick völliger Unbefangenheit benutzte ich, um mich den -Tieren auf acht Meter zu nähern; ich stellte die Entfernung an der -Kamera ein und machte eine Aufnahme. (Abbildung Seite 251.) Von dem -liegenden Elefanten sah ich nur die Wölbung des Leibes; ich hielt -deshalb die Kamera hoch über den Kopf, um unter allen Umständen -wenigstens eine Spur von dem Schläfer auf der Platte zu bekommen als -Beweis, daß der Elefant auch in der Wildnis liegend schläft, wenn er -sich sicher fühlt. Auf der Abbildung Seite 251 sieht man denn auch die -Wölbung des Leibes und die Säulen die nach rechts liegen. (Der Elefant -lag auf der rechten Seite; der Rüssel zu mir her. Dicht vor mir im -Grase hörte ich das Schnauben zu meinen Füßen.) - -Der stehende Elefant hielt Wache. Er schlug sich die Gehöre in -gleichmäßigem Takt nach vorn über die Luser, um die Insekten zu -verscheuchen und dem Rüssel Wind zuzufächeln. Mit dem Schwanz vertrieb -er die Insekten hinten. - - Auf dem Bilde sieht man die riesigen Gehöre, in denen dicke - Blutadern laufen; unter dem linken „Ohrläppchen“ sieht der - Elfenbeinzahn hervor. Die Hautfalten sind recht deutlich zu - erkennen; dies, ebenso wie die unscharfen Gräser im Vordergrunde - sind dem Kenner ein Anhalt dafür, zu beurteilen, wie nahe ich dem - Elefanten war. (Seite 251.) - -Nach einer Zeit von etwa zwanzig Minuten wandte sich der stehende -Elefant dem liegenden zu und stieß ihn mit seinen Zähnen an. Darauf -erhob sich der Schläfer und war noch nicht ganz hoch, als sich der -andere schon träge fallen ließ und mit wahrer Wollust schnarchte. - -Der große Elefant war so aufgestanden, daß er jetzt breit zu mir stand -und es war jetzt ein Wagnis, ihm näher zu gehen, weil ich das Auge des -Elefanten genau sah und unter dem Eindruck stand, als ob er mich auch -sehen müsse; ich stand zehn Schritt von dem Elefanten, dessen Auge auf -mich gerichtet war und redete mir ein, daß dies Auge blind sei. - -Ich duckte mich nieder und kroch noch einmal zu Lauer zurück, um die -belichteten Kassetten abzuliefern und genau zu verabreden, was Lauer -tun sollte, wenn der Elefant mich plötzlich bemerkte. - -Es waren Stunden, die verdienen, geschildert zu werden; denn so -dreist mit dem riesigen Wild umzugehen, hieß für uns wenigstens mit -Vorurteilen brechen, die sich aus allem, was wir bisher gehört hatten, -bei uns eingeprägt hatten. Es hieß auf das eigene Geschick und auf die -Dummheit[26] (oder Unaufmerksamkeit) der Elefanten bauen. Aber ein -mächtiger Ehrgeiz trieb mich: Der Gedanke diese Bilder später zeigen zu -können. - -Der stehende Elefant faßte mit dem Rüssel Grasbüschel und schlug sich -damit unter den Körper. Der Rüssel, die Gehöre, der Schwanz waren -dauernd in Bewegung. - -Der Elefant nahm mit dem Rüssel Erde auf und warf sie sich über den -Rücken; dann legte er den Rüssel über den rechten Zahn und wickelte ihn -sogar ganz herum. - -Lauer und ich photographierten uns jetzt gegenseitig, mit der Büchse -vor dem Elefanten stehend (siehe das dem Buch vorgeheftete Bild). - -Es wird wohl das erstemal sein, daß ein Jäger vor einem afrikanischen -Elefanten stehend photographiert wurde: daß Wild und Jäger auf -derselben Platte gezeigt werden, während der Elefant nichts davon ahnt. - -Als ich wieder dicht vor dem Elefanten stand, erhob sich plötzlich der -zweite, kleinere, und reckte den Kopf und Rüssel hoch in die Luft, -- -er gähnte --. Diese merkwürdige Stellung wollte ich festhalten, hob -den Apparat schnell und knipste, kam aber einen Augenblick zu spät; -denn wie die Abbildung Seite 261 zeigt, hat der Elefant im Moment der -Aufnahme den Rüssel bereits nach hinten gelegt, und weil ich mit einem -zu kurzen Ruck abknipste, ist das Bild ein wenig „verwackelt“. - - Die Abbildung Seite 261 ist leider nicht ganz scharf. Die Gehöre - des nächststehenden Elefanten sind in Bewegung. Das Auge ist zu - erkennen, ebenso der linke Zahn. Von dem zweiten Elefanten, der - sich gerade aufrichtet, sieht man nur den linken Zahn hoch oben in - der Luft und den nach hinten gebogenen Rüssel. - -Jetzt standen beide Elefanten Rücken an Rücken, wie die Abbildung Seite -263 zeigt. - -Als ich meine zwölf Platten belichtet hatte, nahm ich die Büchse zur -Hand, ging zur Sicherheit auf etwa dreißig Schritt zurück und wollte -versuchen, wann die Elefanten auf mich aufmerksam würden, wenn ich mich -absichtlich bemerkbar machte. - -Wenn ich über den Wind gegangen wäre, hätten sie mich sofort gewittert; -darüber war kein Zweifel. Auch war mir klar, daß der Elefant aufmerksam -auf mich werden mußte, wenn ich heftige, schnelle Bewegungen gemacht -hätte. - -Wir standen beide vor einem kleinen Busch und fielen nicht allzusehr -auf; dennoch ist es merkwürdig, wie spät uns die Elefanten bei den -nun folgenden Versuchen wahrnahmen, wie lange es dauerte, bis sie -mißtrauisch wurden. - -Ich pfiff zuerst die Signale einiger Vögel. - -Jedesmal hielt der uns zunächst stehende Elefant die Gehöre einen -Augenblick still, setzte aber das Klappen fort, sobald ich verstummte. - -Auch den Kehrreim des „Star“ von Oskar Straus hörte sich der Elefant -mit stillstehenden Gehören an und beruhigte sich darüber. - -Als ich das ganze Lied pfiff, drehte er sich halb um, auf mich zu. - -Einen ganz geringen Verdacht, daß das Pfeifen von einem fremden Vogel -herrühre, hatte er schon, und als ich ein anderes Lied anfing, wandte -er mir den Kopf ganz zu, spreizte die Gehöre, hob den Rüssel hoch über -den Kopf, wie um Wind zu suchen und stieß einen schwachen, trompetenden -Ton aus. Dann drehte er sich um, und beide Elefanten gingen. - -[Sidenote: Spaziergang hinter einem Elefanten.] - -Nun lief ich hinterdrein und schrie laut, um die Elefanten zu reizen. -Anfangs beschleunigten sie ihre Tritte, dann drehten sie sich um und -prusteten unwillig. Sofort blieb ich stehen und war still, so daß die -Elefanten wieder keinen Anhalt hatten, wo und wer ich war. Sie trabten -so schnell davon, daß ich das Spiel aufgeben mußte. - -Todmüde, aber sehr zufrieden mit dem Erfolg des Tages kamen wir erst -gegen neun Uhr am Abend ins Lager. - -Gewiß hatte ich mehr von meinen Bildern erwartet als ich einige Monate -später auf den entwickelten Platten sah (ich entwickelte damals noch -nicht selbst im Zelt); aber schon diese Bilder fanden großes Interesse; -waren es doch die getreuesten Urkunden für das, was ich erlebt und -gesehen hatte. - -Zum Glück plagte mich damals noch keine Sorge, ob ich die wertvollen, -kaum zu ersetzenden Aufnahmen auch heil bis dorthin bringen würde, wo -die ersten fertigen Kopien dem Kamerajäger die Beruhigung geben, daß -seine Trophäe für alle Zeiten gerettet ist; ich schlief fest und gut -nach den Anstrengungen der Fährtenfolge. - -Am nächsten Morgen lag dicker Nebel über dem Fluß und den weiten -Schilfniederungen des Tals. - -Ich war lange vor Sonnenaufgang unterwegs, um zu pirschen und kam -in einen Wald von Mangobäumen, in dem es stark nach faulenden -Mangofrüchten und nach Elefantenlosung roch. - -Ein Neger ging vor mir, er wollte mich an eine Stelle führen, wo ein -starker Buschbock sei. - -Plötzlich bückte er sich, wandte sich um und sagte: - -„_Eh! bana!_“ - -Er war mit dem Fuß gegen einen Berg Elefantenlosung gestoßen und hatte -gefühlt, daß sie noch warm war. - -Da ging ich ganz vorsichtig weiter und hörte plötzlich ein lautes -Schütteln vor mir in den Bäumen; dann raschelten Dutzende von Früchten -durch die Zweige und Blätter hernieder und klatschten auf den Boden: -Affen oder Elefanten! - -Ich blieb stehen. Das Schütteln wiederholte sich etwa alle fünf -Minuten. Allmählich wurde es heller und ich sah unter den dunklen -Bäumen, zwischen säulenartigen Stämmen einen großen Elefanten stehen. - -Er ging auf einen starken Baum zu, hob den Kopf, nahm den Stamm -zwischen die beiden langen, hellgelben Zähne, legte den Rüssel an dem -Stamm entlang senkrecht nach oben und brachte den Baum durch Vor- -und Zurückwiegen seines ungeheuren Körpers in Bewegung. Die Früchte -prasselten nieder. Der Elefant ging mit kleinen, langsamen Schritten -rund um den Baum, nahm mit dem Rüssel die Früchte einzeln auf und -steckte sie in den Schlund. - -Er wiegte sich gemütlich auf den Säulen[27] hin und her; die großen -Ohren bewegten sich langsam, wie Segel, die bei Flaute an den Mast -schlagen. - -Er ging zum nächsten Baum und begann dasselbe Geschäft. Dann ging er -weiter; ich folgte ihm, auf den Zehen laufend, mit geschultertem Gewehr -wie eine Schildwache, so dicht, daß ich die Ausführung der bekannten -Wette für möglich hielt, dem Elefanten unbemerkt einen Kreidestrich auf -den Hinterschenkel zu machen! - -Der Elefant ging zwischen hohem Gras auf einem ausgetretenen Wege. Ein -kleiner Elefant kam „uns“ auf diesem Wege entgegen. Mein Vordermann -blieb stehen, bis der andere mit ihm Kopf an Kopf stand und die -Elfenbeinzähne zusammenklappten. Wohl dreißig Sekunden standen sie so, -ohne daß einer Lust zeigte auszuweichen. Dann ging mein Elefant weiter -und schob den kleinen rückwärts, bis er nach der Seite auswich und nun -auf mich zukam. - -Ich ging vom Wege ab und drückte mich seitlich in das Gras, war aber -höchstens zwanzig Schritt weit gegangen, als ich mich niederducken -mußte; denn der Elefant war schon zu nahe und ich glaubte, daß er mich -sehen und hören müsse, wenn ich weiterging. - -Der Elefant ging ganz ruhig auf dem Wege; aber als sein Rüssel über -die Stelle schlenkerte, wo meine letzte Fährte war, schnaubte er und -lief erschreckt nach der andern Seite. Dort verschwand er zwischen den -Büschen. - -Zum Glück hatte der andere Elefant nichts davon gemerkt. - -Ich folgte ihm wieder und traf nach etwa einer Stunde mit zwei anderen -Elefanten zusammen, die beide nur den rechten Zahn hatten. - -[Sidenote: Rappantilope und Löwen.] - -Da sah ich plötzlich den Kopf einer Rappantilope hundert Schritt von -mir aus dem Grase herüberäugen. Ich hatte noch keine dieser schönen -Antilopen geschossen, ließ sofort von dem Elefanten ab und gab der -Rappantilope einen Schuß auf den Stich. Deutlich hörte ich den -Kugelschlag und der Bock stürmte in rasender Flucht in das Schilf -hinein. Ich wußte recht genau, wie er getroffen war und daß er nicht -weit gehen würde, wollte aber die Schweißfährte doch erst nach einer -Stunde aufnehmen, um den Bock nicht zu verlieren und pirschte deshalb -weiter. - -Ich hatte gerade die Kamera in der Hand, um einen merkwürdigen -Termitenhügel zu photographieren und suchte nach einem günstigen -Standpunkt im Schilf, als dicht vor mir ein Knurren ertönte und meine -Begleiter gleichzeitig mit dem Schreckensruf „_simba_“[28] -zurückstürzten. Ich sprang schnell auf den Termitenhügel zu, stieß die -Kuppe ab und stellte mich mit der Kamera obendrauf, konnte aber den -Löwen nur noch eben im Grase verschwinden sehen. - -Da raschelte es hinter mir und ein zweiter Löwe suchte in dem dichten -Grase das Weite. - -Pech! hätte ich doch wenigstens schnell zur Büchse gegriffen, aber ich -dachte wirklich, ich könnte eine Aufnahme machen! - -[Illustration: Hinter dem ersten Elefanten richtete sich der zweite -auf, hob den Rüssel hoch in die Luft und krümmte ihn nach hinten.] - -[Illustration: Die beiden Elefanten blieben unter einem hohen Baume -stehen, der sehr wenig Schatten bot.] - -Jetzt krabbelten mir die fleißigen Termiten an den Beinen hoch und -zwackten mich und, um bei meinem Ärger Seelenruhe zu heucheln, -betrachtete ich die Höhle, die sichtbar geworden war, weil die Kuppe -des Hügels fehlte. - -[Illustration: Gehörn einer Rappantilope.] - -Wie aus einem Schlot stieg heiße Luft daraus hervor. Die kleinen, -dickköpfigen Termiten, in deren Staatswesen Liebe und Arbeit so streng -getrennt sind, kamen herauf und brachten aus der dunklen Tiefe neue -Erde, um den Schaden auszubessern. Zwischen den Arbeitern standen, -wie Schutzleute im Straßengewühl, Aufseher mit großen Kopfzangen, -ermunterten die Ankömmlinge, wiesen ihnen die Richtung des Weges an und -trieben Säumige, die ihren Baustein schon angeklebt hatten und sich an -der frischen Luft verpusten wollten, zu beschleunigter Rückkehr an. - -Ich zeigte meinen Leuten den „_Nyampara_“ (Aufseher) und die -fleißigen Arbeiter -- nicht ohne ein Gefühl der Wehmut, daß auf unseren -Plantagen die großen Zangen schon beinahe rudimentär geworden sind. - -Ich war einer Büffelfährte gefolgt und dabei in die Nähe des Lagers -gekommen, und hatte keine Lust, den Rappbock selbst zu suchen: deshalb -schickte ich einige Askari und Neger hin. Die kamen gegen Abend wieder -und sagten, der Bock sei nicht zu finden und setzten hinzu, ich hätte -vorbeigeschossen. - -Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen! - -So mußte ich denn am nächsten Morgen selbst hinaus, erlegte ganz in der -Frühe einen Riedbock und einen Buschbock und kam gegen acht Uhr an die -Stelle, wo ich die Rappantilope geschossen hatte. - -Da saßen auch schon Geier auf einem Baume und als ich näher kam, -erhoben sich gegen vierzig dieser afrikanischen Totverweiser von einer -Stelle, wo mein Bock lag; kaum hundert Meter vom Anschuß: die Neger -waren doch einmal wieder überführt worden, daß ich niemand ausschickte, -wenn ich nicht getroffen hatte, und daß sie unzuverlässig arbeiteten. - -Der Bock war nur an den Lichtern, dem Geäse und an anderen leicht -zugänglichen Stellen angefressen.[29] - -Ich hatte jetzt drei sehr verschiedene Antilopen im Lager beisammen: -den Buschbock,[30] den Riedbock[31] und die bunte Rappantilope.[32] - -Die Rappantilope war besonders schön. Der Reichtum an verschiedenen -Haarfarben, von schwarz über rotbraun bis weiß, war auffallend. Der Bug -und Rücken waren schwarz; Hals, Kopf und Luserspitzen rot, die Luser -innen weiß. Die Grundfarbe des Kopfes war schwarz, dazwischen liefen -weiße und rote Linien. Der Hals und Rücken waren bis dreiviertel der -Körperlänge von einer dunklen Mähne bedeckt. - -Es gab auch Elefantenjagden, die gar nichts Besonderes boten: ein Schuß -aus kurzer Entfernung; der plumpe Riese sinkt zusammen und, wenn er -nicht allein war, laufen die übrigen davon. - -[Sidenote: Die Poesie des afrikanischen Weidwerks.] - -Über die Landschaft, den Himmel und die Umgebung, in der die Jagden -stattfanden, könnte ein deutscher Jäger mit tiefer Empfindung -schreiben; und es ist ein Wahn, zu glauben, dem afrikanischen Weidwerk -fehle die Poesie. Was ist Poesie beim Weidwerk? - -Poesie ist etwas rein Subjektives. - -Der Mensch trägt es hinein in einen Gegenstand; dann ist es darin. - -Dem Jäger ist das Wild untrennbar von der Umgebung, in der es lebt; dem -deutschen Jäger der Rehbock untrennbar vom deutschen Wald. Da er das -Ausland nicht kennt, sind für ihn ausländische Tiere nur Zoologika. -Hinter Eisenstangen kennt er die großen Elefanten, die trägen -Nashörner, die schlanken, großäugigen Giraffen, die plumpen Nilpferde -und die vielen Antilopen, (die man unmöglich unterscheiden kann!) und -die -- ein verächtliches Achselzucken -- schwarze Hornknüppel auf dem -Kopfe tragen. - -Anschauung fehlt. Und wer von afrikanischen oder indischen Jagden -erzählt, darf nicht vergessen, erst die Natur zu schildern, in der das -mächtige Leben sich harmonisch entwickelt. Sonst können sich seine -Zuhörer nicht von dem Bilde der Menagerie losmachen; denn daher allein -stammt ihre Anschauung. - -Ist ihre Phantasie geschickt in die weiten Steppen hineingelockt, auf -die steinigen Hügel oder in die großen Sümpfe, dann werden sie auch -mit „regsamem Sinn den tiefen und mächtigen Eindruck empfinden, den -die Fülle des Lebens erzeugt“;[33] dann werden sie fühlen, daß ein -lebensfroher Mensch sich auch einer fremden Natur angliedern kann, als -sei er in ihr groß geworden, dann wird der deutsche Jäger das Vorurteil -aufgeben, die Liebe zum Wild beginne unter den deutschen Kiefern. - -Nein: Weidwerk, genau wie es in der Heimat besteht, beginnt da, wo der -Mensch anfängt, die Tiere zu kennen und ihre Gewohnheiten innerhalb der -wundervollen Natur zu verstehen. - -An afrikanischen Jagden interessiert das Publikum nur zweierlei: - -Die Gefahr (deren Begriff sich in Verbindung mit dem Schwarzwild -mühsam im deutschen Wald hält) und ungeheure Strecken (die doch nur zu -rechtfertigen sind, wo sie der Jäger als Heger, als Züchter aufzeichnen -kann, nicht aber in der Wildnis, wo das paradiesische Leben sich seit -Urzeit selbst reguliert, wo jeder zu große Eingriff ein Raub ist und -das Wildbret zwecklos verfault). - -Eins war jedesmal groß: der Tod eines Elefanten. - -Die letzte Bewegung geht durch den Riesenleib. Kurz danach stoße ich -ihn mit dem Fuße an: eine träge, leblose Masse. - -Ist es nicht das Herrlichste, was ich ihm nahm, das Wunderbarste: das -Leben? - -Unwiederbringlich! - -Allein mit dem Toten. - -Hier endet ein uraltes Leben, und weit sehe ich im Geiste die Reihe -seiner Ahnen zurück. - - - [20] „Posten!“ - - „Ja?!“ - - „Was ist das für ein Lärm?!“ (Man beachte die Klangmalerei, - die in dem Wort _kělḗlě_ liegt!) - - „Elefant!“ - - [21] Ndofu = Elefant. - - [22] „Er kommt.“ - - [23] Risassi = Patronen. - - [24] Ein Zufall war es, daß die Zeitschrift, die ich zu solchen - Zwecken zerschnitt, „Brücke zur Heimat“ hieß. Dies damals neue - Blatt bekamen wir jedesmal in vier Exemplaren, und während - ich einmal schnippelte, fiel mir ein, daß die Papierschnitzel - recht gut eine „Brücke zur Heimat“ werden konnten, wenn - ich mich auf ihrer Spur zu meinem Lager zurückfand und - so vielleicht Hunger und Durst entging. Wir nannten die - sinnreiche Einrichtung der Schnitzeljagd seitdem immer „Brücke - zur Heimat“. - - [25] Von zwei Meter Umfang! - - [26] Welch plumper Ausdruck! - - [27] So nennen die Afrikaner sehr schön die Beine des Elefanten, - weil „Läufe“ dem Sprachgefühl zu zierlich und zu leicht klingt. - - [28] _simba_ = Löwe. - - [29] Verzeihung: angeschnitten. - - [30] Siehe Bild Seite 175; 1. - - [31] Seite 175; 3. - - [32] Seite 265. - - [33] A. v. Humboldt: Ansichten der Natur. - - - - -[Illustration: Schädel eines Nashorns, das ich am Paregebirge im August -1906 erlegte.] - - -Nashornjagd. - - -[Sidenote: Nashörner.] - -Als ich die Elefantenbilder gemacht hatte und gezeigt, daß sich ein -sorgfältiger Pirschjäger dem afrikanischen Elefanten ebensogut mit der -Kamera wie mit der Büchse nähern kann, fanden sich viele, die sagten: -„Ja, aber das Nashorn, das sollten Sie mal vor die Büchse kriegen, da -wird Ihnen anders!“ - -Und es würde mir wahrscheinlich heute noch geantwortet, daß die -Hauptbeschäftigung des Nashorns sei, Menschen aufzuspießen, und -daß ich mit diesem leibhaftigen Satan zusammenkommen müsse, um zu -erfahren, wie einem Kulturmenschen zumute wird, wenn er einem Nashorn -„in der Wildnis“ gegenübersteht: wenn ich nicht selbst Nashörnern -gegenübergestanden hätte. - -Berichte nervöser Männer sind an solcher Meinung schuld! - -Ich freue mich deshalb, daß ich Nashörner geschossen, beobachtet -und photographiert habe, und daß außer dem Gorilla, den ich selbst -noch für den gefährlichsten Gegner eines Jägers halte, kein Tier der -Fauna Afrikas übrig ist, auf das ich nicht gejagt habe und über dessen -Verhalten ich nicht selbst in der kurzen mir zu Gebote stehenden Zeit -Erfahrungen gesammelt habe. - -Die Nashörner sind Pflanzenfresser und haben keinen Grund, dem Menschen -nach dem Leben zu trachten, solange sie sich nicht belästigt und -angegriffen fühlen. - -Dann allerdings beginnt die Gefahr, für die jeder, der von Jugend -auf dem Weidwerk huldigt und Soldat gewesen ist, doch wohl genügend -gerüstet sein dürfte! - -Vergeblich bin ich mit der Kamera dem satten und deshalb -menschenscheuen Massailöwen nachgelaufen; ich habe keine Bilder -mitbringen können, weil die wenigen Löwen, die ich mit eigenen Augen -sah, flüchteten; scheuer waren, als alle anderen Tiere. - -Aber Nashörner habe ich noch gefunden und photographiert. - -Und von der erfolgreichsten Pirsch auf diese starken, ungeheuren -Dickhäuter will ich erzählen. - -Während noch vor drei Jahren am Kilimandscharo Nashörner in der offenen -Steppe ein geradezu häufiges Wild waren, habe ich lange suchen müssen, -bis ich das erste Nashorn in so freiem Terrain traf, daß ich es -photographieren konnte. - -Die Buren haben sich durch den leichten Verdienst locken lassen und -haben die Nashörner niedergeknallt, wo sie irgend zu erreichen waren. -Meist töteten sie die Tiere nur um die Hörner mitzunehmen. - -Als ich nach Arusha kam, begegnete mir kurz vor dem Städtchen ein Neger -mit fünf Doppelhörnern, die sein „Herr“ erbeutet hatte. Das längste -Horn war handlang. Einige waren so klein, daß beide Hörner zusammen -noch nicht ein Pfund wogen. Für ein Pfund Horn wird am Kilimandscharo -vier Mark gezahlt; für den Preis eines Hasen wird ein solch wertvolles, -riesiges Tier getötet! Und alle fünf Nashörner brachten dem glücklichen -Schützen vierzig Mark ein; das ist soviel, wie er nach dem Jagdgesetz -für jedes einzelne Tier Schußgeld an den Staat zahlen müßte. - -Aber ich will hier nicht von den Buren sprechen; sonst müßte ich auch -ihre großen Vorzüge und alle ihre Fehler nennen und dazu fehlt mir der -Raum. Außerdem glaube ich, hätten hundertundzwanzig Deutsche, unter -denselben Bedingungen (in derselben wirtschaftlichen Lage) an den Meru -gesetzt, nicht anders gehandelt, als die Buren es taten; und wenn jeder -einzelne nur soviel geschossen hätte, wie ein reisender Sportsmann -schießt, dann wären die Nashörner ja auch schon vernichtet. Die weißen -Männer sind den natürlichen Schätzen eines Landes gegenüber nicht -besser als jene Horden König Etzels. Darüber wollen wir uns nicht mehr -wundern. Und wenn von dreien, die hinausgehen, zweie erzogen sind, so -wird der dritte, unerzogene allein imstande sein, zu vernichten. Die -andern werden ihm bald helfen, weil ihre Enthaltsamkeit „doch nichts -nutzt“. - -Es war während einer Jagdreise, die ich im Herbst 1906 in die -Massaisteppe machte; ich hatte sechzig Neger und keinen Europäer mit -mir. - -An einem einsamen Berge in der Steppe hatte ich mein Lager -aufgeschlagen, um ungestört Löwen und Nashörner photographieren zu -können. Tagelang war ich vergeblich umhergestreift, ließ aber den Mut -nicht sinken, weil ich die Gegend täglich besser kennen lernte; weil -Löwen da waren und Nashörner zur Tränke kamen. - -Eines nachts schlief ich dem Berge gegenüber in einem trockenen -Flußbett und erwachte, wie gewöhnlich, kurz vor Sonnenaufgang. - -Schnell weckte ich die Neger, die mit mir gehen sollten, und ging auf -den Berg los. - -Ich kam zu der ersten Wasserstelle, fand aber dort keine Spuren und -ging am Rande der Busch- und Graszone zu der zweiten Wasserstelle. - -Die roten Böcke,[34] die ich täglich sah, standen wieder nahe beim -Wasser. - -Sollte ich auch heute keinen Erfolg haben? Ich blieb stehen; stumm -standen auch meine Neger da. - -Hoch über mir starrte die Steinkuppe des Berges kalt und unbewölkt in -den flimmernden Äther. Die letzten Sterne konnte ich gerade noch sehen, -wie sie herabsahen auf erwachende Menschen, auf Tiere, die zur Ruhe -gingen. Dann goß die Sonne ihr Licht über die krausen Baumwipfel und -traf mich noch nicht, denn ich stand im Schatten des Berges. - -Es wird ein Tag wie viele andere; der müde Mittag kommt, der Hoffnung -und Kraft ganz klein sieht und der Abend, der neue Wünsche weckt für -den nächsten Morgen; der nächste, der bringt die Erfüllung! - -Der Speerträger weckte mich aus meinen Träumen. „Weiter,“ sagte er -halb fragend, halb ermunternd. Und als läge alle Schuld des Mißlingens -bisher an uns, an mir und meinen Leuten, ermahnte ich sie noch einmal -und sagte in ernstem Ton: „Schari, ich trage die Büchse selbst; du -trägst nur das Doppelglas und gibst es mir, sobald ich stehen bleibe. -Hamiß, du bleibst dicht bei mir mit der Kamera und -- hab keine Angst!“ - -„Pangani, Muarico, Kinassa und Garehia, ihr haltet die Fährte, wenn -wir eine finden. Ihr andern alle bleibt etwas zurück. Keinen Laut! und -hinlegen, sobald Wild vor uns ist!“ - -Die Übersicht wurde weiter. Ich schickte einen Massai in die Ebene; der -sollte langsam in derselben Richtung gehen, wie wir, Bäume besteigen -und ausgucken, ob Löwen zum Walde gingen oder Nashörner vom Walde in -die Ebene. - -Bald waren wir unterhalb der Stelle, an der ein Bergbach versickert. - -Muarico zupfte mich am Rock. „Nashorn,“ flüsterte er, „kommt vom -Wasser, geht in die Ebene.“ - -„Nieder,“ winkte ich meinen Leuten; außer Muarico hatte keiner etwas -gesehen. - -Ich drückte mich so schnell, als es ohne Geräusch möglich war, an die -Büsche hinan, auf die Muarico zeigte. Der kam nicht mit; er hatte vom -letzten Male genug! - -[Illustration: Das Nashorn stand so, daß ich die Gestalt bis zu den -Füßen sehen konnte, fünfzehn Schritt vor mir.] - -Aber ich fand einen ausgetretenen Wechsel mit der ganz frischen -Fährte eines Nashorns, konnte den schmalen, grasfreien Pfad fünfzig -Schritt weit hinabsehen und wußte, daß das Tier auf dem Heimweg war. - -Ich sagte meinen Leuten, daß ich dem Wechsel folgen wollte und daß ich -das Nashorn so lange beobachten müsse, bis die Sonne hoch genug sei zum -Photographieren. - -Die Fährte war so deutlich, daß ich, ihr folgend, laufen konnte. - -Bevor ich die offene Steppe erreichte, sah ich den Massai von unten -gelaufen kommen. Er meldete, das Nashorn -- er mußte ja dasselbe Tier -gesehen haben -- gehe langsam in die Steppe. - -„Hat es Wind?“ - -„Nein.“ - -[Sidenote: Hinter dem Nashorn.] - -Ich lief so schnell ich konnte; als ich aus dem Walde kam, sah ich das -Tier. Endlich was ich ersehnte: Ein Nashorn, das mich nicht witterte, -in offener Steppe; also ganz in meiner Macht. Von mir hing es nun ab, -von meiner Kunst, unbemerkt zu bleiben und das Tier nach Herzenslust zu -beobachten, wie ich es früher mit dem Elefanten getan hatte. - -Ich ließ die Leute in weiter Entfernung folgen, damit auch wechselnder -Wind dem Tiere nicht Witterung bringen könnte. - -Alle Umstände waren für meinen Zweck günstig: Die Sonne hatte ich -im Rücken, den Wind im Gesicht. Und das schien so zu bleiben; denn -der schmale, ausgetretene Wechsel, in dem das Tier ging, behielt die -Richtung nach Westen. - -Ich ging siebzig Schritt hinter dem Nashorn. In dem ganz offenen -Terrain sah ich jede Bewegung des Dickhäuters. Er ging durch ein -trockenes Flußbett, blieb am anderen Ufer stehen und knabberte Zweige -von einem Dornstrauch. Dann ging er weiter und hielt den Kopf gesenkt. -Alle zweihundert Schritte blieb er stehen, stellte sich, wie sichernd, -halb quer zum Weg und näßte.[35] - -Eine halbe Stunde ging es so weiter. - -Grantgazellen, die nahe am Wege standen, äugten neugierig auf den -plumpen Gesellen und auf mich, sein Gefolge. Sie flüchteten nicht; wir -sahen zu harmlos aus. - -Von links kam ein Rudel Zebras mit dem Wind; zwölf bunte Steppenpferde. -Sie mußten mit dem Nashorn zusammentreffen. - -Als sie mich auf hundert Schritt hatten, sicherten sie. Das Nashorn -ging weiter. Ich mußte folgen; denn ich durfte das Tier nicht aus den -Augen verlieren und mußte vermeiden, mit ihm unverhofft nachher wieder -zusammen zu treffen. - -Als ich den Zebras näher kam, wurden sie flüchtig; die trockenen Gräser -knisterten und Steinchen gaben peitschenden Klang. Das Nashorn stutzte, -hob den Kopf und richtete die beiden Trichterohren nach dem Geräusch -hin. - -Als das Klappern der Hufe hinterm Hügel verklang, stand das Tier noch -einen Augenblick bewegungslos, wie um zu überlegen. Es glaubte vor sich -die Gefahr, die es selbst nicht wahrgenommen hatte, die aber die Zebras -durch das Auge erkannt hatten. - -Als sich nichts mehr rührte, bog das Nashorn mit rechtsum von seinem -Pfad ab und hielt eine westliche Richtung, genau in den Wind.[36] - -Der Wind wehte mir jetzt gerade ins Gesicht und trug auch den im -trockenen Grase stärkeren Schall meiner Tritte hinter mich. - -Es war beinahe acht Uhr, als die Sonne sich frei über die Wolken hob. - -[Sidenote: Mit der Kamera bei dem Nashorn.] - -Ich spannte die Kamera, ging auf mein Ziel los und machte die erste -Aufnahme auf fünfundzwanzig Schritt. - -Während ich die Kassetten wechselte, ließ ich das Tier nicht aus den -Augen. - -Es gehört eine ruhige Hand dazu und auch ein ruhiges Herz, dicht vor -einem Stück Wild mit den Ledertaschen, den Kassetten und dem Apparat -lautlos zu „arbeiten“, wenn man noch dazu die Büchse umgehängt hat. Ich -hatte alle Griffe so in der Übung, daß auch nicht das geringste Klappen -hörbar war. Selbst das Spannen des Verschlusses geschah lautlos, indem -ich, ähnlich wie man es bei einer Hahnflinte in der Nähe des Wildes -macht, beim Spannen den Abzug drückte. - -Ich ging näher und wartete mit der Kamera im Anschlag, bis das Nashorn -den Kopf hob, und die beiden Hörner gut zu sehen waren. - -Da knipste ich und blieb bewegungslos stehen, weil ein kleiner Vogel, -der sich gerade auf die Schulter des Nashorns gesetzt hatte, aufflog, -als der Schlitzverschluß rauschte. Das Rhinozeros hielt im Kauen inne -und horchte. Nach einigen Sekunden beruhigte es sich wieder und ging -langsam weiter. - -Ich aber hatte in diesem Augenblick die Aufnahme gemacht, die auf Seite -273 wiedergegeben ist. - - Die muskulöse, kräftige Gestalt des Nashorns kommt darauf gut zum - Ausdruck. Auf der Schulter sitzt der kleine Vogel. - -In dem ungleichmäßigen, niedrigen und trockenen Grase standen einzelne -grüne Schlingpflanzen, die das Nashorn aufnahm. - -Ich war jetzt so nahe, daß ich das Kauen hörte und machte eine Aufnahme -schräg von hinten. (Abbildung Seite 283.) - - An der Umgebung, den Büschen im Hintergrund, kann man sehen, daß - dieses Bild kurz nach der Aufnahme Seite 273 gemacht ist. - -Dann ging ich vorsichtig zu meinen Leuten zurück und holte mir neue -Kassetten. - -Die Neger waren weniger erstaunt als entrüstet über meine Dreistigkeit. -„_Haifai bana_,“ sagten sie: „das hat keinen Zweck,“ und Muarico -machte ein sehr ernstes Gesicht und sagte, ich würde dabei getötet -werden. - -Als ich mich wieder mit aller Vorsicht in die Nähe des Nashorns -gepirscht hatte und ihm folgte, durchquerte ich eine kleine Talmulde -mit kniehohem, hellem, ganz trockenem Grase. - -Das Nashorn stand am Ende des Tales, so daß ich die Gestalt bis zu den -Füßen hinab sehen konnte. - -Noch eine Aufnahme. - -Da hob das Tier den Kopf und zog unwillig den Wind durch die Nüstern. - -Ich hatte gerade den linken Fuß angezogen, um ihn vorzusetzen. - -Wie ein Erzbild stand der Koloß vor mir und horchte gespannt. - -Ich durfte mich nicht rühren; aber es knisterte unter mir! Sollte der -Hund mir gefolgt sein? Nein, mein Fuß machte automatische Schwingungen -unter mir, und ich traute mich nicht, ihn in dem trockenen Grase -niederzusetzen. - -Es ist ein verwünschter Augenblick. - -Windstille: Das Nashorn wird mich hören. -- Da kommen Madenhacker, -kleine Vögel, angeflogen, setzen sich auf den Rücken des Nashorns -und flattern an den Ohren, picken an der Flanke in einer handgroßen -Wunde[37] und fliegen plötzlich mit lautem Gezwitscher nach den -nächsten Bäumen; dann kehren sie zurück und beunruhigen das Tier durch -ihr Umherflattern. - -Ich kann nicht daran zweifeln, daß die kleinen Vögel ihren Gastgeber -vor einer Gefahr warnen, die er mit seinen Sinnen nicht erkennt. Er -fängt auch nicht wieder an zu äsen. - -Plötzlich wendet er sich ganz mir zu. Ich stehe ohne Deckung; nicht ein -Strauch ist zwischen mir und dem Ungetüm. - -Ich bemerke plötzlich, daß der Wind, der erst immer schwächer wurde, -mir leise, aber stetig im Nacken weht, und diese Erkenntnis bringt mir -einige Sekunden, in denen in mir der Wunsch, weit weg von hier zu sein, -den Reiz der Gefahr zu überwiegen droht. - -Ich rühre mich nicht. -- Vielleicht wird sich das Nashorn noch einmal -beruhigen. Aber nein, der Wind kommt stärker durch: ich bin verraten, -ich fühle mich entdeckt! Was wird geschehen? - -Jetzt zieht das Tier noch einmal laut den Wind durch die Nüstern und -tritt unruhig hin und her. Ich bücke mich kurz, lasse die Kamera ins -Gras fallen und fasse die Büchse. -- - -Es ist mir klar, daß ich stehen bleiben muß, um das Tier bis zum -letzten Augenblick zu täuschen. - -An Verstecken war nicht zu denken und kein Baum in der Nähe, auf den -ich hätte flüchten können. - -Das Tier geht einmal nach links, dann nach rechts, es scheint zu äugen, -doch seinen Augen nicht zu trauen. - -(„_He dont believe his eyes_,“ sagte der Bur nicht oft so, in -reinem Englisch?) - -Da gibt ihm die Nase Gewißheit; im Galopp stürmt es auf mich los, bei -jedem Sprung wild fauchend und prustend. Den Kopf hat es tief gesenkt. - -[Sidenote: Ein Nashorn erlegt.] - -Ich gehe ganz ruhig in Anschlag, lasse das wütende Tier nahe -herankommen, schieße auf den Kopf und springe im nächsten Augenblick -zur Seite. Die Schnelligkeit des Tieres ist so groß, daß es an mir -vorbeisaust. - -Schnell folgen fünf Schüsse hinter die Schulter. - -Das Nashorn bleibt stehen, dreht sich im Kreise und bricht zusammen. - -Ein starker Blutstrom floß aus den Nüstern. -- - -Meine Leute johlten in weiter Ferne; ich sah sie von den Bäumen steigen. - -Es war zehn Uhr; die Kamera war unversehrt, und ein starker -Nashornbulle zur Strecke. - -Ohne Grund nimmt kein Nashorn den Menschen an. Dies Tier war mit der -Nase tief auf dem Erdboden in seiner eigenen Fährte zurückgestürmt. -Daraus glaube ich, sein Verhalten erklären zu können: es hat den -Störenfried, den es dreimal schon vermutet hatte, vertreiben wollen. - -Ich hatte den Eindruck, daß das Nashorn, auch wenn ich nicht geschossen -hätte, schnurgerade an mir vorbeigestürmt wäre und mir kein Leids getan -hätte. - -Bis zum Mittag kamen fast alle meine Leute. - -Das Nashorn wurde in viele Fleisch- und Felllasten zerlegt. - -Am Nachmittage ging ich zu meinem großen Lager am Bergbache zurück und -erwartete ungeduldig den Abend, um die seltenen Aufnahmen entwickeln zu -können. - -Am 9. September 1906, abends um acht Uhr, erschienen die Umrisse des -plumpen Tiers, das ich noch am Morgen desselben Tages lebend so dicht -vor mir hatte, auf der Platte. Ich ließ die Platten, als sie endlich -zum Trocknen auf dem Bett lagen, nicht aus den Augen und schrieb in -meiner Müdigkeit nur das Datum und die Uhrzeit in mein Tagebuch, als ob -dieser schöne Jagderfolg ein historischer Moment sei. - -Um zwei Uhr in der Nacht packte ich die getrockneten Platten in den -Blechkoffer und ging zu Bett. - - - [34] Impallahantilopen. - - [35] Hier mache ich für alle Fährtensucher die Bemerkung, daß dies - Pirschzeichen beim Nashornbullen anders ausfällt als bei - anderem männlichen Wild. - - [36] Es ist anzunehmen, daß die Flucht der Zebras dem Nashorn eine - Warnung war; denn die Zebraherde ist vor mir flüchtig - geworden, und hätte sich um das Nashorn allein wahrscheinlich - gar nicht gekümmert. - - Das Nashorn merkte also, daß die Zebras beunruhigt waren und - schlug deshalb eine andere Richtung ein. - - [37] Die Wunde ist auf dem Bilde Seite 273 zu sehen. - - - - -[Illustration: Hohe Mangobäume stehen am Fluß; ihre dunklen Kronen -spiegeln sich in dem glatten Wasser. So hoch wie die Elefanten mit dem -Rüssel reichen können, sind die Äste der sonst bis zur Erde belaubten -Bäume herabgerissen. Die steilen Uferböschungen sind durch Schluchten -unterbrochen, in denen Flußpferde und Elefanten zum Wasser gehen.] - - -Am mittleren Rufiyi. - - -Doch wieder zurück in die Aufstandszeit! - -Einen Monat blieb ich in der kleinen Befestigung am Flusse, ohne daß -die Aufständigen versuchten, mich anzugreifen oder nach Norden über den -Fluß zu gehen. - -In den Matumbibergen, die südlich vom Rufiyi liegen, war inzwischen -ein Militärposten eingerichtet worden; mehrere Abteilungen der -Schutztruppe operierten im Kilwabezirk, der sich nach Süden an den -Mohorrobezirk anschließt. Nie kam es zu einer gemeinsamen Aktion, weil -die Nachrichten zwischen den Streitkräften zu spärlich waren und man -nicht wußte, ob man mit der Anwesenheit einer Truppe an irgend einem -Punkte bestimmt rechnen konnte. Nachrichten aus Westen sagten, daß auch -im Mahengebezirk Aufstand sei. - -So war die Lage, als ich eines Tages den Befehl bekam, ich solle -die Boma in Mayenge einem Unteroffizier übergeben, zur Küste -zurückkehren und die Führung einer in Mohorro eintreffenden -Abteilung Marineinfanterie übernehmen. Hiermit schien meine Zeit -im Aufstandsgebiet beendet zu sein; ich nahm Abschied von den -Unteroffizieren und von dem Platze, der mir inzwischen so vertraut -geworden war, und fuhr in einem großen Boote stromab. - -An vielen wohlbekannten Stellen kam ich vorbei, und war gegen Abend -bereits nahe bei dem Orte Ndundu, wohin ich die Matrosen und die Träger -mit den Zelten und der Kochlast vorausgesandt hatte. Da erschien auf -der Höhe eines Uferhanges in den Büschen ein Neger und hielt einen -Brief hoch; „barua“[38] rief er fast atemlos. - -Das Boot suchte eine Landungsstelle; ich ergriff den Brief. Es war ein -Schreiben des Akiden von Kooni, desselben Arabers, dem ich schon oft -zuverlässige Meldungen zu danken hatte. Er schrieb, in der Landschaft -Mtanza seien die Aufständigen versammelt und bedrohten die Bewohner der -umliegenden Dörfer, die ihnen Lebensmittel geben müßten, obwohl sie -sich mir unterworfen hätten; sie seien ohne jeden Schutz, ich solle -doch schnell zur Hilfe kommen. Dazu schrieb der Unteroffizier aus -Mayenge, er bitte mich um Erlaubnis gegen das Lager der Aufständigen -vorzugehen, fühle sich aber eigentlich nicht stark genug, da der -Gegner, nach den Aussagen von Spähern, durch Wapoporo aus dem -Mahengebezirk verstärkt sei. Große Eile sei not; denn die Aufständigen -wollten wieder nach dem Nordufer hinübergehen, und noch nie seien die -Boten in solcher Aufregung zurückgekommen, wie diesmal. - -Ich unterbrach die Weiterreise und schickte einen Eilboten nach -Mohorro, mit der Mitteilung, daß ich auf meinen Posten zurückkehren -müsse. - -[Illustration: Ich folgte dem Nashorn auf den Fußspitzen, es nahm -Schlingpflanzen vom Erdboden auf.] - -[Illustration: Flußufer in der Nähe von Panganya, dem guten -Baumwolland. Der Boden ist ungemein fruchtbar, und kann, wenn es nötig -sein sollte, künstlich bewässert werden.] - -[Sidenote: Allein im Aufstand.] - -Mein Boot sandte ich nach Ndundu weiter, um der Karawane den Befehl zu -bringen, mir sofort zu folgen. Ich selbst ging in Begleitung zweier -Neger auf dem Ufer denselben weiten Weg zurück, den ich am Tage so -bequem im Boote sitzend gekommen war. - -Nach siebenstündigem Marsch in der Dunkelheit überfiel mich große -Müdigkeit und Hunger, und ich hielt in einer kleinen Ortschaft, um -die nachfolgende Karawane abzuwarten. Ich ließ ein großes Feuer -anzünden und legte mich daneben, um von den Mücken ungestört schlafen -zu können. Aber, gewohnt einen Askariposten in der Nacht im Lager zu -sehen, fühlte ich mich heute doch in einer gewissen Unsicherheit, hier -mitten im Aufstandsgebiet unter völlig fremden Negern allein; ich -schlief nicht, obwohl ich die Augen schloß. Zwei Stunden nach meinem -Eintreffen erschien der lange Sudanese Bachid Said; hinter ihm die -erwarteten Träger und bald darauf auch die drei Matrosen, die mir vom -Bussarddetachement noch geblieben waren. Um drei Uhr am Morgen legte -ich mich in mein Feldbett, um noch zwei Stunden zu schlafen. Als ich -erwachte, war es noch dunkel; starker Tau lag auf den Kissen und -tropfte vom Moskitonetz auf die Bettdecke. Um fünf Uhr wurde der Marsch -fortgesetzt. - -Gegen Mittag erreichte ich die Boma. - -Der Nachmittag und der Abend gingen hin, mit Fortschaffen der Vorräte -und Vorbereitungen für den Abmarsch. Ein großes Boot mit leeren -Munitionsgefäßen, Jagdtrophäen und anderen entbehrlichen Dingen wurde -stromab nach Ndundu geschickt; (als ich die Sachen später von den -Negern zurückforderte, fehlte nicht ein einziges Stück. Das scheint ein -gutes Zeugnis für die Ehrlichkeit dieser Neger zu sein). Noch bevor wir -aufbrachen, ging der Akide Melicki mit zwei Eingeborenen auf Kundschaft -und kam in der Nacht mit der Nachricht zurück, das Südufer werde von -Vorposten der Aufständigen bewacht. - -Nachdem meine ermüdeten Begleiter ausgeruht hatten, wurde die Boma -gegen Mittag des folgenden Tages vollständig geräumt; dann setzte -die Expedition auf das Nordufer über und marschierte bis gegen Abend -in westlicher Richtung weiter. Zum Abendbrot ließ ich zwischen den -Mangobäumen von Kooni kurze Zeit halten und dann auf dem hohen Ufer -weiter marschieren, bis wir gegen ein Uhr in der Nacht von den Führern -zum Fluß hinabgeführt wurden. - -Die Stelle kannte ich noch nicht; so weit war ich bei dem ersten -Streifzug nicht gekommen. Wir durchquerten einen seichten Wasserarm und -gingen durch tiefen Sand bis zu einer Düne, an deren Abhang das dunkle -Wasser des Flusses entlangfloß. - -Plätze wie diese sind für ein Lager sehr günstig; wir lagerten wie -auf einer Insel, und ein einziger Posten konnte die breite, helle -Sandfläche übersehen, die uns vom Walde trennte. - -Die Feldbetten wurden aufgestellt, wir aßen ein Stück Brot und -schliefen bis gegen drei Uhr am Morgen; dann wurden wir Europäer als -die letzten über den Fluß auf das feindliche Ufer übergesetzt. - -Die Führer versicherten mir, wir hätten Zeit genug, um noch vor -Tagesanbruch das Lager der Aufständigen zu erreichen. - -Ich schärfte allen auf das strengste ein, sich still zu verhalten, -ging selbst, wie gewöhnlich, an der Spitze und beobachtete die Führer -genau, weil ihnen nie ganz zu trauen war. - -[Sidenote: Ein mißglückter Überfall.] - -Um auf keinen Fall bemerkt zu werden, verließ ich sofort den -ausgetretenen Weg; wir gingen im Gänsemarsch durch Schilf, über freie -Sandflächen, auf denen sich Flußpferde jagten, und durch abgeerntete -Matamafelder. - -Unter einem großen Baume brannte ein Feuer; wir gingen auf fünfzig -Schritt daran vorbei. Ein Mann erhob sich, nahm ein großes, brennendes -Holzscheit, hielt es über den Kopf und sah scharf nach uns herüber. -Wir blieben einige Minuten stehen; in der langen Linie der sechzig -Menschen hörte man nicht das leiseste Geräusch. Dann gingen wir -weiter. Die toten Matamastengel krachten unter unseren Füßen, doch -der leuchtende Wächter blieb mit seiner Fackel stehen; er mochte das -Geräusch Flußpferden zuschreiben, wenngleich er noch immer zweifelnd -und angestrengt herüber starrte. - -Plötzlich stieß mein Fuß an einen weichen Gegenstand; es war ein mit -Kafferkorn gefüllter Sack. Ich fürchtete, daß ein Mann uns bemerkt und -den Sack fortgeworfen habe. - -Besorgt sah ich auch, als wir unaufhörlich weitermaschierten, nach dem -östlichen Himmel, der schon heller wurde; die Gräser vor uns traf das -erste schwache Licht. Ich drängte vorwärts; denn die Lagerfeuer waren -noch nicht zu sehen! - -Aber die Eile nutzte nicht mehr; der Tag brach herein. Hinter -weiten, kahlen Sandflächen mit Schilfinseln standen in der Ferne die -Mangobäume, bei denen das Lager der Wapoporo sein sollte. - -Jetzt merkte ich woran ich war: die Führer hatten Angst gehabt, bei -Nacht in die Nähe der Aufständigen zu gehen und hatten uns, weil wir so -früh aufgebrochen waren, auf Umwege geführt. Mein Plan war vereitelt; -(ich hatte gehofft, die Lagerfeuer in der Dunkelheit zu finden und mich -in der Nähe verstecken zu können, um bei Tagesanbruch einen plötzlichen -Überfall auszuführen) trotzdem liefen wir weiter, kamen in ein Dorf und -auf einen Kreuzweg mit frischen Fußabdrücken im Staub. - -Als wir dem Wege folgten, fielen aus dem hohen Schilf Schüsse. - -Wir waren in einer ungünstigen und gefährlichen Stellung und liefen -vor, bis wir in freie Flächen kamen, die mit kniehohem, blaublühendem -Unkraut dicht bestanden waren. - -Posten der Aufständigen stiegen von den Bäumen und eine Schar -Bewaffneter zog sich hinter einem Hügel in den Busch hinein. Kurz -darauf fanden wir das verlassene Lager. Über siebzig Bettstellen -standen auf einem Hügel; mehr als hundert Lagerfeuer brannten, und -Töpfe mit Essen standen darüber. Auch ein kleines Gehöft dicht bei dem -Feldlager zeigte Spuren, daß dort viele Menschen gehaust hatten. - -Durch die Schuld der Führer war der Überfall mißglückt. Anders wäre -es wahrscheinlich gekommen, wenn ich eine Karte von der Gegend gehabt -hätte, aus der ich mir selbst eine Anschauung über die Entfernung hätte -bilden können, oder wenn der Akide bei mir gewesen wäre, dem ich mehr -trauen durfte als den feigen Negern. - -So war eine gute Gelegenheit, den Aufständigen eine Schlappe -beizubringen, verpaßt worden. - -[Sidenote: In dem verlassenen Lager.] - -Hier, wie in den umliegenden Dörfern, fanden wir eine ganze Anzahl -kleiner Vorratshäuser, die erst in diesem Jahre gebaut zu sein -schienen, und mit Matamaähren und anderen Kornfrüchten vollgestopft -waren. Nach meiner Schätzung waren in dem verlassenen Lager allein 170 -Tons Getreide zusammengeschleppt. - -Wahrscheinlich hatten die Aufständigen eine gewisse Freude daran -gehabt, mit ihren großen Flinten in die Dörfer der Umgegend zu gehen -und die Eingeborenen zu zwingen, ihre Ernte zu dem Kriegslager -hinzuschaffen. Viele Kürbisse lagen in einer Hütte. - -Große Tontöpfe mit „Pombe“[39], standen dort und ließen auf das Leben -der Krieger schließen; Reste von Hühnern und Tauben zeigten, daß die -Räuber es auch an „_kitǒḗo_“, an der nötigen Zukost, nicht -hatten fehlen lassen. - -Vielleicht aber wurde den einst so tapferen das Wohlleben verderblich. -Der kriegerische Geist wenigstens schien ihnen etwas abhanden gekommen -zu sein; denn sie flohen allzu schnell, als wir ihnen nahe kamen. - -Den Tag über blieb ich in dem Lager der Aufständigen und erwartete die -Trägerkarawane mit den Proviantlasten. - -Nach den Anstrengungen der Nacht waren wir müde und hungrig; ich -aß geröstete Maiskörner und schlief einige Stunden auf einer -Negerbettstelle im Schatten eines Palmblattdaches. - -[Illustration: Negerdorf am mittleren Rufiyi. Hütten mit schattigen -Vorhallen; Mangobäume und Zuckerrohr. Die Wege auf dem humosen -Alluvialboden sind in der Trockenzeit hart wie eine Tenne.] - -Patrouillen steckten in der Umgegend die Hütten in Brand und brachten -neue Vorräte an Getreide. - -Von Zeit zu Zeit erschienen in der Ferne Aufständige, um zu -kundschaften, und gingen in weitem Bogen um uns herum, bis sie einige -Geschosse fliegen hörten und das Weite suchten; der Verlust der großen -Vorräte schien ihnen sehr schmerzlich zu sein. - -Gegen Abend ließ ich als Zeichen für die Karawane ein großes Haus -anstecken. Außerdem saßen zwei Neger hoch oben in einem Baum und sahen -vergeblich nach den Trägern aus. - -Als die Flammen und der Rauch in die Baumkrone hineinwehten, ließen -sich die beiden Ausguckposten zur Freude aller Zuschauer wie reife -Früchte durch die Zweige hindurch zur Erde fallen. - -Das brennende Haus bot einen wunderschönen Anblick; die roten und -gelben Flammen ergriffen das trockne Strohdach; glühende Reste stürzten -in das dunkle Innere. Dann brannten die Dachsparren und Pfeiler und -brachen der Reihe nach zusammen. - -Statt der Karawane erschienen von neuem Aufständige und sandten uns aus -ihren Vorderladern einige heiße Eisenkugeln herüber. - -Inzwischen war ringsum das trockene Gras in Brand geraten und eine -feurige Linie kroch weiter und weiter in den Busch hinein. Vor dem -Feuer sahen wir deutlich die Gestalten von Aufständigen und konnten -trotz der späten Stunde ziemlich sichere Schüsse abgeben. - -Wir hatten uns bereits aus Matten und Türen Lagerstellen für die Nacht -gebaut und einen Windschutz errichtet, als die Trägerkolonne endlich -ankam. (Erst um vier Uhr am Nachmittag hatte sie den Befehl bekommen, -nachzufolgen; die am Morgen entsandten Boten gestanden ein, aus Furcht -nicht gegangen zu sein.) - -Jetzt hatten wir Abendbrot, Zelte und Betten; Hunger, Durst und -Müdigkeit waren bald vergessen. - -[Sidenote: Schutz der Landschaft Mtanza.] - -Am nächsten Morgen führte der Akide, der inzwischen eingetroffen war, -die Expedition durch weite, fruchtbare Flächen nach dem Hauptdorfe -der Landschaft Mtanza. Das Dorf wurde, wie die meisten Ortschaften -der Gegend, einfach nach dem Dorfschulzen benannt: „_Kwa Jumbe -Mgonza_“. (Beim Jumben Gonsa) oder kurz: „_Jumbe Mgonza_“, -womit der Ort gemeint ist, dessen Oberhaupt der Jumbe ist. - -Von jetzt an war Mtanza mein Hauptquartier. Etwa hundert Meter vom Ufer -des breiten Stromes entfernt, schlug ich unter einem großen Baume -die Zelte auf, ohne zu wissen, daß ich mich auf vier Monate hätte -einrichten können. - -Der Platz entsprach den Anforderungen, die ich bei der augenblicklichen -Lage stellen mußte. Rundum wohnte eine zahlreiche Bevölkerung, deren -Unterstützung ich brauchte, um meine Expedition zu verpflegen und die -Ansiedelung der Aufständigen zu fördern; die Bewohner von Mtanza waren -Mitte August durch die nach dem Norden vordringenden Aufständigen mit -in die Aufstandsbewegung hineingezogen worden und hatten bei Kipo, wie -sie selbst eingestanden, die größten Verluste erlitten, da sie damals -als Ortskundige an der Spitze der Aufständigen gingen. Nun trieben sie -weiter die Politik, die ihnen als Grundbesitzern die beste schien: sich -dem Stärkeren anzuschließen. - -Auf einem Ritt durch die nahen Dörfer überzeugte ich mich mit -Befriedigung, daß hier noch Hab und Gut zu schützen sei; große Vorräte -von Getreide lagen in den Häusern. Ich war erstaunt über die Ausdehnung -der Schamben und konnte an den zahlreichen, starken Strunken auf den -abgeernteten Feldern sehen, wie reich die Ernte gewesen sein mußte. - -Weiber und Kinder waren nicht in den Dörfern, und als ich gegen Abend -zurückritt, waren auch die Männer verschwunden; endlos erschien mir -die Reihe der einförmigen Lehmhütten, aus denen kein Laut kam und kein -Feuerschein herausfiel. - -Hinter den Häusern floß der Strom, in dem Flußpferde laut brüllten. - -Am nächsten Morgen fuhr ich in aller Frühe auf das Nordufer, um zu -sehen, wo die Flüchtlinge hausten. Ich fand einen kleinen, malerisch -von hohem Wald umgebenen See. Im hellen Sonnenschein ruhten Flußpferde; -Krokodile entfernten sich von den Ufern und zeigten dann ihre Köpfe in -der Mitte der Wasserfläche. Die Verstecke der Eingeborenen lagen in -dichtem Gebüsch, schwer zugänglich und durch Dornen geschützt. Viele -Flüchtlinge kampierten auf einer Insel, die vom Wasser des Stromes -umspült wurde. In der verflossenen Nacht war dorthin ein Krokodil -gekommen und hatte ein kleines Kind geraubt. (Die Neger hatten aus -Furcht vor den Aufständigen keine Lagerfeuer gebrannt.) In kleinen -Gruppen saßen die Frauen um die Feuer herum. Alles Hausgerät stand -dabei; jede Familie hatte Körbe mit Mehl, Matten, geflochtene Teller, -Löffel und anderes Holzgerät, das im Negerhaushalt gebraucht wird. Mein -Erscheinen im Lager der Flüchtlinge erregte etwas Verlegenheit, wie -unverkennbar auf allen Gesichtern zu lesen war. - -Der Ombascha Chuma nahm eine militärische Haltung an und sagte im -Hinblick auf die Leute: „Sie haben bei Kipo gegen uns gekämpft.“ - -„Du meinst, deshalb fürchten sie uns?“ - -„Nein, vielleicht sind sie noch feindlich.“ - -Er sagte das als Mahnung zur Vorsicht und weil er hoffte, ich würde die -Neger jetzt noch bestrafen; dafür sind die Askari immer. - -Ich half einem kleinen Bengel das Mäulchen voll Matamabrei stopfen und -sagte dazu scherzhaft: „iß nur tüchtig, damit du stark wirst und später -die große Flinte halten kannst, wenn ihr wieder Aufstand machen wollt“. - -Da lachten die Erwachsenen und wurden zutraulicher. - -Mehrere Boote begleiteten mich auf das Südufer zurück; die Männer -kamen zu meinem Zelt und baten mich, in Mtanza zu bleiben und sie zu -schützen. Ich versprach, eine Boma anzulegen, wenn alle in ihre Häuser -zurückkehrten, die Äcker bestellten, mir täglich Lebensmittel zum Kauf -anboten, und auch Boten- und Trägerdienste zu den in Friedenszeiten -üblichen Löhnen übernehmen wollten. Zu alledem waren diese Vertreter -der Landschaft gerne bereit. - -Als ich in der Frühe des nächsten Tages am Ufer badete, standen die -Menschen am Fluß, packten ein und aus, und riefen nach Booten. - -[Illustration: Unterworfene Neger arbeiten auf einer Baumwollpflanzung, -um während der Hungersnot Brot zu verdienen.] - -Der Wald hatte viele beherbergt: Mütter mit kleinen verängstigten -Kindern an der Hand und Säuglingen auf dem Rücken. Ich sah die Einbäume -hin- und herfahren und wurde nicht müde, den Leuten zuzusehen; lag doch -in dem Zutrauen dieser Menschen für mich ein Erfolg: mit Hilfe dieser -Neger, die den Wert ihrer Ländereien zu kennen schienen, hoffte ich -den Rufiyi bis zu den Panganischnellen hinauf in die Hand zu bekommen. - -Das ist mir nicht vollständig gelungen; ich scheiterte an der Roheit -der Wapogoro, die sich als ganz scheue, hinterlistige Buschbewohner -entpuppten; aber die Aufständigen sind wenigstens nicht mehr nach -Norden über den Rufiyi gegangen. - -[Illustration: Am Flusse saßen auf einem umgekehrten Einbaum vier -Askarifrauen und warteten auf ihre Männer, die auf dem anderen Ufer -patrouillierten.] - -[Sidenote: Friedensarbeit.] - -Wochenlang hielt mich friedliche Tätigkeit in Mtanza; rund herum -bauten die Askari kleine Hütten, und ich erlaubte ihnen, ihre Weiber -heraufkommen zu lassen, weil ich das friedliche Leben in dem Orte -betonen wollte; ich gab mir den Eingeborenen gegenüber den Anschein, -als ob ich den Aufstand für beendet hielte. Die Zeit, die ich im Lager -in Mtanza zubrachte, war für mich sehr wertvoll; ich habe dort einen -Einblick in das Tun und Treiben der Schwarzen gehabt. Was nun kam, war -Friedensarbeit, die nur selten durch kleine, aber anregende Streifzüge -nach Lederstrumpfart unterbrochen wurde. - -Meine Befehle erlaubten mir nicht, große Kriegszüge zu machen. Dazu war -ich auch zu schwach; denn die Linie, die ich mit drei Unteroffizieren, -zwei Matrosen und sechsundzwanzig Askari bewachen sollte, war 180 -_km_ lang. -- Die Mündung des Rufiyi wurde durch die Seesoldaten -in Mohorro gesichert; den Posten zwischen Mtanza und Mohorro mußte ich -zeitweilig besetzen; von Mtanza aus war es mir möglich, mit dem Strom -in einer Nacht 80 _km_ zurückzulegen, so daß ich die obere Hälfte -der gefährdeten Linie selbst schützen konnte. -- Nur dadurch, daß ich -über große Strecken hin, friedliche Ansiedelungen ins Leben rief, -konnte ich mit meiner kleinen Streitmacht die Aufgabe erfüllen. - -Die Rebellen standen immer noch unter dem Eindruck der Verluste, die -sie zu Beginn des Aufstandes erlitten hatten, und überschätzten meine -Macht. Schnell sprach es sich außerdem bei den Negern herum, daß ich -jedem Schutz gewährte, der sich unterwarf. - -Es galt, möglichst bald den alten Einfluß der Regierung wieder -herzustellen; um in ihrem Sinne wirken zu können, unterhielt ich -deshalb Fühlung mit dem Bezirksamt und bemühte mich, über alle Vorgänge -auf beiden Ufern des Stromes Klarheit zu bekommen. - -Ich fand Eingeborene, die eine Art von Polizeidienst übernahmen und -bezahlte sie dafür. (Meine Askari mochte ich zu solchen Aufträgen nicht -verwenden; denn sie waren weniger ortskundig, wurden leicht erkannt und -dann von vornherein mit Mißtrauen angesehen.) Alle Neger, die das Dorf -passierten, ließ ich mir von den Polizisten vorführen. Es waren nicht -allzuviele; denn der Verkehr vom Kissakkibezirk war gering und ging zum -großen Teil auf dem Nordufer entlang, wo nicht alle Waldwege bewacht -werden konnten. - -[Sidenote: Die Postboten.] - -Meine Boten brauchten nach Mohorro vier Tage und bekamen für den Weg -1,30 Mk. Ich sah einmal an dem Datum von Telegrammen, daß ein Bote fünf -Tage gegangen war anstatt vier; er gebrauchte die Entschuldigung, er -habe einmal stundenlang nach einem Boot rufen müssen, um über den Fluß -zu setzen. Das durfte ich ihm glauben; denn ich hatte selbst schon -Gelegenheit gehabt, beides zu bewundern: die Ausdauer eines Mannes, -der übersetzen wollte und nach einem Boot rief und die Dickfelligkeit -eines anderen, der am jenseitigen Ufer bei seinem Einbaum hocken blieb. - -Die Boten bekamen allerlei Nebenaufträge der Askari, und ein oder der -andere kleine Soldatenboy begleitete sie. Hierbei liefen klassische -Beispiele von unpraktischem Sinn und Dickköpfigkeit unter. - -[Illustration: Frauen der Askari beim Frisieren. Die ‚_bibi_‘ -am weitesten links hat Ziernarben auf dem rechten Arm. Ganz rechts -sitzt eine Msukuma mit kurz geschorenem Haar. In der Hütte hockt ein -Askariboy am Kochfeuer. Man beachte die Stellung der Füße!] - -Askari Fataki schickte seiner Bibi ein Tuch mit vier Pishi Reis nach -Mohorro; zugleich erhielt der Bote vom Askari Mursat Geld, um vier -Pishi Reis in Mohorro zu kaufen und nach Mtanza zu bringen. Beide -Aufträge mußten pünktlich ausgeführt werden; der Bote schleppte vier -Pishi hinunter und brachte vier andere zurück. Vergeblich versuchte -ich, dem Negerhirn einzureden, daß das Resultat dasselbe sei, wenn -Fataki dem Mursat seine vier Pishi Reis verkaufe und seiner Gattin das -Geld schicke; Fataki glaubt, sein Reis sei besser als der, den seine -Bibi in Mohorro bekomme, und Mursat will durchaus Reis aus Mohorro -kaufen. Um diesem Eigensinn nachzukommen, muß der Bote zehn Pfund acht -Tage lang mit sich schleppen -- (die gleichen Dinge geschehen übrigens -in großem Maßstabe im Welthandel; dort sind es Prinzipienfragen, -vielleicht auch hier)! - -Abends nach Eintritt der Dunkelheit gab ich einmal einem Manne den -Befehl, einen Brief nach Mohorro zu bringen. „Soll ich etwa allein -gehen? es ist Nacht, da müssen zwei gehen!“ ~Müssen~, denn einer -allein fürchtet sich; gehen zwei, so fühlt sich jeder durch den anderen -geschützt; keiner sperrt die Augen auf, und dann laufen sie einfach los. - -Wenn ein Bote ankommt -- er trägt den Brief meist in einem gespaltenen -Stock eingeklemmt und hält ihn hoch, damit er nicht gegen Büsche -streift oder sonst wo Schaden leidet -- so folgen ihm wohl ein Dutzend -Bengels. - -Die Ankunft eines „Barua“ ist für die Schwarzen ein Ereignis; mit -dummdreisten Mienen bleiben sie in geziemender Entfernung stehen und -beobachten die Wirkung der Nachrichten auf den Leser. Auch versuchen -sie, Lohn dafür zu erhalten, daß sie den Boten begleitet haben. - -Übrigens war die Ankunft eines Briefes und die Ansammlung von Zuhörern -stets eine gute Gelegenheit, Gerüchte unter das Volk zu bringen. Ich -nutzte das gründlich aus; wenn die Aufständigen von den anderen Truppen -so oft Prügel gekriegt hätten, wie ich es verkündete, wären sie wohl -beinahe ausgerottet! - -Die Mittel, mit denen Frieden gestiftet wurde, waren eben -mannigfaltiger Art. - -In Mtanza hatte ich auch Gelegenheit, das Eheleben der Schwarzen kennen -zu lernen. - -[Sidenote: Die Frauen der Askari.] - -Jeder Askari darf sich nur eine Frau halten. Die für die Wahl einer -Lebensgefährtin maßgebenden Gründe sind merkwürdig. Für äußere -Schönheit kommen unter anderm vor allem große Ohren in Betracht. Die -Ohrmuscheln werden in der Jugend durchlöchert und die Löcher allmählich -erweitert, bis drei möglichst große, aus Papier gerollte Pflöcke darin -Platz haben. - -Im übrigen muß sich das Weib, um dem Manne zu gefallen, gut kleiden -und frisieren können, darf recht viel Zeit dazu verwenden, muß aber -auch für das Essen sorgen; und dazu vor allen Dingen ist Sauberkeit -und Sorgfalt notwendig. (Die gewöhnlichen Arbeiten verrichtet der -Askariboy, der für sich wieder einen neuen, sehenswerten Teil des -Lagerlebens bildet.) - -[Illustration: Poshoausgabe. - -Sanitätsunteroffizier Lauer verteilt Getreide an die Askari, die -zum Teil in bequemen, häuslichen Kleidern (Baumwolltuch und Hemd) -einhergehen. Bei einem Askari erkennt man Flicken, die sorgfältig -auf das sehr wenig haltbare Khakizeug aufgenäht sind. Zerrissen oder -schmutzige Kleider sind diesen Negern zuwider. Sobald sie von Märschen -ins Lager kommen, ziehen sie sich um und beginnen zu waschen und zu -nähen.] - -Mit großer Leichtigkeit werden Ehen geschlossen und aufgelöst. Die -Folge davon ist, daß man von den Schwarzen meist den Eindruck hat als -ob sie in glücklicher Ehe lebten. Sobald das Verhältnis der Gatten -nämlich unerträglich wird, gehen sie auseinander. - -Dies gilt nur von den freien Suaheliweibern. Dauernder ist die -Verbindung wohl, wenn für die Frau eine Kaufsumme gezahlt wurde. (Am -Rufiyi zahlte der Mann etwa dreißig Rupie.) Hat die Frau ein Kind, -so ist sie mehr wert; denn das Kind kann, wie mir ein Vertrauensmann -sagte, später die kleineren Kinder beaufsichtigen, wenn die Mama auf -dem Felde arbeitet. - -[Sidenote: Der Askariboy; Hausbau.] - -Anforderungen besonderer Art werden an den Askariboy gestellt. Seine -Haupttugend ist eine große Begeisterung für den Soldatenberuf, die -ihren Grund hat in Abneigung gegen das stille Leben im Heimatdorf. -Abenteuerlust und Anspruchslosigkeit und die allen Negern gemeinsame -Abneigung gegen regelmäßige Arbeit zeichnet ihn aus. Er bekommt zu -essen, was übrig bleibt, hat aber im Kriege manchmal Gelegenheit, -recht viel auf die Seite zu bringen. Er bekommt gelegentlich ein -Kleidungsstück geschenkt; doch wenn der Tag da ist, an dem er seinen -Lohn fordert, wird ihm als Antwort: „Du hast mir einen Teller -zerbrochen, hast jeden Tag viel zu viel gegessen und deine Arbeit war -miserabel -- ich kann dir keinen Lohn geben!“ Dann sitzt der kleine -Kerl noch einen halben Tag in niedergeschlagener Stimmung im Lager und --- sucht sich einen anderen Dienst. - -Als mehrere Wochen verflossen waren, ohne daß kriegerische -Unternehmungen stattfanden, schickte ich die letzten drei Matrosen, -die ich bis dahin noch mit mir hatte, zur Küste, weil ich sie nicht -unnütz dem Fieber und anderen Krankheiten aussetzen wollte. Die Leute -hatten außerdem die Rückkehr an Bord sehr nötig; denn ihre Kleidung war -stark mitgenommen. Gleichzeitig sandte ich Sergeant Kühn nach Mayenge, -sodaß ich von jetzt an mit Sanitätsunteroffizier Lauer, dem Arzt meiner -Expedition, alleine war. - -Da die Rücksicht auf die Europäer fortfiel, konnte ich jetzt viel -weitere Märsche machen als bisher. -- Die Askari sind sehr anspruchslos -und man braucht ihretwegen keine große Trägerkolonne mitzunehmen; sie -versehen nach anstrengendem Marsche den Wachdienst, gehen Patrouille, -beaufsichtigen die Träger, brauchen nur einmal am Tage zu essen (was -sie essen ist leicht mitzunehmen) und schlafen zu ebener Erde, ohne -Bett, Moskitonetz und Zeltdach. -- - -Unter den weitstehenden Ästen des großen Baumes, bei dem wir -unser Lager aufgeschlagen hatten, ließ ich ein Haus bauen. Ich war -überrascht, wie schnell ein Gebäude fertig wurde, das allen Ansprüchen -genügte. - -Jeder Neger ist Baumeister und an Übung fehlt es ihm nicht, da er oft -gezwungen ist, neu zu bauen oder auszubessern, was Insekten, Hochwasser -oder Feuer zerstören. - -[Illustration: Mein Haus stand neben einem großen Baum. Rundum bauten -sich die Askari und Träger Hütten. - -(Die senkrechtstehenden Rohrstangen sind bis zu acht Meter lang.)] - -Eines Tages trommelte der Jumbe das Dorf zusammen. Männer und Knaben -kamen und hörten den Befehl: „Ihr werdet jetzt dem Bana Kubwa[40] ein -Haus bauen, damit er bei uns bleibt.“ - -Ein Platz wurde abgesteckt; dann fuhren die Neger mit Beilen auf -das Nordufer und brachten aus dem Walde Pfähle und Balken und große -Pfeiler, die sich am Ende gabelten und deshalb geeignet waren, das -Dachgebälk zu tragen. Es wurden Löcher in die Erde gegraben, um die -Pfähle hineinzustellen. -- Bei dieser Arbeit lockert der Neger den -Boden mit einem kleinen Stück Holz und hebt die Erde mit der Hand -aus, so daß das Loch nicht größer wird, als es sein muß, um den -Pfahl aufzunehmen. -- Schon am zweiten Abend stand das Gerippe des -Hauses fertig da. Jetzt wurde vom Flusse starkes Rohr geholt und -die Dachsparren mit den beinahe armstarken, bis acht Meter langen -Stengeln belegt, die die Stelle von Bambusrohr vertraten. Bei dem -ganzen Bau wurde kein einziger Nagel oder Zapfen verwandt, sondern alle -Verbindungen durch Bastbänder hergestellt, die aus den Blattrippen -der Dumpalme geflochten waren. Die horizontal liegenden Balken ruhten -in gegabelten Pfeilern. Über die Rohrstengel der Dachbedeckung wurden -Blätter einer Fächerpalme gelegt und, ebenso einfach wie geschickt -befestigt, indem die Stiele durch einen Einschnitt angekerbt und -etwas aufgespalten wurden, so daß ein Haken entstand, der über den -Rohrstengel hinüberfaßte. In der Mitte des Hauses blieb eine große -Halle frei; auf der einen Seite waren meine Wohnräume, auf der anderen -die des Unteroffiziers. - -Die Wände bestanden aus Fachwerk von Rohrbekleidung mit dazwischen -gestopfter, toniger Erde. Die Fensteröffnungen wurden durch Läden aus -Rohrstengeln geschlossen; Türen brauchten wir nicht. - -Rund um das Haus entstanden die Hütten der Askari, die Küche mit -der Wohnung für die Boys, der Hühnerstall und ein Eselstall. Später -ließ ich um das ganze Lager Wall und Graben ziehen und einen hohen -Pallisadenzaun errichten, an dessen Eingang die Wache ein Schutzdach -erhielt. - -[Sidenote: Am Strom.] - -Bei Sonnenaufgang war ich jeden Morgen am Fluß, um zu baden. Ein -Schwimmbad durfte ich freilich nicht nehmen, weil die Krokodile -zahlreich waren; ich mußte mich darauf beschränken, mir einige Eimer -voll Wasser über den Kopf zu gießen, während ich am Ufer stand. - -Die Morgenstunde am Strom war für mich stets ein großer Genuß. Es -war jedesmal gleich schön, zu sehen, wie der breite Fluß unter die -aufgehende Sonne floß. Über die glänzende Flut fuhren Einbäume mit -Negern, die im Walde des Nordufers Holz holen oder Honig suchen -wollten; aus den Hütten stieg blauer Rauch, der in den dürren Blättern -der Palmdächer entlangkroch. Tauben flogen von ihren Nachtquartieren -herüber in die Felder. - -[Illustration: Askarifrauen kommen mit irdenen Töpfen vom Wasser in den -Pallisadenzaun der Boma. Manche sind schlank und schön gewachsen; um so -auffallender sind dann die langen Arme, die an Menschenaffen erinnern, -und die großen, breitgetretenen Füße.] - -Als in den späteren Monaten die ersten Regenschauer gefallen waren und -die Feuchtigkeit der Luft zunahm, lagen morgens oft weiße Nebelmassen -über dem Strom. Oft auch schwirrte es über den Schilfinseln von -unzähligen Schwalben. - -Pünktlich um sechs Uhr wurden die Askari geweckt. Dann gingen die -Frauen mit großen Töpfen zum Ufer und holten Wasser. Um acht Uhr begann -der Dienst, das Exerzieren und die Arbeiten an der Befestigung. Diese -Arbeit sollte eigentlich eine Strafe sein, aber die Neger wurden kaum -beaufsichtigt und stellten sich dennoch pünktlich zur Arbeit ein, weil -sie Essen dafür bekamen. - -Zum Revierdienst, den Sanitätsunteroffizier Lauer gegen neun Uhr -abhielt, kamen immer mehr Eingeborene und verlangten „_dawa_“, -wobei sie auf den kranken Körperteil zeigten. Wunden waren bei ihnen -gut zu behandeln und heilten schnell. Bei inneren Krankheiten aber -konnten die Neger nicht verstehen, daß sie wiederkommen sollten; sie -ließen sich einmal Arznei geben und glaubten dann gesund zu sein. Die -Askari waren schon verständiger; sie kamen immer wieder, um Chinin zu -nehmen, wenn sie Fieber hatten. - -Schlimm waren die Wunden von Pfeilschüssen. So kam ein Mann, dem die -Pfeilspitze mit abgebrochenem Schaft noch in einer häßlich aussehenden -Öffnung zwischen den Rippen steckte; die Spitze mit den Widerhaken -wurde herausgeschnitten, ohne daß der Neger ein Zeichen von Schmerz von -sich gab. - -Mit Giftpfeilen getroffene Menschen starben, wenn das Gift frisch war, -in wenigen Stunden. Um die Wirkung des Pfeilgiftes zu erläutern wurde -mir erzählt, ein alter Jäger sei bis dicht an einen Löwen hinangegangen -und habe ihm einen Giftpfeil in die Seite geschossen; der Löwe, der -vorher noch nicht verwundet war, sei nach mehreren Schritten tot -umgefallen; das Gift hatte zufällig eine Ader getroffen, die nach dem -Herzen führte. - -[Sidenote: Schlangen.] - -Die Eingeborenen mischten das Pfeilgift aus dem Saft von bestimmten -Pflanzen und echtem Schlangengift. - -Bißwunden von Schlangen habe ich nie gesehen. - -Schlangen waren am Rufiyi nicht gerade häufig, wurden nur aber oft -gebracht, weil ich die Negerjungens, die mir halfen, meine Sammlungen -von Käfern und Insekten zu vervollständigen, anhielt, mir alles -Ungeziefer zu bringen, was auf den Feldern getötet wurde. Ich habe im -Laufe der Zeit eine Anzahl Schlangen beobachtet, möchte aber, wenn -ich es erzähle, nicht den Eindruck erwecken, als ob die mir selbst -unheimlichen Tiere dort eine alltägliche Erscheinung wären. - -Unser Haus lag an einer Stelle, die besonders reich mit Schlangen -gesegnet war. In den Zweigen des großen Baumes konnte man gelegentlich -einem Streit zusehen, den kleine schwarzweiße Vögel mit einer -silberweißen Schlange führten. Das Reptil ringelte sich träge durch die -kleinen Äste der Zweige, während die Vögel unter lautem Gezwitscher um -seinen Kopf herum flatterten und sich im Vertrauen auf ihre Gewandtheit -dicht bei ihm hinsetzten, um auszuruhen. Am häufigsten waren: eine -rotbraune Schlange und die grüne Baumschlange, die besonders, wenn sie -auf den Blättern der Bananen liegt, schwer zu sehen ist. - -Beim Pürschen traf ich einmal in hohem Grase eine der gefährlichen -und giftigen Puffottern; sie lag zusammengeringelt auf einer freien -Stelle und schlief. Ich schnitt mir einen Stock ab, schlug sie tot und -streifte sie; denn die Haut der Puffotter ist bunt gemustert und läßt -sich gut zu einem Gürtel verarbeiten. - -Eine Riesenschlange schoß Unteroffizier Lauer mitten im Buschwald; mit -einer anderen hatten wir eine geradezu unglaubliche Begegnung: Wir -gingen in hohem Grase auf einem schmalen Pfad; ich voran, hinter mir -Lauer. Da ich eifrig nach Wild aussah, achtete ich nur halb auf den -Weg. Plötzlich rief mein Begleiter erschrocken: „Herr Oberleutnant!“ -Ich drehte mich hastig um und sprang zur Seite, weil er das Gewehr -im Anschlag ungefähr auf meine Füße gerichtet hatte. Ich sah, wie -ein dicker Ast, über den ich eben hinweggestiegen war, sich bewegte: -es war eine Riesenschlange, die quer über den Weg kroch, und von der -nur der mittlere Teil des Körpers auf dem Wege zu sehen war, weil das -Schwanzende noch auf der einen, der vordere Teil schon auf der anderen -Seite des Weges im Schilf verborgen war. Als Lauer schoß, kam auch der -Kopf der Schlange aus dem Grase zurück und fuhr mit geöffnetem Rachen -dem Schützen entgegen, der schnell zurücksprang. Jetzt schoß ich und -traf dicht unter den Kopf; die Schlange verschwand im Grase, und wir -fanden sie nicht.[41] - -Mein Begleiter machte mir nun vor, wie ich den linken Fuß gehoben und -etwas weiter als gewöhnlich nach vorne gesetzt hatte, um über den -vermeintlichen Baumstamm hinwegzusteigen. - -Wir waren beide überzeugt, daß uns niemand diese Geschichte glauben -würde. - -Früher habe ich mich einmal über ein Bild in Gordon Cummings „_Lion -hunter of South Africa_“ gefreut: Cumming und ‚Kleinboy‘ ziehen -am Schwanz einer Schlange, die in einen Steinspalt zu verschwinden -droht. Dies ist gar nicht so grob aufgeschnitten, wie man wohl glaubt -(Cumming kann es sonst ganz gut!); ich selbst hatte ein Erlebnis, aus -dem ich sah, daß seiner Darstellung sehr wohl wirkliche Eindrücke -zugrunde gelegen haben mochten. Ich wurde eines Tages gerufen, als -eine anderthalb Meter lange, graue Schlange über den Hof meiner Boma -kroch. Die Neger hinderten die Schlange mit Stöcken daran, in einem -Schlupfwinkel zu verschwinden; plötzlich aber glitt sie mit dem Kopf in -ein kleines Mauseloch, das niemand beachtet hatte. Ich sprang schnell -hinzu und faßte zum großen Entsetzen der Neger den Schwanz der Schlange -mit beiden Händen. Gefahr war nicht dabei, auch wenn die Schlange -giftig gewesen wäre; denn das Mauseloch war so eng, daß das schlanke -Reptil gerade hineinpaßte, und rückwärts kann keine Schlange kriechen, -weil sich dabei die Schuppen abspreizen und es verhindern. So zog ich -auch diesmal ohne Erfolg, mußte loslassen, und die Schlange verschwand -ganz in der Erde. - -[Sidenote: Ameisen; Sandflöhe.] - -Häufig sah man in Mtanza die Schlangen auch in dem Palmstroh der -Dachbedeckung des Hauses kriechen und hörte sie nachts wenn sonst alles -still war. Es war dann ratsam, nicht barfuß im Dunkeln umherzugehen; -denn außer Schlangen soll man Skorpione oder bissige Ameisen immer -fürchten, und Sandflöhe, die man beim Barfußgehen unfehlbar bekommt, -sind auch lästig. - -Der Biß der „Siafu“, der angriffslustigen Ameise, ist im Verhältnis zu -der Größe und Unschädlichkeit des Insekts von überraschender Wirkung. -Man kann sonst sehr ruhige Menschen tanzen sehen, wenn eine Ameise sie -auf dem Rücken zwackt. (Menschen, die eine gewisse Zurückhaltung vor -der Tür des Zahnarztes nicht leicht überwinden, sollten versuchen, -ob sie lernen, sich von einer Ameise freiwillig und aus Wissensdrang -kneifen zu lassen.) - -Der Sandfloh bildet eine Plage hauptsächlich auf den Karawanenstraßen. -Auch ich hatte manchmal Sandflöhe in den Zehen und zwar jedesmal, -wenn ich bei einer Wasserjagd barfuß gegangen war, wobei mich die -kleinen Tiere entweder im Boot oder an den von vielen Negern betretenen -Landungsstellen befallen hatten. Zuerst macht sich der Sandfloh dadurch -bemerkbar, daß er an der Stelle, wo er sitzt, ein nicht unangenehmes -Jucken verursacht. Die Stelle, an der der Plagegeist in der Haut -wohnt, rötet sich, und plötzlich kommt einem der Gedanke: es ist -ein „_funza_“. Der Boy wird gerufen, und der entfernt das kaum -sichtbare, kleine schwarze Pünktchen sorgfältig mit einer Nähnadel. - -Der Sandfloh stammt aus Südamerika, ist von da vor mehreren Jahrzehnten -nach Westafrika eingeschleppt worden und kommt erst seit Mitte der -neunziger Jahre in Ostafrika vor. Das befruchtete Weibchen bohrt sich -mit Vorliebe in die Haut unter den Fußnägeln ein. Nach einigen Tagen -wird der Hinterleib so groß wie eine Erbse, und es gehört dann ein -besonderes Geschick dazu, die Eier bei der Nadeloperation sämtlich -herauszubekommen. Bei den Negern sieht man oft Verunstaltungen der -Füße und Hände infolge von Entzündungen, die aus Sandflohstichen -hervorgegangen sind. - -Ich hatte auf solche Verletzungen ein Augenmerk und sah zufällig -eines Tages einen merkwürdigen Fall von Vererbung. Bei einem Mann -war die vierte Zehe des rechten Fußes verkrüppelt und hing ohne -Kochenverbindung etwas zurückstehend auf der Haut des Fußes. Er sagte, -dies sei von Jugend auf so gewesen, und stellte mir seinen Sohn vor, -bei dem der vierte Finger der linken Hand, angeblich seit seiner -Geburt, verkrüppelt und steif war; das vorderste Gelenk des Fingers -schien zu fehlen. - -Unsere Hauptnahrung in der Aufstandszeit war Reis. Das Mittagsessen -bestand gewöhnlich aus gekochtem oder gebratenem Huhn, Reis und -Mohogoknollen; zeitweilig aber war an Konserven kein Mangel und dann -gab es eingemachtes Gemüse, Würstchen, Sardinen, Hering, Sprotten, -Käse und Kompott. Auf die meisten Konserven verzichtet man aber gerne, -wenn Hühner, Eier, Bananen und andere Früchte im Lande zu bekommen sind. - -An die Mohogoknollen hatten wir uns sehr gewöhnt; sie ersetzten uns -die Kartoffeln. Meist aßen wir sie zerrieben und in Fett gebraten. Die -ersten Kartoffeln, die ich danach vorgesetzt bekam, schmeckten mir fade. - -Von den Landesprodukten haben wir ferner mit Vorliebe gegessen: grünen -Mais, Ananas, Mangos, die leider nur kurze zeitlang zu haben sind und -die seltenen Tomaten. Mit Matamamehl habe ich mich nicht befreunden -können. Die einheimischen Bohnen schmecken bitter. - -Sehr ungern entbehrte man Brot aus Weizen- und Roggenmehl, Kaffee und -Zucker, und wenn einer dieser Genüsse ausging, fühlten wir es sofort. - -Auf das Brotbacken verstehen sich die schwarzen Köche gut. Es ist -einfacher als man glaubt, und Backöfen sind dazu nicht nötig; ein -eiserner Topf mit dem aufgegangenen Teig wird ringsum auf dem Deckel -mit glühenden Holzkohlen bepackt, bis das Brot durchgebacken ist. -Da konservierte Butter nicht gut schmeckt, ißt man mit Zwiebeln -ausgebratenes Schweineschmalz oder Flußpferdfett dazu. Zu hellem -Weizenbrot schmeckt auch Jam oder Fruchtgelee. - -[Sidenote: Teurung.] - -Sehr bald wurden die Eier in der Umgegend knapp, und wenn die -Eingeborenen von weit her ein halbes Dutzend anbrachten, waren sie -meist alle schlecht. Die Kornfrüchte stiegen im Preise und schließlich -war überhaupt nichts mehr zu bekommen: es hieß einfach: „_njaa_“, -„es ist Hungersnot.“ - -Da wurde ich auf den farbigen Händler aufmerksam, der im Dorfe einen -kleinen Laden hatte, und Baumwolltücher, Glasperlen, Salz, Öl und -Getreide an die Eingeborenen verkaufte. Ein großes Haus, das neben -seinem Laden lag, war, als ich einige Monate vorher zum ersten -Male nach Mtanza kam, bis unters Dach mit gefüllten Getreidesäcken -vollgepfropft gewesen; jetzt war es leer. Der schlaue Inder hatte das -Getreide zur Küste geschafft, und ließ, als die Hungersnot begann, -Sack für Sack wieder heraufholen. Er verkaufte denselben Negern, die -ihm fünf Monate vorher ~achtzehn~ Pishi Matamakorn für eine Rupie -gegeben hatten, jetzt ~ein~ Pishi für denselben Preis. - -So teuer konnte kein Neger auf die Dauer sein täglich Brot bezahlen. -Es war auch unmöglich, die Askari bei diesen Preisen zu verpflegen; -für den Askari ist 10 Heller (13 Pfennig) Verpflegungsgeld (täglich) -festgesetzt; ich mußte deshalb in Mohorro Getreide bestellen. - -[Illustration: Am Flußübergang bei Mtanza. Askari, Frauen und Boys.] - -[Sidenote: Hungersnot.] - -Die Eingeborenen litten bereits unter der Hungersnot, und man merkte, -daß sich die Zahl der Einwohner in den Dörfern lichtete; die Neger -gingen in Bezirke, in denen die Not geringer sein sollte. - -Für die Zurückbleibenden waren die Mangofrüchte eine willkommene Hilfe. -Als die Zeit der Reife näher kam, zogen die Neger zu hunderten in die -Mangowälder der Umgegend. - -Alle Mangobäume sind von Menschenhand gepflanzt und bezeichnen deshalb -meist die Plätze, an denen Neger gewohnt haben, die aus irgend einem -Grunde ausgewandert sind. In der Regel ist Trinkwasser in der Nähe. Die -Eingeborenen konnten deshalb in der Zeit der Mangoreife ihre Wohnsitze -nach den nahrungspendenden Mangowäldern verlegen und richteten dort im -Busch kleine Feldlager ein. - -Aus Stangen bauten sie kleine Hütten, deckten Gras darüber und legten -rundum einen Zaun von Dornzweigen, um sich gegen Raubtiere zu schützen. -Das ganze hieß „Boma Porini“: das Lager im Walde. - -Solche Dornverhaue, mit kleinen Hütten, traf ich oft an, wenn ich -in der Umgegend umherstreifte, und da ich selbst kein Verächter der -Mangofrüchte war, schlug ich auch wohl mein Zelt unter den schattigen, -dunkeln Bäumen auf. - -Eines Abends saß ich an einem solchen Platze vor meinem Zelte und -schrieb. - -Die hohen, alten Stämme standen ringsum in saftigem Grase; unter -den fruchtbeladenen Ästen war das Gras niedergetreten und der Boden -mit Kernen und ausgepreßten Schalen der Früchte bedeckt. Ein süßer -Geruch erfüllte die Luft. Hoch oben in den Zweigen schüttelten noch -immer einige Neger; Frauen und Kinder sammelten die niedergefallenen -Früchte in Körbe. Auf dem schmalen Fußpfad, der sich durch das Wäldchen -hindurchwand, kamen Dutzende von Negern mit gefüllten Bastsäcken. -Kleine, nackte Kinder liefen hinterher; in jeder Hand eine Mango und -mit abschreckend angeschwollenen Bäuchen, zu denen die dünnen Beinchen -schlecht paßten. - -Die Mangofrüchte waren schon so reif, daß sie von selbst herabfielen. -Ununterbrochen raschelte es in den Blättern und dann schlug eine -saftige Frucht auf das Sonnensegel des Zeltes oder gar auf meinem Tisch -auf; das wurde so unleidlich, daß ich mich schließlich in das Zelt -zurückzog. - -Ob auch die Löwen jetzt Hungerszeit hatten? - -In dieser Nacht wenigstens kam der wachhabende Askari, der mein -Interesse an den Tieren kannte, an mein Zelt und flüsterte hinein: -„_Bwana, simba analia karibu_“ (Herr, der Löwe brüllt in der -Nähe). Und ich hörte noch mehrmals die tiefe Stimme des Gefürchteten. - -Am nächsten Morgen sah ich, daß zwei starke Löwen dicht an meinem Zelt -vorbeigegangen waren und fand, als ich den Fährten folgte, ganz in der -Nähe die frischen Reste eines Riedbockes: den Kopf und einen Hinterlauf. - -[Illustration: Bald hatte ich in meinem Lager eine große Sammlung -selbsterbeuteter Antilopengehörne. In der Mittagszeit ließ ich sie -oft hinauslegen, um die Schädel zu bleichen. Die Hörner wurden -mit Petroleum abgerieben, um sie fest zu erhalten und vor Käfern -zu schützen, die ihre Eier gern in den Raum zwischen Horn und -Knochenzapfen ablegen (die Larven bohren dann große Löcher in die -Hornmasse).] - -Der Mangoreichtum der Umgegend hielt leider nicht allzulange vor; nach -mehreren Wochen waren die Bäume abgeerntet, und die hungrigen Menschen -mußten sich nach anderen Nahrungsmitteln umsehen. - -Die Bewohner ganzer Ortschaften vereinigten sich jetzt zu gemeinsamem -Fischfang in entlegenen Tümpeln. Andere gruben eßbare Wurzeln im Wald -oder sammelten die kümmerlichen Rispen wilder Steppengräser. - -Ratten wurden in länglichen, aus Bast geflochtenen Röhren gefangen, -gebraten und gegessen. Alte, stumpfsinnige Leute füllten sich den Magen -mit Schlamm und Gras; ja, ich sah einen Neger, der lebende Ameisen mit -der Hand vom Wege aufnahm und in den Mund steckte. - -Immer öfter kamen die Eingeborenen zu mir und baten, ich sollte ihnen -Wild schießen; sie müßten sonst auswandern, wenn sie nicht Hungers -sterben wollten. - -Da beschloß ich eines Tages, den Leuten zu helfen und einen Elefanten -zu schießen. Ich wollte zu gleicher Zeit mit einem Vorurteil brechen, -das sich seit einigen Jahrzehnten in dieser Gegend eingebürgert hatte: -daß Elefantenfleisch nicht eßbar sei. Da ich selbst schon einige der -großen Dickhäuter erlegt hatte, nahm ich Unteroffizier Lauer mit, der -gerne einen Elefanten schießen wollte, sich aber dazu allein nicht -genug Jagderfahrung zutraute. - -Wir gingen an einen Platz, an dem ich öfter Elefanten gesehen hatte, -ohne ihnen etwas zu Leide zu tun. Dort angekommen, waren wir kaum eine -Viertelstunde gepürscht, als ein großer Elefant vor uns stand, mit nur -einem, jedoch sehr starken Zahn. - -Ich beschrieb meinem Begleiter am Kopf des Riesen genau die Stelle, -auf die er schießen sollte. Er ging bis auf zwanzig Schritt hinan; ich -stand hinter ihm, um nötigenfalls mitschießen zu können. Aber es war -nicht nötig; Lauer schoß ganz ruhig, und der Elefant brach auf der -Stelle zusammen: die Jagd war beendet. - -[Sidenote: Elefantenfleisch als Nahrung.] - -Wir gingen zu unsern Zelten und machten es uns bequem. Da kamen, wie -wir erwarteten, die Neger, denen ich Fleisch versprochen hatte und -fragten, ob ich nicht einige Antilopen schießen wollte? - -„Nein, erst wenn der Elefant aufgegessen ist.“ - -„Wir essen kein Elefantenfleisch.“ - -„Dann habt ihr auch keinen Hunger.“ - -„Wir sterben vor Hunger, aber Elefant zu essen, ist nicht Sitte.“ - -Murrend zogen sie von dannen, blieben aber in der Nähe des Lagers. - -Ich wußte, daß diese Leute sich nur vor einander schämten, von dem -Fleisch zu essen; jeder einzelne fürchtete den Spott des anderen. - -Jetzt kam der Koch und sagte, um uns hineinzulegen, mit unschuldigem -Gesicht: „Was soll ich kochen? Fleisch ist nicht da!“ - -„Hat das Tier, das ich geschossen habe, kein Fleisch?“ - -„Ja: Elefant!“ sagte er geringschätzig. - -„Na also; brate das!“ - -Anfangs ging ein Lächeln und Zähnefletschen durch die Zuschauer; sie -waren erstaunt, daß wir Elefantenfleisch essen wollten. Dann sagte -einer das Wort: „_mzungu_“, und auf allen Gesichtern lag wieder -Ruhe.[42] - -„Er ist ein Weißer“ soll nämlich heißen: Als weißer Mann kann er tun, -was wir nicht tun dürfen. („Weil wir es nicht vertragen oder weil es -sich für uns nicht schickt.“) - -Der Unteroffizier und ich waren die ersten, die von dem Fleisch -kosteten. Es war grobfaserig, schmeckte aber als Beefsteak nicht -schlecht. - -Ich befahl auch den Boys, sie sollten davon essen, damit sie den -übrigen Negern ein gutes Beispiel gäben. - -Sie sahen sich gegenseitig mißtrauisch an, um sich zu versichern, daß -jeder der andern auch essen würde; keiner wollte der einzige sein. - -[Sidenote: Die Neger schämen sich.] - -Schließlich aßen sie; aber einer schämte sich dabei so sehr, daß ihm -die Tränen in die Augen traten.[43] - -Als ich sagte, ich würde alle zwingen, das Fleisch zu essen, griffen -sie endlich zu; es schmeckte ihnen, und so entstand eine recht frohe -Stimmung. - -Ich hatte es also doch erreicht, daß die „_dasturi_“, die -scheinbar unerbittliche Gewohnheit, ihre steinernen Gesichtszüge zu -einem warmen Lächeln verzog; Frauen und Kinder fanden sich bei dem -erlegten Elefanten ein und füllten ihre Körbe mit den Fleischstreifen, -die ihnen von den Männern zugeworfen wurden. - -Bald führte ein ausgetretener Weg von der Landstraße (einem Fußweg) -durch das Gras nach dem Elefanten hin. Die Schwarzen trockneten das -Fleisch und konnten so wochenlang davon leben. - -In anderen Gegenden Afrikas verhalten sich die Eingeborenen ganz -anders, als ich es hier geschildert habe: - -[Illustration: In der Ebene des Rufiyi. - -Das starke Schilf zeugt von der Fruchtbarkeit des Bodens. Die Neger -sind dabei, es umzuhauen, weil Baumwolle gesät werden soll.] - -Wenn ein Elefant geschossen ist, verbreitet sich die Kunde davon -sehr schnell im Lande und der Andrang der Abnehmer des Fleisches ist -so stark, daß sich Parteien bilden, die regelrechte Kämpfe um den -Elefanten aufführen. In wenigen Stunden ist von dem etwa achtzig -Zentner schweren Koloß nichts übrig, als die Knochen, und oft erinnert -ein frisches Grab in der Nähe des Platzes an den Ausgang eines Kampfes, -den rohe Menschen in ihrer Gier führten.[44] - -Als die sogenannte kleine Regenzeit näher kam, begannen die -Eingeborenen fleißig an ihren Feldern zu arbeiten; Busch, Sträucher und -Schilfgras wurde ausgerodet, auf Haufen geworfen und angezündet. - -So blieben die Äcker einige Wochen liegen, dann räumten die Frauen auf -und bearbeiteten die Fläche mit einer breiten, kurzstieligen Hacke. -Da alles auf dem Felde zu tun hatte, wurden die Häuser zugeschlossen. -Selbst die kleinen Kinder mußten mit, und meist trugen die Frauen bei -der Arbeit noch einen Säugling auf dem Rücken. Die größeren Kinder -saßen am Rande des Ackers. Dabei soll es oft vorkommen, daß ein -unbewachtes Kind vom Leoparden geraubt wird. - -Die Landwirtschaft der meisten Neger ist nicht sehr intensiv. Das -Land ist fruchtbar und dünn bevölkert, so daß der Neger nach Bedarf -neue Flächen unter Kultur nehmen kann, wenn der alte Acker nicht mehr -trägt. In der Ebene wird daher derselbe Acker drei oder viermal, in den -Bergen höchstens zweimal nacheinander bebaut. Dies richtet sich nach -der Güte des Bodens und der Getreideart, die gesät werden soll. Gedüngt -wird nicht; außer einigen Ziegen und Schafen haben die Eingeborenen am -Rufiyi auch kein Vieh. - -[Sidenote: Die Feldfrüchte.] - -Angebaut wird Reis, Mais, Matama und Mohogo. An tieferen Stellen wird -vor allem Reis gesät, weil Reis die Nässe gut verträgt und sogar -besonders gut gedeiht, wenn er zeitweilig ganz im Wasser steht. An -höheren Stellen säen die Neger Mais und Matama. Bei der außergewöhnlich -hohen Überschwemmung, die ich im Jahre 1905 miterlebte, verfaulte der -Mais, kurz bevor er reifte, auf dem Felde. Dadurch wurde die Hungersnot -noch empfindlicher; denn Hunderte von Menschen hatten mit hungrigem -Magen auf diese Frucht gewartet. - -Die anspruchsloseste und am leichtesten anzubauende Frucht ist der -Mohogo (Maniok). Ein kleiner Stock, in die Erde gesteckt, entwickelt -sich in wenigen Monaten zu einem hohen Busch, der in der Erde -zahlreiche, eßbare Knollen bildet. Wie oft haben meine Leute auf -weiten Märschen ihren Hunger in einem Mohogofelde gestillt: mit einem -kräftigen Ruck wurde der Busch aus der Erde gehoben und, wenn er -dabei nicht abbrach, die Knollen abgerissen und geschält und das weiße -Fleisch verzehrt. - -Außer den genannten Früchten werden in der Nähe der Häuser in geringen -Mengen angepflanzt: Zuckerrohr, Bananen, Ananas, Tomaten, niedrige und -hohe Bohnensträucher und Rizinusstauden; an günstigen Stellen auch -Tabak für den eigenen Gebrauch. - -[Illustration: Nach sechs Wochen kam ich wieder an den Platz, wo ich -den Elefanten geschossen hatte; Löwen und Hyänen, Geier und Marabu -hatten soweit aufgeräumt, daß fast nur die riesigen Knochen übrig -waren, auf denen die Haut in Fetzen hing. - -Im Haushalt der Natur ging selbst die faule Flüssigkeit, die aus dem -Kadaver herauslief, nicht verloren; denn Millionen von Larven wälzten -sich darin und dienten kleinen Vögeln zur Nahrung.] - -In den Getreidefeldern findet man hie und da eine Kürbisstaude, und -für den Export werden, auf Anregung der Kommunen, Erdnuß und Baumwolle -angepflanzt. - -Von Geräten für den Ackerbau kennt der Neger nur die Hacke und einen -mit einem Stück Eisen beschlagenen Stock zum Jäten von Unkraut; -außerdem Messer und Beil zum Roden des Busches. - -Im Reinhalten der bebauten Äcker von Unkraut habe ich überall großen -Fleiß gesehen. Auch der Maniok erfordert diese Mühe; denn das Unkraut -gedeiht in dem mit der Hacke gelockerten Boden nach dem Regen üppig. - -Daß trotz der Menge der Früchte und der Hilfsquellen, die der findige -Eingeborene aus den Wäldern an wilden Früchten, Honig und eßbaren -Wurzeln hat, die Hungersnot so häufig und verderblich auftritt, hat -seine besonderen Ursachen. Vor allem liegt es daran, daß der Neger -nicht mehr baut, als er bis zur nächsten Ernte unbedingt nötig hat. -Kommt dann aber einmal durch Überschwemmung, Heuschrecken oder Dürre -eine Mißernte, so trifft sie ihn völlig unvorbereitet. - -Als Entschuldigung für diese Sorglosigkeit mag es gelten, daß sich -Getreide in den Tropen sehr schwer aufbewahren läßt; der Neger kennt -noch keine Mittel und besitzt noch keine Vorkehrungen, um Korn in -großen Mengen gegen Feuchtigkeit und tierische Feinde zu schützen. Die -Körner werden von Ameisen angefressen, oder, wie der Mais, von einem -kleinen Rüsselkäfer angebohrt, so daß sie zum mindesten ihre Keimkraft -verlieren. In geringen Mengen konservieren die Eingeborenen Maiskörner, -indem sie die an den Kolbenblättern zusammengebundenen Kolben im -Dachgebälk der Wohnhütten aufhängen und beständig unter Rauch halten; -doch das ist wenig und im allgemeinen verkauft der Neger den Überschuß -über den nächsten Bedarf billig an den Inder. - -Die Regierung förderte den Anbau von Baumwolle und Erdnüssen bei den -Eingeborenen und glaubte hiermit einen Weg gefunden zu haben, ihnen zu -gesunden Erträgen aus der Landwirtschaft zu verhelfen; denn das sind -Produkte, die der Neger leicht konservieren könnte, und die ihm einen -Gewinn sichern, weil sie vermutlich nicht durch den Laden des indischen -Zwischenhändlers gehen, sondern unmittelbar an die Entkernungsanlagen -und Kommunen verkauft werden. Aber wenn der Neger bei einer Mißernte an -Kornfrüchten gezwungen ist, seine Nahrungsmittel vom Inder zu beziehen, -dann ist er diesem doch wieder ausgeliefert. - -[Sidenote: Der Inder schädigt den Ackerbau.] - -Wie wichtig es ist, daß europäische Händler und Unternehmer sich an dem -Aufkauf von Körnerfrüchten beteiligen, zeigt folgende, in Ostafrika -ganz bekannte Tatsache: Bei einer großen Ernte kaufen die Inder das -Getreide zu Spottpreisen von den Eingeborenen, die ja meist bei dem -Händler in der Kreide stehen und deshalb an ihn verkaufen müssen. -Dieses Getreide wird nun nicht etwa auf den Markt gebracht; der Inder -verkauft es vielmehr wieder an die Eingeborenen, sorgt aber dafür, daß -der Preis recht hoch wird, dadurch, daß er künstlich Mangel hervorruft. -So sollen die indischen Kleinhändler sehr oft an der Hungersnot -unmittelbar schuld sein, indem ihre Krämertaktik die Landwirtschaft der -Eingeborenen unterbindet! - -In den Pflanzzeiten verkauft der Inder sehr ungern Sämereien an -Eingeborene; allenfalls kann der Neger schlecht keimfähige, verdorbene -Ware bekommen und muß dafür einen hohen Preis zahlen. Der schlaue -indische Händler kennt eben nur sein Geschäft und hat an dem Lande kein -Interesse; wenn er nun großen Vorrat an Getreide hat, sucht er darauf -hinzuwirken, daß der Neger wenig erntet, in Not kommt und bei ihm -kauft. Alle Inder sollen sich hierin einig sein.[45] - -Die Folge dieser Handlungsweise ist dann eine Steigerung der Löhne, -die den europäischen Unternehmern, den Plantagen, den Kommunen und der -Kolonialverwaltung zur Last fällt. - -In dieser Darstellung scheint eine gehässige Übertreibung zuungunsten -der Inder zu liegen; wer aber die Inder gesehen hat, weiß die Wahrheit -darin zu finden. - -Sie sind Handelsleute, wie sie im Buche stehen; bleiche Schmarotzer, -für die es in Ostafrika kein Land, keine Scholle, keine Heimat gibt. -(Die ackerbautreibende Kaste kommt nicht zu uns, da die britische -Regierung ihr die Auswanderung verbietet. Das ist sehr schade.) - -Selbst wo die Inder sich, wie in Sansibar, in den Grundbesitz der -Araber hineingedrängt haben, glaubt man, wenn man sie sieht, den -Eindruck der Bodenständigkeit zu vermissen. - -Unstet sehen sie aus; wie das Geld, das durch ihre Finger geht. - -Nur die Geldsäcke, das Geld von der schmutzigen Kupfermünze aus der -Hand des nackten Waniamwezi bis zum Scheck auf die _Chartered Bank of -India_ in der Ebenholztruhe neben harmlosen Bohnen und Kwemenüssen: -das ist ihre Heimat. - -Vielleicht klingt auch das zu heftig; der Gedanke, daß Deutschland -eine große Kolonie mit schwerem Geld unter seinen Schutz nimmt, damit -Händler fremder Rasse ungeziemenden und dem Lande schädlichen Gewinn -daraus ziehen, ist unerquicklich; wir haben selbst fleißige Männer -genug, denen der Handelsgewinn aus dem natürlichen Reichtum des Landes -zu gönnen wäre, und nur an Orten, deren Klima dem Weißen verderblich -wird, ist der Inder nicht immer zu entbehren, zur Vermittelung der -Ausfuhr einheimischer Produkte. - -So sagen die, die an ihrem eigenen Geldbeutel die lästige Konkurrenz -des geschmeidigen, bedürfnislosen Inders erfahren haben. - -Die Firmen, die ihr Geschäft auf den indischen Kleinhändler -zugeschnitten haben und die das viel getadelte Kreditsystem stützen, -sagen, der Inder hole doch wenigstens etwas aus dem Lande heraus; wenn -er ein Geschäft dabei mache, solle man es ihm gönnen. Dafür lebe er -jahrelang so einfach. - -Und dann wird man gefragt: „Wollen Sie sich hinstellen und stundenlang -mit einer Bibi um ein Baumwollentuch handeln? Wollen Sie Mais, Matama, -Öl und Perlenketten verkaufen? Wollen Sie? Na, also! Der Weiße ist doch -dazu zu fein.“ - -Ich aber dachte mir, daß ich es schon einrichten wollte, und so werden -viele denken. - -[Sidenote: Wahre Kulturarbeit.] - -Sowie kein Inder im Lande wäre, würde sich kein Arbeitgeber scheuen und -kein Ansiedler zu fein sein, einen Laden zu halten, in dem der Neger -alles billig bekommt, vom Baumwollentuch bis zur Nähnadel. Jeder dritte -Suaheli eignet sich jetzt schon dazu, eine „_duka_“ zu verwalten -und täglich Abrechnung zu machen! - -All die wertvollen Produkte aber: Elfenbein, Gummi, Kopal, Getreide, -Baumwolle, Ölfrüchte, Schildpatt, Wachs könnte der Europäer aufkaufen -und würde, wenn er es versteht, die Neger anständig zu bezahlen (selbst -wo größerer Gewinn dem Naturkinde leicht abzuringen wäre), bald das -Vertrauen ganzer Stämme haben, würde viele Arbeiter in seine Nähe -locken und eine wahre Kulturarbeit leisten können. - -So denken viele ihre Lebensaufgabe da draußen; aber die Kunst der -Erziehung und des Regierens, die in manchem Ansiedler als eine edle, -vielversprechende Kraft steckt und nach Betätigung drängt, wird zu -leicht unterdrückt durch die Ungunst der Verhältnisse und setzt sich -dann um in Resignation, in Bitterkeit -- ja, leider sogar in Alkohol. - -Im Jahre 1905, während des Aufstandes, hatte ich Gelegenheit, selbst -Beobachtungen über Ernte, Getreideausfuhr, indische Krämertaktik und -Hungersnot anzustellen. - -Der Aufstand begann im August, nachdem überall eine besonders reiche -Ernte eingekommen war. Die Inder kauften das Getreide zu Spottpreisen -in ungeheuren Quantitäten und verschifften es nach der Küste, sobald -die Truppen in der Gegend die Ruhe wieder hergestellt hatten. Überall -waren große Vorräte in den Dörfern; aber der Versuch, die Inder zu -veranlassen, einen Teil dieser von ihnen erworbenen Vorräte im Lande zu -behalten, um für die Truppen und die Eingeborenen später Getreide zur -Verfügung zu haben, hatte nur zur ~Folge, daß die Inder ihre Vorräte -mit möglichster Beschleunigung zur Küste brachten~, um künstlich -einen Mangel herbeizuführen und den Preis zu steigern. - -Man konnte es ihnen ja gar nicht verdenken; denn ihre Aufgabe ist es -ja, in möglichst kurzer Zeit recht viel Geld aus dem Lande zu ziehen -und dann nach Indien zurückzugehen. Die Entwickelung des Landes kann -ihnen ganz gleichgültig sein. - -So mußte ich später das wenige Korn, das der Inder Sack für Sack wieder -heraufbrachte, achtzehnmal teurer bezahlen, als es drei Monate vorher -gekostet hatte. Den Eingeborenen fehlten die Mittel, solche Preise -zu zahlen und sie litten furchtbar unter der Hungersnot. Auch eine -Expedition des Hauptmanns von Wangenheim, die die Verbindung mit dem -hartbedrängten Mahenge herstellen sollte, scheiterte hauptsächlich an -dem Nahrungsmangel. Die Träger waren durch Hunger entkräftet und die -Expedition mußte umkehren, weil die Flüsse so angeschwollen waren, daß -man nicht vorwärts gehen konnte. Ein Europäer ertrank. Der Wildreichtum -half über die größte Not hinweg. - -Es ist kaum glaublich, wie schwierig das Reisen (und also auch der -Buschkrieg) in der Regenzeit ist, im Vergleich zur Trockenzeit. Ich sah -es immer wieder, daß die Jahreszeit meine ersten Streifzüge, die ich -mit den Matrosen machte, ungemein begünstigt hatte. - -Da waren die Flußübergänge kurz, die Bäume und Sträucher kahl; das Gras -lag dürr am Boden und brauchte, wenn man weite Übersicht haben wollte, -nur angesteckt zu werden. Mücken gab es fast gar nicht; Nahrung überall. - -[Sidenote: Regenzeit und Hungersnot.] - -Anders in der Regenzeit! Ganze Ebenen standen unter Wasser; selbst bei -Kipo, wo freies Terrain mich im August so begünstigt hatte, stand jetzt -das Gras so hoch und die Büsche waren so dicht belaubt, daß ein Gefecht -wie das am 21. August ganz ausgeschlossen gewesen wäre; die Gegend war -nicht wieder zu erkennen. In Flußbetten, durch die wir noch im November -trockenen Fußes gegangen waren, tobte das Wasser. Dazu kam der Mangel -an Nahrungsmitteln, der Hunger. - -Die Neger können Hungersnot meisterhaft ertragen, weil sie an diese -seit Jahrhunderten regelmäßig wiederkehrende Plage gewöhnt sind. - -Ein gewisser Stumpfsinn, eine fast zufriedene Ergebung in den Zustand -wirken so beruhigend auf den Zuschauer, daß ihm der Schrecken gar nicht -so nahe geht und er das rechte Mitleid kaum empfindet. - -Eigentümlich war die Haltung der Neger dem Bezirksamt gegenüber. Die -Kommunen haben einen Notstandsfond, aus dem für die Eingeborenen -Getreide gekauft wird, ohne daß sie es zu bezahlen brauchen. Sie sollen -nur kommen und es sich holen. Das taten die trotzigen Bergbewohner in -Matumbi und Kitschi nicht, obwohl sie sich unterworfen hatten; sie -zogen es vor, in Massen zu verhungern! - -Williger waren die Rufiyileute, und ich sagte mir, wenn jemand Hunger -litt, dann sollten es nicht die Neger sein, die sich mir unterworfen -hatten, sondern die Aufständigen! Deshalb faßte ich den Plan, die -Mohogoäcker der Aufständigen in den Bergen abzuernten. - -[Sidenote: Ein Raubzug.] - -An einem bestimmten Tage wurden alle freundlichen Neger zur Boma -bestellt. - -Boten gingen an die Jumben, jeder, der mitmachen wollte, sollte sein -Messer, einen Sack und für zwei Tage Essen mitbringen. - -Achthundert Menschen fanden sich zur bestimmten Zeit ein; aber keiner -hatte etwas zu essen bei sich. Sie vertrauten alle darauf, daß ich Wild -schießen würde. - -Zwei Tage konnte es dauern, bis wir die ersten Mohogoschamben -erreichten, und ob ich Wild bekommen würde, war nicht sicher; ich brach -schleunigst auf, weil die Leute immer hungriger wurden. - -Die Neger wurden in Gruppen zu fünfzig Mann unter die Jumben oder -andere Leute, die Autorität (kräftige Arme und ein großes Maul) hatten, -verteilt; ich hielt eine Ansprache, in der ich den Plan erläuterte -und um Disziplin bat, damit es uns gelinge, recht viel zu fressen -einheimsen zu können. - -Alle waren meiner Meinung und ich ging schnell voraus, fünf Stunden -weit. - -Dann bestimmte ich einen Lagerplatz. - -Es waren noch zwei Stunden bis zur Dunkelheit. In dieser Zeit wollte -ich Wild schießen, soviel ich bekommen könnte und sandte auch -Unteroffizier Lauer aus, mit dem Auftrage, Fleisch für das hungrige -Volk zu schaffen. - -Wie ich es gemacht habe, das darf sich der ausmalen, der ähnliche -Reviere kennt, der weiß, daß jedes Rudel angepürscht sein will und daß -zwischen zwei Schüssen ein Weg liegt zum nächsten Rudel, der zu Fuß -zurückgelegt werden muß; den Leser will ich mit der Jagdschilderung -nicht ermüden. - -Kurz: Als es dunkel war, lagen auf der Strecke drei Wasserböcke, zwei -Swallah, zwei Riedböcke, eine Kuhantilope und ein Warzenschwein. - -Lauer hatte drei Kuhantilopen und zwei Wasserböcke geschossen. - -Also zusammen vierzehn Stück Wild! Und das war für die vielen Menschen -noch zu wenig. - -Todmüde saß ich im Lehnstuhl. - -Wohl hundert Feuer brannten; an jedem saßen ein halbes Dutzend Neger. -Auf dünne Stöcke hatten sie Fleischstücke aufgereiht und ans Feuer -gestellt; von Zeit zu Zeit schnitten sie ein Stück ab und steckten es -in den Mund. - -Zwei Weiße und achthundert Neger; war es nicht ein tolles Unternehmen? - -Wir sahen uns das Bild noch einmal von weitem an: die hellen Feuer, -die vielen Gestalten und die Bäume, die von unten beleuchtet wurden; -darüber der dunkle Himmel mit kleinen, silbern blinkenden Sternen. - -Am dritten Tage in der Frühe erreichten wir die ersten Schamben. - -Das Abernten ging sehr schnell; die hungrigen Leute fielen wie -Heuschrecken darüber hin. Große Pflanzungen, in denen der Mohogo so -üppig stand, daß Menschen darin nicht zu sehen waren, lagen in kurzer -Zeit am Boden. - -Die Neger schnitten den Mohogo in Scheiben und trockneten ihn an -der Sonne. So konnten sie große Mengen mitnehmen. Auch zerstampften -sie die Knollen in großen Holzmörsern und trockneten den Brei auf -ausgebreiteten Tüchern, bis er weiß wurde, wie Mehl. - -Die Dörfer hier lagen hoch in den Bergen, wo kein Wasser war; die -Brunnen waren oft drei Stunden von den Hütten entfernt. - -Der Akide sagte, die Frauen dieser Neger seien jeden Morgen sechs -Stunden unterwegs, um einen Topf Wasser zu holen. - -Das Wasser läuft außerdem so spärlich nach, daß nur wer zuerst kommt, -gleich einen vollen Topf schöpfen kann; jede will deshalb die erste -sein und sie stehen in der Nacht auf, um bei Tagesgrauen am Brunnen zu -sein. - -Wozu ist diese Mühe? Weshalb wollen die Leute nicht in der Nähe des -Wassers wohnen, wo der Boden nicht schlechter ist als oben? - -Aus alter Gewohnheit meiden sie die Wasserstellen, die jeder Räuber zum -Lager begehrt. - -Wie das Wild, das nur auf Minuten und mit scheuer Vorsicht zur Tränke -kommt, ja sich ganz vom Wasser entwöhnt, um nicht eine leichte Beute -des Löwen zu werden. - -Wir hatten unsere Not, es so einzurichten, daß wir täglich in die Nähe -eines Brunnens kamen. Manchen Negern genügte der Saft, den sie mit den -Mohogoknollen aufnahmen, und sie tranken gar kein Wasser. - -Mit Mohogomehl reich beladen, kehrte die große Räuberbande nach acht -Tagen aus den Bergen zurück und zerstreute sich. - - * * * * * - -[Sidenote: Ein Schauri.] - -Ich will auch ein Schauri schildern, das ich abhielt. - -Die meisten Schauri handelten von Diebstahl und von Schulden; heute -aber handelte es sich um etwas anderes: um Mord, fahrlässige Tötung, -versuchten Selbstmord, Mißbrauch der Amtsgewalt und anderer Substantiva. - -Es war nämlich folgendes geschehen: - -Ein Neger mit Namen Dibagila kam und sagte mit Ruhe: „Die Askari -schießen auf Menschen; mein Bruder ist erschossen!“ - -Ich schickte eine Patrouille aus; die kam nach einer Stunde wieder und -brachte auf Bettstellen zwei Verwundete: den Askari Manika und ein Weib. - -Dem Askari war der rechte Oberschenkel zerschossen; klaffend hing das -Muskelfleisch hinunter. Das Weib hatte einen Schuß durch das Fleisch -überm rechten Knie. - -Sanitätsunteroffizier Lauer war in Mayenge, um Sergeant Kühn -zu behandeln, der Fieber hatte. Ich ging deshalb selbst an die -Verbandkästen und verband die entsetzlichen Wunden, nachdem ich -eingedrungene Stofffetzen herausgezogen hatte. Die gleichgültigen -Gesichter der Patienten erleichterten mir die Arbeit. Das Weib -schimpfte ununterbrochen. - -Darauf versuchte ich festzustellen, was vorgefallen war. Und nun mußte -ich meinen ganzen Spürsinn ins Feld führen, um Wahrheit von Lüge zu -trennen. Die beiden Askari sagten, ein Schenzi habe geschossen und mit -demselben Schuß den Askari und das Weib getroffen; das Weib, es sei -von dem einen Askari angeschossen worden. (Der Dibagila, der nachher -Hauptzeuge wurde und alles wußte, stand jetzt noch dabei und schwieg!) - -Ich überlegte: die Wunde des Askari war so, daß der Schuß aus nächster -Nähe abgegeben sein mußte. (Ich hatte schon einmal einen Mann gesehen, -der sich selbst erschossen hatte; an die Wunde mußte ich denken.) Das -Weib hatte eine gewöhnliche Schußwunde, mit glattem Schußkanal. - -Ich ließ meinen Esel satteln und ritt, obwohl ich durch einen -Dysenterieanfall aufs Äußerste ermattet war, in der Sonnenglut selbst -zu dem Tatort, der eine Stunde entfernt war. Die Augenzeugen waren mit. - -„Da hat der Schenzi gesessen, der geschossen hat. Hier hat der Askari -gestanden -- du siehst den Blutfleck, Bana -- und da unten hat dieselbe -Kugel die Frau getroffen.“ - -Aha! Da haben wir die Lüge: also fliegt eine Kugel im rechten Winkel -weiter, wenn sie einen Askariknochen trifft! Daß der _Bana kubwa_ -sich die Mühe mache, hierherzureiten, daran habt ihr Lügner wohl nicht -gedacht? - -Ich schickte alle anderen Leute weg und ließ mir von dem Dibagila, der -offenbar aus Furcht vor den Askari nicht gesprochen hatte, erzählen, -wie es gewesen sei. Dibagila hält seine ausgestreckten Arme dicht -an den Körper, als ob ein Tuch sie an Bewegung hindere, bewegt die -Schultern und den Oberkörper in eigentümlicher Weise und zeigt mit -den Kopf in die Richtungen. Seine Stimme ist schneidend, doch tönend; -er spricht dramatisch, bisweilen sehr laut: „Es kam einer zu mir, der -Salim bin Mtambo, und sagte: ‚Dein Bruder ist am Fluß erschossen, -er ist ins Wasser gestürzt! -- baß‘“ -- (Dies ‚baß‘ dient zur -Interpunktion beim Sprechen und ist der Erzählung der Schwarzen eigen.) -„Ich lief hin. Es war Blut am Boot. Ich sprang ins Wasser, schwamm -umher, konnte nichts finden; dann folgte ich den Askari und sagte: -‚Mein Bruder ist erschossen, ich gehe zur Boma und sage es dem _Bana -kubwa_.‘ - -Askari Manika antwortete: ‚Wenn der _Bana kubwa_ erfährt, daß -ich deinen Bruder erschoß, läßt er mich aufhängen; ich will sagen, -ein Schenzi habe auf mich geschossen und werde mich selbst ins Bein -schießen.‘ - -Er drehte sein Gewehr um, setzte die Mündung auf sein Bein, schoß und -fiel hin. - -Der andere ging dann ins Dorf und schoß auf ein Weib. - -Ich fragte: Weshalb tust Du das? - -Er sagte: ‚Ich schieße bloß so!‘“ - -Am Nachmittag wurden viele Zeugen geladen und Schauri abgehalten. Das -heißt eigentlich waren es nur Vernehmungen, denn verurteilen konnte ich -den unglücklichen Askari doch nicht, der sich selbst gerichtet hatte. -Unter dem großen Baume saßen Hunderte von Negern und hörten zu, was da -vorne gelogen wurde. - -Gelogen wird immer, manchmal empfiehlt es sich aber auch, die Wahrheit -zu lügen. Der Richter muß dann nicht denken, daß der Neger die Wahrheit -sagt, um die Wahrheit zu sagen, nein, er sagt etwas, weil er für -vorteilhaft hält, es zu sagen; zufällig ist es die Wahrheit. - -Ein Askariboy war in der Kunst, den Mzungu zu belügen (das ist der -Inhalt des Schauris) noch nicht gewandt genug und sagte auf jede Frage -nur „hapana“ oder „sijui“. - -Ein anderer Zeuge, ein Pogoro, konnte gar nicht sprechen; trotzdem -bekamen die Dolmetscher alles aus ihm heraus, was sie hören wollten. -(Ähnlich dachte ich mir den „klugen Hans“, von dem damals gerade in den -Zeitungen die Rede war.) - -Der Pogoro stierte mich an mit Augen, denen man ansah, daß sie mehr von -der Glut des nächtlichen Feuers als vom Studium gerötet waren. - -Er hob das Kinn, wenn die zudringlichen Dolmetscher die Antwort „ja“ -von ihm haben wollten. (Er hätte auch mit dem Fuße scharren können.) - -Nach ihm kamen drei Frauen an die Reihe. Ein bildhübsches Geschöpf war -dabei. Sie begleitete ihre Reden mit weichen, schönen Bewegungen. Ein -kleines, ahnungsloses Kindchen beschäftigte sich gleichzeitig an ihrer -linken Brust. - -Plötzlich wandten sich alle um: Auf einer Bettstelle wurde der Tote -angebracht. Man hatte ihn im Flusse treibend gefunden. - -Der Schuß war unterm Schlüsselbein durch die rechte Schulter gegangen, -Krokodile hatten schon eine Hand abgefressen. - -Als alle Zeugen geredet hatten, entließ ich die Versammlung. - -Das ganze Ereignis sah jetzt so aus: Die beiden Askari waren an den -Fluß gekommen und wollten nach einer Insel hinüber. Sie sahen einen -Mann im Boote und riefen, er solle das Boot herbringen; der hörte nicht. - -Da schoß der Askari Manika, um ihn aufmerksam zu machen, und traf -unglücklicherweise. - -Der Mann fiel über Bord und wurde nicht mehr gesehen. - -Die Askari kehrten nach einer Weile um. Leute hatten gesehen, was -geschehen war. - -Der Dibagila folgte den Askari. - -Da bekam der Askari Manika Angst vor Strafe und schoß sich selbst ins -Bein. - -Der andere schoß, um die Verwirrung noch größer zu machen; sie hatten -also einfach Krieg gespielt! -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --- -- -- -- -- -- - - - [38] barua = Brief. - - [39] Ein aus Kaffernkorn gebrautes, berauschendes Getränk. - - [40] „_Bana kubwa_“ wird unterwürfig eigentlich nur der genannt, - der etwas zu sagen hat, und den die Weihe des Amtes über - andere Europäer erhebt. Da sich aber die Boys unter sich jetzt - schon gegenseitig „_bana_“ (Herr) anreden, darf jeder weiße - Mann beanspruchen „_bana kubwa_“ (wörtl. hochangesehener Herr, - also „Exzellenz“) genannt zu werden, ohne daß man ihm den - Vorwurf machen müßte, er leide an Größenwahn. - - [41] Ich habe später noch zwei Riesenschlangen geschossen. - - [42] Ähnlich beruhigt sich der Neger über alle Maschinen, die er - nicht versteht, und die als fertige Einrichtung aus - Deutschland kommen, mit dem Wort „_kazi uleya_“: es ist - Europäerarbeit. Die wunderbarsten Instrumente; Grammophone, - Kaleidoskope können ihn wohl vergnügen, machen ihm aber kein - Kopfzerbrechen. Anders ist es mit Dingen, die er beurteilen zu - können glaubt; Körperkraft, Gewandtheit und Geschicklichkeit - bewundert er auch beim Europäer. - - Auch dafür erlebte ich Beispiele: Am Paregebirge zeigten mir - meine Träger einmal einen Mann, der auf den Händen lief. Als - der Mann sich eine Weile produziert hatte, sagten sie, „das - können die Europäer nicht“. Darauf zeigte ich ihnen, daß ich - es besser konnte als der Mann, und nun sprachen sie tagelang - von nichts anderem. Ebenso bewunderten sie mich, wenn ich über - einen breiten Graben sprang oder im Wasser mit ausgestrecktem - Körper auf dem Rücken schwamm, was ihnen ganz unerklärlich war. - - [43] Wie stark die Einbildung auch bei den Negern den Geschmack - beeinflußt, zeigt folgendes Beispiel: - - Ich gab einmal Negern Schokolade zu essen, was sie nicht - kannten. Es schmeckte ihnen sehr gut. Einer fragte: „Was ist - das, was wir gegessen haben?“ - - „Schweineblut mit Zucker,“ antwortete ich zum Scherz. Entsetzt - wandten sie sich ab. Nachher kamen sie zurück und fragten, ob - das wahr sei; einigen sei so übel geworden, daß sie es wieder - von sich gegeben hätten. - - Als ich ihnen versicherte, ich hätte ihnen nur zeigen wollen, - wie töricht sie manchmal seien, sagten sie: „Du wolltest uns - also nur Ekel machen“ und einer setzte grinsend hinzu, er - freue sich, daß er die Schokolade noch im Bauche habe. - - Übrigens wird im Haushalt der Europäer gern gesehen, daß sich - diese Neger von bestimmten Speisen und Getränken fernhalten. - Sie verschmähen Alkohol -- ganz im Gegensatz zu dem Neger der - Westküste, der guter Abnehmer schlechter Spirituosen ist -- - bleiben selbst als Köche und Diener der Messen und Restaurants - bei ihrem Reis mit Zukost und nehmen nichts von den Speisen - der Europäer. Allenfalls naschen sie von der Butter, die sie - sehr lieben, und dagegen schützen sich die findigen Hausfrauen - in Daressalam, indem sie vor den Augen der Boys einen Löffel - Schweineschmalz in jede neugeöffnete Butterdose hineintun. - Wer neu nach Ostafrika kommt und auf Märschen gerne und - reichlich ißt, weil sein Appetit gut angeregt wird, wundert - sich wohl, daß die Neger den vielen Mahlzeiten zusehen können - und selbst nur einmal am Tage essen; die Erklärung dafür - geben die Schwarzen selber sehr nett, indem sie dem Europäer - schmeichelnd sagen: „Du mußt auch mehr denken und hast mehr - Kräfte als wir, deshalb brauchst du andere Nahrung.“ - - [44] Vgl. Dominik: Kamerun. - - [45] Vgl. Deutsch-Ostafrikanische Zeitung Juni 1907. - - - - -Ein Streifzug. - - -Der Aufstand schien in dem Gebiet, in dem ich zu tun hatte, zu Ende -zu sein. Tausende von Eingeborenen hatten sich unterworfen, hatten -Kriegssteuer gezahlt und Waffen abgegeben und bauten jetzt friedlich -ihren Acker. Nur in ganz entfernten Tälern, wohin noch kein Askari -gekommen war, spielten die Schenzi noch hartnäckig Krieg. - -Wie Kinder; wenigstens hörten sich die Schilderungen von Kundschaftern -so an. Eine alte Frau, die aus der Gefangenschaft der Schenzi entlaufen -war, erzählte, die Krieger hätten sich aus Antilopen- und Zebrafell -Schilde gemacht und hätten, da die alten nichts taugten, zu neuen -Göttern gebetet. Menschenopfer, unerhört seien gefallen, und im frommen -Kreise habe man das Blut einer alten Frau getrunken. Auch sie habe man -schlachten wollen, deshalb sei sie davongelaufen und habe fünf Tage -lang nur Schlamm gegessen, um sich zu ernähren; denn sie habe auf dem -Marsche alle Menschen meiden müssen.[46] - -Immer öfter regnete es in dieser Zeit. Bald war die große Regenzeit -zu erwarten, von der die Neger sagten, sie verändere das Land so, daß -das Reisen noch mal so schwer sei wie jetzt; ich hielt es deshalb für -gut, noch vorher einige Streifzüge in das Land zu machen und lieh den -Kundschaftern willig mein Ohr. - -Eines Tages saßen wir in dem neuen, fertigen Hause und sahen dem Regen -zu, der von dem Palmblattdach niederströmte, als der wachhabende -Ombascha vom Pallisadentor her einen bärtigen, alten Neger anbrachte, -der einen abgetragenen, völlig durchnäßten Gehrock anhatte. - -Schlimme Nachrichten brachte der alte Mann: Weit oben am Rufiyi, hinter -den Panganischnellen, seien sehr böse Schenzi (_wakali sana_), -die von Tag zu Tag wilder würden. Der Zauberer Hongo sei bei ihnen und -mache sie unverletzlich; er gebe ihnen Mittel gegen die Geschosse der -Askari. - -Der breitnasige Alte wollte uns den Weg zeigen. - -Am nächsten Morgen marschierte ich ab. - -In den ersten Tagen ging es immer an den Fluß entlang; durch Ebenen mit -hohem Gras und Mangobäumen, Schamben und Dörfern am Wasser. - -Weit im Norden tauchte ein Gebirge mit schroffen Höhen auf: die -Uluguruberge. - -In verlassenen Dörfern traf ich mehrmals Wasserböcke, denen das Kraut, -das auf dem Ackerboden wuchs, besonders zu schmecken schien. - -Während in allen friedlichen, mir unterworfenen Dörfern auf einer aus -Untermast und Stenge zusammengesetzten Stange ein weißes Tuch wehte, -war in den Dörfern, deren Bewohner sich einmütig zum Feinde erklärten, -mitten auf dem Platz vor dem Hause des Jumben ein Topf so eingegraben, -daß der obere Rand mit dem Erdboden abschnitt. - -Tagelang sahen wir keinen Menschen; um so mehr Wild: außer Flußpferden -und Krokodilen auch Wasserböcke und ganze Herden von Swallahantilopen. - -Wir kamen an Berge, die der Rufiyi in tiefem Bett durchbrochen hat, -verließen jetzt das Ufer des Stromes und stiegen in wunderschöner, -wilder Landschaft zwischen Felsen empor. - -Ich schoß eine Kuhantilope, die sich ein Horn abgestoßen hatte; eine -Hornplatte bedeckte die Bruchstelle über dem Knochen. (Abbildung Seite -180.) - -Der Führer brachte uns zu einem Dorfe an einem Abhang, der sich wieder -zum Rufiyi senkte. Unten lagen die Felder der Eingeborenen. Der Fluß -strömte über viele Steine und sein Bett verengte sich mehr und mehr. -Wir hatten die Schnellen umgangen. - -[Illustration: Die Panganischnellen des Rufiyi. Der Strom durchbricht -hier, um die Ebene zu erreichen, einen steinigen Höhenzug. Wie -ein großes Trümmerfeld, von Steinen bedeckt, lag das Bett in -der Trockenzeit da; in der Mitte tobte das Wasser in einer tief -eingegrabenen, zwanzig Meter breiten Rinne.] - -[Sidenote: An den Stromschnellen des Rufiyi.] - -In den Abendstunden ging ich zu den Stromschnellen, die auf mich den -Eindruck eines Naturwunders machten, weil ich so sehr an den breiten -Strom gewöhnt war, wie er zwischen flachem Schwemmland träge dahinfloß. -Hier waren seine Wassermassen wie von einer gewaltigen Hand in ein -enges Bett gepreßt und tobten schäumend gegen die blank polierten -Steine. - -Ich stellte mich auf eine Steinplatte, die über das tosende Wasser -hinüberreichte und photographierte. - -Was wäre Menschenkraft in dem Strudel dort unter mir, in der wilden -Bewegung! - -Ich merkte, daß ich in einer furchtbaren Gefahr geschwebt hatte: ich -hatte, als ich durch das Diopter meiner Kamera sah, das Bestreben -gehabt, etwas zurückzutreten, um einen schönen großen Stein, der vor -mir lag, mit auf das Bild zu bekommen. Zum Glück vergaß ich nicht ganz, -wo ich stand, und sah mich noch einmal um: nur eines Fußes Breite hätte -ich zurückzutreten brauchen um abzustürzen! - -Wie leicht kann man sich im Eifer vergessen! - -Das war ein Augenblick, an den ich immer wieder denken muß. - -(Der Seemann wird überhaupt das Gefühl nicht los, daß die Bergsteigerei -„unseemännisch“ sei. Da sind keine sicheren Wanten, kein Pferd und kein -Jackstag! Die Steine wackeln und die Grasbüschel reißen aus, wenn man -sich daran festhalten will!) - -Einige Tage später kamen wir an eine Stelle, wo der Weg den Fluß wieder -verließ und sich nach einer anderen Richtung wandte. Die Führer sagten, -wir hätten einen weiten, wasserlosen Wald vor uns. Deshalb versteckte -ich alle entbehrlichen Lasten im Busch und gab den freigewordenen -Trägern Wasser zu tragen. - -Dann folgten wir dem Wege in den Wald hinein. - -Unsere Führer schienen recht mutig zu sein. Da war der breitnasige -Alte, in seinem grauen Gehrock, und ein anderer junger Neger, dessen -Eltern die Aufständigen entführt hatten. Wut schien sie zu beseelen. -Sie zeigten von selbst eine gewisse Vorsicht und taten überlegen, -als ich ihnen sagte, wir müßten betretene Wege meiden, ein einziger -Schenzi, der zufällig durch den Wald streifte, könnte unsern Plan -vereiteln. Auch vermieden sie, bei Tage über Blößen zu gehen, die von -andern Abhängen aus sichtbar waren. - -Die weiße Farbe meines Maskatesels beunruhigte mich; am liebsten -hätte ich ihn mit nassem Lehm eingerieben oder in dichtem Busch -zurückgelassen. - -Als der Wald lichter wurde, machten wir halt. Alle legten sich hin; die -Reittiere grasten hinter einem kleinen Hügel. Bei jedem Tier hockte -ein Neger und haute ihm mit Zweigen über den Kopf, sowie es anfangen -wollte, zu wiehern. - -Es ist zu verräterisch, dies Wiehern! Und ist der Esel erst einmal -dabei, dann dauert es eine halbe Minute lang. Meist sprang das halbe -Lager auf, wenn ein Esel nur den ersten, gepreßten Atemzug tat, der das -Konzert jedesmal einleitet. - -Impallahantilopen kamen äsend auf uns zu. - -Als es dunkel wurde, gingen wir weiter und erreichten eine Höhe, auf -der das Zelt leise aufgeschlagen wurde. - -[Sidenote: Auf Kundschaft in der Nacht.] - -Ich ging am Abend um acht Uhr mit dem Akiden, dem Betschausch und -zwei Führern Patrouille. Es war sehr hell; der Halbmond schien, und -Monduntergang war erst um Mitternacht zu erwarten. - -An einem sandigen Fluß machten wir halt. Die Führer legten sich auf die -Erde und horchten; sie behaupteten, Menschen zu hören. Auch ich vernahm -in der Ferne ein Stimmengewirr. - -Plötzlich erhob sich auch dicht vor uns, unterhalb des Flußbettes, -lauter, harmloser Gesang, und es schien ratsam, nicht weiter -vorzugehen, um nicht bemerkt zu werden. - -Wir gingen vorsichtig zurück und um zwölf Uhr nach Monduntergang zum -zweiten Male in die Richtung auf das Dorf. Nun gelang es mir, die Lage -der einzelnen Hütten festzustellen. - -Es herrschte tiefe Stille. Einige Wachtfeuer brannten. - -Befriedigt über das Resultat meiner Erkundung kehrte ich um und -erklärte dem Unteroffizier meinen Plan: Ich wollte eine halbe Stunde -vor Sonnenaufgang in die Nähe des Dorfes gehen. Bis dahin wollten wir -schlafen; doch schon um drei Uhr wachte ich auf, weil ein heftiger -Regen auf das Zelttuch niederprasselte und mir kam der Gedanke, den -Regen zu benutzen, um unbemerkt an das feindliche Lager hinanzugehen. -Schnell ließ ich antreten. - -Unter der Wolke wurde der Himmel wieder hell; der Regen konnte nicht -mehr lange anhalten; doch prasselte er so laut auf die Blätter nieder, -daß wir ungehört bis in die Nähe des Dorfes laufen konnten. - -Den Betschausch schickte ich mit fünf Askari nach einigen Häusern, die -abseits im Busch lagen. Fünf andere Askari beauftragte ich, sich an -dem Wege, den die fliehenden Feinde voraussichtlich nehmen müßten, zu -verstecken. Ich selbst ging mit Unteroffizier Lauer und zwölf Askari -unmittelbar auf das Hauptlager los. Außer den Askari hatte ich zehn -Träger, besonders flinke Kerle, mit; die sollten Gefangene machen. -- -Die Askari können in ihrer Ausrüstung nicht schnell genug laufen. -- - -Dicht vor den Häusern machten wir halt und legten uns auf dem Wege -nieder. - -Kurz danach hörte der Regen auf. - -Vorsichtig ließ ich die einzelnen Askari im Busch an das Lager -hinankriechen und befahl jedem einzelnen, sich ein günstiges Ziel zu -suchen und den ersten Schuß abzuwarten. Wenn jeder geschossen hätte, -sollten alle vorstürzen und mitten in das Lager hinein, so daß keiner -der Schenzi Zeit habe, sein Gewehr zu spannen. - -Plötzlich stieß mich Lauer an und zeigte nach hinten. Ungefähr hundert -Schritt hinter uns brannte ein Lagerfeuer auf, an dem drei Gestalten -saßen! Nur der laute Regen hatte es möglich gemacht, daß wir unbemerkt -zwischen die Posten und das Lager kamen. - -Mir wollte es anfangs nicht in den Sinn, daß die Männer, die dort in so -greifbarer Nähe hockten, uns nicht gesehen haben sollten; aber diese -Wächter hätten selbst Geräusch von unserer Seite nicht beachtet und -geglaubt, es käme von ihren eigenen Leuten. - -Allmählich wurde es heller; Männer kamen aus den Hütten; andere erhoben -sich von Bettstellen, die im Freien um Holzfeuer herum standen. Ich -konnte genau sehen, wie sie ihre Gewehre abwischten und mit ihren -Pfeilen und einer Bierflasche hantierten.[47] Sie unterhielten sich -laut. - -Lauer, zwei Askari und ich lagen auf dem offenen Wege; als es immer -heller wurde und wir uns nicht rühren durften, war das Licht wie ein -Verräter; ich hatte das Gefühl, als zeigte jemand auf uns: „Da, da sind -sie!“ Und die Spannung wuchs von Minute zu Minute. - -Die Männer, die hinter uns am Feuer gesessen hatten, waren plötzlich -verschwunden; wir wußten nicht, wo sie geblieben waren. Das Feuer -brannte noch hell und ein langer Stock stand an dem Baume. - -Ein Mann verließ das Dorf und ging in die Schamba; aber nicht auf -unserm Wege. - -[Sidenote: Überfall beim Morgengrauen.] - -Endlich knatterte es in der Ferne; die Neger wurden unruhig, sprangen -auf und drängten aus den Hütten heraus. - -Schnell erhob ich mich und erschoß einen langen Neger, der mir am -nächsten stand. Alle Askari waren aufgesprungen und schossen; dann -stürmten wir aus den Büschen hinaus, in das Lager hinein. - -Die Bilder, Eindrücke, kurzen Überlegungen wechselten in den nächsten -Minuten so schnell, daß ich sie nicht festhalten konnte und noch -weniger beschreiben kann. - -Die Aufständigen drückten ihre Flinten ab und flohen so schnell sie -konnten. - -Lauer lief nach links; mir folgten drei oder vier Askari. - -Im Laufen kann man nicht schießen; auch nicht auf kurze Entfernung. Ich -muß stehen bleiben und schieße. Dann wieder wild drauflos! - -Mein Boy Hassani ist dicht hinter mir und hält mir nach jedem Schuß -einen neuen Ladestreifen mit fünf Patronen unter die Nase: „_Bana, -bana!_“ (Er glaubt, ich hätte verschossen.) - -Links von mir läuft ein Neger, deutet auf seinen Fuß und ruft: -„_Nimekwisha kupigwa._“[48] -- Entsetzlich! -- dann stürzt er, -durch die Brust geschossen, vornüber und schlägt mit den Armen um sich. - -Hinter dem Dorf lag ein weites, abgeerntetes Mohogofeld. Darin liefen -die mit Gewehren Bewaffneten und zeigten uns nur den Rücken. Andere, -die große Bogen, Köcher und Pfeile trugen, blieben schon hinter den -Häusern in niedrigem Gebüsch und hinter bewachsenen Erdhügeln stehen. -Giftpfeile schwirrten. - -Bald wurde dem Gefecht ein Ende gemacht durch die Dreistigkeit -meiner Träger, die hinter den Fliehenden herliefen und mit dem -_rungu_[49] auf jeden einschlugen, der sich nicht gefangen geben -wollte. - -Obwohl ich die Träger rote Mützen hatte aufsetzen lassen, um sie -von den Aufständigen zu unterscheiden, fürchtete man jetzt, in dem -Durcheinander eigene Leute anzuschießen. Deshalb kehrte ich zum Dorfe -zurück, wohin alle Gefangenen gebracht wurden. - -Im Dorfe lagen die Leichen der Gefallenen. - -Es war nicht schön, daß wir jetzt das Dorf plündern mußten; ich wäre -gern weggegangen und hätte in meinem Zelte, fern von dem wüsten Bilde -von Tod und Zerstörung, ausgeruht und gefrühstückt. - -Aber wir mußten die Hütten in Brand stecken und dazu war es doch gut, -daß sich meine hungrigen Leute, die ich auf den Raub vertröstet hatte, -vorher herausholten, was sie an Lebensmitteln finden konnten. Hühner- -und Taubeneier wurden angebracht. Töpfe mit Pombe; Mehl, Mais und Reis. -Bald waren auch die Askariboys zur Stelle, und nun begann ein Plündern, -an dem man die Rohheit dieser Menschen kennen lernen konnte. - -Lauer und ich achteten darauf, daß wenigstens die Leichen nicht -verstümmelt wurden; ich ließ sie aus den Häusern hinaustragen, bevor -Feuer angelegt wurde. - -Mehr konnten wir nicht tun. Schonung der Tiere zu fordern oder auch nur -Anstoß zu nehmen an Rohheiten, wäre unnütz gewesen. - -Die Hühner und Tauben waren von den Häusern nicht wegzutreiben, so sehr -waren sie „domestiziert“. - -Die Neger verfolgten sie; griffen sie. Die Tiere flüchteten unter die -Dächer oder flogen auf den Dachfirst; die Verfolger warfen mit Stöcken -oder Steinen nach ihnen und ließen sie ruhig weiter leben, wenn Glieder -gebrochen waren. - -„_Chakula tu_,“ „es ist ja nur etwas zu fressen,“ war die Antwort, -wenn man schalt. - -Als die Hütten schon brannten, lief ein Hund, den die Askari gefangen -hatten, wieder in eine Hütte zurück, heulte kläglich und verbrannte. - -(Die knechtische Abhängigkeit von dem Herrn, das blinde Vertrauen zu -dem Ernährer, das die Selbständigkeit tötet, muß in allen Geschöpfen -außerordentlich leicht zu entwickeln sein. Es ist auch im Sklaven -wieder zu finden, ist unwürdig und darf doch nur vorsichtig angetastet -werden, wo es einmal besteht, weil es Voraussetzung eines besonderen -Lebens geworden ist.) - -[Sidenote: Wie der Schenzi lebt.] - -Ich war hier zum erstenmal in einem Orte, an dem die Neger alles -zurückgelassen hatten, was sie in Frieden und Krieg gebrauchen. - -Da standen die Hütten mit allem Hausgerät; die Hühnerställe, der -Taubenschlag und die Vorratshäuschen mit Matamakorn. Hacken, Beile und -Drillbohrer wurden aus den Hütten gebracht. So konnte ich mir denn ein -Bild von dem Leben des Buschnegers machen. - -Vom Händler kauft er nur Tücher, Salz, Waschblau, Seife und Nähnadeln. -Alles andere macht er sich selbst, und hat deshalb auch immer etwas zu -tun; er ist gar nicht so faul, wie wir ihn uns denken. - -Die Feldarbeit ist seine Hauptbeschäftigung; er baut Matamakorn, -Bergreis, Mais, Mohogo und Kürbisse. Er wohnt mitten in seinem Felde -und beschäftigt sich immer etwas damit; ob er nun Unkraut aushackt, -Schädlinge fernhält oder neues Land vorbereitet. Die Zeit der Ernte -kann ihm nicht entgehen, denn er kennt jede Staude auf seinem Felde; er -lebt mit den Pflanzen, wie der Viehzüchter mit seinem Vieh. - -Zur täglichen Arbeit gehören Wasser- und Brennholzholen und -Essenkochen; am Hausgerät und am Hause selbst ist immer etwas -schadhaft. Da müssen neue Töpfe geformt werden, weil die alten -zerbrechen; der große Holzmörser, in dem das Getreide zerstampft -wird, die Holzteller, Löffel, Bettstellen, Hackenstiele fordern eine -geduldige Schnitzarbeit, und der Neger streift tagelang im Wald umher, -um passendes Holz zu finden. Da er nämlich vom Tischlerhandwerk nicht -viel versteht, die Anwendung von Leim nicht kennt[50] und ungern mit -Zapfen und Nute arbeitet, holt er sich am besten alles fertig aus dem -Wald oder schnitzt es aus einem einzigen Stück. So entstehen denn die -plumpen, törichten Stühle und Bänke, die großen Trommeln und Mörser -und auch die riesigen Boote, mit dem „_cheso_“ (einem scharfen -Beil mit quergestellter Schneide) ausgehöhlte Bäume; die Pfeiler, -Türpfosten, Dachsparren aber liefert der Wald fertig in jeder Größe, -und das Geschick des fleißigen Bautischlers besteht nur darin, den -Pfosten so auszuwählen, daß die Gabelung an der rechten Stelle sitzt. - -Gebaut wird immerzu, und wenn Haus, Taubenschlag und Vorratshäuschen -fertig sind; wenn der Hof eingezäunt ist, kommen kleine Geisterhüttchen -für die Toten an die Reihe. - -Außer dem Hausgerät fertigt der Neger an: Pfeile, Bogen und Köcher; -Fischreusen; Stellnetze zum Absperren der abfließenden Regenbäche und -Flechtwerk zu allen möglichen Zwecken: Stricke, Matten, Körbe und -Säcke aus Blattrippen kleiner Fächerpalmen; Wildnetze und Tauwerk aus -gebleichten Baumfasern. - -Alles dies ist nicht für die Dauer, und das Leben des Schenzi ist ein -ununterbrochener Kampf mit Überschwemmung, Dürre, Wildschaden und -Fäulnis; mit Ratten, Käfern und weißen Ameisen (die ihm über dem Kopf -das Dach seiner Hütte zu feinstem Sägemehl zerkleinern, wenn er das -ewige Feuer ausgehen läßt). - -Aber mit diesem Kampf und der Sorge erkauft er sich etwas, was die -Weisen aller Zeiten ein großes Gut genannt haben: die Einsamkeit, -Selbständigkeit und Freiheit. - -Nicht, daß er ganz ungesellig wäre: nein, abends im Dorfe wird die -Trommel gerührt, Pombe getrunken, geraucht und getanzt. - - „Kurz abgesehen vom Steuerzahlen - Läßt sich dies Glück nicht schöner malen, - Worauf denn auch der Satz beruht: - Wer einsam lebt, der hat es gut.“ - -Steuer zahlen: Ich kann mir vorstellen, daß diese Neger nicht einsehen -wollten, weshalb sie Pombesteuer zahlen sollten, wenn sie ihr -Matamakorn gären ließen, um es als Bier zu trinken. Was merkten die -von der Macht des Europäers? Alle Jahr einmal kam der Akide und rief: -„_Heia!_ bringt Geld her, zahlt eure Hüttensteuer.“ - -Und weshalb sollten sie kein Wild mehr mit Netzen fangen? - -Es ist nicht schwer, zu verstehen, daß diese Leute sich dem Aufstand -gerne anschlossen und man braucht nicht nach ~Schuld~ zu fragen, -wenn man die Ursachen des Aufstandes sucht. - -Ein Askari war schwer verwundet; er hatte einen Schuß in die Brust -bekommen und die Kugel war noch drin. - -Sanitätsunteroffizier Lauer verband ihn. Es war wenig Hoffnung; aber -Lauer sagte, daß es gut werden könne, wenn der Mann mit dem sauberen -Verbande schnell nach Mohorro gebracht würde, wo er gute Behandlung -habe. - -Deshalb sandte ich den Betschausch und zehn Askari sofort nach Mtanza, -mit dem Auftrage, den Verwundeten so schnell als möglich in einem Boote -zur Küste zu schicken. - -Die Boma in Mtanza mußte schleunigst wieder besetzt werden; denn ich -fürchtete, daß die Aufständigen meine Abwesenheit benutzten, um einen -Einfall in die friedlichen Gebiete am Rufiyi zu machen. - -Ich hatte nur noch Unteroffizier Lauer und zehn Askari bei mir und -schleppte vierundzwanzig Gefangene mit, darunter neunzehn Weiber, die -nicht schnell gehen konnten. - -[Sidenote: Die Gefangenen befreit.] - -In der folgenden Nacht lagerte ich, um nicht bemerkt zu werden, ohne -Feuer im Busch. Am Morgen erwachte ich, als ein Askari in mein Zelt -kam und meldete, die Gefangenen seien weg und alle Askari hinter ihnen -her. Erschrocken und entrüstet ging ich aus dem Zelt und fand erst -keine Erklärung für das Verhalten der Askari und dafür, daß weder Lauer -noch ich etwas gehört hatten. Wir setzten uns auf die Kochkiste und -warteten, bis es hell wurde und die Askari einzeln wieder ankamen. - -Gegen drei Uhr am Morgen hatte der Posten gesehen, daß die Gefangenen, -die gebunden neben unserm Zelt lagen, davonliefen. Er hatte schnell -die Askari geweckt und die waren sofort aufgesprungen und hinterdrein -gelaufen. Nur ein alter Sudanese, der schlecht laufen konnte, blieb und -weckte uns, als die Askari schon außer Rufweite waren. - -Auf wen sollte ich böse sein? - -Schließlich waren wir zufrieden, daß man uns nicht meuchlings ermordet -hatte. - -Die Gefangenen waren doch alle gebunden gewesen; und jetzt lagen -die Fesseln zerschnitten da! Es mußte also wohl jemand im Busch -herangekrochen sein, sich zwischen die Gefesselten gelegt und ein -Messer von Hand zu Hand gegeben haben! - -Natürlich machte ich mir Vorwürfe, daß ich im Busch gelagert hatte, -anstatt einen freien Platz zu suchen; aber auch das hätte seine -Nachteile gehabt! - -Kurz, die Lehre, die man daraus ziehen kann, war: geht’s gut, dann war -alles recht, und auf jede Überlegung, die man vorher machte, ist man -stolz; geht’s schief, dann kommen Vorwürfe. - -Und war nicht die Hälfte von alledem was ich getan hatte im Vertrauen -auf Glück unternommen? - -Als die Askari alle wieder zur Stelle waren und der drollige Askari -Nyati[51] als letzter mit finsterem Ernst einen ängstlichen Pogoro -anbrachte, mußten wir sogar herzlich lachen; denn der Askari hielt -seinem Gefangenen eine Strafpredigt, wobei er alle Stimmregister, die -auf einem Kasernenhof gehört werden, der Reihe nach zog. Er machte -dabei ein ungemein überlegenes Gesicht und kaute nachlässig an einem -Grashalm, während er den Unglücklichen fixierte, der kein Wort davon -verstand. - -Der Schluß der Predigt war das mit geschlossenen Zähnen, wie in -Erbitterung gesprochene Wort: „Schuain“.[52] - - * * * * * - -[Sidenote: Tierleben an den Schnellen.] - -Zwei Tage später näherten wir uns wieder den Bergen von Kibambawe. - -Oft blieb ich stehen und sah voll Genuß auf das Landschaftsbild. Sanft -fiel hier das steinige, offene Gelände zu dem Rufiyi ab. Jenseits des -Stromes zog sich der Buschwald bis zu den Bergen in weiter Ferne. Der -wilde Strom rauschte dort unten über Steine und schlängelte sich wie -ein bleifarbenes Band in die Berge hinein, die er durchbrochen hat, um -der Tiefebene und dem Ozean zuzueilen. - -Zwischen den Bäumchen erschien eine Herde Hundsaffen; Paviane, die mit -ängstlichen, und doch unverschämten Blicken nach uns herüberäugten. - -Ich ließ mir die Büchse eines Askari geben und schoß einen der -verhaßten Feinde der Landwirtschaft. - -Darauf wurden die kleinen der Herde flüchtig; die größeren zogen sich -nur langsam unter lautem Gezeter zurück. - -[Illustration: Flußlandschaft am oberen Rufiyi. Ein schlanker, -kräftiger Neger stand vorne in dem Einbaum und stieß das Boot mit dem -Upondo, einer dünnen Stange vorwärts. Er hob den Upondo nicht nach -jedem Stoß aus dem Wasser (wie ich es bisher überall gesehen habe), -sondern dreht ihn jedesmal um. Überhaupt schienen mir die Neger hier -oben flinker und geschickter zu sein.] - -Ich ging vom Wege ab und traf in hügeligem und bewaldeten Terrain ein -Rudel Swallahantilopen; sie standen malerisch an einem Abhang zwischen -hohen Steinen. - -Ich sah einen starken, roten Bock mit langen Hörnern dabei und schoß -ihn; er machte einige Fluchten und brach zusammen. Zwei Träger trugen -ihn zum Lager. - -Das Rudel war im Umsehen zwischen den Felsblöcken verschwunden. - -Ich folgte dorthin und stieg, durch Klippen gedeckt, auf eine Höhe. - -Unter mir lag eine kleine, grüne Wiese zwischen Steinabhängen; darin -standen auf höchstens fünfzig Schritt etwa zwölf rote, blanke Böcke mit -stolzen Gehörnen. - -Gefesselt von diesem Anblick ließ ich mich von dem Rudel von einem Tal -in das andere führen und sah plötzlich den Fluß mit breiten, steinigen -Ufern unter mir. - -Auf den tongrauen, glänzenden Steinplatten standen Impallahantilopen; -zwischen ihnen gingen Paviane einher; es war ein seltsames Bild, dies -Zusammenleben zweier so verschiedener Tierarten.[53] - -Am jenseitigen, steilen Ufer hinauf flüchtete ein Rudel Wasserböcke in -weiten, kräftigen Sprüngen. - -Der Fluß durchströmte jetzt in der Trockenzeit ein tiefes, -tunnelartiges Bett in der Mitte des gewaltigen Steintals. - -Eine große Flußpferdherde ruhte unbeweglich in dem Wasser und die -Rücken der Tiere sahen aus, wie die Steine in ihrer Umgebung. - - * * * * * - -Drei Tage später kam ich in Mtanza an. Die Aufständigen hatten meine -Abwesenheit benutzt und waren auf eine Insel eingefallen, hatten -geplündert und Weiber geraubt. Zu gleicher Zeit war Bezirksamtmann Graß -von Mohorro aufgebrochen; ich traf ihn in Mayenge und wir machten einen -Zug in den westlichen Teil der Kitschiberge. - -Da unsere vertrauenswürdigen Kundschafter, die wir vorausgeschickt -hatten, es diesmal mit ihren Landsleuten gut meinten, sahen wir nur -verlassene Dörfer. - -[Illustration: Ein alter Hundsaffe mit starker Mähne; ein Auge und fast -alle Zähne fehlten ihm.] - - - [46] Ist das lang auf Deutsch zu schreiben! Anders auf Kisuaheli: - man spricht ein paar Stichworte, sieht sich an und versteht - sich. Viel neues gibt es ja auch nicht zu sagen; jeder kennt - die Gegend, das Leben und was einem alles passieren kann. (Der - Mpogoro redet überhaupt nichts und kommt doch durch.) - - [47] Wahrscheinlich gossen sie frisches Gift auf die Pfeilspitzen; - wir fanden die Flasche nach dem Gefecht; es war braune - Flüssigkeit darin. - - [48] Ich bin schon getroffen! - - [49] _Rungu_ = eine kleine Holzkeule, die manche Träger als Waffe - mit sich führen. - - [50] Vogelleim kennt er natürlich; ich fand hier im Dorfe einen - Topf voll! - - [51] „Büffel.“ - - [52] „Schwein.“ - - [53] Tiermaler Wilhelm Kuhnert hat dasselbe an derselben Stelle - beobachtet und reizende Skizzen davon mitgebracht. - - - - -[Illustration: Am Ufer des Rufiyi.] - - -Rückkehr zur Küste. - - -Eines Tages kam ich mit einer müden Truppe nach Mtanza zurück und sagte -zu Lauer: „Ich komme so früh, weil ich mit Ihnen den heiligen Abend -feiern will.“ - -„Ich habe gestern schon gefeiert“, antwortete Lauer. Und er hatte recht -getan; ich hatte mich verspätet. - -Aber wir feierten noch einmal: Eine Flasche Rotwein, ein Topf heißen -Wassers und einige Sansibarnelken. Dazu mehrere Löffel Zucker. - -Weihnachten war es trotzdem nicht. - -Man kann übrigens das Datum leicht vergessen, wenn man im Busch -lebt und ein paarmal nicht Tagebuch schreibt. Bald marschiert man -morgens, bald abends oder gar in der Nacht. Das Zelt steht an -vielen verschiedenen Plätzen, und das zurückrechnende Hirn kann die -zugehörigen Tage nicht mehr finden. - -Oft helfen die Boys oder Askari, oder der Bote, der ein Telegramm -bringt, wird gefragt, wieviel Tage er gegangen sei; wie oft er -geschlafen habe? - -Mich hat es nie sehr gekränkt, wenn ich den Irrtum merkte. Es ist ein -Zeichen großer Freiheit, wenn man das Datum vergessen darf ohne Schaden -davon zu haben. - -Wie würdig waren auch die Schenzi, die von der Stundenzahl des Tages -nichts wußten und die auf die Frage: - -„Wie lange geht man von hier bis Turuma?“ antworteten: „Wenn du jetzt -weggehst, bist du bei Sonnenuntergang da.“ - -Sie zeigten den Weg, den die Sonne zurücklegt, das war ihre Zeit. - -Oder sie sagten: „Wenn die Hähne krähen“, und in anderen Gegenden: -„Wenn der Tau die Gräser verläßt.“ - -Glückliches Volk! - -[Sidenote: Überschwemmung.] - -Es war jetzt die Zeit, wo sich die ersten großen Regengüsse des Innern -am Wasserstand des Stromes bemerkbar machten. - -Oft war die Wasserfläche mit unzähligen grünen Schwimmpflanzen bedeckt, -die sich in den Teichen gebildet hatten und jetzt hinweggespült wurden, -wenn sich das steigende Wasser von neuem in die alten Betten ergoß. Wir -fuhren in großen Einbäumen stromab und sahen, daß weiter unten eine -furchtbare Überschwemmung herrschte. Ganze Landstriche waren schon von -den Eingeborenen verlassen; durch die Hütten strömte das Wasser. - -Zufällig fanden wir noch eine kleine Insel, die noch nicht ganz -überschwemmt war, und konnten dort übernachten. - -Am nächsten Morgen fuhren wir weiter und trieben in schneller Fahrt an -einer Hütte vorbei, als unser Bootssteurer hinüberrief: „Vater, bist du -noch da?“ - -Und eine Stimme antwortete: „Ja“. - -Der Alte saß im Dachgebälk der Hütte, während das Wasser unten -hindurchströmte. - -Als wir fragten, weshalb er nicht auch fliehe, sagte unser Bootssteurer -nur: „_mzee_“, was heißen kann, „er ist sehr alt und kann deshalb -nicht mehr recht mit“, oder „es lohnt sich für ihn nicht mehr zu -fliehen, er ist ja doch nicht mehr viel wert.“ - -Auf den weiten Wasserflächen war von den Flußpferdherden nichts zu -merken. Die Tiere, die in der Trockenzeit auf kleine Teiche und auf den -nicht allzubreiten Fluß beschränkt sind, verteilten sich jetzt auf ein -großes Gebiet. - -Die Boma in Mayenge war rings von Wasser umgeben. Das Wasser hatte den -Befestigungsgraben so verbreitert, daß ein kleiner Fluß entstanden war, -in dem die Boys Wettspiele trieben. - -[Illustration: Im Anfang des Jahres 1906 war am Rufiyi eine -Überschwemmung, wie seit vielen Jahren keine beobachtet wurde; der -Mais, auf den die hungrigen Neger warteten, verfaulte auf den Feldern -und die Hütten stürzten ein.] - -Ich hatte das Vergnügen, in Mayenge mit acht indischen Händlern -abzurechnen, deren Getreide ich in ihren Läden hatte beschlagnahmen -lassen, um es der notleidenden Expedition des Hauptmanns v. Wangenheim -entgegenzuschicken. Manji Virji, Ganji Naranji, Emraji Damudal, -Kilanjee und andere appetitliche Gesellen kamen; nur einer fehlte; -gerade der, von dem behauptet wurde, daß er trotz dem Aufstand am -meisten Gummi aus den Bergen einhandelte und den Aufständigen dafür -gab, was sie brauchten, um den Krieg fortzusetzen. - -Ich kann aus dieser für mich und die beiden Unteroffiziere ungemein -anstrengenden, schweren Zeit, in der wir abwechselnd an Dysenterie und -Fieber litten, erzählen, wie empörend für mich das Bewußtsein war, daß -die Inder aus allem, was wir taten, ihren Vorteil zogen. Nahmen wir den -Aufständigen ihre Nahrung weg, um sie zur Unterwerfung zu zwingen, dann -bekam der Inder den wertvollen Gummi um so billiger -- für ein kleines -Quantum Matamakorn. Der Verdacht lag außerdem immer nahe, daß diese -Händler mit Pulver und Zündhütchen einen einträglichen Handel trieben. - -Ich fragte mich in dieser Zeit wiederholt, für wen wir eigentlich -das Land haben, für wen wir die Opfer an Leben, Gesundheit und Geld -bringen? Es schien mir so, als ob es für diese farbigen Händler sei, -die mit treuherzigen Mienen dem Bezirksamt noch meldeten, wieviel -Tausende sie durch den Aufstand verloren hätten. (Wahrscheinlich, um -betrügerisch Bankerott zu machen und mit dem vielfachen Gewinn in ein -anderes Gebiet zu verschwinden, wo sie dann wieder als arme Schlucker -auftreten.) - -Waren wir nicht an allen Ecken und Enden die Betrogenen? Beinahe das -Werkzeug der Inder? - -Macht uns denn Liebe blind gegen diese Leute? Und haben wir keine -Ahnung davon, wie weit und wie reich an Schlupfwinkeln das Gebiet ist, -in dem sich der Geschäftssinn eines unanständigen, gewissenlosen, -vaterlandslosen Händlers bewegt? - -Ich wünsche anderen, daß sie die Schmach nicht erleben, die ich -empfand, als ich mich bei meiner monatelangen Tätigkeit betrogen -glaubte. - -Mein Ärger entlud sich auf den widerspenstigen Inder. Der Unteroffizier -sagte mir rechtzeitig, daß dieser selbe Inder den Bezirksamtmann einmal -gereizt und eine Ohrfeige dafür bekommen habe. Darauf habe sich der -Inder beim Gouvernement beschwert und der Bezirksamtmann habe eine -ziemlich hohe Geldstrafe zahlen müssen. Ich nahm mir deshalb vor, dem -Inder diese Genugtuung nicht zu gönnen. - -Als der Mann mit Gewalt geholt worden war, benahm er sich so -herausfordernd, daß ich ihn durch die Askari aus dem Lager -hinausbefördern ließ und ihm riet, in vierundzwanzig Stunden aus der -Gegend zu verschwinden, weil ich ihn für einen gefährlichen Schmuggler -hielte. - -[Illustration: Den Graben, der um das Lager herumgezogen war, hatte das -Wasser stark verbreitert; die Boys schwammen darin um die Wette.] - -[Sidenote: Marsch in der Regenzeit.] - -Von Mayenge aus wollte ich zu Fuß in die Berge, aber dicht hinter -der Boma mußten wir bereits übersetzen. Das nahm zwei Stunden in -Anspruch, da die meisten Neger nicht schwimmen konnten und wir nur ein -Boot hatten. Ich ließ die Träger vorangehen, bis das Wasser so tief -wurde, daß nur die Köpfe heraussahen. Ein drolliges Bild: Über dem -Wasserspiegel lauter Köpfe mit Lasten. - -Zuerst schickte ich zwei Askari und einen Teil der Gewehre hinüber. Der -Betschausch und ein anderer Askari versuchten zu schwimmen, ermüdeten -aber mitten im Strom, weil jeder einen Gurt mit hundert Patronen -umhatte. Auf ihre Hilferufe schwammen Lauer und ich so schnell wir -konnten hinzu und halfen ihnen zum Ufer zurück. - -Man glaubt nicht, wie ungeschickt sich die Leute anstellten! Ich -verteilte die Askari im Wasser und ließ das Boot von Hand zu Hand -stoßen; nur durch das tiefe Wasser wurde gerudert. Bei jeder Fahrt -mußten sich einige Träger an dem schwimmenden Boot festhalten und -wurden so hinübergebracht. - -Am schneidigsten benahmen sich noch die kleinen Askariboys; sie -schwammen mit großem Geschick. Alle anderen Leute fielen Lauer und mir -zur Last. - -Die Schwarzen waren sehr erstaunt über unsere Schwimmkünste; besonders -bewunderten sie das Schwimmen auf dem Rücken mit anliegenden Armen und -ausgestreckten Beinen, und fanden keine Erklärung dafür. - -Das strömende Wasser und die Furcht vor den Krokodilen verwirrte die -Neger; um vorwärts zu kommen, mußten wir in der Hitze alles selbst -machen: Lasten im Boot verteilen, das Boot halten, die nassen Kerls -hineinheben, Ertrinkenden und Gefährdeten helfen und sogar nach -verlorenen Gegenständen tauchen. - -Es war wirklich ein gräuliches Gefühl, in der gelben, undurchsichtigen -Flut zu schwimmen, wo die Gefahr, vom Krokodil gepackt zu werden, so -nahe lag! - -Und es war eigentlich ein Leichtsinn, daß wir uns der Gefahr aussetzten. - -Die Rohrstengel stachen uns durch das dünne Zeug, die Sonne glühte und -die stinkenden Neger mit ihren unschlüssigen Gesichtern konnten einem -das letzte bißchen Energie rauben! - -Trotzdem ging uns der Humor nicht aus, und Lauer wußte es geschickt -einzurichten, daß die größten Angsthasen bis zuletzt zurückblieben. - -Dann wurden sie alle in das Boot gepackt und saßen zitternd darin, -während es hinüberfuhr; doch ehe das Boot ganz am andern Ufer war, -warfen wir es plötzlich um und die ganze Gesellschaft strampelte in dem -flachen Wasser umher. - -Am Ufer stand ein kleiner Askariboy, der sein Tüchlein vermißte. Er -schämte sich sehr und weinte. - -Zwei Stunden marschierten wir noch, dann mußten wir uns eingestehen, -daß wir zu müde waren und lagerten mitten im Buschwald. - -Am nächsten Morgen gingen wir weiter. - -Jetzt, nach dem ersten Regen, war der Wald grün und kam mir im -Blätterschmuck ganz fremd vor. Gegen das dunkle Laub fielen die hellen -Stämme auf, während früher das gelbe Gras, die Stämme und Äste in allzu -vielem Licht das Auge blendeten. - -Die Mangobäume waren abgeerntet. Im Boden sah man nur wenige -Wildfährten. - -Von dem reichlichen Regen der letzten Wochen stand auch auf den -Anhöhen Wasser. Auf dem Marsch mußten wir einen See durchwaten, der -mitten im Walde lag. Wir zogen die Schuhe aus und gingen auf der -anderen Seite barfuß weiter. Leider haben wir das auch in den nächsten -Tagen fortgesetzt und die Erfahrung gemacht, daß man erst lernen -muß, auf schmalen Pfaden bei Tage und bei Nacht barfuß zu gehen, -ohne sich die Füße zu verletzen; angebrochene Fußnägel, schmerzhafte -Hautabschürfungen und Dornstiche waren die Folge. - -Die Aufständigen hatten überall Mohogopflanzungen und wohnten in -kleinen Hütten seitab im Walde. Die Dörfer selbst, die mitten in den -Pflanzungen lagen, waren verlassen und wurden von den Negern offenbar -nur benutzt, so lange sie in den Feldern arbeiteten. - -An Früchten waren da: Bananen, kleine Bohnen, Mais mit halbreifen -Kolben und vor allem Mohogo. Für unsere Abendtafel fand sich auch eine -reife Ananas. - -In den nächsten Tagen ging es über Berge und Täler, von einer Pflanzung -zur andern. - -Selten wurden Menschen angetroffen; einige, die sich zur Wehr setzten, -wurden erschossen, andere gefangen genommen. - -In einem Hause stand ein Topf mit frisch gebratenen Ratten. Daneben ein -Sack mit kleinen Früchten, die wie Äpfel schmeckten und einen großen -Kern hatten. - -[Sidenote: In den Schamben von Kitschi.] - -Wir fanden auch eine kleine Antilope, die im Netz gefangen worden -war. Von dem Mohogo, der überall in den Schamben reichlich gedieh, -hatten die Aufständigen noch kaum gegessen. Hie und da standen junge -Kokospalmen, die auf Befehl des Bezirksamts gepflanzt worden waren. - -Am zweiten Abend lagerte ich auf einer Höhe in einer großen -Mohogopflanzung, deren Fläche sanft zu der Rufiyiebene abfiel. Ich -hatte eine weite Aussicht über den Wald, auf die Ebene und den Fluß. -Es regnete und ich beschäftigte mich damit, behaglich dem Regen -zuzusehen und aufzupassen, daß das Wasser, das von den Zelttüchern -abfloß, in Töpfen aufgefangen wurde. - -Drei gefangene Weiber, die tüchtig zu essen bekamen, lachten und -schienen sehr zufrieden zu sein. Auch ein kleines Kind war dreist und -zutraulich. Wer kennt aber die Neger aus -- morgen sind sie weggelaufen! - -Ein alter Mann wurde beim Gummisammeln gefangen genommen. Als er ins -Lager kam, fragte ich ihn nach der Stimmung im Lande und auch nach den -Ursachen ihrer Unzufriedenheit. - -Er brachte freimütig alle Klagen vor. Dann wickelte er aus seinem Tuch -zwei Gummikugeln und bat mich, ihm Tabak dafür zu geben. - -Als er den Tabak erhielt, war er nicht zufrieden. Er behauptete, es sei -nicht genug und stellte zum großen Ergötzen der Askari, gefangen und -gebunden, auf der „Wache“ sitzend, laut Vergleiche an zwischen dem Wert -des Gummi und dem des Tabaks. - -Der Unteroffizier klagte über Unwohlsein, er hatte Dysenterie. Ich -selbst war todmüde nach den Anstrengungen des letzten Tages und hatte -Kopfschmerzen. In der Nacht entstand Lärm und Schüsse fielen. Ich -wickelte mich aus dem Moskitonetz, griff zur Büchse und sah, wie im -Dunkeln ein Trupp Menschen aus dem Lager lief. - -Kurz darauf brachten sie den Gefangenen angeschleppt, der rief. „Mein -Anzug!“ Damit meinte er das kleine Baumwolltuch, das er um die Hüften -trug. Neben mir stand der Unteroffizier. Ich dachte nicht daran, daß -er auch krank war, befahl ihm, nachzusehen, daß der Gefangene besser -gebunden wurde und legte mich sofort wieder hin. - -Der Mann schrie weiter und ich hörte, wie die Askari versuchten, ihn -zu beruhigen. Er wimmerte eintönig und die Askari lachten darüber. -Allmählich wurde er still und nur die Wache unterhielt sich leise. - -Am nächsten Morgen wurde mir gemeldet, der Gefangene sei tot. - -[Sidenote: Die schwarzen Mitbrüder.] - -An dem Toten war nichts zu erkennen, woraus ich auf die Ursache seines -Todes schließen konnte. Sanitätsunteroffizier Lauer war vor Schwäche -nicht imstande, den Leichnam zu untersuchen. Hunderte von Ameisen -krabbelten über den Körper des Toten. Ich konnte nur feststellen, daß -seine schwarzen Brüder ihn recht fest gebunden hatten, um vorzubeugen, -daß er noch einmal wegliefe, und ich konnte leider den abscheulichen -Verdacht nicht los werden, daß die Wache ihn einfach erstickt habe, -damit er Ruhe hielt. - -Ein Verhör der Posten führte zu nichts; sie sagten, der Mann sei -eingeschlafen und gegen Morgen tot gewesen. - -Das war ein neuer Ärger und wieder eine der traurigen Erfahrungen mit -der Gleichgültigkeit und Roheit der Schwarzen, der nur vorgebeugt wird -durch den Europäer. - -Was hatten wir uns eigentlich, während wir so müde und krank waren, -bei dem eintönigen Klagen und Wimmern des Gefangenen gedacht? Nichts! -Für Verstellung hatte ich es gehalten, um so mehr, als die Askari noch -dazu lachten! Aber jetzt kam es mir wieder in Erinnerung; ich legte ihm -eine tiefere Bedeutung bei und machte mir Vorwürfe, nicht nachgesehen -zu haben. Das zeigt, daß es ganz von uns abhängt, wieweit wir Mitleid -empfinden wollen und daß unsere Teilnahme verschieden sein kann, je -nachdem, wie wir die Leidensäußerungen, die wir hören, auffassen. - -Im Wurm, in der Ameise, die zerdrückt wird und sich krümmt, glauben wir -kein Bewußtsein suchen zu müssen. Bald im Büffel, der todwund röchelt, -auch nicht. - -Nur wenn der Mensch, der in unseren Tönen klagt, seine Schmerzen -schildert, dann ergreift es uns -- wenn wir wollen. Jeder kann mit -leiden soviel er will; bis auf Pflanzen und Steine kann er hinabgehen. - -Aber wissen muß er, ob nicht oft tatkräftiges Handeln mehr Elend aus -der Welt schafft als verzehrendes Leid. - -Ich selbst merkte an meiner Aufregung, daß die Anstrengung der letzten -Zeit mich verändert hatte. - -Am Nachmittage wurden noch mehrere Gefangene gebracht. - -Die fragten, weshalb wir ihnen Essen gäben, wo sie doch geschlachtet -werden sollten? - -(Das hatten die Zauberer ihnen eingeredet.) - -Meine Füße schmerzten an mehreren Stellen; trotzdem ging ich gegen -Abend mit einer Patrouille in den Wald. - -Ich ließ mir die Gummilianen zeigen, die wild im Walde wachsen und den -Reichtum der Berge bilden. - -In lichtem Buschwald zog ein Stück Wild über eine Anhöhe. Ein -gewaltiger Hirsch. Durch mein Doppelglas erkannte ich auf dem grauen -Tierkörper weiße Streifen; es war ein Kudu. - -Das Tier stand und scheuerte sich mit den hellen Spitzen seiner hohen, -gewundenen Hörner in der Flanke. - -Wie gerne hätte ich dies in Ostafrika seltene Tier verfolgt, aber es -ging nicht; die Schenzi waren nahe. - -Als ich weiterging, fand ich in einem Dorf eine kleine Werkstatt, in -der die Schenzi die Feuersteinschlösser ihrer Gewehre zu Hahnschlössern -mit Zündhütchen umarbeiteten! Geschickt geschnitzte Gewehrschäfte lagen -da; Bohrer, Feilen und anderes Handwerkszeug. - -Die Lehrer der Völkerkunde sprechen von dem kriegerischen Geist, -der die Bewohner der Steppe von den Bewohnern des Fruchtlandes -unterscheidet. Auch diese Kitschileute, die in den Bergen wohnen und -ihre Feldfrüchte in jedem Jahre auf einem anderen, neugerodeten Land -bauen, stehen der Zivilisation ferner als die Rufiyileute und sind -deshalb sehr wohl mit den Steppenbewohnern zu vergleichen. Kriegerisch -sind sie, während die Ackerbürger am Fluß sehr schnell zur Unterwerfung -neigten. - -Als wir aus den Bergen zurückkamen und die Ebene wieder erreichten, -blieb ich noch eine Nacht am Ufer des Flusses, der Boma bei Mayenge -gegenüber. Mein Zelt stand auf der Höhe zwischen den Trümmern eines -niedergebrannten Dorfes. - -[Sidenote: Flußpferd im Mondschein.] - -Der Mond schien, als mir mitten in der Nacht gemeldet wurde, ein großes -Flußpferd komme die Dorfstraße herunter. Es war nahe beim Lager und -ging hinter einer Häuserwand vorbei, an die ich leise hinanschlich. - -Das plumpe Tier kam dicht an mir vorbei. Der Mondschein glänzte auf -seinem runden Rücken. Es kümmerte sich nicht um mich oder die Zelte. -- -Lagerfeuer brannten nicht. -- - -Am Morgen regnete es in Strömen. Trotzdem lag der Askari Nyati, der -Klown, immer noch unter seiner Decke im Freien auf einigen Pfählen -und schlief. Als er aufstand, zeigte er den andern, daß er kaum naß -geworden wäre, weil er sich unter seiner Decke nicht gerührt habe und -das ganze Wasser abgelaufen sei. - -[Illustration: Großes Kudu aus Usagara.] - -Auf alten Wegen, die ich aus der Trockenzeit kannte, ging ich pirschen. -Überall stand Wasser und das Gras war sehr hoch. - -Wenn ein Stück Wild aufgejagt wurde, hörte man die Sprünge an dem -plätschernden Wasser. - -Mit Mühe gelang es mir, einen Riedbock zu erlegen. - -Ich kehrte zum Fluß zurück, fuhr zur Boma hinüber und saß schon am -Mittage mit meiner Truppe in einer kleinen Dhau um nach Panganya zu -fahren, wo Herr Wiebusch, ein Angestellter des Kolonialwirtschaftlichen -Komitees, eine Pflanzung anlegen wollte, wozu er mich um Arbeiter bat. - -Wir hatten unerhört gegen den Strom anzukämpfen. - -An einer Stelle wurde der Bug des Schiffes so plötzlich von einer -stärkeren Strömung zur Seite gedrückt, daß er das Schilf der -Uferböschung unter sich schob. Wir wurden erst wieder flott, als alle -ins Wasser sprangen und auf schwimmenden Inseln, bis an die Brust im -Wasser stehend, den Bug an einer Leine freiholten. Zum Glück waren -unsere Kleiderkisten in demselben Boot und wir konnten uns gleich -wieder trockene Sachen anziehen. - -Mein rechtes Bein war von den entzündeten Wunden so angeschwollen, daß -ich in Panganya mehrere Tage liegen mußte. Glücklicherweise ging die -Entzündung durch nasse Verbände bald zurück. - -Herr Wiebusch hatte mehrere hundert Hacken mitgebracht, um Land für -Baumwolle vorzubereiten. Es fehlte ihm an Arbeitern. Für Geld hätte -er in dieser Zeit auch keine bekommen; da er aber Korn von der Küste -heraufbrachte, hatte er in dieser Hungerzeit das beste Zahlungsmittel. -Jeden Jumben, der kam und über die Not klagte, schickte ich mit seinen -Negern nach der Baumwollpflanzung. - -Nach einigen Tagen war dort ein reges Leben. Mehrere hundert Neger -schwangen die langstieligen Hacken und rodeten das kräftige Schilfgras. -Gegen abend kamen sie zur Poschoausgabe. - -Ich blieb eine ganze Woche bei Herrn Wiebusch. Tagsüber sah ich -der Arbeit zu, las und schrieb; abends versammelten wir die -„Baumwollschüler“, junge Neger aus allen Teilen der Kolonie, um uns, -und ließen Theater spielen, tanzen und singen. - -Die Verschiedenheit der Tänze und Gesänge war recht auffallend; jeder -Stamm fand seine Gesänge ernst und schön und die des Nachbarstammes -schon komisch. - -[Illustration: Überschwemmung in der Schilfniederung der Rufiyiebene. -Die Dhau mit den Askari.] - -[Sidenote: Kranke Träger.] - -Eines Tages kamen sechzehn kranke Träger an, die von der Expedition des -Hauptmanns v. Wangenheim entlassen worden waren. - -Der Zustand ihrer Wunden war entsetzlich; sie verbreiteten -Fäulnisgeruch. - -Bei den schlechten Verkehrsverhältnissen kamen die Leute, die sich zum -Teil nur mit Hilfe von Stöcken langsam fortschleppten nicht schnell -genug vorwärts und fürchteten, daß ihr Poscho zu Ende sei, bevor sie -Mohorro erreichten. - -Da konnte ich nun wirklich einmal wohltätig sein! - -Wangoni waren es, die sicherlich der Expedition gute Dienste geleistet -hatten. Sie bekamen Wasser und Seife. Ihre Wunden wurden gewaschen, -desinfiziert und mit den geringen Mitteln, die wir noch hatten, -verbunden. Dann bekamen die Leute ordentlich zu essen. Schließlich -wurde ein großes Boot zum Fluß geschafft, die Leute hineingetragen und -Matten darüber gedeckt zum Schutz gegen die Sonne. - -Als das Boot vom Ufer ablegte und mit dem Strome schnell davon -trieb, hatte ich das Gefühl, ein gutes Werk getan zu haben; so -kamen die Kranken in einem Tage ans Ziel, während sie sonst an -unzähligen Flußläufen vergeblich nach Booten hätten rufen können und -wahrscheinlich verhungert wären. - -Nur einer ist unterwegs gestorben. - -In dieser Zeit sprachen wir viel über die Landwirtschaft. - -Die Frage, ob man sich in einem fremden oder besser fernen und neuen -Lande ansiedeln soll, ist gewiß schwer zu beantworten. - -Was sehr dazu reizt, ist der Gedanke, als einer der ersten in ein -Gebiet zu kommen, dem vielleicht eine große Entwickelung bevorsteht. - -Vielleicht! - -Da beginnt das Zaudern. Man soll sich für ein Gebiet entscheiden. -Und wer erst einmal irgendwo angefangen hat, muß bei der Sache -bleiben; denn die Jahre tätigen Schaffens, die Zeiten des frischen -Unternehmungsgeistes sind kurz, und von Glück kann der sagen, der in -dieser Zeit zwar schwer und mit Enttäuschungen gearbeitet hat, aber -nicht umsonst seinem Ziele treu blieb. - -Nun ist Deutsch-Ostafrika ein Land, das jeden, der es mit offenen Augen -gesehen hat, lockt; denn die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind groß. -So auch in dem Gebiet des Rufiyi. Da das Land als ungesund galt, sind -zwar die Missionen fern geblieben, die ja sonst in vielen Gegenden -die ersten landwirtschaftlichen Versuche gemacht und so den Ansiedler -vorgearbeitet haben. - -Die Erfahrungen mit dem Klima sind deshalb noch gering, sind aber -wichtig, weil danach Saat- und Erntezeiten in allen Teilen des Landes -verschieden fallen. - -[Sidenote: Landwirtschaft am Rufiyi.] - -Das Bezirksamt am Rufiyi und das kolonialwirtschaftliche Komitee machen -seit einiger Zeit Versuche. - -Es kommt jedoch in diesem Gebiet nicht nur darauf an, die Regenzeiten -zu wissen, sondern auch die Zeit, den Umfang und die Dauer der großen -Überschwemmungen. - -Ein Hochwasser, wie es im Anfang des Jahres 1906 in den Küstengebieten -Ostafrikas war, wird wohl so leicht nicht wieder kommen. (Es war eine -nützliche Warnung; sogar die Brücken der Bahn über den Kingani hatte -man zu niedrig geplant und der Fehler konnte noch mit geringem Verlust -verbessert werden.) - -Wer sich im Küstengebiet ansiedeln will, muß sich die Gegend seiner -Wahl erst zu allen Jahreszeiten ansehen, wenn ihm nicht das Bezirksamt, -eine Mission oder ein anderer Ansiedler gleich einen günstigen Platz -vorschlagen kann. - -Auch ich habe einige wunderschöne Plätze in der Trockenzeit für gut -gehalten und sah in der Regenzeit, daß sie große Fehler hatten. - -Solange ein Land nicht gründlich erschlossen ist, kommt es für den -Einzelnen darauf an, mit Brückenbauten, Dämmen und schwierigen -Wegebauten möglichst zu sparen und eine möglichst billige, dauernde -Verbindung mit der Küste zu haben. - -Hindernisse sind Sümpfe und abflußlose Talmulden, während ständig -fließende, schiffbare Gewässer nicht trennen, sondern verbinden. - -Der Rufiyi wird in wenigen Jahren das Land erschließen, sobald der -Dampfer der Kommune Mohorro, der schon bestellt ist, fährt. - -Dann wird man auch bald von den Eigenschaften des Stromes mehr wissen -und die notwendigsten Regulierungen vornehmen können. - -Jetzt verlegt der Strom sein Bett andauernd, wenn auch die Verschiebung -der Sinkstoffe, das Wandern der Sandbänke nach ganz bestimmten Gesetzen -vor sich geht. - -Auf der langen Linie, in der der Rufiyi das niedrige Land durchströmt, -wiederholt sich unausgesetzt dieselbe Erscheinung: das strömende Wasser -stößt sich an einer Biegung, reißt Erde los und führt sie mit sich fort. - -Die leichteren Stoffe bleiben im Wasser und sinken erst ganz an der -Mündung, wo der Fluß sich in hundert Armen zu einem Delta verbreitet -und deshalb langsamer strömt; die schweren Stoffe setzen sich nach -kurzer Zeit ab, häufen sich und bilden ein neues Hindernis, eine hohe -Sandbank, an der sich der Fluß stößt und die er umgeht. Der Strom läuft -deshalb in ununterbrochener Schlangenlinie. - -Sehen wir uns den Strom an irgendeiner Stelle an: jetzt haben wir -rechts das tiefe, schnellfließende Wasser an steilem Ufer, dessen -Profil graue Tonschichten und rote, eisenhaltige Erde zeigt. Oben -auf der Höhe steht hohes Schilfgras; eine Maispflanzung und große -Bananenstauden werden bald herabstürzen. Links ist eine Sandbank und -dahinter das höhere, alte Ufer, an dem der Strom aber nur in der -Regenzeit entlangfließt. - -Vierhundert Meter weiter unten bekommt der Strom eine ganz schwache -Ablenkung nach links; da haben sich Sinkstoffe abgesetzt und bilden -unter dem hohen Ufer neues Land. Der Strom stößt sich hier bald und -nimmt seine Richtung auf die hohe, alte Sandbank am linken Ufer, die -ein Erzeugnis der Hochwasserzeit ist, unterwühlt sie und trägt ihre -Körnchen mit sich bis zu dem nächsten alten Ufer derselben Seite, setzt -sie bald wieder ab, stößt sich und wendet sich ärgerlich wieder dem -rechten Ufer zu; aber dort beginnt dieselbe Enttäuschung! - -Dem Talent freie Bahn! seufzt er; zerstört, wo er seine Kraft -hinwendet, wird schnell dessen, was er den Ufern nimmt, überdrüssig, -läßt es fallen und wird zuletzt ganz flach und breit, wo er das Meer -gewinnt. - -Mehrmals führt ihn sein Lebensweg auch noch im Tiefland an echte, alte -Berge hinan, die aus dem Alluvialboden herausragen. - -Dann wäscht er Steine hervor -- eine Jugenderinnerung. - -Das ist der Fluß, dessen Unterlauf jetzt schon hundertachtzig Kilometer -ins Land hinein schiffbar ist. Seine zerstörende Macht wird bald -gebändigt werden und das Wasser wird genutzt werden, um Baumwollfelder -zu berieseln. Es scheint sich nämlich schon herauszustellen, daß -künstliche Bewässerung für Baumwolle in Ostafrika unentbehrlich ist. - -[Illustration: Ein Leopard tötete einen Mann und wurde bei der Leiche -erlegt.] - -Man spricht ferner davon, die Berge oberhalb der Landschaft Kibambawe -und die oben beschriebenen Schnellen durch eine Bahn zu umgehen, um -die große, fruchtbare Mangaebene und ihre schiffbaren Ströme mit dem -unteren Rufiyi zu verbinden. - -[Sidenote: Stauwehr; Viehzucht.] - -Ja, es wird nur eine Frage der Zeit sein, ob an den Schnellen ein -großes Stauwehr gebaut wird, damit die ungeheuren Wassermassen, die -sich in der Regenzeit durch das enge Tor wälzen, für das weite, -trockene Gebiet südlich des Rufiyi nutzbar gemacht werden. Das im -vorigen Kapitel gezeigte Profil des Flußbettes scheint dazu einzuladen, -von beiden Seiten auf dem festen Steinfundament an die tiefe Rinne -hinanzubauen, um zuletzt die Rinne selbst (als Freiwasser) zu -überbrücken. - -Aber das sind Pläne, die der Zukunft gehören und deren Ausführung viel -Geld kostet. - -Sicher ist, daß man sich nicht mit dem Kulturland am Strom begnügen, -sondern durch künstliche Bewässerung größere Landteile nutzbar machen -wird. - -Daß Viehzucht in einzelnen Gebieten möglich ist, beweisen die Herden -der Kommune Mohorro und des wirtschaftlichen Komitees. Neben den -Äckern wächst außerdem Schilfgras in großen Mengen und kann zu Kompost -genommen werden. - -Die Fruchtfolge ist nach den neuesten Versuchen am günstigsten, wenn -jedes Feld zweimal Baumwolle trägt; im zweiten Jahre aber schon gedüngt -wird. Im dritten Jahre wird Mais und Klee gesät, im vierten Jahre steht -der Klee noch als Viehfutter. Im fünften folgt wieder Baumwolle. Also -eine Vierfelderwirtschaft.[54] - - * * * * * - -[Sidenote: Kaisers Geburtstag. Notizen.] - -Wenn ich diesmal nicht selbst den Kalender gewußt hätte, wäre mir -Kaisers Geburtstag doch nicht entgangen, denn als ich am 26. Januar -eine Patrouille auf zwei Tage wegsandte, fragten die Askari, ob -nicht ein Tag genüge, morgen sei ja Festtag (_sikur kun ya bana -Kaiser_). An dem Tage bekommt jeder Askari eine Rupie extra. - -Auch die Plantagenarbeiter mußten mitfeiern. Am Tage wurden Wettspiele -gemacht und die ganze Nacht hindurch unausgesetzt die große Trommel -geschlagen. - -Feuer brannten, und in gleichmäßigen Pausen wiederholte sich der -Chorgesang der Tänzer und Tänzerinnen. - - * * * * * - -Die Neger einiger in der Nähe liegender Dörfer waren auf Büffeljagd -ausgegangen. - -Der Gedanke, eine solche Jagd mitzumachen, war für mich sehr -verlockend; leider konnte ich es nicht und ließ mir nur erzählen, wie -die Eingeborenen die Büffel jagen. - -Die Büffel stehen in der Trockenzeit, wenn das Gras der Ebene hart -und dürr wird, gern an kleinen Seen und Bächen im Busch; sobald aber -der erste Regen das junge Gras hervorlockt, ziehen sie sich in die -Niederungen. - -Dann kommt es oft vor, daß nach großen Regengüssen weite Gebiete vom -Strom überschwemmt werden und die Büffel plötzlich, von Wasser rings -umgeben, auf einer Insel gefangen sind. - -Dorthin gehen die Eingeborenen und verleiden den Tieren den Aufenthalt, -bis sie das trennende Wasser durchschwimmen. - -Sofort sind die Neger mit Einbäumen hinter ihnen und verfolgen -die Tiere, die im Wasser ungeschickt sind, mit Speerwürfen und -Pfeilschüssen. - -Vor allem junge Tiere fallen ihnen dabei zum Opfer. - -Die Regierung schützt die Büffel, und es war den Eingeborenen nicht -erlaubt, Büffel zu jagen; in der Zeit der Hungersnot aber mußte man ein -Auge zudrücken. Die Erhaltung der Menschen war wichtiger als Wildschutz. - - * * * * * - -Unser letzter Esel ging ein. Es ist schrecklich, wenn man nicht helfen -kann. Tsetsekrankheit natürlich, denn wir sind ja mehrmals in Gegenden -gekommen, wo die Fliege gesehen wurde, die die kleinen tierischen -Parasiten überträgt. - -Die Tsetsekrankheit und das Texasfieber sind die großen Hindernisse, -die der Viehzucht und dem Transportwesen entgegenstehen. - -Welch verlockende Kulturaufgaben, diese Feinde zu bekämpfen! - -Wunderbar ist es, daß bei all den großen Krankheiten ein Insekt die -abscheuliche Aufgabe übernommen hat, die kleinen Parasiten dem Blut der -Säugetiere einzuimpfen. Und immer nur ein ganz bestimmtes Insekt! - -Mit einer gewissen Ehrfurcht muß man sie ansehen: die Anopheles, die -kleine Mücke, deren Weibchen als Überträger des Malariaparasiten bisher -das tropische Afrika gesperrt hat; die _Glossina morsitans_, -die die Haustiere des Menschen haßt, und deren Schwester -- durch -die Schlafkrankheit -- Zentralafrika entvölkert, in der Zeit, wo die -Kulturmenschheit die Hände nach dem volkreichen Uganda ausstreckt, -um Arbeiter zu suchen; und endlich die träge, dickleibige Zecke, den -Boophilus, der auf den Weideplätzen auf die Rinder wartet, um ihnen -Blut zu nehmen und das Texasfieber zu geben. - - * * * * * - -Die Kunst, Leder herzustellen, habe ich mir übrigens leichter -gedacht, als sie ist. In der Trockenzeit hat sich alles bewährt; die -Kistendeckel aus Antilopenfell, die Tasche für den photographischen -Apparat, die Hausschuhe aus Wasserbockfell und die Fellteppiche; jetzt -fängt es an zu stinken. Und ich habe nun alle die mir unentbehrlich -gewordenen Gegenstände in Alaun und Salz gepackt. - -Die Neger hier können kein Leder bearbeiten. Hätte ich einen Neger von -der Westküste hier! - -Wie lange habe ich probieren müssen, um mir nur haltbare Schuhbänder zu -schneiden! Endlich konnte ich es: Buschbockfell in ganz feine Streifen -geschnitten, gut gesalzen und gegerbt. - - * * * * * - -Briefe! Der Ombascha Chuma gibt mit ein ‚Barua‘, das ein Bote aus -Mohorro mitgebracht hat. Ich soll es ihm vorlesen. - -Von Askari Kisusa, der verwundet im Hospital liegt. Inhalt: „Grüße an -Abdallah, der noch eine Rupie von mir bekommt; und ich will von Sefu -zwei Rupie; und die Bibi des Mzee schuldet mir noch 18 Pesa für Reis.“ -Dann folgen Grüße an alle, die dem Kranken einfielen. - -Deshalb läßt der Ombascha die Askari antreten, nimmt den Zettel und -sagt: „Es ist ein Brief von Kisusa gekommen, er schreibt: Grüße an...“ -Jetzt nennt er, vom rechten Flügel anfangend, die Namen einzeln und -sieht zwischendurch immer wieder auf den Zettel, als ob er lesen könne. -Dann sagt er: „Weg-treti.“ - -Ich diktierte Briefe an Jumben, die nur arabische Schrift lesen -konnten, und ließ mir das Diktierte nachher vorlesen. Dabei kam heraus, -daß diese Schreiben einen ganz besonderen Stil hatten. Das Hauptmerkmal -war, daß alles mehrmals wiederholt wurde. Aber auch Ausdrücke kamen -vor, die besonders auffielen. „Du sollst gut aufpassen,“ hieß: „sieh -mit beiden Augen.“ - - * * * * * - -Als Hohlmaß für Getreide haben die Neger den Pischi (zu vier Kibaba). -Sie stellen das Maß hin und füllen soviel hinein und darauf, als nicht -über die Ränder hinunterläuft. Als ich fragte, weshalb sie nicht glatt -abstrichen, sagten sie, der Bezirksamtmann hätte das so erlaubt; früher -habe man noch ganz anders gemessen: da habe man beide Arme um den Rand -gehalten. - -So sind sie: sie wollen mit dem Bewußtsein vom Markte gehen, für ihr -Geld etwas mehr bekommen zu haben, als ihnen zustände; ja, sie hassen, -glaube ich, instinktiv das eherne Gesetz, das sich brüstet, gerecht zu -sein, wenn es gleichmäßig ist. - -Mit ihrer Arbeit ist es ähnlich. Sie arbeiten gut, wenn ich anerkenne, -was meinem ganzen Wesen noch fremd ist: daß es nicht nur eine Pflicht -gibt zu arbeiten, sondern auch eine zu faulenzen. - -„Sechs Tage sollst du arbeiten und jeden Morgen auf die Minute -anfangen.“ - -Wo? - -Vielleicht in einem härteren Klima, wo der Boden nicht so willig -hergibt, was Menschenhand ihm abringt; hier gibt es andere Gesetze! - - * * * * * - -[Sidenote: Leopardenjagd.] - -Als ich glaubte, wieder marschfähig zu sein, setzte ich die Reise von -Panganya nach Mtanza fort, mußte mich aber den letzten Teil des Weges -auf einer Kitanda (Bettstelle) tragen lassen, weil die Wunden sich -wieder aufscheuerten. Bei der Auswahl der Bettstelle machte ich die -Entdeckung, daß an den Stellen, wo die harten Baststricke, mit denen -das Gestell bespannt ist, sich kreuzen, oft Läuse wohnen! - -Ich war kaum im Lager angekommen, hatte gebadet und meine schmerzenden -Füße verbunden, als ein Mann gelaufen kam und sagte, sein Bruder sei -von einem Leoparden getötet worden. Der Leopard sei noch bei dem Toten! - -Es war auf dem Nordufer; ich nahm mein Gewehr und Patronen, humpelte -zum Boot, fuhr hinüber und ließ mich vorsichtig zu der Stelle führen. - -Der Schwarze zeigte: „Er ist da.“ - -Ich sah nichts. - -Plötzlich sprang ein Leopard ins Gebüsch. - -Er hatte im Grase bei der Leiche gelegen. - -Jetzt sah ich den Toten. - -Er lag unter einem ziemlich starken Baum. Der Hals war zerfleischt. - -Der Neger sagte, sein Bruder wäre auf den Baum gestiegen, um Honig -herabzuholen; der Leopard habe oben in der Krone gesessen und sei ihm -ins Genick gesprungen; da sei sein Bruder tot herabgestürzt. - -Der Leopard würde zurückkommen, ich solle bei dem Toten die Falle -stellen. - -Das tat ich, ging etwa achtzig Schritte ab und blieb an einem Baumstamm -sitzen. - -Nach kaum einer Viertelstunde sah ich den Leoparden plötzlich bei -dem Toten. Ich hob behutsam die Büchse und zielte. Da klappte es, -das Fangeisen war zugeschlagen. Ich lief hinzu und blieb auf dreißig -Schritt stehen. - -Der Leopard sprang mit der schweren Falle hin und her, fauchte und biß -auf die eisernen Bügel. - -Ich gab ihm einen Blattschuß; er verendete. - -Zwei Askari kamen auf meinen Schuß herzu, der eine sagte, es wären wohl -noch mehr Leoparden da; ein „_chui_“ sei nie alleine. Deshalb -stellte ich das Eisen noch einmal, ließ den Leoparden mitnehmen und -ging zum Boot zurück, während die Askari auf Anstand blieben. - -Als ich im Lager ankam, hörte ich schon ihr Schnellfeuer und bald -darauf kamen sie mit dem zweiten Leoparden. - -Beide Leoparden waren männlich. - -Der geschlagene Mann war gerächt und ich befahl, ihn zu begraben, was -die Neger jedoch nicht ohne Schutz einer starken Askaripatrouille tun -wollten. - -Sie hätten ihn auch nicht begraben, wenn ich es nicht befohlen hätte. - - * * * * * - -Auch in der Umgegend von Mtanza hatte das Hochwasser die Landschaft -verändert. - -In flachen Tälern, die früher gar nicht auffielen, floß jetzt der Strom -in ungeheurer Ausdehnung und schloß Menschen und Tiere auf kleine -Inseln ein. - -Während früher überall leere Boote gelegen hatten, wurde jetzt jeder -kleine Einbaum gebraucht, um den schwierigen Verkehr aufrecht zu halten. - -Das Wasser floß durch die Maisfelder. Viele Enten, Gänse, Reiher und -Taucher schwammen auf dem flachen Wasser und flogen in den Abend- -und Morgenstunden zu hunderten über der Ebene. Unzählige Holztauben -flatterten in allen Feldern. - -[Sidenote: Abreise.] - -Während ich zur Abreise rüstete und das Lager auflöste, war ich oft mit -der Schrotflinte in den Feldern, um Enten und Tauben zu schießen. Dabei -kam ich einmal an eine Hütte, von der aus ein Boot mich über einen -tiefen Wasserarm brachte. Der Fährmann warnte mich, als ich die Hände -über Bord hielt und sagte, ein ganz gefährliches Krokodil sei in der -Nähe; das Tier habe schon viele Menschen geholt; vor kurzem erst seinen -Vater und seinen Bruder. Er selbst hatte eine große Wunde von dem Biß -des Krokodils, das versucht hatte, ihn aus dem Boot zu ziehen. In der -Trockenzeit, sagte er, sei das Tier in einem ganz kleinen Teiche; es -sei fast nie zu sehen und richte seit Jahren schon Schaden an. - -Das war ganz in der Nähe meines Lagers und niemand hatte bisher davon -erzählt, weil, wie mir dieser Mann sagte, gegen das Ungetüm doch nichts -zu machen sei! Wie schade: zu gerne hätte ich das gefährliche Tier -erlegt; doch es war nur in der Trockenzeit möglich. - -Der Tag der Abreise kam. - -Das Lager wurde geräumt; das große Haus und die Hütten zwischen den -Wellengräben und Pallisaden blieben nun leer zurück. - -Ein Teil der Leute mußte auf dem Nordufer über Land gehen, weil -nicht genug Boote da waren. Die Neger stellten sich beim Rudern so -ungeschickt an, daß Lauer und ich selbst die kurzen Ruder nahmen und -unter großer Anstrengung mehrmals hin- und herruderten. - -[Sidenote: Fieber.] - -Als wir am Nachmittage stromab fuhren, fühlten wir in allen Gliedern -große Mattigkeit, gegen die wir energisch anzukämpfen versuchten. -Deshalb gingen wir gegen Abend ans Ufer und machten einen Pirschgang -bis zur Dunkelheit. - -Wir schossen zwei Riedböcke und ein Wildschwein und kehrten zu den -Booten zurück. - -Die Mattigkeit nahm zu; der Appetit fehlte. Ich kam zu der Überzeugung, -daß ich Malariafieber hatte, und nahm Chinin. - -Mein Begleiter hatte noch kein Fieber und glaubte deshalb (wie viele, -die im Anfang damit verschont blieben), er bekomme es nicht.[55] Er -sagte, es könne auch ein Erkältungsfieber sein und nahm kein Chinin. - -Es ist ein Unglück, wenn die Europäer einer Expedition krank sind. Es -ist, als ob die Spannkraft aller Neger sofort nachlasse, wenn der Weiße -von einer Krankheit gedemütigt wird. Die Neger verlieren den Glauben an -ihn. Bummelei und Ärgernis treten auf und Mißerfolge erhöhen das Leiden -des Weißen. - -Ein Posten schlief auf Wache, so daß ich ihm sein geladenes Gewehr -wegnehmen konnte. - -Die Wache bei den Booten hatte auch nicht aufgepaßt; ein ganzes Boot -mit Lasten fehlte am Morgen. - -Das Marschieren wurde uns an diesen Tagen sehr schwer. Es war kein Wind -und die Sonne brannte auf den Sumpf hernieder, während wir meilenweit -bis an die Knie im Wasser und durchweichten Boden wateten. Da war es -oft, als wollte das Herz seinen Dienst versagen und man hatte den -Wunsch, sich lang im Wasser hinzulegen. - -Mein Begleiter war ganz still; wir konnten uns gegenseitig wenig Mut -abgeben. - -An dem Abend dieses Tages erreichte mein Fieber den Höhepunkt. Mit -glühend heißen Schläfen lag ich im Zelt und kühlte mit nassen Tüchern. - -Die Boys zeigten ihr Mitgefühl dadurch, daß sie nahe bei unseren Zelten -die Trommel zum Tanze schlugen. Es war mir eine Qual das zu hören, aber -ich fand nicht den Entschluß, es zu verbieten. Ja, es beruhigte mich -innerlich geradezu, durch den Lärm an dies trotzige, gedankenlose Leben -erinnert zu werden. - -Glücklicherweise hatten wir das fließende Wasser wieder erreicht und -konnten am nächsten Tage die Boote benutzen. Lauer mußte gestützt -werden; er nahm immer noch kein Chinin. - -Mit unglaublicher Schnelligkeit trieben wir an überschwemmten Dörfern -vorbei: die Borassuspalmen von Mayenge tauchten aus Nebelschleiern auf. - -Da lagen die Berge von Kitschi; noch eine Biegung des Stromes, an der -die Eingeborenen Nothütten gebaut hatten, dann waren wir in Mayenge. - -Hier war der kranke Unteroffizier Kuehn gerade von Feldwebel Münch -abgelöst. - -Auch diese Boma wurde geräumt und wir fuhren zwei Stunden weiter -stromab zu einer hohen Landzunge, auf der ich einen Platz für das neue -Bezirksamt am Rufiyi aussuchen wollte. - -Die nächsten Nächte wären für uns Kranke schlimm gewesen, wenn -nicht Feldwebel Münch mit bewundernswerter Geduld und Sicherheit -unsere Pflege übernommen hätte. Er gab uns das Chinin zerstoßen in -Oblaten. Ich wurde schnell besser, weil in mir das Gift den Kampf -mit den Parasiten schon aufgenommen hatte; bei Lauer aber war das -Fieber zu weit vorgeschritten, er war kaum imstande das Chinin -hinunterzuschlucken. - -Er litt sehr, phantasierte und sprach von Schwäche und Sterben; aber -Münch ließ sich nicht beirren und sagte ganz ruhig: „Machen Sie doch -keine Witze.“ - -Ich habe oft daran denken müssen, daß solcher Zuspruch besser ist, als -hilfloses, sichtbares Mitleid! - -Trotz seiner Erfahrung mit dem Fieber -- Münch hatte monatelang an -Schwarzwasserfieber gelitten -- durften wir uns unserm Pfleger nicht -ganz anvertrauen, wenn es möglich war, Mohorro in diesem Zustande zu -erreichen. - -Ich fühlte mich wieder frisch. Ein großes Boot wurde ausgerüstet und am -Abend Lauers Bett hineingestellt. Ich lag dahinter im Lehnstuhl; die -Askari und Neger folgten in neun anderen Booten. - -Der Mond war aufgegangen, als die Boote vom Ufer ablegten. - -Lautlos trieb die kleine Flotte auf dem Strom. - -Ich zog mein Buch aus der Tasche und schrieb. Elf Uhr. - -Am Ufer brennt ein Feuer; da übernachten Flußschiffer und schwatzen -fröhlich und laut. Es klingt übers Wasser in der stillen Nacht und -sie hören unsere Boote nicht, die leise plätschernd nahe bei ihnen -vorbeitreiben. - -Kein Wölkchen ist am Himmel. Die Sterne stehen über mir. Das Mondlicht -glänzt auf den Blättern der Büsche. - -Dahinter erhebt sich der Wald und die Berge. Ein hoher Sandrücken -kommt näher; er neigt sich weit über den Strom. Auf der Höhe steht ein -plumper Affenbrotbaum. - -Es ist so still als ob die Natur ihren Atem anhält. - -Da dröhnt vom Berge herab deutlich durch die Stille eine einzige, tiefe -Löwenstimme; ein Ruf an die Nacht, die nur im Schweigen Antwort gibt. - -„Simba“ flüstert der Neger hinter mir. - -Schwach saß ich im Lehnstuhl und war erfüllt von den wundervollen -Eindrücken, die wie eine Abschiedsfeier auf mich wirkten. Ich dachte -zurück an vergangene Bilder, an stille Nächte, in denen der Mond schien. - -Ich sah auf den Kranken, legte ihm die Kissen zurecht und schloß sein -Moskitonetz. Dann streckte ich mich im Boot lang aus und schlief. - -Manchmal erwachte ich aus festem Schlaf, wenn das Boot auf eine -Sandbank auflief und von den Baharias wieder abgeschoben wurde. Einmal -stieß das Boot auf einen Baumstamm, der im Wasser lag. Es wurde von der -Kraft der Strömung in den Zweigen hochgehoben und schlug quer, sodaß -das Wasser, das ihm sonst fördernde Kraft war, plätschernd gegen die -Bordwand drängte. - -Oft dröhnte die tiefe Stimme eines Flußpferdes aus nächster Nähe; ein -kurzer Zuruf der Leute, eine gewaltsame Wendung des Bootes, und weiter -ging es in gleichmäßiger Ruhe. - -[Sidenote: Wieder an der Küste.] - -Gegen vier Uhr am Morgen wurde ich geweckt. Wir waren in Ndundu. Die -Neger alarmierten das Dorf. Der Akide kam. Strohfackeln brannten. - -Aus dem fensterlosen Seitenraum eines Hauses wurden Lasten -herausgeschleppt, die ich dem Akiden zum Aufbewahren gesandt hatte. - -Noch war dunkle Nacht. Aber der Vollmond stand schon tief am Himmel und -der Morgen war nahe, als ich weiterfuhr, und die Gruppe der Neger mit -ihren Fackeln am Ufer zurückblieb. - -Ich wußte eine reine Freude vor mir: auf dieser Fahrt das erste Licht -des Tages kommen zu sehen. - -Und es kam. Die Ufer schimmerten im Morgenlicht. Bäume und Hütten -nahmen Form und Farben an. Helles Licht breitete sich über das Wasser -aus. Wölkchen zogen von der See herüber und unterbrachen die Strahlen. - -Als es Tag war hörten wir das laute Treiben der Menschen. - -Die Boote landeten am Ufer von Mosmene, wo Händler ihre Lasten -aufgestapelt hatten und fleißige Hände bei der Arbeit waren, Frachten -umzuladen. - -Der Aufstand lag hinter mir; ich war wieder an der Küste. - - - [54] Über die wirtschaftlichen Aussichten in diesen Gebieten findet - man Näheres in dem Buche: Hermann Paasche, Deutsch-Ostafrika. - Verlag von E. A. Schwetschke und Sohn, und in den Berichten - des Kolonialwirtschaftlichen Komitees. - - [55] Man findet die wunderlichsten Theorien bei Menschen, die kein - Fieber bekommen. Einer sagt: er passe auf, daß ihn keine - Mücke steche (sehr gut; es ist aber nur ein Teil der - Schutzmaßregeln!), ein anderer: er fühle das Fieber kommen und - trinke dann eine Flasche Sekt, dann sei er sicher. Wirkliche - Konfusion bestand, bevor man das Wesen der Malaria kannte, und - in den alten Reisewerken bekommen die Reisenden von starkem - Kaffee z. B. Fieber. Es gibt Menschen, die oft Malaria hatten - und die immun geworden sind. - - -[Illustration] - - - - -Verzeichnis - -häufig vorkommender in Deutsch-Ostafrika allgemein gebrauchter -Fremdwörter. - - - Akide = Ältester der farbigen Bevölkerung einer Stadt oder - Landschaft. - - Askari = Soldat der Schutztruppe. - - Bana (Bwana) = Herr. - - Barua = Brief. - - Betschausch = schwarzer Feldwebel. - - Bibi = Mädchen; Frau. - - Boma = befestigter Platz, Regierungssitz. - - Dhau = Segelfahrzeug. - - Goanesen = Leute aus Goa (Vorderindien); Mischlinge von Portugiesen - mit Indern. - - Jumbe = Dorfältester. - - Kopra = Fleisch der Kokosnuß. - - Kiongozi = Führer; Name der in Tanga erscheinenden Suahelizeitung. - - Kanicki = blaues Baumwolltuch. - - Kofia = Mütze. - - Mohogo = Maniok, Gemüsestrauch mit stärkemehlreichen Knollen. - - Matama = Negerhirse (Setaria). - - Makuti = Palmblatt. - - Ngambo = das jenseitige Ufer. - - Ngoma = Trommel, Tanz. - - Ombascha = Gefreiter der Schutztruppe. - - Pesa = Kupfermünze; 64 Pesa = 1 Rupie (jetzt 100 Heller). - - Poscho = die tägliche Essensration für Askari und Träger. - - Pori = Busch; das Pori ist der Ort, wo sich die Schenzis dauernd, - andere Leute nur vorübergehend aufhalten. Man lagert „Porini“ = wo - keine Hütten sind, im unbewohnten Busch. - - Pischi = ein Hohlmaß für Getreide. - - Rupie = Silbermünze: deutsche Rupie = 1,34 Mk. - - Schamba = Pflanzung, Acker. - - Schensi = der Buschbewohner. - - Wangoni = Nachkommen der in Deutsch-Ostafrika Mitte des vorigen - Jahrhunderts eingewanderten Sulukaffern. - - - - -Druckfehlerberichtigung. - - - Seite 173. In der Unterschrift des Bildes muß es heißen: - Schwarzfersenantilope statt Schwarzharfenantilope. - - Seite 226. In der Unterschrift des Bildes muß es heißen:... der - Zahn beginnt schon, wo er in der Knochenhöhlung des Oberkiefers - sitzt, ~sich zu winden~; der Schädel muß also... - - - - -[Illustration: Die Arbeiterfrage in Ostafrika.] - - - - -Druck von A. W. Hayn’s Erben, Potsdam. - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Im Morgenlicht., by Hans Paasche - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK IM MORGENLICHT. *** - -***** This file should be named 63601-0.txt or 63601-0.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/3/6/0/63601/ - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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You may copy it, give it away or re-use it under the terms of -the Project Gutenberg License included with this eBook or online at -www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have -to check the laws of the country where you are located before using this ebook. - -Title: Im Morgenlicht. - Kriegs-, Jagd- und Reise-Erlebnisse in Ostafrika - -Author: Hans Paasche - -Release Date: November 2, 2020 [EBook #63601] - -Language: German - -Character set encoding: UTF-8 - -*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK IM MORGENLICHT. *** - - - - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - - - - - - -</pre> - - -<div class="transnote"> - -<p class="s3 center"><b>Anmerkungen zur Transkription</b></p> - -<p class="p0">Der vorliegende Text wurde anhand der 1907 erschienenen -Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. -Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche -und heute nicht mehr gebräuchliche Schreibweisen sowie Schreibvarianten -bleiben gegenüber dem Original unverändert, sofern der Sinn des Texts -dadurch nicht beeinträchtigt wird. Fremdsprachliche Zitate wurden nicht -geändert.</p> - -<p class="p0">Kopfzeilen, die den Inhalt veranschaulichen, werden hier -als Randnotizen dargestellt, welche wiederum an den jeweils relevanten -Stellen eingefügt wurden. Die <a href="#Druckfehlerberichtigung">Druckfehlerberichtigung</a> (S. 375) wurde -bereits in den Text eingearbeitet. Die Fußnoten finden sich am Ende des -jeweiligen Kapitels.</p> - -<p class="p0 nohtml">Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten -Schriftart können die im Original <em class="gesperrt">gesperrt</em> -gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl -serifenlos als auch gesperrt erscheinen.</p> - -</div> - -<div class="figcenter illowe40 break-before" id="frontis"> - <img class="w100" src="images/frontis.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Der Verfasser vor einem Elefanten.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/frontis_gross.jpg" id="frontis_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="titelei"> - -<h1>Im Morgenlicht.</h1> - -<p class="s3 center">Kriegs-, Jagd- und<br /> -Reise-Erlebnisse in Ostafrika</p> - -<p class="center">von</p> - -<p class="s2 center"><b>Hans Paasche,</b></p> - -<p class="center">Oberleutnant zur See.</p> - -<hr class="dop" /> - -<p class="center">Mit 97 photographischen Aufnahmen des Verfassers.</p> - -<p class="s4 center mtop1"><b>—— Zweite Auflage. ——</b></p> - -<div class="figcenter illowe5_5 padtop3" id="signet"> - <img class="w100" src="images/signet.jpg" alt="Verlagssignet" /> -</div> - -<p class="s3 center mtop3">Berlin.</p> - -<p class="s4 center">Verlag von C. A. Schwetschke und Sohn.<br /> -1907.</p> - -<p class="s5 center padtop5 break-before">Fräulein <em class="gesperrt">Wanda -Théremin</em> hat die Photographien für den Druck vorbereitet.</p> - -<p class="s5 center">Die Autotypien sind in der Kunstanstalt von -<em class="gesperrt">Carl Schütte</em> in Berlin hergestellt.</p> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_iii"></a>[S. iii]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Vorwort">Vorwort.</h2> - -</div> - -<div class="rightbox s5"> -<p class="p0"><span class="antiqua">Coelum, non animum, mutant,</span><br /> -<span class="antiqua">qui trans mare currunt.</span><br /> -<span class="mleft3"><span class="antiqua">(Horaz. Epist. I, 11.)</span></span></p> -</div> - -<p>Dies Buch schildert meine Erlebnisse in Ostafrika; was ich mit meinen -Augen geschaut, mit meinen Ohren gehört habe, will es erzählen.</p> - -<p>Eigene Erlebnisse: ich habe den Versuch gemieden, in meine -Aufzeichnungen hinein zu verbessern, sie zu färben. Hieraus erklärt -sich vielleicht, daß meine Schilderungen den Stempel starker -Subjektivität tragen.</p> - -<p>Mit herzlicher Dankbarkeit denke ich an meine Vorbilder, meine -Meister und Gönner, auch wenn ich sie nicht mit Namen genannt habe. -Und aufrichtig freuen würde es mich, wenn sie sich in meinem Buche -wiederfänden.</p> - -<p>Vielseitig ist unser herrlicher Seemannsberuf. Vielleicht ist das -Schönste an ihm, daß mählich, und oft unbewußt, die flüchtigen -Eindrücke von Ländern und Völkern und von dem bunten Leben in fremder -Welt ein Stück unseres eigenen Seins werden. Man hängt oft fester -daran, als es äußerlich scheinen möchte.</p> - -<p>Ungemein günstige äußere Umstände habe ich gefunden: ich durfte -Wanderungen machen, die jetzt, wo die große, stolze Flotte die Kräfte -in der Heimat mehr zusammenhält, schon seltener und schwieriger werden; -ich war Offizier auf einem kleinen Schiff mit glücklichen dienstlichen -Verhältnissen, hatte wohlwollende Vor<span class="pagenum"><a id="Seite_iv"></a>[S. iv]</span>gesetzte, hatte Kameraden, die an -allem Teil nahmen, für den Abwesenden sorgten und eintraten; ich fand -freundliches Entgegenkommen beim höchsten Beamten und beim einfachsten -Ansiedler; ich fand endlich ein Land voller starker und großer -Hoffnungen.</p> - -<p>Goethe schrieb aus Italien an Herder: „Ich will, solange ich hier bin, -die Augen auftun, bescheiden sehen und erwarten, was sich mir in der -Seele bilde.“</p> - -<p>Nach dieser Lehre zu schauen und zu lernen habe ich mich in Ostafrika -bemüht.</p> - -<p class="mtop1"><em class="gesperrt">Wilhelmshaven</em>, im Oktober 1907.</p> - -<p class="s3 right mright1"><b>Hans Paasche.</b></p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_v"></a>[S. v]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Inhaltsverzeichnis">Inhaltsverzeichnis.</h2> - -</div> - -<table class="toc" summary="Inhaltsverzeichnis"> - <tr> - <td class="s5"> - - </td> - <td class="s5"> - <div class="right">Seite</div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Vorwort - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Vorwort">III</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Zum Indischen Ozean - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Zum_Indischen_Ozean">3</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Ost-Indianische Reise im Jahre 1644. — Von Bremen nach - Port Said. — Bahnfahrt nach Kairo. — Blick über die Stadt - und das Niltal. — Auf der Cheopspyramide. — Im Zoologischen - Garten. — Von Suez nach Colombo. — S. M. S. ‚Bussard‘. — - Ein Ausflug auf Ceylon. — Nach den Seychellen. — Bei einem - Ansiedler und Naturforscher. — Auf dem Morn Seychellois. — Im - tropischen Urwald. — Im Morgenlicht.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Daressalam - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Daressalam">21</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Die alte, stille Zeit. — Ein Spaziergang. — In dem Negerviertel. - — Eine Negerkneipe. — Die Quelle am Simbasital. — Die - Kleidung der Suaheli. — In der Markthalle. — Eine Negerin beim - Einkauf. — Das Aquarium. — Auf den Korallenriffen von Makatumbe. - — Die Meeresfauna. — Haifische und Schiffshalter.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - An der Küste - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#An_der_Kueste">37</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Der Schiffsverkehr. — Gute Häfen. — Wind und Wetter. — - Fischerei der Eingeborenen. — Sansibar. — Völkergemisch. — - Der Deutsche und der Neger. — Der Handel Sansibars. — Eine - Wagenfahrt. — Die Klubschamba. — Eine junge Dame bekämpft - die Schiffsetikette. — Saadani und Bagamoyo. — Johann Jakob - Sturz über Baumwolle. — Pangani. — In der Mündung des - Pangani. — Eine aufregende Fahrt. — Vor Tanga. — Ein Jagdausflug. - — Löwen. — Treibjagden auf Löwen. — Eine Löwin auf - der Birsch erlegt. — Jagd auf Warzenschweine. — Am Sigi. — - Ein Buschbock im Wasser erlegt. — Sonnenuntergang in See. — - Die Insel Mafia. — Die Araber schenken fünf Rinder. — Ein - Ritt durch die Insel. — Kokospalmen. — Die Insel Tschole. — - Begräbnis eines Arabers.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Der Aufstand - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Der_Aufstand">73</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">S. M. S. ‚Bussard‘ bringt Schutztruppen nach Kilwa. — Landungsabteilungen. - — Im Mohorrofluß. — Ankunft in Mohorro. — Die - Entdeckung des Aufstandes. — Die Haltung der Araber. — Der - erste Angriff. — Ein Überfall abgeschlagen. — Die Feuertaufe. — - Ermordung eines Ansiedlers. — Schwierige Stellung der weißen - Soldaten. — Ein Nachtmarsch. — Verrat? — Verlassene Dörfer. — -<span class="pagenum"><a id="Seite_vi"></a>[S. vi]</span> - Brennende Hütten. — Eilmarsch zum Rufiyi. — Der Strom als - Grenzlinie für den Aufstand. — Am Rufiyi aufwärts. — Am Hirusee. - — Verkleideter Askari. — Panik unter den Trägern. — Lebensmittel - beschlagnahmt. — Ein Akide. — Vorposten überrumpelt. — - Gefecht bei Utete. — Ein Verlust. — Todesurteil. — An den heißen - Quellen.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Gefechte am Rufiyi - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Gefechte_am_Rufiyi">104</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Ein großes Dorf von Aufständigen zerstört. — Ein Militärposten - am Rufiyi. — Ein Gnubulle erlegt. — Herausforderung. — Verfolgung - fliehender Schenzi. — Über den Fluß. — Zuverlässige Kundschafter. - — Ein Trupp von über tausend Aufständigen wird zersprengt. - — Mars war uns günstig. — Bleigeschosse gegen Neger? — - Flußpferde gefährden die Boote. — Geier auf dem Schlachtfeld. — - Rückmarsch nach Mayenge. — Ein Gefangener. — Leutnant Spiegel - baut eine Boma. — In Booten stromab nach Mohorro. — Hinrichtung - von Rädelsführern.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Im Aufstandsgebiet - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Im_Aufstandsgebiet">125</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Der Bezirksamtmann und ich. — Abmarsch mit Hauptmann - Merker. — Der erste Schuß auf Elefanten. — Rettung ertrinkender - Neger. — Hauptmann Fonck im Usaramobezirk. — Die Neger unterwerfen - sich. — In der Boma bei Mayenge. — Ausbildung neuer - Askari. — Jagd auf Wasserböcke im Morgennebel. — Riedböcke - und Buschböcke. — Baumwolle der Neger. — Zusammentreffen mit - meinem Vater. — Sein Urteil über das Land.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Krokodile und Flußpferde - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Krokodile_und_Flusspferde">143</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Krokodilplage. — Ein Rekord an erlegten Krokodilen. — Die - Dawa. — Der Hongo. — „Du hast getroffen, riechst du es nicht?“ — - Treffer auf große Entfernung. — Ansitz im Schilf. — In der Rohrhütte. - — Tierleben auf der Sandbank. — Flußpferde im Morgennebel - photographiert. — Die Jagd auf Flußpferde. — Abschießen - ganzer Herden. — Ein Schießerfolg. — Nutzen und Wert des - Flußpferdes. — Der Geschmack des Wildprets. — Neger, die kein - Schweinefleisch essen. — Das Schächten erlegter Tiere. — Aasvögel. - — Geier und Marabu am toten Flußpferd. — Krokodile angepirscht. - — Vom Flußpferd in die Luft geworfen. — Ein starker - Bulle erlegt. — Unfälle; Flußpferde greifen die Boote an. — Die - Stimme des Kiboko. — Tierleben am stillen Weiher.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Jagden im Busch - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Jagden_im_Busch">171</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Lager am See. — Birsch auf Riedböcke. — Farben im Freien. - — Schwarzfersenantilopen. — Der Dank der Neger für das viele - Essen. — Die Post kommt an. — Lange, erfolgreiche Schweißsuche. -<span class="pagenum"><a id="Seite_vii"></a>[S. vii]</span> - — Zebras und Hartebeeste beobachtet. — Platzregen. — Mein - Reittier will nicht mehr. — Starker Riedbock erlegt. — Abendbirsch. - — Merkwürdiges Benehmen einer Ricke. — Ein Löwe am - Lager. — Gewohnheiten der Riedböcke. — Bemerkenswerte Jagdart. - — Elenantilopen.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Büffeljagden - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Bueffeljagden">197</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Seltenheit des Kaffernbüffels. — Ein Mißerfolg. — Der Büffel - im Sumpf. — Schuß vom Baum aus. — Den Büffel krank geschossen. - Ob er dem Jäger gefährlich wird? — In dichtem Schilfgras sechs - Schritt vor dem Stier. — Der Reiz der Gefahr. — Der erste - Büffel zur Strecke. — Büffeljagd am Paregebirge. — Im Urwalddickicht. - — Nach vier Tagen endlich die erste frische Fährte. — - Die Büffel im Walde. — Ein Büffel in der Wildgrube. — Wildgruben. - — Fährtensuchen. — Pirschkunst. — Büffel im Busch auf - acht Schritte angepirscht. — Ermattung.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Elefanten - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Elefanten">226</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Ein Elefant weckt mich. — Mein Paradies. — Nachtwache in den - Feldern. — Gespenster. — Der erste Elefant zur Strecke. — Was - die Neger vom Elefanten wissen. — Sieben Elefanten. — Jagd - von der Leiter aus. — Zweiunddreißig Schüsse auf einen Elefanten. - — Das Heraushauen der Zähne. — Vom Elefanten verfolgt. — - Ali lobt meinen Mut. — Studien am Elefantenschädel. — Elefanten - durchschwimmen den Strom. — Mit der Kamera auf der Elefantenfährte. - — Die „Brücke zur Heimat“. — Allein mit dem Riesen. - — Pürschzeichen und Fährtenfolge. — Schlafende Elefanten. — - Jäger und Wild auf demselben Bilde. — „Der Star“. — Spaziergang - hinter einem Elefanten. — Rappantilope erlegt. — Löwen - an einem Termitenhügel. — Die Termiten. — Der Nyampara - und die Arbeiter. — Geier als Totverweiser. — Die Poesie des - afrikanischen Weidwerks. — Der Tod.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Nashornjagd - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Nashornjagd">269</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Übertreibungen. — Die Gefahr. — Nashörner in offener Steppe. - — Am einsamen Berge. — Ein Nashorn kommt vom Wasser. — - Nashorn begegnet einer Zebraherde. — Gute Schüsse mit der - Kamera. — Ein verwünschter Augenblick. — Weshalb das Nashorn - „annahm“.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Am mittleren Rufiyi - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Am_mittleren_Rufiyi">281</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Unter fremden Negern allein. — Die Boma wird verlassen. — - Ein mißglückter Überfall. — Das Lager der Aufständigen. — - Mtanza. — Die Flüchtlinge; Rückkehr in die Dörfer. — Vom - Lagerleben. — Schwarze Polizisten. — Boten. — Das Eheleben - der Schwarzen. — Der Askariboy. — Die letzten Matrosen zur -<span class="pagenum"><a id="Seite_viii"></a>[S. viii]</span> - Küste gesandt. — Hausbau. — „Befestigung“ der Boma. — - Wunden bei den Negern. — Giftpfeile. — Schlangen. — Puffotter. - — Riesenschlange. — Eine Schlange kriecht in ein Mauseloch. - — Bissige Ameise. — Sandfloh. — Wovon wir lebten. — Hungersnot. - — Der farbige Händler. — Die Neger wandern aus. — - Mangofrüchte. — Ein Elefant erlegt als Nahrung. — Die Neger - wollen kein Elefantenfleisch essen. — Der Acker wird bebaut. — - Die Neger sind dem Inder ausgeliefert. — Ist der Inder unersetzlich? - — Die Händler im Aufstand. — Reisen in der Regenzeit. - — Ein Raubzug in die Äcker der Aufständigen. — Vierzehn Stück - Wild für achthundert Menschen. — Ein Schauri. — Ein Askari - schießt sich selbst ins Bein. — Die Zeugen. — Die Askari hatten - Krieg gespielt.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Ein Streifzug - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Ein_Streifzug">329</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Menschenopfer. — Böse Nachrichten vom Feinde. — An den - Stromschnellen des Rufiyi. — Bergsteigen ist unseemännisch. — - Vorbereitungen zum Überfall. — Der Angriff. — Das Dorf wird - geplündert; die Hütten niedergebrannt. — Roheiten. — Wie der - Schenzi lebt; Hausrat, Beschäftigung. — Ein Verwundeter wird - nach Mohorro gebracht. — Die Gefangenen entlaufen. — Die - Strafpredigt des Askari Nyati. — Tierleben an den Schnellen. — - Einfall der Aufständigen.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Rückkehr zur Küste - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Rueckkehr_zur_Kueste">345</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="s5"> - <div class="mleft2">Weihnachtsfeier. — Datum vergessen. — Wie der Schenzi den - Tag einteilt. — Überschwemmung. — Der Alte im Dachgebälk. — - Abrechnung mit Indern. — Übersetzen. — In den Schamben der - Wakitschi. — Ein Gefangener tot. — Mitleid. — Kudu. — Die - kriegerischen Bergbewohner. — Flußpferd im Mondschein. — Gegen - den Strom nach Panganya. — Kranke Träger; ein Samariterdienst. - — Ob man sich ansiedeln soll. — Trockenzeit und Regenzeit. - — Die Eigentümlichkeit des Stromes. — Verkehrsaussichten - auf der Wasserstraße. — Umgehungsbahn. — Stauwehr. — Viehzucht. - — Kaisers Geburtstag. — Büffeljagd der Neger. — Tsetse; - Anopheles; Glossina und Boophilus. — Lederbearbeiten. — Briefe. - — Diktat. — Zumessen von Getreide. — Die Arbeit; Pflicht zu faulenzen. - — Ein Neger vom Leoparden getötet; zwei Leoparden erbeutet. - — Abreise. — Mattigkeit und Fieber. — In guter Pflege. — Mondscheinfahrt - stromab. — Abschiedsfeier. — Wieder an der Küste.</div> - </td> - <td class="s5"> - - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5 vat"> - Verzeichnis häufig vorkommender in Deutsch-Ostafrika allgemein - gebrauchter Fremdwörter - </td> - <td class="padtop0_5 vab"> - <div class="right"><a href="#Verzeichnis">374</a></div> - </td> - </tr> - <tr> - <td class="padtop0_5"> - Druckfehlerberichtigung - </td> - <td class="padtop0_5"> - <div class="right"><a href="#Druckfehlerberichtigung">375</a></div> - </td> - </tr> -</table> - -<div class="figcenter illowe40 break-before" id="pgixill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_ix_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>S. M. S. „Bussard“.</p></div> -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_3"></a>[S. 3]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Zum_Indischen_Ozean">Zum Indischen Ozean.</h2> - -</div> - -<p>Vor mir liegt, in Schweinsleder gebunden, ein altes Buch, das mich -nach dem Indischen Ozean begleitet hat: „Johann Jakob Merckleins -Ost-Indianische Reise, welche er im Jahre 1644 löblich unternommen -und im Jahre 1653 glücklich vollendet samt Johann Sigmund Wurfbains -kurtzem Bericht wie eine Reise, so zu Wasser wie zu Lande nach Indien -anzustellen sey.“</p> - -<p>Das Buch wird bezeichnet als: „Journal alles desjenigen, was sich auf -währender neunjährigen Reise im Dienst der vereinigten geoctroyrten -niederländischen Ost-Indianischen Compagnie täglich begeben und -zugetragen, dabey die Situation und Gelegenheit der Länder und Sitten -unterschiedlicher Völker zu besserer Nachricht in etwas berühret -worden.“</p> - -<p>Aus den getreuen Aufzeichnungen des Chirurgum und Barbirern Mercklein -weht ein Hauch ursprünglichster Anschaulichkeit, und Freude an fremden -Dingen. Deshalb ist es mir interessant gewesen hineinzusehen, und -ich wurde unwillkürlich angeregt, meine Fahrt mit der des Holländers -zweihundertfünfzig Jahre früher zu vergleichen.</p> - -<p>Die Edle Herren Bewinthabere der Compagnie zu Amsterdam ließen im Jahre -1644 zwei Schiffe zurichten, um neue Besatzungen für die Schiffe und -Faktoreien in Ostindien hinauszusenden.</p> - -<p>Das war also ein Ablösungstransport genau wie der unsere, der am 5. Mai -1904 Bremerhaven verließ, um Mannschaften und Material für die im Osten -stationierten Schiffe der Kaiserlich Deutschen Marine hinauszubringen; -ohne Unterbrechung dampfte der ‚Main‘ die Weser abwärts durch den -englischen Kanal und die Biskaya, an der Hispanischen Halbinsel vorbei, -bog in die Meerenge von Gibraltar ein und erreichte am elften Tage der -Abreise Port Said und die Pforte zum indischen Ozean.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_4"></a>[S. 4]</span></p> - -<p>Die arme Holländerflottille dagegen: Der <em class="gesperrt">Walfisch</em> — groß 450 -Last, jede zu 3000 Pfund, Kapitän Pieter Dierksoon, Oberkaufmann -Herr Nikolaus Overschie, gewesener Direktor in Persia, — und der -<em class="gesperrt">Salm</em>, zwei neuerbaute Fluytschiffe. — Am 8. November verließen -sie Amsterdam und konnten, „weil der Wind stetig aus Westen wehete, -nicht in das Meer auslaufen bis auf den 30. Dezember“. An den Suezkanal -dachte man damals noch nicht; die holländischen Segler mußten -ihren Kurs unausgesetzt südlich nehmen, durch den Kalmengürtel der -aufsteigenden Luftströme bis zum Kap der Stürme, das im Heimatlande des -portugiesischen Entdeckers das Kap Bonae Spei genannt wurde, weil seine -Entdeckung gegen Ende des 15. Jahrhunderts die Hoffnung auf den Seeweg -nach Ostindien in sich trug. Anfang März hielt sie ein starker Sturm -dort fest, an der alten Pforte zum indischen Ozean und dem reichen -Osten. Auf der Reede von Batavia wurde nach Verlauf von sieben Monaten -am 31. May 1645 geankert, nach einer Seefahrt von 3600 Meilen. — Den -gleichen Punkt etwa erreicht der deutsche Transportdampfer in dreißig -Tagen; und gehört nicht zu den schnellsten Schiffen.</p> - -<p>Sechs Monate später erst empfingen die Herren Bewinthabere in Amsterdam -den Brief, der ihnen meldete, daß der ‚Walfisch‘ „in des Generals -Residenzstadt Batavia arriviert sey ohne Verlust einiges Menschen -durch Scharbuck oder <span class="antiqua">morbus Scorbuticus</span>, welches selten auf so -langen Reisen geschieht“. Heute steht die Ankunft des Dampfers ‚Main‘ -in irgend einem der großen Häfen des fernsten Ozeans noch an demselben -Tage in der Weserzeitung. Und doch behielten die Herren in Amsterdam -die Leitung in Händen; nur das Tempo der Unternehmungen ist eben -schneller geworden.</p> - -<p>Im Grunde erinnern alle Zustände und Ereignisse der Ostindianischen -Compagnie an die heutigen Zustände in den Kolonien. Eine weitgehende -Arbeitsteilung ist eingetreten; Handels- und Kriegsmarine sind -getrennt; die Umgangsformen der Nationen feiner und empfindlicher -geworden; die geräumigen Handelsdampfer tragen keine Kanonen mehr. -Handel, Verwaltung und Waffen<span class="pagenum"><a id="Seite_5"></a>[S. 5]</span>gewalt liegen in verschiedenen Händen, -während der Kaufmann des 17. Jahrhunderts alles dies in seiner Person -vereinte, die Kapitäne der Schiffe, die Gouverneure, die Verwalter der -Faktoreien ernannte und die Waffengewalt unmittelbar für sein Interesse -einsetzte.</p> - -<div class="sidenote">Im Niltal.</div> - -<p>Am 17. Mai 1904 fuhr unser Dampfer zwischen den Molen von Port Said -hindurch in den Suezkanal ein, an dem Denkmal Ferdinand von Lesseps -vorbei, gab Leinen an Land und machte fest, um Kohlen zu nehmen. Die -Agentur des Norddeutschen Lloyd hatte die gefüllten Prähme schon -bereitliegen und das farbige Volk der Kohlenträger ging sofort unter -viel Geschrei an die Arbeit; eine dicke Staubwolke hob sich in die Luft -und verleidete dem Zuschauer den Aufenthalt an Bord. Wer abkömmlich -war, verließ deshalb den Dampfer zu einem Abstecher nach Kairo, um -erst in Suez das Schiff wieder zu besteigen. Auch ich gehörte zu den -Reiselustigen, die in den staubbedeckten Waggons der Schmalspurbahn -nach Ismailia Platz nahmen.</p> - -<p>Die Sonne glühte, aber ein starker Luftzug trug sehr zum Wohlbefinden -bei.</p> - -<p>Zur Linken hatten wir den Suezkanal, zur Rechten die helle -Wüstenlandschaft. Wo sich Menschen angesiedelt hatten, ragte wie -eine Insel ein Fleckchen bebautes Land heraus; mit Dattelpalmen, -Bananenbüschen und bunten Blütenbäumen. Erst der vom Nil hergeleitete -Süßwasserkanal hat den Pflanzenwuchs hier ermöglicht. Ein Trupp -Menschen mit bepackten Kameelen tauchte auf.</p> - -<p>In all den kleinen Stationen stiegen Farbige ein und je näher wir -von Ismailia dem wunderbaren Kairo kamen, desto vielseitiger wurde -das Völkergemisch. Hier ein Araber in bronzefarbenem Gewande mit -geradem Halsausschnitt und auffallend langen Ärmeln, deren weit -hervortretendes, sauberes Futter auf den zierlichen Händen liegt; er -trägt den Turban auf dem Kopf über dem feinen Gesicht. Neben ihm sitzt -ein Türke, dessen große Nase und in Falten aufgehängter Mund sehr -häßlich wirken. — Immer ausgedehnter werden die mit Kulturpflanzen -bebauten Flächen. Wo das lebenspendende, kräftelösende Wasser<span class="pagenum"><a id="Seite_6"></a>[S. 6]</span> -hingeleitet ist, wächst dicht und üppig der Weizen hervor; unmittelbar -daneben leuchtet der leblose Sand. Kameele und Ziegen begnügen sich mit -spärlichem Grün, dann kommen Esel, starke Kühe und Pferde, wo sich die -Pflanzen mehren. Es wechseln ab: Weizen, der gerade zur Ernte reif ist, -Baumwolle und kniehoher, dichter, weißblühender Klee, als Viehfutter. -Gepflügt wird noch mit dem alten Holzhaken, den wir schon auf den -Malereien der alten Ägypter finden.</p> - -<p>In den langen Furchen der sauber gehalten Baumwollfelder glänzt hier -und dort Wasser, und Leute sind beschäftigt, das Naß den Pflanzen -zuzuleiten. Ochsen mit verbundenen Augen ziehen die Göpelwerke der -Schöpfräder und die Trommeln auf den offenen Tennen, wo der Weizen -gedroschen wird. Das Korn wird mit der Sichel gemäht. Wo Kühe weiden, -sitzen ebensoviel Menschen dabei und sehen zu.</p> - -<p>Weithin verläuft das fruchtbare Land. In zarter Färbung von der -Nachmittagssonne umflutet, erscheinen am Horizont zwei Pyramiden und -der Höhenzug über Kairo, gekrönt von einem stolzen Bauwerk: der Moschee -Mehemet Alis in der Zitadelle.</p> - -<p>Durch die belebten Straßen der Stadt bringt uns ein Wagen auf die Höhe. -Am Eingang der Zitadelle steht ein Posten der ‚<span class="antiqua">Occupation armee</span>‘ -mit Bajonett, einen Tropenhelm mit silberner Spitze auf dem Kopfe. Um -die hohen, schlanken Minarets kreisen Weihen. In der Moschee werden -der von Teppichen bedeckte Boden, die Alabasterwände, die kunstvolle -Kanzeltreppe und die an langen Ketten hängenden Lampen gezeigt.</p> - -<p>Vier mächtige Pfeiler tragen die Kuppel mit ihren bunten Scheiben, die -dem Innern des Raumes eine feierliche Beleuchtung geben.</p> - -<p>Lästig war es, dem ewig schwatzenden Führer zu folgen; der wollte -die Neugierde befriedigen und hetzte von einer Sehenswürdigkeit zur -andern. Keines Eindrucks konnte man Herr werden; deshalb blieben wir -einen Augenblick zurück, um in aller Ruhe das Bild in uns aufzunehmen. -Dann standen wir an dem hohen Gitter, das das Plateau der Zitadelle -abschließt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_7"></a>[S. 7]</span></p> - -<div class="sidenote">Kairo.</div> - -<p>Unter uns lag die große Stadt mit staubfarbenen Gebäuden, mit Türmen -und Minarets.</p> - -<p>Als breites Silberband schimmerte der Nil durch die Reihen der Häuser; -einzelne Palmen zierten seine Ufer. In der Ferne begann die Wüste -gerade dort, wo die Pyramiden von Gizeh mächtig emporragten. Weiter -links am Nil hinauf waren die Pyramiden von Memphis im Dunst des Tals -und im letzten Schein der feurig in die Sahara untertauchenden Sonne zu -erkennen.</p> - -<p>Als wir zur Stadt zurückfuhren, zündeten braune Gestalten die wenigen -Laternen an; die Fußgänger auf den Straßen mehrten sich; vor den -Trinkhallen saßen Männer auf den Trottoirs und rauchten Wasserpfeife.</p> - -<p>Unter beständigen Zurufen an seine Pferde lenkte der Kutscher unsern -Wagen zum Hotel.</p> - -<div class="sidenote">Auf der Cheopspyramide</div> - -<p>Der nächste Morgen war hell, wie fast das ganze Jahr hindurch in Kairo, -als wir über die Nilbrücke nach Gizeh fuhren. Auf dem Wege kamen uns -Kameele und Esel entgegen, die hoch und breit mit Grünfutter, Gemüsen, -Körben mit Geflügel oder großen Milchgefäßen beladen zum Markte -getrieben wurden. Die Sonne stieg höher über die Türme der Stadt und -beleuchtete die üppige blütenreiche Pflanzenpracht des Gizeh-Garden. -Vom Nil her wird das Wasser in den Garten gepumpt, weil es vom Himmel -nicht zu erwarten ist; nun sprudelt es hier und dort aus dem Rasen -hervor und überschwemmt die Beete.</p> - -<p>Der breite von Akazien beschattete Weg biegt nach Westen auf die -Pyramiden zu.</p> - -<p>Wer es nicht gesehen hat, kann sich keinen Begriff machen von dem -Eindruck der mächtigen von Menschen aufgetürmten Steinmassen aus der -Nähe.</p> - -<p>Man sagt, die Pyramide liege in dem Mittelpunkt der ganzen bewohnten -Erde; der Meridian, der den Platz der Pyramide schneidet, decke mehr -Land als irgend ein anderer und auch kein anderer Breitenparallel -soviel wie der 30° N.</p> - -<p>Wie weit solche Betrachtungen von Bedeutung sind, darf man dahin -gestellt sein lassen. Wunderbar aber ist es, daß sich<span class="pagenum"><a id="Seite_8"></a>[S. 8]</span> an der -Cheopspyramide geometrische Proportionen nachweisen lassen, daß der -Porphyrkoffer im Innern ein Einheitsmaß darstellt, daß die Richtung -der Seiten bei allen Pyramiden den Himmelsrichtungen entsprechen; -die Phantasie wird mächtig angeregt, wenn sie in dem Riesenbauwerk -verborgene Rätsel sucht.</p> - -<p>Man war überrascht, als s. Zt. im oberen Teil der Pyramide der -leere Sarkophag gefunden wurde. In allen anderen Pyramiden befanden -sich die Grabkammern unter der Grundfläche. Keine Inschrift, kein -Ornament deutete an, daß je eine Mumie dort gebettet wurde und Herodot -berichtet, daß Cheops nicht in der Pyramide begraben sei. Es schien, -als habe der Baumeister mit seinem Verzicht auf jede Inschrift den -späteren Zeiten sagen wollen, daß über den Sinn der Pyramide kein -Zweifel bestehen könne.</p> - -<p>Der Zugang zum Innern war vermauert und ist erst durch ebenfalls -interessante Berechnungen und Überlegungen wieder gefunden worden.</p> - -<p>Die Pyramide soll 2000 Jahre vor Christi Geburt erbaut sein; Cheops -ließ die Tempel schließen, verbot die Opfer und machte es dem Volk -zur Aufgabe, dafür an der Pyramide zu arbeiten. Das Bauwerk ist 227 -<span class="antiqua">m</span> in jeder der Fronten und war früher 147 <span class="antiqua">m</span> hoch. Mehrere -Millionen Tons Steine stecken darin. Die obersten Steine fehlen ebenso -wie die glatte Bedeckung, die nur an der Spitze der Chephrenpyramide -noch vorhanden ist.</p> - -<p>Viel bedeutsamer als alle die oben ausgesprochenen Mutmaßungen -erscheint die Lage des ungeheuren Monuments am Rande der Libyschen -Wüste und des fruchtbaren Niltals. Als die Führer uns von Stein zu -Stein hinaufbefördert hatten und ihre zudringliche Bettelei auf -Minuten zum Stillstand gebracht war, konnte man von der quadratischen -Plattform, die die Spitze der Pyramide bildet, den Rundblick in sich -aufnehmen. Die Ostfront neigt sich nach den üppigen Feldern, die der -Nil überflutet und der alten Chalifenstadt el Fostat, dem heutigen -Kairo. Die Westseite blickt auf die Wüste, auf das unendliche hügelige -Sandmeer, in dessen Fluten die Schatten der Wolken schwimmen. Da geht -die Pilgerstraße durch das Natrontal an die Küste des Mittelmeers; kaum -kann man von einer Straße sprechen. — — —</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_9"></a>[S. 9]</span></p> - -<p>Ins Uferlose führen die Spuren.</p> - -<div class="figcenter illowe30" id="pg9ill"> - <img class="w100" src="images/pg_9_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Sphinx.</p></div> -</div> - -<p>Auch diese lebensfeindliche Wüste haben der Handel und der Islam -überwunden. Von hier aus ist die Lehre Mohameds nach Westen gegangen, -bis sie in den Gebirgen Spaniens zurückgeworfen wurde. Die Menschen -machte der Koran bedürfnislos und sie fanden in den Kameelen Lasttiere, -durch deren Arbeit<span class="pagenum"><a id="Seite_10"></a>[S. 10]</span> und Anspruchslosigkeit sogar die Ufer der Wüste -verbunden werden konnten.</p> - -<p>Menschen und immer wieder Menschen! Auch die den mächtigen Strom -bändigten und ihren Feldern nutzbar machten, die die Steine zu fast -unvergänglichen Bauwerken auftürmten.</p> - -<p>Ein Volk, das Zeit zu solchen Bauten hatte, die nichts weniger sind, -als Nutzbauten, mußte viel Brot besitzen!</p> - -<p>Größeres kann die moderne Technik leisten. Welche Opfer an Leben -aber mag es damals gekostet haben? Noch heute versucht die Natur ihr -Veto einzulegen, wenn große Menschenmengen an einem Ort zur Arbeit -zusammengebracht werden. Krankheiten und Seuchen brechen aus und nur -die wohlorganisierte Arbeit der Ärzte ermöglicht große Unternehmungen. -Wie mag es vor 4000 Jahren gewesen sein! Und wieviel Menschen mögen dem -ungewohnten Klima, dem Fieber und anderen Krankheiten erlegen sein, die -die Menschheit vielleicht jetzt schon überwunden hat!</p> - -<p>Der Gedanke an solche Zustände erhöht die Bewunderung vor den großen -Bauwerken der Alten; unter den heutigen Umständen würde sich eine -Ausnützung von Menschen nach dem Muster der alten Machthaber von selbst -verbieten. Sind es doch gerade die Leiden der Kulis und der Neger -in Zentralafrika gewesen, durch die die Kulturwelt zur Teilnahme an -kolonialen Unternehmungen begeistert wurde.</p> - -<p>Die Ethik der Kulturvölker verbietet eine Ausnutzung der niedriger -stehenden Rassen, wenn auch der Neger noch heute so roh und barbarisch -ist, daß es ihm nicht zur Unehre gereichte, als Diener des Mächtigeren -ausgenützt zu werden. Und welche Kulturarbeit könnte geleistet werden, -wenn die ungeheure Überlegenheit, die wir mit unseren Feuerwaffen über -die Neger besitzen, genutzt würde, um Bahnen und Wege zu bauen, um -Plantagen anzulegen! Eine andere Zeit, hörte ich einmal sagen, hätte im -Besitze einer Macht, wie wir sie haben, andere Werte in den Kolonien -hervorgebracht, und vielleicht würden dann weniger Aufstände gekommen -sein, die zur Vernichtung ganzer Stämme führten, würde schneller durch -Erschließung des Landes der Hungersnot, der Schlafkrankheit und anderen -verheerenden Übeln entgegengetreten sein.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_11"></a>[S. 11]</span></p> - -<p>Was Afrika anging, so war die Möglichkeit zu ähnlicher Herrschaft über -Menschen noch immer vorhanden. In dem großen Kontinent, dem der Nil -entströmt, hat es vor 4000 Jahren wahrscheinlich kaum anders ausgesehen -als vor hundert Jahren. Sklaven holte sich Cheops von dort ebenso wie -vor einem Menschenalter noch die Araber, und die Kunde von dem Mondland -Uniamuezi, aus dem der Nil entspringen sollte, ist jedenfalls diesen -ersten Interessen an dem volkreichen Süden zu danken.</p> - -<p>Soll man einmal fragen, was wohl aus dem Neger geworden wäre, -wenn Europa noch mit den Anschauungen des Mittelalters an die -Erschließung Afrikas hätte gehen können? Es ist wie ein Zufall in der -Weltgeschichte, daß das große, reiche Land solange unbekannt blieb und -daß den vernichtenden Sklavenjägern gleich Rächer erstehen konnten. -Jetzt stellen sich die kolonisierenden Völker die große Aufgabe, die -Kräfte der neuen Länder in einer unserer Ethik entsprechenden Weise zu -entwickeln und nutzbar zu machen.</p> - -<p>Von den Pyramiden ging es auf dem Rücken eines Kameels zur Sphinx und -dann zu einem dritten merkwürdigen Bauwerk, dem Tempel der Sphinx. In -der Erde vergraben erweckt dieses Gebäude den Anschein, niemals für -Außenfassaden, sondern wie der Bau eines Fuchses in die Erde hinein -gebaut zu sein. Es ist von Wüstensand erst wieder freigelegt. Glatte, -sauber gehauene und polierte Granitquadern bis zu 5½ <span class="antiqua">m</span> lang -sind hier mit größter Genauigkeit neben- und übereinander gefügt. -Aufrecht stehende Steine bilden Säulen, auf denen andere als Dach -ruhen. Stellenweise ist Alabaster benutzt und auf jedes Ornament -verzichtet worden: Hier spricht allein das Material durch seine -Zusammenfügung, Wucht und Größe. —</p> - -<div class="sidenote">Kairo.</div> - -<p>Als ich am Nachmittag mit einigen Kameraden durch die Straßen ging, -begegnete uns im Nordviertel der Stadt ein Leichenzug der Fellachen. -Voran ging ein Karree alter Männer; ihnen folgten jüngere Männer mit -Gesangsheften in arabischer Schrift, dann kamen Kinder mit Blumen, -vor dem Sarg, der getragen wurde und mit bunten Tüchern und Blumen -geschmückt war. Unter, neben und hinter dem Sarg gingen klagende -Frauen, darunter<span class="pagenum"><a id="Seite_12"></a>[S. 12]</span> eine, die von Zeit zu Zeit die Arme hob, wobei -sie ein Tuch spannte und den Kopf zurückwarf. Ihr Gesicht war mit -schwarzblauer Farbe beschmiert. Der Zug bewegte sich unter dem Klange -eintöniger Lieder langsam vorwärts.</p> - -<p>Ein anmutiges Bild bot sich uns am Nil. Langsam glitten Boote mit -hohen, spitzen Segeln über das ruhige Wasser. Dattelpalmen standen -neben weißen Häusern, darüber der blaue Himmel.</p> - -<p>Wir gelangten über die Nilbrücke zum zoologischen Garten, der nicht -sehr besetzt war. Die wenigen Tiere aber, die dort in üppigem Grün -umherstanden, sahen sauber und wohlgepflegt aus, wie der ganze Garten. -Die Büsche hingen voller Blüten; an vielen Stellen sahen Hydranten aus -dem Boden, mit deren Hilfe den einzelnen Teilen des Gartens Wasser -zugeführt werden kann. Wie im Sommer in den nordischen Gärten die -Tiere durch Luft und Licht besser gedeihen als im Winter, so machte es -sich auch hier vorteilhaft geltend, daß sie andauernd im Freien liegen -konnten.</p> - -<p>Zwischen hohen Fikusbäumen spaziert auf freiem Rasenplatz ein seltsamer -Vogel — der Walkopfstorch —; sein Schnabel ist plump wie ein -Kasten. Mit ihm teilen den sonnigen Raum einige Kraniche in lebendig -zurechtgeschütteltem Gefieder. Daneben der künstliche Teich mit üppigen -Sumpfgewächsen, Uferbäumen, die von ihren Ästen Wurzelfäden zum Wasser -hinabsenden und breitblättrigen Wasserpflanzen: eine erdrückende Fülle.</p> - -<p>Uns fesselten weniger die ausländischen Tiere, die Hirsche aus Europa -und Ceylon, die Bären, die nicht auf afrikanischem Boden heimisch -sind, sondern die Vertreter der ägyptischen Fauna; sicher wäre es eine -vorteilhafte Beschränkung, wenn in solchen Tiergärten, die kaum einer -allgemeinen Belehrung dienen können, die Tierwelt des Landes in der -ihr eigenen Umgebung und in ihrem Klima möglichst vollständig gezeigt -und auf die fremdländischen Vertreter weniger Wert gelegt würde. — -Ein hervorragendes Beispiel der Art ist der große <em class="gesperrt">Rhodespark</em> in -<em class="gesperrt">Kapstadt</em>.</p> - -<p>Die wenigen Gazellen aus dem Sudan waren reizend anzusehen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_13"></a>[S. 13]</span></p> - -<p>Der Nachmittag sah uns in dem Geschäftsviertel der Stadt Kairo, nachdem -wir die Menge der Wagen an uns hatten vorbeifahren lassen, die zum -Korso den Weg über die große Nilbrücke nach Gizeh nahmen.</p> - -<p>Es gehört Kenntnis der Volkstypen dazu, um sich in dem Menschengewirr, -das die engen Gassen der Bazars füllt, zurechtzufinden. Mich -beschäftigte nur das bunte Bild; die Menschen aller Farben, zwischen -den Läden mit Teppichen, Goldarbeiten, Ölkuchen, Anzügen, Metallwaren -und Spezereien.</p> - -<p>Die Eisenbahn brachte uns in unruhiger Nachtfahrt nach <em class="gesperrt">Suez</em>. Der -Dampfer hatte inzwischen den Kanal passiert und nahm uns auf, um seinen -Weg durch das Rote Meer nach <em class="gesperrt">Colombo</em> fortzusetzen.</p> - -<div class="sidenote">Auf Ceylon.</div> - -<p>Der Hafen von Colombo, auf Ceylon, wird von allen nach Osten gehenden -Schiffen angelaufen; meist sogar mit etwas Aufenthalt, so daß die -Schönheit der Insel und ihre Fruchtbarkeit sehr bekannt sind.</p> - -<p>Der kleine Kreuzer Bussard, auf dem ich ein zweijähriges Kommando -antrat, lag in dem Hafen. Er kam aus Ostasien und hatte eine schwere -Seefahrt hinter sich, derentwegen man ihm einige Wochen Ruhe zu -Reparaturen und Erholung gab, ein Umstand, der auch dem neuangekommenen -Teil der Besatzung zugute kam.</p> - -<p>So lernte ich außer der schönen von Palmen geschmückten Stadt auch -<em class="gesperrt">Kandy</em> und den botanischen Garten von <em class="gesperrt">Peredenya</em> kennen, -und unternahm einen kleinen Jagdausflug, der mich mit dem Charakter der -Landschaft vertraut machte.</p> - -<p>Wundervoll anzusehen ist das Bild des Hafens mit den vielen Schiffen, -die hinter der langen Mole geborgen liegen, während die ungeheure -Brandung von außen dagegen tobt, himmelhoch aufspritzt und eine breite -See hinübergießt, die sich wie ein weißes Spitzentuch über die Mauer -legt.</p> - -<p>Krähen, von den Eingeborenen heilig gehalten, und deshalb geschont, -fliegen in Menge von Schiff zu Schiff, sitzen auf den Stagen und an -Land in den Bäumen. Merkwürdig genug sind auch die aufdringlichen -Singhalesenbengels, die in kleinen Fahrzeugen<span class="pagenum"><a id="Seite_14"></a>[S. 14]</span> um die Passagierdampfer -herumfahren, nach Geldstücken tauchen und einen erbärmlichen Chorgesang -anstimmen.</p> - -<p>Den Tag über war man meist an Bord beschäftigt; denn nach jedem -Besatzungswechsel gibt es viel zu ordnen; der Erste Offizier drängt -darauf hin, die Rollen der Mannschaft recht bald einzuüben und den -Schiffsdienst in die Reihe zu bringen. — Aber an den Abenden fuhr man -an Land und promenierte mit Kameraden nach dem schön gelegenen Galle -face Hotel oder ließ sich von einer Rickschah durch die von üppigen -Bäumen eingefaßten Wege dahinfahren.</p> - -<p>Eine Bahnfahrt in die Berge nach dem hochgelegenen Kandy führte mich -durch die wechselnden Landschaftsbilder der Insel. Anfangs die Ebene -mit Kokospalmwäldern, unterbrochen durch Reisfelder; die Copra, von -Eingeboren geerntet, bildet ein wichtiges Produkt und wird in Colombo -selbst verarbeitet.</p> - -<p>Die ersten Anhöhen kamen, von dichtem Wald bedeckt, Regen strömte -hernieder, Wolken verhüllten die Bergkuppen, die Bahn stieg bergauf -und zog auf kühn angelegter Trace an steilen Berghängen entlang. Über -liebliche Täler ging hier der Blick zu fernen Höhen. An den Hängen -hinab floß Wasser über die Terrassen der Reisfelder; Rinder weideten -dazwischen.</p> - -<p>Nach der ägyptischen Baukunst machten die Tempel auf Ceylon geringen -Eindruck. Kleinlich; es ist, als ob die Menschen nicht fähig waren, -aus der Schönheit der sie umgebenden Natur etwas in ihre Kunst hinüber -zu nehmen. Kuriosa sind es: der Zahn Buddhas, der Silberschatz, die -abgeschmackten Götzenbilder, die heiligen Schildkröten, der heilige -Baum und all der Flitter im Tempel. Desto großartiger ist die Natur -und besonders die Palmenwelt in dem geräumigen botanischen Garten -von Peredenya. Da stand eine Allee von Fächerpalmen wie das Peristil -eines griechischen Tempels. Die Formenfülle der hier vertretenen -Palmen berauschte das Auge. Neben der <span class="antiqua">Lodoicea Seychellarum</span>, -der größten Fächerpalme der Erde, zartgerippte Phönixarten, die -Siegelwachspalme mit roten Blattstengeln und die schmückenden -Königspalmen.</p> - -<div class="sidenote">Ceylon.</div> - -<p>Das Orchideenhaus erinnerte mich an die begeisterten<span class="pagenum"><a id="Seite_15"></a>[S. 15]</span> Schilderungen -eines Freundes, dessen Lieblinge diese schmarotzenden Schönen waren; -ich sah hier manche der Wunderblüten, die ich bisher nur von bunten -Tafeln her kannte.</p> - -<p>Muskatnuß und Kokain, Gummilianen und Teeblüten entdeckte man. -Ungeheuerlich wirkte das mächtige Bambusgebüsch am fließenden Wasser. -Da war jedes Rohr ein dicker Stamm, alle Gräser zusammen bildeten -unten einen geschlossenen Zaun, und man konnte sich vorstellen, welche -Schwierigkeit es sein mag, in einem Bambuswald vorzudringen, wenn nicht -Elefanten uralte Wege offen gehalten haben.</p> - -<p>Von der Bahn aus hatte ich ein merkwürdiges Tier gesehen: eine -Rieseneidechse, die wie ein Krokodil langsam über die Böschung kroch. -In Colombo wurde mir gesagt, daß es nicht schwer sei, solche Tiere im -Lande anzutreffen, und daß auch die Vogelwelt im Tieflande überaus bunt -und vielseitig sei.</p> - -<p>So machte ich mich eines Tages auf den Weg um unter Führung eines -Jägers in der Ebene südlich von Kolombo umherzustreifen; nach -mehrstündiger Bahnfahrt verbrachte ich die Nacht in einem englischen -Rasthause.</p> - -<p>Am folgenden Morgen durchwanderten wir frische grüne Wälder. Mein -Führer kannte alle die bunten Vögel, die in großer Zahl im Walde -flogen. Bald hatte ich eine kleine Kollektion beisammen, und wir hatten -bis in die Nacht zu tun, die Ausbeute zu präparieren.</p> - -<p>Es sind die einzigen Vögel geblieben, die ich im Auslande gesammelt -habe. Die Mühe des Präparierens war mir zu groß, wo größere Trophäen -lockten; deshalb habe ich in Ostafrika außer Hühnern und Tauben fast -keinen Vogel geschossen.</p> - -<p>Mit der bunten Ausbeute, die jetzt in einem Glasschrank an den ersten -bescheidenen Jagdtag am Indischen Ozean erinnert, und mit zwei großen -Eidechsen fuhr ich nach Kolombo zurück.</p> - -<p>Neun Tage waren wir von Ceylon nach den Seychellen unterwegs, ohne ein -fremdes Schiff zu sehen; eine rechte Seefahrt war es, auf der man das -Land verlernt, nur den Himmel mit den leuchtenden Gestirnen und die -dunkle Salzflut um sich sieht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_16"></a>[S. 16]</span></p> - -<p>Da kommt man dazu, alte Eindrücke zu verarbeiten und auf neue hungrig -zu werden.</p> - -<p>Daß Meere die Länder trennen und Gegensätze in dieser kleinen Welt -erhalten und begünstigt werden, geschieht um uns schauende, genießende -Menschen nicht durch langsame Übergänge stumpf zu machen!</p> - -<p>Am neunten Tage umkreisten Möwen in wachsender Zahl das Schiff und -kündeten die Nähe des Landes an.</p> - -<p>Die Inseln sind grün vom Meeresstrand bis auf die Höhen. Auf einzelnen -erkannte man reihenweise gepflanzte Kokospalmen. Die Bergspitzen der -größten Insel Mahé stecken in den Wolken. Dichtes Grün klettert in den -Schluchten hinauf. Nur einzelne schroffe Wände und große Steinblöcke, -die wie Bastionen nach der See hervorspringen, sind kahl; nach dem -Fuß der Berge wird der Pflanzenwuchs höher und voller, die Häuser -der kleinen Stadt Port Viktoria verschwinden fast darin. Eine weiße -Strandlinie setzt das Grün nach dem Wasser hin ab. Ganz unten, wo das -Meer die Insel umsäumt, leuchtet aus dem seichten Wasser ein breiter -Streifen buntfarbiger Korallen im hellsten Grün und dunklem Violett. -Es ist wunderbar, wie hier der Meeresgrund seine Farbenpracht an -das fruchtbare Gestade heranschiebt, um den großen und freundlichen -Eindruck zu vertiefen.</p> - -<p>Wir fuhren zu einem Abendspaziergang an Land. Nahe der Mole die weit -auf das Riff hinausführt, löschte ein kleines Segelschiff seine Ladung -an lebenden Schildkröten. Die Tiere wurden in ein der Mole angebautes -Bassin geworfen. Dort sah man die großen Schilde von Zeit zu Zeit -auftauchen und den Kopf herausstecken, um Luft zu holen.</p> - -<p>Ein breiter Weg führt durch den Ort auf einen Sattel an der schmalsten -Stelle der langgestreckten Insel. In den Gärten der Eingeborenen -wachsen Lemonen, Ananas, Vanille und Mais. Die Kokospalme neigt ihre -gefiederte Krone über die braunen Dächer der Hütten, in denen das Feuer -zum Abendessen aufflackert.</p> - -<div class="sidenote">Auf den Seychellen.</div> - -<p>Ein andermal marschierte ich in den erwachenden Morgen hinein, um auf -einer Tagestour die Insel kennen zu lernen. Ein guter Fahrweg geht -fast rund um die Insel herum; mehrere Ver<span class="pagenum"><a id="Seite_17"></a>[S. 17]</span>bindungswege über die Höhen. -England hat viel Geld dazu geliehen. 130 Inder mußten zum Wegebau -eingeführt werden, weil die Kreolen zur Arbeit zu faul sind. Das -rührige Vorgehen des Gouvernements in der Schaffung von Verkehrswegen -zur Erleichterung der Produktion ist um so mehr hervorzuheben, als die -Aussichten für das Land recht gering waren. Die Vanille ist stark im -Preise gesunken, seit Kunstprodukte die nicht leicht zu kultivierende -Frucht entbehrlich gemacht haben. Die Kopraproduktion aber nimmt an -Ausdehnung zu; ihr kommen die neuen Wege besonders zustatten.</p> - -<p>Zur Linken hatte ich den Strand, zur Rechten den steil ansteigenden -Berg. Hier unten drängte sich eine formenreiche Pflanzenwelt: -Kokospalmen, Brotfruchtbäume mit den großen, glänzenden und gezackten -Blättern, Oleander, der elegante Stamm einer Betelpalme und die großen -Fächer der Wandererpalme, — einer Musacee, — dann die Menge der -Sträucher, Gräser und die starken Schwerter einzelner Agaven, auf der -Höhe der den Weg begrenzenden Mauer.</p> - -<p>Der Morn Seychellois war wolkenfrei. In den zahlreichen Schluchten, in -den vom schattigen Laub überdachten steinigen Bachbetten kam in dieser -Zeit kein Wasser zu Tal. Haushohe Granitblöcke lagen am Strand, vom -Meer umspült.</p> - -<p>Ein kleiner Kreolenknabe führte mich in einer Schlucht bergan, vorbei -an einem Wasserfall, nach Kaskade Estates, der Farm eines Engländers.</p> - -<p>Der Besitzer war zu Hause und begleitete mich in stundenlangem -Spaziergang durch die Anlagen. Eine Menge Nutzpflanzen sah ich zum -ersten Male: die Vanille, deren Schoten im Schatten großer Bäume -gedeihen: (die Befruchtung der Blüten muß künstlich geschehen, weil der -kleine Vogel, der in Amerika den Blütenstaub von Pflanze zu Pflanze -trägt, auf den Seychellen nicht lebt.)</p> - -<p>Auch die hohen Nelkenbäume mit roten Blüten waren mir unbekannt, ebenso -der Indigo und eine andere Farbpflanze: der Arnotto, dessen Früchte in -rote Farbe gebettet sind, die in Amerika, der Heimat der Pflanze, von -den Indianern zum Bemalen der Haut, in Holland zum Färben von Butter -und Käse verwandt wird.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_18"></a>[S. 18]</span></p> - -<p>Eine Menge anderer Pflanzen sah ich noch, die zum Versuch oder nur aus -Interesse an der Botanik angebaut waren.</p> - -<p>Auch über die Tierwelt war mein Gastgeber gut unterrichtet, hatte -eine kleine Bibliothek auserlesener Bücher und erklärte mir an seiner -Pflanzen- und Schneckensammlung merkwürdige Zusammenhänge.</p> - -<p>Die Gruppe der Seychellen umfaßt 29 Inseln, die alle nicht weit -auseinanderliegen; dennoch sind auffallende Trennungen in der Flora und -noch mehr in der Fauna zu finden.</p> - -<p>Die Lodoicea, die riesige Fächerpalme wächst wild nur auf zwei Inseln: -Praslin und Curius island. Ebenso soll es einen Vogel geben, der nur -auf Mahé vorkommt, einen andern, der nur auf Praslin und Felicité lebt -und alle übrigen 27 Inseln meidet.</p> - -<p>Wenn das schwer nachzuweisen ist — abgesehen von der Tiefseeexpedition -mit ihrem vorübergehenden Aufenthalt, hat sich ein deutscher -Zoologe längere Zeit auf den Seychellen aufgehalten —, so muß man -staunen, wenn man in der genau mit Datum und Fundort bezeichneten -Konchiliensammlung sieht, daß eine Schnecke, die auf allen Inseln -nur mit ganz rundem Gehäuse vorkommt, auf einer einzigen Insel -ausschließlich mit einer ausgesprochen scharfen Kante gefunden wird.</p> - -<p>„Das sind,“ sagte der Pflanzer, „Beobachtungen, an denen sich jeder -Naturfreund freuen sollte; die die Größe der Natur erhöhen und an denen -wir schlichten Sammler Entdeckerfreuden erleben.“</p> - -<p>Er nahm Haeckels „Welträtsel“ — in englischer Ausgabe — aus seinem -Bücherschrank und sagte, die deutsche Jugend könne sich freuen, daß ihr -ein solches Buch gegeben würde, zur Teilnahme an einem großen Kampf.</p> - -<p>Nach dem Essen saßen wir in bequemen Stühlen auf der Veranda, und mein -Gastgeber lockte durch Pfeifen eine große Zahl kleiner Vögel und wilder -Tauben heran, die so zahm waren, daß sie aus der Hand fraßen.</p> - -<p>Auf dem Rückwege nahm ich unter dem Wasserfall ein Bad, dann segelte -mich ein alter Neger in seinem Einbaum mit gutem Winde über die -Korallenriffe hinweg an Bord zurück.</p> - -<p>Mir wurde erzählt, daß in den Bergen der Inseln eine<span class="pagenum"><a id="Seite_19"></a>[S. 19]</span> ganz besondere -Vegetation zu finden sei: der tropische Urwald mit riesigen Bäumen -und seltenen Holzarten. Das mochte man kaum glauben, wenn man vom -Ankerplatz des Schiffes aus nach den Höhen der Granitfelsen hinaufsah.</p> - -<p>Die trockenen Reiser, die dort oben sichtbar wurden, wenn die vom Winde -bewegten Nebel ein Fenster offen ließen, sollten große tote Bäume sein?</p> - -<p>Unter Führung schwarzer Holzarbeiter stieg ich eines Morgens hinauf und -stand nach vierstündigem Klettern auf dem höchsten Punkt der Insel, -dreitausend Fuß über dem Meere.</p> - -<p>Urwald umgab mich hier; Laubbäume, von denen Tautropfen fielen, große -Baumfarren und Moos.</p> - -<p>Zwischen den lebenden Stämmen standen riesige unbelaubte -Eisenholzstämme; seit Jahrzehnten abgestorben trotzte ihr zähes Holz -den Einflüssen der Witterung.</p> - -<p>Über die Wipfel der Bäume hinweg sah ich den Horizont.</p> - -<p>Insel im Meere! — Rundum suchte der Blick nach fernem Land; die weite, -bewegte Flut trennte mich von der Heimat und von der Fremde.</p> - -<p>Die Heimat mit ihrem Wissen, Verarbeiten und Erziehen machte mich -hungrig nach der Fremde! Und Freude an der fremden, bunten Welt hier -draußen lockte mich am frühen Morgen hinaus. Da sah ich das Meer, -im Morgenlicht; die erwachende Tierwelt und die Menschen, die die -Tagesarbeit vorbereiten.</p> - -<p>Nicht der satte Mittag, an dem schon der nächste Tag erhofft wird, kann -den reinen Genuß geben, den der Morgen dem Lebenden gibt.</p> - -<p>Dem erwachenden Tag, dem Morgen mit seiner Schönheit, seinem -aufklärenden Licht habe ich Freuden und Erfolge in Afrika zu danken. —</p> - -<p>Auch was ich an Kulturansätzen sah, in dem Lande, dem meine -Hauptaufmerksamkeit galt, war wie ein junges, erwachendes Leben. -Endlich war es für mich der erste Versuch frei und selbständig in -die Welt zu gehen und die Dinge anzuschauen; ich selbst stand „im -Morgenlicht“. —</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_20"></a>[S. 20]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg20ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_20_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die katholische Kirche in Daressalam.</p> -<p>Der stolze Bau gibt, in Verbindung mit dem geschmackvoll gebauten -Bischofspalast, dem Städtebild sein Gepräge. Besonders vom Hafen -aus ist der Blick auf die Stadt schön. Im Vordergrund des Bildes -rechts sieht man eine Pandanus mit ihren Stelzwurzeln; die den Ananas -äußerlich ähnlichen Früchte werden in Ostafrika angeblich nicht -gegessen.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Daressalam">Daressalam.</h2> - -</div> - -<p>Die Küstenplätze Ostafrikas, ihre Einrichtungen und Anlagen zu -beschreiben, habe ich mir nicht zur Aufgabe gemacht. Gute Schilderungen -von berufenen finden sich in vielen neuerschienenen Büchern; ich will -nur einen kurzen Einblick geben in Dinge, die nicht oft erwähnt zu -werden pflegen.</p> - -<div class="sidenote">Daressalam.</div> - -<p>Als S. M S. Bussard im Sommer 1904 in den Hafen von Daressalam einlief, -war es noch das alte Daressalam; wir durften die ganz stille Zeit noch -miterleben. Ein Jahr später begann der Bahnbau und brachte Leben in die -Stadt. Die Kaufleute hatten zu tun, Unternehmer begannen den Bau der -Bahnstrecke, ein Arbeitsmarkt entstand.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_21"></a>[S. 21]</span></p> - -<p>Der Aufstand kam hinzu, Marinetruppen kamen und gingen; oft lagen drei -Kriegsschiffe zugleich im Hafen.</p> - -<p>Die alte stille Zeit: Da war Daressalam Regierungssitz; für Handel und -Verkehr aber nicht mehr als der Ausgangspunkt für die Pugustraße, die -eine Tagereise weit ins Land führte. Die Karawanen des Zentralmagazins -gingen von hier nach den Innenstationen.</p> - -<p>Sobald man das Weichbild der Stadt überschritt, kam man in Busch, in -Pflanzungen der Eingeborenen. Sehr bezeichnend ist der Ausdruck, den -ich aus dem Munde des Herausgebers der Deutsch-Ostafrikanischen Zeitung -hörte:</p> - -<p>„Beim Anblick Daressalams hat man immer das Gefühl: ‚<span class="antiqua">bado</span>‘ -(‚noch nicht!‘).“</p> - -<p>Dieser Ausspruch soll etwa heißen: jeder, der das Land sieht, sagt: -„ein reiches, aussichtsvolles Land!“ Immer neue kommen, gehen, -erzählen daheim, wie schön es ist, und immer noch läßt der erwartete -Unternehmungsgeist auf sich warten.</p> - -<p>Das ist inzwischen freilich anders geworden: Daß ohne Bahnen kein noch -so reiches Land erschlossen werden kann, hat nachgerade jetzt jeder -eingesehen und bald wird man vergessen haben, welche Mühe sich das -Gouvernement hat geben müssen, um in Deutschland richtige Ansichten -über die Kolonie zu verbreiten.</p> - -<p>Die anerkennenswerten Versuche, durch Wegebau, Begünstigung der -Eingeborenenkulturen, — besonders was Baumwollbau anbetrifft, — -die Produktion zu heben, werden hoffentlich bald von den Folgen des -Bahnbaus in Schatten gestellt sein.</p> - -<p>Wochenlange Reparaturzeit, die das Kriegsschiff dank der zu solcher -Leistungsfähigkeit entwickelten Werft der Gouvernementsflottille im -Hafen von Daressalam, anstatt in Kapstadt, verbringen konnte, gab uns -Gelegenheit, an Land zu wohnen und das Städtchen kennen zu lernen.</p> - -<p>Vor Wind und Wetter geschützt hatte das Schiff im Hafen, von Daressalam -einen angenehmen Aufenthalt. In wenigen Minuten war das Land erreicht -und nach kurzem Spaziergang konnte man — nötigenfalls durch drei -Pfiffe — das Dinghi, (das kleinste Boot des Kriegsschiffs), mit einem -Neger der Wache be<span class="pagenum"><a id="Seite_22"></a>[S. 22]</span>mannt, querab am Strand haben, um schnell wieder an -Bord zu gehen.</p> - -<p>Der Entschluß, an Land zu gehen, wurde einem daher nicht so schwer, -wie an Plätzen, wo das Schiff weit von der Küste auf Reede lag und nur -wenige Routineboote den Verkehr mit Land aufrecht hielten. In dem Falle -überlegte sich mancher, ob er sich den Unbequemlichkeiten der weiten -Bootfahrt aussetzen sollte?</p> - -<p>Wir Seeoffiziere waren in Daressalam stets in beneidenswerter Lage. -Wenn man den Nachmittag nach beendetem Dienst mit Spaziergängen in den -Palmenwäldern und in anregendem Verkehr mit den Offizieren, Kaufleuten -und Beamten der Stadt verbracht hatte, dann brauchte man nicht in -dumpfiger, heißer Stube unter ein Moskitonetz zu kriechen, sondern fuhr -in wenigen Minuten auf sein schwimmendes Heim zurück, das von Insekten -unbehelligt auf dem Wasser lag. Da fand man seine kleine Kammer vor -und schlief bei der größten Hitze und Windstille gleich gut; weil ein -kleiner, elektrischer Ventilator frische Luft über das Bett wehte.</p> - -<p>So konnte man die Vorzüge des Landes genießen, ohne die Nachteile in -Kauf nehmen zu müssen.</p> - -<p>— Einige Europäer haben schon daran gedacht, in Hausbooten auf -dem Wasser zu wohnen, und den Zolldirektor in eine eifrige Debatte -verwickelt über die Frage, ob sie dort Getränke zollfrei genießen -dürften. —</p> - -<p>Es trieb mich, die Stadt und das Leben in den Straßen zu sehen.</p> - -<p>Vor Tageslicht stand ich auf. Als ich im Dinghi an Land fuhr, -beleuchtete die Sonne warm die weißen Gebäude am Strand; am Zoll ging -ich vorbei.</p> - -<p>Da saß ein schläfriger, schwarzer Matrose und blickte auf die -Araberdhaus, die neben der Brücke verankert lagen; dort regte es -sich schon; die großen Segel wurden gehißt, kräftige schwarze -Seeleute holten an dem Fall; die schweren Takel knarrten, während die -Kokosstricke hindurchliefen.</p> - -<p>Mit dem ersten Morgenwind trieb täglich eine Anzahl der malerischen -Fahrzeuge dem Ausgang der Bucht zu.</p> - -<p>Sie brachten Brennholz vom Rufiyidelta, Kopra von Tschole-<span class="pagenum"><a id="Seite_23"></a>[S. 23]</span> (Mafia) -oder Baumwolle von Kilwa und Mohorro; auch Gummi aus dem Dondeland, -Getreide und Wachs.</p> - -<p>Ein Boy führte mir das bestellte Reittier vor.</p> - -<p>Wenige Europäer standen erst unter den Vorbauten der Wohnungen.</p> - -<p>Ich ritt mitten durch die Negerstadt und sah mit Vergnügen zu, wie ein -schreiendes Kind von seiner Mutter gründlich gewaschen wurde.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg23ill"> - <img class="w100" src="images/pg_23_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Straße in Daressalam.</p> - -<p>Häuser der Europäer, aus Korallenstein erbaut. In dem linken Hause -befindet sich die Druckerei der Deutsch-Ostafrikanischen Zeitung. Eine -‚Bibi‘ in mit großen Sternen bedruckte Tücher gekleidet, trägt eine -Tasse mit Öl in der Hand. Zwei Träger mit Lasten auf Kopf und Schulter; -Boys und ein Eselwagen der Gemeindeverwaltung.</p></div> -</div> - -<p>Aus den Hütten kamen Negerinnen heraus, die morgens baden, Wasser holen -und sich zum Marktgang vorbereiten.</p> - -<p>Durch die Palmenpflanzungen der Sultansschamba erreichte ich die -Ölpalmenquelle. Zwischen großen Abhängen senkt sich das Tal zum Creek -hin, der zur Flutzeit vom Meerwasser über<span class="pagenum"><a id="Seite_24"></a>[S. 24]</span>schwemmt wird. In dem -feuchten Tale stehen ein Dutzend der an der Ostküste seltenen Ölpalmen -als dunkle Gruppe.</p> - -<p>Viele Negermädchen mit Blechtins und irdenen Töpfen waren auf dem Wege -dorthin; an der Quelle schöpften sie Wasser in ihre Gefäße.</p> - -<p>Auf der Straße nach Bagamoyo schritten drei Bibis rüstig aus. Die eine -trug ein kleines Kind auf dem Rücken; in der Hand einen Regenschirm. -Der Reiseanzug bestand aus sauberen, bunten Tüchern; ein Tuch war um -den Kopf gewickelt. Ich fragte wohin sie gingen?</p> - -<p>„Nach Bagamoyo!“</p> - -<p>„In einem Tage?“</p> - -<p>„Heute schlafen wir in Mbweni!“<a id="FNAnker_1" href="#Fussnote_1" class="fnanchor">[1]</a> —</p> - -<p>Sie gingen den Abhang hinab in das Simbasital, in dem viel -Mangrovengebüsch steht und an die Überschwemmungen des Meeres zur -Flutzeit erinnert.</p> - -<p>Neger mit Feldfrüchten kamen aus den Schamben und gingen zum Markt.</p> - -<p>Auf der Karawanenstraße begegneten mir Träger, die in den großen Hütten -der Karawanserei übernachtet hatten; Fremdlinge, die das gedrängte -Leben der Großstadt fast zu verwirren schien. Sie gingen zum Markt, um -sich Essen zu kaufen: Matamamehl, einige Mohogoknollen und für 1 Pesa -Fisch, in kleinen Stücken auf Pflanzenfasern gereiht.</p> - -<p>Im Staube der Straße saßen am Wege kleine Mädchen hinter geschnitzten -Holztellern, auf denen fettiges Gebäck und gebratene Fische zum Verkauf -lagen. Hier kaufen sich der Boy, der zur Arbeit geht, die Bootsleute -und die Hafenarbeiter ihr Frühstück.</p> - -<p>Dicht dabei war eine regelrechte Eingeborenenkneipe, in der allerdings -nur Sodawasser verschenkt wurde. Die Gäste genossen das prickelnde -Getränk unmittelbar aus der Flasche. Auch Tische standen da und es -wurde Karten gespielt. Hier verkehrten die oberen Zehntausend der -Schwarzen, die Lebewelt, Boys, die gerade Geld bekommen hatten, und -Askari. — Daß die Damen keinen Zutritt hatten, ist selbstverständlich. -—</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_25"></a>[S. 25]</span></p> - -<p>Die Mehrzahl der Gäste waren Stutzer mit langem, bis an die Knöchel -reichendem Hemd, weißer, gestickter Mütze und dünnem Stöckchen. Mancher -trug auch über dem Hemd eine Weste.</p> - -<div class="figcenter illowe25" id="pg25"> - <img class="w100" src="images/pg_25.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Quelle am Simbasital bei Daressalam.</p> - -<p>Negerweiber kommen von weither aus der Stadt, um hier gutes Wasser für -den Hausgebrauch zu schöpfen. In Tontöpfen und Petroleumtins tragen sie -das Wasser auf ihren Köpfen heim. Im Hintergrunde des Bildes sieht man -eine Gruppe der an der Ostküste seltenen Ölpalmen (Elaeis).</p></div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_26"></a>[S. 26]</span></p> - -<p>Durch enge Gäßchen kam ich auf einen sauber gefegten Platz, wie -es viele in den Dörfern der Küstenneger gibt: Hütten mit offener -Veranda, in der eine Bibi sitzt und Streifen Flechtwerk zu einer Matte -zusammennäht. Zäune aus trockenen Palmblättern von grünen Bananen, -Papayen und Zuckerrohr überragt; ein Mangobaum, in dessen Schatten -ein halbes Dutzend Neger um eine polierte Tischplatte herumsitzen und -Karten spielen.</p> - -<p>Zwischen den Inderläden ritt ich entlang. Mädchen mit Körben auf dem -Kopfe für Einkäufe, andere mit einer Flasche oder Tasse, um Öl zu -holen. Auch dies wird auf dem Kopfe getragen; denn die Bibi will beide -Arme frei haben, weil sie mit ihren nur lose umgeschlagenen Tüchern -dauernd zu schaffen hat. An ihrer ganzen Kleidung, die aus zwei dünnen -Baumwolltüchern besteht, ist kein Knopf, keine Naht.</p> - -<p>Auch die Männerkleidung muß erst gesäumt und genäht werden. In -offenen kleinen Buden sitzen ein halbes Dutzend fleißige Suaheli -an Nähmaschinen, nähen Mützen und säumen Tücher. Ein merkwürdiger -Geschmack wird vielfach dabei entfaltet, z. B. Nachahmung von -Oberhemden der Europäer mit Manschetten, die ohne Knöpfe getragen -werden und bei jeder Arbeit hinderlich sind.</p> - -<p>Das Nähen ist nach Anschauung der Suaheli eine Arbeit, die nicht -schändet und deshalb auch von Männern ausgeführt werden kann, während -Feldarbeit, Bereitung des Essens, Wasserholen von dem vornehmen Suaheli -den Weibern überlassen wird.</p> - -<p>An der Markthalle gab ich mein Reittier einem Boy, der es in den Stall -brachte.</p> - -<p>Auf dem Markt war viel zu sehen. Zwischen den Säulen der Halle bewegten -sich die Käufer und Käuferinnen.</p> - -<p>Ich folgte einer Negerin, die einkaufte.</p> - -<p>Sie nahm ihr Körbchen vom Kopfe und suchte sich eine halbe Kokosnuß -aus; sorgfältig und sauber geöffnet lagen die Nüsse da; dann kam sie -zu einem Händler, der fein geriebenen Tabak feilhielt. Das Quantum für -je ein Pesa war in Papier gewickelt. Sie nahm aus einer Schale eine -Probe und wischte den Tabak hinter die Unterlippe, dasselbe wiederholte -sie bei dem<span class="pagenum"><a id="Seite_27"></a>[S. 27]</span> nächsten Händler. Hier schien es besser zu schmecken; sie -zahlte die Kupfermünze und nahm ein Päckchen. Dann wurde mit ähnlicher -Sorgfalt ausgewählt: Mohogo, Fisch und anderes.</p> - -<p>Jede Ware ist in kleine Portionen geteilt. Feilschen ist überflüssig, -dennoch ist ein ohrenbetäubendes Reden, Lachen, Zetern und Schreien in -der Halle. Askari, schwarze Polizisten, die Goanesenköche der Hotels -drängen sich zwischen Leuten aus der Karawanserei und den vielen -buntgekleideten Weibern.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg27ill"> - <img class="w100" src="images/pg_27_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"> -<div class="capright">Phot. aus Daressalam.</div> - -<p>Negerkinder auf der Straße, beim Essen.</p></div> -</div> - -<p>An Früchten liegen dort besonders Bananen, Lemonen, Papayen, Ananas, -Zuckerrohr, Mohogo; auch Bohnen und Zwiebeln. Wer sich genauer für die -Produkte interessiert, findet viele Dinge, die ihm neu sind.</p> - -<p>Da werden auch gebleichte Blätter der Phönixpalme (zur Herstellung von -Matten) verkauft und Wurzeln, aus denen der Farbstoff zum Färben des -Flechtmaterials gewonnen wird.</p> - -<p>An seltsamen Fischen sieht man: die großen Stachelrochen, mit -meterlangen scharfkantigen Schwänzen, Tintenfische und Haie.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_28"></a>[S. 28]</span></p> - -<p>Das Haifischfleisch gibt einen widerlichen Geruch von sich und kann dem -Europäer die Spaziergänge im Eingeborenendorf gründlich verleiden.</p> - -<p>Der Markt hatte für mich große Anziehungskraft, denn hier konnte ich -am leichtesten die Stimmung beobachten, die der Neger empfindet, wenn -er in das Volksgedränge kommt, unter die vielen Menschen, die, was -sie schnell verdienen, ebenso schnell wieder verzehren, und deren -Zufriedenheit beim Anblick der reichlichen Lebensmittel in den Worten -zum Ausdruck kommt: „<span class="antiqua">killa kitu tayari</span>: es ist alles da“.</p> - -<p>Jeder Fremde, der Daressalam auf der Durchreise besucht und das -Eingeborenenviertel vergleicht mit den Wohnungen der Kaffern in -Delagoabay oder der Neger in Mombasa, bekommt denn auch den Eindruck, -daß es den Schwarzen im deutschen Gebiet gut geht.</p> - -<p>Vom Markt aus bog ich in die Straße „Unter den Akazien“. Knallrote -Blüten bedeckten die Bäume.</p> - -<p>Am Ende der langen Baumreihe liegt der Kulturgarten mit dem Hospital; -nicht weit davon das Wohnhaus des Gouverneurs in schönen Parkanlagen -versteckt, mit der Aussicht auf das Meer.</p> - -<p>Hart am Strande, hinter einem Kasuarinenwäldchen, ist ein kleines -Gebäude halb in das Wasser hinausgebaut: das Aquarium; ein kleiner, -aber viel versprechender Anfang, die reiche Fauna des ostafrikanischen -Meeres zu zeigen und wissenschaftlich zu erforschen.</p> - -<p>Hier fand ich den Stabsarzt unsers Kriegsschiffes beschäftigt, die vier -Wasserbassins mit frisch gefangenen Fischen zu besetzen und durfte mich -auch an dem Anblick einiger großer Langusten erfreuen, die für den -Tisch der Offiziermesse bestimmt waren.</p> - -<p>Da in den nächsten Tagen die Ankunft eines großen Postdampfers von -Süden erwartet wurde, sollte das Aquarium zu einer Sehenswürdigkeit für -die Passagiere gemacht werden, und eine Fahrt nach den Korallenriffen -bei der Leuchtturminsel Makatumbe war nötig, weil dort der -Aquariumssammler reiche Ausbeute findet.</p> - -<p>Jetzt schon lagen in dem ersten Bassin Tintenschnecken wie<span class="pagenum"><a id="Seite_29"></a>[S. 29]</span> leblos -zwischen Steinen und Sand, durch sonderbare Höcker und Runzeln ihrer -Umgebung so angepaßt, daß sie schwer darin zu unterscheiden waren. -Zerschnittene Fische, in das Bassin geworfen, brachten schnell Leben in -die unförmigen Geschöpfe, die die Bissen mit den Fangarmen ergriffen -und zum Munde führten.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg29ill"> - <img class="w100" src="images/pg_29_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Im Palmenwald bei Daressalam.</p> - -<p>Die Palme im Vordergrund zeigt die Einkerbungen, die den Negern als -Stufen dienen, um auf die Baumkrone hinaufzusteigen, Palmwein zu -zapfen, oder Nüsse abzuschlagen. Alle Palmen, bei denen Anzapfen -gestattet ist, sind mit einem <span class="antiqua">T</span> (<span class="antiqua">tembo</span> = Palmwein) -gezeichnet. Dunkle, dichtbelaubte Mangobäume stehen zwischen den -schlanken Stämmen der Kokospalmen. Rechts sieht man auf dem Bilde -einen gemauerten Brunnen mit Auftritt. Der Afrikaner spricht von einer -„Palmenschamba“, d. h. Pflanzung, weil es natürliche Kokoswälder dort -nicht gibt.</p></div> -</div> - -<p>Seesterne, Schlangensterne, Seeigel und Seegurken lagen auf dem Boden -des nächsten Bassins; ein Farben- und Formenreichtum, der das Auge -entzückte. Urkomisch waren die hier häufigen Kofferfische und die -Kugelfische, die sich, aus dem Wasser gehoben, wie ein Ballon aufpumpen -und ihre Stachel von sich spreizen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_30"></a>[S. 30]</span></p> - -<p>Die Pflege eines Seewasseraquariums erfordert viel Mühe und Sorgfalt, -denn nicht alle Fische halten sich in der Gefangenschaft und gewisse -Arten kann man nur wenige Stunden im Bassin beobachten, dann sterben -sie.</p> - -<p>Obwohl es nicht schwer ist, neue Tiere zu fangen und auch die schwarzen -Fischer häufig Schaustücke mitbringen, kann das Aquarium deshalb nicht -immer eine große Sehenswürdigkeit sein. Wer sich jedoch erst einmal -dafür interessiert, für den gibt es immer etwas zu sehen.</p> - -<p>Am nächsten Morgen begleitete ich den Stabsarzt hinaus, um auf den -Riffen von Makatumbe für das Aquarium zu sammeln.</p> - -<p>Der Südwestmonsum wehte und das aus dem Hafen hinauslaufende Wasser -förderte die Fahrt unserer kleinen einheimischen Auslegerboote. Wenn -der Wind recht stark in das Segel des primitiven Fahrzeugs faßte, -konnte man weit zu luvard auslegen und sah dann das klare, grüne Wasser -unter sich hindurchschießen. Mit uns verließ eine große Inderdhau -die enge Einfahrt, um ihren Kurs nach Sansibar zu nehmen. Der braune -Holzkasten mit der plumpen Takelage und den großen Segeln paßte so -recht zu dem Palmenstrand im Hintergrund und zu den farbigen Menschen.</p> - -<p>Nach einer Fahrt von etwa einer halben Stunde landeten wir auf der -Leuchtturminsel. Die Boote wurden auf den Sandstrand gezogen; die Neger -folgten uns mit Eimern und Glasgefäßen auf die Riffe, die schon fast -frei von Wasser waren.</p> - -<p>Strandläufer und Reiher flogen auf.</p> - -<p>Große, gehobene Korallenfelsen standen da, von der zur Flutzeit -drumherumtobenden Brandung zu fantastischen Formen zurechtgeschlagen. -An dem zackigen, scharfkantigen Gestein saßen Austern, die man mit -Beilen losschlagen mußte; eine kleine aber wohlschmeckende Art.</p> - -<p>Viele Krabben liefen über die Steine hin, ihre spinnenähnlichen, von -gelenkigen Beinen schnell fortbewegten Körper sahen drollig aus, weil -sie nicht vor- oder rückwärts, sondern seitwärts liefen; die Stielaugen -und Fühler waren dabei nach oben gerichtet.</p> - -<p>Die feuchte Oberfläche des Riffs hatte eine braungrüne<span class="pagenum"><a id="Seite_31"></a>[S. 31]</span> Farbe. Viele -kleine und große Wasserbecken waren von der Flut zurückgeblieben; jedes -ein natürliches Aquarium mit großem Reichtum an Lebewesen, die sich -vor den glühenden Sonnenstrahlen dorthin geflüchtet hatten, wenn sie -nicht in Hohlräumen unter den Steinen die Rückkehr der Flut erwarteten. -Hunderte von Einsiedlerkrebsen, die sich kleine Muschelschalen, ein -fremdes Kleid, angezogen hatten, spazierten mit ihrem Haus unter den -Schutz der Korallensteine und Tangpflanzen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg31ill"> - <img class="w100" src="images/pg_31_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Johannesstraße bei Daressalam.</p> - -<p>Links das Meer, davor einige Pandanen; am Strand ein Fischerboot, das -seine Segel zum Trocknen ausgespannt hat. In den Kokospalmen rechts ein -Fischerdorf. — Die Straße ist nach Major Johannes benannt, einem der -ältesten Offiziere der Schutztruppe, der die Entwickelung der Kolonie -bis heute aktiv miterlebt hat und im Aufstand im Jahre 1905/06 die -Operationen der Schutztruppe im Süden der Kolonie leitete.</p></div> -</div> - -<p>Wenn man die Steine umdrehte, entfloh aalgleich eine Moräne; vor ihrem -scharfen Biß, der wie der Schnitt eines Rasiermessers ins Fleisch -dringt, mußte man sich hüten. Blitzschnell wand sie sich über den Boden -dahin und war in der nächsten Höhlung verschwunden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_32"></a>[S. 32]</span></p> - -<p>Die Unterseite einer umgedrehten Steinplatte ist bunt wie die Palette -des Malers. Weichtiere, Schnecken, Brut und Algen in allen erdenklichen -Farben, dazu Schlangensterne verschiedener Art, bunte Muscheln und -Krebstiere. Ein natürliches Wasserbecken nun gar erst, umschließt eine -Welt für sich; wenn kein Wind die Oberfläche kräuselt und die Sonne -warm hineinscheint, ist es ein hoher Genuß für den Naturfreund, dem -Leben darin zuzusehen.</p> - -<p>Die zerklüfteten Korallensteine stellen gleichsam die Landschaft dar; -Berge, Halbinseln, Grotten erscheinen da, Algen und Tange bilden -Wälder, in denen sich Schnecken, Holothurien und Seesterne verbergen, -während Fische über die Bäume hinwegfliegen wie Vögel in der Luft.</p> - -<div class="blockquot bbox"> - -<p>Ostafrikanische Negerin in der Tracht der Küste.</p> - -<p>Ein mit seltsamen Mustern bedrucktes Baumwolltuch bildet ihr -Kleid; es ist über der Brust eingefaltet. Auf dem Nacken liegt -eine Messingkette. Um den Hals trägt sie ein Band mit blauen -Glasperlen; in jeder Ohrmuschel drei Pfropfen aus zusammengerolltem -Papier mit Staniolstreifen durchzogen. Ihr kurzes, krauses Haar -ist mehrfach gescheitelt und in getrennten Bahnen geflochten. -Mit der linken Hand hat sie hinter dem Rücken den rechten -Oberarm angefaßt; durch diese Haltung tritt das Schlüsselbein -besonders stark hervor. Die meisten Negerinnen gehen aufrecht und -schön, weil schon die Gewohnheit, alle Gegenstände (selbst den -zusammengefalteten Sonnenschirm!) auf dem Kopf zu tragen, sie zu -guter Haltung erzieht. Leuchtend weiße, wohlgepflegte Zähne sind -nach unserm Begriff ihr schönster Schmuck. Die Schönheitspflege der -Küstennegerin erstreckt sich sogar auf die Haut und die Fingernägel.</p> - -</div> - -<div class="figcenter illowe24_6" id="pg33ill"> - <img class="w100" src="images/pg_33_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ostafrikanische Negerin in der Tracht der Küste.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_33_ill_gross.jpg" id="pg_33_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Wenn nun der Blick auf einer ganz beschränkten Stelle haftet,<span class="pagenum"><a id="Seite_35"></a>[S. 35]</span> regt -sich dort eine noch kleinere Welt, deren Gestalten schließlich nur noch -mit dem feinen Planktonnetz gefaßt und mit dem Mikroskop erkannt werden -können.</p> - -<p>Während wir noch Eimer und Gläser mit wunderlichem Gewürm anfüllten, -zogen Neger einen mehrere Meter langen Hai auf den Strand. Sie hatten -ihn mit der Angel gefangen und versprachen sich guten Gewinn auf dem -Markt.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg35ill"> - <img class="w100" src="images/pg_35_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"> -<div class="capright">C. Uhlig.</div> -<p>Korallenfelsen bei der Insel Makatumbe.</p></div> -</div> - -<p>Ich bestellte mir das große Gebiß, das eine Öffnung von fast ½ -<span class="antiqua">m</span> hatte. Der Fisch wurde in Stücke geschnitten, und nur die -Wirbelsäule blieb liegen. Die Neger brachten noch einen anderen -merkwürdigen Fisch: den Schiffshalter. Er trägt an Stelle der vorderen -Rückenflosse eine Haftscheibe, mit der er sich, — obwohl er selbst -sehr gewandt schwimmt, — um schneller vorwärts zu kommen, an dem Boden -der Schiffe oder an großen Fischen festsaugt.</p> - -<p>Wir legten ihn in eine Holzbalje mit Wasser; er hielt sich an der -glatten Innenwand so fest, daß ich ihn nur mit großer Gewalt losreißen -konnte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_36"></a>[S. 36]</span></p> - -<p>Die Flut kam. Schon warf sich die Brandung höher auf die Riffe; ihr -Brausen mahnte uns, schnell zur Insel zurückzugehen, um mit der reichen -Beute die Heimfahrt anzutreten.</p> - -<p>Wir sahen über die Bucht mit ihren grünen Ufern. Hier haben vor dreißig -Jahren noch Flußpferde in der See gelebt! Weit in das Meer hinaus sind -die großen, plumpen Säugetiere geschwommen. In allen Buchten sind -sie heimisch gewesen und von der Küste aus bis nach der Insel Mafia -hinübergetrieben, wo sie heute noch zu finden sind.</p> - -<p>Das ist gewesen.</p> - -<p>Der Ozean aber birgt ein Leben, das unendliche Gelegenheit zu -Beobachtung gibt. Mir scheint, dies Leben ist mit seinem Reichtum -an Farben und Formen, mit seiner Vielseitigkeit, seinen Wundern und -ungelösten Problemen so recht zur Freude des Menschen da und zeigt ihm -unendliche Wege, die sein Wissensdrang noch gehen kann.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_1" href="#FNAnker_1" class="label">[1]</a> Spr.: <span class="antiqua">bueni</span>.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_37"></a>[S. 37]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg37ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_37_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Eine Dhau aus Kilwa auf dem Mohorrofluß.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="An_der_Kueste">An der Küste.</h2> - -</div> - -<p>Die über siebenhundert Kilometer lange Küste Deutsch-Ostafrikas ist -reich an guten Häfen für die größten Schiffe, an Creeks und stillen -Buchten für den Dhauverkehr und die Fischerei der Eingeborenen. Inseln -und Bänke sind dem Festlande vorgelagert und schützen gegen die Dünung -des Indischen Ozeans.</p> - -<p>Dadurch zeichnet sich die Küste aus vor der des südlichen und -westlichen Afrikas, die schwer zugänglich ist, und an der sich die -Schiffahrt der Eingeborenen nicht hat entwickeln können. Der Küste -gegenüber liegen die großen, fruchtbaren Inseln Pemba, Sansibar und -Mafia.</p> - -<p>Die Nähe der Insel Sansibar und das Vorhandensein reichbevölkerter -Inselgruppen im Indischen Ozean, die Wind- und Wetterverhältnisse, die -den Verkehr mit Indien und Arabien begünstigten: dies alles hat dazu -beigetragen, daß hier zu allen Zeiten ein reger Handelsverkehr bestand.</p> - -<p>Der Segelschiffverkehr an der Küste von Deutsch-Ostafrika steht im -Zeichen von regelmäßig alljährlich auftretenden<span class="pagenum"><a id="Seite_38"></a>[S. 38]</span> Winden; sieben Monate -lang weht bei Sansibar der Südwest-, drei Monate der Nordost-Monsun. In -der übrigen Zeit ist der Wind unbestimmt; die beiden regelmäßigen Winde -aber sind die Grundlage des Handels zwischen Ostafrika und Indien.</p> - -<p>Gegen Ende November, wenn der Nordostwind seine volle Stärke erreicht -hat, füllt sich der Hafen der schönen Nelkeninsel mit Inderdhaus. -Aber auch Mombasa, Daressalam und Mocambique werden von diesen -altertümlichen Holzschiffen angelaufen.</p> - -<p>Die Unsicherheit der Festlandsküste war vor allem Ursache der großen -Bedeutung Sansibars; es wurde der Stapelplatz für alle Güter, die aus -Ostafrika herauskamen und die Operationsbasis für Unternehmungen nach -dem Innern des Kontinents.</p> - -<p>Zugleich war es der günstigste Platz für den Sklavenmarkt, weil die -Insel als fast einziger Produzent der Gewürznelken in der ganzen -Welt stets Arbeiter in den Pflanzungen beschäftigen konnte, und -Menschenkräfte dort nicht brach zu liegen brauchten.</p> - -<p>An die Geheimnisse dieses Handels wird erinnert, wer in den Gewässern -zwischen den Inseln und dem Festlande tagelang kreuzt, wie wir es mit -S. M. S. Bussard taten.</p> - -<p>Die lieblichen Einfahrten, mit hellgrün schimmernden Korallenbänken, -die vielen, kleinen, mit dichtem Busch bestandenen Inseln; die weit ins -Land greifenden Creeks, eintönig mit Mangroven geschmückt: das ist der -Hintergrund für die Schiffahrt schwarzer Menschen in naturfarbenen, -wenig gepflegten Holzkästen mit Baststricken und großen, kühn im Winde -geschwellten Segeln über blauer Flut.</p> - -<p>Die Fischerei wird noch immer selbständig von den Eingeborenen -ausgeübt; in selbstgefertigten, schmalen Auslegerbooten; mit -Angelschnur und Korbreuse in tiefem Wasser, mit Netzen und Rohrgeflecht -in den flachen Buchten, die teilweise zur Ebbezeit trocken fallen.</p> - -<p>An der Fischerei ist ebenso wie an der Schiffahrt alles althergebracht -und der europäische Einfluß hat wenig daran geändert.</p> - -<p>Der Fischreichtum ist groß; das beweisen die Märkte und die gefüllten -Fischerboote, die man auf dem Heimweg zur Stadt antrifft.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_39"></a>[S. 39]</span></p> - -<div class="sidenote">Sansibar.</div> - -<p>Da wir ein Interesse daran hatten, die deutschen Küstenplätze vor -Sansibar zu bevorzugen, ging das Kriegsschiff nur selten nach der -Sultansinsel, obschon sie dem Festlande so nahe liegt, daß man von -Saadani aus den Mittagsschuß hören kann, der vor dem Palast des Sultans -gefeuert wird.</p> - -<p>Ich persönlich bedauerte, daß wir so selten in Sansibar waren; denn -dort ist immer noch eine starke Kolonie deutscher Kaufleute, und die -Insel bietet dem Besucher eine Fülle des Sehenswerten. Wohl an keinem -Platz der Erde ist ein solches Völkergemisch vertreten, wie dort; wenn -auch meist nur in wenigen Vertretern. Die Asiaten sind zur Stelle, -vom Japaner bis zum Inder; Bewohner der Seychellen, der Komoren und -Madagaskars, Araber, Belutschen und Neger fast aller Volksstämme könnte -man nachweisen. Dementsprechend ist, was die Händler in ihren dunklen -Läden anzubieten haben.</p> - -<p>In Sansibar trifft man leider schon freche Neger; in den vom -Fremdenverkehr berührten Hafenplätzen können die Schwarzen den -bescheidenen Charakter offenbar auf die Dauer nicht behalten. Sehr bald -wird man auch in Daressalam und in Tanga von der guten, alten Zeit -sprechen, mit ihrer großen Auswahl an anständigen Boys, mit mäßigen -Löhnen, die die Neger doch zufrieden machten.</p> - -<p>Ich weiß nicht, ob der Deutsche fähiger ist als der Engländer, den -Eingeborenen zu distanzieren, traue aber dem Deutschen ein sicheres -Gefühl für seine Stellungnahme zu; denn dem Deutschen ist die Kolonie -nicht nur ein Ort für Gelderwerb, sondern zweite Heimat, die er sich -nicht verleiden lassen will; auch nicht durch Verderb der Eingeborenen, -und durch Minderung des Rassenprestige. Daher kommt vielleicht auch -die sichtbare Abneigung der Deutschen gegen die Missionen, die zum -Teil ohne nationales Interesse auf den Neger einwirken, und ihren -sehr verschiedenen Aufgaben entsprechend, selten eine gemeinsame -Kulturarbeit mit dem Ansiedler betreiben; daher auch der gute Klang des -Titels „alter Afrikaner“ und das Mißtrauen gegen jeden, im Verhalten zu -den Schwarzen noch nicht gefestigten Neuling. —</p> - -<p>Im allgemeinen geht der Handel Sansibars zurück. Die Ladung der Dampfer -der Deutschen Ostafrikalinie verteilt sich<span class="pagenum"><a id="Seite_40"></a>[S. 40]</span> jetzt auf alle kleinen -Küstenplätze, während früher fast der gesamte Handel der Ostküste bis -nach Lamu und Somaliland hinauf über Sansibar nach Europa ging.</p> - -<p>Nach der Nelkenernte riecht die ganze Stadt nach Gewürznelken; am -meisten der Zoll, der an der Landungsstelle liegt.</p> - -<p>Der angenehme Duft empfing auch mich als ich eines Tages mit einem -Kameraden an Land ging.</p> - -<p>Wir machten Einkäufe in den Läden der Hauptstraßen: silberne Kannen, -aus Ebenholz geschnitzte Elefanten, Elfenbeinschnitzereien und seidene -Decken aus Japan; nahmen einen Wagen und fuhren durch die engen Straßen -hinaus nach Mnazi moja, einer breiten Allee, die zu den Sportplätzen -der Europäer hinführt.</p> - -<p>Das Hochwasser füllte die Lagune, die die Stadt von den Negerdörfern -trennt.</p> - -<p>Auf guten, festen Straßen rollte unser Wagen dahin, durch reiche -Vegetation: dunkle Mangobäume mit Kokos- und Betelpalmen hinter weißen -Gartenmauern.</p> - -<p>In den Gärten lagen Landhäuser der Inder und Araber; zum Teil verfallen -und von Pflanzen überwuchert. Viele Negerweiber in sauberen Tüchern -gingen nach dem Ngambo, dem Negerdorfe, zum Tanz; sie hatten nach -Landessitte ein großes Tuch um den Kopf gewickelt.</p> - -<p>Ich fragte einen Neger, der mit zufriedenem Gesichtsausdruck dastand, -was seine Arbeit sei?</p> - -<p>„Ich passe auf eine Schamba auf!“</p> - -<p>„Wem gehört die Schamba?“</p> - -<p>„Dem Eigentümer.“</p> - -<p>„Wer ist der Eigentümer?“</p> - -<p>„Ein Araber, Ali Sefru.“</p> - -<p>Gegen Abend trafen wir den deutschen Konsul und die Vertreter der -Firmen Hansing, O’Swald, die Herren von der Agentur der Ostafrikalinie, -der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft und andere Mitglieder des -Deutschen Klubs in der sogenannten Klubschamba, einem schattigen Garten -mit der Aussicht auf das Meer.</p> - -<p>Als es dunkel wurde, schrien die kleinen Ohrenmakis rund<span class="pagenum"><a id="Seite_41"></a>[S. 41]</span>um in den -Bäumen; nur bei scharfer Aufmerksamkeit erkannte man die „Komba“, die -eifrige Kerbtierjäger sind und zur Nachtzeit auf Raub ausgehen.</p> - -<p>Die Wagen brachten uns in die Stadt, wo ich einer Einladung folgte und -in einem der malerischen alten Araberhäuser bei deutschen Kaufleuten -dinierte.</p> - -<p>Die Punka, ein großer hängender Fächer, wehte über der Tafel, und wie -überall an der Ostküste servierten schneeweiß gekleidete Boys, die -barfuß und ohne Geräusch um den Tisch eilten. Nach dem Essen gingen wir -in den Klub und saßen hoch oben auf dem Dache beim Whisky-Soda.</p> - -<p>Man sah den hellerleuchteten Sultanspalast und die vielen Schiffe im -Hafen.</p> - -<p>Der Klub soll früher schwere Sitzungen erlebt haben; jetzt ist das -anders geworden. Die Rücksicht auf die ernste Tätigkeit des Tages und -auf die Gesundheit mahnt auch die lustigste Gesellschaft zur Nachtruhe, -und in Afrika ist man, was Mäßigkeit betrifft, im Kneipen schon ebenso -modern wie in Deutschland. Die Natürlichkeit, mit der sich die jungen -Kaufleute rechtzeitig empfahlen, empfanden wir sehr angenehm.</p> - -<p>Am folgenden Abend blieb ich an Bord, weil ich als Piquetoffizier den -Tag über mehrere Komplimentierbesuche auf fremden Kriegsschiffen zu -machen hatte. Konsuln verschiedener Nationen kamen an Bord, und über -vierzig Schuß Salut wurden im Laufe des Tages gefeuert.</p> - -<p>Auch ein großer Passagierdampfer von Südafrika war eingelaufen.</p> - -<p>Der Vollmond hob sich über die Türme und Dächer der Stadt und sein -Licht trat in Wettstreit mit den elektrischen Bogenlampen des -hellerleuchteten Sultanspalastes am Wasser. In der Flut glänzte der -silberne Spiegel. Dunkel zeichnete sich davor die Silhouette eines -italienischen Kriegsschiffes ab.</p> - -<p>Die Mannschaft hatte längst Hängematten, da kam eine Dampfbarkasse an -Steuerbord längsseit. Eine junge Dame führte das Wort: „Ich will den -ersten Offizier sprechen“ rief sie dem Bootsmannsmaaten der Wache zu.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_42"></a>[S. 42]</span></p> - -<p>Der wachthabende Offizier rückte sich Schärpe und Mütze zurecht, ging -auf das Fallrepp und übernahm die Verhandlung mit dem späten Gast -persönlich. Sie wollte gerne das Kriegsschiff sehen; der wachthabende -Offizier aber verweigerte ihr dies in höflicher Form, da die -Schiffsetikette es verbiete, nach sechs Uhr Fremde an Bord zu lassen.</p> - -<p>„Ach was, Schiffsetikette. Fahren Sie weiter,“ sagte sie schließlich -zu dem Bootssteuerer und dann zu dem wachthabenden Offizier und den -inzwischen versammelten Matrosen: „Ihr seid ja gar keine rechten -Soldaten Kaiser Wilhelms!“</p> - -<p>Der Insel Sansibar gegenüber liegt auf dem Festlande die alte -Handelsstadt Bagamoyo, der Ausgangspunkt für die Karawanen nach Tabora -und Udjiji; nördlich von Bagamoyo, an der Mündung des Wami der kleine -Ort Saadani, wo <span class="antiqua">Dr.</span> Peters im Jahre 1884 gelandet ist, um Land -zu erwerben.</p> - -<p>Beides sind keine Hafenstädte und ihr Handel geht deshalb gegen -den Handel Daressalams und Tangas langsam zurück. Bagamoyo war der -Hauptausfuhrplatz für Elfenbein; gerade dieser Artikel wird immer -seltener und macht allmählich der Baumwolle, dem Hanf und anderen -landwirtschaftlichen Produkten Platz.</p> - -<div class="sidenote">Saadani.</div> - -<p>Bei Saadani hat das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee auf dem -ausgedehnten Alluvialland der Wamiebene eine Art Baumwollbau- und -Dampfpfluggenossenschaft gegründet, deren Teilnehmer schon 20000 -<span class="antiqua">ha</span> in Pacht genommen haben; Dampfmaschinen für die Entkernung -der Baumwolle wurden im Jahre 1905 aufgestellt.</p> - -<p>Uns zeigte Herr Wendt damals die ersten Erfolge; die Mitafifi -Baumwolle, (die von der Leipziger Baumwollspinnerei mit 85–86 Pfg. pro -½ <span class="antiqua">kg</span> bewertet wurde), die Schamben der Kommune Saadani und -einiger Ansiedler; das gute Vieh: Buckelrinder und Esel. In Saadani ist -das erste große Bauwollunternehmen in Deutschostafrika.</p> - -<p>Der Gedanke, in Kolonien Baumwolle zu bauen, ist vielleicht älter, als -man in Deutschland allgemein glauben mag.</p> - -<p>Jetzt, wo das Interesse dafür so groß ist, sei es erlaubt, auf eine -solche frühe Anregung hinzuweisen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_43"></a>[S. 43]</span></p> - -<p>Johann Jakob Sturz, einer der rührigsten Vorkämpfer deutscher -Überseepolitik, hat schon ein Jahrzehnt bevor Deutschland die ersten -Schritte in dieser Richtung tat, an eine Kolonisierung Afrikas gedacht; -eine der vielen, anregenden Schriften, die er, unermüdlich anspornend -unter den Gebildeten seines Vaterlandes verbreitete, trägt auf dem -Umschlag eine Kartenskizze Ostafrikas vom Sambesi bis zum Juba.<a id="FNAnker_2" href="#Fussnote_2" class="fnanchor">[2]</a></p> - -<p>Wie vieles, was dieser seltene Mann, seiner Zeit vorauseilend, gedacht -hat, ist auch dieser Traum zur Wirklichkeit geworden. Freilich anders -als er zu hoffen wagte; Sturz schlug vor, ein neutrales Ostafrika zu -schaffen, in dem Deutschland gleichberechtigt neben England Handel -treiben könne. „Vielleicht schon in zwanzig Jahren“, schrieb er (der -immer das größte hoffte), „entwickelt sich dort eine Baumwollkultur, -welche die aller anderen Länder zusammengenommen in Schatten stellt; -denn Millionen von Händen werden sich ihr widmen, sobald sie nur -Abnahme ihres Produktes finden, und wie sollten sie das nicht bei dem -sicherlich leicht herzustellenden Transport zur Küste, teils durch -bereits weit befahrbare Flüsse, teils durch wohlfeil herzustellende -Straßen und Bahnen jeder Art?!“</p> - -<p>Nördlich von Saadani liegt die Stadt Pangani an der Mündung des -Pangani. Der Pangani kommt vom Kilimandscharo; seine Mündung ist sehr -verschieden von der des Wami, des Rufiyi und des Rovuma; er durchbricht -an der Küste einen niedrigen Höhenzug und hat nur einen Mündungsarm.</p> - -<p>Der Bussard ankerte auf Reede etwa zwei Seemeilen von der Stadt -entfernt. Es fuhren nur wenige Routineboote, die je nach dem Strom gut -oder schlecht vorwärts kamen.</p> - -<p>Ich besuchte die alte Araberstadt und die Plantage Buschiri<span class="pagenum"><a id="Seite_44"></a>[S. 44]</span>hof und kam -spät am Abend zurück, zum Bezirksamtsgebäude am Ufer des Flusses.</p> - -<p>Der Bussard sollte am Morgen um drei Uhr nach Saadani in See gehen; ich -mußte also unter allen Umständen sofort an Bord fahren. Die Europäer -der Stadt waren alle mit den Booten fort, und mir stand kein Ruderboot -zur Verfügung. Nach langem Hin- und Hersuchen fand ich endlich eine -kleine, offene Dhau mit drei Negern, die mich hinaussegeln wollten.</p> - -<p>Das Fahrzeug machte keinen guten Eindruck; da es aber stockdunkle -Nacht war, sah ich das erst, als ich mit Büchse und Rucksack an Bord -gestiegen war und der Anker hochgenommen wurde. Es war kein Wind und -das große Segel hing lose an der Raa; als der Anker aus dem Grunde war, -trieb das Boot schnell zwischen anderen Fahrzeugen hindurch der Mündung -des Stromes entgegen.</p> - -<p>Ein kurzer Wortwechsel entstand zwischen dem Neger am Steuerruder -und den beiden schwarzen Matrosen vorne; ich achtete nicht darauf. -Plötzlich aber sprangen die beiden über Bord, schwammen an Land und -kletterten an das Ufer.</p> - -<p>Mein Bootsführer sagte, er könne nicht allein fahren; draußen wehe -heftiger Wind und schwere See sei gegenan.</p> - -<p>Ich entgegnete, er solle die Schot und das Segel, ich würde die -Ruderpinne nehmen.</p> - -<p>Er traute mir oder seinem Fahrzeug nicht und meine Lage war nicht -erfreulich.</p> - -<p>Hinter Ras Muhesa, das sich dunkel zur Rechten erhob, und über Kikogwe -stand eine noch dunklere Wolkenwand, und das Rauschen der hohen -Brandung zur Linken kam immer näher.</p> - -<p>Auf weitere Fragen antwortete mein Kapitän nur mit einem -„<span class="antiqua">bismillah</span>“; und einmal müßten wir ja doch sterben. Dazu hatte -ich allerdings noch keine Lust.</p> - -<p>Noch war die Luft ruhig, das Boot fing an, einer langsamen -Wellenbewegung zu folgen und plötzlich straffte ein heftiger Wind das -morsche Segel; die Baststricke knarrten und ich fühlte starken Druck -auf dem Ruder. In schneller Fahrt, von Wind und Strom getrieben, ging -es einer immer wachsenden Dünung<span class="pagenum"><a id="Seite_45"></a>[S. 45]</span> entgegen. An Backbord blieb die -Brandung zurück, an Steuerbord tauchte die Wracktonne auf, die unter -Ras Muhesa liegt und eine Stelle bezeichnet, die zu meiden ist, weil -ein gesunkenes Schiff dort liegt.</p> - -<p>Das Boot stampfte mächtig ein und starke Spritzer kamen über.</p> - -<p>Der Neger schlug vor, umzukehren und abzuwarten bis der Wind nachlasse.</p> - -<p>Da war wieder eine Gefahr; denn eine Dhau wie diese wendet nicht, -sondern geht vor dem Wind über den andern Bug, was man in der -Seemannssprache „halsen“ nennt.</p> - -<p>Mit nur einem Mann für das große Segel ist es ein gewagtes Stück; man -weiß nicht, wo das Segel während des Manövers bleibt und ob nicht die -Schot brechen wird, wenn der Wind von der anderen Seite plötzlich -hineinfährt.</p> - -<p>Zudem kannte ich das Material nicht, daß ich in der Hand hatte.</p> - -<div class="sidenote">In der Mündung des Pangani.</div> - -<p>Mir blieb also nichts übrig, als ein „inshallah“ zu murmeln, das -Ruder zu legen und abzuwarten, was vorne der Neger unterdessen in -der Dunkelheit fertig bringen würde. Und es gelang; das Segel schlug -heftig, aber die Stricke hielten, die Schot stand jetzt an Steuerbord -und derselbe Wind trieb uns wieder der Mündung des Stromes zu, bis -er hinter dem Kap schwächer wurde und die entgegenwirkende Strömung -des Wassers ihm das Gleichgewicht hielt, so daß das Boot zwischen den -beiden entgegengesetzt wirkenden Kräften auf einer Stelle lag.</p> - -<p>Ich war völlig durchnäßt; bald kam rechts die Brandung zu nahe, bald -links die Wracktonne; denn ich war jetzt in der nur etwa 150 <span class="antiqua">m</span> -breiten Fahrrinne. Ras Muhesa aber blieb in derselben Peilung, trotzdem -der Wind voll im Segel stand und das Wasser rauschend an dem Boot -vorbeiging.</p> - -<p>Da sagte ich dem Neger, er solle den Anker werfen, weil wir nicht -vorwärtskamen und in Gefahr waren, dem Riff oder dem Wrack zu nahe zu -kommen. Er ging nach vorne und warf den eisernen Anker über Bord; der -hielt und als wir das Segel festgebunden hatten, lag das Boot auf dem -Strome.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_46"></a>[S. 46]</span></p> - -<p>Nach einer Stunde machte ich einen neuen Versuch, mußte aber wieder -umkehren und ankern; denn der Wind hatte noch nicht nachgelassen. Ich -schöpfte das übergekommene Wasser aus und hielt mich durch diese Arbeit -leidlich warm.</p> - -<p>Endlich schien der Wind abzuflauen, und ich nahm wieder den Kurs nach -See hin.</p> - -<p>Der Neger hatte noch einmal Einwände, aber ich konnte nicht länger -warten.</p> - -<p>Es war eine aufregende Fahrt. Stockdunkel; nur die Lichter des -‚Bussard‘ in der Ferne. Das alte zerbrechliche Boot stampfte tief in -die See ein und füllte sich immer mehr mit Wasser. Der Wind sauste und -trieb mir salzige Tropfen ins Gesicht.</p> - -<p>Aber die Lichter kamen näher; das Kriegsschiff nahm greifbare Gestalt -an.</p> - -<p>Wir waren nur noch zweihundert Meter vom Heck entfernt, als eine -heftige Regenböe herniederfuhr und uns das Schiff fast den Blicken -entzog. Kein Mensch sah uns von Bord aus, denn Lichter führten wir -nicht.</p> - -<p>„Wirf die Schot rechtzeitig los!“ rief ich dem Neger zu, weil mir der -Gedanke kam, wir könnten an dem Schiff vorbeitreiben und es dann aus -Sicht verlieren.</p> - -<p>„Die Schot ist fest, gib mir schnell ein Messer“ antwortete hastig der -Schwarze.</p> - -<p>Ich suchte unter mir, wo der Rucksack im Wasser lag, konnte aber das -Messer nicht finden; jetzt bekam ich wirklich einen Schreck. Ich wollte -wenigstens bemerkt werden, um eine Leine zu bekommen und rief so laut -ich konnte: „Bussard!“</p> - -<p>Die Stimme des ersten Offiziers antwortete, der an Deck kam und die -Bootsgäste der Wache ans Fallreep schickte.</p> - -<p>In voller Fahrt hielt ich an der Bordwand entlang. Irgend etwas mußte -geschehen und wenn der Mast unter der Backspier abbrechen sollte!</p> - -<p>Da flatterte plötzlich das Segel lose im Winde. Der Neger hatte mit -aller Kraft an dem Tau geholt; die Schot war gebrochen. Eine Leine -wurde mir zugeworfen und ich turnte an<span class="pagenum"><a id="Seite_47"></a>[S. 47]</span> Bord. Ich konnte von Glück -sagen, daß die Fahrt in dem schwachen Boot so gut abgelaufen war.</p> - -<div class="sidenote">Tanga.</div> - -<p>Am nächsten Tage ankerte S. M. S. ‚Bussard‘ in dem stillen Hafen von -Tanga, dem Ausgangspunkt der Usambarabahn.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_48"></a>[S. 48]</span></p> - -<p>Von Tanga aus machte ich einen Jagdausflug nach dem Sigital. Da -der Dienst mich lange an Bord festhielt, verpaßte ich den Zug der -Usambarabahn, der nur einmal täglich fährt, und bestellte mir einen -Bahnwärterwagen, den mehrere Neger schoben und auf dem ich, mit den -Boys und dem Gepäck gegen Abend auf der Station Ngomeni, eintraf.</p> - -<div class="figcenter illowe25" id="pg47ill"> - <img class="w100" src="images/pg_47_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"> -<div class="capright">Photographie aus Tanga.</div> -<p>Löwenfalle aus Baumstämmen.</p> -<p>In der Umzäunung rechts wird eine Ziege angebunden. Wenn der Löwe in -den Gang hineingeht, berührt er einen Abzug; die schweren Stämme fallen -nieder und erschlagen ihn.</p></div> -</div> - -<p>Die Nacht verbrachte ich in Pingoni, auf der Agavenpflanzung -eines Herrn Stauffer, an den mich ein Bekannter empfohlen hatte. -Herr Stauffer riet mir, am Morgen in der Nähe der Pflanzung auf -Rappantilopen zu birschen und erzählte, ein starker Bock sei noch am -Nachmittag auf den Rodungen gesehen worden.</p> - -<p>In dieser Nacht hörte ich zum erstenmal das Heulen von Hyänen.</p> - -<p>In der Nähe der Küste sind Raubtiere durchaus nicht selten. Besonders -Löwen finden sich dort in großer Zahl und in manchen Jahren hört und -liest man von einer Raubtierplage, weil Neger zur Nachtzeit aus den -Hütten geholt werden. In meiner Zeit aber hörte ich merkwürdigerweise -viel öfter von einer Wildschweinplage, weil die Zahl der Löwen stark -abnahm, und ich bin in Gegenden gekommen, wo mir gesagt wurde: „Aber -schießen Sie bitte meine Löwen nicht!“</p> - -<p>In seltenen Fällen wird man Löwen auf der Pirsch oder beim -Spazierengehen antreffen; die meisten werden in dem Busch oder den -Pflanzungen der Küste durch Treibjagden zur Strecke gebracht. Gerade, -als wir einmal nach Tanga kamen, war eine solche Jagd gewesen und -unglücklicherweise war ein Feldwebel der Schutztruppe dabei erschossen -worden, ohne daß man wußte, wer der Schütze gewesen war. — Der -Löwe war angeschossen in hohem Grase verschwunden und wurde bei der -Verfolgung plötzlich in unmittelbarer Nähe des Feldwebels gesehen. Bei -dem heftigen Gewehrfeuer der Askari hat ein Geschoß auch den Feldwebel -getroffen. —</p> - -<div class="sidenote">Löwenjagd.</div> - -<p>Am Morgen nach meiner Ankunft in Pingoni ging ich in Begleitung eines -Negerjungen früh hinaus.</p> - -<p>Die Regenzeit war noch nicht lange vorbei und das Gras war etwa -meterhoch und sehr taufeucht. Ich ging auf der rechten<span class="pagenum"><a id="Seite_49"></a>[S. 49]</span> Lehne eines -schmalen, mit üppigem Grase bestandenen Tals, so daß ich in das unter -mir liegende Terrain hineinsehen konnte.</p> - -<p>Plötzlich sah ich auf etwa neunzig Schritt einen braunen Schimmer in -dem grünen Grase; ich blieb stehen und sah durch mein Doppelglas, daß -es ein Stück Wild war; ohne Hörner. Ich fragte den Neger: „Was siehst -du da?“</p> - -<p>„Etwas Rotes“ antwortete er.</p> - -<p>Jetzt erkannte ich die Luser des Tieres, die für eine Antilope -auffallend weit auseinander lagen, und sprach den Kopf, scharf -hinsehend, als den einer Löwin an. Sie hatte die Seher auf uns -gerichtet, hob den Fang und windete.</p> - -<p>„Ein Löwe“, sagte ich ganz ruhig; doch der Schwarze fand unsere Lage -wohl ungemütlich und sagte: „Wirklich Herr?, wir wollen weglaufen.“</p> - -<p>Ich befahl ihm hastig, stehen zu bleiben, hatte die Büchse schon -gehoben, entsichert und gestochen und zielte auf den Kopf des Löwen, -zwischen die Lichter.</p> - -<p>Der Stecher meiner Büchse knackt; aber der Schuß geht nicht los. Ich -steche noch einmal, ohne abzusetzen. Der Löwe richtet sich vorne etwas -auf, so daß rechts von dem Kopfe ein Teil des Rückens sichtbar wird. -Unwillkürlich folge ich mit der Büchse sofort nach rechts, der Schuß -fällt und der Löwe springt mit gewaltigem Satz aus seinem Lager heraus, -die linke hintere Pranke lang nach hinten streckend; die nächsten -beiden Sprünge gerade auf mich zu. Nach dem dritten Sprung fällt mein -zweiter Schuß und schlägt dicht vor dem Löwen in das Gras hinein; er -biegt ab. Der nächste Sprung geht wieder nach links, dann sehe ich es -nur noch einmal gelb zwischen den Zweigen schimmern.</p> - -<p>Ein schmerzvolles Knurren folgte; dann war es still.</p> - -<p>Ich blieb noch eine Weile stehen und lauschte; zugleich prägte ich -mir den Ort genau ein. Dann verbrach ich meinen Stand und pürschte in -der alten Richtung weiter. Um zu vermeiden, daß die kranke Löwin von -mir Wind bekam, ging ich nicht einmal auf den Anschuß. Im Weitergehen -kreuzte ich den Paß des Löwen. Wild sah ich nicht mehr; die Raubtiere -hatten offenbar in der letzten Nacht alles verjagt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_50"></a>[S. 50]</span></p> - -<p>Zwei Stunden später war ich mit Herrn Stauffer und etwa vierzig -speerbewaffneten Negern zur Stelle, erklärte den Anschuß und schickte -die Neger im Bogen herum, damit sie das Gebüsch durchtrieben. -Ich verbot ihnen, den Löwen, wenn er tot sei, mit den Speeren zu -durchstechen (was sie in der Aufregung gerne tun).</p> - -<p>Als die Schwarzen auf den bezeichneten Platz losgingen, sah ich, wie -sich ein Stück Wild über den jenseitigen Hang drückte; vielleicht war -es der männliche Löwe, der sich in der Nähe seiner Gattin aufgehalten -hatte.</p> - -<p>Wir gingen zum Anschuß. Wo das Raubtier gelegen hatte, war nichts zu -sehen, als der tiefe Eingriff der linken Hinterpranke beim Absprung; -kein Schweiß, kein Geschoßaufschlag.</p> - -<p>Während ich noch suchte, erhob sich ein Geschrei — es klang so -ängstlich, als ob der Löwe jemand angenommen habe. Stauffer und ich -liefen dorthin so schnell wir konnten und sahen einige zwanzig Schwarze -mit gehobenen Speeren dastehen. Zehn Schritt vor ihnen schimmerte im -Grase etwas Gelbes. Ich teilte das Gras auseinander, hob mich auf die -Zehen und rief, als ich den Kopf des Löwen erblickte, voller Freude: -„er ist tot“!</p> - -<p>Die Schwarzen begannen einen Höllenlärm.</p> - -<p>Herr Stauffer beglückwünschte mich zu dem Weidmannsheil und ich steckte -einen grünen Bruch in den kleinen Einschuß der Decke.</p> - -<p>Ein Löwe geschossen! Nie hätte ich es gedacht, daß ich dazu kommen -würde. Der Schuß saß hochblatt und war dicht unter der Wirbelsäule -durchgegangen. Der Ausschuß war nicht groß, obwohl ich ein ¾ -Mantelgeschoß benutzte hatte, eine Geschoßart, die meist große -Zerstörung im Wildkörper verursacht.</p> - -<p>Es wurden Bäume gehauen, um den Löwen daran fest zu binden und nach -Hause zu tragen. Ich schärfte die Pranken an der Innenseite so aus, -daß die Bastbänder unter der Haut durchgenommen werden konnten und -keine Druckstellen auf dem Haarkleid entstanden. Unter dem Gesang der -Wanyamwezi bewegte sich unser Zug nach der Pflanzung.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg51ill"> - <img class="w100" src="images/pg_51_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Teich bei Kilwa.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_51_ill_gross.jpg" id="pg_51_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_53"></a>[S. 53]</span></p> - -<p>Der rote Schweiß tropfte noch lange aus den Schußlöchern und färbte das -Gras auf dem Wege.</p> - -<p>Unter einer großen Bananenstaude wurde nahe bei dem Hause Strecke -gemacht. Ich nahm die Maße des Tieres und begann dann sofort die -Haut abzudecken. Die ganze Länge der Löwin betrug 2,42 Meter, die -Schulterhöhe 1,00 Meter, der Brust- und Leibesumfang 1,03 Meter.</p> - -<p>Im linken Hinterschenkel saß innen unter der Decke eine alte -Bleikugel; in dem rechten befand sich ein altes Geschwür, auf dem -Schmeißfliegen schmarotzten; rundherum war das Gewebe infiltriert und -oben wallartig verdickt. Der Mageninhalt bestand nur aus einer Handvoll -Schweinsborsten und einem kleinen Knochensplitter. In der Wandung saßen -Dutzende von weißen Fadenwürmern, die ich einzeln mit der Pinzette -herauszog und in Whisky aufbewahrte. Schwierig war das Auslösen -der Handknochen. Als die Hand nachher dalag, sah sie aus wie eine -Affenhand! Die Krallen drückte ich einzeln nach innen durch und machte -mich dann sorgfältig an das Präparieren der Nase und der Ohren. Zuletzt -wurde das Fell mit der Innenseite nach oben auf der Erde ausgespannt -und mit dünnen Drahtstiften befestigt. Der Kopf kochte unterdessen in -einem großen Blechgefäß.</p> - -<p>Ich fragte die Wanjamwesi, ob sie das Fleisch essen wollten und erhielt -als Antwort nur Ausdrücke des Ekels und der Entrüstung; als ich jedoch -unter dem Dach der Hütte saß und einige Notizen über meine Jagd -aufschrieb, kam der erste Neger vorsichtig hinter einer Banane hervor -und schnitt sich das Fettnetz über dem Gescheide ab. Sofort fielen -auch die andern darüber hin, rissen sich besonders um das Geräusch und -sagten, wie zur Entschuldigung, es sei gute „<span class="antiqua">dawa</span>“. Aber auch -das übrige Fleisch, der Magen und das Gescheide fanden schnell ihren -Weg in die Hütten. Die Suaheli setzten sich im Halbkreis um dieses Bild -und lachten aus vollem Halse: „Die Wanjamwesi fressen alles“, sagten -sie, „Schweine und Löwen. Alles ist bei ihnen „<span class="antiqua">dawa</span>“: das Herz, -die Knochen und das Fleisch.“</p> - -<p>Am Nachmittage trennte ich mich von meinem Gastgeber,<span class="pagenum"><a id="Seite_54"></a>[S. 54]</span> und ritt -auf seinem Reittier von dannen. Als ich durch das Dorf niedriger -Wanjamwesihütten ritt, riefen mir die Leute ein lautes Lebewohl zu, -worin der Dank für den Löwenbraten liegen mochte. Die vier Neger, die -mich begleiteten, mußten laufen, um mit dem Esel Schritt zu halten. -Durch den Kulumuzi, einen kleinen Fluß, ließ ich mich tragen und den -hübschen, weißen Esel hinterher führen; den Fluß überdeckte dunkler, -kühler Wald.</p> - -<p>Bergauf, bergab ging es in leichtem, schnellem Trabe durch hohes -Gras, durch niedrigen Buschwald und bewohnte mit Kokospalmen, Bohnen, -Mohogo und Negerhirse bebaute Flächen. Die aus dem Felde mit der Hacke -arbeitenden Leute sahen auf; meine Begleiter versäumten nicht, ihnen -die frohe Nachricht zuzurufen, ich sei der Jäger, der heute früh einen -großen Löwen geschossen habe.</p> - -<p>Wir erreichten einen Ort mit Namen Kikuruni. (Diesen Namen konnte -ich in den nächsten Tagen schwer behalten, es schien, als sei mein -Gedächtnis nun nachgerade übersättigt mit Zusammenstellungen der -wenigen Silben ki und ku, ni und na, aus denen die Kisuahelinamen -bestehen.)</p> - -<p>Ich dachte an die Abendpirsche und freute mich, daß die Sonne noch hoch -stand. Blau schimmerten hinter der düsteren, grünen Waldfläche des -Sigitals die hohen Berge von Ostusambara, eingerahmt von hochstämmigen -Kokospalmen dicht vor mir.</p> - -<p>Ich schien heute Glück zu haben; der mir empfohlene Führer stellte sich -in einem der entgegenkommenden Neger vor und folgte mir sofort. Im -Orte strömte das Volk zusammen aus fertigen und halbfertigen Häusern. -Ich suchte einen Platz für das Lager aus und ordnete an, daß mein -„Reisemarschall“ Hans und die Träger dorthin gewiesen werden sollten. -Dann ritt ich noch bis zum Sigi und gab dem Eselboy <span class="antiqua">rukhsa</span><a id="FNAnker_3" href="#Fussnote_3" class="fnanchor">[3]</a>. -Mein Führer brachte mich zuerst in Stagenwald mit mäßiger Aussicht; -hier waren deutliche Spuren, daß die Neger täglich Holz zum Hüttenbau -holten; ich befahl, mich in freie Baumsteppe zu führen; die war bald -erreicht und hier sah man Fährten von großen Antilopen.<span class="pagenum"><a id="Seite_55"></a>[S. 55]</span> Eine Stunde -verstrich ohne daß die vorsichtige, lautlose Pürsche durch den Anblick -größeren Wildes belebt wurde. Nur eine Herde schnell flüchtender -Hundsaffen; endlich — fünfhundert Meter weit im Winde ein Rudel von -drei Wildschweinen, die ruhig einherzogen.</p> - -<div class="sidenote">Warzenschweine.</div> - -<p>Ich ließ die Neger halten und niederknien und pirschte selbst in -kniehohen, zusammengefallenem Grase, das bei jedem Schritt unangenehm -knisterte, hinter einem Hügel näher. Es waren nur Schweine; in -Ostafrika ein recht gemeines Wild. Doch gibt es nichts Aufregenderes, -als diese Art von gewissermaßen blindem Anpürschen. Der Schlachtplan -ist beim ersten Blick gemacht und dann das Handeln bestimmt bis zu -dem Moment, in dem ich bei jenem Hügel das Wild von neuem zu Gesicht -bekomme, wenn es nicht bereits verschwunden ist. Die Erfahrung mahnt -zur Vorsicht und Ruhe, der Wunsch, über das Verhalten des Wildes -Gewißheit zu erhalten, treibt zur Eile. Deshalb die Aufregung und -eine gewisse Anstrengung! Wenn man das Wild beim Anpirschen im Auge -behält, dann kann man laufen, wenn es äst, und stehen bleiben, wenn -es äugt oder sichert, und kann nötigenfalls auf weite Entfernung -schießen. Beim Anpirschen hinter einer Deckung aber ist es zwecklos, -stehenzubleiben; denn gerade das laute Weitergehen, kann mit dem -Augenblick zusammenfallen, in dem das Wild sichert. Wer sagt mir, ob -es nicht dicht vor mir auf den Hügel zieht oder schon weit hinter den -nächsten Büschen verschwunden ist? Diese vielen Fragen erregen in dem -Jäger eine lebhafte, wohltuende Aufregung.</p> - -<p>Als ich den Hügel erreichte und an ihm vorbeisah, hatten sich die Tiere -in einen lichten Busch eingestellt und brachen dort; sie waren ziemlich -dreist und unaufmerksam. Der stärkste stand breit, ich zog den Stecher -ab und riß mit Gewalt durch, weil das Schloß, ebenso wie heute früh, -dem Stecher nicht folgte. Die Rotte rannte breit nach links; das kranke -Stück blieb etwas zurück und brach nach wenigen Sekunden verendet -zusammen.</p> - -<p>Die beiden anderen verhofften einen Augenblick; ich nahm das -zweitstärkste Stück aufs Korn und schoß; es zeichnete auf den Schuß -sehr merkwürdig und klagte laut. Die Bewegungen, die es<span class="pagenum"><a id="Seite_56"></a>[S. 56]</span> machte, -glichen denen eines biegsamen Stockes, den man in der Mitte festhält, -während die Enden rund schwingen; der Schuß mag kurz weidewund gegangen -sein.</p> - -<p>Leider hielt die Geduld meiner Leute nicht länger, sie stürmten von -hinten unter Geschrei und rohem Lachen heran. „Jetzt kommen wir -dran“ hörte ich sie rufen. So kam es, daß das kranke Schwein in -unregelmäßiger Flucht laut klagend das Weite suchte, ohne daß es mir -gelang, noch einen Schuß anzubringen. Auch schnelles Nachlaufen auf -erhöhte Stellen gab mir das Tier nicht noch einmal zu Gesicht. Leider -konnte ich nicht mehr nachsuchen, weil es Abend wurde. Am nächsten Tage -aber wäre es ganz zwecklos gewesen; denn die Hyänen würden das Schwein -jedenfalls längst gefunden haben.</p> - -<p>Ich schickte einen Mann ins Dorf zurück, mit dem Auftrage Träger zu -holen, lüftete das erlegte Tier und ging schnell weiter, weil die Sonne -längst hinter den Bergen stand. Kurz bevor das Büchsenlicht schwand, -bemerkte ich zwei starke Schweine. Ich pürschte mich an, war aber fast -froh, daß ich nicht auf Schußweite hinankam, so sehr stand ich unter -dem Eindruck der nutzlosen Abschlachterei dieses Wildes, das sich meist -so hilflos übertölpeln läßt.</p> - -<p>Etwa achtzig Leute (zum Teil Kinder) waren ausgezogen um den erlegten -Keiler einzubringen. Die Tatsache, daß ich zwei Schweine kurz -hintereinander schoß, und daß das eine ganz tolle Sprünge machte, wurde -immer wieder erzählt und belacht. Manche Leute grinsten auch wenn sie -den Keiler nur ansahen. Der Grund war, daß die Schweine ihre Feinde -waren und mit Pfeil und Bogen von den Mohogopflanzungen vertrieben -werden mußten. Man tat also der Landwirtschaft einen Gefallen, wenn man -sie totschoß.</p> - -<p>Die Wanjamwesi schnitten das Wildpret in große Fladen, steckten Stöcke -hindurch und stellten es an das Feuer.</p> - -<p>Ich legte mich todmüde in mein kleines Zelt und sagte einem Boy, den -ich neu angenommen hatte, er solle das Licht auslöschen; er sah mich -ungläubig an und tat es erst auf meinen zweiten Befehl.</p> - -<div class="figcenter illowe14_6" id="pg57ill"> - <img class="w100" src="images/pg_57_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Borassuspalme.</p></div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_58"></a>[S. 58]</span></p> - -<p>Draußen erzählte er dem älteren Boy, ich schliefe ohne Licht! „Kein -Europäer schläft bei Licht,“ belehrte der ihn, worüber der andere sich -sehr wunderte; denn der Neger schläft immer bei Feuer, der Kälte wegen, -und weil der Rauch die Insekten verscheucht und das Feuer die Raubtiere -fernhält.</p> - -<p>Gegen zwei Uhr wachte ich auf und hörte draußen ein Gemurmel; ich -steckte den Kopf aus dem Zelt und sah die Träger dicht um das Feuer -gelagert. „Weshalb schlaft ihr nicht?“ „Wir können nicht, es ist zu -kalt,“<a id="FNAnker_4" href="#Fussnote_4" class="fnanchor">[4]</a> war die ganz natürliche Antwort. Und in der Tat ist es hart, -sich jede halbe Stunde Schlaf durch Auflegen eines neuen Stückes Holz -erkaufen zu müssen!</p> - -<p>Wirklich war es bitter kalt. Im Osten über den düsteren Bäumen -leuchteten zwei helle Sterne. Ich zog meine große Jagddecke über mich -und fror selber, weil ich die Matratze zu Hause gelassen hatte, um die -Bettlast zu erleichtern.</p> - -<p>Eine halbe Stunde vor dem Morgengrauen ging ich durch den Sigifluß. -Das Wasser reichte mir bis unters Knie. Die Kraft der Strömung drängte -beim Vorwärtsschreiten den Fuß zur Seite. Hohe Bäume standen auf beiden -Ufern. Ein ununterbrochenes Rauschen ertönte von fern und nah, wo der -Fluß über Steine lief.</p> - -<p>Am jenseitigen steilen Ufer stieg ich in die Höhe und kam in gute -Pirschgegend. Die Fährten großer Antilopen waren zahlreich. Das -Landschaftsbild erinnerte an deutschen Buchenwald; es gab breite -Lichtungen mit frischer Äsung, gute Deckung und weite Ausblicke.</p> - -<p>Bis gegen zehn Uhr, also beinahe fünf Stunden war ich gepirscht -ohne ein einziges Stück Wild zu sehen. Ich war durch den Fluß -zurückgegangen, ruhte mich unter dem Schatten eines Baumes aus und ließ -mir eine der mitgebrachten Kokosnüsse öffnen.</p> - -<p>Der Anblick der Landschaft vor mir war ganz besonders schön. Hier hatte -der Fluß sein Bett in die Felsen eingewaschen, die sich von beiden -Seiten vorschieben und ihn zu zahlreichen<span class="pagenum"><a id="Seite_59"></a>[S. 59]</span> Windungen zwingen. Aus dem -saftigen Grün der Ebene dazwischen ragten einige hohe Borassuspalmen, -die großen Fächerpalmen mit kahlem Stamm.</p> - -<div class="sidenote">Buschbockjagd am Sigi.</div> - -<p>Nachmittags gegen zwei Uhr nahm ich einige zwanzig Wadigo mit und ließ -sie durch den Busch gehen, wo ich Wild vermutete. Ein Wasserbock und -zwei Buschböcke brachen nach den Seiten aus, ohne daß ich mir über ihre -Stärke und Geschlecht klar wurde.</p> - -<p>Auch einen Leoparden wollten die Leute gesehen haben.</p> - -<p>Nun ging ich mit den Negern zum Fluß.</p> - -<p>Mein „Büchsenspanner“, ein alter Kerl ohne Vorderzähne, mit -vorzüglichen Augen, schnupfte andauernd Tabak und zog dabei — wenn -er sich ungestört glaubte — die tollsten Grimassen. Es schien, als -habe er Nahrung nicht nötig, wenigstens sah ich ihn an den beiden -Tagen, wenn andere aßen, jedesmal nur schnupfen. Unter Mittag saß er -mit einigen anderen Alten unter dem Makutidach<a id="FNAnker_5" href="#Fussnote_5" class="fnanchor">[5]</a> einer Hütte und rieb -braunes Mehl in einer Schüssel. „<span class="antiqua">Chakula cha pua</span>“ (Essen für die -Nase) nannte er es schmunzelnd.</p> - -<p>Es war bereits vier Uhr; ich stand auf einer Höhe über dem Flusse. -Die Ufer hatten einen breiten Streifen hohes Schilf; dort gingen die -Schwarzen mit Geschrei hindurch. Etwa achtzig Schritt unter mir bewegte -sich plötzlich das Schilf. „Schieß! ein Buschbock mit großem Gehörn,“ -sagte der Alte, der hinter mir stand. Ich sah, wo der Bock sich auf der -Stelle drehte, schoß und glaubte ihm den Schuß auf den Stich zu geben. -Er stürzte; die Gräser bewegten sich mehrere Sekunden lang ungefähr -an derselben Stelle, ohne daß ich noch einmal schießen konnte. Die -Schwarzen kamen schreiend näher; die Bewegung im Schilf wurde heftiger -und zog sich zum Fluß hin. Dann war wieder alles ruhig. Plötzlich -riefen die Treiber: „Der Bock ist in den Fluß gesprungen!“ Ich lief -auf eine höher gelegene Stelle und blieb auf einer vorspringenden -Felsplatte stehen. Da sah ich etwa hundertundvierzig Meter entfernt im -Fluß und schon kurz vor<span class="pagenum"><a id="Seite_60"></a>[S. 60]</span> dem jenseitige Ufer den Kopf des Bockes als -kleinen Punkt, wie er durchs Wasser zog und nach beiden Seiten einen -Wellenstrich hinter sich warf; und ich schoß schnell. Kein Aufschlag -war ringsum im Wasser zu sehen; der Kopf tauchte unter.</p> - -<p>Ich ging zu dem Anschuß; hellroter Schweiß führte von dort bis zu der -Stelle, wo der Bock den Fluß angenommen hatte.</p> - -<p>Alle Schwarzen standen am Fluß; da war guter Rat teuer! Einer wollte -nachspringen und tauchen, sagte aber, er dürfte es nicht, der Krokodile -wegen, denn er habe gestern ein Rind geschlachtet.</p> - -<p>Weiter unten floß der Strom über viele Steine. Dort stellte ich zwei -Neger auf, die aufpassen sollten, ob der Bock vielleicht mit dem Strome -antriebe.</p> - -<p>Ich war noch nicht zehn Minuten weitergegangen, als ich rufen hörte: -„Sie haben ihn gefunden! er ist an den Steinen! Du mußt nochmal -schießen; die Krokodile halten ihn fest.“ Ich hielt die Büchse hoch und -lief, so schnell ich konnte den steinigen Pfad hinunter an den Fluß. -Unsicher war ein grauer Gegenstand, auf den die Schwarzen zeigten, -oberhalb eines Steines als der Bock anzusehen, und man konnte erkennen, -daß dem Körper eine fremde Bewegung mitgeteilt wurde. Der Neger, der -dicht dabei auf einer trockenen Felsplatte im Strome stand, versicherte -mir, er sehe ein Krokodil.</p> - -<p>„Paß auf, ich schieße!“ Unterhalb des Steines tauchte der Kerl unter. -Als ich geschossen hatte, trieb der Bock auf den Stein los (ich hatte -etwas daneben ins Wasser gehalten).</p> - -<p>Der Neger griff zu und zog den dunklen Bock ganz zu sich hinauf; da lag -er nun.</p> - -<p>Es war ein erfreulicher Anblick für das Auge eines Jägers: im Rot -der untergehenden Sonne der Stein mitten im Fluß, rings umströmt von -rauschendem Wasser, darauf lang hingestreckt der Buschbock mit dem -wehrhaften, schwarzen Gehörn; daneben die Gestalt des Negers.</p> - -<p>Halb gehend, halb schwimmend, zogen die Neger den Bock an den Hörnern -zum Ufer.</p> - -<p>Mitten zwischen den Hörnern, zwei Finger breit über dem<span class="pagenum"><a id="Seite_61"></a>[S. 61]</span> Atlas war -meine zweite Kugel eingedrungen und saß zwischen dem linken Unterkiefer -und der Decke. Der erste Schuß hatte den Hals auf der linken Seite -handbreit über der Schulter durchschlagen, ohne die Wirbel zu -verletzen. Der Ausschuß war stark erweitert; vielleicht schon von den -Krokodilen.</p> - -<p>Als längst die Feuer brannten und die Unterhaltung der Träger -verstummte, ging ich zwischen den Palmen hindurch und stand noch lange -auf einer Anhöhe, über dem weiten Tal.</p> - -<p>In Dunkelheit lag es, von wenigen Sternen beschienen.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Als ich nach Tanga zurückkehrte, waren Herren und Damen zum -Nachmittagstee an Bord. Das Löwenfell wurde zum Schmuck aufgehängt, -und mehr als einer beglückwünschte mich mit den Worten: „Ich bin -soundsoviel Jahre in Afrika und habe noch keinen Löwen gesehen, und -Ihnen läuft am zweiten Tage gleich einer in die Flinte.“</p> - -<p>Und in der Suahelizeitung „Kiongozi“ erschien acht Tage später ein -kurzer Bericht über meine Löwenjagd.</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="sidenote">Sonnenuntergang in See.</div> - -<p>Einige Tage später dampfte der ‚Bussard‘ dem Süden der Kolonie -entgegen, als wir, wie gewöhnlich nach dem Abendbrot auf der Hütte -saßen.</p> - -<p>Es war ein prachtvoller Abend.</p> - -<p>Vom Westen kam goldenes Licht der untergehenden Sonne. Das Land -darunter war nur am Dunst zu vermuten.</p> - -<p>Der Himmel sah kalt aus, weil das Auge in dem unendlichen Blau -vergeblich nach Gebilden suchte, die das wärmende Licht auffingen; nur -im Osten stand tief eine massige Wolke; das Abendlicht färbte sie rosig -rot und die einzelnen Kuppen warfen dunkle Schatten.</p> - -<p>Die unteren Teile waren unbeleuchtet, und schwächer umrissen, schon in -das Blau der Ferne zurückgetreten.</p> - -<p>Roter Widerschein spiegelte in dem glatten Wasser. Von unten herauf -hoben sich die Schleier des Abends, Vorboten der<span class="pagenum"><a id="Seite_62"></a>[S. 62]</span> Nacht, und erklommen -die Gipfel des vergänglichen Gebirges bis es mit erstarrten Zügen dalag.</p> - -<p>Jetzt schwand auch im Westen das Gold. Aus der Tiefe des Meeres schien -hier die Nacht heraufzukommen.</p> - -<p>Jedes Blau, das kühnste Violett mit Rot und Gelb gemischt, breitete -sich aus und dicht an der Schiffswand zeichnete die Bewegung der Wellen -blitzende Linien in die schwarze Flut.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Bei klarem Wetter näherte sich S. M. S. ‚Bussard‘ von Süden kommend, -der Insel Mafia. Von weitem erinnert der Anblick des dunklen Grün -über dem weißen Strand und der freundlichen Farbe des Wassers an die -pommernsche Ostseeküste; erst aus der Nähe erkennt man, daß die Bäume -keine Kiefern sondern Mangroven, Mangos und Kokospalmen sind; flache -Bänke sind hier im Westen der Insel vorgelagert und fallen zur Ebbzeit -weithin trocken.</p> - -<p>Die Tirenibucht, in deren hellem Wasser wir den Anker fallen ließen, -ist von hohen Palmen umsäumt; ein rechter Ort des Friedens. Selbst der -Westwind hat nicht Raum, hohe See aufzubringen; denn das Festland mit -dem Mündungsdelta des Rufiyi ist nicht weit.</p> - -<p>Im Norden der Bucht fehlen die Palmen; die Vegetation geht in Busch -über und dann verläuft das Land dem Auge als heller Sandstreifen nach -der See hin.</p> - -<p>Zahllose Wasservögel beleben die zur Ebbzeit trockenen Riffe. An dem -steilen Ufer sieht man hellere Stellen, vermutlich Kalkgestein. — -Baumann sagt allerdings, nur im Innern, im nördlichen Teil der Insel, -komme Kalkstein vor. — Im übrigen ist die ganze Insel sandig und -hervorragend geeignet zur Anlage von Kokospflanzungen; schon jetzt hat -Mafia eine große und stetig wachsende Ausfuhr an Kopra.</p> - -<p>Die Palmpflanzungen sind zum großen Teil in den Händen von reichen -Arabern. Auf den Schamben wird Vieh gehalten, und die Regierung hat ein -wachsames Auge auf die Erhaltung und Vermehrung des Viehbestandes, der -für die Düngung der Palmen von großer Bedeutung ist. Bei der Nähe der -Küstenstädte mit ihrem großen Bedarf an frischem Fleisch und bei den<span class="pagenum"><a id="Seite_63"></a>[S. 63]</span> -leichten Transportverhältnissen lag die Gefahr vor, daß der Viehbestand -der Insel zum Schaden der Pflanzungen vermindert wurde. Deshalb -bestand ein Ausfuhrverbot, und nur mit Erlaubnis des Herrn Steiner, -der dem Bezirksamt in Tschole vorstand, durften die Araber diesmal dem -Kriegsschiff fünf Rinder schenken; als Dank für die Freundlichkeit, mit -der ihnen die Matrosen während der Landwirtschaftlichen Ausstellung in -Daressalam die Einrichtung des „Manovari“<a id="FNAnker_6" href="#Fussnote_6" class="fnanchor">[6]</a> gezeigt hatten.</p> - -<p>(Die Mannschaft bekommt bestimmte Verpflegungsgelder; Ersparnisse -werden ausgezahlt oder zu Vergnügungen ausgegeben. Das weiß jeder an -Bord genau und wer der Menage etwas stiftet, ist des Dankes jedes -einzelnen gewiß. So wurde auch das Geschenk der Araber entsprechend -gewürdigt, um so mehr, als diese baten, wir möchten auch Kokosnüsse -nach Bedarf bestellen. — Die Nüsse wurden von den Matrosen stets sehr -gern gegessen und getrunken.)</p> - -<p>Herr Steiner war mit diesem Verhalten seiner Schutzbefohlenen sehr -zufrieden; er benachrichtigte das Kriegsschiff rechtzeitig und riet, -die Geschenke anzunehmen.</p> - -<div class="sidenote">Auf der Insel Mafia.</div> - -<p>Das Landen war in der Tirenibucht nicht einfach; bei Flut konnten -die Boote unmittelbar an Land fahren, bei Ebbzeit aber mußte man -weit durch das Wasser waten oder sich dem Rücken eines Schwarzen -anvertrauen. Doch ein Spaziergang in der wunderbaren Pflanzenwelt der -Ufer dürfte auch größere Mühe und Umstände lohnen. Im Wasser gedeiht -ein dünner Mangrovengürtel, den eine breite Sandstraße von der üppigen -Ufervegetation trennt. Hier glänzen die fein gefiederten Wedel der -wilden Phönixpalme, wie an der Mündung des Rufiyi; große und kleine -Laubbäume wechseln ab mit Büschen, die eine Fülle duftiger, weißer -Schmetterlingsblüten tragen; einzelne Betelpalmen schießen hoch empor -und tragen auf dünnem Stamm die künstlerisch ausgebaute Krone. Mit -erstaunlichem Eifer haben sich die Pflanzen auch einer am Strande -stehenden Ruine bemächtigt. Vor einem halben Menschenalter mag dieses -Haus erbaut sein;<span class="pagenum"><a id="Seite_64"></a>[S. 64]</span> wer aber nicht weiß, wie schnell unter tropischer -Sonne Mauern dem Verfall geweiht sind, wird sich versucht fühlen, die -Ruine auf die Portugiesenzeit wohl vierhundert Jahre zurückzuführen und -den Bäumen nach europäischem Maßstabe ein hohes Alter zuzutrauen.</p> - -<p>Die Abendsonne durchleuchtete hier die Blattgewebe der üppigen -Bäume, die sich an das verwitterte Baugestein anlehnten. Dicht dabei -glitzerten die Sonnenstrahlen in der klaren Salzflut. In den Zweigen -der Mangroven hatten sich hunderte von blauen Reihern und kleinen, -weißen Kuhreihern zur Nachtruhe niedergelassen. Milane und Schildraben -umkreisten die Wipfel der schlanken Kokospalmen.</p> - -<p>Ein heller Morgen sah mich wieder am Strand, wo ein kleiner weißer Esel -mit langen, steifen Ohren auf mich wartete. Er wurde nach arabischer -Art gesattelt. Der hübsche Eseljunge, (der offenbar arabisches Blut in -den Adern hatte), legte vier weiche Decken auf, zog mit großer Ruhe und -Ausdauer jede einzelne sorgfältig hin und her und faltete sie gehörig; -dann befestigte er eine weiche Kordel so, daß der fertige Sattel durch -den Schwanz des Tieres am vorrutschen gehindert wurde. Nach vorn führte -gar kein Geschirr; der fertige Sattel ruhte über dem Kreuz des Tieres. -Ein einfacher Strick diente als Zügel; mehr war auch nicht nötig, denn -das Tier war gewohnt stets hinter dem Eseljungen herzulaufen; der warf -sein weißes Gewand über und setzte sich nach Art der Neger in Trab, -indem er Kopf und Oberkörper, besonders beim Anlauf, stark auf dem -niedergehenden Fuß hin und her bewegte. Für die Gangart des Tieres war -also ganz der Junge maßgebend; ich durfte meine Reitkünste zu Hause -lassen und konnte nur durch ein paar auf Kisuaheli zugerufene Worte -meinen Willen zum Ausdruck bringen.</p> - -<div class="sidenote">Ein Ritt durch die Insel Mafia.</div> - -<p>An den Pflanzungen sieht man, daß die Palmen auf der ganzen Insel -gedeihen. Ich durchritt sandiges, mit niedrigem Gras bestandenes -Hügelland, in dem von Zeit zu Zeit kleine Schamben lagen; ein Dutzend -Kokospalmen, ein Garten mit Mohogo, dabei eine kleine Hütte. Das -ganze Besitztum sorgfältig gegen Wildschweine eingezäunt. In langen -Talsenkungen stand Wasser; hier<span class="pagenum"><a id="Seite_65"></a>[S. 65]</span> gedieh eine artenreiche, dichte -Sumpfvegetation und blaue Wasserrosen deckten den Wasserspiegel. In -der Regenzeit sind diese Täler ganz mit Wasser ausgefüllt. Die Wege -zeigten streckenweise Pflege; an den Seiten war eine Reihe niedriger, -blaugrauer Agaven gepflanzt. Einmal durchschnitt der Weg übermannshohes -Gebüsch von Heidekraut, das zum Teil niedergebrannt war; an einer -Stelle, wo ich zum Frühstücken hielt, stand ein merkwürdiger Busch -mit glänzenden Blättern; es sah aus, als ob gelbe und rote Blüten -nebeneinander auf einem Ast saßen, aber bei näherem Hinsehen konnte -man erkennen, daß nur die gelben Blüten, Blüten waren und die roten, -alte Kelchblätter, die in ziegelroter Farbe abwechselnd grüne, -unreife und schwarze, reife, glänzende Beeren umkränzten. Gewiß eine -Merkwürdigkeit; erhöht durch die Tatsache, daß die Kelchblätter, -solange sie frische Blüten umschlossen, klein und nur zart gefärbt -waren.</p> - -<p>Nach mehrstündigem Ritt näherte ich mich der Ostseite der Insel. Die -Kokospalmen wurden häufiger und bildeten bald regelmäßigen Waldbestand. -Die hohen, gleichmäßig starken Stämme erhoben sich aus niedrigem -Graswuchs; doch, wie um dem Auge einen festeren Halt zu geben, waren -dunkle, volle Mangobäume in diesen einförmigen Wald hineingestreut und -trugen wie Weihnachtsbäume, eine Fülle von Früchten an dünnen Fäden. -Zwischen den Bäumen lagen die naturbraunen, mit Palmblättern gedeckten -Hütten der Menschen; Rinderherden zogen durch den Wald, gefolgt von -schneeweißen Kuhreihern, die in Zusammenleben mit Haustier und Mensch -ihren Bedarf an Insektennahrung an der Haut der Rinder suchen; ein -Umstand, der den Viehzüchtern erwünscht ist. (Die Kuhreiher und -Madenhacker werden in Deutsch-Ostafrika durch das Jagdgesetz geschützt, -weil angenommen wird, daß sie auch die von den Rindern abfallenden -Küstenfieberzecken verzehren. Man ist aber weit davon entfernt, den -Nutzen der Vögel zu überschätzen; sie hacken Löcher in die Haut der -Rinder und bringen ihnen häßliche Wunden bei. Die Insel Mafia selbst -ist vor Seuchengefahr ziemlich sicher und die Vieheinfuhr wird durch -Quarantäne sorgfältig überwacht).</p> - -<p>Auf einem sauber gehaltenen Platze unter hohen Palmen<span class="pagenum"><a id="Seite_66"></a>[S. 66]</span> hielt mich -der Jumbe der Insel an, ein Araber, der aus einer wohlgebauten Hütte -heraustrat. Die hagere Gestalt bekleidete ein langes, weißes Hemd aus -dem die zierlichen Glieder und der fein geformte Kopf heraussahen. -Über der glatten, weichen Stirnhaut war das Kopftuch zu einem Turban -zusammengeschlungen. Die lebhaften, großen Augen glänzten und durch die -feinen Lippen leuchteten beim Sprechen weiße Zähne. Vor der Mitte des -Leibes stak im Gürtel der fein verzierte, gebogene Dolch in silberner -Scheide; an den Füßen trug er weit überstehende Ledersandalen. Er bot -mir einen Stuhl an und ließ eine Kokosnuß holen, eine frische, wie er -versicherte; ich konnte das nicht bezweifeln, denn ich sah, wie der -Junge auf die Palme kletterte und umständlich die beste Nuß auswählte -und herunterschlug.</p> - -<p>Die Auswahl muß, wie mir der Araber erläuterte, erlernt werden. Man -unterscheidet Trinknüsse (Madafu) und reife Nüsse zur Kopragewinnung -oder zur Aussaat. Die Trinknüsse haben noch nicht viel Fleisch -angesetzt und sind, nachdem der Bast durchgehauen ist, leicht zu -öffnen. Der Saft macht auf weißen Anzügen braune Flecken, die durch -waschen nicht hinausgehen.</p> - -<p>Bewundernswert ist, wie die Neger die Palmen erklettern.</p> - -<p>Während wir den Druck der Knie beim Klettern benutzen müssen, gestattet -dem Neger sein Körperbau an dem dünnen Stamm einer Palme empor zu -gehen, wobei er den Stamm mit den Händen umfassen kann, weil er sehr -lange Arme hat. In den Stamm der fruchttragenden Palmen sind, um das -Ersteigen zu erleichtern, meist Treppenstufen eingeschnitten.</p> - -<p>Auf dem sauber gefegten Platze vor dem Hause lagen aufgeschnittene -Kokosnüsse zum Trocknen. — Als ich am Abend wieder vorbeikam, waren -sie unter das überstehende Dach der Hütte gelegt, um sie vor dem hier -reichlichen Nachttau zu schützen. —</p> - -<p>Ich ritt weiter und hatte bald den Blick zwischen Palmen hindurch -auf das Meer, auf die große Bucht, deren Südseite die Insel Tschole -vorgelagert ist. An den Korallenriffen stand eine hohe Brandung.</p> - -<p>Zwischen den Riffen hindurch führt die Einfahrt in die<span class="pagenum"><a id="Seite_67"></a>[S. 67]</span> Tscholebucht, -die bei Hochwasser auch von den kleinen Gouvernementsdampfern -angelaufen werden kann.</p> - -<div class="figcenter illowe20" id="pg67ill"> - <img class="w100" src="images/pg_67_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Rinderherde. Kokospalme und Mangobäume.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Kokospalmen.</div> - -<p>In dem weißen Seesand, dicht am Meere, stand eine sechsjährige -Kokospflanzung, nach dem Wasser hin durch eine Hecke abgeschlossen. Die -Palmen waren gleichmäßig hoch, die Blätter zeigten eine gesunde Farbe.</p> - -<p>Die Kokospalmen blühen im sechsten Jahre und bringen im siebenten Jahre -die erste Ernte. Eine Palme liefert jährlich 75 bis 100 Nüsse, je nach -der Bearbeitung und Düngung, die man ihr gibt. Der schlimmste Feind der -Palme ist der große Nashornkäfer, dessen Larven von den Eingeborenen -eifrig verfolgt werden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_68"></a>[S. 68]</span></p> - -<p>Am Strande klopfte ein Mann Bast von Kokosnüssen, um Schiffstaue davon -zu machen.</p> - -<p>Zu dem Zwecke wird die Umhüllung der Nüsse im nassen Sand einige -Zeitlang eingegraben, damit die Fleischteile sich von dem eigentlichen -Bast lösen, dann wird der Bast ausgeklopft und getrocknet. Das Material -ist uns bekannt in der Form von Kokosmatten.</p> - -<p>Das Tauwerk aus dem Bast muß sehr stark sein, und sieht deshalb plump -aus.</p> - -<p>Mein Esel ging ohne Zögern durch die glitzernde Flut auf das Boot los, -das etwa 400 <span class="antiqua">m</span> weit vom Strande entfernt im flachen Wasser lag; -ich konnte vom Rücken des Esels in das Boot hineinsteigen. Leider -erlaubte der Wind nicht, Segel zu setzen; ich mußte, um mein Ziel, die -Insel Tschole zu erreichen, in weitem Bogen um eine, bei Ebbe trocken -fallende Landzunge herumrudern lassen. Die Baharias (Matrosen) sangen -laut und kamen dadurch über die eintönige, anstrengende Arbeit hinweg. -Fast eine halbe Stunde lang sangen sie dieselben Worte. „Bringt mich zu -meiner Mutter Faida!“</p> - -<p>Die schwarzen Bootsleute können, wenn es nötig ist, acht bis zehn -Stunden lang ohne Unterbrechung rudern; kein Weißer könnte das -aushalten. Aber merkwürdig: dieselben Leute sind zu anderer Arbeit -ungeschickt und nur auf die eine Bewegung des Ruderns trainiert. -Man kann wohl annehmen, daß so außerordentliche Anstrengungen ihrer -Gesundheit schaden, aber daran denken sie nicht; wenn sie krank werden, -sind sie für den Dienst unbrauchbar und verschwinden in der Menge. So -sind es immer die kräftigsten und gesundesten aus vielen Negern, die -den Dienst gerade tun und die der Weiße um sich sieht.</p> - -<div class="sidenote">Tschole.</div> - -<p>Nach einstündiger Fahrt landete ich auf der Insel Tschole. Links über -den hellen Strand hin gingen viele Menschen und löschten die Ladung -einer Dhau. Man hatte das Fahrzeug auf den Strand auflaufen lassen -und so war es den Trägern jetzt, bei halbem Wasser ein leichtes, die -Ladung zu löschen. Auch ein Rind wurde aus dem Schiff gezerrt und unter -Geschrei am Lande entlang getrieben. — Eine andere Dhau lag dort, -dicht besetzt mit<span class="pagenum"><a id="Seite_69"></a>[S. 69]</span> Passagieren, und wartete die Flut ab, um nach der -Insel hinüberzusegeln.</p> - -<p>Herr Steiner führte mich in sein schön gelegenes Haus, von dessen -Veranda wir die Aussicht auf die Bucht und die Insel Mafia hatten; am -jenseitigen Ufer, soweit das Auge sah, standen Palmen, der Reichtum der -Insel.</p> - -<p>Das Haus einer italienischen Handelsgesellschaft schaute freundlich, -aber verlassen herüber. Wie so oft, waren auch hier grobe Fehler, nicht -die gegebenen Bedingungen an dem Mißlingen des Unternehmens schuld. Die -Gesellschaft hatte Geld an Araber und freie Suahelineger verborgt, die -keine Palmen besaßen und war dadurch in Schulden geraten. Nun hatte -die Gesellschaft das gesegnete Land verlassen; die Schuldner taten -Strafarbeit an der Kette.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg69ill"> - <img class="w100" src="images/pg_69_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Straße auf Tschole (Mafia).</p> - -<p>Links ein Araberhaus. Rechts Negerhütten. Kasuarinen und Kokospalmen.</p></div> -</div> - -<p>Als wir vom Mittagessen aufstanden, wartete ein Araber im Vorraum. -Wir wurden gebeten, einer Begräbnisfeier beizu<span class="pagenum"><a id="Seite_70"></a>[S. 70]</span>wohnen. Der reichste -Mann der Insel war in der letzten Nacht an Herzschwäche gestorben. -Sein Vermögen wurde auf 800000 Mk. geschätzt, wovon eine hohe -Erbschaftssteuer der Regierung zugute kommen sollte.</p> - -<p>Wir gingen durch die breiten, sauberen Straßen, die von zwei Reihen -dicht belaubter Akazien beschattet wurden. Die Häuser sind aus -Korallenstein gebaut und mit Palmblättern gedeckt. Baumann, in seinem -liebevoll dem Neger angepaßten Geschmack, hatte diese geraden Straßen -verspottet; wir müssen in dieser Anlage einen Fortschritt sehen, denn -mit den dicht belaubten Bäumen wird ebensogut Kühle und Schatten in den -Straßen erreicht, als durch die kreuz und quer durcheinander gebauten -Hütten oder die engen Straßen, wie sie Sansibar hat.</p> - -<p>Neger und Araber in großer Menge standen vor dem Hause, in dessen -dunklen Eingang wir genötigt wurden. Als ich von der hellen Straße -in das Dunkel des Hauses trat, stolperte ich über ein Hindernis, und -merkte mit Schrecken, daß es die Leiche war, die man nahe an der Tür -aufgebahrt hatte!</p> - -<p>Aus dem Innern des Hauses erscholl ein eintöniges Klagen vieler -Weiberstimmen, das sich steigerte, als die Bahre fortgetragen wurde; -die Leiche war mit kostbaren Tüchern überdeckt. Von beiden Seiten -drängten sich die Freunde des Verstorbenen hinan, um jeder einmal -mitgetragen zu haben. Die Weiber kamen in die Gärten und setzten dort -ihr Geschrei fort; den gleichgültigen Gesichtern glaubte man anzusehen, -daß hinter der Heulerei keine wirkliche Trauer steckte.</p> - -<p>Nach arabischer Sitte gehören Frauen nicht in die Moschee, auch nicht -auf den Kirchhof.</p> - -<div class="sidenote">Araberbegräbnis.</div> - -<p>Der Kirchhof war ein Platz an der Straße; einige verfallene Grabmale -standen darauf. Zwischen den Gräbern hatte ein mehr materiell als fromm -denkender Mann schon wieder mit Erfolg Mohogo gepflanzt. Dicht bei der -Moschee war ein etwa drei Meter tiefer Schacht gegraben, an dessen -Sohle nach der Seite hin ein Raum ausgehöhlt war, in dem die Leiche -gerade hineinpaßte, und der durch ein Brett verschlossen werden konnte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_71"></a>[S. 71]</span></p> - -<p>An dem Grabe hielt die Menge. Ein des Korans Kundiger las aus einem -alten Buche vor, und die Umstehenden leierten mit stumpfsnnigen Mienen -den Refrain. — Drei Männer sprangen in das Grab, ein Tuch wurde -darüber gezogen und unter dem Tuch langsam der Körper des Toten in die -Höhlung hineingeschafft. Keiner darf ihn sehen. Dann langte eine Hand -mehrmals unter dem Tuche hervor und verlangte nach Erde, wahrscheinlich -um das Brett abzustützen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg71ill"> - <img class="w100" src="images/pg_71_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"> -<div class="capright">Presuhn.</div> - -<p>Festungsruinen in Kilwa (Deutsch-Ostafrika).</p> - -<p>Portugiesen und Araber haben jahrhundertelang um die Küstenplätze -Ostafrikas gekämpft. Reste alter Kirchen und Festungen stehen in -Mombasa, Kilwa und Mocambique. Das alte Kilwa hatte in seiner Blütezeit -über hundert Moscheen; jetzt wohnen nur einige Neger auf der Insel im -Beaverhafen, der als Anfangspunkt der Bahn nach Wiedhafen in Aussicht -genommen wurde.</p></div> - -</div> - -<p>Als ich am Abend zurückfuhr, baten mich zwei Araber, mitfahren zu -dürfen. Sie kamen vom Begräbnis und sagten mir, daß der Tote mit dem -Gesicht nach Mekka in das Grab gelegt<span class="pagenum"><a id="Seite_72"></a>[S. 72]</span> würde und der eine fügte hinzu: -„Viele Tote liegen schon in allen Ländern um Mekka herum; jeder hat -seine Hoffnung!“</p> - -<p>Ich mußte denselben Weg zurückreiten, den ich am Vormittag gekommen -war; die Dunkelheit brach herein; die Reiher ruhten schon auf den -Zweigen der Sumpfbäume. An einem kleinen See, der vom letzten -Abendlicht beleuchtet wurde, stieg ich eine Weile ab.</p> - -<p>Es war ganz still und auch der Seewind war eingeschlafen.</p> - -<p>Das Schilfgras reichte weit in den See hinein; ein Saum hochstämmiger -Kokospalmen stand am anderen Ufer.</p> - -<p>Im Wasser spiegelten sich die Sterne des Tropenhimmels zwischen -düsteren Pflanzen.</p> - -<p>Quer auf dem Arabersattel sitzend, sah ich noch eine Weile zurück, bis -das gewohnte Landschaftsbild mich umgab.</p> - -<p>Einmal ging es steil bergan, da hielt der Esel und drehte plötzlich um. -Ich ließ ihm seinen Willen; er ging einige Schritte zurück und dann -seitlich durch das Gebüsch auf einen wenig betretenen Steig. So umging -er die Steigung und kam auf den breiten Weg zurück.</p> - -<p>Das selbständige Handeln des Tieres überraschte mich. Der kleine -Bengel, der sich mir angeschlossen hatte, sagte: „Er will nicht fallen, -deshalb sucht er sich seinen eigenen Weg!“</p> - -<p>„Ein famoses Tier,“ antwortete ich.</p> - -<p>„Es ist der Esel des Jumben,“ entgegnete der Bengel stolz.</p> - -<p>Am Strande der Tirenibucht wieder angekommen, machte ich mit -langen, brennenden Palmwedeln Feuersignale, die mit den Lampen des -Nachtsignalapparates vom Kriegsschiff aus erwidert wurden; ein -Ruderboot kam und holte mich an Bord.</p> - -<p>In der Messe saßen noch mehrere Kameraden und feierten die Ergebnisse -einer Perlhuhnjagd, die am Nachmittage stattgefunden hatte.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_2" href="#FNAnker_2" class="label">[2]</a> „Der wiedergewonnene Weltteil. Ein neues gemeinsames -Indien“. Berlin 1876. Andere Schriften sind: -</p> -<p> -„Kann und soll Deutschland eine Dampferflotte haben und Wie“ (1847). — -„Kann und soll ein Neu-Deutschland werden?“ (1861). — „Der Fischfang -auf hoher See“ (1862). — „Der Nord- und Ostseekanal durch Holstein, -Deutschlands Doppelpforte zu seinen Meeren und zum Weltmeere“ (1864) -u. a. m.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_3" href="#FNAnker_3" class="label">[3]</a> <span class="antiqua">Rukhsa</span> = du kannst gehen. In Ostafrika -gebräuchlicher Ausdruck.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_4" href="#FNAnker_4" class="label">[4]</a> „<span class="antiqua">hatuwezi</span>: <span class="antiqua">baridi</span>.“</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_5" href="#FNAnker_5" class="label">[5]</a> Makuti = Palmblatt.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_6" href="#FNAnker_6" class="label">[6]</a> Kisuaheli; gebildet aus „<span class="antiqua">Man of war</span>“.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_73"></a>[S. 73]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg73ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_73_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Askari meiner Truppe.</p> - -<p>Es sind Neger aus verschiedenen Stämmen: Wasukuma, Wamakua, Wanjamwesi, -und sogar Warufiyi aus dem Aufstandsgebiet selbst. Vor der Front steht -ein Sudanese, der Betschausch. Die Askari sind in dünne Khakianzüge -gekleidet und tragen Lederstiefel und Beinwickel. Als Waffe haben sie -das Gewehr Mod. 71 und ein Seitengewehr, das als Bajonett aufgesetzt -werden kann.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Der_Aufstand">Der Aufstand.</h2> - -</div> - -<p>Aufstand? —</p> - -<p>Wenige glaubten, daß es ernst war —. „Wir kennen unsere Schwarzen!“ -„Spielen einen Stamm gegen den andern aus, wenn es irgendwo losgeht!“ —</p> - -<p>„Heute können Sie mit dem Spazierstock durch Afrika gehen!“ „An der -Küste vor allem sind Unruhen nicht zu erwarten.“</p> - -<p>Die Worte klangen noch im Ohre, da kamen Gerüchte vom Angriff auf -eine Ansiedelung und Gefährdung der südlichen Küstenplätze. Und -wieder hieß es: „Zwischen Kilwa und Mohorro sitzen die Matumbi, von -jeher unzufriedene Gesellen, die sich schon öfter regten; es wird -nichts zu bedeuten haben.“ Doch die Nach<span class="pagenum"><a id="Seite_74"></a>[S. 74]</span>richten wurden dringender: -Tausende bewaffnete Eingeborene bedrohten die Orte Kilwa und -Mohorro; ein Ansiedler wurde ermordet, der zum Schutze einer großen -Baumwollpflanzung entsandte Feldwebel mit seiner kleinen Truppe von -zweitausend Schwarzen angegriffen. Man durfte sich nicht mehr täuschen, -die Sache wurde ernst.</p> - -<p>Zufällig lag der kleine Kreuzer „Bussard“ im Hafen von Daressalam. -Mit seiner Hilfe tat der Gouverneur Graf Goetzen alles, was in seinen -Kräften stand, um der Gefahr entgegenzutreten. Die Daressalamer Askari -wurden nach Kilwa gebracht; Matrosendetachements sollten zum Schutze -von Kilwa und Mohorro gelandet werden.</p> - -<p>In den Nachmittagsstunden des 3. Augusts betraten viele schwarze -Soldaten mit Patronentaschen und Gewehren das Oberdeck des -Kriegsschiffs, das in dem stillen Hafen von Daressalam lag. Auf -die Soldaten folgten scheue Träger aus dem Innern, die vielleicht -zum ersten Male ein Schiff aus der Nähe sahen. Reittiere wurden -übergenommen und auf das Vordeck gestellt; alles schon in der -Dunkelheit.</p> - -<p>Abends warf das Schiff von der Boje los und ging durch die enge -Ausfahrt in See. Die Fahrrinne war heute durch Lichter gekennzeichnet. -— Um Mitternacht blitzte das Leuchtfeuer von Mafia an Steuerbord auf. -Hinter der Insel lag Mohorro, der Rufiyi und das Land, in dem der -Aufstand ausgebrochen sein sollte.</p> - -<p>Der „Bussard“ nahm seinen Kurs südwärts nach der Reede von -Kilwa-Kivindje, dem Kilwa, das die Sklavenhändler einst angelegt haben, -weil die flache, sanft ins Meer verlaufende Küste mit ihren weiten -Sandbänken, dem Platz Schutz gegen die Annäherung der Kriegsschiffe -bot. Dort wurde die Schutztruppe am folgenden Nachmittage gelandet und -eine Abteilung Matrosen zur Sicherung der Stadt ausgeschifft.</p> - -<p>Major Johannes ging von Kilwa aus mit der Askaritruppe nach dem Herd -der Unruhen vor, während den Landungsabteilungen S. M. S. „Bussard“ die -Aufgabe zufiel, die Küstenplätze zu sichern.</p> - -<div class="sidenote">Im Mohorrofluß.</div> - -<p>Der „Bussard“ ankerte am 5. August vor dem südlichsten<span class="pagenum"><a id="Seite_75"></a>[S. 75]</span> Mündungsarm -des Rufiyi, nicht weit von dem Ort Samanga, den Aufständige geplündert -hatten. Am Abend brachte mich der Zollkreuzer Kingani — ein kleiner -Dampfer des Gouvernements — in die Utagitemündung des Rufiyi. Ich -hatte zweiundzwanzig Matrosen mit und sollte den Ort Mohorro gegen die -Aufständigen schützen.</p> - -<p>Näher kamen die Umrisse der Uferpartien, immer kleiner wurde das -Kriegsschiff, bis es durch die ersten, mit Büschen bewachsenen -Sandbänke unseren Blicken entzogen wurde; vielleicht hatten wir es für -lange Zeit zum letztenmal gesehen! Die Aussicht auf Erlebnisse und der -Reiz der Wildnis lockten mich; ich hoffte in dieser Stunde, daß mir ein -langer Aufenthalt im Lande bevorstehe.</p> - -<p>Meine Matrosen werden ebenso gedacht haben; die Seeleute haben ja so -selten Gelegenheit, fremde Länder in ihrer wirklichen Schönheit zu -genießen und sehen von den großen Kolonien meist nicht mehr als die -Strandpromenaden, Klubhäuser und Kneipen der Küstenstädte. In der -bevorstehenden Abwechslung sah mancher, den der Drang, die weite Welt -kennen zu lernen, zur Marine getrieben hatte, die Erfüllung seiner -Jugendträume. Die Phantasie malte Steppen und Wälder des Innern, ferne -Berge und Ströme, wilde Menschen und seltene Tiere.</p> - -<p>Die Nacht brach herein; wir mußten ankern, um nicht auf Untiefen -festzufahren. Die Matrosen richteten sich auf dem Deck des kleinen -Dampfers und in dem Schleppboot so gut es ging Schlafplätze ein. -Ich dachte an meine Aufgabe und las immer wieder den sorgfältig -geschriebenen Befehl, den mir der Kommandant, Korvettenkapitän Back -selbst gegeben hatte: nur wenn Mohorro wirklich in Gefahr war, sollte -ich im Lande bleiben, andernfalls sofort an Bord zurückkehren. An -längere kriegerische Tätigkeit glaubte noch niemand; mir fiel ein, was -der Erste Offizier zu mir sagte, als ich mir Wäsche und Proviant für -acht Tage einpackte: „Wozu schleppen Sie so viel mit, übermorgen sind -Sie ja wieder hier.“ Würde er recht behalten? — Mehr als sechs Monate -vergingen, bis ich unser schönes Schiff wiedersah.</p> - -<p>Leise plätscherte das Wasser des Stromes an der Bordwand<span class="pagenum"><a id="Seite_76"></a>[S. 76]</span> des kleinen -Dampfers. Von den Ufern mit ihren düsteren, einförmigen Sumpfbäumen war -bald nichts mehr zu sehen. Alles schlief an Bord.</p> - -<p>Kühler Wind wehte die ganze Nacht hindurch und schaffte uns -erquickenden Schlaf. Als die Sonne am klaren Himmel aufging, sah sie -in lauter frohe Gesichter; jeder erwartete etwas von den nächsten -Tagen. Schon die Bootfahrt war ganz dazu angetan, die Stimmung auf der -Höhe zu halten. Bei Sonnenaufgang wurde der Anker gelichtet und der -Kurs stromauf genommen. In den Mangroven saßen schneeweiße Edelreiher; -Graufischer flatterten über dem Wasser, Brachvögel und Strandläufer -suchten auf dem schlammigen Boden nach Nahrung und waren durch ihre -Farbe kaum von der Umgebung zu unterscheiden.</p> - -<p>Die auflaufende Strömung förderte unsere Fahrt. Bald machte die -einförmige Mangrovenvegetation freundlicheren Landschaftsbildern Platz.</p> - -<p>Der Fluß wurde schmaler. Sandige Uferböschungen traten hervor, -Sträucher, Phönixpalmen; endlich die dunklen, dichtbelaubten Mangobäume -und schlanke Kokospalmen als Zeichen menschlicher Kultur. Kleine -Dörfer in Feldern mit Kaffernkorn und Mais. Neger standen am Ufer und -antworteten „es ist Friede“ wenn man fragte: „Was gibt’s Neues vom -Aufstand?“ Affen turnten durch die Äste der Uferbüsche; Perlhühner -reckten ihre Hälse; ein Flußpferd steckte prustend seine Nase aus dem -Wasser.</p> - -<p>Gegen Mittag mußte der Dampfer ankern, weil das Wasser zu flach wurde. -Wir gingen noch zwei Stunden über Land, durch Felder mit Zuckerrohr, -Mohogo, Mais, Bananen und Ananas.</p> - -<div class="sidenote">Ankunft in Mohorro.</div> - -<p>Als wir den Ort Mohorro erreichten und im Gleichschritt durch die -graden Straßen marschierten, kamen Araber, Inder und Neger, malerisch -in bunte Tücher gekleidet, vor die Türen ihrer Hütten und Läden. Es war -das Bild einer sauberen Negerstadt, in der reges Leben herrscht.</p> - -<p>Der Bezirksamtmann, Herr Keudel, kam mir an der großen Holzbrücke, -die den Fluß überspannt, entgegen und führte mich zu den Gebäuden des -Bezirksamts, in denen die Mannschaft untergebracht wurde.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_77"></a>[S. 77]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg77ill"> - <img class="w100" src="images/pg_77_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Mangrovenwald am Mohorrofluß.</p> - -<p>Die Mangroven vertragen Salzwasser. Es gibt mehrere Arten; einige geben -gutes Bretterholz, andere nur Brennholz und Grubenhölzer. Die Rinde -enthält viel Gerbsäure und wird seit einigen Jahren exportiert. Die -Wälder an der Rufiyimündung werden von drei Forstbeamten verwaltet. Die -Mangrove hat sich wunderbar an die Gezeiten des Meeres angepaßt. Ihre -Stelzwurzeln werden zur Flutzeit vom Meerwasser umspült; während der -Ebbe sieht man auf ihnen Muscheln, Krabben und Schlammspringer.</p></div> -</div> - -<p>Außer dem Bezirksamtmann waren in Mohorro noch sechs Europäer: ein -Bezirksamtssekretär, ein Wirtschaftsinspektor, ein Kommunalsekretär, -der die Kommunalkasse verwaltete, ein Sanitätssergeant, der zugleich -Post- und Telegraph versah, der Unteroffizier der Polizeitruppe und -ein Schreiber. Im Bezirk selbst war nur ein Weißer: Herr Wiebusch, der -Leiter der Schule für Baumwollbau. Der Bezirksamtmann war erst vor -kurzem von einer Reise durch den Bezirk zurückgekehrt und konnte mich -über die Verhältnisse im Lande unterrichten. Nach seinen Schilderungen -waren weite Teile des fruchtbaren Landes in den Niederungen gut -bevölkert und eine reiche Ernte war eingebracht. Der reichliche -und<span class="pagenum"><a id="Seite_78"></a>[S. 78]</span> täglich bei Spiel und Tanz wiederholte Genuß der berauschenden -Getränke, die die Neger aus den gewonnenen Ernteprodukten herstellen, -konnte vorübergehend Ursache ihrer feindlichen Haltung sein; es war -aber auch nicht ausgeschlossen, daß tieferliegende Gründe eine lange -vorbereitete Aufstandsbewegung entfacht hatten, die ähnlich wie in -Südwestafrika, plötzlich und unerwartet an allen Ecken losbrechen -konnte, um der Fremdherrschaft ein Ende zu machen.</p> - -<p>So dachte Bezirksamtssekretär Stollowsky, der den Bezirksamtmann -während seiner Abwesenheit vertreten hatte. Er hatte den Andeutungen -und Erzählungen der Neger über sonderbare, einfältige Mittel, mit denen -einheimische Zauberer die Eingeborenen für sich gewannen, besondere -Bedeutung beigelegt und nicht geruht, bis die verdächtigen Leute hinter -Schloß und Riegel saßen. Das kann wohl ein Verdienst genannt werden; -denn wahrscheinlich hat die vorzeitige Entdeckung zu dem mehr lokalen -Ausbruch der Unruhen geführt und so ein planmäßiges, verabredetes und -allgemeines Vorgehen der Neger gegen die Europäer im nächsten Jahre, -vereitelt.</p> - -<p>Nach der Unterdrückung der Araberaufstände, der Unterwerfung der Wahehe -und seitdem die Massaigefahr nüchtern beurteilt wurde, war man von Jahr -zu Jahr sorgloser geworden.</p> - -<p>Kleine Unruhen waren in den Kolonien stets an der Tagesordnung; -wurden aber nicht bekannt, denn es bestand der von allen Afrikanern -gebilligte Brauch, in solchen Fällen nicht von Aufstand oder Krieg zu -sprechen, weil das bei der Schwierigkeit Verhältnisse aus der Ferne -zu beurteilen, leicht in der Heimat unnötig Lärm verursacht. Schnell -wieder Ordnung schaffen mit allen Mitteln, wenn es eben einmal nicht -gelungen war, Ordnung zu halten: das war der Befehl des Gouvernements, -der von allen Bezirkschefs verstanden wurde. Einer Kolonie, die stets -ruhig aussieht, bewilligt man aber keine Soldaten, und so ging man -schon mit der Absicht um, zwei Kompagnien der im Verhältnis zur Größe -der Kolonie nicht großen und nicht zu teuren Schutztruppe zu streichen, -als der Aufstand ausbrach.</p> - -<p>Zum Glück war man diesmal den Schwarzen zuvorgekommen; noch hatten -sich die Polizeiaskari in gewohnter Weise im Lande<span class="pagenum"><a id="Seite_79"></a>[S. 79]</span> bewegen und die -gefährlichen Elemente festnehmen können. Kein Widerstand regte sich -dabei. Aber bald darauf zeigten die Neger in den Matumbibergen ihren -Unwillen über den vom Bezirksamt befohlenen Anbau von Baumwolle, der -ihnen lästig war und dessen Nutzen sie noch nicht einsahen; da begannen -die Ausschreitungen.</p> - -<div class="sidenote">Haltung der Araber.</div> - -<p>Von Bedeutung war dabei die Haltung der Araber. Im Mohorrobezirk wohnte -eine ganze Anzahl. Sie besaßen gute Pflanzungen in der Umgegend oder -betrieben kleine Zuckermühlen, hatten als Arbeiter Sklaven, die bei -ihnen wohnten und verpflegt wurden, bezahlten außerdem aber schon -Lohnarbeiter. Ihre wirtschaftliche Lage war recht gut, und sie waren -nicht in dem Maße den Indern verschuldet, wie ihre Brüder in den -reichen Zuckergebieten am Pangani, weil das Bezirksamt hier auf den -Wucher der Inder ein Augenmerk hatte.</p> - -<p>Einige von ihnen waren als Unterbeamte, als Akiden angestellt und -hatten als solche Steuern einzutreiben, die Befehle des Bezirksamts -bekannt zu geben und etwas Strafgewalt auszuüben. Diese fühlten -sich durch ihre Vertrauensstellung eng mit der deutschen Herrschaft -verbunden und sahen, daß unter ihr zu leben war.</p> - -<p>Vielleicht gerade wegen dieser Vertrauensstellung hatte sich das -Zerstörungswerk der Aufständischen in den Matumbibergen auch auf den -Besitz der Araber erstreckt; jedenfalls konnten es als gutes Zeichen -für die Stellung der Araber ansehen, daß der Haß der Neger sich auch -gegen diese richtete.</p> - -<p>Der Bezirksamtmann verließ sich deshalb weiter auf seine farbigen -Akiden, die ununterbrochen Boten mit Nachrichten aus dem Lande -schickten und die Lage viel ernster darstellten, als sie anfangs -beurteilt worden war.</p> - -<p>Ich wohnte in dem geräumigen Hause des Bezirksamtmanns und bemühte -mich, aus den Schilderungen der Boten ein Bild von dem Wesen der -Aufstandsbewegung zu bekommen. Es war immer das gleiche: „Schickt -schnell Askari, die Schenzi<a id="FNAnker_7" href="#Fussnote_7" class="fnanchor">[7]</a><span class="pagenum"><a id="Seite_80"></a>[S. 80]</span> kommen; sie werden unsere Hütten -abbrennen, das Getreide wegnehmen und uns töten, wenn wir nicht -mitmachen oder fliehen.“ Bald danach kam ein anderer Bote mit der -Hiobspost: „Unsere Hütten sind verbrannt, Menschen erschossen; die -Schenzis ziehen weiter, viele schließen sich ihnen an.“</p> - -<p>Immer näher bei Mohorro mordeten und brannten die Aufständigen, ohne -daß ihnen entgegengetreten wurde. Ihre Zahl vergrößerte sich von Tag -zu Tag. Noch waren die Stämme auf der Nordseite des Flusses ruhig; -bald konnte die Bewegung auch dorthin übergreifen, dann war Mohorro -isoliert. Wiederholte Bitten des Bezirksamtmanns an die Schutztruppe, -gegen den Rufiyi vorzugehen, blieben erfolglos, weil die Schutztruppe -selbst ernsten Widerstand gefunden hatte.</p> - -<p>In dem Ort Mohorro herrschte deshalb eine sehr gedrückte Stimmung. -Sorge um Sicherheit für Leben und Gut verbreitete sich. Man merkte -es den Eingeborenen an, daß sie nicht verstanden, weshalb die -Europäertruppe untätig blieb; nur zu leicht konnte das als Schwäche und -Feigheit ausgelegt werden.</p> - -<p>Das Vertrauen auf die Macht und den Schutz durch die Soldaten durfte -nicht schwinden, wenn Ruhe im Lande geschaffen und erhalten werden -sollte. Aber ich durfte ohne besonderen Grund nicht wagen, dem Feinde -entgegenzugehen und mußte abwarten bis eine äußere Veranlassung mich -dazu zwang, denn mein Befehl sagte nur, ich sollte Mohorro verteidigen.</p> - -<p>Die Untätigkeit steigerte das Gefühl der Unsicherheit; denn wir wußten -vom Feinde fast nichts, und der Angriff auf Mohorro wurde täglich -erwartet. Bald wurden von Süden, bald von den Kitschibergen her, -Schenzis im Anmarsch gemeldet. Die Telegraphenleitungen waren meistens -unterbrochen; der mit der Reparatur beschäftigte Beamte und sein -kleines Bedeckungskommando wurden oft hart von Angreifern bedrängt. -Auch nachts war scharfe Aufmerksamkeit nötig; denn Niemand konnte -sagen, ob das Volk nicht auch in der Dunkelheit angreife.</p> - -<div class="sidenote">Der erste Angriff.</div> - -<p>Am dritten Tage nach meiner Ankunft häuften sich die bösen Nachrichten -aus dem Süden. Flüchtlinge meldeten, daß die Aufständigen anderthalb -Stunden von Mohorro entfernt, brannten,<span class="pagenum"><a id="Seite_81"></a>[S. 81]</span> plünderten und schössen. Ein -Knäuel von Menschen erschien vor dem Bezirksamt; erregte Eingeborene, -Araber, Weiber und Kinder schlossen sich den Boten an. Die Aufregung -der Leute angesichts der nahen Gefahr gab zu denken. Wenn es so weiter -ging, und einer nach dem andern von uns abfiel, konnte man durch -Eingeborene aus der nächsten Umgebung überrumpelt werden. Bei den -fortwährenden Übergriffen der Aufständigen, die alle nicht zu ihnen -übertretenden Leute ausplünderten und töteten, standen die Schwarzen an -der Peripherie des Aufstandsgebietes alle vor dem Entschluß, sich dem -Aufstand anzuschließen, um ihr Eigentum und die gerade hereingebrachte -Ernte zu retten, wenn sie nicht Vertrauen auf den Schutz der Europäer -bekommen konnten.</p> - -<p>Der Entschluß zu marschieren wurde mir sehr schwer, weil mein Befehl -ausdrücklich vorschrieb, mich auf die Verteidigung zu beschränken. -Jedoch der Telegraph war unterbrochen, Befehle konnte ich mir also -nicht einholen, und schnelles Handeln tat not.</p> - -<p>Mit elf Matrosen und dreißig Askari der Polizeitruppe verließ ich -Mohorro. Es blieben genug Soldaten zurück, um das Bezirksamt im Notfall -zu schützen. Außerdem war das Maschinengewehr stets gefechtsbereit. -— Schon nach einstündigem Marsch traf ich auf frisch zerstörte -Ortschaften; rauchende Trümmer und ganze Haufen glimmender Vorräte, -die der Wind in rote Glut setzte. Das waren Anzeichen für die Nähe der -Plünderer. Auf einem schmalen Fußpfad ging es vorwärts; durch kniehohes -Gras und niedrigen Busch; durch Felder mit Mohogo, abgeerntetem Mais -und Negerhirse. Bald trafen wir Aufständige.</p> - -<p>Ich hatte unter einer Gruppe von Mangobäumen Rast gemacht und -eine Patrouille vorausgeschickt, die plötzlich hielt und Meldung -zurücksandte, etwa dreißig Schwarze mit Gewehren plünderten ein vor -uns liegendes Dorf und seien im Abziehen. So schnell wir auch folgten, -erreichten wir die Leute doch nicht und kamen an eine Wasserstelle, aus -der offenbar eben getrunken worden war.</p> - -<p>Wir gingen weiter, in hohen Wald hinein.</p> - -<p>Kurz darauf knallte es vor uns; blaue Rauchwölkchen stiegen<span class="pagenum"><a id="Seite_82"></a>[S. 82]</span> auf; die -ersten Kugeln pfiffen an uns vorbei: die Vorposten der Aufständigen -hatten uns gesehen.</p> - -<p>Zu beiden Seiten des Weges marschierten die Matrosen auf und feuerten -eine Salve in das vor uns liegende Dickicht; dann lief die ganze Linie -vor, und die Neger flohen zwischen den Büschen.</p> - -<p>Darauf machte ich an der Wasserstelle Mittagsrast und ließ über dem -Winde das hohe, trockene Gras anzünden, um freie Übersicht in dem Walde -zu bekommen.</p> - -<p>Ein Askariposten stand auf dem Wege, der weiter in den Wald hinein -führte. Hin und wieder fielen noch Schüsse; die Schenzis suchten die -Askari an ihrem Auftrage zu hindern. Wir ruhten unter den schattigen -Vordächern der Hütten und warteten auf die Rückkehr der ausgesandten -Patrouillen.</p> - -<p>Plötzlich winkte der Posten. Sergeant <em class="gesperrt">Kühn</em> sprang auf und lief -zu ihm hin; dann fiel ein Schuß. — Alle griffen zu den Gewehren. — -Rundum im Busch fielen Schüsse.</p> - -<p>Die Aufständigen waren offenbar in großer Zahl zurückgekehrt, um uns zu -überfallen! Über die ersten Toten ging es hinweg, in den Wald hinein; -Matrosen und Askari stürmten in langer Linie vor. — Noch rauchte der -Wald vom Brand; hinein mischten sich die Rauchwölkchen der Gewehre, -unsere Kleider wurden von der Asche geschwärzt. — Zwischen den Büschen -bewegten sich dunkle Leiber mit blauen Tüchern um die Hüften, liefen -und hielten Gewehre, Speere und Äxte in den Händen. Waffen lagen im -Wege und Blutspuren zeigten, daß Verwundete mit den Aufständigen flohen.</p> - -<div class="sidenote">Ein Überfall abgeschlagen.</div> - -<p>Für die Schenzis gab es kein Standhalten mehr. Wir ließen ihnen nicht -Zeit, die Gewehre zum zweiten Male zu laden und folgten bis an das -hohe, noch nicht niedergebrannte Gras. Dort ließ ich halten, weil der -Zusammenhang der Truppe in dem unübersichtlichen Gelände verloren ging, -und wir kein freies Schußfeld mehr hatten.</p> - -<p>Alle waren vom Laufen erhitzt und fast außer Atem. Dennoch wären meine -Matrosen am liebsten gleich weiter gegangen, um<span class="pagenum"><a id="Seite_83"></a>[S. 83]</span> das Lager der Schenzis -zu suchen. Aber wir mußten an den Rückmarsch denken; es war schon spät.</p> - -<p>Das war nun der erste Zusammenstoß mit dem Feinde gewesen. Blut war -geflossen. Die ersten Toten, von unseren Gewehren erschossen, lagen -da. Wunderbar berührte es mich; wer gab uns das Recht, auf Menschen zu -schießen? — Weshalb fielen gerade die und andere entkamen? —</p> - -<p>Als wir, müde und durstig den weiten und sonnigen Weg nach Mohorro -zurückmarschierten, gingen mir die einzelnen Bilder des erlebten -Gefechtes noch einmal durch den Kopf. — Menschen jagen — und von -Menschen, wie ein Stück Wild gesucht und gejagt werden: Welch tiefen -Eindruck machte diese Art der Jagd auf mich! — Dann noch eins: die -Toten! Und es fehlte zum Glück noch das Ergreifendste. Verluste -auf der eigenen Seite. — In der Erinnerung spiegelte sich jetzt -alles deutlich: wie mich die Sorge um den Zusammenhang der Truppe -beherrschte, welche Einfälle mir kamen; ich sah die schwarzen Teufel, -die hinter den Büschen auf mich anlegten —, Rauch und Knall. Das galt -mir! — Das Korn meiner Büchse spielt auf dem Körper eines Menschen, -der Schuß fällt — er stürzt: Ganz ungekannte Eindrücke! Vorwärts! -— Blaue Wölkchen blähen sich plötzlich aus dem Geäst, dann laufen -nackte Gestalten mit großem, altmodischem Gewehr und Pulverhorn. -Bald bleiben rechts, bald links von mir Schützen stehen, heben die -Gewehre und schießen — zwischen den Büschen brennt das trockene Gras. -Dursterregende rauchige Luft atme ich ein. —</p> - -<p>Als wir spät abends Mohorro wieder erreichten, war ich froh, das -Bezirksamt noch auf dem alten Fleck zu sehen. Wie leicht hätten -Aufständige hinter meinem Rücken angreifen können, und es wäre mir dann -schwerlich verziehen worden, wenn ein Unglück geschehen wäre. Aber -allein das Maschinengewehr, das mitten auf der Straße stand, wirkte -Wunder an Respekt bei den Eingeborenen.</p> - -<p>Keudel hatte ein auserlesenes Abendbrot zurecht machen lassen, und wir -feierten die Feuertaufe bei einer Flasche Sekt, die ich vom „Bussard“ -mitgebracht hatte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_84"></a>[S. 84]</span></p> - -<p>Der Erfolg des Vorstoßes machte sich schon am nächsten Tage bemerkbar. -Die benachbarten Jumben (Dorfältesten) kamen mit ihren Leuten und gaben -Gewehre ab. Während die Eingeborenen das Bezirksamt bisher mit Klagen -über Ausschreitungen der Aufständigen überschüttet hatten, herrschte -heute völlige Ruhe. Auch in Mohorro gingen die Europäer unbewaffnet -über die Straße; die Spannung, die Tag und Nacht auf allen gelegen -hatte, machte einer größeren Zuversicht Platz. Wir hatten angegriffen -und dadurch einen gewissen Bann gebrochen.</p> - -<p>Mittlerweile kam eine genaue Nachricht über die oben erwähnte Ermordung -des Ansiedlers Hopfer im Kilwabezirk: Hopfer war krank und ließ sich -von seinen Negern zur Küste tragen, während Aufständige ihn verfolgten. -Als sie näher kamen, liefen seine Träger davon. Er versteckte sich im -Busch; doch sein kleiner Hund schlug an und verriet ihn. Hopfer erschoß -mit seinen letzten Patronen mehrere Angreifer und wurde dann mit Äxten -erschlagen.</p> - -<p>In den nächsten Tagen ließ ich rings um die Gebäude der Station -Bananen und Buschwerk abhauen, um freies Schußfeld zu bekommen. Um -meine Kenntnisse des Kisuaheli zu verbessern, ging ich oft unter die -Bevölkerung und wohnte jeder Gerichtssitzung bei. Auch bei den Askari -gab es allerlei für mich zu lernen, was mir neu war und bei weiterer -Tätigkeit hier helfen konnte.</p> - -<div class="blockquot bbox"> - -<p class="center">Malereien an der getünchten Wand einer Hütte.</p> - -<p>Der Kalk ist um die Figuren herum fortgekratzt. Die Figuren stellen -dar: einen Schenzi mit Schild, Keule und Speer; einen fieberkranken -Mann, der sich von seiner Bibi den Kopf massieren läßt, einen Fisch, -eine Antilope, einen Leoparden und einen Askari. Solche Anfänge -bildender Kunst sind in Ostafrika sehr selten.</p> - -</div> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg85ill"> - <img class="w100" src="images/pg_85_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"> -<div class="capright">(Nach einer Zeichnung des Verfassers.)</div> - -<p>Malereien an der getünchten Wand einer Hütte.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_85_ill_gross.jpg" id="pg_85_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Schwierig war es, den Matrosen den richtigen Platz neben<span class="pagenum"><a id="Seite_87"></a>[S. 87]</span> den -anderen Europäern und über den Askari und Eingeborenen zu geben. Daß -ich mich selbst durch keinen Burschen bedienen ließ, sondern gleich -mehrere Boys annahm, war selbstverständlich; aber bei der Polizeitruppe -hatte sogar jeder Askari einen Boy, deshalb gab ich auch den Matrosen -Schwarze als Diener; ich wollte den Anschein vermeiden, als stände -der Matrose schlechter da als der Askari. Vor allem aber bemühte ich -mich, den Matrosen klar zu machen, wie sie ihre Stellung zu den Askari -und den Eingeborenen aufzufassen hätten. Die Matrosen konnten jedem -Schwarzen Befehle geben, auch dem schwarzen Feldwebel; sollten es aber -möglichst vermeiden. Auch sollten sie sich nicht mit den schwarzen -Soldaten befreunden. Diese und ähnliche Winke, die den schwierigen -Verhältnissen der Unterordnung und dem Rassenprestige Rechnung trugen, -wurden verstanden. Zum Lob meiner Unteroffiziere und Matrosen kann ich -hier sagen, daß sie den Negern gegenüber eine achtunggebietende Haltung -bewahrt haben, ohne gegen ihre Vorgesetzten in der militärischen -Form nachzulassen. Und in dieser Form mögen die Eingeborenen oft -unsere Macht gesehen haben. Auch den Askari gefiel es wenn sie sahen, -daß sogar Weiße, ebenso wie sie, vor dem Vorgesetzten die Hacken -zusammenschlagen und das Gewehr zum Präsentiergriff von der Schulter -reißen, wenn der Vorgesetzte kommt.</p> - -<p>Jeden Abend saßen Keudel und ich über der Karte und stellten -Vermutungen auf, wie es wohl kommen würde. Die Nachrichten vom Aufstand -waren spärlich; entweder besannen sich die Neger, weil so plötzlich -Truppen im Lande erschienen waren, oder es bereitete sich etwas vor. -Und damit war zu rechnen.</p> - -<div class="sidenote">Ein Nachtmarsch.</div> - -<p>Ein Jumbe mit Namen <em class="gesperrt">Burri</em> gefiel sich in der Rolle eines -Vertrauensmannes und Spions. Er behauptete, mit Sicherheit festgestellt -zu haben, daß ein großes Lager der Aufständigen an einem Platze sei, -den man in fünf Stunden erreichen könne. Eine so gute Gelegenheit, den -Gegner zu fassen, durfte ich nicht vorübergehen lassen und entschloß -mich zu einem Marsche in der Nacht, um die Aufständigen womöglich am -Morgen zu überraschen.</p> - -<p>Da der Sergeant inzwischen mit einem Teil der Askari zum<span class="pagenum"><a id="Seite_88"></a>[S. 88]</span> Rufiyi -geschickt worden war, hatte ich zum Angriff außer zehn Matrosen nur -acht Askari zur Verfügung. Eine Anzahl bewaffnete Araber und Neger -schlossen sich mir an. In Mohorro blieb der Rest der Matrosen, das -Maschinengewehr und einige ganz alte, marschunfähige Polizeiaskari.</p> - -<p>Bei wundervollem Mondschein setzte sich meine eigenartige Streitmacht -um elf Uhr am Abend in Bewegung. Stabsarzt Engeland, der gerade aus -Daressalam eingetroffen war, begleitete mich.</p> - -<p>Die Araber führten. In ihren langen weißen Gewändern, den silbernen, -krummen Dolch im Gürtel, das Gewehr geschultert, gingen sie vor mir und -suchten mit ihren guten Augen die Schatten der schweigenden Mondnacht -zu durchdringen. Besonders vorsichtig gingen sie durch Pflanzungen -und kleine Dörfer; jeden Augenblick konnten wir den Vorposten der -Aufständigen begegnen.</p> - -<p>Wenn ich mich umdrehte, sah ich die Reihe der im Gänsemarsch gehenden -Truppe sich durch das Gras schlängeln. Die Gestalten der Träger -und Askari verschwammen gespensterhaft mit der scheinbar erhellten -Umgebung, und das Schweigen, das alle wahrten, erhöhte den Eindruck.</p> - -<p>Bei jedem Geräusch — wenn ein Stück Wild in den Feldern lief — -stutzten die Führer und lauschten. Als wir wieder eine kleine Ortschaft -passierten, fiel plötzlich seitlich vom Wege ein Schuß. Sofort -wurden auf beiden Seiten Neger im Gebüsch gesehen. Immer noch in der -Besorgnis, Unschuldige anzuschießen, rief ich zweimal: „Wer ist da? -Antwort, wenn Freund des Bezirksamts!“</p> - -<p>Lauschend standen wir auf dem breiten Platz, den das helle Mondlicht -beschien. Keine Antwort kam. Die Leute an den Flügeln zeigten aufgeregt -vor und neben uns in das Gras und behaupteten, viele Leute bewegten -sich darin.</p> - -<p>Um dem Spuk ein Ende zu machen, ließ ich fünf Mann eine Salve in den -Busch feuern.</p> - -<p>Aber nichts regte sich; die Schatten der Büsche flimmerten geisterhaft -wie zuvor. Ein Kind schrie in der Ferne. Als wir noch standen und -warteten, kam der Betschausch (schwarzer Feldwebel) an mich heran -und sagte in geheimnisvollem Tone, die<span class="pagenum"><a id="Seite_89"></a>[S. 89]</span> Araber, die mit uns seien, -planten Verrat, ich sollte ihre Vorderlader abfeuern lassen, wenn ich -nicht Gefahr laufen wollte, daß sie plötzlich ihre Gewehre auf mich -richteten. Überrascht sah ich Stabsarzt Engeland an; es konnte etwas -Wahres daran sein. War es doch das erstemal, daß die Araber auf unserer -Seite und nicht gegen uns kämpften!</p> - -<p>Als hätte sich Alles verschworen, um meine Geduld zu prüfen, so -stürmten die Eindrücke auf mich ein und wollten auch meine Phantasie -gefangen nehmen; doch ich behielt zum Glück meine Ruhe. Die Vorderlader -konnten uns nicht viel nutzen, richteten vielleicht sogar in unsern -Reihen Verwirrung an, deshalb ließ ich sie abfeuern.</p> - -<p>Da redeten die Araber auf mich ein und baten, ich sollte ihnen nichts -Schlechtes zutrauen.</p> - -<p>Ich wurde ungeduldig und verwünschte die ganzen Gespenstergeschichten; -denn das waren sie; befahl auf kein Geräusch mehr zu achten und drängte -vorwärts.</p> - -<p>Da war mit einem Male alles vorbei, was uns vorher beunruhigte; zur -Beschämung derer, die fest behauptet hatten, schwarze Gestalten gesehen -zu haben.</p> - -<p>Wir kamen an den Wald und gingen schnell weiter, weil sich starker -Aasgeruch in der Gegend verbreitete, wo vorgestern das Gefecht -stattgefunden hatte.</p> - -<p>Unter den Bäumen war es so dunkel, daß es manchmal schwer fiel, den -Weg zu finden. Große Euphorbien, Fächerpalmen und dichtbelaubtes -Dorngestrüpp ragte in seltsamen Silhouetten zum fahlen Nachthimmel -empor. Ein Feuer am Fuß hoher Stämme warf flackerndes Licht in die -Baumkronen. Ich sandte eine Patrouille hin, um nachzusehen, ob es ein -Vorpostenfeuer sei. Wir warteten auf dem Wege.</p> - -<p>Aber es war nur ein brennender Baumstamm, der an das Feuer erinnerte, -das meine Askari am Tage des ersten Gefechtes angezündet hatten.</p> - -<p>Als wir das Ende des Waldes erreichten, rieten die Führer zu halten und -das Tageslicht abzuwarten; denn die Dörfer der Aufständigen seien dicht -vor uns.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_90"></a>[S. 90]</span></p> - -<p>So legten wir uns denn, wie wir waren, auf dem Wege nieder und -schliefen ohne viel Erquickung; es war kalt und der Morgenwind stieß -uns mehrmals unfreundlich an.</p> - -<p>Beim ersten Morgenlicht gingen wir schnell vorwärts; durch -Mohogopflanzungen und verlassene Dörfer, deren naturfarbene Strohdächer -friedlich aus dem Grün heraussahen. Alle Herdstellen waren kalt; alle -Fährten gingen weiter in die Berge hinein.</p> - -<p>Die Besitzung eines Arabers war stark verwüstet, die Häuser -niedergebrannt und das Hausgerät zerschlagen. Der Besitzer, der mit uns -ging, wütete und suchte unermüdlich nach Spuren der Aufständigen, um -sich zu rächen.</p> - -<p>Als ich nach mehrstündigem Marsche, ohne einen Feind getroffen zu -haben, umkehrte, schwärmten die Araber in die Felder und setzten den -roten Hahn auf alle Dächer der weit verstreuten Hütten. Fast ohne Rauch -stiegen die Flammen empor; in starkem Gelb und Rot gegen den blauen -Himmel.</p> - -<p>Mit einem Feuerbrand in der Hand ging ein hochgewachsener, -schneeweißgekleideter Araber zwischen den Hütten und förderte das -Zerstörungswerk. Es war ein Bild aus den Zeiten als die Hand der -braunen Söhne Maskats in diesem Lande herrschte.</p> - -<div class="sidenote">Bei Mohorro.</div> - -<p>Erst gegen Abend erreichten wir müde und verstimmt unsere Quartiere in -Mohorro. Der weite Marsch hatte die meisten Matrosen sehr angestrengt; -einige waren stundenlang barfuß gegangen, weil ihnen die Füße in den -Segeltuchschuhen schmerzten. Die folgenden Ruhetage taten uns gut.</p> - -<p>Eines Tages kam Hauptmann Merker nach Mohorro. Er hatte, um die -Aufständischen zu treffen, in den Matumbibergen schwierige Märsche -gemacht.</p> - -<p>Sein Lager war auch nachts beschossen worden, und er riet uns, für -einen Nachtangriff jederzeit gerüstet zu bleiben.</p> - -<p>Als wir seinen Schilderungen der Vorgänge in den Bergen und bei -Samanga noch zuhörten, kam eine Nachricht, die den Bezirksamtmann sehr -beunruhigte: auch nördlich vom Rufiyi sollte in den Bergen Neigung zum -Aufstand sein.</p> - -<p>„Wenn Sie schnell hingehen,“ sagte er mir, „können Sie viel retten.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_91"></a>[S. 91]</span></p> - -<p>Da ich inzwischen telegraphisch die Erlaubnis zu kleineren Streifzügen -bekommen hatte, zögerte ich nicht. Es galt einen Gewaltmarsch -auszuführen; denn schon am nächsten Morgen erwartet der Akide von -Kikale den Angriff der Bergbewohner.</p> - -<p>Meinen Matrosen konnte und wollte ich einen Nachtmarsch nicht wieder -zumuten; deshalb ging ich mit Sergeant Kühn und zwölf Askari am -Abend voraus. Stabsarzt Engeland sollte am nächsten Tage mit einem -Teil der Matrosen nachkommen. Gegen Mitternacht kamen wir an einen -breiten Strom, den Rufiyi, und mußten auf Boote warten. Die dunklen -Wassermassen, auf denen der fahle Glanz der Sterne zitterte, das leise -Rauschen im Schilf und die schweigsame Gruppe der Askari: das alles -hatte etwas Geheimnisvolles, fast Geisterhaftes.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg91ill"> - <img class="w100" src="images/pg_91_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Boote an einer Fährstelle am Rufiyi.</p></div> -</div> - -<p>Auf der Höhe der Uferböschung schlief ich, bis die Boote kamen, die uns -übersetzen sollten. Da ließ ein Schuß mich aufspringen und zum Gewehr -greifen; doch der Sergeant beruhigte mich: Die Askari brachten die -Reittiere durch den Strom und schossen in das Wasser, um die Krokodile -zu verscheuchen.</p> - -<p>Endlich kam auch ich an die Reihe und nahm in dem schwankenden Einbaum -Platz, den drei Neger in flachem Wasser mit Stangen, im tiefen Strome -mit kleinen Schaufelrudern vorwärts trieben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_92"></a>[S. 92]</span></p> - -<p>Als es hell wurde, erreichten wir die waldigen Ufer des Mbumiflusses. -Eine Dhau brachte uns auf das andere Ufer, dann ging es eilig vorwärts -auf dem Wege nach Kikale. Aber noch war der Ort nicht in Sicht, da -kam schon ein Trupp bewaffneter Leute des Akiden, die meldeten, das -Gerücht sei unbegründet, sie seien selbst nachts in den Bergen gewesen -und hätten nichts Verdächtiges bemerkt. Sie freuten sich, daß ich so -schnell zu Hilfe gekommen war.</p> - -<p>Die Gegend kannte ich von einem früheren Jagdausflug her; trotz der -großen Müdigkeit ging ich deshalb etwas vom Wege ab und erlegte für -die Küche der Matrosen zwei Warzenschweine, die ich mit Trägern nach -Mohorro schickte.</p> - -<p>Durch Eilboten wurde Stabsarzt Engeland benachrichtigt, umzukehren, der -Sergeant und ich aber schliefen bis gegen Abend unter einem Mangobaum; -die Anstrengungen der Nacht machten sich geltend.</p> - -<p>Spät am Abend trafen wir in Mohorro ein. Wenn die beiden letzten, -anstrengenden Nachtmärsche auch nicht zu einem Zusammenstoß mit -Aufständigen geführt hatten, so waren sie doch nicht vergeblich -gewesen; denn sie gaben der noch treuen Bevölkerung die Gewißheit, daß -etwas für ihre Sicherheit geschah, und für mich waren sie nützlich, -weil ich Land und Leute kennen lernte und sah, was ich mit meiner -Truppe unter den gegebenen Verhältnissen leisten konnte.</p> - -<p>Die Möglichkeit, Streifzüge auszuführen, wurde für mich noch größer, -als Leutnant zur See Schröder mit zwölf Mann von S. M. S. Bussard in -Mohorro eintraf.</p> - -<p>Kapitän Back stellte außerdem weitere Verstärkung unter Oberleutnant -zur See Wernecke in Aussicht, fügte aber hinzu, daß S. M. S. „Bussard“ -zu Landungen an anderen Küstenplätzen bereit sein müsse. Mit Rücksicht -darauf meldete ich, die Verstärkung sei nicht mehr nötig und erfuhr -später, wie der Kommandant jeden einzelnen Mann brauchte, um die vielen -Landungen auszuführen, die in den nächsten Wochen stattfanden. (Dabei -ist es vorgekommen, daß sämtliche Offiziere, der Ingenieur<span class="pagenum"><a id="Seite_93"></a>[S. 93]</span> und der -Zahlmeister an Land waren und der Kommandant mit zwei Maschinisten und -dreißig Mann allein an Bord blieb!)</p> - -<div class="sidenote">Am Rufiyi aufwärts.</div> - -<p>Der Bezirksamtmann war besorgt um die dichtbevölkerten und fruchtbaren -Gebiete am Rufiyi. Als die Gerüchte sagten, daß auch die Bewohner der -südlich davon gelegenen Kitschiberge sich dem Aufstande anschlössen, -schien der Rufiyi bedroht zu sein. Es war eine verlockende Aufgabe, den -Strom zur nördlichen Grenzlinie für die von Ort zu Ort fortschreitende -Aufstandsbewegung zu machen.</p> - -<p>Das konnte nur durch einen Marsch den Rufiyi aufwärts geschehen. Von -der Schutztruppe war keine Hilfe mehr zu erwarten, nachdem Hauptmann -Merker von neuem in den Matumbibergen zu tun bekommen hatte; also blieb -nur mir die Aufgabe, von der Keudel und ich jetzt täglich sprachen.</p> - -<p>Am 15. August verdichteten sich die Meldungen über das Auftreten der -Rebellen auf dem Südufer des Rufiyi, und ich entschloß mich, noch an -demselben Tage aufzubrechen, um die von Aufständigen besetzten Plätze -zu suchen. Auf wenigstens acht Tage Abwesenheit von Mohorro war zu -rechnen. Träger wurden bestellt, Lasten mit Proviant gepackt, Zelte, -Decken und Kochgeschirr bereit gelegt, und am Nachmittag gegen vier -Uhr setzte sich meine Truppe, in Stärke von drei Unteroffizieren, zehn -Matrosen und fünfunddreißig Askari in Marsch. Stabsarzt Engeland und -ich hatten Reittiere; Sergeant Kühn nahm im Vertrauen auf die guten, -von der Kommune angelegten Wege sein Fahrrad mit.</p> - -<p>Anfangs folgte ich einem Wege, der in westlicher Richtung auf die -Kitschiberge zeigte. Durch Wald, an den Teakholzpflanzungen der Kommune -vorbei, führte die breite Straße nach einem verlassenen Dorfe, in dem -nach dreistündigem Marsche das Nachtlager aufgeschlagen wurde.</p> - -<p>Eine meiner Hauptsorgen bei dieser ersten größeren Expedition war -die Gesundheit der Matrosen. Proviant und Kochgeschirr hatten wir. -Wasser durfte nur abgekocht getrunken werden. Schwierig war es nur, -die Matrosen in der Nacht gesund unterzubringen. Für zehn Mann waren -nur zwei Zelte da. Jeder hatte eine wasserdichte Unterlage zum Schutze -gegen die Feuch<span class="pagenum"><a id="Seite_94"></a>[S. 94]</span>tigkeit, eine wollene Decke und ein Moskitonetz, das -an eingeschlagenen Stöcken befestigt wurde. Ich selbst stellte mein -Feldbett, das mir schon auf früheren Jagdausflügen gedient hatte, mit -in Stabsarzt Engelands Zelt auf.</p> - -<p>Kranke konnten mir bei meinen Märschen sehr zur Last fallen, und es -mußte mir verdacht werden, wenn ich meine Leute der Fiebergefahr -allzusehr aussetzte; deshalb war es nur eine große Beruhigung, einen -erfahrenen Arzt bei meiner Truppe zu haben.<a id="FNAnker_8" href="#Fussnote_8" class="fnanchor">[8]</a></p> - -<div class="sidenote">Am Hirusee.</div> - -<p>Am zweiten Morgen schlugen wir die Richtung auf den Hirusee ein. -Die Türen der Hütten, an denen wir vorbeikamen, waren durch starke -Stäbe von außen verschlossen, ein Beweis, daß die Menschen in den -Wald geflüchtet waren, um sich den Aufständigen anzuschließen. Es ist -das alte Verfahren der afrikanischen Völker: im Kriege die Dörfer zu -verlassen und wie Tiere in einsamer Wildnis verborgen zu leben. Dem -Verfolger bleiben Hütten ohne Vorräte, Ställe ohne Haustiere; und einer -großen Truppe wird es dann schwer, sich zu verpflegen.</p> - -<p>Gegen Mittag rasteten wir auf einer Halbinsel, die sich mit dicht -bewaldeten Ufern in den Hirusee hineinschob. Auch hier lagen im Walde -verstreut Ansiedelungen, und auf den kleinen Rodungen waren Mohogo und -Bohnen gepflanzt; Fischereigerät deutete auf die Beschäftigung der -Eingeborenen. Die Hütten waren sehr primitiv aus Erde, Rohr und Gras -gebaut, während die dem Flusse und der Küste näher wohnenden Stämme -oft recht gute Wohnhäuser bauen; mit Lehmbewurf und Kalkanstrich, mit -überstehendem, auf Pfosten ruhenden Makutidach.</p> - -<p>Aus dem Dunkel einer kleinen Hütte wurde eine alte Frau herausgezogen, -die als marschunfähig zurückgelassen worden war.<span class="pagenum"><a id="Seite_95"></a>[S. 95]</span> Nur einen Napf mit -Bohnen und einen Topf mit Wasser hatte man ihr hingestellt, damit sie -nicht zu verhungern brauchte.</p> - -<p>Unter den Bäumen, nahe an der Spiegelfläche des Wassers lagerten meine -Matrosen und Askari. Kleine Feuer wurden angezündet und das Mittagessen -bereitet. Die Matrosen kochten den beliebten Hammelkohl, (die beste -Fleisch- und Gemüsekonserve, die ich auf allen Reisen kennen lernte). -Man kann dies Gericht täglich essen, ohne seiner überdrüssig zu werden, -und auch die Matrosen (die an Bord sehr gutes Essen bekommen) waren -froh, wenn es Hammelfleisch mit Kohl gab, während ihnen gekochter Reis -mit Fleisch von Wasserbock oder Riedbock weniger zusagte. Das aber -wurde die Nahrung in den nächsten Tagen, als die Konserven zu Ende -gingen; ich mußte mit meiner Büchse für frisches Fleisch sorgen, da die -Neger jener Gegend kaum nennenswert Viehzucht treiben und die wenigen -vorhandenen Rinder, Ziegen und Schafe vor uns verborgen hielten.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg95ill"> - <img class="w100" src="images/pg_95_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Negerhütten in den Kitschibergen.</p></div> -</div> - -<p>Unter Mittag fielen am Wege mehrere Schüsse: Die Posten<span class="pagenum"><a id="Seite_96"></a>[S. 96]</span> schossen auf -zwei Leute, die mit Lasten auf dem Kopf des Weges kamen und, angerufen, -sich zur Wehr setzten. Der eine wurde getötet, der andere warf seine -Last hin und entkam.</p> - -<p>Am Nachmittag marschierten wir weiter. Der Sergeant fuhr mit seinem -Rade etwas voraus und bemerkte einige Aufständige, die sich in den -Maisschamben verproviantierten. Sobald sie uns erblickten, griffen -sie zu ihren Waffen und suchten im nahen Gebüsch Deckung; aber drei -fielen von unseren Gewehrkugeln getroffen. Die Nähe der Feinde zwang zu -besonderer Vorsicht. Als der Abend nahe war, hielt ich in einem Dorfe, -das anmutig auf bewaldeter Höhe lag mit der Aussicht auf den Strom und -auf die weiten, fast unabsehbaren Grasniederungen seiner Ufer.</p> - -<p>Um Lärm zu vermeiden, ließ ich keine Zelte aufschlagen, sondern -Schlafplätze unter den vorspringenden Dächern der Hütten einrichten. -Das Abendessen wurde auf den Herdsteinen im Innern der verlassenen -Hütten gekocht.</p> - -<p>Blutrot ging die Sonne hinter dem Flusse unter. Wir glaubten den -Aufständigen nahe zu sein, deshalb stand ich lange mit dem Sergeanten -auf dem höchsten Dach des Dorfes und suchte nach dem Schein von -Lagerfeuern in der Ferne. Aber nichts Bestimmtes war zu erkennen.</p> - -<p>Die Neger, Askari wie Träger, schliefen ohne Decken im Freien. Zwei -Posten waren ausgestellt.</p> - -<p>Ein besonders gewandter Askari wurde als Schenzi mit blauem Kanicki -verkleidet, bekam einen Speer in die Hand und erhielt den Auftrag, sich -unter die Aufständigen zu mischen, um etwas über ihre Absichten und -ihren Aufenthalt zu erfahren.</p> - -<p>Nach einigen Stunden kam er zurück und erzählte, er habe Schenzis -getroffen, die zu ihm sagten: „Sieh dich vor, die Europäer haben heute -am Rufiyi geschossen.“ Er darauf: „Ich gehe nach Kitschi, da kriegen -sie mich nicht!“ Die Aufständigen: „Auch wir gehen nach Kitschi und -unsere Frauen und Kinder sind im Wald versteckt.“</p> - -<p>Gewiß war das alles Phantasie. Der Askari hatte sich wahrscheinlich -eine Zeitlang im Busch verborgen und war dann mit der erdichteten -Geschichte zurückgekommen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_97"></a>[S. 97]</span></p> - -<p>Unter dem Vordach einer Hütte stand mein Feldbett; im Kreise herum -lagen die Askari auf dem Wege, unter einer anderen Hütte die Matrosen. -Die Träger schliefen dicht aneinander gedrängt nahe an dem Abhang, von -dem aus am wenigsten Gefahr drohte.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg97ill"> - <img class="w100" src="images/pg_97_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Eines Tages traf ich in einem verlassenen Negerdorf -auffallend zahme Tauben. Die Tiere waren offenbar gewohnt, ihr Futter -von Menschenhand zu bekommen, und waren jetzt halb verhungert; sie -pickten Maiskörner, die ich über mich streute, aus meinem Hut und -fraßen aus der Hand.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Panik unter den Trägern.</div> - -<p>Mitten in der Nacht wurde ich durch plötzliche Schreckensrufe aus -vielen Kehlen geweckt. Ein Menschenhaufe drang in das Lager. Ich sprang -auf, griff zur Büchse, verwickelte mich in mein Moskitonetz, zerriß es -und stand auf dem Platz im ersten Augenblick völlig im Unklaren über -das, was vorfiel.</p> - -<p>Auch die Mannschaften standen plötzlich alle da; die Matrosen und -Askari mit ihren Gewehren, und die Träger hinter ihnen Schutz suchend. -Aber kein Feind ließ sich blicken und nun wurde der Vorfall als ganz -harmlos aufgeklärt: Ein Träger war ausgetreten und wurde, als er aus -dem Gebüsch zurückkam, plötzlich<span class="pagenum"><a id="Seite_98"></a>[S. 98]</span> von anderen bemerkt, die ihn, aus dem -Schlaf erwachend, für einen Feind hielten, aufschrien, davon rannten -und alle andern mit sich rissen.</p> - -<p>Zum Glück hatte niemand geschossen; ein Gewehr war in dem Durcheinander -zerbrochen, sonst war kein Unheil geschehen. — So aber mag der -Eindruck sein, wenn ein nächtlicher Überfall die Schläfer aus dem -Schlaf emporschreckt! —</p> - -<p>Auch als wir am folgenden Tage weiter marschierten, war von den -Aufständigen noch nichts zu sehen. Als ich unter Mittag am Fluß -lagerte, kam ein Boot mit Lebensmitteln, die uns sehr willkommen waren, -weil unsere Vorräte zu Ende gingen. Ich ließ das Boot anhalten und -kaufte alles was darin war. Die Bootsleute erzählten, sie seien heute -vom Ufer aus beschossen worden; in Utete, vier Stunden stromaufwärts -lagerten Aufständige, die jedes Boot anzuhalten versuchten, um später -auf das Nordufer übersetzen zu können.</p> - -<div class="sidenote">Ein Akide.</div> - -<p>Vom Nordufer kam der Akide Melicki, der das niedergebrannte, große Dorf -Mayenge verlassen hatte; er brachte eine Ziege, Hühner und Reis. Ihn -begleiteten seine beiden Polizisten in phantastischen Kleidern, und -andere Neger mit Vorderladern; eine sonderbar aussehende, bunte Truppe.</p> - -<p>Dieser Akide Melicki hat mich später auf allen meinen Streifzügen -stets begleitet, bis friedlichere Zustände eintraten. Er war zwar -kein Araber, sondern ein Neger aus den Matumbibergen, aber ein -vortrefflicher Nachahmer arabischen Wesens, und dadurch nicht ohne -Ansehen bei den Eingeborenen. Sein Wert bestand in der vermittelnden -Stellung, die er zwischen mir und den Eingeborenen einnahm. Er sprach -die Dialekte der Bergbewohner und Pogoro und kannte jedes Haus in -seinem Akidat, weil er die Hüttensteuer einzutreiben hatte. Es ist -gewiß bemerkenswert, daß ein Neger es versteht, eine solche Stellung -einzunehmen und daß ihn Äußerlichkeiten, wie Kleidung, Schrift und -religiöse Übungen dabei unterstützen. Man kann aber von den farbigen -Akiden ebensowenig wie von den meisten Arabern erwarten, daß ihn ein -Vertrauensposten hindert, seinen eigenen Vorteil dabei wahrzunehmen -und Geldgeschäfte damit zu machen; denn dem Neger ist es nicht<span class="pagenum"><a id="Seite_99"></a>[S. 99]</span> leicht -verständlich, daß jemand Macht besitzen soll, ohne sich durch sie zu -bereichern. Und wenn er die Tugend auch beim Europäer sieht, selbst -kann er sie nicht üben.</p> - -<p>Die Akiden haben sich durch Strafgeld bereichert und den Aufstand -benutzt, Geld verschwinden zu lassen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg99ill"> - <img class="w100" src="images/pg_99_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Dorfstraße am Rufiyi.</p> - -<p>Unter dem überstehenden Dache des Hauses links schlief ich einmal, als -eine Herde Elefanten in der Nacht zwischen den Häusern hindurchging. -Rechts stehen Askari bei Bettstellen, die sie sich zum ausruhen aus -den verlassenen Hütten geholt haben. In der Mitte sieht man unsere -Reitesel.</p></div> -</div> - -<p>Für den nächsten Tag hoffte ich auf einen Handstreich gegen die -Schenzis. Die von den Bootsleuten bezeichnete „Boma“ der Aufständigen -sollte etwa zwei Stunden von meinem Lagerplatz entfernt sein; das -bestätigte mir auch der Akide. Ich selbst wollte um 4 Uhr morgens -mit der Hälfte der Truppe so schnell als möglich vorgehen. Stabsarzt -Engeland sollte bei Tagesanbruch mit dem Rest der Truppe und mit der -Trägerkolonne folgen. So glaubte ich schneller und sicherer an den -Feind zu kommen, als wenn ich stets mit dem ganzen Troß marschierte.<span class="pagenum"><a id="Seite_100"></a>[S. 100]</span> -Außerdem konnte das Lager beim Tageslicht leichter abgebrochen werden -als bei Nacht.</p> - -<p>Pünktlich um 3½ Uhr weckte der Posten, und eine halbe Stunde später -verließ ich das Lager mit zwei Unteroffizieren, sieben Matrosen und -achtzehn Askari. Der Akide zeigte den Weg. An der Spitze gingen -Sergeant Kühn und ich. Wir schlichen durch verlassene Dörfer, drangen -in die dunklen Hütten, die leer waren, und prüften jedes Feuer in den -Herdsteinen auf sein Alter.</p> - -<p>Als es hell wurde, gingen wir lange durch niedrigen, offenen Wald und -kamen gegen 7 Uhr über eine Anhöhe, die sich in sanftem Abfall zum -Rufiyi senkte.</p> - -<p>Da stieg eine Rauchwolke aus dem Schilf empor; der Akide sagte, das sei -der Platz, an dem wir die Schenzis vermuteten.</p> - -<p>Um ungesehen näher zu kommen, gingen wir seitlich in den Wald und sahen -hier plötzlich eine Hütte mit Wachtturm vor uns. Schwacher Rauch stieg -daraus empor. Wenn uns die Wächter bemerkten und Lärm schlugen, war -der Überfall mißglückt; ich gab deshalb dem Sergeanten einen Wink. Wir -liefen auf den Zehen um das Haus herum, drangen leise in die offene -Hütte hinein und schlugen die drei Leute, die dort auf Maisvorräten -schliefen, mit den Fäusten nieder, ehe sie zu den Waffen greifen -konnten; dann wurden sie gefesselt. Die Überraschung dieser Wächter war -so groß, daß sie nur unartikulierte Töne wimmerten.</p> - -<p>Ich teilte nun meine kleine Truppe in drei kleinere Abteilungen, -deren eine ich selber führte, die zweite Sergeant Kühn, die dritte -der Betschausch. Während ich langsam in gerader Richtung vorging, -sollten Sergeant Kühn und der Betschausch von links und rechts das Lager -umfassen. Aber trotzdem hier kein Schuß gefallen war und wir keinen -Lärm machten, mußten wir schon bemerkt sein; denn als ich über eine -niedrige Anhöhe kam, sah ich viele Bewaffnete in der Ebene unruhig -hin und her laufen. Um besser sehen zu können, lief ich etwa dreißig -Schritt vor, blieb stehen und hob mein Doppelglas.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_101"></a>[S. 101]</span></p> - -<div class="sidenote">Gefecht bei Utete.</div> - -<p>Da krachten unmittelbar vor mir in dichtem Gras eine Anzahl Schüsse; -ein Matrose, der mir gefolgt war, brach neben mir zusammen. Ich riß -in der Überraschung mein Gewehrschloß auf und repetierte eine neue -Patrone in den Lauf, ohne geschossen zu haben. Dann erst schoß ich -einen Schwarzen nieder, der sich aus der Rauchwolke seines Vorderladers -erhob, um fortzulaufen. Das alles geschah in wenigen Sekunden. Die -Matrosen und Askaris kamen in die Reihe; ein heftiges Feuergefecht -entspann sich. Die Schwarzen lagen hinter Bäumen und großen Steinen und -drückten sich, nachdem sie abgefeuert hatten, wie tot ins Gras, wenn -wir vorbeikamen.</p> - -<p>Lauter Zuruf von unten sagte uns, daß der Betschausch und die Begleiter -des Akiden in unsere Schußrichtung gekommen waren, um die fliehenden -Schenzis einzufangen. Da machten die Matrosen von ihren Seitengewehren -Gebrauch, um nicht eigene Leute durch Schießen zu gefährden, und -drangen mit großem Ungestüm auf die noch standhaltenden Neger ein. Nur -kurze Zeit hatte das Gefecht gedauert. Weit unten am jenseitigen Ufer -eines Sees sah ich die Aufständigen laufen und verschwinden und sandte -ihnen einige Schüsse mit hohem Visier nach.</p> - -<p>„Wer von uns ist gefallen?“ fragte ich den Feuerwerksmaaten Fuchs. -„Matrose Gramkau; er ist tot.“ Ich ging zu dem Platz, an dem er lag. Er -war unmittelbar neben mir lautlos ins Gras gesunken; ich hatte nicht -Zeit gehabt, mich nach ihm umzusehen. — Da lag der Tote im Grase -zwischen den hohen Steinen, die den Feinden als Deckung gedient hatten. -Ein Geschoß war ihm in den Mund gedrungen und hatte die Halswirbel -durchschlagen. Ein anderer Schuß hatte den rechten Arm getroffen und -die Holzbekleidung des Gewehres zersplittert.</p> - -<p>Es war ein schmerzlicher Verlust für mich, hier mitten zwischen den -zahlreichen Aufständigen einen der wenigen Europäer meiner kleinen -Truppe zu verlieren. Ich war erregt und empfand es als ein Verbrechen -und Unglück, daß dieser rohe, unebenbürtige Gegner mir einen meiner -wertvollen Männer genommen hatte. Der errungene Sieg war teuer erkauft.</p> - -<p>In dichtem Haufen standen die Leute des Akiden auf dem<span class="pagenum"><a id="Seite_102"></a>[S. 102]</span> Wege. -Die Askari hatten die Gefangenen in die Mitte genommen, die alle -Pulverhörner und Kugeltaschen trugen; sie hatten auf uns geschossen und -waren mit schuld an unserem Verlust.</p> - -<p>Zur Bewachung und zum Transport der Gefangenen fehlten mir die nötigen -Mannschaften. Von Feinden umgeben, konnte ich keinen meiner Soldaten -entbehren.</p> - -<p>Es galt, Eindruck auf die Gegner zu machen, um mehr Blutvergießen -zu hindern; deshalb beriet ich kurz mit den Unteroffizieren und dem -Akiden, ließ die Askari antreten und die Rebellen erschießen. Als sich -die Pulverwolke der Gewehrsalve verzogen hatte, lagen die Verurteilten -tot am Boden.</p> - -<p>Wir wandten uns unserm Toten zu; er wurde auf eine Bahre gelegt -und zugedeckt. Die Matrosen traten auf der einen, die Askari auf -der anderen Seite des Weges an und präsentierten, als die Leiche -vorbeigetragen wurde, um unter der Bedeckung von vier Askari nach -Mohorro gebracht zu werden.</p> - -<p>Als Stabsarzt Engeland mit seiner Abteilung eintraf, ließ ich das -Dorf plündern. Aus der Hütte eines Jägers wurden mehrere Häute von -Wasserböcken angebracht; vielleicht waren gerade die Jäger die guten -Schützen der Gegner. Große Mengen Reis lagen in der Wachthütte; sie -wurden den Leuten des Akiden gegeben und auf das Nordufer geschafft.</p> - -<p>Die Wachthütte war sehr geschickt in einem Seitental angelegt, mit der -Aussicht auf den Weg, den wir gekommen waren. Eine Leiter führte in den -Aufbau, in dem sich die Reste eines Feuers befanden, das die Wächter in -der Nacht offenbar unterhalten hatten, um sich zu wärmen.</p> - -<p>Ich fühlte das Bedürfnis nach Ablenkung. Die Eindrücke des Morgens, das -Gefecht, der Tod des Kameraden und die Entschlüsse, die mich zu dem -Todesurteil über die Rebellen brachten, packten mich stark. Und immer -wieder trat das Gefühl der Verantwortung hervor: würde man einsehen, -daß ich Recht tat, dem Feinde in seine Schlupfwinkel zu folgen und -immer weiter vorzugehen? Würde man das Opfer verstehen, das der Kampf -an diesem Morgen forderte?</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_103"></a>[S. 103]</span></p> - -<p>Da war es mir willkommen, daß der Matrose, der für die Verpflegung -sorgte, meldete, unsere Fleischvorräte seien zu Ende.</p> - -<div class="sidenote">An den heißen Quellen.</div> - -<p>Ich ging mit Sergeant Kühn in den Wald, um wenn möglich einen -Wasserbock zu schießen. Mehrere Askari ließ ich zu unserer Bedeckung -folgen. Nach kurzem Marsch trafen wir, einem Seitenpfade folgend, auf -ein Dornverhau, aus dem bewaffnete Schenzis entsprangen, ohne von ihren -Flinten Gebrauch zu machen. Das war nun ein ganz eigenartiges Gefühl: -dem Wilde folgend, jederzeit gewärtig zu sein, selbst angeschossen zu -werden. Dennoch trennten wir uns, weil sonst auf einen Jagderfolg nicht -zu rechnen war, und ich erreichte bald ein offenes, mit kurzem Gras -bewachsenes Tal, durch das ein heißer Bach hindurchfloß.</p> - -<p>Hier ästen zwei starke Wasserböcke. Niedrige Fächerpalmen boten mir -Deckung zum anpirschen, und ich erlegte beide Böcke mit schnellen -Schüssen, gerade als sie mich bemerkten und in langen Sprüngen flüchtig -wurden.</p> - -<p>Sofort schickte ich nach den Trägern, die aber erst nach Anbruch der -Dunkelheit eintrafen.</p> - -<p>Inzwischen hatte ein Askari mir in dem heißen Quellbache eine Stelle -gezeigt, an der früher schon Europäer gebadet haben sollten; während -die beiden schwarzen Soldaten Wache hielten, entkleidete ich mich, -legte mich lang in den schnell fließenden Bach und ließ das empfindlich -heiße Wasser über mich strömen. Ein Wohlbehagen ging durch den ganzen -Körper während ich so dalag und die eilenden Wolken über mir sah, deren -westliche Wände von der untergehenden Sonne gerötet wurden.</p> - -<div class="poetry-container s5"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Aber, die noch eben blühten,</div> - <div class="verse indent0">Ihre Kränze welken sacht,</div> - <div class="verse indent0">Und die letzten blassen Blüten</div> - <div class="verse indent0">Fallen in den Schoß der Nacht.“</div> - </div> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent5">(Gustav Falke, „Wolken“)</div> - </div> -</div> -</div> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_7" href="#FNAnker_7" class="label">[7]</a> Als Schenzi (spr. Schensi) wird von dem auf seine -weltmännische Art stolzen Küstenneger der Neger des Innenlandes -bezeichnet, stets mit dem Klang: „ungebildeter Bauer“. Im Aufstand war -„Schenzi“ die Bezeichnung für „Rebellen“.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_8" href="#FNAnker_8" class="label">[8]</a> Sämtliche Marinedetachements führten die Chininprophylaxe -durch, wie sie Geheimrat Koch vorschreibt; an jedem siebenten und -achten Tage wurde 1 <span class="antiqua">g</span> Chinin genommen. Trotzdem sind fast alle -Matrosen krank geworden. Ich selbst habe nur zu Anfang des Aufstands -Chinin genommen; später habe ich es unterlassen, weil die Sicherheit -beim Schießen an dem folgenden Tage jedesmal litt. Erst als die -Regenzeit einsetzte, bekam ich Fieber.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<div class="figcenter illowe34" id="pg104ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_104_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Galeriewald am Rufiyi.</p></div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_104"></a>[S. 104]</span></p> - -<h2 class="nopad" id="Gefechte_am_Rufiyi">Gefechte am Rufiyi.</h2> - -</div> - -<p>Die Nacht ließ mich das traurige Ereignis des letzten Tages vergessen; -am nächsten Morgen waren wir frühzeitig unterwegs, um von neuem in -das unbekannte Land zu ziehen und Rebellen aufzuspüren. Ein Graben -wurde mit Hilfe eines kleinen Kanoes überschritten. Dann ging es durch -dunklen Wald, bis verlassene Hütten auftauchten.</p> - -<p>Der Akide empfahl, hier Feuer anzulegen, als Strafe für die -Aufständigen, und sagte auf mein Bedenken hin, man würde den -Feuerschein nicht weit sehen in dem Morgendunst.</p> - -<div class="sidenote">Zerstörte Dörfer.</div> - -<p>Die Askari rissen trockene Blätter aus der Dachbedeckung, entzündeten -sie und hielten den Feuerbrand im Weitergehen unter jedes einzelne -Strohdach. Schnell kletterten die Flammen empor und breiteten sich aus.</p> - -<p>Am Ende des Dorfes machte ich Halt und blickte auf das schauerlich -schöne Bild. Zwischen den brennenden Häuserreihen marschierten meine -Leute hervor. Die Flammen beleuchteten rundum den Wald und den Dunst -der Luft. Sparren krachten und Dächer stürzten ein.</p> - -<p>Zehn Minuten hinter dem brennenden Dorf war schon nichts mehr von dem -Feuerschein zu sehen, weil der Platz im Walde versteckt lag.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_105"></a>[S. 105]</span></p> - -<p>Als es hell wurde, öffnete sich der Blick auf eine Schilfniederung, -in der einzelne kleine Hütten verteilt lagen. Dahinter blickte das -Silberband des Stromes hervor.</p> - -<p>Schamben (Pflanzungen der Neger) waren da und dort zu erkennen; an dem -frischen Morgen glaubte man ein weites, fruchtbares Land vor sich zu -sehen —. Und dies Land ist auch fruchtbar.</p> - -<p>Askaripatrouillen gingen von Hütte zu Hütte, während wir auf der Höhe -warteten und beobachteten. Schenzis schossen aus dem Schilf, die -Askari liefen, schossen wieder und kehrten zurück mit der Meldung, die -Verfolgten seien in den Strom gesprungen und entkommen. Als der Wald -endete, bot sich mir ein unvergeßlicher Anblick: Da lag eine breite -Straße, von Ruinen gesäumt. Die vom Feuer geschwärzten Wände mit hohlen -Fensteröffnungen bildeten eine lange Reihe. Mitten auf der Straße stand -ein einzelner großer Baum.</p> - -<p>Selbst die Neger waren einen Augenblick in Anschauen versunken. Der -Eindruck des langen Trümmerfeldes war zu groß; ein ungewöhnlich reich -bevölkerter Ort war hier verlassen und zerstört.</p> - -<p>Wo waren die Menschen, die hier noch vor acht Tagen auf der breiten -Straße gingen, in der großen Gerichtshalle saßen, an den Inderläden -Einkäufe machten und die Felder in der Ebene bestellten?</p> - -<p>Der Akide wußte Antwort; „<span class="antiqua">wamehama</span>“ hieß das Wort, das ich noch -oft hören sollte: „sie haben das Weite gesucht.“ „Teils sind sie zu den -Aufständigen übergegangen, teils auf das Nordufer geflohen und warten -auf deinen Schutz. Bau du eine Boma hier, dann kommen sie wieder und -bauen die Hütten auf, die ihnen die Schenzi niederbrannten.“</p> - -<p>Ganz gut; es leuchtete mir ein; aber bei der Aussicht, täglich zur -Küste zurückgerufen werden zu können, stand ein solcher Plan außer -Erwägung.</p> - -<p>Ich schrieb einen Brief an das Bezirksamt und wies auf die Bedeutung -eines Militärpostens am Rufiyi hin, ohne zu ahnen, daß mir selbst in -den nächsten Monaten die Aufgabe, die Rufiyilinie zu sichern, zugeteilt -werden würde, und daß ich von<span class="pagenum"><a id="Seite_106"></a>[S. 106]</span> dem, was der erste Eindruck dieser -verwüsteten Gebiete mich lehrte, später noch reichlich Gebrauch machen -konnte.</p> - -<p>Die Straße machte bald eine Biegung und führte weiter in der Richtung -auf die Kitschiberge. Das ganze Dorf war auf einem vorgeschobenen -Ausläufer der Berge erbaut. Unmittelbar neben den Häusern fiel das -Land zu der Ebene ab, die vom Hochwasser alljährlich überschwemmt -wird. Noch jetzt stand Altwasser von der letzten Regenzeit in einer -von Schilf umgebenen Talmulde und diente offenbar den Dorfbewohnern -als Schöpfstelle; denn Brunnen gibt es im ganzen Lande nicht. An der -Wegbiegung stand auch das Haus des Akiden und die Schaurihalle. Jetzt -war alles nur noch ein Trümmerhaufen.</p> - -<p>Welch ein Leben muß hier in friedlichen Zeiten herrschen! Aus den -Bergen bringen die Neger Gummi, Bergreis und Kafferkorn, um es bei den -Indern zu verkaufen und gegen Tücher, Glasperlen, Tabak, Nadeln und -Messer einzutauschen. Die Warufiyi, die Leute am Strom, ernten ihre -großen üppigen Reis- und Maisfelder ab, hauen Einbäume im Walde und -verschicken das Getreide nach der Küste, wo der Inder des Dorfes seinen -Gläubiger wohnen hat.</p> - -<p>In den Händen des Inders sind sie alle, denn der ist ein sehr -geschickter Geschäftsmann und versteht es, auf die Neigungen der -Eingeborenen einzugehen.</p> - -<p>In der Ebene standen vereinzelt riesige Borassuspalmen; fern sah man -dunkle Gruppen von Mangobäumen und weit, weit dahinter die Berge von -Magongo, nördlich vom Rufiyi.</p> - -<p>Der Akide führte uns durch das Schilf der Ebene zu einem Seitenarm des -Stromes. Hier wurden unter schattigen Bäumen die Zelte aufgeschlagen.</p> - -<p>Das jenseitige Ufer gehörte einer Insel; dorthin hatten sich die -Bewohner von Nyamwiki mit ihrem Akiden geflüchtet. Am Nachmittage nahm -ich eine Abteilung Askari mit mir und ging in westlicher Richtung. Hier -waren die Häuser im Walde nicht niedergebrannt, und da mir von den -Eingeborenen versichert wurde, daß die Besitzer sich den Aufständigen -angeschlossen hatten,<span class="pagenum"><a id="Seite_107"></a>[S. 107]</span> holte ich das Versäumte nach. Dann suchte ich in -lichtem Akazienwald nach jagdbarem Wild.</p> - -<p>Die Askari folgten auf etwa hundert Schritt, denn ich durfte die -Vorsicht hier nicht außer acht lassen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg107ill"> - <img class="w100" src="images/pg_107_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Rufiyi-Ebene bei Mayenge.</p> - -<p>Bei den Palmen sieht man Trümmerhaufen, die Reste niedergebrannter -Hütten.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Ein Gnubulle erlegt.</div> - -<p>Als ich um einen Busch herumging, standen plötzlich vier Gnubullen auf -kurze Entfernung vor mir und ich hatte es leicht, eins der prächtigen, -starken Tiere zu erlegen. Es war ein Glück, daß ich nun sofort den -Weg zum Lager einschlug, nachdem das Wild zerwirkt und auf die Träger -verteilt war, denn bald darauf — ich saß gerade in der Badewanne — -erschien zwischen den Häusern des Dorfes, die wir genau beobachten -konnten, ein Trupp Aufständiger.</p> - -<p>Mehrere Matrosen und Askari wurden ihnen entgegengeschickt. Da -ereignete sich folgende Geschichte, die einem Heldenepos entnommen sein -könnte: Weithin sichtbar mit langen Flinten<span class="pagenum"><a id="Seite_108"></a>[S. 108]</span> in den Händen stand ein -Häuflein schwarzer Kerle auf dem freien vorspringenden Hang zwischen -den Häusern. Ein einzelner, hagerer Neger trat vor und rief auf -Kisuaheli, laut, wobei er die Vokale der Endsilben in die Länge zog: -„Kommt her, wenn ihr Männer seid!“ Ein Matrose aber strich sorgsam -sein Gewehr an einen Baum und traf den lötfesten Gesellen so, daß er -vornüber auf die Nase fiel. — Da verschwanden die andern so schnell -sie konnten.</p> - -<p>Der Akide erkannte auch diesen Gefallenen als einen Jäger. Diese -schienen die Hauptanführer und die mutigsten Leute zu sein.</p> - -<p>Am nächsten Morgen griffen die Neger in zwei Haufen an, vermutlich in -der Absicht, uns aus dem Lager heraus und in eine Falle zu locken.</p> - -<p>Doch als sie sahen, daß wir nicht darauf hineinfielen, zogen sie sich -schnell zurück.</p> - -<p>Nun sandte ich Patrouillen aus.</p> - -<p>Kurz nach Mittagszeit kam ein Askari atemlos zurück; er wurde von dem -Posten schon gesehen als er den Abhang von dem Dorfe herunterlief; -hinter ihm erschienen bewaffnete Eingeborene.</p> - -<p>Sofort machte ich mich mit Sergeant Kühn, mehreren Matrosen und Askari -auf den Weg.</p> - -<p>Auf der Höhe des Dorfes überraschten wir einen größeren Trupp mit -Gewehren bewaffneter Eingeborener, die sich hinter den Büschen auf -mein Lager anschlichen. Als uns die Krieger sahen, warfen sie sich zum -Teil ins Gras. Andere blieben mitten auf dem Wege stehen und hoben -ihre Flinten. Ein kurzes Gewehrfeuer entspann sich. Hier hörte ich zum -ersten Male deutlich das Pfeifen der dicken Eisenkugeln, die mir dicht -am Ohr vorbeiflogen. Aber noch unangenehmer klang, als ich schießen -wollte, das Gewehr eines meiner Matrosen, der hinter mir stehen -geblieben war. Ich drehte mich entrüstet um —. Der Mann versicherte -mir später dankbar, er würde den Griff nie vergessen, mit dem ich ihn -in die Schützenlinie holte. Als drüben die ersten Treffer einschlugen -und ein Neger hinstürzte, liefen die Gegner auseinander und wir mit -lautem Hurra hinterher, wodurch auch die<span class="pagenum"><a id="Seite_109"></a>[S. 109]</span> im Grase liegenden Rebellen -aufgeschreckt wurden und das Weite suchten.</p> - -<div class="sidenote">Verfolgung fliehender Schenzis.</div> - -<p>Wir folgten den Fliehenden mehrere Stunden weit auf einem breiten Wege, -der nach dem Westabhang der Berge führte. Große Dumpalmen standen da; -die Früchte waren reif heruntergefallen und von Menschen benagt. Durch -wechselnde Landschaftsbilder führte uns der Weg. Oft liefen wir, wenn -Gestalten vor uns auftauchten, kamen aber nur noch zweimal zu Schuß.</p> - -<p>An einem Abhang lag ein Dorf, aus dem sich die Aufständigen entfernten, -ehe wir uns auf Schußweite näherten. Die Hütten waren ausgeräumt, ein -Beweis, daß auch diese Leute das Kriegsbeil ausgegraben hatten. Nach -zweistündiger Verfolgung mußten wir umkehren, weil es spät wurde.</p> - -<p>Das Dorf mit seinen dicken Strohdächern wurde in Brand gesetzt; auf -dem Wege stand auch ein neuangefertigter Einbaum, den man mindestens -zehn Kilometer weit zum Wasser hätte schaffen müssen. Als ich am Abend -im Lager eintraf, sagte mir Stabsarzt Engeland, daß die Aufständigen -von mehreren Seiten gleichzeitig an uns heranzukommen versucht hatten; -ich war nur auf eine Abteilung gestoßen; aber mein Angriff fern vom -Lager kam ihnen jedenfalls so unerwartet, daß sie den Plan, uns zu -überfallen, aufgaben.</p> - -<p>Am nächsten Tage wurde mir ein Schreiben des Akiden von Kooni<a id="FNAnker_9" href="#Fussnote_9" class="fnanchor">[9]</a> -gebracht. „Komm schnell,“ schrieb der Araber, „die Schenzis sind am -Flusse und wollen zu uns übersetzen. Es sind so viele wie Gras, sie -werden uns töten, unsere Häuser verbrennen, wenn du nicht mit Askari -kommst, — schnell! schnell!“</p> - -<p>Nun hieß es, einen Entschluß fassen!</p> - -<p>Sollte ich mich noch weiter von Mohorro entfernen, ohne zu wissen, was -hinter mir geschah? —</p> - -<p>Gewiß hätte ich keinen Augenblick gezögert, wenn ich der Nachricht -bestimmt hätte glauben können. Aber aufs Geratewohl weiter ziehen, weil -ein Akide in Furcht vor den Aufständigen eine Meldung schrieb?</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_110"></a>[S. 110]</span></p> - -<p>Ich fragte den Akiden Melicki, ob noch viele große Dörfer, viel Leben -und Eigentum dort zu schützen sei und er schilderte mir das Land in -den rosigsten Farben. Da entschloß ich mich, dem Feind so schnell als -möglich entgegen zu gehen und ihn womöglich zu überraschen, während -er mich noch weit entfernt glaubte. Wenn das gelang, konnte es großen -Eindruck auf die Schwarzen machen.</p> - -<p>Am nächsten Morgen schickte ich eine Abteilung zur Aufklärung nach -Westen, um sicher zu gehen, daß ich beim Übersetzen über den Strom -nicht von herumstreifenden Aufständigen beobachtet würde.</p> - -<p>Gegen Mittag kamen die Askari zurück und gleichzeitig traf eine -Verstärkung ein: der Betschausch und fünf Askari aus Ndundu, so daß ich -Ersatz hatte für die mit der Leiche des Matrosen nach Mohoro gesandte -Bedeckung. In großen Einbäumen wurde auf das Nordufer übergesetzt.</p> - -<p>Der Marsch führte uns stundenlang durch eine weite, fruchtbare Ebene -mit üppigem, mehrere Meter hohem Schilfgras.</p> - -<p>Der schwere, tonige Boden zeigte unzählige, beim Austrocknen -entstandene Risse. Bei dem Dorfe Panganya standen Baumwollstauden so -üppig, wie ich sie nirgendwo bisher gesehen hatte. Alle afrikanischen -Getreidearten gediehen hervorragend, von dem großen Schotenstrauch, -Barazi<a id="FNAnker_10" href="#Fussnote_10" class="fnanchor">[10]</a> genannt, bis zum Reis und den Mohogoknollen. Und immer -das Wasser in unmittelbarer Nähe der Felder; ein wahrhaft gesegnetes -Ackerland.</p> - -<p>Gegen Abend erreichten wir das Akidendorf Kooni, aus dem ebenfalls -bereits die meisten Bewohner, als erste jedoch die Inder, geflohen -waren. Nach einer kurzen Beratung mit dem Akiden und Vernehmung der -vorausgesandten Kundschafter entschloß ich mich, unter den großen -Mangobäumen vor dem Dorfe zu lagern, um in der Nacht so zeitig -aufzubrechen, daß ich kurz nach Tagesanbruch die Aufständigen erreichte.</p> - -<div class="sidenote">Zuverlässige Kundschafter.</div> - -<p>Der Erfolg war sehr zweifelhaft und hing von der Glaubwürdigkeit der -Leute ab. Meine Karten reichten nicht bis in die<span class="pagenum"><a id="Seite_111"></a>[S. 111]</span> Gegend, in die -ich hineinmarschierte und ich konnte mir nur durch langes Ausfragen -vieler, mehr oder weniger erleuchteter Neger ein ungefähres Bild von -dem Terrain machen, in dem ich den Zusammenstoß mit der Hauptmacht der -Aufständigen zu erwarten hatte.</p> - -<p>In solcher Lage merkt man erst, wie sehr man durch Karten und -Bücher gewohnt ist, sich vorher in eine Gegend hineinzufinden und -Dispositionen zu treffen; ich war nach langem Hin- und Herreden soweit, -zu wissen, daß ich nichts wußte, und mich dem Zufall anzuvertrauen.</p> - -<p>Die Lagerfeuer brannten; der Rauch zog in die Kronen der dunklen Bäume -hinauf und der Feuerschein erhellte den Umkreis. Am Wege hockten -Hunderte von Eingeborenen, die von dem nächsten Tage eine Entscheidung -erwarteten. Das schnelle Erscheinen einer Marinetruppe im Lande und -die Erfolge der ersten Scharmützel machte sie stutzig. „Wer zu den -Aufständigen hält, wird erschossen,“ hieß es, und das Gericht von dem -schnellen Urteil über die Rebellen bei Utete besonders, hielt die -Schwankenden in Schach.</p> - -<p>Als es später wurde und die stummen Zuschauer sich durch die -Postenkette hindurch in die Nacht zerstreuten, wollte es mir nicht in -den Sinn, daß keiner dieser Neger zu den Aufständigen liefe, um sie -zu warnen — um gar eine Falle vorzubereiten, in die ich hineingehen -sollte!?</p> - -<p>In der Nacht kamen Boten mit Meldungen, die immer klarer und -zuverlässiger aussahen. Mehrmals wurde ich geweckt. Da standen die -Kundschafter mit großen Vorderladern und berichteten: „Es sind -ungeheuer viel Feinde. Bei Mtanza sind sie übergesetzt. Jetzt brennen -Lagerfeuer im ganzen Walde.“</p> - -<p>Um zwei Uhr kam der Akide selbst, ein kleiner, listig aussehender -Araber. Er riet, erst um vier Uhr abzumarschieren.</p> - -<p>Pünktlich um drei Uhr weckte der Posten.</p> - -<p>Ich nahm mit mir zwei Unteroffiziere, — Sergeant Kühn und -Feuerwerksmaat Fuchs —, vier Matrosen und dreißig Askari.</p> - -<p>In den nächsten Dörfern, durch die wir in der Dunkelheit gingen, -saßen die Menschen dicht gedrängt unter den Vordächern<span class="pagenum"><a id="Seite_112"></a>[S. 112]</span> der Hütten -und sahen der Truppe nach, die schweigend ihres Weges zog. Dann ging -es eine kleine Anhöhe hinauf und auf der Höhe weiter, durch eintönige -Buschlandschaft.</p> - -<p>Es wurde hell, und noch immer war vom Gegner nichts zu sehen.</p> - -<p>Da kamen die beiden als Schenzi verkleideten Askari, die ich voraus -gesandt hatte, in vollem Lauf zurück und meldeten: „Sie kommen; aber es -sind sehr viele.“</p> - -<p>Eine freudige Spannung ergriff mich: „Schnell alles vom Wege runter,“ -war mein erster Gedanke, „damit wir nicht zu früh gesehen werden“; -und mehrere hundert Meter seitlich im Walde formierte ich die -Schützenlinie. Die Boys, die Reittiere und die Träger blieben im -Versteck. Dann ließ ich behutsam in schräger Richtung auf den Weg -vorgehen.</p> - -<p>Der Busch wurde niedriger und lichter, und öffnete sich bald zu -weiterer Aussicht, als plötzlich die Aufständigen zu sehen waren, in -langer, ununterbrochener Linie im Gänsemarsch daherkommend. Der weiße -Kopfputz leuchtete auf der dunklen Stirn; die geschulterten, langen -Flinten, die Patronentaschen und das blaue Tuch um die Hüften gaben der -Masse ein uniformiertes, kriegerisches Aussehen.</p> - -<p>In gebückter Haltung kamen wir bis auf etwa sechzig Schritt an die -sorglos einhermarschierenden Neger hinan, als die ersten stehen -blieben, stutzten, und ihre Gewehre von der Schulter nahmen. Sofort -blieb ich stehen, entsicherte mein Gewehr und schoß, ohne einen Befehl -zu geben.</p> - -<div class="sidenote">Das Gefecht bei Kipo.</div> - -<p>In den nächsten Minuten herrschte ohrenbetäubender Lärm. Alle meine -Leute schossen; aus etwa dreihundert Gewehren wurde das Feuer von -drüben erwidert. In Gräsern und Büschen vor mir, sah ich die plötzliche -Bewegung einschlagender Geschosse; — die Askari schrien laut vor -Erregung —.</p> - -<p>Ich hatte den zweiten Ladestreifen eben in den Kasten meines -Gewehres geschoben — also schon sechs Patronen verfeuert — als ich -vorlief; die ganze Linie folgte und die Spitze der Gegner zerstreute -sich. Wo die ersten Toten lagen, blieben wir stehen und nahmen -einen Menschenhaufen unter Feuer, der aus dem<span class="pagenum"><a id="Seite_113"></a>[S. 113]</span> Dorf auf der Höhe -hervordrängte und sich in das Gras verteilte. Der nächste Anlauf -brachte uns, fast atemlos, auf die Anhöhe; in wilder Flucht stürzten -die Aufständigen vor uns den Abhang hinab.</p> - -<p>Am Fuße der Anhöhe im hohen Grase bewegten sich Bogenschützen; -Verwundete und Leute, die ihre Waffen fortgeworfen hatten, liefen -dazwischen. Man sah Anführer, die den Versuch zu machen schienen, ihre -Leute zum Widerstand zu bewegen.</p> - -<p>Es gab kein Halten mehr! —</p> - -<p>Alles drängte über eine Brücke und hier war es leicht, mit schnellen -Schüssen zu treffen.</p> - -<p>Ich warf einen kurzen Blick auf meine Leute. Die Unteroffiziere und -Matrosen schossen ruhig. Sergeant Kühn hatte die unsichersten der -Askari in seine Nähe genommen. Diese führten die Ladegriffe noch so -exerziermäßig aus, daß man die „praktische Instruktion“ dazwischen zu -hören glaubte.</p> - -<p>Nun folgte der letzte Anlauf den Abhang hinab, über die Brücke weg -in ein abgeerntetes Maisfeld. Die Neger liefen auf die Sandbänke und -stürzten sich in den Fluß; die Mehrzahl floh in westlicher Richtung.</p> - -<p>Waffen, Patronentaschen und sogar den leichten, aus Pflanzenmark -hergestellten Kopfputz warfen sie fort, um schneller laufen zu können.</p> - -<p>Wir waren bis aufs äußerste erschöpft und erhitzt, als ich das Gefecht -abbrach. Die Askari drängten sich um mich herum und schüttelten mir in -ihrer Erregung minutenlang die Hände.</p> - -<p>Jeder wußte: Mühe und Anstrengung hatten sich heute belohnt, und die -überraschende Niederlage der Aufständigen würde großen Eindruck machen, -wenn nicht zum Frieden führen.</p> - -<p>Als ich antreten ließ, hatte ich die bange Sorge um eigene Verluste, -aber es ergab sich zu aller Freude, daß nicht ein einziger fehlte; -mit geradezu unglaublichem Glück waren wir durch den Geschoßhagel der -Vorderlader hindurchgelaufen.</p> - -<p>Die Überraschung der Aufständigen, die nicht Zeit hatten, sich ins Gras -niederzuwerfen, hatte das ihre dazu getan.</p> - -<p>Der große Verlust des Gegners aber — über siebzig Tote lagen allein -auf dem Kampfplatz — mußte als ein Erfolg angesehen<span class="pagenum"><a id="Seite_114"></a>[S. 114]</span> werden. Die -Schenzi waren mit dem Wahn zu Felde gezogen, daß ihre Waffen treffen -würden, und aus unseren Gewehren, durch die Macht der Zauberer, nur -Wasser kommen würde.</p> - -<p>Jetzt waren sie eines anderen belehrt!</p> - -<p>Ein Neger behauptete, er habe auch hinter uns ferne im Wald schießen -hören und ich war etwas besorgt um die Abteilung des Stabsarztes -Engeland, die verhältnismäßig schwach war, weil ich in der Zuversicht, -den Gegner nur <em class="gesperrt">vor</em> mir zu haben, die meisten Kräfte an mich -genommen hatte. Doch bald traf die kleine Kolonne mit den Trägern -und Lasten ein und Stabsarzt Engeland freute sich mit mir über den -Erfolg des Tages, durch den mein ganzer, auf eigene Verantwortung -unternommener Zug eine Rechtfertigung fand.</p> - -<p>Die Aufständigen waren nämlich auf dem Wege nach Osten gewesen, hätten -noch an demselben Tage die Landschaft Kooni erreicht und von dort -weiter die gut bevölkerten und reichen Landschaften nach der Küste -hin mit in den Aufstand gerissen und verwüstet, wenn ich ihnen nicht -begegnet wäre.</p> - -<p>Auch hatten sie, wie später sicher festgestellt wurde, schon -Beziehungen zu Häuptlingen im Usaramobezirk (Daressalam; nördlich vom -Rufiyi), die sich nach der Niederlage am 21. August den Fall noch -einmal überlegten und ruhig blieben.</p> - -<p>Nun kam es darauf an, festzuhalten, was durch den schnellen Vormarsch -und die entscheidenden Gefechte erreicht worden war. Von der Mündung -des Stromes bis nach der Landschaft Kibambawe hin war das Nordufer in -einer Linie von etwa 180 <span class="antiqua">km</span> Länge gesichert durch friedliche -Neger, die durch unser Vorgehen das Vertrauen auf den Schutz der -Regierung behalten hatten.</p> - -<p>Auf dem Nordufer war daher eine dauernde Botenverbindung mit Mohorro -möglich. Das Südufer mußte allerdings allmählich unterworfen werden und -das konnte nur geschehen unter Aufsicht eines Militärpostens am Rufiyi.</p> - -<div class="sidenote">Die Aufständigen vollständig zersprengt.</div> - -<p>Die Aufständigen, die ich am 21. früh bei Kipo traf, waren aus den -Kitschi- und Matumbibergen südlich vom Rufiyi vor den Operationen des -Majors Johannes ausgewichen.</p> - -<p>Daß ich sie an einem für ein Gefecht mir so außerordentlich<span class="pagenum"><a id="Seite_115"></a>[S. 115]</span> günstigen -Platze traf, ist reiner Zufall gewesen. Ich habe das Nordufer später -noch genauer kennen gelernt; auf dem ganzen Wege von der Stelle, an -der die Aufständigen über den Fluß gesetzt waren, bis nach meinem -Ausgangspunkt Kooni hin ist nicht ein Platz, der annähernd den -erreichten Erfolg ermöglicht hätte; an jeder anderen Stelle wäre uns -höchstens die Spitze des Gegners schußrecht gekommen; die Neger hätten -sich in das Gras geworfen und es wäre nicht ohne schwere Verluste auf -unserer Seite abgegangen.</p> - -<p>Bei Kipo aber öffnete sich das Terrain; links floß der Strom, rechts -lag ein großer See und die Höhe, die wir beim zweiten Vorlaufen -erreichten, beherrschte den schmalen Paß, auf dem der Gegner fliehen -mußte. Die völlige Überraschung der Aufständigen kam hinzu, um den -Eindruck unseres Erscheinens zu erhöhen.</p> - -<p>Sie mögen anfangs gedacht haben, daß ihnen ein so kleines Häuflein -Soldaten nichts anhaben könnte und daß wir uns durch ihre große Zahl -einschüchtern lassen würden; als aber an ihrer Spitze gleich vierzehn -der unverwundbaren Krieger hinsanken, verloren sie den Kopf.</p> - -<p>Hätte es nicht auch anders kommen können? Ich weiß es nicht; aber es -ist mir in Erinnerung, daß ich mich im ersten Augenblick, als ich die -endlose Reihe der schwarzen Krieger sah, fragte: „Wird diese Masse ins -Wanken kommen, oder werden sie sich entschlossen auf uns stürzen?“</p> - -<p>Und wahrscheinlich hätte zaudern uns an diesem Tage einen Mißerfolg -gebracht.</p> - -<p>Die Wirkung der Stahlmantelgeschosse aus den 98er Gewehren war viel -kleiner als die der Bleigeschosse aus den 71er Gewehren der Askari. Ich -habe selbst beobachtet, daß der erste Schwarze, den ich genau aufs Korn -nahm, erst beim dritten Schusse fiel; und ich hatte offenbar jedesmal -getroffen, denn der Leichnam wies nachher drei verschiedene Schüsse auf!</p> - -<p>Da man den Angeschossenen doch nur in sehr seltenen Fällen helfen kann, -stände nichts im Wege, angefeilte oder Bleispitzengeschosse gegen -Aufständige zu verwenden. Die Qualen des<span class="pagenum"><a id="Seite_116"></a>[S. 116]</span> Verwundeten werden abgekürzt -und vor allen Dingen wird der Gegner schneller kampfunfähig gemacht.</p> - -<p>Ist doch die Wirkung der Bleigeschosse ebensogroß wie die der -angefeilten Geschosse und weshalb soll man sich dieser Wirkung begeben, -die man bei den Askarigewehren als vorteilhaft anerkennt? Wenn man -Neger schonen will, soll man überhaupt nicht schießen.</p> - -<p>Etwas ganz anderes ist es, wenn ärztliche Hilfe, Verbandzeug und -Krankenpflege vorhanden sind, was bei Eingeborenenaufständen in Afrika -nie so ausreichend der Fall sein wird, daß man die Hilfe auch den -verwundeten Gegnern zuteil werden lassen kann. Man hat nämlich die Wahl -zwischen großen Erfolgen mit geringen Mitteln oder geringen Erfolgen -mit einer großen Ausrüstung (die an jeder schnellen Aktion hindert). -Das hat sich oft in dem ostafrikanischen Aufstand gezeigt. Und deshalb -kann man auch an Verbandzeug usw. nur das Allernotwendigste mitnehmen. -(Trotz diesen Erwägungen habe ich nur Vollmantelgeschosse verwendet, -schon um Ladehemmungen, die durch angefeilte Geschosse entstehen -können, auszuschließen.)</p> - -<p>Das Mittagessen wurde im Dorfe gekocht; nach kurzer Rast marschierten -wir weiter in der Richtung, die der fliehende Feind genommen hatte. Ein -schmaler, aber guter Weg führte auf der Höhe des Rückens entlang, der -hier steil zum Fluß abfiel.</p> - -<p>Ziemlich gleichmäßiger Buschwald stand zu beiden Seiten.</p> - -<p>Mehrmals ging ich vom Wege ab, an den Abhang hinan und genoß den -schönen Blick von oben auf den breiten Fluß, die großen Inseln im Strom -und die fernen Wälder.</p> - -<p>Gegen abend gingen wir zum Fluß hinab und erwarteten auf einer weit -vorgeschobenen Sandbank die Boote, die der Akide in einem Versteck -wußte. Gerade an der Stelle, die wir uns zur Überfahrt ausgesucht -hatten, schwammen zwei ungeheure Nilpferde im Wasser herum und die -Boote konnten nur durch geschickte Manöver ausweichen. Die Schwarzen -sahen immer ängstlich nach den Tieren und ruderten aus Leibeskräften, -sobald das Boot in tiefes Wasser kam.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_117"></a>[S. 117]</span></p> - -<p>Ganz unheimlich aber wurde es erst nach Anbruch der Dunkelheit, als wir -nur aus dem Schnaufen und dem unwilligen Brüllen merken konnten, wo -sich die Kibokos befanden; wir atmeten erleichtert auf, als sämtliche -Menschen, Reittiere und Lasten das Südufer erreicht hatten.</p> - -<p>Der Proviant für die Europäer war fast zu Ende; drei Tage konnten wir -uns allenfalls noch durchschlagen. So war ich denn im Zweifel, ob -ich noch einen Zug in die Landschaft Mtanza unternehmen sollte, der -mindestens zwei Tage Zeit forderte.</p> - -<p>Ein farbiger Händler kam und berichtete am nächsten Morgen über die -Lage in Mtanza.</p> - -<p>Er schilderte, in welcher Verfassung die Aufständigen zurückgekommen -seien: Hals über Kopf seien sie in die Boote gestürzt, viele Verwundete -seien auf Bettstellen getragen worden; sie hätten die Nase voll. -Als ich noch überlegte was zu tun sei, kam ein Bote und brachte -einen Befehl von Hauptmann Merker aus Mohorro, ich sollte mit meiner -Expedition nach dort zurückkehren.</p> - -<p>Am nächsten Morgen trat ich gerade rechtzeitig aus dem Zelt um zu -sehen, wie ein großes Flußpferd aus dem Schilf kam und über die -Sandbank hin langsam ins Wasser ging. —</p> - -<p>Der Rückmarsch wurde begonnen und gegen Mittag dem gestrigen -Gefechtsfeld gegenüber gelagert.</p> - -<div class="sidenote">Geier auf dem Schlachtfeld.</div> - -<p>Mit vieler Mühe beschaffte mir der Akide ein Boot und ich fuhr hinüber. -Zahlreiche Geier und Marabus kreisten in der Luft über den Leichen und -saßen auf den Sandbänken. Ein großer Teil der Toten aber war schon in -der Nacht fortgetragen und wahrscheinlich begraben worden.</p> - -<p>Die Leichen sahen entsetzlich aus; die schwarze Pigmentschicht der Haut -war geschwunden und durch ein unansehnliches Rot ersetzt. Hyänen und -Aasvögel hatten bereits ihre Schuldigkeit getan; die nahe dem Wasser -liegenden Kadaver waren den Krokodilen zugefallen.</p> - -<p>Die Natur sorgt in der Wildnis aufs beste für Reinlichkeit und Ordnung. -— Das Vorkommen von Hyänen und Geiern ist deshalb sehr gewünscht, -und in den Bergen, wo sie fehlen, verpesten die Toten monatelang die -Umgegend. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_118"></a>[S. 118]</span></p> - -<div class="sidenote">Ein Gefangener.</div> - -<p>Durch ziemlich gleichmäßige, ebene Landschaft erreichten wir gegen -Abend ein scheinbar verlassenes Dorf inmitten alter Flußbetten, die -zum Teil noch Wasserlachen aufwiesen. Da wir den ganzen Tag über keine -Aufständigen gesehen hatten, ließ ich mich, ganz entgegen meiner -bisherigen Vorsicht verleiten, auf ein großes Krokodil zu schießen, -das uns gewissermaßen den Zugang zum Wasser sperrte. Gleich darauf -sagte ein Askari: „Eben ist ein Schenzi da hinten von einem Dach -heruntergesprungen.“ — Infolge meines Schusses natürlich: ich war -wütend auf mich selbst! Patrouillen wurden ausgeschickt und schließlich -ein Gefangener eingebracht.</p> - -<div class="blockquot bbox"> - -<p class="center">Die Neger plündern ein brennendes Dorf nach einem Gefecht.</p> - -<p>Tief im unwirtlichen, wasserarmen Walde versteckt, hatten die -aufständigen Wapogoro, die sich nicht unterwerfen wollten, neue -Dörfer angelegt. Ich zog mit anderen Eingeborenen, die zu mir -hielten, dorthin, vertrieb die Aufständigen und ließ die Hütten -plündern und in Brand setzen. Man sieht die Neger mit Beute beladen -aus dem Dorfe herauskommen; der Rauch zieht durch den Wald.</p></div> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg119ill"> - <img class="w100" src="images/pg_119_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Neger plündern ein brennendes Dorf nach einem -Gefecht.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_119_ill_gross.jpg" id="pg_119_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Die Askari meldeten eifrig, es sei alles fertig, um den Schenzi ins -Jenseits zu befördern und waren nicht sehr erfreut, als ich dazu keinen -Befehl gab; aber jetzt, wo unsere eigene Lage sicher schien, kam eine -Exekution nicht mehr in Frage.</p> - -<p>Es widersprach mir aufs äußerste, diesem wehrlosen ein Leid zu tun, -wenn auch die Askari auf die Abzeichen hinwiesen, die der Gefangene -trug; das blaue Hüfttuch, die Patronentaschen und die schneeweißen -Klötzchen aus Matamamark, die er mit einem Bastfädchen über die glatte, -dunkle Haut seines Oberarms gebunden hatte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_121"></a>[S. 121]</span></p> - -<p>Vielleicht hatte er sich aus Dummheit dem Aufstand angeschlossen; -vielleicht hatte die Uniform der Vaterlandsretter ihn gelockt oder ihm, -dem Hinterwäldler, die Kriegstrommel und das sichere Auftreten der -waffentragenden Männer ringsum Eindruck gemacht.</p> - -<p>Nein! Keinem dieser Helden kann man es übel nehmen, wenn sie sich auf -die Waffen besinnen, und der Instinkt sie irre führt in dem Glauben, -daß ihr gemeinsamer Kampf unbequeme Zustände heben könne.</p> - -<p>Also sei das unser Grundsatz: Schützen müssen wir uns, gleichgültig -ob durch Blutvergießen oder wie — wenn wir Herren bleiben wollen, -wo wir doch nur das Recht des Stärkeren haben und das Vorrecht des -Kulturmenschen, der mehr braucht, als das Naturkind (nicht immer auch -geben kann und darf) aber Blutvergießen und Rachekrieg nur soweit es -die eigene Sicherheit fordert.</p> - -<p>Wer wird sein Pferd, das für ihn Arbeit tut, erschießen, weil es -schlägt? War nicht vielleicht der Strang zu kurz; und die Peitsche -sollte helfen?</p> - -<p>Wir waren nur wenige Stunden von Mayenge entfernt. (Dem großen -zerstörten Ort, bei dem ich drei Tage vorher gelagert hatte.) Da ich am -nächsten Morgen einen Angriff auf das Dorf unternehmen wollte, in dem, -wie ich glaubte, sich inzwischen wieder Aufständige hingezogen haben -würden, blieb ich auf der Halbinsel zwischen den Wasserläufen, um den -Soldaten Zeit zur Mittagsrast zu geben.</p> - -<p>Dem Tierfreund kann ich diesen Platz empfehlen; hier ist wirklich gute -Gelegenheit, Krokodile zu beobachten. Wo man an einen Tümpel oder -Wasserlauf kam, bewegte es sich, und die langen, trägen Echsen ließen -sich in die trübe Flut gleiten. Wo sie still, zwischen Pflanzen halb im -Morast versunken lagen, waren sie kaum zu sehen; denn ihre Farbe ist an -Land und im Wasser gleich gut, um sie mit der Umgebung verschwimmen zu -lassen. Die Augen sogar haben dieselbe gelbgrüne Farbe wie der Panzer -und es ist unheimlich aus der Nähe die Bewegung der Augen in der trägen -Masse plötzlich wahrzunehmen.</p> - -<p>In den Hütten vergraben wurde viel Reis gefunden, in<span class="pagenum"><a id="Seite_122"></a>[S. 122]</span> Boote geschüttet -und den treu gebliebenen Negern des Nordufers geschenkt. Zur -Beaufsichtigung der Boote blieben mehrere Askari zurück, während der -Akide die Expedition nach einer Ansiedelung führte, die in Feldern und -Schilf versteckt an fließendem Wasser lag und sich als Lagerplatz für -die Nacht eignete; hier wurden die Zelte aufgeschlagen und im Dunkel -der Hütten das Abendbrot gekocht.</p> - -<p>Der Betschausch mit sechs Askari war auf Patrouille ausgesandt und -kam nicht wieder; die in dem Dorf zurückgelassene Abteilung sandte -Meldung, ein Askari sei von einem explodierten Pulverfaß schwer -verletzt worden; ein Matrose litt stark unter Fieber und mußte alle -Energie zusammennehmen, um in der Marschordnung zu bleiben: durch diese -Zwischenfälle wurden die Aussichten für den kommenden Morgen etwas -beeinträchtigt, und ich mußte den Plan aufgeben, um zwei Uhr früh -aufzubrechen.</p> - -<p>Das schadete auch nichts, wie sich herausstellte; denn als wir uns -nach mehrstündigem Marsche durch ebenes Schwemmland um acht Uhr am -Morgen Mayenge näherten, begegnete uns schon der Betschausch mit seiner -Patrouille und meldete, daß keine Aufständigen in weitem Umkreise zu -spüren seien; (er hatte am Abend vorher unser verstecktes Lager nicht -finden können und war, da ihm mein Plan, bei Tagesanbruch vor Mayenge -zu stehen, bekannt war, von selbst dorthin gegangen).</p> - -<p>Ich lagerte an der alten Stelle und ich erwartete die angekündigte -Ankunft des Leutnant Spiegel, um dann den Rückmarsch nach Mohorro -anzutreten. Als Spiegel eintraf, erzählte er, daß Hauptmann Merker mit -ihm nach Mohorro geeilt sei, weil Gerüchte kamen, ich sei am Rufiyi von -Aufständigen eingeschlossen.</p> - -<p>Leutnant Spiegel begann mit dem Bau einer Boma, während ich zum -Rückmarsch rüstete. Trotzdem der Bezirksamtmann, der persönlich böse -Erfahrungen mit den Nilpferden gemacht hatte, mir in seinen Briefen -mehrmals abriet, in Booten auf dem Strom zu fahren, entschloß ich mich, -die Europäer wenigstens alle in den Booten zu befördern, umsomehr, als -den Kranken der Marsch doch zu beschwerlich geworden wäre.</p> - -<p>Den ersten Teil des Weges legte ich selbst jedoch zusammen<span class="pagenum"><a id="Seite_123"></a>[S. 123]</span> mit den -Askari auf dem Südufer zurück, weil ich feststellen wollte, wie die -Ortschaften aussahen, die wir niedergebrannt hatten und ob die Neger -daran dachten, zurückzukehren, sich zu unterwerfen und die Häuser -wieder aufzubauen.</p> - -<p>Der Marsch über Land bot nicht viel Neues; überall waren Anzeichen, -daß die Aufständigen die Umgegend noch nicht verlassen hatten und in -die Felder kamen, um die Reste der Feldfrüchte wegzuholen. Die Leichen -waren verschwunden und nichts verriet mehr, daß hier blutige Gefechte -stattgefunden hatten.</p> - -<p>Am verabredeten Ort traf ich mit Stabsarzt Engeland und den Matrosen -zusammen, die den Weg in Booten zurückgelegt hatten.</p> - -<p>Am folgenden Morgen fuhren wir alle in großen, geräumigen Einbäumen -stromab und hatten eine an Abwechselung reiche Fahrt; Flußpferdherden -wurden passiert, Kuhreiher in Flügen von zwanzig flogen vom Ufer auf, -an dem das Boot lautlos entlangglitt; kleine Königsfischer schwirrten -tief über das Wasser hin.</p> - -<p>Am Ufer lagen Krokodile, auf die wir in tödlichem Haß schossen, wenn es -irgend Erfolg versprach; über die Resultate wurde Buch geführt.</p> - -<p>So ging die Zeit schnell hin; die Matrosen sangen hinter uns in den -Booten.</p> - -<p>Um sieben Uhr früh waren wir aufgebrochen und erreichten um acht Uhr am -Abend bereits Mohorro; auf dem Landwege hätten wir zu dieser Entfernung -mindestens zwei Tage gebraucht.</p> - -<p>Das Bezirksamtsgebäude in Mohorro hatte Hauptmann Merker unterdessen -mit einem Drahtzaun umgeben lassen. Darin wurde nachts auch die -Viehherde der Kommune untergebracht.</p> - -<p>Leutnant zur See Schröder war nach Kilwa kommandiert.</p> - -<div class="sidenote">Hinrichtung.</div> - -<p>Eine unangenehme Aufgabe harrte meiner: Ich sollte mit Hauptmann -Merker ein Kriegsgericht bilden, um vier Anführer der Aufständigen -abzuurteilen. Hier, wo man den Gefangenen nicht mehr ansehen konnte, -was sie verbrochen hatten, wurde mir das recht schwer.</p> - -<p>Es schien ein großer Unterschied zu sein, zwischen diesen elenden -gefesselten, die von den Askari aus dem Untersuchungs<span class="pagenum"><a id="Seite_124"></a>[S. 124]</span>gefängnis -gebracht wurden, und den trotzigen Kriegern bei Utete, die auf uns -geschossen hatten.</p> - -<p>Notwehr und Krieg das eine; Justiz das andere. Nach langen Vernehmungen -wurden sie zum Tode durch den Strang verurteilt. Wie es meist bei -derartigen Gerichtssitzungen der Fall ist, leugneten die Angeklagten -alles und wußten von nichts; die Zeugen aber sprachen die schlimmsten -Beschuldigungen aus. Beiden darf man nicht glauben, und ist nur wenn -die Angeklagten bei der Tat ertappt wurden sicher, gerecht zu urteilen.</p> - -<p>Als das Urteil bekanntgegeben wurde, blieben die Verurteilten ganz -ruhig. Einer aber sagte mit größter Gelassenheit plötzlich: „Laß meinen -Nachbar etwas von mir abrücken; er stinkt.“</p> - -<p>Der lange vorbereiteten Hinrichtung zusehen zu müssen, war mir anfangs -peinlich; um so mehr war ich erstaunt, wie ruhig sich alles vollzog. -Ein Haufe von Menschen stand herum. Das Urteil wurde auf Kisuaheli -vorgelesen. Die Verurteilten sahen gelassen zu, wie einer nach dem -anderen den Wagen mit der Kiste bestieg und den Kopf in die Schlinge -steckte. Der Wagen wurde dann weggezogen, und der Körper hing mit dem -Kopf in der Schlinge. (Die Ärzte sagen, daß in demselben Augenblick -schon die Besinnung schwinde.)</p> - -<p>Ein Askariposten blieb auf dem Richtplatz, während das Volk auseinander -ging. Weiber und Kinder hatten mit gleicher Neugierde dem Schauspiel -zugesehen. Bei vielen war ein gewisses Vergnügen an der Szene -unverkennbar; wie bei uns im Mittelalter.</p> - -<p>Etwas aufregender soll die Hinrichtung der Hauptzauberer gewesen sein, -die schon vor meiner Ankunft stattgefunden hatte. Der eine hatte -gesagt: „Ihr könnt mich dreist aufhängen, ich bleibe doch leben und -komme wieder“, und hatte eine Rede an das versammelte Volk gehalten. -Als er dann gehenkt wurde, rutschte der Kopf aus der Schlinge; der -Verurteilte stieg aber sofort wieder auf den Wagen, um sich den Strick -von neuem umlegen zu lassen.</p> - -<p>An dem Tage war zu fürchten, daß das Volk die Zauberer befreite.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_9" href="#FNAnker_9" class="label">[9]</a> Spr. <span class="antiqua">kǒṓni</span>.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_10" href="#FNAnker_10" class="label">[10]</a> Sprich: <span class="antiqua">Umbarási</span>.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_125"></a>[S. 125]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg125ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_125_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Aufständige aus den Kitschibergen unterwerfen sich.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Im_Aufstandsgebiet">Im Aufstandsgebiet.</h2> - -</div> - -<p>Ich blieb nur einige Tage in Mohorro; als Hauptmann Merker wieder in -die Matumbiberge gehen wollte, rüstete ich mich aus, um ihn zum Rufiyi -zu begleiten und den Militärposten in Mayenge zu übernehmen.</p> - -<p>Dem Bezirksamtmann Keudel lag sehr viel daran, daß ich am Rufiyi bliebe -und den errungenen Erfolg ausnützte; er gab mir aus den Beständen -des Bezirksamts mit, was ich irgend nötig hatte, um selbständige -Kriegsexpeditionen auszuführen: Zelte, Feldbetten, Kochgeschirr und die -Reittiere der Kommunalverwaltung.</p> - -<p>Da Leutnant zur See Schroeder inzwischen abgerufen war, um einen -anderen Posten zu übernehmen, erbot sich Keudel sogar, für das -Matrosendetachement zu sorgen, während ich weg sei.</p> - -<p>Auf meine Matrosen konnte ich mich verlassen; ich merkte, daß ich -nur gute Leute mitbekommen hatte, die stolz waren, wenn man sie -unbeaufsichtigt ließ, und wenn sie das Vertrauen, das<span class="pagenum"><a id="Seite_126"></a>[S. 126]</span> ich in sie -setzte, verdienten. Dadurch war ich in der Lage, hinzugehen, wo ich -nötig zu sein glaubte.</p> - -<p>Während der Bezirksamtmann — später war es Herr Graß — mich in -Mohorro vertrat, half ich ihm fortan in seinen Geschäften im Bezirk.</p> - -<p>„Krieg“ und Frieden scharf zu trennen wäre auch falsch gewesen; dieser -„Krieg“ war nur eine verschärfte Strafausübung und sollte möglichst -schnell zum wirklichen Frieden führen.</p> - -<p>Ich nahm auf die neue Expedition von dem Bussarddetachement nur einen -Unteroffizier und drei Matrosen mit; außer diesen hatte ich nur Askari.</p> - -<p>Am ersten Tage unseres Marsches überraschte uns nahe bei Mohorro ein -seltener Anblick: fünf Elefanten standen zwischen hohen Bäumen und -schienen zu ruhen.</p> - -<p>Die Karawane hielt auf dem Wege; ich ging näher, ohne recht zu wissen, -ob ich mich auch zum Schuß entschließen sollte; denn eigentlich war -ich auf so hohe Begegnung nicht gefaßt gewesen und traute mir kaum -Erfolg zu, nach all dem, was ich aus dem Munde erfahrener Jäger -über die Schwierigkeiten eines erfolgreichen Schusses auf Elefanten -vernommen hatte. Mir war nur in Erinnerung, man solle von vorn auf den -Rüsselansatz und nicht aus zu geringer Entfernung schießen; sonst gehe -der Schuß zu steil hoch und verfehle das Gehirn. Mit diesen ziemlich -unklaren Vorstellungen ging ich an die Elefanten hinan und fragte mich -beim Anblick der Riesenschädel und der großen, glatten, erdfarbenen -Flächen vergeblich, wo eigentlich der Rüsselansatz zu suchen sei?</p> - -<div class="sidenote">Der erste Schuß auf Elefanten.</div> - -<p>Allein, die ganze Expedition wartete auf dem Wege und lange aufhalten -durfte ich sie nicht. Die Reittiere schrien laut; so zögerte ich nicht -mehr lange, blieb auf etwa hundert Schritte stehen, nahm einen großen -Elefanten, der mir die Stirn und beide gewaltigen Zähne zukehrte, -aufs Korn und schoß dahin, wo ich mir den Rüsselansatz dachte. Sofort -kam Bewegung in die plumpen Tierleiber; in wenigen Sekunden waren sie -zwischen Stämmen und Laub in einer großen Staubwolke verschwunden.</p> - -<p>Ein Mißerfolg! Zu entschuldigen durch die ungewöhnlichen<span class="pagenum"><a id="Seite_127"></a>[S. 127]</span> Umstände, -unter denen ich zum ersten Male auf das größte Wild der Erde zu Schuß -kam.</p> - -<p>Selbstverständlich ließ ich an die Bäume am Wege Zeichen einhauen -und benachrichtigte den Bezirksamtmann, der, leider ohne Erfolg, -eingeborene Jäger auf die Fährte des angeschossenen Tieres schickte.</p> - -<p>Da wieder Nachrichten kamen, das Nordufer sei gefährdet, gingen wir -am nächsten Tage auf einem kleinen Waldwege zum Rufiyi und setzten -nach dem Orte Ndundu über. Ich ging etwas vorweg, um ein Stück Wild -zur Verpflegung zu schießen; sah aber nur ein Warzenschwein, das ich -fehlte und einige Riedböcke, die schnell im hohen Grase verschwanden, -bevor ich schießen konnte. Nahe beim Strom kamen wir durch ausgedehnte, -abgeerntete Reisfelder der Warufiyi.</p> - -<p>Am folgenden Tage ereignete sich ein kleiner Zwischenfall: ein Boot -mit Eingeborenen kenterte, als die Expedition über den Fluß setzte. -Sergeant Kühn und Matrose Homfeld sprangen sofort nach und wurden von -den ungeschickten Negern unter Wasser gezogen. Ich kam etwas später, -aber doch noch rechtzeitig, um dem Sergeanten zum Ufer zu helfen.</p> - -<p>Es machte auf die Neger einen guten Eindruck, daß sie sahen, wie wir -für das Leben derer, die bei uns Dienst taten, uns selbst in Gefahr -begaben.</p> - -<p>Die Gerüchte über Unruhen im Ndundugebiet waren unbegründet; trotzdem -war es vielleicht gut, daß wir auf dem Nordufer marschierten, und auch -die Eingeborenen dort einmal Soldaten zu sehen bekamen.</p> - -<p>Am dritten Tage trafen wir in Mayenge ein, wo Leutnant Spiegel -inzwischen mit Hilfe der treugebliebenen Neger der Umgegend aus starken -Pfählen eine Umzäunung errichtet hatte, die fortan als Boma diente und -mit Wohnräumen, Küche und Ställen ausgebaut wurde.</p> - -<p>Aus Kooni kam Nachricht, daß Hauptmann Fonck von Daressalam eintreffe, -vor dem hatten die Eingeborenen, wie ich später merkte, großen Respekt; -sein Auftreten im Usaramobezirk, gleich zu Beginn des Aufstandes, rief -allgemeine Furcht hervor, so daß<span class="pagenum"><a id="Seite_128"></a>[S. 128]</span> es hier nur noch zu lokalen Unruhen -kam, die Regierungsrat Boeder mit der Polizeitruppe beendete.</p> - -<p>Mit Hauptmann Fonck war Stabsarzt Stierling, den ich als einen guten -Jäger schon früher kannte. Er schrieb mir einen Brief und bat um -Proviant, sie wären so schnell von Daressalam aufgebrochen, daß sie -sich nicht mehr hätten ausrüsten können und müßten von Huhn und Mohogo -leben.</p> - -<p>Ich hatte selbst fast nichts; war aber doch in der glücklichen Lage, -mit Kleinigkeiten andern eine Freude machen zu können.</p> - -<p>Nach langen Beratungen über die Anzahl der Askari, die ich -zurückbehalten sollte, ging Hauptmann Merker mit seiner Truppe nach -Süden in die Kitschi- und Matumbiberge und ich blieb allein mit zwei -Unteroffizieren, einem Sanitätsunteroffizier, drei Matrosen und -fünfzehn, zum größten Teil kranken Askari in der Boma; es war eine -recht kleine Truppe!</p> - -<div class="sidenote">Die Kriegssteuer.</div> - -<p>So waren mir die Flügel beschnitten und wenn mir nicht neue Askari -gesandt wurden, konnte ich meinen Forderungen den Negern gegenüber -nicht mit Waffengewalt Nachdruck geben. Aber vorläufig wirkten die -Gefechte der letzten Wochen nach; die Neger kamen, gaben Gewehre -ab und zahlten die geforderten Strafgelder. Als Bedingung für die -Unterwerfung hatte der Gouverneur festgesetzt: Die Aufständigen sollten -ihre Waffen abliefern, und jeder erwachsene Mann drei Rupien<a id="FNAnker_11" href="#Fussnote_11" class="fnanchor">[11]</a> -Kriegssteuer zahlen. Dies ließ ich durch die beiden Akiden an die -Jumben bekannt geben, soweit diese Dorfschulzen nicht auch im Busch bei -den Aufständigen weilten.</p> - -<p>In Scharen, oft zu hunderten, kamen die Neger an, und wir hatten -alle Hände voll zu tun, das Kupfergeld zu zählen, die Namen der -Unterworfenen in eine Liste einzutragen und jedem seinen numerierten -Quittungszettel auszustellen; eine sonderbare Tätigkeit.</p> - -<p>Anfangs waren die Namen nicht zu verstehen, bis man sich an den Klang -gewöhnt und sich ihre Schreibung erdacht hatte. Dazu war ein dauerndes -Hin- und Herfragen nötig, wobei der<span class="pagenum"><a id="Seite_129"></a>[S. 129]</span> Akide oft erklärend dazwischen -kommen mußte, während einige Askari das Publikum mit dem Geschick von -Straßenpolizisten sortierten.</p> - -<p>Um den Transport zur Küste zu sparen, ließ ich die Gewehre an Ort und -Stelle zerschlagen und in den Strom werfen, wo sie von Fafner, dem -großen Krokodil, wohl noch heute bewacht werden, damit sie nicht neuem -Frevel dienen.</p> - -<p>Bald kam die Nachricht, zwanzig Askari seien für mich von Daressalam -nach Mohorro in Marsch gesetzt; bis zu ihrer Ankunft müsse ich mich -gedulden und, meinem Befehle gemäß, in Mayenge stehen bleiben. Die -wenigen Wochen dort erschienen mir wie eine Ewigkeit; als einzige -Abwechselung hatte ich die Jagd, die ich schon aus Rücksicht auf -Verpflegung meines Kriegslagers eifrig ausüben mußte.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg129ill"> - <img class="w100" src="images/pg_129_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Boma bei Mayenge.</p> - -<p>Auf dem geebneten Platze exerzieren die Askari.</p></div> -</div> - -<p>Zu besonderer Freude erhielt ich ein Telegramm, das mit dem Namen des -Gouverneurs unterzeichnet war: „Spreche Ihnen und Ihren Mannschaften -meine Anerkennung und Dank aus.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_130"></a>[S. 130]</span></p> - -<p>Die Boma bewährte sich an ihrem Platze sehr gut; sie lehnte sich -auf einer Seite an den Nebenarm des Flusses an, an dem eine Menge -Boote bereit lagen zum Übersetzen und um jederzeit nach der Küste -zurückkehren zu können.</p> - -<p>Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses wohnten die friedlichen -Eingeborenen, die uns mit Eiern und Mehl versahen und Träger und Boten -stellten, wenn es gefordert wurde — natürlich alles dies, wie in -Friedenszeiten, gegen Bezahlung. —</p> - -<p>Arbeit gab es täglich. Ähnlich mag die Gründung einer Station vor -sich gehen; ich konnte mir vorstellen, welche Freude es macht, einen -Ort zu entwickeln, Anlagen und Wege zu schaffen und das Vertrauen der -Bevölkerung zu gewinnen.</p> - -<p>Ein hoher Zaun aus eingerammten Bäumen umgab im Halbkreis den Platz, -auf dem die Zelte der Europäer, die Hütten der Askari, die Küchen, der -Eselstall und das Hühnerhäuschen verteilt waren. Am Tor befand sich die -Wache; dort saßen die Gefangenen, die Tags unter Aufsicht arbeiteten.</p> - -<div class="sidenote">Meine Askari.</div> - -<p>Vor der Umzäunung wurde ein großer Platz planiert und von Gras -gesäubert, um Übersicht zu bekommen. Täglich sah man Sergeant Kühn hier -mit den Askari exerzieren und in kurzer Zeit wurde aus zum Teil ganz -neu eingestellten Negern eine brauchbare Truppe. Man konnte beobachten, -wie das Beispiel einiger alter Sudanesen — der beste Soldatentypus -unter den Negern — bei meinen Leuten Nachahmung fand.</p> - -<p>Die Uniform und die Waffen machten aus den unscheinbaren Buschnegern in -wenigen Wochen brauchbare Soldaten. Jeder füllte seinen Platz in der -Linie aus, wenn es zum Gefecht kam, und oft hatte ich das Gefühl, daß -von dem Geist, der in den wenigen geschulten Soldaten meiner Truppe -steckte, ohne weiteres dabei etwas in diese Mitkämpfer überging. Das -Zutrauen, das in sie gesetzt wurde, machte sie stolz und hob ihre -Leistungen. Sie schossen schlecht; aber darauf kam es auch weniger an; -wir Europäer und einige der älteren Askari trafen genug. Die übrigen -verlängerten die Schützenlinie, stärkten durch Knallen den moralischen -Eindruck und griffen herzhaft zu, wenn es galt, Gefangene zu machen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_131"></a>[S. 131]</span></p> - -<p>Eines Morgens stand ich um vier Uhr auf, um auf dem Nordufer zu jagen.</p> - -<p>Früh aufstehen mochte der eine Boy gar nicht; er reichte mir beim -Anziehen alle Sachen verkehrt und schlief oft zu meinem Vergnügen -während der Arbeit wieder ein. So nießte er mich auch heute plötzlich -im Dunkeln an, bekam eine Backpfeife und entschuldigte sich wieder -damit, er sei eingeschlafen.</p> - -<div class="figcenter illowe23" id="pg131ill"> - <img class="w100" src="images/pg_131_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Wasserbock vom Rufiyi.</p></div> -</div> - -<p>Ich fuhr zwischen dunklen Ufern stromab. Der Vollmond stand noch am -Himmel; sein Licht glänzte auf den Blättern der hohen Borassuspalmen -und erzeugte einen grellen Lichtstreifen auf der Rundung des Bootes. -Bald kamen wir in den breiten Hauptstrom und durchquerten ihn.</p> - -<p>Der Nebel war so dicht, daß die Ufer nicht zu sehen waren. So kam es -auch, daß ich auf dem Nordufer ganz die Richtung<span class="pagenum"><a id="Seite_132"></a>[S. 132]</span> verlor und nicht -wußte, wohin ich geführt wurde; und das hatte einen besonderen Reiz.</p> - -<p>Wir gingen zwischen hohen Bananenstauden und durch ein schlafendes -Dorf. Ein Haus sah wie das andere aus; der Führer ging auf eine Tür -zu, auf die der Schatten des vorspringenden Daches fiel und klopfte: -„Hodi“! (anklopfen).</p> - -<p>Stimme von innen: „nani“ (wer)?</p> - -<p>Der Führer: „mi, Abdallah“ (ich).</p> - -<p>Dann wurde ein Stück Holz zur Seite gedrückt und die Tür geöffnet; ein -Mann kam heraus und reihte sich in die Marschkolonne ein. Er ging vor -mir, wickelte sich das Lendentuch fester und drückte die Oberarme dicht -an den Leib, weil es kalt war.</p> - -<p>Das starke Schilfgras an beiden Seiten des Weges war zum Teil -niedergebrannt.</p> - -<p>Neben uns im Flusse brüllten die Nilpferde, die schon von der Äsung in -ihr schützendes Element zurückgekehrt waren.</p> - -<p>Nach halbstündigem Marsche sagte der Führer: „Wir sind dicht bei der -Stelle, an der das Wild äst.“</p> - -<p>Der Nebel war noch so dicht, daß man, auch als es allmählich hell -wurde, nicht fünfzig Schritt weit sehen konnte.</p> - -<p>Gegen sechs Uhr ging ich langsam in das taufrische Gras hinein, das -zwischen daniederliegenden, trockenen Rohrstengeln als begehrte Weide -für das Wild emporsproß.</p> - -<p>Der Nebel wurde dünner und man konnte auf weitere Entfernungen sehen. -Da zeichnete sich in dem Dunst, wie vor einem weißen Tuch, die Gestalt -einer Antilope ab: ein Wasserbock ohne Hörner. Das Tier wurde flüchtig; -ihm folgten noch andere, die im Nebel nicht zu erkennen waren.</p> - -<p>Das Gehen in den niedergebrannten, durcheinander liegenden Rohrstengeln -wurde sehr beschwerlich, und war den nackten Füßen der Schwarzen eine -Qual.</p> - -<div class="sidenote">Jagd auf Wasserböcke.</div> - -<p>Kurze zeitlang war der Nebel vom Sonnenlicht durchtränkt, dann wurde -es plötzlich klar; vierhundert Schritt vor mir stand ein ganzes Rudel -Wasserböcke (von den Negern „Grungalla“ genannt). Sie ästen auf einer -weiten Grasfläche mit Termitenhügeln und einzelnen Baumgruppen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_133"></a>[S. 133]</span></p> - -<p>Fünf stolze Böcke mit hohen, sanft gekrümmten Hörnern waren dabei. -Sie hatten uns bemerkt, kamen, als wir uns beobachtend hinter einen -Termitenhügel versteckten, schrittweis näher und suchten einen Platz -zum Ausgucken. Deutlich zeichnete sich zwischen den Lusern das -ebenmäßig gebogene Gehörn in der klaren Morgenluft ab.</p> - -<p>Das Rudel zog nach links; ich kroch bis zu einem näher liegenden -Erdhügel vor und schoß auf etwa zweihundert Meter.</p> - -<div class="figcenter illowe36" id="pg133ill"> - <img class="w100" src="images/pg_133_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Neger vom Rufiyi haben ihre Waffen abgegeben und -Kriegssteuer gezahlt. Der Askari im Vordergrunde grüßt „durch -Stillstehen mit der Front nach dem Vorgesetzten“. Der Vorgesetzte bin -ich; ich stehe nämlich im Boot und photographiere im Vorbeifahren. -— Rechts ist ein Zaun zum Schutz gegen die Krokodile in das Wasser -hineingebaut. An Vorsicht gewöhnt, stehen alle Neger zwei Meter vom -Wasser entfernt.</p></div> -</div> - -<p>Das ganze Rudel wurde flüchtig, der getroffene Bock aber brach in der -Flucht zusammen.</p> - -<p>Ich setzte die Jagd fort, bis ich drei stattliche Böcke zur Strecke -hatte, ließ sie aufbrechen und folgte den übrigen Tieren noch einmal, -um zu beobachten.</p> - -<p>Sie waren in hohem Gras zwischen Mangobäumen stehen geblieben. Einige -hatten sich niedergetan; ein Schmaltier äste;<span class="pagenum"><a id="Seite_134"></a>[S. 134]</span> das Leittier sah nach -mir her und erkletterte einen hohen Erdhügel, auf dem es dann wie ein -Erzbild stand.</p> - -<p>Während ich mit dem Doppelglas die Ebene weithin absuchte, sah ich -zu nicht geringem Schrecken plötzlich eine lange Reihe Eingeborener -mit Gewehren, Mann hinter Mann durch das Schilf ziehen. Der Ombascha -beruhigte mich sogleich: Die Leute trugen weiße Hemden und nicht die -blauen Lendentücher der Aufständigen, sie hatten also keine bösen -Absichten und wollten nur ihre Flinten zur Boma bringen.</p> - -<p>An der Übersetzstelle holte ich sie ein. Sie kamen unter Führung -eines pflichteifrigen Jumben, der mir versicherte, daß nun in seinem -Machtbereich keiner mehr ein Gewehr habe.</p> - -<p>Außer Wasserböcken gab es in der Nähe der Boma: Gnus, Riedböcke, -Buschböcke, Hartebeeste, Zwergantilopen und Warzenschweine.</p> - -<p>Riedböcke — die dem Rehwild so ähnlich sind — waren besonders häufig. -Reizvoll waren Pürschgänge auf dem Südufer in der Richtung auf die -Berge, in dem sich die Feinde aufhielten. Nur wurden die Gänge dadurch -erschwert, daß man jedesmal eine kleine Streitmacht im Gefolge haben -mußte und sich von dieser nur in sehr offenem Terrain etwas absondern -durfte.</p> - -<div class="sidenote">Jagd auf Buschböcke.</div> - -<p>Da war ein beliebter Weg auf der Höhe eines Ausläufers der Berge mit -der Aussicht auf die Ebene, in der viele kleine, mit schwimmenden -Pflanzen ganz zugedeckte Teiche lagen. In diesen Teichen hielten sich -auch Flußpferde auf, und wenn sich die langen Rücken der Dickhäuter, -von Pflanzen wie mit einem Teppich bedeckt, durch das schlammige -Bassin schoben, saßen kleine, weiße Kuhreiher und braune Wasserhühner -obendrauf. Krokodile schien es hier nicht zu geben. Die Gebüsche rundum -zeigten ausgetretene Wechsel der Kiboko; ihnen folgend kam man an die -Stellen, wo die, überall nur vereinzelnd vorkommenden und deshalb bei -dem Jäger so beliebten Buschböcke gerne lagen. Diese schönen Antilopen -bevorzugen Gegenden mit ständigem Wasser. Zahlreich sind sie auch -in den Mangrovenwäldern im Mündungsdelta des Rufiyi, wo ich sie in -unmittelbarer Nähe menschlicher Woh<span class="pagenum"><a id="Seite_135"></a>[S. 135]</span>nungen antraf. Sie entfernen sich, -ebenso wie die Riedböcke, nicht weit von ihrem Schlafplatze, wenn sie -auf Äsung ziehen.</p> - -<p>Wenn der Buschbock im Schilf steht, kann er den Kopf so still halten, -daß die gewundenen, spitzen Hörner zwischen den vielen hochragenden, -spitzen und glänzenden Blättern gar nicht auffallen. Doch ist dies -nicht so wunderbar; denn die Antilopenhörner sind oft überhaupt schwer -zu erkennen und es gibt Lichtverhältnisse, bei denen sogar die großen, -halbmeterlangen Hörner eines freistehenden Wasserbockes auf dreißig -Schritt Entfernung übersehen werden; mir ist es wenigstens einmal -passiert, daß ich das Gehörn erst bei genauerem Hinsehen entdeckte, -weil die glatten Flächen der Hörner zu stark im Licht standen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg135ill"> - <img class="w100" src="images/pg_135_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ein Riedbock zur Strecke.</p> - -<p>Ich mußte in dieser Zeit stets eine Bedeckung von Askari mitnehmen, -wenn ich auf die Birsch ritt. — In den Morgenstunden trug ich eine -Mütze; wenn die Sonne höher stieg, nahm ich meinen großen Filzhut und -der Boy setzte sich meine Mütze auf. (Er hatte seine ‚kofia‘ darunter!)</p></div> -</div> - -<p>Eines Morgens sah ich auf dem genannten Wege zwei Stücke Wild hinter -einem Hügel verschwinden und sprach das eine als einen Bock an. Da -beide hintereinander standen, mußte ich<span class="pagenum"><a id="Seite_136"></a>[S. 136]</span> nach dem Kopf schießen, um -nicht die Ricke mit zu verletzen. Der Bock stürzte auf den Schuß, kam -wieder hoch und verschwand im Schilf; auf dem Anschuß aber lag ein -Stück der eigentümlichen Hautzapfen, wie sie die Wiederkäuer im Geäse -haben.</p> - -<p>Ich hatte den Bock also in den Unterkiefer geschossen und die -Weidmannspflicht gebot, alles zu tun, um ihn vor grausamem Hungertode -zu bewahren. Schnell wurden Ausguckposten auf Bäume und Hügel geschickt -und ein Treiben veranstaltet, da die Fährte in dem harten Boden -zwischen gebrannten und trockenen Rohrstengeln nicht zu finden war. Als -der Bock sich von beiden Seiten umstellt sah, blieb er stehen und wurde -von Treibern gesehen, die mich holten; so konnte ich ihm den Fangschuß -geben. Drei Stunden hatte dies sorgfältige Weidwerk gedauert; doch die -Befriedigung über den Erfolg lohnte jede Mühe.</p> - -<p>Mehr in den offenen Akazienwäldern hielten sich Gnus und Hartebeeste. -Das sind ausgesprochene Herdentiere; die dritten im Bunde sind -gewöhnlich Zebra; doch bekam ich sie erst später und weiter westlich am -Utungisee zu Gesicht.</p> - -<p>Die Gnus wurden in dieser Zeit in Herden gesehen, die nach -Geschlechtern getrennt waren. Es gingen zusammen: sechs Bullen und über -dreißig Kühe und Kälber.</p> - -<p>Zwischen die letzten Vorläufer der Berge und die eigentlichen, -steilansteigenden Höhen war ein langes, stilles Tal geschoben, dessen -Wasser mit dem Rufiyi in Verbindung stand. In der Trockenzeit waren an -beiden Seiten breite, völlig kahle Uferränder, über die das Wild gehen -mußte, wenn es aus dem hohen Uferwald zum Wasser kam.</p> - -<p>Unzählige Krokodile bewohnten das Gewässer, das malerisch zwischen -den Bergen lag. Flußpferde fühlten sich hier ganz sicher und durften -unbehelligt gelassen werden, weil sie auch in der Nähe keinen Schaden -anrichten konnten. In einem flachen Ausläufer des Sees sah ich Nilgänse -mit Jungen. Weiße Reiher, Pelikane, und Störche waren auch hier nur -in recht beschränkter Zahl; Flamingos habe ich am Rufiyi gar nicht -beobachtet.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg137ill"> - <img class="w100" src="images/pg_137_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Wasserbock.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_137_ill_gross.jpg" id="pg_137_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="sidenote">Baumwolle.</div> - -<p>Hinter dem See hatten Eingeborene Baumwollfelder angelegt, denen man -ansah, daß die Neger über die neue Kultur noch nicht<span class="pagenum"><a id="Seite_139"></a>[S. 139]</span> unterrichtet -waren: die Pflanzen waren sehr dicht aufgegangen und dann von den -Negern nicht gelichtet worden, so daß sie sich gegenseitig in die -Höhe trieben und keine Kapseln ansetzten. Ähnlich verfehlte Anlagen -gab es viele in den Bergen. An einigen Stellen standen die Stauden zu -dicht, an anderen fehlten sie ganz, und für Reinhaltung von Unkraut -war offenbar keine Hacke angerührt worden. Da mußten dann die Erträge -fehlen. Die Neger sahen nicht, was ihnen der Baumwollbau nutzen sollte -und so ist der Druck, den die Bezirksämter auf die Neger ausübten, um -sie zum Anbau von Baumwolle zu zwingen, eine der wenigen, sichtbaren -Ursachen des Aufstandes geworden.</p> - -<div class="figcenter illowe24" id="pg139ill"> - <img class="w100" src="images/pg_139_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Gehörn eines Gnubullen.</p></div> -</div> - -<p>Bevor private Unternehmer den Aufkauf, die Entkernung und den Versand -der Baumwolle in die Hand nahmen, wollte man diese Aufgabe den Kommunen -der Bezirke geben, um so den Anbau des wichtigen Ausfuhrartikels zu -fördern; die Jumben<span class="pagenum"><a id="Seite_140"></a>[S. 140]</span> wurden zum Bezirksamt gerufen, bekamen Saat -ausgehändigt und wurden angeleitet, wie sie zu pflanzen sei. Jedes Dorf -sollte eine gemeinsame Baumwollpflanzung unterhalten, und der Erlös der -Ernte auf die Arbeiter verteilt werden.</p> - -<p>Auch hierbei ließen sich die Dorfältesten zu Unterschlagungen -verleiten, und der Zwang, den sie auf die Arbeiter ausübten, wurde bei -dem geringen Erfolg doppelt mit Unwillen aufgenommen.</p> - -<div class="sidenote">Mein Vater.</div> - -<p>Eines Tages brachte die Post die frohe Nachricht, daß mein Vater in -Mohorro eingetroffen sei und versuchen wolle, zu mir zu kommen.</p> - -<p>Das war eine große Freude. Wenn es schon an sich merkwürdig genug war, -daß ich meinen Vater hier draußen sehen sollte, so gewann dies freudige -Ereignis noch Bedeutung durch die Umstände, unter denen das Wiedersehen -stattfinden sollte.</p> - -<p>Angeregt durch meine Schilderungen des Landes hatte er, der früher -schon in Amerika und Westindien wirtschaftliche Studien getrieben -hatte, sich entschlossen, Deutsch-Ostafrika selbst zu sehen, um als -Reichstagsabgeordneter ein eigenes Urteil über das Land zu bekommen. -Bei seiner Abreise aus Deutschland brach der Aufstand in der Kolonie -aus, und nun traf er mich mitten darin.</p> - -<p>Mir war es lieb, daß ich ihm das Feld meiner Tätigkeit zeigen und ihm -die Beruhigung mitgeben konnte, daß die Gefahren und Strapazen, an die -man daheim immer zuerst denkt, aus der Nähe gesehen, gar nicht so groß -sind.</p> - -<p>Der Ort Kipei, vier Stunden unterhalb meines Lagers, wurde als -Treffpunkt verabredet, und ich ging mit einer kleinen Askaribedeckung -dorthin.</p> - -<p>Als ich über ein abgemähtes Reisfeld ritt, sah ich meinen Vater von der -anderen Seite kommen; mit Tropenhelm, in einem Khakianzug und mit einer -Pistole an der Seite.</p> - -<p>Ich sprang aus dem Sattel und lief ihm entgegen.</p> - -<p>Herr John Booth, ein alter Afrikaner, hatte ihn hierher begleitet und -wartete in dem Zeltlager am Flusse auf uns.</p> - -<p>Zwei Tage blieben wir zusammen.</p> - -<p>Wir ritten den Fluß hinauf, besuchten die heißen Quellen<span class="pagenum"><a id="Seite_141"></a>[S. 141]</span> bei Utete, -die Plätze, an denen Gefechte gewesen waren und meine Boma in Mayenge.</p> - -<p>Was die Fruchtbarkeit des Landes betraf, so fand mein Vater seine -Erwartungen schon jetzt weit übertroffen. Er bestätigte, was oft -ausgesprochen worden ist, daß man trotz den vielen Schilderungen -immer wieder dazu neigt, Begriffe zu verallgemeinern; daß selbst der -Gebildete in Deutschland zu leicht irgendeine Nachricht aus Afrika -auf alle afrikanischen Kolonien bezieht, und die widersprechenden -Beobachtungen mit der Zeit einen gewissen Zweifel an den wirklichen -Aussichten des Landes aufkommen lassen. Da hilft dann nur persönliche -Anschauung.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg141ill"> - <img class="w100" src="images/pg_141_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ich hatte die große Freude, in der Aufstandszeit meinen -Vater zu sehen. Zwei Tage blieben wir zusammen, dann fuhr er stromab -zur Küste.</p></div> -</div> - -<p>Es ist falsch, zu sagen: „in Afrika“; denn Afrika ist groß und in -seinen Teilen zu verschieden. (Oder zu sagen: „der Neger“; gerade dies -hört man oft, und es ist noch viel verkehrter, als wenn jemand sagen -wollte: „der Europäer“.) Man kann die Landwirtschaft in Deutschland -auch nicht beurteilen, wenn man nur die Lüneburger Heide gesehen hat!</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_142"></a>[S. 142]</span></p> - -<p>Gegen Abend des Tages nach unserm Zusammentreffen fuhren wir gemeinsam -mehrere Stunden weit stromabwärts und waren noch eine Nacht unter einem -Zeltdach zusammen. Am nächsten Morgen mußte mein Vater abreisen; denn -der Gouvernementsdampfer erwartete ihn zu bestimmter Stunde in Salale, -an der Mündung des Rufiyi.</p> - -<p>Ich sah ihm noch lange nach, wie er im Boote stand und winkte, bis er -weit unten, hinter einer Biegung des Stromes meinen Blicken entzogen -wurde.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_11" href="#FNAnker_11" class="label">[11]</a> Drei Rupien = vier Mark.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_143"></a>[S. 143]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg143ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_143_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Schädel eines von mir erlegten, fast fünf Meter langen -Krokodils.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Krokodile_und_Flusspferde">Krokodile und Flußpferde.</h2> - -</div> - -<p>„Es hat auf der Erde eine Zeit gegeben, in der die Kriechtiere das -große Wort führten,“ schrieb Brehm im „Tierleben“ am Anfang des -Abschnitts über die Panzerechsen, und an diesen Satz wird erinnert, -wer gesehen hat, wie die letzten Vertreter dieser Tiere in gewissen -Gegenden Ostafrikas noch heute ein Wort mitsprechen. Die Eingeborenen -sind machtlos dem „Leviathan“ gegenüber, wie der Dichter des Alten -Testamentes das Nilkrokodil nennt, der auch von ihm sagt: „Wenn du -deine Hand an ihn legst, so gedenke, daß ein Streit sei, den du nicht -ausführen wirst.“ — Mit Pfeil und Bogen, mit Speer- und Steinwürfen -ist dem Ungeheuer, das durch eine starke Schuppenhaut geschützt wird, -allerdings nicht beizukommen. Wohl werden einzelne, von Eingeborenen -mit List und großer Mühe erlegt, in Fischnetzen zufällig gefangen oder -auch geangelt; doch die Vermehrung ist so stark, daß die Krokodile nur -in Gegenden, die der Europäer mit seinen guten, treffsicheren Waffen -auf längere Zeit besucht, ganz vernichtet werden. Dem Gewehrgeschoß -bietet kein Krokodilpanzer erfolgreich Widerstand; kleine Krokodile -kann man sogar mit dem Schrotgewehr schießen.</p> - -<p>Jeder Europäer, selbst wer nicht Jäger ist, beteiligt sich eifrig an -dem Vernichtungskrieg, und auch ich habe, nachdem ich die grauenhafte -Gefahr, von Krokodilen gepackt und ersäuft zu<span class="pagenum"><a id="Seite_144"></a>[S. 144]</span> werden, selbst in -der Nähe gesehen habe, eine Ehre darin gesucht, möglichst viele der -schädlichen Räuber auf die Schußliste setzen zu können. Meine ganze -Bleispitzenmunition widmete ich dem Schießsport auf Krokodile, und tat -es gern, weil unzuverlässige Patronen darunter waren, die Versager -gaben, und deshalb zu anderen Zwecken nicht verwandt werden konnten. -Die 11/12-Mantelgeschosse mit Bleispitze rissen sehr stark und waren -deshalb wirksamer als Vollmantelgeschosse.</p> - -<div class="sidenote">Dreihundert Krokodile.</div> - -<p>Nahezu dreihundert Krokodile rühme ich mich während des Aufenthalts in -Ostafrika ums Leben gebracht zu haben. Es ist das einzige Wild, bei dem -man die große Zahl der erlegten Tiere als Erfolg angeben darf, während -die Afrikaner einem durchaus nicht Bewunderung zollen und noch weniger -erfreut sind, wenn man sagt, man habe z. B. so und soviel Kuhantilopen -geschossen. Das Streben des passionierten Jägers geht in Afrika nicht -dahin, sich einer großen Strecke rühmen zu können, sondern eine -möglichst vielseitige Ausbeute zu haben und Erlebnisse auf alle Arten -Hochwild zu suchen. Große Strecken kommen aber doch vor, und reiche -Ausbeute an Trophäen läßt sich oft auf die besonderen Umstände bei -längeren Expeditionen zurückführen, wo Wild zur Verpflegung der Träger -und Soldaten geschossen werden mußte, ist also durchaus nicht immer zu -verurteilen.</p> - -<p>Im Gegensatz dazu erfreut bei Krokodilen die hohe Zahl der vernichteten -Tiere, und Rekorde sind im Interesse der Menschen erwünscht.</p> - -<p>Es soll über zwanzig verschiedene Arten von Krokodilen geben; in -Ostafrika haben wir es allein mit dem Nilkrokodil zu tun. Dies -bevorzugt Süßwasserseen und Flüsse, kommt nur ausnahmsweise in das -Salzwasser des Meeres und ist daher in den Buchten der Küste nur zu -finden, wo Flüsse einmünden.</p> - -<p>Selbst an der Fähre, die den großen Verkehr auf der Karawanenstraße -über den Kingani vermittelt, kommen häufig Unglücksfälle durch -Krokodile vor, trotzdem hier schon unzählige Europäer den Tieren -nachgestellt haben.</p> - -<p>Große Krokodile sind an der Küste jedoch schon selten, und in den -Mündungen des Kingani, des Sigi und Rufiyi habe<span class="pagenum"><a id="Seite_145"></a>[S. 145]</span> ich nur kleinere -geschossen. Das Vorkommen eines besonders starken Ungetüms regt stets -die Jagdlust der nahen Europäer an; denn ein großer Krokodilkopf -mit fingerlangen, weißen Zähnen ist eine originelle, leicht zu -konservierende Trophäe.</p> - -<p>Im Aufstand, bei tagelangen Märschen an Flußufern, an Seen und Tümpeln -entlang, sind mir unzählige Krokodile zu Gesicht gekommen; sieben -Menschen sind in meiner nächsten Nähe von Krokodilen geraubt worden. -Nicht von jedem Fall erfährt man; die Neger sind abstoßend gleichgültig -gegen geschehenes Unglück. Ein Schutztruppenoffizier erzählte folgendes -Erlebnis: Als seine Trägerkarawane durch einen Fluß hindurchging, -wurde ein Mann mitten aus der Reihe von einem Krokodil erfaßt und -fortgeschleppt; die anderen Träger gingen ruhig weiter, als ob nichts -geschehen sei. Der Offizier fragte einen der Neger darüber. Antwort: -„Ja mir passiert nichts, ich habe eine gute „<span class="antiqua">dawa</span>“.“<a id="FNAnker_12" href="#Fussnote_12" class="fnanchor">[12]</a> „Der -andere hatte aber doch auch Medizin?“ „Die wird wohl nichts getaugt -haben, meine aber ist gut!“</p> - -<p>Von den Ägyptern wissen wir, daß sie die Krokodile einbalsamierten, -ihnen also eine gewisse göttliche Verehrung zukommen ließen. Allerdings -vermutet man, daß sie die Bestien erst selbst töteten und ihnen dann, -gewissermaßen zur Versöhnung, die Totenehren erwiesen. Bei den Negern -waren die Krokodile gefürchtet aber nicht verehrt. An einer Hütte -sah ich über der<span class="pagenum"><a id="Seite_146"></a>[S. 146]</span> Tür ein rohes Relief, aus dem Lehm des Wandbewurfs -herausgeformt: die Gestalt eines Krokodils darstellend; niemand aber -wußte, ob es mehr sein sollte, als ein launiges Kunstwerk, das jemand -in einer Mußestunde zurecht geknetet hatte.</p> - -<p>Obwohl jederzeit Menschen am Rufiyi durch Krokodile geraubt werden -können, ohne daß jemand davon erfährt, schieben die Anwohner des -Flusses das rätselhafte Verschwinden eines Menschen einer Schlange zu, -die im Flusse leben soll, die aber immer ein anderer gesehen haben -soll, nie der Vertrauensmann, den man gerade fragt.</p> - -<p>Wenn die Neger an ein solches Tier glauben, zeigen sie offenbar ein -Bedürfnis, die Phantasie zu befriedigen.</p> - -<p>Der große Wels, der sich tief in den Schlamm verkriecht, und das -unheimliche Krokodil genügen meiner Phantasie allerdings durchaus; denn -es sind groteske Tiere, und offenbar werfen die Neger die Eigenschaften -dieser beiden Flußbewohner zusammen, wenn sie von der ‚Hongo‘ sprechen.</p> - -<div class="sidenote">Krokodile.</div> - -<p>Als ich, aus Mangel an Streitkräften zu tatenlosem Warten genötigt, -wochenlang in meiner Boma bei Mayenge saß, hatte ich reichlich -Gelegenheit, Krokodile zu beobachten und zu erlegen. Obwohl -fast täglich vom Pallisadenzaun des Lagers aus nach den Tieren -geschossen wurde, lagen immer wieder welche da, angelockt durch die -Kadaver ihrer Brüder, die ihnen als Nahrung willkommen waren. Die -geschossenen Krokodile trieben nicht etwa — wie man das oft in -Reisebeschreibungen ausgesprochen findet — weit in dem Strom fort, -sondern erschienen, ebenso wie andere Kadaver, nach einigen Stunden, -an der Oberfläche und wurden dann, meist nicht weit von der Stelle, -an der sie geschossen waren, nahe am Ufer mit abgefressenen Füßen -gefunden. Wahrscheinlich hatten andere Krokodile sie beim Fressen -dort hingeschoben. Auch angeschossene sind durch die Gefräßigkeit -ihrer Brüder dem Tode geweiht. Ich habe gesehen, wie ein Krokodil, -das durch einen Bauchschuß verwundet war, wild im Wasser umhertobte, -während andere von verschiedenen Seiten herzuschwammen und es, gewiß -nicht bloß aus Neugierde, verfolgten. Der Geruchsinn soll schlecht -sein; dagegen scheint die Tatsache zu<span class="pagenum"><a id="Seite_147"></a>[S. 147]</span> sprechen, daß die Krokodile -sofort herbeischwimmen, wenn ein Flußpferd verwundet wird, von gesunden -Tieren aber gar keine Notiz nehmen. Ich schoß einmal auf ein Flußpferd -und wußte nicht, ob ich getroffen hatte, weil ich ziemlich hoch über -den Fluß stand und das Geschoß ebensogut in das Wasser eingedrungen -sein konnte — während Geschosse, die aus flachem Winkel fehl gehen, -gewöhnlich vom Wasserspiegel absetzen und pfeifend in die Luft -weiterfliegen. — Da sagte ein Neger: „Du hast getroffen, riechst -du es nicht?“ In der Tat nahm ich, da wir halb unter Wind standen, -deutlich einen süßen Geruch wahr, den die Haut des toten Flußpferdes -ausdünstete. Kurz darauf erschienen zwei große Krokodile und schwammen -gegen Strom und Wind auf die Schußstelle los. Ob sie nur ihrem Gehör -gefolgt waren und vielleicht unter Wasser von dem Todeskampf Laute -vernommen hatten, die uns oben ganz entgangen waren? Es ist kaum -anzunehmen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg147ill"> - <img class="w100" src="images/pg_147_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Krokodile ruhen gerne auf den Uferböschungen dicht -am Flusse. Oft habe ich sie quer über den Strom hin geschossen, oft -auch in dichtem Schilf bis auf wenige Schritte angepirscht.</p></div> -</div> - -<p>Auf der Stelle tödlich sind beim Krokodil nur Kopf- und Herzschüsse; -jedoch lähmen auch alle Schüsse, die die Wirbelsäule treffen, das Tier -so, daß es nicht mehr weiter kann.</p> - -<p>Es gehört ein guter Schütze dazu, die kleine Hirnschale zu<span class="pagenum"><a id="Seite_148"></a>[S. 148]</span> treffen, -die wie ein treibendes Stück Borke auf dem Wasser erscheint. Liegt -die lange Panzerechse aber breit auf dem trockenen Ufer, so ist sie, -wenigstens in der Horizontalen, kaum zu verfehlen und es kommt nur -darauf an, für das niedrige Ziel die Entfernung genau zu schätzen und -dann in der Vertikalen ganz sorgfältig abzukommen. Solche Treffer, auf -zwei bis dreihundert Meter aus Anschlag im Liegen über den Strom hin, -haben mich oft erfreut; das Krokodil zeichnet, wenn es getroffen wird, -jedesmal, indem es mit dem geöffneten Rachen schnell um sich haut, und -darf in der Schußliste notiert werden, auch wenn es noch die gelbe Flut -erreicht. Manchmal sieht man den Schwanz eines geschossenen Krokodils -beim Näherkommen noch halb am Strand; das Tier gleitet aber bald in -die Tiefe und ist wahrscheinlich tot. Aber wer wagt es, den Zackenkamm -anzufassen auf die Gefahr hin, im nächsten Moment mit einem Biß belohnt -zu werden; denn die Echse ist sehr wohl imstande, nach der eigenen -Schwanzspitze zu beißen. — — — — — — — — — — — — — — — -— — — — — — — — — — — — — —</p> - -<p>Es war in der Trockenzeit im Monat September und der Strom hatte seinen -niedrigsten Wasserstand.</p> - -<p>Zu beiden Seiten sah man hohe Uferböschungen, von denen das Wasser -unaufhörlich Erde abbröckelte, um sie mit sich zu führen und weiter -unten wieder abzusetzen. Ältere Sandbänke lagen jetzt trocken und -boten, weit in den Strom vorgeschoben, den Krokodilen willkommenen -Platz zum Mittagsschlaf.</p> - -<div class="sidenote">Ansitz im Schilf.</div> - -<p>Auf einer solchen Sandbank stand dichtes, hohes Schilfrohr und der -Fluß machte gerade vor dem in sich angeschlossenen Rohrgebüsch eine -Biegung, so daß es möglich war, sich mit dem Boote lautlos treibend zu -nähern, ohne von der anderen Seite gesehen zu werden. Hier hatte ich -aus Sand und Rohrstengeln eine Hütte gebaut, und einen Gang durch das -Rohr geschlagen, um unbemerkt hineinzukriechen. Der Platz war besonders -geeignet, Krokodile, Flußpferde und Wasservögel zu beobachten.</p> - -<p>Gegen die Sonne durch ein Flechtwerk geschützt, lag ich oft stundenlang -und sah den Tieren zu, die gar nicht merkten, wenn ich von hinten -vorsichtig in meine Hütte kroch.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_149"></a>[S. 149]</span></p> - -<p>An einem stillen, feierlichen Tage war ich gegen zehn Uhr vormittags -auf meinem Posten. Kein Wölkchen stand am Himmel und der Wind, der -frühmorgens aus Westen wehte, war allmählich eingeschlafen.</p> - -<p>Zwei kleine Krokodile liegen auf Wurfweite vor mir; mit dem Doppelglas -kann ich jede Falte ihrer Haut sehen und sogar die länglichen -Augensterne erkennen. Die Tiere liegen ganz auf dem Trockenen; -plötzlich erscheint auf etwa zwanzig Schritt die flache Oberfläche -eines Krokodilkopfes, in langsamer Bewegung sich dem Ufer nähernd; -dahinter taucht der zackige Kamm des langen Schwanzes auf. Vorsichtig -bleibt das Tier, bewegungslos dicht am Ufer liegen und hebt sich erst -nach geraumer Zeit, langsam aus dem Wasser; beschreibt auf dem Sand -einen Halbkreis, läßt sich plötzlich schwer auf den Bauch fallen und -sperrt den Rachen weit auf. Da es sich in der Drehung von mir ab und -wieder dem Wasser zugewandt hat, kann ich nur einen Teil des Kopfes -sehen.</p> - -<p>Stunden vergehen. Über die Sandbank kommen Nilgänse, die an einer -Lagune zur Äsung waren; graue Fischreiher, fleischfarbene Pelikane und -weiße Löffler fallen weiter unten ein; dazu setzen sich gelbschnäblige -Störche.</p> - -<p>In meine Nähe scheint nichts mehr zu kommen; da ziele ich denn in aller -Ruhe auf den dicken Wanst des Drachenviehs, das in seinem bronzegrünen, -schwarz gefleckten Panzerkleide dicht vor mir liegt. Von hinten, etwas -seitlich soll ihm mein Geschoß in den Brustkorb dringen und das Herz -treffen — — — Rrumms!</p> - -<p>Blitzschnell fährt es mit dem Kopf vorne hoch und reißt den Rachen, der -von spitzen, weißen Zähnen starrt, weit auf, sinkt in sich zusammen, -klappt noch zweimal laut mit den Kiefern und verendet.</p> - -<p>Die beiden anderen Krokodile waren auf den Schuß in das Wasser gestürzt -und die Vögel hatten sich in die Luft gehoben.</p> - -<p>Der Drache ist tot und ich kann ihn in Ruhe betrachten.</p> - -<p>Die Farbe seiner Haut ist nur oben und an den Seiten dunkel, die -Bauchseite zeigt ein feines Elfenbeinweiß. Der Rumpf ist langgestreckt, -der Schwanz seitlich als Ruder zusammengedrückt.<span class="pagenum"><a id="Seite_150"></a>[S. 150]</span> Auf ihm laufen zwei -Kammreihen entlang, die sich am Ende zu einer vereinen.</p> - -<p>Die Füße stehen nach den Seiten weg. Sie haben vorne fünf, hinten -vier Zehen, die durch Schwimmhäute verbunden sind und Krallennägel -tragen. Das kleine, grüne Auge wird durch drei Lider geschützt; die -Ohröffnungen können durch klappenartige Hautfalten, die Nasenlöcher, -die vorne im Oberkiefer liegen, durch Aneinanderdrücken ihrer wulstigen -Ränder geschlossen werden, wenn das Tier untertaucht.</p> - -<p>Da die Gefährlichkeit der Krokodile sehr verschieden ist, kommt es -immer wieder vor, daß leichtsinnige Menschen verunglücken; wenn alle -Krokodile gefürchtet würden, wäre das nicht der Fall.</p> - -<p>Da die Hauptnahrung der Tiere in Fischen besteht, gibt es Gewässer, -in denen die Krokodile ungefährlich sind, weil sie reichlich -Nahrung haben. Man sagt, daß sich in allen Gegenden, die von der -Kultur unberührt bleiben, der Bestand an Krokodilen und Fischen das -Gleichgewicht halten. Wenn nämlich die Raubtiere überhand nehmen, -beginnen sie sich bald, aus Mangel an Nahrung und der lästigen -Konkurrenz halber, gegenseitig aufzufressen und dann bekommen die -Fische wieder freiere Bahn. Auf Tiere, Wasservögel oder gar Menschen, -die zur Tränke kommen, sind die Krokodile demnach nicht angewiesen; -doch mag ihnen der Fischfang in manchen Gegenden so schwer fallen, -daß sie gerne jedem anderen Bissen auflauern, während sie an anderen -Plätzen mehr gesättigt sind.</p> - -<p>Die Eingeborenen kennen meist die Krokodile in ihrer Nähe recht genau -und wissen auch einige Plätze, an denen sie getrost baden können. -Selten raubt das Krokodil aus flachem Wasser; denn seine Methode ist, -das Opfer mit dem Schwanz ins Wasser zu schlagen, zu packen und zu -ersäufen. Dazu ist ihm flaches Wasser nicht günstig. Während die Neger -da recht sorglos sind — vielleicht auch, weil das Herannahen eines -Krokodils leichter zu bemerken ist — vermeiden sie es, an tiefes -Wasser hinanzugehen und warnten mich jedesmal, wenn ich es tat.</p> - -<p>In manchen Gegenden sind die Wasserschöpfstellen an steileren<span class="pagenum"><a id="Seite_151"></a>[S. 151]</span> Ufern -durch Zäune geschützt, die in das Wasser hinein gehen, oder die Weiber -schöpfen vom hohen Ufer aus mit Kalebassen, die an langen Stangen -befestigt sind.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg151ill"> - <img class="w100" src="images/pg_151_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Trotz den Krokodilen sprangen die Neger über Bord, als -das Wasser flacher wurde und zogen das Flußpferd an eine Sandbank. — -Am Boot steht meine Büchse, ein Militärgewehr, dessen Holzbekleidung im -Gefecht bei Utete durch einen Schuß zersplittert worden war und das ich -mir dann zu einem leichten, handlichen Gewehr zurechtgestutzt hatte.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Flußpferde photographiert.</div> - -<p>Einmal führte mich mein Weg durch das Jagdschonrevier des -Kissakibezirks, und ich traf, wo der Mrokafluß in den Rufiyi mündet, im -Morgennebel drei Flußpferde, die in dem sumpfigen Uferrande ruhten. Ich -nahm die Kamera und ging, von Schilfstauden gedeckt, vorsichtig näher.</p> - -<p>Der Boden war so weich, daß ich bis an die Knie einsank. Ich zog die -Kassette auf, machte die Kamera fertig und trat dann plötzlich hinter -dem Schilf hervor, so daß ich auf etwa fünfzig Schritt ganz frei vor -den Tieren stand.</p> - -<p id="Flusspferdbulle">Ein alter Flußpferdbulle mit plumpem, schwerem Kopf<span class="pagenum"><a id="Seite_152"></a>[S. 152]</span> richtete sich mit -der Vorderhand auf und sah nach mir her, als ich die erste Aufnahme -machte. (<a href="#pg155ill">Bild Seite 155.</a>)</p> - -<p>Während ich die Kassette umdrehte und die Kamera zum zweiten Male hob, -wurde er nach dem tieferen Wasser hin flüchtig. Auch die übrigen Tiere -erhoben sich jetzt jäh aus ihrem Schlafe, und waren in wenigen Sekunden -unter dem Wasserspiegel verschwunden.</p> - -<p>Die Jagd auf Flußpferde ist da uninteressant, wo die Tiere in großer -Zahl und vertraut angetroffen werden; denn an solchen Stellen kann ein -sicherer Schütze Dutzende in kurzer Zeit schießen. Das ist keine Jagd.</p> - -<p>Dagegen kann man von Jägerfreuden sprechen, wenn sich jemand mit vieler -Zeit und Mühe aus einer großen Herde den größten Bullen heraussucht -und ihn zur Strecke bringt; denn ein starker Flußpferdschädel mit hoch -aus dem Unterkiefer herausragenden, gebräunten Zähnen, ist eine schöne -Trophäe. Sie gewinnt dadurch, daß man erzählen kann, man habe außerdem -kein Stück der Herde angeschossen!</p> - -<div class="sidenote">Flußpferdjagd.</div> - -<p>Großen Reiz hat es auch, in versteckten Teichen nahe der Küste den -dort sehr seltenen und ungewöhnlich vorsichtigen, vielleicht sogar -gefährlichen Flußpferden nachzustellen.</p> - -<p>Nicht gerne aber denke ich an zwei Schießereien zurück, zu denen ich -mich hergab, weil der Schaden, den die Flußpferde der Landwirtschaft -zufügten, die Neger zu berechtigten Klagen veranlaßten: Das auf -Flußpferde stehende Schußgeld von 26 Mark für jedes erlegte Tier war -gerade aufgehoben worden, weil die Dickhäuter in manchen Gegenden -derart überhand genommen hatten, daß sie eingeschränkt werden mußten.</p> - -<p>Aus einer Landschaft besonders kamen immer wieder Klagen der Neger, die -Kibokos schliefen im Wasser neben den Feldern und trampelten nachts auf -Äsung in den Saaten umher, so daß kein Halm stehen bleibe.</p> - -<p>Ich erlaubte deshalb dem Sergeanten, die Tiere abzuschießen. Er kam -zurück mit der Meldung, er habe beinahe zwanzig Stück in drei Stunden -zur Strecke gebracht. Am nächsten Tage brachten die Eingeborenen, froh -über dies Resultat, die abge<span class="pagenum"><a id="Seite_153"></a>[S. 153]</span>schnittenen Schädel, große und kleine, die -im Ufersande des Flusses vergraben wurden, damit die Zähne lose würden.</p> - -<p>Anfangs glaubte ich, der Sergeant habe allzusehr unter den Tieren -aufgeräumt; denn acht Tage später kam ich an den Ort der Tat vorbei und -sah die vielen, großen Kadaver auf den Sandbänken liegen. Viele Hundert -Geier und Marabus standen dabei, und im Wasser schwammen unzählige -Krokodile. Lebende Flußpferde aber waren nicht mehr zu sehen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg153ill"> - <img class="w100" src="images/pg_153_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ein erlegtes Flußpferd wird ans Ufer gewälzt.</p></div> -</div> - -<p>Drei Monate später — ich hatte in der Zwischenzeit kein einziges -Flußpferd schießen lassen — kam ich wieder an der Stelle vorbei -und traf zu meinem Erstaunen in der Nähe eines großen Dorfes drei -Flußpferdherden von zusammen etwa achtzig Köpfen. Die Neger waren -geradezu machtlos gegen diese Tiere und sagten, sie müßten auswandern, -wenn ich ihnen nicht helfen könnte. Darum entschloß ich mich, mit -Unteroffizier Lauer zusammen einige starke Bullen aus einer der Herden -abzuschießen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_154"></a>[S. 154]</span></p> - -<p>Wir wählten zwei geeignete Plätze auf der hohen, sandigen Uferböschung -und legten uns in Anschlag.</p> - -<p>Die Herde mußte, wenn sie stromauf entweichen wollte, an mir, stromab -an dem Unteroffizier vorbei und über flachere Stellen hinweg, was die -Flußpferde vermeiden, wenn Gefahr ist.</p> - -<p>Weinrot und glänzend erschienen die Körper der plumpen Dickhäuter, wenn -sie auftauchten.</p> - -<p>Wir hatten beide große Übung im Schießen und schossen nur nach dem -Gehirn. So brachten die ersten vier Schüsse vier Nilpferde zur Strecke, -die auf der Stelle tot waren. Dann bekam die Sache als Schießsport -einen gewissen Reiz; denn die Tiere steckten, vorsichtig gemacht, die -Köpfe nur auf Sekunden aus dem schützenden Naß, um fauchend Luft zu -schnappen und sich umzusehen. Da mußte das Ziel schnell erfaßt und -sofort geschossen werden, was um so schwerer war, als wir nur starke -Tiere schießen wollten und jedesmal die Frage erst beantworten mußten: -ist es ein großer Kopf? Und dann war er bereits wieder auf Minuten -verschwunden. Trotzdem hatten wir in kurzer Zeit acht starke Nilpferde -getötet. Ein angeschossenes Stück, das aus der Nase schweißte, machte -es uns recht schwer, weil es zwischen den gesunden auftauchte; als -wir auch dies zur Strecke hatten, hörten wir auf. Kein anderes Tier -war angeschossen! Wenn es auch kein Jagderfolg war, der Freude machen -konnte, war es jedenfalls ein Schießresultat, mit dem wir uns hätten -sehen lassen können.</p> - -<p>Jetzt schickten wir Boten in die umliegenden Dörfer, und es kamen an -dreihundert Eingeborene mit Beilen, Messern und Stricken. Einbäume -wurden herbeigeschafft, und die erlegten Tiere mit vereinten Kräften -auf die Sandbänke gezogen. Auf den Lärm hin verließen einige der -überlebenden Dickhäuter das Schlachtfeld und rannten über die Sandbänke -in entferntere Wasserbecken.</p> - -<p>Wo sie durch flaches Wasser hindurchliefen, spritzte es mit Getöse nach -den Seiten.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg155ill"> - <img class="w100" src="images/pg_155_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>„Ein alter Flußpferdbulle richtete sich auf und sah -herüber, als ich hinter dem Schilf hervortrat.“ (<a href="#Flusspferdbulle">Seite 152.</a>)</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_155_ill_gross.jpg" id="pg_155_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="sidenote">Nutzen des Flußpferds.</div> - -<p>Leider konnten wir von der Beute nichts verwerten als die Zähne; -die Eingeborenen in der Gegend aßen das Fleisch nicht, während -andere Negerstämme sich darum reißen. Die Schwarte<span class="pagenum"><a id="Seite_157"></a>[S. 157]</span> war so rissig -und durchlöchert, daß ich kaum ein gutes Stück fand, aus dem ich -Peitschen schneiden konnte. Die Decken der Tiere waren daher für uns -wertlos; auch die Händler hatten uns geantwortet, sie kauften keine -Flußpferdhaut. (Wie verschieden übrigens die Verhältnisse oft sind, -lehrt folgendes Beispiel: Die Inder in Mohorro kauften Wildhäute -zu bestimmten Marktpreisen nach Gewicht. Sie nahmen gern Felle von -Antilopen, Gnus und Schweinen, wollten mir aber mein Büffelfell -nicht abkaufen und nahmen keine Flußpferdhaut. Das hatte ich in -Erinnerung, als ich später am Kilimandscharo zwei Büffel schoß; und -ich verschenkte die Häute an meine Träger. Kurz darauf wurde ich -in Moshi nach den Fellen gefragt und erfuhr, daß sie dort ein ganz -besonders gut bezahlter und sehr gesuchter Artikel seien. Dagegen -wurden Antilopenhäute dort sehr schlecht bezahlt. Ähnlich ging es -mit Nilpferdhaut; am Rufiyi nahm sie der Händler nicht geschenkt; in -Daressalam und Sansibar boten die Inder hohen Preis. Das wußte ich -nicht, als wir die vielen Tiere schossen und so mußte das wertvolle -Material ungenutzt verfaulen.)</p> - -<p>Es war auch ein Mangel an Erfahrung dabei, wenn ich glaubte, man könne -die Tiere nicht nutzen. Das habe ich später bei den Buren gesehen -und aus den Erzählungen südafrikanischer Jäger gelernt. Einer, der -die Jagd berufsmäßig ausübte, hätte vielleicht großen Gewinn daraus -gezogen, wenn er das Fell präparierte, die Knochen klein stampfte -zu Düngungszwecken und Leimfabrikation, das Fett zu Seife einkochte -und das Fleisch als Hühner- und Hundefutter trocknete. Ein feistes -Flußpferd liefert etwa achtzig Pfund Fett, das sehr gut schmeckt und -sich in den Tropen zum Braten besser eignet als irgend ein anderes -Fett. Die Buren räucherten sogar Speckseiten von Flußpferden.</p> - -<p>Das Flußpferd hat überhaupt viel Ähnlichkeit mit dem Schwein — bei -den Ägyptern hieß es „Flußschwein“. — Sein Fleisch kann ich als -schmackhaft bezeichnen, wenngleich ich alle Fleischsorten, die ich -probierte, vom Elefanten bis zum Steppenhasen, bei der völligen -Unkenntnis meines Kochs, gleich schlecht zubereitet bekam.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_158"></a>[S. 158]</span></p> - -<p>Wenn der Abschuß großer Flußpferdherden noch irgendwo notwendig -wird, sollte man ihn Jägern überlassen, die damit Geld verdienen und -Nutzen aus den Tieren ziehen können. Insofern bedaure ich, daß wir -dort eingegriffen haben. Uns brachte es jedoch in gewisser Beziehung -auch einigen Nutzen: Die Eingeborenen sahen die Wirkung unserer -Waffen, waren dankbar für die Vernichtung der Tiere im Interesse der -Landwirtschaft, und dachten nicht mehr daran, auszuwandern.</p> - -<p>Es war ärgerlich, daß die Neger kein Flußpferdfleisch essen wollten. -Vor zwanzig Jahren nämlich sollen sie es noch gerne gegessen haben. -Ihr Vorurteil kommt von den Mohammedanern; die essen kein Fleisch von -Tieren, denen nicht die Gurgel abgeschnitten wird, solange sie noch -leben. Wahrscheinlich weil eine solche Handlung bei den Dickhäutern -nicht auszuführen ist, verzichten die mohammedanischen Neger auf das -Fleisch.</p> - -<p>Wenn ich auch sonst jede Äußerung religiösen Empfindens beim Neger -achtete, habe ich diese Angewohnheit lächerlich gemacht, wo ich immer -Gelegenheit dazu hatte.</p> - -<p>Den armen Negern wird mit solch einem Vorurteil kein Gefallen getan, -und der Weiße kann in große Verlegenheit kommen, wenn er nichts Anderes -als Flußpferd hat, um seine Arbeiter zu verpflegen.</p> - -<p>Wenn schon der Islam nicht die Religion ist, die diese Neger brauchen, -ist überhaupt kein Grund, auf religiöse Gebräuche Rücksicht zu -nehmen, die den kulturellen Aufgaben des Europäers geradezu entgegen -sind. (Menschenfresserei dulden wir nicht; auch wenn sie aus tiefer -Religiösität entspringt; den Massai zeigen wir, daß wir nicht -einverstanden sind, wenn sie Vieh rauben, weil ihre Religion sagt, -alles Vieh gehöre eigentlich den Massai.)</p> - -<p>Es ist auch ein Jammer, daß die Küstenneger, seit sie sich Mohammedaner -nennen, Schweinefleisch verschmähen; gerade die ärgsten Feinde ihrer -Pflanzungen, die so sehr zahlreichen Warzenschweine und Wildschweine -werden von ihnen nicht gegessen und sie stellen ihnen nur aus Gründen -der Abwehr nach.<span class="pagenum"><a id="Seite_159"></a>[S. 159]</span> Und was das schlimmste ist: Selbst in Zeiten der -Hungersnot überwinden sie den eingebildeten Ekel nicht und verhungern -lieber, als daß sie Schweinefleisch anrühren! Gier und Gefräßigkeit -kann man diesen Negern also nicht ohne Einschränkung nachsagen.</p> - -<p>Die Erklärung für dies Verhalten liegt in folgendem: Es gilt als fein, -Suaheli zu sein, und dazu gehört die Nachahmung mohammedanischer -Gebräuche. Mancher Neger würde ohne Zögern Schweinefleisch essen, wenn -er mit dem Europäer allein wäre. Aber in Gegenwart anderer mag er sich -nichts vergeben. So kommt es, daß die Anwesenheit einer vornehm tuenden -Clique von „Suahelinegern“ in einer Expedition ansteckend auf alle -übrigen Neger wirkt. Wer die Gebräuche nicht mitmacht, wird „Schenzi“ -genannt und hört so oft die Bemerkung: „er frißt ja Schweinefleisch“, -bis er es auch läßt.</p> - -<p>Merkwürdig ist, daß dem Neger das Vorbild des Europäers, der doch -Schweinefleisch ißt, gar nichts gilt.</p> - -<div class="sidenote">Der Schächtschnitt.</div> - -<p>Ein anderes Vorurteil, das der Neger sehr zu seinem Schaden von dem -„Suaheli“ angenommen hat, ist, daß er nur Fleisch von Tieren ißt, -denen die Kehle durchgeschnitten wurde. Bei Haustieren ist das einfach -durchzuführen; bei Wild sehr schwer. Und das Schächten des Wildes ist -ein Brauch, den der deutsche Jäger nicht erlauben sollte.</p> - -<p>Es geschieht nämlich auf folgende Art: Sowie ein Stück Wild vom Schuß -fällt, stürzen die Schwarzen mit ihren Messern darauf los, biegen ihm -den Kopf zurück und schneiden die Kehle durch. Der Anblick des so -zugerichteten Tieres ist häßlich; der Kopf hängt nur noch lose am Hals -und aus den geöffneten Halsschlagadern spritzt in hohem Strahl der -Schweiß hervor, weil das Herz noch in Tätigkeit ist.</p> - -<p>Jeder erfahrene Jäger weiß, daß es falsch ist, auf ein Stück Wild, das -vom Schuß fällt, sofort darauf loszugehen; denn oft kommt das Wild dann -in seiner Angst wieder hoch, wird weit flüchtig und kann dem Jäger -sogar verloren gehen. In anderen Fällen wird es dem Schützen durch das -Aufspringen der Leute unmöglich gemacht, ein zweites Stück des Rudels -zu schießen.<span class="pagenum"><a id="Seite_160"></a>[S. 160]</span> Wer etwas von Jagd versteht, sollte deshalb gegen den -Gebrauch ankämpfen.</p> - -<p>Es muß den Negern verboten sein, aufzuspringen, und die Jagdbegleiter -sind streng anzuhalten, im Grase liegen zu bleiben. Der erste, der an -das Wild hinantritt, ist der Schütze; mit fertigem Gewehr: andernfalls -kann ihm die Gelegenheit zu einem Fangschuß entgehen, durch den er das -Stück bestimmt in seinen Besitz bekommt.</p> - -<p>Der Sinn des Schächtens ist: „Das Fleisch soll ausbluten“, und wer -jedesmal fragt, ob es geschlachtet ist? glaubt damit die Sicherheit -zu haben, daß er nie Fleisch von gefallenen Tieren bekommt. Die Neger -aber machen eine geistlose Handlung daraus, denn sie schneiden einer -Antilope auch noch den Hals durch, wenn sie vierundzwanzig Stunden nach -dem Schuß gefunden wird.</p> - -<p>Schon daraus sieht man, daß man die Neger in solchen Gebräuchen oft -nicht ernst zu nehmen braucht.</p> - -<p>Auch mir versuchten meine Askari und Träger einzureden, das Wild müsse -geschlachtet werden.</p> - -<p>Ich drehte aber sofort den Spieß um und sagte, ich dürfe nicht von -geschächtetem Wild essen, deshalb verbiete ich es.</p> - -<p>„Dann essen wir es nicht.“</p> - -<p>„Es ist mir lieber, ihr verhungert, als daß ich hungern muß.“</p> - -<p>Anfangs sahen die Strenggläubigen zu, ohne mitzuessen; sie hofften -immer noch, ich würde nachgeben und vielleicht erlauben, daß ein -besonderes Stück für sie geschlachtet würde. Später siegte der Hunger, -und im Verlauf der Expedition sprach kein Mensch mehr davon. Jedem -Neuling wurde gesagt: „Der Herr will es nicht.“</p> - -<p>Viel schwieriger ist es bei privaten Expeditionen gegen solche -Vorurteile anzukämpfen, und ich werde darauf zurückkommen, wenn ich von -meiner Jagdreise in die Massaisteppe erzähle. —</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="sidenote">Geier und Marabu.</div> - -<p>Wenn man von Flußpferdjagden spricht, sind Aasvögel und Krokodile nicht -leicht davon zu trennen; sie finden sich schnell ein, und die Stelle, -an der ein erlegtes Nilpferd liegt, wird sehr bald zum Schauplatz eines -bunten Treibens.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_161"></a>[S. 161]</span></p> - -<p>Auf die Sandbank gezogen, nicht weit vom acht Meter hohen Schilfrohr -lag der Körper eines toten Flußpferdes. Ein langer Schnitt in die Haut -hatte den Aasvögeln die Möglichkeit gegeben, mit der Mahlzeit gleich zu -beginnen; (sonst müssen sie warten, bis der Körper gänzlich in Fäulnis -übergeht, da sie nicht imstande sind, die Haut zu durchschlagen).</p> - -<p>Wohl hundert Geier saßen herum; einige auf, andere in dem Kadaver. Ein -Dutzend Marabu spazierten zwischen den Gruppen der Vögel hindurch. -Heiseres Gekrächze kam von dem Schauplatze.</p> - -<p>Ich lag im Schilf und beobachtete. Ein Geier arbeitete in der vom -Wasser durchspülten, faulen Masse. Kopf und Hals verschwanden darin. -Ein anderer hatte ein Stück losgerissen, wollte sich dann auf die Seite -stehlen, wurde aber von drei Neidern verfolgt. Zwei andere rissen sich -mit langen Hälsen um einen Bissen. Der Marabu tat, als wenn er überall -Aufsicht ausüben mußte.</p> - -<p>Gern nimmt er den Geiern Stücke ab. Sein langer, spitzer Schnabel ist -mit Recht gefürchtet. Dieser Schnabel eignet sich weit weniger als der -gekrümmte des Geiers zum Losreißen von Stücken Fleisch. Selten sieht -man daher den Marabu selber am Aas arbeiten; er nutzt die Geier dazu -aus. Große Stücke schlingt er auf einmal hinunter; die baumeln dann in -dem tief hinabhängenden Kropfbeutel.</p> - -<p>„Schäbig ist der Marabu“ sagt Busch. Schäbig ist nur das Gefieder -seiner Kopf- und Halspartie; reich sein übriges Federkleid. Man meint, -er sei ein dürftiger Geselle in einem feinen, stahlblauen Gehrock. Ein -knallroter Fleck auf der Haut sitzt hinten im Nacken, wie um zu zeigen, -daß ein Vogel auch ohne Federn bunt sein kann. Das Männchen hat weiße -Ränder an den Deckfedern der Flügel. Sein Gefieder ist mehr graublau, -während das des Weibchens fast schwarz und einfarbig ist.</p> - -<p>Der frische Wind wehte mir den Aasgeruch in die Nase. (Niemand sage: -Pfui, wie unappetitlich! Am ersten Tage, auch am zweiten, ja. Später -aber riecht es genau, wie Camembert; es ist Geschmacksache. Die -Schwarzen essen z. B. etwas angefaultes Fleisch sehr gerne; auch den -Marabu selbst essen sie. Vielleicht<span class="pagenum"><a id="Seite_162"></a>[S. 162]</span> ist ihnen diese Fäulnis das, was -uns der Alkohol und der Käse). Hoch in den Lüften kreisen zwei weitere -Marabu. Hell leuchtet das weiße Gefieder der Brust, das sich bis unter -die Flügel fortsetzt. Wie ein Fähnchen flattert der leere Beutel am -Halse.</p> - -<p>Nun heißt’s den besten aussuchen; mit dem Doppelglas natürlich. Es -ist nicht leicht; denn der größte Vogel hat oft die kleinsten Federn, -oder die Federn sind groß, aber der zarte Flaum ist schon abgenutzt. -Außerdem trägt der Marabu die sehr beliebten Federn nicht auf dem -Kopfe, wie manche Damen vielleicht denken. Wer da nicht genau hinsieht -und aussucht, wird oft unzufrieden sein über seine Beute. — Da -ist einer! Jetzt mit der Büchse im Anschlag warten, bis er mir die -Seite zeigt, denn das beste ist, stets einen Flügelknochen mit zu -zertrümmern, dann kann der Vogel nicht mehr fortfliegen. Schuß; er -liegt.</p> - -<p>Die andern fliegen auf, setzen sich aber gleich wieder, kommen heran, -sperren die Schnäbel auf, was stets Erstaunen, Schrecken, Angst -bedeutet und sehen erst mit dem rechten und dann mit dem linken Auge -zu mir herüber; ein umständliches Verfahren, zu dem fast alle Vögel -gezwungen sind, wenn sie die Absicht haben, stereoskopisch zu sehen. -(Die gelehrten Eulen machen eine Ausnahme.) Es ist kein Vogel mehr -darunter, der mir gefällt; ich trete aus meinem Versteck, da hebt -sich die ganze Schar der Riesenvögel und kreist, wie vom Wirbelwind -getrieben, über mir in der Luft. Zwanzig gute Federn hatte der erlegte -Marabu. Ich nahm die Federn an mich; der Balg mit seinem schneeweißen -Flaum und die großen Flügel wurden von den Askari mit Sorgfalt für -die Ngoma<a id="FNAnker_13" href="#Fussnote_13" class="fnanchor">[13]</a> in Daressalam präpariert. Das Fleisch bekamen die -Eingeborenen.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Während oben die Vögel an dem Kadaver eines Flußpferdes fressen, tun es -im Wasser gleichzeitig die Krokodile. Diese geben sich alle Mühe, die -Beute für sich allein zu reservieren und ins tiefe Wasser zu ziehen. -Gelingt es ihnen, dann folgen sie dem treibenden Körper. Einem zwölf -Fuß langen Krokodil habe ich<span class="pagenum"><a id="Seite_163"></a>[S. 163]</span> einmal vom hohen Ufer aus den Garaus -gemacht, als es einem toten, treibenden Kiboko folgend, unmittelbar an -mir vorbeischwamm, um den aufgedunsenen Kadaver herum sah ich wohl ein -Dutzend der langen, grünen Köpfe.</p> - -<p>Auf den Schuß zeichnete das große Krokodil; die übrigen entfernten sich -schnell und näherten sich dem gegenüberliegenden Ufer. Sie verloren -entweder die Spur des treibenden Körpers oder waren satt.</p> - -<div class="sidenote">Schlafende Krokodile.</div> - -<p>In der Nähe des Kadavers ruhen die Krokodile auf Sandbänken prall -vollgefressen; oft mit weit geöffnetem Rachen. Da ist es denn ein -besonderer Spaß, solch einen Schläfer in guter Deckung auf wenige -Schritte anzupürschen. Das gelingt stets, wenn er dicht an einer -hohen Böschung liegt. Aber auch auf freiem Sande geht es, wenn kein -anderes Krokodil in der Nähe ist und man den Schläfer genau von hinten -anschleicht. Wenigstens bin ich auf fünfzehn Schritt hinangekommen — -im ersten Falle sagen wir auf drei Schritt, d. h. eigentlich bis ich -unmittelbar über ihm stand. — Der Schreck der Bestie, wenn man ihr -dann einen Knüppel aufs Rückgrat wirft! Wie elektrisiert schnellt sie -empor und plauzt ins Wasser.</p> - -<p>Einmal wollte ich Flußpferde vom Boot aus photographieren. Der Strom -hatte nur wenig Wasser. Große Sandbänke lagen trocken, und an vielen -Stellen waren tote Buchten oder sogar kleine, abgeschlossene Teiche -entstanden. Von einem hohen Felsen aus konnte ich an dieser Stelle die -Krokodile zählen; Flußpferde steckten ihre Köpfe tief unter mir aus dem -Wasser; Nilgänse, Riesenreiher und Marabu standen am Ufer.</p> - -<p>Ich ließ zwei Kanoes zusammenbinden und fuhr auf die Flußpferdherden -los, um Aufnahmen zu machen. Unteroffizier Lauer saß im linken, ich im -rechten Boot.</p> - -<p>Die erste Herde tauchte unter, bevor ich eine Aufnahme gemacht hatte. -Eine andere Herde ruhte am Ufer, dicht hinter einem Felsen. Unser -doppeltes Boot trieb langsam an den Büschen entlang und an glatten -Steinen vorbei, die allmählich aus dem Wasser emporstiegen. In -schneller Fahrt wurde es um einen<span class="pagenum"><a id="Seite_164"></a>[S. 164]</span> Felsvorsprung herumgerissen und -schoß dann in das seichtere Wasser einer kleinen Bucht hinein, in der -kein Strom war.</p> - -<p>Ein starker Bulle stand ganz auf dem Trockenen, die übrigen fünf Tiere -halb im Wasser. Eins hatte seinen Kopf ausruhend auf den Rücken eines -anderen Flußpferdes gelegt und hielt uns die breite, borstige Schnauze -gerade entgegen.</p> - -<p>Diesmal glückte es. Ich stand auf einem Feldstuhl, Lauer hielt mich an -den Fußgelenken fest. — Die schwarzen Steuerer durchquerten die Breite -der Bucht, und bevor das Boot auf dem anderen Ufer mit sanftem Stoß -aufgehalten wurde, hatte ich eine Aufnahme gemacht.</p> - -<p>Die Herde suchte das tiefere Wasser auf und mußte dicht am Boote -vorbei. — Starke Wellen gingen von den plumpen Tierkörpern aus, -schlugen gegen die Bordwand und liefen schäumend über den Sand.</p> - -<p>Wir waren sehr froh über das wohlgeglückte Manöver; frohlockten aber zu -früh!</p> - -<div class="sidenote">Vom Flußpferd in die Luft geworfen.</div> - -<p>Das Boot trieb wieder auf dem freien Strom und nahm Kurs auf ein -einzelnes Flußpferd, das den Kopf von Zeit zu Zeit aus dem Wasser hob; -ich wollte schießen. Auf hundert Meter tauchte der Kopf unter. Da ließ -ich bremsen, um in der Zeit, die der Dickhäuter unter Wasser zubringt, -nicht darüberhinwegzufahren. — Plötzlich gab es einen starken Stoß — -— — ich fand mich im Wasser und tauchte auf: Das Boot, in dem ich -gesessen hatte, war zerbrochen, das andere lag auf der Seite. Hinter -mir rauschte es, ein großes Nilpferd durchquerte eine flache Stelle im -Strom.</p> - -<p>Mein erster Gedanke war an Gewehr und Kamera; doch bevor ich den Kopf -wieder in die gelbe Flut steckte, sah ich nach den Ufern, um mir die -Peilung einzuprägen. Wir trieben. — —</p> - -<p>Also erstmal zum Ufer mit allem, was noch oben schwamm! Das Boot wurde -auf den Sand gezogen. —</p> - -<p>Ein Neger hatte die Ledertasche mit der Kamera und den Kassetten -ergriffen; das Wasser strömte heraus!</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg165ill"> - <img class="w100" src="images/pg_165_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>An den Kadavern der Flußpferde schoß ich zwei Marabu mit -einer Kugel.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_165_ill_gross.jpg" id="pg_165_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Mein Gewehr fehlte noch. Lauer und ich waren die ersten, die wieder -ins Wasser sprangen; keiner von uns dachte an die<span class="pagenum"><a id="Seite_167"></a>[S. 167]</span> Krokodile. Die -Ruderer tauchten um uns herum; nach wenigen Minuten war auch das Gewehr -gefunden.</p> - -<p>Vermißt wurden nur noch entbehrliche Dinge.</p> - -<p>Leider mußte ich die Kassetten schnell öffnen und die Platten -herausnehmen, denn es war Wasser hineingedrungen; der schwarze Belag -blätterte von den Rückwänden ab, dennoch sind alle späteren Aufnahmen -gut gelungen.</p> - -<p>Wir sprachen über den kleinen Unfall, der einen so harmlosen Ausgang -hatte. Mein Begleiter sagte, er wisse ganz genau, wie er durch die Luft -geflogen sei, ich sei in kürzerem Bogen ins Wasser gerutscht.</p> - -<p>Es war merkwürdig, daß ich mich auf diesen Augenblick gar nicht -besinnen konnte; vielleicht hatte der starke Stoß mir für Bruchteile -von Sekunden die Besinnung geraubt. So erklärt sich auch nur, daß ich -mein Gewehr losließ.</p> - -<p>Ich glaube nicht, daß das Flußpferd uns hat annehmen wollen, sondern -es hat in so flachem Wasser gestanden, daß das Boot es berühren mußte. -Da ist das Tier erschreckt losgesprungen, hat, vielleicht lediglich -durch eine kurze Bewegung seines starken Kopfes, das Boot in die Luft -geworfen und dann über die nächste Sandbank hin das Weite gesucht.</p> - -<p>Es ist schwer, das Verhalten eines Tieres richtig zu beurteilen. Ich -bin der Ansicht, daß die Tiere im allgemeinen froh sind, wenn man -sie in Ruhe läßt, und daß sie nur, wenn man sie plötzlich stört und -belästigt, im ersten Unwillen sich ihrer Kraft bewußt werden und auf -den Störenfried drauflosrennen.</p> - -<p>Die Tatsache war aber nicht zu leugnen, daß uns ein Flußpferd in die -Luft geworfen hatte, und wir waren froh, den Schreck so billig bezahlt -zu haben.</p> - -<p>Völlig durchnäßt setzten wir die Verfolgung der Flußpferde in dem noch -schwimmenden Boote fort.</p> - -<p>Ich wollte einen starken Bullen schießen und mich dadurch für den -Verlust der schönen Aufnahme schadlos halten.</p> - -<p>Als ein starker Kopf die Augen und die Ohren aus dem Wasser steckte, -schoß ich. Der Schuß ging dicht vor den Augen durch den Schädel. -Einige Sekunden blieb das Flußpferd unter<span class="pagenum"><a id="Seite_168"></a>[S. 168]</span> Wasser, dann sprang es -hoch heraus und schweißte stark. Mit geöffnetem Maul erschien es -immer wieder an der Oberfläche; es schien unfähig zu sein, in tiefem -Wasser aufzutauchen und suchte deshalb die Nähe einer Sandbank, wo es -halb aus dem Wasser herausstand und sich um nichts zu kümmern schien. -Wahrscheinlich war es vor Schmerz apathisch.</p> - -<p>Ich ließ gerade auf das Tier zusteuern. Als wir ihm auf Bootslänge -nahe waren, erkannte es die Gefahr, wandte sich plötzlich um und fuhr -ungestüm auf unser kleines Boot los; ein schneller Schuß ins Gehirn -tötete das Flußpferd jedoch auf der Stelle, kurz bevor es das Boot -erreichte. Zweifellos hätte das schwer gereizte Tier uns gefährlich -werden können.</p> - -<p>Den abgeschnittenen Kopf trugen acht Neger mit Mühe an einem langen -Baum; er mag wohl nahezu vier Zentner gewogen haben.</p> - -<p>An diesem Tage konnte ich noch ein merkwürdiges Erlebnis aufzeichnen: -als wir unter einer etwa zwei Meter hohen, steilen Uferböschung -ziemlich geräuschlos entlang fuhren, sprang ein großes Krokodil dicht -über das Boot weg ins Wasser.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Ein andermal schoß ich zusammen mit Herrn Bezirksamtmann Graß eine -Flußpferdherde ab, in der einige angriffslustige Bullen waren. Die -Bootsunfälle, durch Angriffe der Flußpferde hervorgerufen, waren an -dieser Stelle so häufig, daß die Neger sich mit ihren Booten nicht an -der Herde vorbeizufahren trauten, wenn nicht ein Askari mitfuhr, (der -durch sein Knallen wahrscheinlich nur dazu beitrug, die Tiere noch mehr -zu reizen).</p> - -<p>Der Strom war hier so tief, daß die Tiere entkommen konnten, indem sie -weite Strecken unter Wasser zurücklegten.</p> - -<p>Wir mußten deshalb auf dem Ufer nebenherlaufen, um in einem neuen -Versteck schon in Anschlag zu liegen, sobald die Tiere an einer -entfernten Stelle wieder auftauchten.</p> - -<div class="sidenote">Jagd vom Boot aus.</div> - -<p>Oft habe ich Flußpferde mit dem Boot verfolgt und so geschossen. Bei -dieser Jagdart müssen die Ruderer genau auf jeden Wink des Schützen -achten, weil die Kunst darin liegt, an der richtigen Stelle zu sein, -wenn der Kopf des Tieres auftaucht.<span class="pagenum"><a id="Seite_169"></a>[S. 169]</span> Dann erscheint die breite, -borstige Schnauze manchmal dicht vor dem Boot und wird im Schreck über -die so unerwartet nahe Gefahr unter kurzem Prusten wieder unter Wasser -gesteckt.</p> - -<p>Die Begegnungen, die ich bei monatelangem Aufenthalt an Flüssen, Seen -und Sümpfen mit Flußpferden und Krokodilen hatte, sind zahlreich und -gaben mir viele Beobachtungen.</p> - -<p>In manchen Gegenden ertönte der tiefe, urkräftige Baß der alten -Flußpferdbullen Tag und Nacht. Keine andere Tierstimme hat so ungeheure -Macht und Stärke. Aus Seen mit dichtem, üppigen Schilf und schwimmenden -Pflanzen dröhnt zur Mittagszeit das Grunzen, von dem man nicht weiß, -ob es Groll oder Wohlbehagen ausdrücken soll. Heiß brennt die Sonne -auf dem Wasser. Oft habe ich schweigend zugehört, wenn ich am Ufer in -einem der tief ausgetretenen Pässe saß, auf denen das Kiboko nachts dem -Wasser entsteigt.</p> - -<div class="figcenter illowe32" id="pg169ill"> - <img class="w100" src="images/pg_169_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Schädel eines von mir erlegten Nilpferds.</p> - -<p><span class="antiqua">Dr.</span> R. Kandt sagt sehr treffend: „Das Gebiß sieht aus, als wäre -dem Tier bei der Schöpfung eine handvoll Zähne in jeder Form und Größe -in den Rachen geworfen worden, von denen jeder gerade Wurzel faßte, wo -und wie er zufällig hinfiel“.</p></div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_170"></a>[S. 170]</span></p> - -<p>Das Tierleben an solchem stillen Weiher zu beobachten, hat großen Reiz.</p> - -<p>Der helle, melodische Schrei des weißköpfigen Adlers ertönt aus der -Luft. Blütenweiße Edelreiher, Schlangenhalsvögel und graue Fischreiher -sitzen auf kahlen Ästen der Uferbäume, die ebenso wie das hohe Rohr mit -den zierlich geflochtenen Nestern der gelben Webervögel übersät sind.</p> - -<p>Da streicht ein Riesenreiher mit kupferrotem, im Bogen zurückgelegten -Hals über den See hin und fällt in meiner Nähe ein. Der „Korongo“<a id="FNAnker_14" href="#Fussnote_14" class="fnanchor">[14]</a> -steht vielleicht eine Stunde lang bewegungslos, bis er plötzlich mit -seinem Kopf nach unten fährt und mit einem zweipfündigen Fisch im -Schnabel langsam in ganz flaches Wasser schreitet, wo er den noch -Zappelnden bedächtig niederlegt.</p> - -<p>Mit schwirrendem Flug kommt einer der bunten Königsfischer angeflogen -und setzt sich auf einen Zweig, dicht vor meiner Nase, so daß ich das -farbenprächtige Kleid bewundern kann. Der kleine Räuber ähnelt mit dem -großen, starken Schnabel dem Bolzen einer Armbrust.</p> - -<p>Besonders stark sind die Flußpferde gegen Abend zu vernehmen; wenn -eins seine Stimme erhebt, ertönt fast ununterbrochen Antwort aus -entfernteren Herden.</p> - -<p>Es wird noch lange dauern, bis das letzte Kiboko aus den Flüssen -Ostafrikas verschwindet; aber die an paradiesische Zeiten erinnernden -großen Herden Tag für Tag um sich zu sehen, das mag nicht mehr vielen -Jägern beschieden sein.</p> - -<p>Ob man die Krokodile auch einmal schonen wird und, wie es jetzt in -Nordamerika geschehen soll, durch strenge Strafgesetze vor Ausrottung -schützen, das glaube ich nicht. Wenigstens scheint es mir zweifelhaft, -weil ich noch gelernt habe, diese Tiere als gefährliche Feinde des -Menschen zu fürchten.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_12" href="#FNAnker_12" class="label">[12]</a> „<span class="antiqua">Dawa</span>“, irgend ein Amulett, ein Stück Horn oder -Metall, ein Knopf oder Stein, etwas Sand oder Mehl in Blätter, Papier, -Tuch eingewickelt, gebunden oder genäht und an einer Schnur am Körper -befestigt. -</p> -<p> -Um sich solche „<span class="antiqua">dawa</span>“ zu beschaffen, laufen die Leute oft sehr -weit zu einem Zauberer, von dem sie gehört haben und zahlen diesem -einige Kupfermünzen dafür. -</p> -<p> -Im Aufstand fanden wir bei allen Gefangenen kleine Fläschchen mit -Wasser. Meist waren es blaue Gläser, wie sie die Inder zu Schnupftabak -verkaufen; das Wasser weihte der Zauberer Hongo, der an den -Panganischnellen des Rufiyi wohnte (an einer Stelle, die gleich weit -von allen umliegenden Bezirksämtern und Militärstationen entfernt war). -Nach seiner Gefangennahme entstand sofort ein neuer Jumbe Hongo, dessen -Zauberapotheke uns bei dem Überfall von Nyamwera in die Hände fiel. Der -Kriegsruf der Aufständigen war: „<span class="antiqua">Maji, maji</span> = Wasser, Wasser“ -und hatte sicher mit den Fläschchen etwas zu tun, die die Krieger bei -sich trugen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_13" href="#FNAnker_13" class="label">[13]</a> Ngoma heißt eigentlich „Trommel“ übertragen auch -Tanzfest, weil dabei die Trommel geschlagen wird.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_14" href="#FNAnker_14" class="label">[14]</a> <span class="antiqua">korongo</span> = eigentlich Storch.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_171"></a>[S. 171]</span></p> - -<div class="figcenter illowe20" id="pg171ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_171_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Gehörn einer Elenantilope vom Rufiyi.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Jagden_im_Busch">Jagden im Busch.</h2> - -</div> - -<p>Im Süden der Warufiyi wohnen die Wapogoro; in kleinen Dörfern und -einzelnen Hütten im Busch. Da sie nicht weiter behelligt wurden, kamen -sie nicht zur Unterwerfung, bildeten aber eine stete Gefahr für mich; -denn mit ihrer Hilfe konnten die Aufständigen leicht Einfälle in die -von mir geschützten Gegenden machen.</p> - -<p>Ich wollte auch die Wapogoro zur Unterwerfung treiben und so einen -Stamm nach dem andern dem friedlichen Gebiete anschließen; deshalb zog -ich mit dem Unteroffizier und zwanzig Askari in das ziemlich schwach -bewohnte Land, in dem auch die Wasserstellen nach Süden immer seltener -wurden. Die Eingeborenen zeigten sich feindlich gesinnt, flohen jedoch -meist ohne Gegenwehr;<span class="pagenum"><a id="Seite_172"></a>[S. 172]</span> ihre Dörfer wurden niedergebrannt und das -Getreide weggenommen.</p> - -<p>Eines Tages lagerte ich am Ende eines langgestreckten Sees und schickte -einen Gefangenen zu den Aufständigen, mit der Aufforderung sich zu -unterwerfen.</p> - -<p>Die Ufer des Sees säumte hoher Wald, der in lichten Buschwald überging; -an einer Seite war das Ufer unbewaldet, und eine Talmulde mit weiten -Grasflächen schloß sich an. Stark ausgetretene Wildwechsel mündeten am -Wasser.</p> - -<p>Vom Lager aus konnten wir im See die Flußpferde beobachten und die -Uferpartien überblicken, an denen das Wild zur Tränke kam.</p> - -<p>Da es bei meinem Hauptlager in Mtanza gar kein Wild gab, wollte ich -hier für meine Leute einen Vorrat schießen und hatte Träger genug -mitgenommen, um das Fleisch fortzuschaffen.</p> - -<p>Als ich kurz nach Mittag das Lager in Begleitung des Unteroffiziers, -einiger Askari und Träger verließ, waren alle Vorbereitungen für die -Nacht getroffen; ein Dornverhau umgab in weitem Bogen die Zelte und -war nach dem Wasser zu offen. Die Schwarzen hatten sich kleine Hütten -gebaut und hockten im Schatten. Einige badeten in dem flachen Wasser -am Ufer des Sees; andere brachten Brennholz. Ein Flußpferd, das sich -von der Herde getrennt hatte, war nahe herangekommen und beobachtete -neugierig und ängstlich die Vorgänge im Lager. Von Zeit zu Zeit tauchte -es unter, und erschien bald danach laut prustend wieder mit dem Kopf -über der Wasserfläche. Die Neger freuten sich darüber ebenso wie ich; -man konnte sich dem Eindruck nicht entziehen, daß das einzelne Tier -für die Sicherheit der ruhig im Hintergrund schlummernden Herde solch -Interesse an uns nahm.</p> - -<div class="sidenote">Birsch auf Riedböcke.</div> - -<p>An dem Rande eines Akazienwaldes pürschte ich entlang und brachte in -etwa zwei Fuß hohem, trockenem Grase bald einen Riedbock hoch, der nach -mehreren Fluchten verhoffte. Mit einem Hochblattschuß streckte ich -ihn im Feuer. Das blanke, starke Gehörn erfreute mich ebenso wie der -einwandfreie Schuß; es<span class="pagenum"><a id="Seite_173"></a>[S. 173]</span> entsteht stets ein Gefühl von Sicherheit und -Befriedigung, wenn der Anfang der Jagd von Erfolg begleitet ist.</p> - -<p>Ich ging nun quer über die Lichtungen; da wurden mehr Riedböcke -flüchtig, die alle trotz der heißen Nachmittagssonne und der Nähe des -schattigen Waldes im hellen Sonnenlicht ruhten.</p> - -<div class="figcenter illowe20" id="pg173ill"> - <img class="w100" src="images/pg_173_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Gehörn eines Swallahbocks (Schwarzfersenantilope.)</p></div> -</div> - -<p>Hier wurde ich auf einen Umstand aufmerksam, der mir schon öfter -aufgefallen war. In der Ferne sah ich einen Gegenstand von rotbrauner -Farbe, einem Stück Hochwild täuschend ähnlich, erkannte aber durch das -Doppelglas, daß es ein Termitenhügel von matt dunkelbrauner Farbe war. -Vor dem Hügel schwankten einige gelbe Gräser, die mit bloßem Auge nicht -zu erkennen waren. Sie gaben ihm die rötliche Färbung. Mehrmals sah ich -abwechselnd mit bloßem Auge und mit dem Glase hin; der Unter<span class="pagenum"><a id="Seite_174"></a>[S. 174]</span>schied -war auffallend. Dem unbewaffneten, also auch dem schwächeren Auge -vermengen sich wie die Gegenstände, auch ihre Farben und bilden eine -neue Gesamtfarbe. Augen verschiedener Sehschärfe werden also oft im -Freien die Farben verschieden sehen. Das macht sich am häufigsten -bemerkbar, wo Sträucher und Gräser die Gegenstände mannigfach bedecken. -Ein Jäger mit scharfen Augen kann also an vielem vorübergehen, was ein -anderer nur zu leicht für Wild hält, weil er Umrisse und Farbe anders -wahrnimmt, als sie dem Kurzsichtigen erscheinen.</p> - -<p>Die Landschaft nahm jetzt einen mehr parkartigen Charakter an; Gruppen -von Bäumen und Busch wechselten ab mit offenen Grasflächen, über die -einzelne Schirmakazien ihre weitausgelegten Äste breiteten.</p> - -<p>Auf einer Lichtung stand ein Gnubulle, sah uns einen Augenblick -verdutzt an und flüchtete in langsamem Galopp.</p> - -<div class="sidenote">Schwarzfersenantilopen.</div> - -<p>Ein Rudel — etwa vierzig — Schwarzfersenantilopen tanzte plötzlich -zwischen den Bäumen. Das sah wunderbar aus. Zum ersten Male sah ich -die „Swallah“, wie sie von Jägern und Eingeborenen genannt werden. -Wie Gummibälle federten die Tiere wohl um das Dreifache ihrer eigenen -Größe hoch in die Luft. Ich war entzückt über den Anblick und freute -mich über das Bild, das um so schöner wirkte, weil sich die Tiere -zwischen den Gruppen der Büsche und Bäume, in die das helle Sonnenlicht -hineinfiel, wie zwischen Theaterkulissen bewegten. Die auffallend rote -Farbe der Antilopen stand in frischem Gegensatz zu dem hellen Grün der -Gräser und Büsche. Die Tiere sprangen nicht einmal alle in derselben -Fluchtrichtung, sondern hier und dort schnellte ein Körper hoch über -die anderen empor, und es sah aus, als sprängen sie übereinander weg.</p> - -<div class="figcenter illowe25_6" id="pg175ill"> - <img class="w100" src="images/pg_175_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>1. Buschbock vom Sigi; Ostafrika. 2. Giraffengazelle -aus der Massaisteppe. 3. Riedbock vom Pungwe; Südafrika. 4. Kudu vom -Kilimandscharo.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_175_ill_gross.jpg" id="pg_175_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Es gelang mir der Herde den Weg abzuschneiden und einem starken Bock, -der als letzter folgte, die Kugel zu geben. Er zeichnete auf den Schuß -und flüchtete mit dem Rudel; doch folgte ich den frischen Fährten -und ließ Leute zu beiden Seiten gehen. Nach beinahe einstündigem, -angestrengtem Suchen wurde der Bock nicht weit vom Anschuß verendet -gefunden. Mit etwas tiefem Lungenschuß hatte er sich nach zweihundert -Schritten von dem<span class="pagenum"><a id="Seite_177"></a>[S. 177]</span> Rudel getrennt und sich nach weiteren zweihundert -Schritten niedergetan. Da nur wenig Schweiß in der Fährte lag, war es -nicht möglich gewesen, dem angeschossenen Tiere in dem von vielen Hufen -aufgewühlten Boden zu folgen.</p> - -<p>Ich bewunderte die Farbe und den Glanz der Decke. Der Rücken ist -dunkelrot, an den Seiten wird die Färbung matter bräunlich und geht -unten und an der Innenseite der Läufe in reines Weiß über. Kräftige -Sprunggelenke und Sehnen an den Läufen befähigen das Tier, solche -Sprünge auszuführen, wie ich sie vorher sah. Die Decke liegt locker und -beweglich auf der fein ausgeprägten Muskulatur. An den Hinterläufen -befinden sich stark entwickelte, schwarze Haarbüschel; das Gehörn ist -glänzend schwarz poliert.</p> - -<p>Da es mittlerweile spät geworden war, schlug ich die Richtung zum -Lager ein und traf auf einer Lichtung ein starkes Rudel Wasserböcke, -die mich nicht bemerkt hatten. Mehrere saßen im Grase, während zwei -Böcke sich gegenseitig verfolgten und dabei den Kopf wie zum Angriff -senkten. Junge Swallahböcke ästen zwischen den ersten Büschen am Rande -der Lichtung. Als mich die Tiere bemerkten, standen die Wasserböcke und -äugten nach mir, so daß ich die schön gezeichneten Köpfe aus der Nähe -sehen konnte.</p> - -<p>Noch ein Rudel Schwarzfersenantilopen wurde flüchtig. Ich schoß zwei -Böcke krank, aber es dunkelte; ich mußte die Nachsuche für heute -aufgeben, band mein Taschentuch an einen Baum, verbrach den Anschuß und -bezeichnete die Stellen, an denen ich das Wild aus dem Auge verloren -hatte.</p> - -<p>Als ich aus dem Walde kam, näherte sich von der andern Seite ein -einzelner Neger den Lagerfeuern und wurde von den Posten angerufen. Es -war ein häßlicher Mpogoro, er reichte mir einen Giftpfeil als Zeichen -der Unterwerfung und kündigte das Erscheinen seiner Brüder für den -nächsten Mittag an.</p> - -<p>„Weshalb kommt ihr nicht heute?“</p> - -<p>„Sollen wir Frauen und Kinder allein lassen? Wir müssen erst Hütten im -Pori bauen“ war die Antwort.</p> - -<p>Am Abend fiel leichter Regen; schnell machten sich alle Neger<span class="pagenum"><a id="Seite_178"></a>[S. 178]</span> im Lager -dabei, ihre Hütten, die sie am Mittag gegen die Sonnenstrahlen erbaut -hatten, dicht mit Gras zu bepacken, so daß sie auch Schutz gegen den -Regen boten.</p> - -<p>Der Unteroffizier hatte einen Wasserbock geschossen, ich einen Riedbock -und eine Swallah. Als wir die Strecke besichtigten, glaubten wir auf -Tage hinaus verproviantiert zu sein; aber schnell verschwand das -Fleisch, obwohl kein Mangel an Nahrungsmitteln war; (denn jeder hatte -bei der Plünderung der Dörfer reichlich Getreide für sich auf die Seite -geschafft). Der sonst oft anspruchslose Neger kann, wenn Überfluß -vorhanden ist, unglaubliche Mengen vertilgen!</p> - -<p>Den Dank für die Gewährung so reichlicher Nahrung gaben uns die Leute -nach dem Mahle durch lautes, behagliches Aufstoßen zu erkennen. -Das klang so viehisch, daß ich mir unwillkürlich ausmalte, welchen -Eindruck es wohl machen würde, wenn Menschen das hörten, die keinen -Begriff von dem Gebahren der Neger haben. Gewiß würden viele es als -eine Unverschämtheit auffassen, wenn der Neger, während er mit ihnen -spricht, plötzlich laut aufstößt! Wie mancher wird da mit einer -handgreiflichen Antwort bereit sein! — Und der Neger würde vielleicht -denken, der Europäer hält und versteht nichts von gutem Ton.</p> - -<div class="sidenote">Die Post.</div> - -<p>Der Abend brachte uns angenehme Erinnerungen an die Heimat. Ein -Bote aus Mohorro war angekommen und hatte, sorgfältig in schwarzes -Wachstuch verpackt, ein Paket gebracht, von dem Bezirksamtmann, Herrn -Graß. Ein ausführlicher Brief von ihm lag dabei, der mich über die -Verhältnisse in Mohorro unterrichtete. Als Antwort auf eine Bestellung -von Lebensmitteln hieß es: „Auch hier ist alles knapp. Der Dampfer ist -noch nicht dagewesen und wir erwarten täglich Lasten von Daressalam.“ -Aber Kaffee und mehrere Flaschen Rotwein schickte er mit, und vor allen -Dingen die Post. Ein Brief von den Eltern! Doch heute gab es noch -mehr. Alte Bekannte benutzten die Gelegenheit, mir zu meinen „Siegen“ -Glück zu wünschen; Zeitungsausschnitte und Abbildungen zeigten, -daß man meinem Aufenthalt hier ein ganz ungewöhnliches Interesse -entgegenbrachte. Stammtischkarten (eine Korona mit Biergläsern und § -11!)<span class="pagenum"><a id="Seite_179"></a>[S. 179]</span> muteten mich in dieser Umgebung ganz eigentümlich an; ebenso auch -die Kartengrüße sammelnder Mädchen und Knaben, die glaubten, ich könnte -ihnen „per Feldpost“ Karten mit Ansichten meines „Kriegslagers“ senden. -Wie sonderbar war doch, was von dem Leben der Heimat zu uns in die -Wildnis drang! Eine Zeitung mit Neuigkeiten, die längst wertlos sind, -Zeitschriften, die in Wort und Bild spiegeln, wie die Ereignisse in -Afrika auf die Anschauung in der Heimat wirken und was dort bedeutend -erscheint; ein Katalog mit Bildern warmer Kleidungsstücke, deren -Anblick allein schon in der schwülen Abendluft eine Beklemmung auf der -Brust hervorruft; die „Jugend“, und eine vergessene Rechnung.</p> - -<div class="figcenter illowe20" id="pg179ill"> - <img class="w100" src="images/pg_179_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Hartebeest, männlich (<span class="antiqua">bubalis lichtensteini</span>).</p></div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_180"></a>[S. 180]</span></p> - -<p>Der Koch brachte den langentbehrten Kaffee; der hielt uns wach, und ich -erzählte von den beiden Swallahböcken, die ich nicht gefunden hatte, -von Nachsuche, von deutscher Jägerei und früheren Jagden, die ich in -der Heimat erlebte.</p> - -<p>Mein Begleiter, der daheim nie etwas von den Dingen gehört hatte, -gewann immer mehr Interesse und freute sich darauf, an der Nachsuche -am nächsten Morgen teilzunehmen. Die Ankunft der Pogoro war erst für -Mittag in Aussicht gestellt. Wir konnten also den ganzen Vormittag -jagen und nötigenfalls am Nachmittage weitermarschieren.</p> - -<div class="figcenter illowe18" id="pg180ill"> - <img class="w100" src="images/pg_180_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Hartebeest mit abgebrochenem Horn.</p> - -<p>(Erlegt bei den Panganischnellen des Rufiyi). Die Bruchstelle bedeckt -eine Hornplatte.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Erfolgreiche Nachsuche.</div> - -<p>In der Nacht regnete es stark, so daß ich mir von der Schweißsuche am -Morgen nicht viel versprechen konnte. Ich nahm deshalb den größten -Teil meiner Träger mit und begann den Busch an der Stelle, an der ich -die Böcke geschossen hatte, abzusuchen. In langer Reihe, mit Abständen -von zwanzig Schritt, ließ ich die Neger durch den Busch gehen und fand -bald<span class="pagenum"><a id="Seite_181"></a>[S. 181]</span> den einen, aber erst nach Verlauf einer vollen Stunde den zweiten -Bock, gerade, als ich daran dachte, mit einem lauten „Halt“ die Suche -einzustellen. Das freute mich um so mehr, als die Neger die Arbeit für -ziemlich zwecklos zu halten schienen und ich ihnen beweisen konnte, daß -ich getroffen hatte und nicht auf einen Fehlschuß hin die langwierige -Nachsuche unternahm.</p> - -<p>„Schieß doch ein anderes Stück,“ hatte der Ombascha schüchtern gesagt -„hier sind ja so viele.“</p> - -<p>Merkwürdigerweise waren beide Böcke während der Nacht von Raubtieren -nicht berührt worden, und auch die Aasvögel, die sonst oft dem Jäger -den Weg zu einem erlegten Stück Wild zeigen, fehlten ganz.</p> - -<div class="figcenter illowe18" id="pg181ill"> - <img class="w100" src="images/pg_181_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Hartebeest, weiblich.</p></div> -</div> - -<p>Da wir die Reittiere mitgenommen hatten, entschlossen wir uns zu einer -weiteren Pürsche durch den Busch und die Uferpartien des Sees. Aber die -Feldflaschen waren vergessen; wir mußten zum Lager schicken und warten.</p> - -<div class="sidenote">Zebras und Hartebeeste.</div> - -<p>Während die Neger im Schatten ruhten, kletterte ich auf einen Baum und -sah in dem hohen Gras zahlreiche Zebras,<span class="pagenum"><a id="Seite_182"></a>[S. 182]</span> Hartebeeste, Riedböcke und -Wasserböcke. Durch das Gras gedeckt kam ich an ein Rudel Zebras nahe -hinan. Die feine Zeichnung dieser schönen Steppenpferde fiel mir heute -besonders auf; die Linien und Streifen über die Decke hin, über Kopf, -Hals und Mähne gaben ihnen ein samtartiges, geschmücktes Aussehen. Die -Zebras waren voll und rund, ganz im Gegensatz zu unseren Reittieren -mit ihren eckigen Formen. Lange genoß ich den schönen Anblick. Auf -meinem Maultier ließen sie mich sehr nahe kommen und flüchteten dann -im Galopp. War das ein Anblick für den Naturfreund und Jäger! Wie die -Mähnen federten, die Schwänze flatterten! Dicht drängte sich das Rudel -in der Flucht zusammen, und Staub schwebte hinter ihm.</p> - -<p>Unteroffizier Lauer schoß sein erstes Hartebeest. Der Boy kam mit -den Feldflaschen voll kaltem Tee. Ein Imbiß wurde genommen: kalter -gekochter Reis und eine Dose Sardinen.</p> - -<p>Die Natur der uns umgebenden Wälder ist in den Karten treffend mit den -Ausdrücken: „lichter Buschwald“, „Parklandschaft“ bezeichnet. Man geht -zwischen niederen Büschen im Schatten größerer Bäume.</p> - -<p>Eindrucksvoll ist der sogenannte Galeriewald, der die Ufer des Sees und -die jetzt trockenen Flußbetten säumt. Nach dem Wasser hin bildet er, -wie Regenwald, Wände grüner Pflanzenmassen, auch in der Trockenzeit. -Im Unterholz finden sich, die Laubbäume umschlingend und verbindend, -Lianen mancherlei Art, dazwischen große und kleine Dumpalmen; -stellenweise stehen ganze Haine der etwa fünfzehn Meter hohen Palmen -beisammen und alte, von Tieren abgenagte Kerne liegen haufenweise auf -dem Boden. Dieselben Kerne fand ich häufig auch an Stellen, wo keine -Palmen standen, als Reste von Elefantenlosung; denn die Elefanten -lieben die Früchte, und auch die Menschen nagen gern die dünne -Fleischschicht ab, die den großen Kern umgibt und im Geschmack an Äpfel -erinnert.</p> - -<p>In einer Talsenkung war eine kleine Waldwiese mit einem Teiche.</p> - -<p>Ich hatte gehofft, hier irgend etwas Besonderes zu finden; doch -nur zwei junge Swallahböcke mit handlangem Gehörn<span class="pagenum"><a id="Seite_183"></a>[S. 183]</span> spiegelten ihre -schlanken Leiber in dem glatten Wasser. Sonst war der Wald wie -ausgestorben; wo keine Vögel, keine Affen sind, da kann man auch kein -Raubzeug erwarten.</p> - -<p>Um so lebendiger war es am See. Dutzende von Krokodilen lagen am Ufer, -Flußpferde fauchten und trieben sich im Wasser; die Vogelwelt fehlte -aber auch hier gänzlich.</p> - -<p>Im Lager erwarteten mich Boten mit Greuelnachrichten aus fernen -Gegenden, und schleuniger Rückmarsch zum Strom schien geboten. Die -angekündigten Wapogoro waren noch nicht zu sehen. Sollte ich ihretwegen -bleiben? — Sie konnten ja auch nachkommen!</p> - -<p>Das Essen war fertig, die Lasten geschnürt, ich wartete bis gegen -drei Uhr, dann brach ich auf. Nach kurzem Marsche öffnete der Himmel -plötzlich seine Schleusen und ein Regen, wie ich ihn noch nicht gesehen -hatte, strömte auf uns und auf den von der Trockenheit zerklüfteten -Boden herab; in unglaublich kurzer Zeit stand das Wasser fußhoch. Ich -hatte keine Blechkoffer und mußte um meine Sachen und Sammlungen in -den Kisten besorgt sein. Aber was half es! Die Sorge war zwecklos und -wich bald einer stillen Ergebung in das Schicksal. Wir selbst wurden -durchnäßt bis auf die Haut; weiter ging es nicht, damit tröstete ich -mich und den Unteroffizier.</p> - -<p>Ein neues Mißgeschick kam hinzu: Mein Reittier wollte nicht mehr -vorwärts. Es war offenbar krank, und schien überhaupt nicht mehr -leben zu wollen. Unter Bewachung einiger Askari wurde es im Busch -zurückgelassen. Wir haben später nur sein Grab wiedergesehen.</p> - -<p>Als die Abendsonne noch einmal durch die Wolken brach, wie um -nachzusehen, welchen Eindruck die Dusche auf uns gemacht hatte, wurden -ihre spärlichen Strahlen noch genutzt, um unsere Sachen schnell zu -trocken. Wir befanden uns in einer Ortschaft unterworfener Leute im -Busch. Große Feuer wurden angezündet und das Mißvergnügen über die -Unbequemlichkeiten der Regenzeit beim Abendbrot vergessen.</p> - -<div class="sidenote">Riedböcke.</div> - -<p>Ein anderes Mal war ich mit meiner Truppe auf dem Marsche von den -Kitschibergen in die Ebene, als mir ein<span class="pagenum"><a id="Seite_184"></a>[S. 184]</span> Sprung besonders starker -Riedböcke zu Gesicht kam. Das Schießen von Wild auf dem Marsche hält -oft unliebsam auf, da man nie weiß, ob nicht eine lange Nachsuche nötig -sein wird; deshalb ist es ratsam, in den ersten Marschstunden nichts -zu schießen und erst in der Nähe des Marschziels nach einem Braten -auszusehen, um auch den Trägern den Weg mit dem Fleisch möglichst zu -kürzen.</p> - -<p>Heute aber ließ ich die Karawane halten, lief den Riedböcken nach und -versuchte, da ich nicht viel Zeit opfern wollte, einen Schuß auf etwa -250 Meter mit Visier 300, unten angefaßt.</p> - -<p>Deutlicher Kugelschlag. — Das Rudel, flüchtig, wird von dem kranken -Bock zurückgehalten — wie man häufig beobachtet, daß ein krankes, -zurückbleibendes Stück die übrigen Tiere veranlaßt, zu warten.</p> - -<p>Ich laufe schnell nach und sehe den Bock mit einem Schuß kurz Blatt -nicht weit von mir flüchtig werden. Um die Jagd abzukürzen, schieße -und schieße ich, habe aber nur Vollmantelgeschosse geladen, die -im Gegensatz zu angefeilten und Bleispitzengeschossen nur geringe -Zerstörung im Wildkörper anrichten und deshalb ruhige, gute Schüsse -voraussetzen, wenn sie Erfolg haben sollen.</p> - -<p>Die Wirkung ist entsprechend gering, wenngleich von den fünf auf das -flüchtige Wild abgegebenen Schüssen zwei gut und einer als Streifschuß -sitzen.</p> - -<p>Jetzt tut der Bock sich nieder und bekommt einen Fangschuß durch den -Hals. So mittelmäßig diese Hetzjagd war, der Anblick des Gehörns ließ -kein Mißvergnügen aufkommen. Das Tier gehörte der größeren in diesem -Gebiet vorkommenden Art an. Sein Gehörn war breit ausgelegt und sehr -hoch, die Querwulste von feiner Plastik; die Decke war wolliger als die -des gelben Riedbocks.</p> - -<p>Ich habe nur ein Stück dieser Art am Rufiyi geschossen. Am Pungwe -in Südafrika erlegte ich später einen ähnlichen Bock. -(<a href="#pg175ill">Abbildung Seite 175.</a>) Den kleineren Bergriedbock, oder grauen Riedbock, der in -Südafrika und auf den Hügeln der Massaisteppe so häufig ist, habe ich -am Rufiyi nicht angetroffen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_185"></a>[S. 185]</span></p> - -<p>Es war noch in der Trockenzeit. Ich befand mich auf dem Rückwege von -einem Negerdorfe, in dem ich die wenigen Wapogoro angesiedelt hatte, -die sich unter meinen Schutz begeben hatten. Mein Zelt stand an einer -sandigen Böschung, die in der Regenzeit das Wasser eines breiten -Stromes begrenzt.</p> - -<div class="figcenter illowe30" id="pg185ill"> - <img class="w100" src="images/pg_185_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Gelber Riedbock vom Rufiyi.</p></div> -</div> - -<p>Zwei Stunden vor Sonnenuntergang brach ich auf, um auf Riedböcke zu -pirschen. Die Abendsonne schien freundlich in das Landschaftsbild; -klar zeichneten sich die fernsten Zweige ab; denn ein kurzer -Nachmittagsregen hatte die Luft gereinigt. Dicht bei einem kleinen, von -allen Seiten zugänglichen Tümpel zogen zwei Riedböcke; äsend und öfters -sichernd näherten sie sich einer Bodenfalte, in der sie für kurze Zeit -verschwanden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_186"></a>[S. 186]</span></p> - -<p>Ich lief schnell bis auf fünfzig Schritt hinan. Die Ricke warf auf und -äugte nach mir; ich stand ganz frei vor ihr.</p> - -<p>Von dem Gelb der Decke hoben sich die dunkeln Lichter, der Grind und -die Luserspitzen stark ab. Wohl zwei Minuten äugte das niedliche -Gesichtchen nach mir herüber, dann tat die Ricke einen quietschenden -Pfiff und sprang ab. Der Bock — ein Schneider — hinterher.</p> - -<p>Für den Pfiff habe ich einen naheliegenden Vergleich: es ist der -Ton, den Gummihunde und -puppen von sich geben, die innen hohl sind, -ein metallenes Pfeifchen haben und durch schnelles Zusammendrücken -musikalisch betätigt werden.</p> - -<p>Die Riedböcke hatte ich also laufen lassen! Weiter. Als nächstes Wild -sah ich Hartebeeste; mochte ich heute nicht. Dann, als die Sonne -schon zur Rüste ging, einen Riedbock und drei Ricken in welligem, -recht freiem Grasland. Zwei der Ricken gingen voraus, der Bock und -ein Schmaltier blieben auf einem Sandrücken stehen. Ich näherte mich -vorsichtig bis auf vierzig Schritt und stellte mich so, daß ich gerade -über die Gräser einer flachen Kuppe hinwegsehen konnte.</p> - -<p>Ich bin sehr nahe an dem Wild, der Wind ist aber gut, es wäre die -schönste Gelegenheit zu einer Aufnahme, aber leider habe ich die -Kamera nicht zur Hand. Darum suche ich mir den Anblick um so genauer -einzuprägen und beobachte die Tiere einige Minuten lang: Der Bock -erscheint dunkler als die Ricke, sein Hals ist stärker, die ganze -Gestalt voller, die Haltung des Kopfes ist steiler, das dunkle Gehörn -wirkt aus dieser Nähe als schöner Schmuck. — Die beiden Tiere äsen -friedlich. Endlich entschließe ich mich zum Schuß. Der Bock, auf -den Stich getroffen, sinkt lautlos zusammen, Hals und Kopf bleiben -aufgerichtet. Nach einigen schwachen Versuchen, sich zu erheben, bleibt -er still sitzen, kein Mensch könnte diesem Tiere ansehen, daß es -tödlich getroffen ist. Das erstaunlichste aber ist: Selbst die Ricke -merkt es nicht, obwohl sie nahe bei dem Bock steht; hat auch den Schuß -nicht beachtet. Sie sieht wohl einmal nach dem Gefährten hin, äst dann -aber ruhig weiter. Ich gebe dem Bock noch einen Schuß aufs Blatt; er -verendet.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_187"></a>[S. 187]</span></p> - -<p>Dasselbe rätselhafte Verhalten der Ricke! Sie äste noch einige Minuten, -hatte dabei offenbar das Bestreben, vorwärts zu gehen und äugte -mehrmals nach dem Toten, weil er nicht mitkam.</p> - -<p>Dann stand sie eine Zeit lang mit erhobenem Kopfe und schien die beiden -anderen Ricken zu suchen. Sah sie nicht; denn die standen seit dem -ersten Schuß, wie ausgestopft, auf 250 Schritt und äugten herüber. -Endlich entfernte sich die kleine Ricke in lässigem Galopp, ohne mich -bemerkt zu haben.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg187ill"> - <img class="w100" src="images/pg_187_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Warzenschweine; Keiler und Bache.</p> - -<p>An der Küste sehr häufig und der Landwirtschaft schädlich; für den -Jäger ungefährlich. Ungemein häßliche Tiere. Hauptnahrung der Löwen. Wo -der Mensch die Löwen ausrottet, werden die Schweine oft zur Landplage.</p></div> -</div> - -<p>Den Bock ließ ich bis zur Löwenfalle tragen und brach ihn dort auf.</p> - -<p>Die Falle hatte ein Askari, dem das besonderes Vergnügen machte, nahe -beim Lager aufgestellt und eine kleine Umzäunung gebaut; dahinein wurde -der Aufbruch des erlegten Wildes geworfen,<span class="pagenum"><a id="Seite_188"></a>[S. 188]</span> nachdem es in weitem Bogen -herumgeschleift war, um den Raubtieren Witterung zu geben.</p> - -<p>Die Sonne war kaum untergegangen, die regenfeuchte Erde verbreitete -eine wohltuende Kühle, da kam ein tiefes dumpfes Brüllen aus einem der -nächstliegenden Büsche.</p> - -<p>Der Löwe mußte schon vorher in unserer Nähe gewesen sein und zog jetzt -der Witterung nach. Ein zweiter ließ sich nicht weit davon hören. —</p> - -<p>Nach einer halben Stunde erklang es aus der Ferne noch einmal. Ich -kniete vor dem Dornenzaun meines Lagers, neben mir drei Askari mit -ihren Gewehren. Einen Augenblick sahen wir den Löwen in der Nähe der -Falle zwischen den Büschen, und glaubten er würde hineingehen.</p> - -<p>Er tat es leider nicht, wie ich am andern Morgen sah; eine Hyäne war, -vielleicht schon bevor die Löwen an dem Platz vorbeikamen, in das Eisen -gegangen, hatte es etwa sechzig Schritt weit geschleppt, sich dann -befreit, und nur einige Haare und etwas Schweiß zurückgelassen.</p> - -<p>Riedböcke sind mir stets ein begehrenswertes Wild gewesen, und ich -habe selten eine Gelegenheit vorüber gehen lassen, einen guten Bock zu -schießen. Fleisch gebrauchte ich für meine Karawane immer; die Jagd hat -einen ähnlichen Reiz, wie die Pirsch auf Rehböcke; weil man bei diesen -Tieren meist die Möglichkeit hat, den Starken zu suchen; das kleine -schwarze Gehörn aber wird ebenso wie Gamsgehörn und Rehkrone in Stunden -der Erinnerung Gegenstand langer ästhetischer Betrachtungen. Die -Ähnlichkeit des Wildes im Aussehen und Benehmen mit dem heimatlichen -Rehwild ist ganz erstaunlich; wo ich jagte besonders konnte ich unter -dem Eindruck der Rehbirsch stehen; denn die Riedböcke bevorzugten -breite, freie Sandflächen mit wenig Gebüsch und kurzem Gras. Von weit -her konnte ich die gelb-rot gefärbten Tiere wahrnehmen.</p> - -<p>Nie habe ich mehr als sechs Riedböcke an einem Platze zusammen -beobachtet, meist einen Bock und eine bis zwei Ricken allein, ähnlich, -wie unsere Rehe zusammen leben. Die Riedböcke lieben die Nähe des -Wassers, und man kann sicher sein, sie in Gras<span class="pagenum"><a id="Seite_189"></a>[S. 189]</span>niederungen, die von -Flüssen durchschnitten werden, zu finden. Der Riedbock ist sehr bequem; -er legt keine weiten Strecken zurück und ist täglich an derselben -Stelle wieder anzutreffen. Ich habe einen einzelnen Bock, den ich an -der Stärke seines Gehörns kannte, mehrere Tage hintereinander an einer -bestimmten Stelle angebirscht, dann nach Wochen und Monaten wieder dort -gesehen.</p> - -<p>In den Morgenstunden sieht man die Riedböcke in kurzem Grase äsen, -doch tun sie sich bald im höheren Grase nieder und verzichten dabei -auf Schatten. Ihre Harmlosigkeit ist sehr groß; selbst wenn sie sich -aus Verdacht erhoben haben, setzen sie sich sehr bald wieder. Dies -Hinsetzen gleicht mehr einem trägen Sichfallenlassen; das Bedürfnis -nach Ruhe scheint ungemein stark zu sein; doch wird der Riedbock, -plötzlich überrascht, schnell flüchtig. Auch dann ist er mir selten -entgangen, wenn ich ihn schießen wollte. Ich hatte eine bemerkenswerte -Art der Jagd herausgefunden: Während das Stück in Bewegung war, lief -ich ihm nach, um es im Auge zu behalten, und an einem günstigen Platz -in Anschlag zu gehen; denn der Bock bleibt sehr bald stehen, stellt -sich breit und äugt zurück. Machte er aber nicht Halt, dann brachte ein -Schuß über seinen Kopf hin, ihn fast regelmäßig zum Stehen. Der nächste -Schuß darf dann freilich nicht lange auf sich warten lassen!</p> - -<p>Selten habe ich es nötig gehabt, einem hochgebrachten Stück in -dichteren Busch zu folgen. Das ist schwierig; die Aufgabe reizte mich -aber, als eines Tages ein frischer Regen alle alten Fährten ausgelöscht -hatte und die Folge auf einer gesunden Fährte dadurch möglich wurde.</p> - -<p>Ein starker Bock war von einer breiten Grasfläche gut in den Wind in -das Dickicht geflüchtet, wo ich nur Schritt für Schritt auf der Fährte -folgen konnte. Nach 300 Metern etwa sprang der Bock hinter einem Busch -ab; nach weiteren 500 Metern sehr aufmerksamen Pirschens sah ich seinen -Kopf hinter einer kleinen Fächerpalme etwa fünfzehn Schritt vor mir. -Mit einem schnellen Schuß streckte ich das Tier. Ich hatte die Stellung -ziemlich richtig angesprochen; der Schuß saß hinter der Schulter.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_190"></a>[S. 190]</span></p> - -<p>Die Riedböcke haben zwischen den Hinterblättern vier beutelartige -Vertiefungen von etwa drei Zentimeter Tiefe; Drüsen befinden sich nicht -darin. Da ich mir über die Bedeutung dieser Gruben nicht klar wurde, -fragte ich auch die Neger danach und bekam eine der häufigen Antworten, -aus denen der Weiße schließen muß, daß die Beobachtungsgabe des Negers -unzuverlässig ist. „Mit diesen Löchern“ hieß es, „erregen die Tiere -beim Laufen die Pfiffe, die ein erschreckter Riedbock gelegentlich von -sich gibt!“</p> - -<p>Eines Tages pirschte ich mit dem Bezirksamtmann von Mohorro, Herrn -Graß. Wir brauchten notwendig Fleisch, deshalb sollten auch schwache -Böcke daran glauben. Das erste Stück bemerkte ich und schoß flink, als -ich sah, daß es ein Gehörn hatte. Es fiel mit Kreuzschuß, dabei war -nichts Besonderes. Aber jetzt kam es drollig: Die nächsten drei Stücke -zogen in lichte Flötenakazien, und wieder bemerkte ich die Tiere vor -den Schwarzen. Rechtwinklig zur bisherigen Marschrichtung pirschten wir -nach, sahen durch die Gläser und suchten nach Gehörnen. So vergingen -einige Minuten, da raunte uns ein Neger mit erregter Stimme zu: -„Bwana! dort ist Wild, da! da!“ und zeigte in die Richtung auf unsere -Riedböcke. Wir dachten mindestens an Löwen und stierten vergeblich -suchend ins Gelände. „Ja, seht ihr’s denn nicht?“ sagte in überlegenem -Tone der Schwarze. „Meinst du die Riedböcke?“ Wirklich, so war’s! Ich -hätte ihn prügeln mögen, daß er unsere Erwartungen vergeblich anspannte!</p> - -<p>Endlich steht der Starke schußrecht vor einem Busch.</p> - -<p>Ich schieße; Kugelschlag!</p> - -<p>Er springt ab; hinter dem Busch aber, vierzig Schritt weiter, schlägt’s -mit den Läufen: da liegt ein Spießer! Ich hatte den ersten überschossen -und den zweiten getroffen, ohne ihn gesehen zu haben! In beiden Fällen -hatte ich zu hoch geschossen, weil ich die Entfernung überschätzte.</p> - -<p>Ich brachte mehrere Tage in dem unbewohnten Busch im Süden der -Landschaft Usaramo zu, um die Zustände dort kennen zu lernen, und -Verstecke versprengter Aufständiger, von denen ich Nachricht erhalten -hatte, zu suchen.</p> - -<p>Es war Anfang Oktober, also gegen Ende der Trockenzeit.<span class="pagenum"><a id="Seite_191"></a>[S. 191]</span> Der Wald sah -winterlich kahl aus, der Boden war steinhart und das Gras, wo es noch -nicht niedergebrannt war, völlig dürr. Trotzdem war Wild zu spüren: -Zebra, Wasserbock, Elenantilope und einzelne Büffel. Auf ein Rudel -Swallah pirschte ich ohne Erfolg, ich bekam keinen der Böcke zu Schuß. -Ebenso ging es mir mit zwei fast schwarzen Rappböcken, an denen die -ganze Karawane auf fünfzig Schritt vorbeigegangen war, ehe die stolz -dastehenden Tiere im Gewirr der Äste gesehen wurden.</p> - -<p>An einem kleinen, damals fast trockenen Fluß spürte ich auch Löwen und -Elefanten, konnte mich aber ihretwegen nicht aufhalten.</p> - -<p>Nach einigen Tagen traf ich die verlassenen Verstecke der Aufständigen. -Obwohl deutliche Anzeichen da waren, daß die Leute erst vor kurzem in -den kleinen Tümpeln im Bett des Baches Schlammfische gefangen hatten, -war keiner der heimlichen Räuber mehr aufzutreiben; ich mußte das -weitere Suchen einstellen, da die mitgeführten Nahrungsmittel zu Ende -gingen.</p> - -<p>Meine Leute verlangten nach Fleisch. Ich schlug abends nach langem -Marsch das Lager nahe an einem der wenigen, im schattigen Flußbett -versteckten Teiche auf, die von der Regenzeit zurückgeblieben waren, -und ging am frühen Morgen pirschen. An die dichte Vegetation des Baches -schloß sich lichter, dürrer Steppenwald. Dort suchte ich Wild und hielt -mich dabei in der Nähe des Wasserlaufes; aber das einzige Wild, was -mir in fünf langen Stunden zu Gesicht kam, waren Hartebeeste, die weit -flüchteten.</p> - -<div class="sidenote">Elenantilopen.</div> - -<p>Als ich im weiten Bogen schon beinahe auf meinen Lagerplatz -zurückgelangt war, kam ich an eine Stelle, die mit Fährten geradezu -bedeckt war. Elenantilopen! Hufabdrücke, die durch ihre Größe zuerst -auf Büffel schließen ließen; alle in einer Richtung und ganz frisch!</p> - -<p>Eifrig folgte ich der Spur und traf nach zwanzig Minuten die Herde -die in langsamer Bewegung vorwärts zog. Ich hieß meine Schwarzen sich -niederlegen und pirschte allein vorsichtig weiter, so gut es ging am -Rande eines Mimosengehölzes Deckung haltend. Aber es ging eben nicht; -denn ich zählte etwa achtzig<span class="pagenum"><a id="Seite_192"></a>[S. 192]</span> der großen Hornträger, die in den Büschen -zerstreut vorwärts gingen, so daß einige der Tiere mich stets sehen -mußten. Auffallend war der Unterschied in der Färbung der Tiere; ein -helles Braun herrschte vor, doch einzelne besonders starke Tiere waren -gelbgrau; das mußten die Bullen sein. Alle trugen hohe, gedrehte -Hörner. Ein prächtiger Anblick! Der vielen Kälber und der Mittagshitze -wegen schob sich die Herde nur langsam vorwärts, und ich hatte -Gelegenheit, die riesenhaften, als ziemlich selten geltenden Antilopen -zu beobachten, die ein Gewicht bis zu zwanzig Zentner erreichen. Da -ich Fleisch für meine Leute beschaffen mußte und nach den bisherigen -Erkundungen des Tages wenig Aussicht war, anderes Wildbret zu erhalten, -entschloß ich mich, ein Stück zu schießen. Die Wahl wurde sehr schwer, -da die Herde in ständiger Bewegung war und die Tiere sich durcheinander -schoben. Der Entfernung halber kamen überhaupt nur die letzten -Stücke in Betracht, und unter ihnen suchte ich nach einem möglichst -stattlichen Exemplar der hellgrau gefärbten Tiere, die ich für die -Bullen hielt. Da aber die Farbenabstufungen ineinander übergingen, -richtete ich mein Augenmerk bald mehr auf die stärksten Tiere und -wählte ein abseits gehendes, prächtiges Stück mit hohem Gehörn.</p> - -<p>Ich kam gut ab und hörte den Aufschlag des Geschosses, aber die -Antilope ging mit der Herde beschleunigt ab. Im vollen Lauf folgte -ich und sah bald, wie eine einzelne Elenantilope, offenbar krank, -langsam der Herde nachzog. Vom schnellen Laufe erregt, blieb ich einen -Augenblick stehen, um meine Ruhe wieder zu gewinnen und schoß spitz von -hinten auf den Hals; die Antilope brach zusammen.</p> - -<p>Als ich neben dem gefallenen Wild stand, sah ich mit Schrecken, daß es -eine Kuh mit vollem Euter war; alle Freude an dem Jagderfolg schwand. -Mißmutig und ziemlich ermattet zog ich meinen Rock aus und legte -mich in den spärlichen Schatten einer Akazie, um die Leute mit der -Feldflasche und den Messern zu erwarten. Ich hatte, einem erprobten -Grundsatz folgend, trotz der sengenden Sonnenglut den ganzen Morgen -keinen Tropfen getrunken und war durch das schnelle Laufen stark -erhitzt; die Zunge<span class="pagenum"><a id="Seite_195"></a>[S. 195]</span> klebte am Gaumen und ich sehnte mich nach einem -erfrischenden Trunk.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg193ill"> - <img class="w100" src="images/pg_193_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Elenantilope.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_193_ill_gross.jpg" id="pg_193_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="sidenote">Elenantilope.</div> - -<p>Aber der Boy kam ohne die Feldflasche! Ein Askari bot mir Wasser aus -der seinen. Ich widerstand der Versuchung; ungekochtes Wasser? Nein, -lieber weiter dürsten, als sich einer Dysenteriegefahr aussetzen. Ich -saß in schlechter Laune und starrte auf meine Jagdbeute, da fiel mein -Blick auf das volle Euter der eben erlegten Antilope. Ich dachte mir, -es sei nichts Unappetitliches, einem noch lebenswarmen Tiere die Milch -zu nehmen und es interessierte mich auch, den Geschmack kennen zu -lernen; sollen doch ähnliche Antilopen bei den alten Ägyptern Haustiere -gewesen und wie Milchkühe genutzt worden sein. Ich füllte einen Becher -mit der warmen Milch und trank — es schmeckte genau wie frische -Kuhmilch.</p> - -<p>Während meine Leute das Tier sorgfältig abdeckten und sich über den -großen Fleischvorrat freuten, dachte ich daran, ob das Kälbchen wohl -eine Pflegemutter finde? Es schien mir sehr unwahrscheinlich. Nur -von wenigen Tieren weiß man, daß säugende Mütter sich fremder oder -verwaister Kälber annehmen. Vom Elefanten wird es behauptet; bei -Flußpferden beobachtete ich einen Fall, bei dem nach Abschuß einer -Mutter das etwa zwei Monate alte Junge einige Tage später treibend im -Strome gefunden wurde. Vielleicht war kein Weibchen mit ausreichender -Nahrung vorhanden gewesen, hier bei der Herde waren aber mehrere -Mütter, die die Ernährung hätten übernehmen können. Hoffentlich haben -sie sich der armen Waise angenommen.</p> - -<p>Es ist gut, wenn sich der Jäger über die Folgen seiner Handlung selbst -zur Rechenschaft zieht. Auch in diesem Falle konnte ich mich nicht -damit entschuldigen, daß es schwierig ist, die Bullen von den Kühen zu -unterscheiden; denn der richtige Jäger <em class="gesperrt">muß</em> diese Unterscheidung -machen und sie als eine gesteigerte Anforderung betrachten. Die -Tatsache, daß es viele nicht können, ändert nichts an dem Unheil, das -durch Abschießen stillender Tiere angerichtet wird. Aber auch der beste -Jäger hat wohl dem Wilde viel Leid zugefügt und mußte viel Lehrgeld -zahlen,<span class="pagenum"><a id="Seite_196"></a>[S. 196]</span> bis er es zum waidgerechten Jagen brachte und mit sich -zufrieden sein konnte.</p> - -<p>Ich erinnerte mich an ein Bild, das mir als Jungen von vierzehn Jahren -und angehenden Jäger tiefen Eindruck gemacht hat:</p> - -<p>Auf einsamer Höhe steht ein Hirschkalb bei seiner toten Mutter.</p> - -<p>„Verwaist“, lautete die Unterschrift. — —</p> - -<p>„Mir sind die Jäger überhaupt unverständlich,“ sagte ein Freund, „sie -schießen die Tiere tot und nachher tut es ihnen leid.“</p> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_197"></a>[S. 197]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg197ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_197_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Unteroffizier Lauer sieht sich das Gehörn meines -am Rufiyi erlegten Büffels an. Daneben liegen Gehörne von Gnus, -Wasserböcken und eine Rappantilope. — Im Hintergrunde sieht man den -Pallisadenzaun, links eine angefangene Hütte, rechts die „Hauptwache“, -und den Hund „Moritz“.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Bueffeljagden">Büffeljagden.</h2> - -</div> - -<p>In Ostafrika gilt das Gehörn eines starken Kaffernbüffels als die -schönste Trophäe, die ein Jäger erbeuten kann. Nicht mit Unrecht steht -hier der Büffel über dem Löwen; denn ob man einen Löwen antrifft, ist -meist Zufall, und die Reviere, in denen man mit der Absicht, Löwen zu -schießen, pirschen kann, sind selten. Der Erfolg ist weniger von der -eigenen Kunst als vom Glück abhängig. Wer aber heute Büffel jagen will, -muß sie suchen, darf keine Mühe und Anstrengung scheuen und kann dann -den Erfolg meist dem eigenen Geschick zuschreiben. Wer die entlegenen, -schwer zugänglichen Plätze, an denen Büffel stehen, nicht aufsucht und -sich von Mißerfolgen abschrecken läßt, wird die heimlichen Rinder der -Wildnis nicht zu sehen bekommen.</p> - -<p>Man unterscheidet mehrere Arten von afrikanischen Büffeln; unter ihnen -ist der Kaffernbüffel der stärkste. Ihm nahe steht der<span class="pagenum"><a id="Seite_198"></a>[S. 198]</span> abessynische; -der westafrikanische Rotbüffel ist kleiner, die Hörner sind kurz, die -hellere, gelbbraune Färbung läßt den Ausdruck der Wildheit nicht so -stark hervortreten.</p> - -<p>Den Kaffernbüffel zeichnet seine Seltenheit, seine aus vielen Berichten -bekannte Angriffslust und Gefährlichkeit aus, und macht die Jagd auf -ihn zu dem reizvollsten Unternehmen, das der Jäger in Ostafrika kennt. -Von ihren Büffeljagden erzählen selbst alte Jäger mit großer Wärme und -Begeisterung, und ich habe oft gemerkt, daß mein Ansehen als Jäger -bedeutend stieg, wenn ich meine starken Büffelgehörne zeigen und wenn -ich glaubhaft machen konnte, ich habe sie selbst erbeutet.</p> - -<p>Nach dem, was ich mit den Büffeln erlebte, verstehe ich auch, daß -jeder erfahrene Jäger den Erzählungen von Büffeljagden mit besonderer -Neugierde lauscht.</p> - -<p>Der Büffelstier trägt gewaltige, helmartig auf dem starken Knochenbau -des Kopfes aufgesetzte Hörner, die bei alten Bullen eine Breite von -30 Zentimeter und eine Auslage von über 1,20 Meter erreichen und -deren Masse sich auf dem Scheitel fast vereinigt. Während diese -schützend auf dem Schädel aufgelegte und durch starke Knochenzapfen -getragene Hornmasse das Tier befähigt, durch die Wucht seines -Ansturms niederzudrücken, was sich ihm in den Weg stellt, und starke -Stöße aufzufangen, bilden die nach vorne und oben gebogenen spitzen -Hörner eine Waffe, die gefährliche Verletzungen austeilen kann. Die -Hörner sind nach hinten geneigt und verlaufen, sich verjüngend, in -regelmäßiger Biegung bis zu den Spitzen.</p> - -<p>Der Anblick des herrlichen Gehörns ruft in dem Jäger den Wunsch wach, -den kräftigen Tierkörper einmal zu sehen, der diesen Kopfschmuck als -Schild und Waffe vor sich herträgt.</p> - -<div class="sidenote">Büffel; Seltenheit.</div> - -<p>Leider ist aber der Kaffernbüffel<a id="FNAnker_15" href="#Fussnote_15" class="fnanchor">[15]</a> in Ostafrika jetzt ziemlich -selten. Während früher ganze Herden der Tiere in den Gebieten zwischen -Tana und Rovuma zu finden waren, leben heute<span class="pagenum"><a id="Seite_199"></a>[S. 199]</span> nur noch kleine Trupps, -die die Rinderpest durch Zufall oder besondere Veranlagung überstanden -haben.</p> - -<p>Ihr Aufenthalt ist nicht mehr in den offenen Steppen, wie in früheren -Zeiten, sondern in schwer zugänglichen, von Menschen gemiedenen -Schilfniederungen und einsamen, kühlen Wäldern mit guten Weiden und -Wasser.</p> - -<p>Ich hatte Glück mit den Büffeln.</p> - -<p>Allerdings habe ich den ersten Büffel, ebenso wie seinerzeit den ersten -Hirsch, den ersten Elefanten und später auch das erste Nashorn, das ich -sah, nicht zur Strecke gebracht.</p> - -<p>Es war am Rufiyi; ein Abend nach langem Marsche. Ich suchte Wild, um -die hungrigen Mägen meiner Askari und Träger zu füllen; traf im hohen -Schilfgras alte und neue Büffelfährten, folgte hierhin und dorthin, bis -die Sonne dem Horizont nahe war, und blieb endlich auf einer kleinen -Anhöhe stehen. — — Da sah ich, wie sich aus einem dunklen Etwas, das -ich für einen Erdhügel angesehen hatte, ein gekrümmtes Horn erhob. — -— Ein Büffel auf etwa dreißig Schritt!</p> - -<p>Die Sonne steht genau über dem Tierkörper und blendet mich, während -die Umrisse der regungslos verharrenden Masse in dem Feuer des -Lichts verschwimmen, so daß ich auf dem dunklen Tierkörper nichts -unterscheiden, und nur aus der Stellung des plötzlich aufgetauchten -Horns schließen kann, wo ich die Stirn etwa zu suchen habe. Schnell -greife ich nach der Büchse, die ein Schwarzer trägt, und schieße kurz -entschlossen auf den Kopf etwas unter die Hörner.</p> - -<p>Der Büffel wirft sich herum und verschwindet, in hohem Schilfgrase -davontobend.</p> - -<p>Ich folgte der Fährte des kranken Stiers, solange es das Tageslicht -erlaubte. Er war im Galopp durch das Schilf gestürmt; an mehreren -Stellen fand sich Schweiß. Als ich der Fährte eine halbe Stunde lang -nachgegangen war, wurde es dunkel und ich mußte die Jagd abbrechen in -der seltsamen Stimmung, die jeder Jäger in der Lage kennt: Grübeln, -Hoffnung, Ausfragen aller Leute, die so aussehen, als könnten sie einem -Mut zureden, Vorwürfe gegen sich selbst und das ewige<span class="pagenum"><a id="Seite_200"></a>[S. 200]</span> „wenn“ und -„aber“ auf alle durchlebten Momente der Jagd angewandt; endlich wieder -hoffnungsfrohes Ausmalen des Erfolges: wenn wirklich der erste Büffel -zur Strecke gebracht wäre! Und der Gedanke an den und jenen Freund, dem -man seine Freude mitteilen wird!</p> - -<p>Aber ich mußte mir sagen, daß die Hoffnung, den Büffel zu finden, -gering war; denn ein Kopfschuß hat nur Sinn, wenn er das Gehirn trifft -und das Tier gleich umwirft.</p> - -<p>Bei ruhiger Überlegung wußte ich, daß dieser Büffel für mich verloren -war, und in bösen Augenblicken peinigte mich der naheliegende Gedanke, -daß mein Schuß dem edlen Tiere Verletzungen am Geäse beigebracht -haben konnte, die ihn an der Aufnahme von Nahrung hinderten und zum -Hungertode verurteilten, eine Möglichkeit, die schon manchen sicheren -Schützen und gewissenhaften Jäger von den Kopfschüssen abgebracht hat.</p> - -<p>Auf den Kopf habe ich geschossen, weil mir aus Wißmanns und anderer -Jäger Schilderungen in Erinnerung war, daß ein Büffel stets annimmt und -weil die Entfernung zwischen mir und dem Büffel zu gering war, als daß -er, durch einen Blattschuß verwundet, mich nicht mehr hätte erreichen -können. — Ein Kopfschuß, der das Gehirn trifft, tötet jedes Tier auf -der Stelle.</p> - -<p>Es ist mir nicht klar, wie ich den Büffel getroffen habe. Mit einem -Blattschuß oder Weidewundschuß hätte ich ihn jedenfalls zur Strecke -gebracht.</p> - -<p>Ich mußte am nächsten Morgen weitermarschieren. Erprobte Eingeborene -suchten den kranken Büffel noch tagelang und stellten fest, daß er -lebte und die alte Wasserstelle, einen unzugänglichen Sumpf, annahm. -Die Leute kannten ihn als den „roten“ Büffel; er sollte ausnahmsweise -rötliche Behaarung tragen, was ich bei der Beleuchtung nicht sehen -konnte.</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="sidenote">Ein Mißerfolg.</div> - -<p>Daß ich den ersten Büffel nicht hinter die Schulter schoß, konnte ich -mir lange nicht verzeihen und mein Wunsch, so edles Wild wieder zu -treffen und dann die Scharte auszuwetzen, wurde immer brennender.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_201"></a>[S. 201]</span></p> - -<p>Wenige Monate später schien er in Erfüllung zu gehen. Als ich -wieder einmal in eine Gegend kam, in der ich die ziemlich frische -Fährte eines starken Büffels sah, nahm ich meine zwei besten und -ausdauerndsten Leute mit und suchte vom frühen Morgen an nach dem -heimlichen Wild. Nach rastlosem Marsche durch offenen Busch mit -eingestreuten Grasflächen kam ich gegen drei Uhr nachmittags an eine -Schilfniederung, warf mich ermüdet im Schatten eines großen Mangobaumes -nieder und schickte Sefu, meinen Gewehrträger, in den Baum, um nach -Wild auszusehen. Ali, mein zweiter Begleiter, umkreiste die anderen -Mangobäume und entdeckte an den von Menschen und Tieren bereits -abgeernteten Bäumen noch einige versteckte Früchte.</p> - -<p>Wenn es doch überall Mangobäume und Kokospalmen gäbe! dachte ich (— — -dann, muß es allerdings heißen, würden die Neger gar nicht arbeiten!). -Der Saft einer Kokosnuß oder das Fleisch einer reifen <span class="antiqua">embe dodo</span>, -einer großen Mangofrucht, gehören nach anstrengendem Marsch zu den -großen Genüssen, die Afrika bietet. Im Schatten eines fruchtbeladenen -Mangobaumes ruhend, kann man getrost singen: „Bei einem Wirte -wundermild, da bin ich heut zu Gaste.“</p> - -<p>Die einzigen Störenfriede waren heute Ameisen, die in reichlicher -Anzahl den Boden bedeckten und mich aus dem kühlen Schatten vertreiben -zu wollen schienen.</p> - -<p>Ich dachte gerade, ob ich wohl einen Büffel zur Strecke bringen würde -und dann den ersten Mißerfolg auf das heiß begehrte Wild vergessen, -als Sefus Stimme hoch oben aus dem Baume erklang: „Ich sehe Wild. — -Vielleicht Wasserbock!“ Wie mich die Meldung des Schwarzen aufspringen -ließ! Merkwürdig: ich glaubte nicht an Wasserbock, und war fest -überzeugt, es müsse das ersehnte Wild sein.</p> - -<p>Mit neuem Mut stieg ich selbst auf den hohen Baum und sah durch das -Doppelglas einen langen, grauen Wildkörper, der mir für die Entfernung -von etwa 1500 Meter sehr groß erschien; das mußte ein Büffel sein! -Schnell die Richtung eingeprägt und dann durch hohes Gras drauflos.</p> - -<p>Als wir noch nicht an der Stelle angelangt waren, die ich mir<span class="pagenum"><a id="Seite_202"></a>[S. 202]</span> gemerkt -hatte, klettere ich wieder auf einen Baum, dessen schwache Äste soeben -meinem Zweck genügten, konnte aber den Büffel nicht mehr an dem alten -Platze sehen.</p> - -<p>Vor mir lag ein Sumpf mit hohem Schilf in einer Ausdehnung von etwa 700 -Meter Länge und 300 Meter Breite. An dem jenseitigen Rande des Sumpfes -fand ich mit dem Auge die Stelle wieder, an der der Büffel gestanden -hatte.</p> - -<p>Ich überlegte noch, ob ich den Sumpf umgehen und die Fährte aufnehmen -sollte; da blickte ich zufällig unter mich und gewahrte den Büffel etwa -fünfzig Schritt von mir entfernt, wie er langsam durch das Schilf ging -und gerade eine kleine, tiefere Pfanne passierte, in der die Gräser -weniger hoch waren.</p> - -<p>Schnell winke ich dem Sefu, mir die Büchse zu reichen, — — das -gelingt; und von meinem schwankenden Beobachtungsstand aus gebe ich dem -stahlblau aussehenden Tiere einen Schuß hinter die Schulter, gerade als -es in höherem Schilf verschwinden will.</p> - -<p>Gut getroffen macht der Bulle ein paar mächtige Galoppsprünge, und ich -sehe an der Bewegung im Schilf, wie weit er geht. — — Das ist kaum -mehr als 30 Meter vom Anschuß.</p> - -<p>Nichts regte sich mehr.</p> - -<p>Meine Neger standen unter dem Baum, reckten die Hälse, konnten aber -nicht über das hohe Gras hinweg sehen. Ich reichte die Büchse hinunter -— ein verfluchtes Gefühl, die geladene Büchse an der Mündung fassen zu -müssen oder sie in der Lage herauf zu bekommen! — und stieg selbst von -meiner Kanzel.</p> - -<p>„Nyati!“<a id="FNAnker_16" href="#Fussnote_16" class="fnanchor">[16]</a> sagte ich in würdevollem Tone zu meinen beiden Getreuen, -denen ich vor Freude je fünfzig Rupie geschenkt hätte, wenn ich sie zur -Hand gehabt hätte.</p> - -<p>Ich war in einem Zustand, wie ein Kind vor der verschlossenen Tür, -hinter der der Weihnachtsmann ausgepackt hat. Noch ist das Geschenk -nicht mein, aber ich weiß, daß ich es bekomme. — Nur Geduld!</p> - -<p>Ich wollte eine Stunde warten, um dem Büffel Zeit zu lassen, sich zu -verbluten.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg203ill"> - <img class="w100" src="images/pg_203_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ein kapitaler Kaffernbüffel; das am meisten begehrte -Wild in Ostafrika.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_203_ill_gross.jpg" id="pg_203_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_205"></a>[S. 205]</span></p> - -<p>Solange es im Schilfe ruhig blieb, war es gewiß, daß er sich -schwerkrank nieder getan hatte; darum jetzt ruhig Blut, <em class="gesperrt">den</em> -haben wir!</p> - -<p>So saßen wir zu dritt unter dem kleinen Baume und hingen unseren -Gedanken nach, die gemeinsam bei dem Büffel verweilten. Doch dachten -meine Schwarzen wohl mehr an den Braten, ich an mein Jagdglück. — -Alles war mir heute günstig gewesen, als Lohn für die Ausdauer: die -zufällige Entdeckung des Wildes, mein Entschluß, den kleinen Baum zu -besteigen — an dem wir schon vorbei waren, als ich dachte: besser -ist besser —, endlich der Umstand, daß der Büffel gerade die Stelle -kreuzte, an der das Gras so niedrig war, daß ich wenigstens den Rücken -sehen konnte.</p> - -<p>Nach etwa zwanzig Minuten wurde den beiden Negern die Zeit des Wartens -zu lang und sie schlugen mir vor, nachzusehen, ob der Büffel tot sei.</p> - -<p>Wider bessere Einsicht ließ ich mich verleiten; die Neugierde gewann -auch bei mir die Oberhand. Ich gab die Richtung an. Sefu aber nutzte -einen Termitenhügel aus, im Vorbeigehen einen Ausblick zu gewinnen -und war noch nicht halb oben, als er sich plötzlich duckte und mich -heranwinkte.</p> - -<div class="sidenote">Der kranke Stier.</div> - -<p>Ich berühre im Vorbeigehen die Blätter einer kleinen Fächerpalme. Da -steht fünf Schritt vor mir, also unmittelbar hinter dem Hügel, der -Büffel auf, ein mächtiger dunkler Stier!</p> - -<p>Die Flanke ist rotgefärbt von Schweiß, der Kopf mit den gewaltigen -Hörnern vorgestreckt.</p> - -<p>Ohne Besinnen gebe ich ihm zwei Blattschüsse, während er davonrast.</p> - -<p>„Gehen wir nach,“ sagten Ali und Sefu zu meiner großen Verwunderung.</p> - -<p>„Ist der Büffel nicht gefährlich?“</p> - -<p>„Ja, wenn einer jagt und seine Bibi wird ihm untreu.“</p> - -<p>„Sonst nicht?“</p> - -<p>„Nein!“</p> - -<p>Dies „nein“ kam so überzeugend heraus, daß auch in mir der letzte -Zweifel an der Ungefährlichkeit des Büffels zerstört wurde.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_206"></a>[S. 206]</span></p> - -<p>Die Fährte war leicht zu verfolgen. Das hohe Gras war an der linken -Seite ununterbrochen rot gefärbt und unsere Kleider wurden von dem Blut -durchtränkt.</p> - -<p>Mehrmals wurde der Büffel dicht vor mir flüchtig, ehe ich ihn bemerkt -hatte; das Gras war etwa drei Meter hoch.</p> - -<p>Bei der Windstille hatte es keinen Zweck, lange zu überlegen; jede -Folge war ausgesprochener Leichtsinn, denn der Büffel mußte uns wittern.</p> - -<p>Aber in dem Suchen der Gefahr lag ein so seltener, heute leicht zu -erlangender Genuß, daß ich immer wieder in die Nähe des totwunden -Stieres ging.</p> - -<p>Noch zwei Schüsse gab ich ab, doch anstatt aufs Blatt auf die -Hinterschenkel, ich konnte nicht ausmachen, wo vorn, wo hinten war; -erst als der Büffel weiter stürmte, merkte ich meinen Irrtum. Dann -wurde das Gras so dicht, daß ich erst etwa auf sechs Schritt erkennen -konnte, wenn der Stier vor mir stand. —</p> - -<p>Ich sah die Gräser, die von seinem Atem bewegt wurden, — — — ging -noch näher und sah den nassen Grind, - — die Nüstern, — — — die -dunklen Lichter, — — — die gescheitelten Hörner, als er plötzlich -unter lautem Krachen des trocknen Grases wild fauchend losbrach.</p> - -<p>Wir stoben auseinander, erkannten jedoch im nächsten Augenblick, daß -er auch diesmal nichts von der Untreue der Bibis wußte, er nahm eine -andere Richtung.</p> - -<p>Ich wollte ihm jetzt den Fangschuß geben und befahl meinem Leichtsinn -ein energisches „Halt“!; nutzte wieder einen Baum aus und stand in noch -windigerer Position, als ich dem Büffel den letzten Schuß von links -hinter die Schulter gab.</p> - -<p>Er ging nicht mehr weit.</p> - -<p>Mit einmal begann er mächtig zu brüllen, mit feuchtem, großen Ton, wie -nur Rinder es können. Alle halbe Minute ertönte das langgezogene tiefe -„Eöh“, das einen ungeheuren, verzweifelten Schmerz auszudrücken schien: -Er verendete.</p> - -<p>Ich ging ganz in seine Nähe und blieb, andächtig lauschend,<span class="pagenum"><a id="Seite_207"></a>[S. 207]</span> stehen. -Der Wind war mir günstig. Sehen konnte ich nichts; dichtes Rohr sperrte -die Aussicht auf wenige Schritte.</p> - -<p>Endlich noch ein letztes schmerzvolles Brüllen, dann peitschte der -Schwanz den Boden und es war still.</p> - -<p>Ich ging hinzu.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg207ill"> - <img class="w100" src="images/pg_207_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Der Nashornhügel am Jipesee.</p> - -<p>Während bisher Busch und Dornen ein immer gleichmäßiges Bild boten, -begann hier eine vielseitige Vegetation. Hyphaenen (Dumpalmen) wurden -immer zahlreicher und bildeten in der Ebene ganze Wälder. An den Ufern -des Panpani erhob sich schattiger Wald mit Phönixpalmen, Schirmakazien -und Affenbrotbäumen. Auf den Hügeln standen Euphorbien und -Juniperussträucher. — Weiße Stellen an den Steinblöcken bezeichneten -den Aufenthaltsort von Klippschliefern.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Der erste Büffel zur Strecke.</div> - -<p>Da lag der starke Wildstier mit der prächtigen Zier auf dem -breitgestirnten Schädel, mit einem Gesichtsausdruck, in dem Kraft und -Selbstbewußtsein zu liegen schienen — wenn es erlaubt ist, in dem -Gesicht der Tiere wie im Menschenantlitz zu lesen. —</p> - -<p>Ich habe noch kein Tier gesehen, das im Tode so edel und schön aussah.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_208"></a>[S. 208]</span></p> - -<p>Als ich in freudiger Bewunderung dastand, fuhren Wolken herauf und -mächtiger Donner rollte von den nahen Bergen herüber. Mir war, als sei, -was die Natur hier gab, für mich allein gemacht, für mich, den einzigen -Weißen in weitem Umkreise. — — Freude und Stolz beherrschten mein -Empfinden, während ich das Glanzhaar am Halse meines ersten Büffels -streichelte.</p> - -<p>Im August 1906 jagte ich am Paregebirge im Norden Deutsch-Ostafrikas -auf Büffel.</p> - -<p>Von Osten den großen Jipesumpf erreichend, hatte ich gesehen, daß -Büffelfährten hier und da meinen Weg kreuzten und erkundigte mich bei -den Eingeborenen nach den Gewohnheiten des Wildes. Die bezeichneten die -kleine Landschaft Ungueno als den jetzigen Standort der Tiere.</p> - -<p>Am Jipesumpf schlug ich das Hauptlager auf, nahe an dem großen, dichten -Papyrushain, der sich in ungeheurer Ausdehnung an das flache Wasser des -Sees anschließt.</p> - -<p>Hohe Tamarindenbäume säumten das Ufer, in ihren Ästen hingen -Bienenkörbe der Eingeborenen. Prächtige, bunte Vögel ruhten auf den -Büschen, große Züge von Pelikanen, Reihern und Störchen schwebten in -der Luft.</p> - -<p>Der Blick auf das Paregebirge war von großer Schönheit. Man konnte die -Pässe, die in das Hochland führen, erkennen und die Täler vermuten, die -Wasser in die Ebene leiten.</p> - -<div class="sidenote">Büffeljagd am Paregebirge.</div> - -<p>Drei Tage brauchte ich, um in dem weiten, beschwerlichen Gebiet endlich -die Wasserstellen aufzufinden, an die sich die Büffel jetzt hielten. -Vom ersten Morgengrauen bis in den späten Abend war ich täglich -unterwegs, um Fährten zu suchen.</p> - -<p>Das in Betracht kommende Gebiet war eine mit dichtem, hohen Gras -und Gebüsch bewachsene Ebene, die auf drei Seiten von bewaldeten -Bergen eingerahmt wurde und nach dem Sumpf hin offen war. Nur Büffel -und Nashörner waren zu spüren. Von allen Fährten hieß es „gestern“ -oder „vorgestern“ und die Tiere wurden mir von Stunde zu Stunde -geisterhafter.</p> - -<p>Am ersten Tage durchsuchte ich die Ostseite, am zweiten die<span class="pagenum"><a id="Seite_209"></a>[S. 209]</span> Westseite -der Abhänge. Die Büffel hatten alte, ausgetrocknete Wasserstellen -besucht und in schattigem Busch gelagert, in einem Labyrinth von Ästen -und Blättern. Da drang das gedämpfte Sonnenlicht hinein und erhellte -die verlassenen Schlafplätze.</p> - -<p>Oft in gebückter Haltung und durch ein Wirrwarr von Dornen, Gras und -Ranken schlichen wir vorwärts; ich mußte dem Führer — Makange hieß er -— zugeben, daß es ein schwieriges und höchst bedenkliches Unternehmen -war, in dieser Jahreszeit, bevor die Steppenbrände das Unterholz -gelichtet hatten, Büffel zu jagen. Die Aussicht auf Erfolg schien denn -auch immer mehr zu schwinden. Aber ich wollte die der Aufgabe gewidmete -Zeit nicht umsonst geopfert haben und dachte nicht an Umkehr!</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg209ill"> - <img class="w100" src="images/pg_209_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>An den Ästen großer Bäume hängen die Neger ausgehöhlte -Baumstämme als Bienenkörbe auf.</p></div> -</div> - -<p>Am zweiten Abend schlief ich in einem kleinen Bergzelte, an der Stelle, -wo der Weg nach Moshi den Fußpfad ins Paregebirge kreuzt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_210"></a>[S. 210]</span></p> - -<p>Eine einzelne, hohe Dumpalme, mit abgestorbenen Blattstielen seltsam -geschmückt, schüttelte neben mir ihr Fächerhaupt. Ganz zart tauchte am -Abendhimmel der Schneedom des Kilimandscharo aus den Wolken empor.</p> - -<p>Ich lag in dem kleinen Ausschnitt, der den Eingang zu dem Zelte bildete -und schrieb in mein Tagebuch. Die roten Flackerlichter des von den -Negern entfachten Holzfeuers kämpften auf dem Papier mit dem blauen -Tageslicht und trugen bald den Sieg davon; die Nacht brach herein.</p> - -<p>Am Morgen des dritten Tages spürten sich mehrere Nashörner, die am -Sumpf zur Tränke gekommen und nach den Abhängen zurückgewechselt waren. -Sonst nicht eine frische Fährte von Antilopen oder Raubtieren!</p> - -<p>Nur ein Zierböckchen stand im Busch und kratzte sich mit dem Hinterlauf -am Kopfe!</p> - -<p>Gegen zehn Uhr am Vormittag fand ich, von Süden kommend, endlich die -Fährten der Büffel, an einem Waldbach.</p> - -<p>Nun kam es mir nur noch darauf an, festzustellen, ob die Herde südlich -oder nördlich von diesem Bache stand. „Südlich“ war die Antwort der -Leute, die ich in dem Wasserlauf aufwärts schickte; doch sie hatten -Unrecht, und nach anstrengendem Absuchen des dichten Busches auf der -Südseite fand ich gegen vier Uhr am Nachmittag die Stelle, an der die -Herde den Bach nach Norden gekreuzt hatte!</p> - -<p>Für heute war es zu spät; auf den nächsten Tag aber setzte ich große -Hoffnungen, die auch in wunderbarer Weise in Erfüllung gingen.</p> - -<p>Ich lagerte in dieser Nacht dort, wo der Bach, in dem die Büffel sich -spürten, in der Steppe verfloß. Wieder hatte ich nur ein kleines, -offenes Zelt mit und schlief ohne Bett und Moskitonetz zu ebener Erde.</p> - -<p>Das Lagerfeuer wurde mit Sonnenuntergang gelöscht. Meerkatzen in -den Bäumen über uns taten sehr verwundert über unsere Anwesenheit; -die Frösche quakten unaufhörlich. Wenn sie aber einmal verstummten, -dann horchte ich auf, denn dann war Wild in ihre Nähe gekommen. Ich -zog schließlich die Decke<span class="pagenum"><a id="Seite_211"></a>[S. 211]</span> ganz über den Kopf, um so vor den hier -zahlreichen Mücken Schutz zu finden.</p> - -<p>Es war noch dunkel, als ich am nächsten Morgen das kalte Wasser -durchwatete, das meinen Schlafplatz von dem Walde trennte. Ich ging -im Bache aufwärts und stellte fest, daß die Büffel ihn heute nicht -angenommen hatten, also noch auf der Nordseite standen. Da es wenig -Zweck hatte, den Spuren von gestern zu folgen, ging ich aufs Geratewohl -in dem dunkeln, von Büffelpfaden durchzogenen Walde vorwärts und war -ganz zufällig einer frischen Nashornfährte einige Zeit gefolgt, als -nicht weit über mir am Berge das Röhren eines Büffels hörbar wurde.</p> - -<p>Endlich war ich dem ersehnten Ziel nahe! Ich zog schnell Schuhe -mit Gummisohlen an, die zu der im Rucksack mitgeführten nötigsten -Ausrüstung gehören, und ging unter Wind auf die Stelle los, von der her -ich den seltenen Laut vernommen hatte.</p> - -<p>Dunkler, ästereicher Wald; der Boden mit vermoderten Blättern bedeckt; -zwischendurch Buschpartien mit hellem Licht. Frühnebel strichen über -die Baumkronen.</p> - -<div class="sidenote">Büffel im Waldesdickicht.</div> - -<p>Jetzt knackte ein Ast vor mir; wieder ein Brüllen, kurz abgesetzt.</p> - -<p>Ich schlich auf einen starken, gefallenen Baum zu, über den hinweg ich -gerade in eine Lichtung sehen konnte, als die ganze Büffelherde unter -Krachen und Brechen von Ästen in der Dickung vorwärts drängte.</p> - -<p>Zwischen Blättern und Ästegewirr konnte ich die schwarzen Tierkörper -auf Sekunden sehen, wie sie auf etwa dreißig Schritt quer an mir -vorbeizogen. Dem Lärm nach konnte ich glauben, sie seien flüchtig.</p> - -<p>Sofort ging ich mit meinen drei Leuten auf die frische Fährte und sah -hier mit Erstaunen, wie die Büffel, ohne Rücksicht auf ihre breiten -Hörner, schnurstracks durch das Wirrwarr von Stämmen und Ästen gestoßen -waren. Auch konnte man erneut beobachten, wie eine frische Fährte -aussieht. Die Hufe waren über gefallene Bäume hinweggerissen, die Rinde -frischer Stämme blutete und der Milchsaft von Pflanzen war in den Weg -gespritzt.</p> - -<p>Mit großer Vorsicht folgte ich auf der Fährte und brachte<span class="pagenum"><a id="Seite_212"></a>[S. 212]</span> die Büffel, -die irgend etwas Verdächtiges merkten, noch dreimal in Bewegung, ohne -ihnen nahe genug kommen zu können.</p> - -<p>Ich wollte bis Mittag warten; dann liegen die Büffel und schlafen.</p> - -<p>Da ertönte in der Nähe lautes Brüllen, das wiederholte sich und klang -gerade so wie das Todesbrüllen des verendenden Büffels am Rufiyi.</p> - -<p>„Hier jagen Wapare aus den Bergen,“ sagte ich sofort zu dem Führer.</p> - -<p>„Nein, Herr!“</p> - -<p>Nun aber ließen sich menschliche Stimmen vernehmen, die sich durch -Laute Zeichen gaben und einer meiner Leute rief:</p> - -<p>„Seid ruhig, der Weiße will Büffel schießen.“</p> - -<p>Als die Angerufenen nicht antworteten, wurde mein Verdacht zur -Gewißheit und ich ging weiter, um nachzusehen, was dort los sei.</p> - -<p>Plötzlich springt der Führer zur Seite und raunt mir hastig zu: „Ein -Nashorn, Herr! dort im nächsten Busch!“</p> - -<div class="sidenote">Büffel in einer Fallgrube.</div> - -<p>Ich sehe wie sich in einer Vertiefung der dunkle Nacken eines Wildes -bewegt, denke an ein Tier in der Suhle, kann aber nichts erkennen, bis -ich auf etwa fünf Schritt an den Platz hinangehe. Da hebt sich ein -Büffelkopf mit gewaltigen Hörnern aus der Vertiefung.</p> - -<p>Ich stehe über dem Tiere und schieße von oben in den Rücken.</p> - -<p>Der Stier versucht, aus der Vertiefung herauszuspringen, ist aber -hilflos gefangen und ich erkenne jetzt, was ich hier vor mir habe: Den -Büffel in einer von Menschen gegrabenen Wildgrube!</p> - -<p>Dies seltene Bild sah ich mir nun etwas genauer an; die Grube verengte -sich keilförmig nach unten und hatte ungefähr die Länge des Büffels. -Der Körper des Tieres war fest eingeklemmt; so sehr der noch lebende -Büffel versuchte, vorne hoch zu kommen, er fiel immer wieder zurück. Er -war so wehrlos, daß ich ihn an die Hörner fassen konnte.</p> - -<p>Als das meine Leute von den umstehenden Bäumen aus sahen, kamen sie -auch herbei.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg213ill"> - <img class="w100" src="images/pg_213_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Mähnenlöwe (in Ostafrika selten; ich überraschte einmal -vier Mähnenlöwen an einem geschlagenen Zebra).</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_213_ill_gross.jpg" id="pg_213_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Dutzende von frischen, etwa sechs Zentimeter breiten Speerstichen<span class="pagenum"><a id="Seite_215"></a>[S. 215]</span> -im Hinterteil des Büffels zeigten, auf welche Weise die Fallensteller -versucht hatten, das Tier zu töten und erklärten mir auch das -schmerzerfüllte Brüllen, das ich vorhin gehört hatte. Ich -photographierte den Büffel in der Grube und gab ihm den Fangschuß.</p> - -<div class="figcenter illowe30" id="pg215ill"> - <img class="w100" src="images/pg_215_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Büffelstier, in einer Wildgrube lebend gefangen.</p></div> -</div> - -<p>„Ein so schönes, großes Gehörn habe ich noch nie gesehen,“ sagte der -Führer, der hoffte, alle Mühe und Arbeit sollte nun zu Ende sein. Als -ich ihm aber erklärte, dies sei nicht mein Büffel, ich wollte meinen -Büffel ohne Hilfe der Wapare schießen, meldete<span class="pagenum"><a id="Seite_216"></a>[S. 216]</span> er mir, er müsse nach -Hause, seine Bibi erwarte den Klapperstorch. „Was haben bloß die Weiber -immer mit meinen Jagden zu tun?“ dachte ich. Da ich aber schon lange -an derartige seltsame Fernwirkungen nicht mehr glaubte, entgegnete ich -ihm: „Erst wollen wir noch einen Büffel haben, so lange kann deine Frau -noch warten.“ — Damit mußte er zufrieden sein; denn wie fast immer bei -den Negern, war der Grund seines Urlaubsgesuchs erfunden.</p> - -<p>Ich legte mich auf die Lauer und ließ den Führer die vorhin gehörten -Zurufe wiederholen und dadurch die Fallensteller heranlocken. Es -gelang, sieben der wild aussehenden, mit Bogen, Keulen, Schwertern, -Speeren und Messern bewaffneten Kerle zu fangen, die ich gebunden -nach Moschi sandte, wo sie mit mehreren Monaten Kettenarbeit bestraft -wurden.<a id="FNAnker_17" href="#Fussnote_17" class="fnanchor">[17]</a></p> - -<p>Das war ihr Lohn für die Hilfe, die sie mir unbeabsichtigt geleistet -hatten.</p> - -<p>Bei dem Wild ließ ich zwei meiner Leute, die den Kopf abschneiden und -das Fleisch zerteilen sollten, was bei der Lage und der Größe des -Büffels in der engen Grube keine geringe Arbeit gewesen sein wird. -Zum Glück waren mehrere meiner Träger den Schüssen gefolgt, so daß -ich die Gefangenen zum Lager schicken und mehr Leute zum Fleischholen -bestellen konnte. Ich pirschte weiter und traf auch bald wieder auf die -Büffel. Als ich ihnen nahe war, hakte ein Dornzweig an meiner Jacke und -schnellte mit Geräusch zurück; die Büffel sausten los. Die Fährte, der -ich noch kurze Zeit folgte, führte an Dutzenden von Wildgruben dicht -vorbei; leicht hätten noch mehr Büffel da hineinfallen können.</p> - -<div class="sidenote">Die Wildgruben.</div> - -<p>Die Gruben waren mit großer Sorgfalt und vielem Geschick angelegt, oben -etwa 1,10 Meter breit und 3 Meter lang, 2,50 Meter tief, und verengten -sich nach unten stark.<a id="FNAnker_18" href="#Fussnote_18" class="fnanchor">[18]</a> Auf halber Länge der<span class="pagenum"><a id="Seite_217"></a>[S. 217]</span> Grube war in dem -harten Tonboden eine achtzig Zentimeter hohe Querwand stehen gelassen, -die verhindert, daß der Büffel die Hinterläufe zu weit nach vorne setzt -und sich so herausarbeiten kann. Durch sein eigenes Gewicht wird der -unglückliche Gefangene hier so in den Schacht gepreßt, daß die Flanken -der Atembewegung nicht mehr ausweichen können und die Läufe dicht -aneinander liegen, ohne die Sohle der Grube zu erreichen. Über die -Fallen sind dünne Stöcke gelegt und darauf trockene Blätter und Gras.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg217ill"> - <img class="w100" src="images/pg_217_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Wapare, die ich beim Büffelfang ertappte.</p></div> -</div> - -<p>Die Gruben befanden sich in den Wechseln der Büffel.</p> - -<p>Wenn auch die ausgehobene Erde sorgfältig verdeckt worden war, war es -bei Tage nicht schwer, die gefahrdrohenden Stellen zu sehen. Aber die -Büffel werden nicht mit den Augen sichern, sondern mit der Nase. Die -Wildsteller versuchen außerdem die Herde in schneller Gangart über die -Fallen hin zu drücken, so daß die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß ein -Büffel, dem engen Pfad folgend, hineinstürzt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_218"></a>[S. 218]</span></p> - -<p>Da keine Aussicht mehr war, die flüchtige Büffelherde heute noch -zu erreichen, ging ich, um Platten zu entwickeln und die Kassetten -meiner Kamera neu zu füllen, zu meinem Hauptlager am Jipesumpf -zurück. Da kamen Leute und baten mich, gegen Abend einige Krokodile -abzuschießen, die es sich an der Schöpfstelle des Dorfes allzu bequem -machten. Ich schoß zwei der großen Echsen; ein Neger suchte die Tiere -herauszuziehen, kam aber sofort zurück und beklagte sich über die -Blutegel, die ihn im Wasser angefallen hätten.</p> - -<p>Am nächsten Morgen suchte und fand ich bald frische Büffelfährten und -folgte ihnen.</p> - -<p>Wieder fiel der Mangel an jedem anderen Wild auf; nur Büffel und -Nashörner waren in dem hohen, trockenen Grase zu spüren, während -alte, eingetrocknete Fährten zeigten, daß sich hier zu anderer -Jahreszeit Löwen, Leoparden und viele große und kleine Antilopen der -verschiedensten Art aufhielten.</p> - -<p>Sobald das Gras höher wird, verziehen sich, wie es scheint, die -schwächeren Wildarten in die offene Steppe, aus Furcht vor den -Raubtieren, die sich ihnen im Grase zu leicht nähern können. Nur die -wehrhaften Dickhäuter, denen die großen Katzen nichts anhaben, dürfen -sich weiter in der Kühle der Wälder aufhalten; wahrscheinlich würden -auch die Antilopen und Zebras nicht in die sonnige, heiße Steppe gehen, -wenn der Löwe nicht wäre.</p> - -<div class="sidenote">Fährtensuchen.</div> - -<p>Heute leisteten die drei ausgesuchten Neger, die mich begleiteten, -gradezu Bewundernswertes in der Ausdauer und Gewissenhaftigkeit beim -Fährtensuchen. Eine besondere Glanzleistung war es, festzustellen, wo -die Tiere eine Waldwiese, auf der sie äsend hin und her gezogen waren, -verlassen hatten. Da meine Leute zuverlässig arbeiteten, hatte ich -nichts weiter zu tun, als mich fertig zu halten für den Augenblick, -in dem wir auf die Büffel stoßen würden, und mich nur manchmal zu -überzeugen, ob die Fährte, der wir folgten, frisch war.</p> - -<p>Ohne Hilfe von Negern, allein eine Fährte zu halten, ist sehr ermüdend. -Acht Augen sehen mehr als zwei; aber es gilt, sie richtig zu nutzen. -Ich möchte sagen: es gibt auch eine Führung der Fährtensucher; und die -muß der Schütze übernehmen. Er<span class="pagenum"><a id="Seite_219"></a>[S. 219]</span> selbst sieht gerade aus und bleibt -auf dem letzten, mit Sicherheit festgestellten Zeichen stehen. Von da -aus kann er oft, indem er nur in der Richtung sieht, in der das Wild -voraussichtlich gegangen ist, ein entferntes Zeichen sehen, dorthin -gehen, seine Leute neu ansetzen und so Zeit und Nervenkraft sparen. In -dem dichten Busch gibt es meist nur wenige Durchgänge, die das Wild -genommen haben kann, und am wahrscheinlichsten ist es immer, daß es die -Hauptrichtung inne gehalten hat; da wird zuerst gesucht. Allmählich -bekommt der Jäger große Übung darin, ganz unauffälligen Merkmalen -sichere Schlüsse zu entnehmen. Der Strich des Grases z. B. zeigt ihm, -wo ein Tier hindurch gegangen ist. — Ich spreche selbstverständlich -nur von trockenem Grase; denn im saftigen Grün kann jeder Laie einer -Fährte folgen. —</p> - -<p>Besonders wichtig ist es, darauf zu halten, daß niemand zu früh in -eine Fährte läuft, von der nicht sicher festgestellt wurde, daß sie -die richtige ist; sowie Menschen in der Fährte gegangen sind, wird sie -verwischt und unkenntlich.</p> - -<p>Die besten Aussichten auf erfolgreiche Arbeit hat man mit -gewissenhaften Spürnegern, viel Verdruß aber mit solchen, die -darauf losgehen und durch ein sicheres Benehmen die übrigen in -Unaufmerksamkeit einwiegen. Wenn eine Fährte verloren ist, soll man -nicht ausschwärmen lassen, um sie wieder zu finden, sondern befehlen: -„Alle stehen bleiben!“ und mit den sachverständigsten zwei Leuten -vorsichtig einen Kreis schlagen. Erst wenn das zu keinem Ergebnis -führte, kann man die Neger in alle Richtungen schicken, um vielleicht -in größerer Entfernung eine Spur wieder zu finden; das ist dann besser -als gleich umkehren zu müssen.</p> - -<p>Ich habe es oft so gemacht: mich ruhig hingesetzt und gegrollt, daß -meine Methode nicht ohne weiteres zum Ziele führte und die Neger zu -zwei und zwei in verschiedene Richtungen geschickt mit dem Befehl, nach -einer halben Stunde wieder zurück zu sein, falls nicht ein Pfiff sie -schon vorher riefe.</p> - -<p>Die Reize einer solchen Fährtenfolge liegen in der Erwartung, jeden -Augenblick das Wild zu sehen, für dessen An<span class="pagenum"><a id="Seite_220"></a>[S. 220]</span>wesenheit der Jäger als -sicherste Urkunde den Abdruck der Hufe vor sich hat.</p> - -<div class="sidenote">Pirschkunst.</div> - -<p>Auf Umwegen leitete uns der Weg der Büffel heute an den Abhang des -Berges. Immer schwieriger wurde es, ohne Geräusch vorwärts zu dringen, -da wir durch verwachsene Schluchten und tief ausgewaschene Täler an -steinigen Berghängen entlang geführt wurden.</p> - -<p>Der alte Makange schlich vor mir. Er drehte sich mehrmals um, hob -die kleine Holzkeule, die er in der Hand hielt, bedeutungsvoll und -flüsterte: „<span class="antiqua">Karibu ya kulala!</span>“ („Sie sind dicht vorm Hinlegen!“) -Das sah er aus der trägen Gangart der Tiere. Ich zog die Gummisohlen -an, legte die steifen Ledergamaschen ab, zog den Rock aus, machte den -Gewehrriemen von der Büchse los, weil er an Büschen hängen bleiben kann -und setzte eine kleine Kappe auf, die weniger Geräusch macht als der -breitkrempige Filzhut, wenn Blätter daran entlang streifen.</p> - -<p>Äußerste Vorsicht war jetzt geboten.</p> - -<p>An einer sandigen Stelle füllte ich mir die Hosentasche mit trockenem -Staub und ließ von Zeit zu Zeit etwas davon fallen, um den Wind zu -prüfen.</p> - -<p>In dem dichten, von hohem Grase durchsetzten Busch, durch den die -Büffel ihren Weg genommen hatten, war bestenfalls auf zehn Schritt zu -sehen.</p> - -<p>Es war kein Gehen mehr, es war ein Schleichen, ein -Sichvorwärtsschlängeln, um jedes Geräusch zu vermeiden. Und dennoch: -Wenn ich einmal stehen blieb und die Träger abwartete, die leise gingen -und doch zu hören waren, dann hielt ich es für unmöglich, ungehört -an die Büffel hinanzukommen; denn allein das Gras, das an den Beinen -entlang strich und die trockenen Blätter, die dicht im Wege lagen, -machten so viel Geräusch, daß es die ruhenden Büffel hören mußten!</p> - -<p>Das stundenlange Vorwärtsschleichen und vergebliche Spähen ermüdet und -macht schließlich ungeduldig, man vergißt die Vorsicht und geht zu -schnell, ein trockener Ast knackt unter dem Fuße, ein Zweig schnellt zu -plötzlich in seine Ruhestellung zurück, die Büffel stehen dicht dabei -— — und alle Anstrengung war umsonst.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_221"></a>[S. 221]</span></p> - -<p>Wenn man nur ungefähr wüßte, ob die Tiere nahe sind!</p> - -<p>Ich erwarte die Neger, setze mich hin und lasse mir Frühstück geben.</p> - -<p>Nein, dieser Busch; wie da bloß ein Büffel durchkommt! — Man erkennt -kaum, daß er es tat; die Zweige schließen sich hinter ihm und die -Dornen strecken ihre Äste nach wie vor in den engen Paß. Nur Dickhäuter -gehen unbeschadet durch: der Büffel mit seinem starken Kopfschild, und -das Nashorn.</p> - -<p>Welche Ausdauer gehört dazu, unter tropischer Sonne mitten am Tage den -Fährten eines Wildes zu folgen, tagelang, mit so geringer Aussicht auf -Erfolg; auf flacher Erde irgendwo im Busch zu schlafen; allein mit -wenigen Negern.</p> - -<p>Plötzlich ein Schnaufen, gar nicht weit: die Büffel haben sich verraten!</p> - -<p>Jetzt weiß ich, daß ich nicht mehr stundenweit zu gehen habe und kann -meine ganze Kraft daran setzen, unbemerkt, ungehört die nächsten -hundert bis zweihundert Schritte zurückzulegen. So nahe bei den Büffeln -zu sein: ein Bewußtsein, das die Lebensgeister freudig aufrüttelt!</p> - -<p>Zu den nächsten hundert Schritten brauche ich etwa eine Viertelstunde.</p> - -<p>Bei diesem Pirschen, diesem sich lautlos durch die Büsche drücken sind -alle Muskeln und Sinne angespannt. Der Fuß sucht vorsichtig einen neuen -Stützpunkt, die Schulter weicht einem Dornenzweige aus, der Kolben der -Büchse wird Fuß für Fuß vorgesetzt.</p> - -<p>Nach langem Warten gibt ein leises Schnaufen von neuem die Richtung an.</p> - -<p>Der Wind ist gut.</p> - -<p>Ich erreiche eine drei Meter breite, steinige Schlucht, an deren -gegenüberliegender Seite im Dunkel der Büsche eine ungewisse Bewegung -spielt.</p> - -<p>Der Führer mit der Reservebüchse ist hinter mir; er umfaßt vor Furcht -zitternd mein Handgelenk und bedeutet mich, stehen zu bleiben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_222"></a>[S. 222]</span></p> - -<div class="sidenote">Büffel auf acht Schritte angepirscht.</div> - -<p>Zwei Schritt turne ich noch vorwärts, ohne daß sich ein Steinchen -löst oder ein Zweig knackt, hebe mich etwas und sehe den Rücken und -das Hinterteil eines ruhenden Büffels, acht Schritt vor mir, wie im -Kuhstall! Es ist sehr dunkel unter den Büschen, trotz der hellen -Mittagssonne, doch erkenne ich bald auch im Schatten die Enden der -Hörner, weit auseinander liegend, und zweifle gar nicht daran, daß ich -einen starken Bullen vor mir habe.</p> - -<p>Ich fühle unsagbare Freude, daß es mir gelang, ein Tier mit so feinen -Sinnen auf die geringe Entfernung angepirscht zu haben.</p> - -<p>Nach einer Weile regt es sich an einer entfernteren Stelle unterhalb -im Busch, wo ein anderer Büffel etwas bemerkt zu haben scheint. Mein -Wild erhebt sich langsam, ich kann die Umrisse beurteilen, und als es -eben auf allen vier Läufen steht, schieße ich schräg von hinten auf den -Rumpf.</p> - -<p>Sofort rollt der Büffel zu Boden. Zweiter, dritter Schuß! Wildbrüllend -arbeitet er sich wieder hoch, auf mich zu!</p> - -<p>Ich weiche nach rechts aus, drücke mich an den Grabenrand und schieße -den vierten und fünften Schuß. Mit einem tiefen Röcheln senkt sich der -Kopf des vornüber stürzenden Büffels neben mir in den Graben.</p> - -<p>Ich halte die Mündung der Büchse dem riesigen Tiere auf den Nacken und -zerschmettere ihm die Wirbelsäule.</p> - -<p>Das alles geschah in wenigen Sekunden; die Schüsse folgten aufeinander -so schnell, wie man mit großer Übung überhaupt repetieren kann.</p> - -<p>Der sechste Schuß war hinaus, — meine Büchse leer.</p> - -<p>Das Gehörn des Büffels lag etwa ein Meter von meinem Knie entfernt.</p> - -<p>Ich kniete noch fast an derselben Stelle, an der ich den ersten Schuß -abgegeben hatte; die Tatsache machte dem Neger, dem einzigen Zeugen des -wilden Vorganges, großen Eindruck.</p> - -<p>Erst jetzt polterte die Herde der Büffel mit lautem Krachen den Abhang -hinunter, ohne daß in dem dichten Gebüsch etwas zu erkennen war. Ich -fand dadurch bestätigt, was der Führer vorher<span class="pagenum"><a id="Seite_223"></a>[S. 223]</span> wiederholt behauptet -hatte: „Wenn die Büffel in der Mittagshitze schlafen, kann man zwei, -drei schießen, bevor sich die Herde erhebt!“ (Vorausgesetzt, daß man -selbst die Büffel sieht!)</p> - -<p>Ich betrachtete meine Beute; es war eine Büffelkuh. Die starken Hörner -setzten erst an der Seite des Kopfes an, während die Stirnfläche, die -beim Stier mit Hornwulsten bedeckt ist, nur Fell trug. Der Schädel mit -den Hörnern allein hätte schlecht ausgesehen, ich beschloß deshalb den -Kopf mit Fell bis zur Schulter zu präparieren und machte mich mit zwei -Leuten an die Arbeit, während Irambe Maridadi zum Lager ging, um Leute -zu holen und den Koch und die Boys zu der Lagerstelle von vorgestern -hinzubestellen; ich wollte in der Frühe des nächsten Tages noch einmal -die Hänge absuchen.</p> - -<p>Wir arbeiteten drei Stunden lang hart; als die Träger kamen, war die -Kopfhaut abgezogen und der Büffel in vierzehn Fleischlasten zerwirkt, -auch eine große Menge Fett für die Küche bereit. Das starke Fell aber -wurde von den Negern zur Anfertigung von Sandalen begehrt.</p> - -<p>Der Abend war nahe, als ich mit drei Leuten aufbrach.</p> - -<p>Die Neger rieten davon ab, den Weg zum kleinen Lager zu nehmen, es sei -weiter, als ich glaubte; dennoch blieb ich bei meiner Absicht.</p> - -<p>Die Dunkelheit brach herein; der beschwerliche Weg durch Dornen, -Gestrüpp und Gras wollte kein Ende nehmen.</p> - -<p>Wie zersetzend wirkte die Müdigkeit auf uns.</p> - -<p>Die Neger rieten, liegen zu bleiben, wo wir waren.</p> - -<p>Das wollte ich nicht; die Mückenplage, Kälte, Hunger und Durst trieben -mich weiter.</p> - -<p>Es war stockdunkel. Nur ein schwacher Schimmer ging von dem trockenen -Steppengrase aus. Der finstere Busch war weit und nah, eine düstere -unbestimmte Masse, mit dem Berg verschwimmend.</p> - -<p>Die oft gehörten Stimmen der kalten Nacht riefen heute nur: „Ruht!“</p> - -<p>Es war, als höhnten sie über unsere Ohnmacht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_224"></a>[S. 224]</span></p> - -<p>Hell strahlte die Venus über den Bergkamm; sie war meinen Augen der -Leitstern.</p> - -<p>„Bana, wir werden in Wildgruben fallen!“ sagte der Makange, der vor -mir ging. Kurz darauf klang seine Stimme von unten, wie ein Vorwurf zu -mir herauf: „Siehst du!“ Und aus einer Grube zu meinen Füßen heraus -kletternd, sagte er: „Ja, so ist es, wenn man Nachts hier geht.“</p> - -<p>„Das schadet dir doch nichts!“</p> - -<p>„Es kann ein Leopard in der Grube sein.“</p> - -<p>Ich ging voran und war kaum fünfzig Schritte gegangen, da fühlte ich -dünne Zweige unter mir federn und brechen, und mit Wucht fiel ich in -eine Grube. Ich blieb eine Weile darin sitzen und rief hinauf: „Es ist -sehr schön hier unten!“ Allein der Heiterkeitserfolg blieb diesmal -schwach.</p> - -<p>Voran! Der Busch wurde dichter, fast undurchdringlich. Die Leute -blieben stehen; das dichte Gras wollte nicht weichen. Wie Filz waren -Zweige und Gräser durcheinander gewachsen; Dornen hielten. Unwillig -arbeitete ich mich vorwärts, fast erlahmte meine Kraft.</p> - -<p>Da drängte sich Umnasi<a id="FNAnker_19" href="#Fussnote_19" class="fnanchor">[19]</a> vor mich, und er, der vom frühen Morgen -keinen Augenblick ohne Arbeit gewesen war, brach wie ein Stier durch -das Dickicht. So durchkreuzten wir eine düstere Waldecke. Da ertönte -von ferne das Quaken von Fröschen; das war die Richtung auf unser Lager!</p> - -<p>Schilfgras, so stark und dicht, daß es dem Körper Widerstand bot, -sperrte den Weg; wieder war Umnasi vor mir, sprang hoch, warf sich -auf das Gras und drückte die hohen Massen der Halme mit seinem -Körpergewicht vor sich nieder; er hielt ein Beil in der Hand und -trug auf dem Rücken einen gefüllten Rucksack. Was dieser brave Neger -heute leistete, war bewundernswert. Er bahnte uns den Weg, bis ein -Feuerschein aus den Büschen zu uns herüberleuchtete.</p> - -<div class="sidenote">Ermattung.</div> - -<p>So erreichten wir spät in der Nacht todmüde das Lager.</p> - -<p>Als ich einschlief, hörte ich noch die Unterhaltung der Neger.<span class="pagenum"><a id="Seite_225"></a>[S. 225]</span> Alle -schimpften auf die niederträchtige Gegend, nur der unverwüstliche -Umnasi phantasierte ihnen zum Trotz, er wolle sich hier anbauen -und nicht mehr als Träger überall Dienst nehmen, er wolle zum -Bezirksamtmann gehen und ihm sagen. „Ich, der Umnasi, bin da, gib -mir drei Weiber, ich will jetzt eine Pflanzung anlegen. Und der -Bezirksamtmann sagt dann: ‚Gut, Umnasi, das freut mich, hier hast du -drei Weiber!‘ — Dann werde ich hier ein Haus bauen und viel Geld -verdienen mit Mais, Mohogo, Reis, Matama, Bohnen, Ziegen — — —“</p> - -<p>Neues Holz wurde auf das Feuer gelegt. Die Flammen leuchteten auf; ich -fiel in tiefen, erquickenden Schlaf.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_15" href="#FNAnker_15" class="label">[15]</a> Der Kapbüffel, der eigentliche Kaffernbüffel ist wohl -ausgerottet; sein Gehörn unterscheidet sich von dem aller anderen -ostafrikanischen Büffel durch kappenartige Fortsätze über der Stirn.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_16" href="#FNAnker_16" class="label">[16]</a> Büffel.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_17" href="#FNAnker_17" class="label">[17]</a> Der Tierfang in Gruben ist den Eingeborenen -verboten, weil eine verständige Ausübung der Jagd, ebenso wie eine -Aufrechterhaltung der Schongesetze damit unmöglich ist.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_18" href="#FNAnker_18" class="label">[18]</a> Der ausgewachsene Kaffernbüffel ist etwa 2,60 Meter lang -und 1,50 Meter hoch.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_19" href="#FNAnker_19" class="label">[19]</a> richtig geschrieben: Mnazi = Cocospalme.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_226"></a>[S. 226]</span></p> - -<div class="figcenter illowe20" id="pg226ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_226_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>In Mombasa sah ich einen abnormen Elfenbeinzahn (linker -Zahn). Es ist zu bedauern, daß der Schädel zu diesem Zahn fehlt, der -Zahn beginnt schon, wo er in der Knochenhöhlung des Oberkiefers sitzt, -sich zu winden; der Schädel muß also ganz auffallende Spuren einer -schweren Verletzung tragen.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Elefanten">Elefanten.</h2> - -</div> - -<p>Am 18. Dezember 1905 schrieb ich in mein Tagebuch: „Es ist drei Uhr am -Morgen; ich kann — nein, ich will nicht mehr schlafen.</p> - -<div class="sidenote">Ein Elefant an meinem Zelt.</div> - -<p>Ich bin geweckt worden; aber anders, als alle anderen Menschen heute -geweckt werden: ein Elefant hat mich geweckt. Und dafür danke ich ihm; -denn er hat recht, wenn er mir sagt: ‚Du Mensch, du kleiner, dürftiger -— du, einer von denen, die die Welt verändern, die sie öde und leer -machen — merk auf, wenn die Majestäten kommen; denn bald werden sie -nicht mehr sein; bald wird nur das Gedächtnis noch an sie erinnern; -ihre<span class="pagenum"><a id="Seite_227"></a>[S. 227]</span> Herrlichkeit wird vergehen und du, du warst dann einer von denen, -die noch berufen waren, von ihrem Glanze zu erzählen.‘“</p> - -<p>Ich lag in tiefem Schlaf.</p> - -<p>Da reißt jemand an den Stangen meines Zeltes.</p> - -<p>Ich richte mich auf im Bett: wo bin ich?</p> - -<p>Stockduster.</p> - -<p>Ich taste nach dem Kopfende meines Feldbettes, wo die Büchse steht, und -horche.</p> - -<p>Da: „Kleng! — kleng! —“ Irgend jemand vergnügt sich hier mitten in -der Nacht damit, eine Konservendose — ich hatte am Abend eine Dose -Pflaumen öffnen lassen — in gleichmäßigen Zeitabständen auf den Boden -zu werfen!</p> - -<p>„Korrokón!“</p> - -<p>„Tjarrr?!“</p> - -<p>„Keléle?!“</p> - -<p>„Ndófu!“<a id="FNAnker_20" href="#Fussnote_20" class="fnanchor">[20]</a></p> - -<p>Jetzt mußte ich einige Sekunden überlegen; denn mir war im ersten -Augenblick nicht klar, ob ich recht gehört hatte. Dann knöpfte ich -leise mein Zelt an der Rückseite auf und ging vorsichtig hinaus.</p> - -<p>Da stand wirklich an einem großen Baume ein riesiger Elefant, und zwei -lange Zähne leuchteten an seinem Kopfe. Der hatte also mit meiner -Konservendose gespielt!</p> - -<p>Der Askari kam heran.</p> - -<p>„Weshalb jagst du ihn nicht weg?“</p> - -<p>„Du hast es verboten!“ Da hatte er recht; aber das war mir denn doch -zu viel! Ich bückte mich, hob einen Knüppel auf, ging dicht an den -Elefanten hinan und warf ihm das Holz an den Kopf, daß es klappte. Er -schnaubte und lief davon. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_228"></a>[S. 228]</span></p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Das ist vor einer Stunde geschehen und jetzt sitze ich vor dem Zelt, -schreibe beim Schein einer Küchenlaterne und warte, daß es hell werde.</p> - -<p>Eben brüllt ein Löwe. Von dem „Konzert“, von dem andere erzählen, habe -ich eigentlich noch nie etwas gehört; auch was ich jetzt höre, klingt -nur wie ein grimmiges, mißmutiges und faules Hineinknurren in eine -leere Tonne. Hier am Rufiyi scheinen Löwen und Elefanten eingesehen zu -haben, daß sie gegen die Stimme des Kiboko nicht ankommen können; auch -das Trompeten des Elefanten, das „markerschütternde“, habe ich noch -nicht gehört.</p> - -<p>Elefant, Löwe und Büffel! Gibt es noch ein Revier auf dieser Erde, das -wertvolleres Wild beherbergt?</p> - -<p>Gibt es eine größere Wildnis, als die, die mich hier mit wundervollem -Zauber umgibt?</p> - -<p>Der größte der lebenden Dickhäuter; die starke und gewandte Katze; -der wilde Stier: wo dies Kleeblatt noch zu finden ist, da sind -paradiesische Zustände.</p> - -<p>Ich weiß das; weiß, daß ich ein Glück genieße, wie es mir im Leben -nicht reiner wieder begegnen wird.</p> - -<p>Fern von den Menschen; fern von Neid, Haß und Habgier; von den -Schmerzen und der Langeweile, die uns tagein, tagaus verfolgen und -peinigen.</p> - -<p>Alles, was in Städten und Dörfern lebt, was gegen Not und Elend kämpft, -und mit ungestillter, unverstandener Sehnsucht ringt, liegt hinter den -blauen Bergen dort unten.</p> - -<div class="sidenote">Glücksgefühl.</div> - -<p>Ich bin hereingekommen in ein Paradies, und will es im Innern -festhalten und dem Geschick danken, das mir so hohes Glück beschert hat!</p> - -<p>Ich will mir hier einen Schatz fürs Leben sammeln und nie vergessen, -daß ich in dieser Zeit frei von allem Leiden war; jung und stark und -gesund in einer Welt, die meinen Neigungen Nahrung gab.</p> - -<p>An jedem Morgen empfinde ich das von neuem.</p> - -<p>Wenn die Sonne aufgeht, kommt auch meine Freude wieder. Die Nacht ist -ein Warten; Andacht die Morgenstunde; Erfüllung der Tag.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_229"></a>[S. 229]</span></p> - -<p>Und der Abend ist ein rechter Abend, mit Müdigkeit und Frieden, -mit stillem Zurückschauen und ganz zarter Hoffnung auf eine neue -Lebenswelle, die der neue Tag bringt.</p> - -<p>Das nenne ich ein Leben! —</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Eines Tages kam ich in ein Dorf, dessen Einwohner oft über Wildschaden -geklagt hatten.</p> - -<p>Flußpferde, Schweine und Elefanten seien Nacht für Nacht auf den -Feldern, und die Männer müßten beim brennenden Feuer Wache halten, um -ihre Felder zu schützen.</p> - -<p>Als die Sonne unterging, lag ich auf der Uferböschung des Flusses, nahe -bei dem Dorfe, und beobachtete ein großes Krokodil, das auf dem andern -Ufer schlief.</p> - -<p>Die rote Abendsonne schien dem Drachenvieh in den weit geöffneten -Rachen.</p> - -<p>Ich überlegte, ob ich das Raubtier durch einen wohlgezielten Schuß ins -Jenseits befördern sollte.</p> - -<p>Da wurde ich auf eine Flußpferdherde aufmerksam, die dicht am Ufer auf -die Dunkelheit wartete, um zur Äsung an Land zu steigen; es waren wohl -zwanzig Köpfe.</p> - -<p>Als es dunkel wurde, hoben sich die ersten beiden plumpen Leiber auf -das Ufer; dann folgte ein starker Bulle mit weit nach vorn gesenktem -Kopfe.</p> - -<p>Ich gab ihm eine Kugel in das Gehirn; er brach auf der Stelle zusammen. -Die Herde drängte in das tiefere Wasser und warf eine hohe Welle vor -sich auf; die beiden am Ufer stehenden Tiere stürzten sich von oben in -den Fluß und folgten der Herde.</p> - -<p>Ich band den erlegten Bullen mit Schilf am Ufer fest und ging zu meiner -Hütte zurück.</p> - -<p>Als ich beim Abendbrot saß, brüllte dicht neben mir im Wasser noch ein -Flußpferd.</p> - -<p>Das Dorf, dessen Bewohner mir hier eine kleine, saubere Rasthütte -gebaut hatten, lag dicht am Strome. Die Leute waren dem Strome gefolgt, -der sein Bett vor einigen Jahren hierher verlegt hatte, und wohnten -noch nicht lange an dieser Stelle; noch keiner der angepflanzten Bäume -war mehr als drei Jahre alt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_230"></a>[S. 230]</span></p> - -<p>Die Neger in diesem Orte waren sehr freundlich zu mir. Sie hockten im -Kreise um ein kleines Feuer mitten auf der Dorfstraße und erzählten -sich etwas.</p> - -<p>Ich setzte mich im langen Stuhl in ihre Nähe und hörte zu. Sie klagten, -die Flußpferde ließen keinen Halm auf ihren Feldern wenn das Feuer bei -den Wachthütten einmal ausgehe.</p> - -<p>Nach einer Weile trennten sich einige Leute von der Gruppe und sagten, -sie müßten in die Schamba gehen, um Wache zu halten.</p> - -<p>Kurz entschlossen hängte ich meine Büchse um und ging mit ihnen.</p> - -<p>Das war eine der eigenartigsten Nächte, die ich auf afrikanischem -Boden erlebte! Die Klarheit des Himmels, die scheinbar unendliche -Masse des hohen Schilfes, in die die Neger barfuß, mit vorsichtigen -Tritten hineingingen; das schrille, ohrenbetäubende Zirpen der Zikaden -die, wenn wir näher kamen, ganz plötzlich verstummten; die vielen -kleinen Hütten auf hohen Pfählen, an denen wir vorbeikamen, und aus -denen jedesmal eine Menschenstimme Antwort gab: Das machte auf mich -einen so tiefen Eindruck; denn es war ein Stück von der Geschichte des -Elefanten, des größten Wildes der Erde.</p> - -<p>Hier durfte ich noch Zeuge sein, wie halbwilde Menschen um ihre Nahrung -mit den Tieren der Vorwelt kämpften; wie die Lebensweise der Dickhäuter -das Treiben der Menschen beeinflußte.</p> - -<p>Und mir schien, als ob die Menschen reger, stärker und besser würden -durch den dauernden Kampf. Das waren meine Gedanken, als ich den -biegsamen Gestalten der Neger folgte, die mit ihren Sinnen ganz -beschäftigt waren, den Weg zu suchen.</p> - -<p>Der eine Neger ging abseits auf ein Feld. Ich folgte dem anderen und -wir stiegen an schwachen Pfählen auf ein Gerüst hinauf, das eine kleine -Hütte trug.</p> - -<p>Nicht weit davon brannte zu ebener Erde ein Feuer und Brennholz lag -daneben.</p> - -<p>Der Schwarze brachte einen Arm voll trockenen Grases und legte es mir -unter den Rücken. Ich machte es mir so bequem wie möglich.</p> - -<div class="figcenter illowe27_2" id="pg231ill"> - <img class="w100" src="images/pg_231_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Schädel eines Elefanten, den ich geschossen habe. Die -Zähne sind 221 Zentimeter lang.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_231_ill_gross.jpg" id="pg_231_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_233"></a>[S. 233]</span></p> - -<p>Die Pfähle wackelten stark, als der Neger hinunterstieg, um neue Reiser -auf das Feuer zu werfen.</p> - -<p>In der kleinen Hütte war ein starker Negergeruch, den ich in Kauf -nehmen mußte. Der Schwarze hockte dicht bei mir, nestelte an seinem -Hüfttuch herum, holte Tabak heraus und schob ihn in den Mund und die -Nase.</p> - -<p>Im Schein des Feuers sah ich, daß er große Narben im Gesicht und -auf dem Schädel hatte, und er erzählte mir, daß ihn ein Leopard vor -mehreren Jahren in der Nacht auf einer Wachthütte besucht habe. Er habe -geschlafen, sich plötzlich gepackt gefühlt, um sich gegriffen, den -Leoparden mit aller Kraft gefaßt und geschrien; da sei seine Bibi mit -Feuer gekommen und habe ihn befreit. Ob der Leopard mehr gebissen oder -geschlagen hatte, konnte der Mann mir nicht sagen.</p> - -<p>Die Zikaden zirpten ununterbrochen.</p> - -<p>Eine Fledermaus besuchte unseren kleinen Raum und flatterte geisterhaft -um das Strohdach.</p> - -<p>Von Zeit zu Zeit ertönte das mächtige Brüllen der Flußpferde fern und -nah; dann hörte man wieder Rufe, Scheuchen und Schlagen von Trommeln -rundum in den Feldern.</p> - -<p>Stunden vergingen — —. Wenn mir der Kopf niedersank, durchfuhr mich -ein Gefühl des Ekels bei dem Geruch, der den Gegenständen in der Hütte -anhaftete; ich sah wieder in die Dunkelheit hinaus.</p> - -<div class="sidenote">Elefanten in den Feldern.</div> - -<p>Stunden vergingen — —. Mit einmal war ich wieder ganz wach und mein -Herz schlug schneller: „Elefanten,“ sagte der Neger leise. „Sie kommen -in die Schamba.“</p> - -<p>Ich hörte nur ein leises Streichen von Gräsern, ein Schurren, Kluppen, -Schnaufen; dumpfe Stöße; aber alles dies so leise, daß nur die -Phantasie sich die Nähe der großen Tiere dazu vorstellen konnte. Nichts -von dem Trompeten, auf das ich gehofft hatte. Ich horchte lange hinaus -in die Nacht und als ich genug gehört hatte, sang der Neger laut und -schlug auf eine dumpfe Trommel.</p> - -<p>Ich ging auf Umwegen zum Dorfe zurück und merkte dabei, daß es -unverständig ist, in diesem Lande nachts allein zu gehen; man sieht und -hört Gespenster.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_234"></a>[S. 234]</span></p> - -<p>Gerade der Pirschjäger, und besonders der Europäer, ist gewohnt, seine -Augen zu gebrauchen, wenn er ein verdächtiges Geräusch gehört hat. Hier -aber ist nachts ein lautes Treiben und hält die Sinne des Wanderers -fortgesetzt in Anspannung, ohne daß er etwas sehen kann.</p> - -<p>Steht da nicht ein Flußpferd?</p> - -<p>Im Grase raschelt’s; ein fernes Brechen — — Elefanten?</p> - -<p>Man steht und lauscht.</p> - -<p>Das Geräusch der eigenen Tritte verbietet vorwärts zu gehen, weil man -die anderen Geräusche, die man zu beachten gewohnt ist, zu übertönen -fürchtet; wenn andere mitgehen, schreitet man aus, ohne Rücksicht auf -den Lärm der Tritte, die sich mit denen der anderen verbinden.</p> - -<p>Am Morgen kamen die Neger, weckten mich und meldeten, die Elefanten -hätten die Schamben verlassen und seien nach dem Walde hingewechselt.</p> - -<p>Eilig brach ich auf, um den Tieren den Weg abzuschneiden. Durch hohes -Schilfgras kam ich auf Umwegen in Buschwald. Da fanden die Leute bald -die ganz frische Fährte eines Elefanten, dem wir folgten.</p> - -<p>Kurz darauf prallte der vor mir gehende Neger zurück und sagte. -„Ndofu.“<a id="FNAnker_21" href="#Fussnote_21" class="fnanchor">[21]</a></p> - -<p>Ein großer Elefant stieg dicht vor uns aus einem kleinen Tal und -verschwand schnaubend in den Büschen.</p> - -<p>Er hatte uns gehört. Ich lief nach und sah ihn in ziemlich offenem -Gelände stehen, als er sich zu mir umdrehte. Ohne zu zögern ging ich -an den völlig freistehenden Riesen bis auf fünfundzwanzig Schritt -hinan und schoß zwischen Auge und Ohr, während er seine großen Gehöre -abgespreizt hielt, als wollte er mit den riesigen Schallfängern jeden -Laut aus der Richtung seines Angreifers auffangen.</p> - -<div class="sidenote">Der erste Elefant zur Strecke.</div> - -<p>Auf den Schuß tat der Elefant mehrere Schritte vorwärts, brach vorne -nieder, so daß die Zähne den Erdboden aufpflügten, legte sich langsam -auf die Seite und verendete.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_235"></a>[S. 235]</span></p> - -<p>Der Eindruck, den dieser Vorgang auf mich machte, war überwältigend. -Alles war so schnell gegangen: Das Wahrnehmen des Tieres, der Schuß -und die verblüffende Wirkung, daß der große Elefant, der eben noch im -Vollbesitz seiner ungeheuren Kräfte war, leblos zusammensank. — Das -war der Tod?</p> - -<p>Ein Schwarzer sprang auf den toten Elefant los, hielt seinen -Vorderlader mit gestreckten Armen vor sich und feuerte ihm die Ladung -in den Rücken.</p> - -<p>Hinter den Büschen ertönte ein dumpfes Trompeten; es klang, als ob -Schrecken darin läge.</p> - -<p>Ich folgte dem Tone und sah drei Elefanten, die in schnellem Trab -flüchteten und sich dabei dicht aneinander drängten.</p> - -<p>Als ich zurückkehrte, warnten die Neger noch immer davor, dem Elefanten -zu nahe zu kommen, man könne nicht wissen, ob er wirklich tot sei.</p> - -<p>Am nächsten Morgen war ich mit der Kamera und neugefüllten Kassetten -zur Stelle und photographierte meinen ersten Elefanten.</p> - -<p>Auf den umstehenden Bäumen saßen Hunderte von Aasvögeln und warteten, -bis irgend jemand die Decke des Dickhäuters durchschlagen würde. Der -riesige Leib war in den vierundzwanzig Stunden mächtig aufgetrieben, -und als er geöffnet wurde, schwoll der Magen wie ein Ballon heraus. Da -näherte sich ein Witzbold vorsichtig von der Rückenseite und stach mit -seinem Messer kurz in die gespannte Wand. Es gab einen lauten Knall, -der Ballon platzte, und der Mageninhalt flog weit herum, zum großen -Vergnügen der Zuschauer.</p> - -<p>Merkwürdig war, daß das Hinterbein des auf der Seite liegenden -Elefanten frei in der Luft schwebte und selbst das Gewicht mehrerer -Menschen tragen konnte, ohne nach unten gedrückt zu werden.</p> - -<p>An dem ersten Elefanten gab es noch vieles andere zu sehen: Die -Proportionen des Tieres, die Beschaffenheit der Haut (die viel -schwächer ist, als die des Flußpferdes), die Größe der Ohren, die -Muskulatur des Rüssels und die Form des Greifers (des Rüsselendes, in -das die Nasenkanäle münden).</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_236"></a>[S. 236]</span></p> - -<p>Die Neger sprachen über den Elefanten und teilten sich mit, was sie -von ihm wußten. „Der ißt keine Kürbisse mehr,“ sagte einer. „Aber sein -Freund“ (<span class="antiqua">ndugu</span>), ein anderer. „Er schläft nie liegend,“ „er legt -sich nie hin, weil er dann nicht wieder aufstehen kann.“ „Er legt die -Zähne auf einen Baum, wenn er schlafen will; weil sie schwer sind.“</p> - -<p>Sie betrachteten den Rüssel —, „damit greift er sich Mangos,“ „und -trinkt Wasser,“ „und gräbt Löcher.“ Ich sah mir an, wie die Zähne -herausgehauen wurden.</p> - -<p>Der linke Zahn war kürzer als der rechte und trug an der Spitze -Bruchstellen. Die Schwarzen nannten den linken Zahn „<span class="antiqua">gumbiro</span>“, -den rechten „<span class="antiqua">lugori</span>“ und sagten, mit dem <span class="antiqua">gumbiro</span> arbeite -der Elefant, den <span class="antiqua">lugori</span> hätte er bloß zum Schmuck; der sei sein -Vermögen (<span class="antiqua">mali</span>).</p> - -<p>Bei allen Elefanten, die ich geschossen und gesehen habe, war der linke -Zahn kürzer als der rechte. Der linke war meist stärker und abgenutzt; -der rechte endigte in einer langen, glatten Spitze. Oft war der linke -Zahn sogar ganz abgebrochen.</p> - -<p>Die Schwarzen schnitten mit ihren weichen, schlechten Messern die -Haut und das Fleisch über den Knochenpartien ab, bis die großen -Knochenwulste, in die die Zähne gebettet sind, zutage lagen. Dann wurde -der Knochen mit Beilen abgesplittert. Die beiden Zähne saßen sehr fest; -es forderte stundenlange Arbeit, sie zu lösen. Der obere Rand jedes -Zahnes ist durch eine dünne Hautplatte abgeschlossen, unter der der -große, rosarote Nerv liegt. Der ist gut anderthalb Fuß lang und geht -nach unten spitz zu wie eine Rübe. Er füllt die Höhlung des Zahnes aus.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Eines morgens brach ich anderthalb Stunden vor Sonnenaufgang mit -wenigen, besonders zuverlässigen Leuten auf, um Elefanten zu suchen, in -einer Gegend, in der ich frische Fährten gesehen hatte.</p> - -<p>Es war noch völlig dunkel, als wir in der Ferne ein Brechen hörten.</p> - -<p>Das Geräusch entfernte sich langsam. Ich mußte warten, bis es hell -wurde. Dann gingen wir suchend an Wassertümpeln<span class="pagenum"><a id="Seite_237"></a>[S. 237]</span> entlang, in denen sich -hohe Bäume spiegelten. Das erste Licht fiel zwischen Blätter und Gräser -hinein. Skarabäen schwirrten in der Luft — große Käfer, die dem Geruch -der Elefantenlosung folgten. —</p> - -<p>Plötzlich zeigte ein Neger seitwärts.</p> - -<div class="sidenote">Sieben Elefanten.</div> - -<p>Zwischen den Zweigen reckte sich der Rüssel eines Elefanten, einer -mächtigen Schlange gleich, steil in die Luft.</p> - -<p>Da kein Wind war, brauchte ich nicht lange zu überlegen, was ich tun -sollte; ich ging einfach darauf los und erreichte eine Herde von sieben -Elefanten, die zwischen den Büschen ästen und dabei langsam vorwärts -gingen.</p> - -<p>Die Elefanten gingen nur in schnellem Schritt. Trotzdem hatte ich Mühe, -ihnen zu folgen.</p> - -<p>Einmal waren links von mir vier, rechts zwei, und der stärkste, ein -Bulle, blieb etwas zurück. Ich lief und wußte, da ich schießen wollte, -keinen anderen Rat, als schräg von hinten an den stärksten Bullen -hinanzulaufen und seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Es war ein -Wagnis; denn ich kannte die Elefantenjagd noch kaum und hatte erst zum -fünften Male Elefanten vor mir. Aber es war höchste Zeit, zu handeln; -meine Kräfte ließen nach und ich fürchtete, durch das Laufen zu unruhig -zu werden zu einem sichern Schuß.</p> - -<p>Die Gräser wurden niedriger, die Büsche spärlicher und die Elefanten -waren bis zu den Kniegelenken hinab zu sehen.</p> - -<p>Nur noch dreißig Schritt trennten mich von dem Bullen, da wandte er -sich zu mir um.</p> - -<p>Sofort blieb ich stehen und schoß ihm zwei Schuß auf das Ohr; da -beeilte sich der Elefant, der Herde zu folgen; er zeigte mir nur sein -Hinterteil, so daß ich keinen wirksamen Schuß abgeben konnte, und ich -schoß auf den linken Hinterfuß.</p> - -<p>Die Herde verschwand schnell in dem hohen Grase.</p> - -<p>Nun wartete ich auf meine Leute und nahm dann die Fährte auf. Ich hielt -es für aussichtslos und war in recht gedrückter Stimmung; was nützten -die kleinen Tropfen Schweiß, die hie und da an den Blättern gefunden -wurden!</p> - -<p>Wir kamen an einem hohen Baume vorbei und ich kletterte<span class="pagenum"><a id="Seite_238"></a>[S. 238]</span> hinauf; da sah -ich die Elefantenherde tausend Meter von mir entfernt im Schilf stehen.</p> - -<p>In dem hohen Schilf hinanzugehen wäre ein bodenloser Leichtsinn -gewesen, solange kein Wind wehte. Deshalb beschloß ich, auf den -Nachmittagswind zu warten, der regelmäßig aus Osten wehte, und ging bis -zu einem einzelnen, großen Baume, der in dem weiten Grasmeere stand, -und von dem aus die Herde gut zu sehen war.</p> - -<div class="sidenote">Die Jagd mit der Leiter.</div> - -<p>Ich schickte Leute weg, die im Busch eine Leiter bauen sollten, und -ließ mir Essen und die Kamera holen.</p> - -<p>Mit der Leiter wollte ich im Schilf an die Herde hinangehen, weil es -unmöglich und auch zu gefährlich war, sich der Herde zu ebener Erde zu -nähern; man konnte in dem etwa drei Meter hohen, dichten Schilfgrase -nicht fünf Schritt weit sehen.</p> - -<p>Gegen drei Uhr am Nachmittag kam der Wind durch, auf den ich gewartet -hatte.</p> - -<p>Nun ging ich an die Herde hinan, um von der Leiter aus photographische -Aufnahmen zu machen.</p> - -<p>Zwei Neger hielten die Leiter, zwei andere lehnten starke Astgabeln -dagegen; dann stieg ich hinauf und sah von oben über das Schilf hin -nach den Elefanten aus.</p> - -<p>Ich machte Aufnahmen auf hundertundzwanzig Meter. — Der erfahrene -Photograph wird wissen, daß fast nichts auf der Platte zu sehen war; -nur ein paar kleine Pünktchen; die Entfernung war für eine Kamera ohne -Fernobjektiv zu groß! —</p> - -<p>Mit vieler Mühe machte ich den angeschossenen Elefanten aus. Ich -erkannte ihn daran, daß er sich mit dem Greifer seines Rüssels oft nach -den Schußstellen am Kopfe faßte. Die Herde stand in heißem Sonnenlicht. -Zweimal schienen die gesunden Tiere Anstalten zu machen, weiter zu -gehen (um Schatten zu suchen) kehrten aber jedesmal wieder zu dem -kranken Elefanten zurück.</p> - -<p>Alle klappten mit den großen Ohren, und manchmal hob sich ein -gekrümmter Rüssel in die Luft, um zu winden. Auch warfen die Tiere sich -glitzernden Sand über den Rücken, so daß ich dachte, sie ständen am -Wasser.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_239"></a>[S. 239]</span></p> - -<p>Endlich ging ich ganz nahe an die Elefanten hinan, um den krank -geschossenen Bullen zur Strecke zu bringen. Als wir in hohem Schilfe -näher kamen, wuchsen die Schwierigkeiten; denn meine Neger, die die -Leiter halten sollten, hörten das Prusten der Elefanten, das Klappen -der Gehöre und das Kollern (das bekannte Geräusch, das man bei ruhenden -Elefanten so oft vernimmt). Die Schwarzen wurden ängstlich, wollten -nicht weiter mitkommen und ich mußte darauf gefaßt sein, daß sie, -während ich oben auf der Leiter stand, bei Zeichen von Gefahr loslassen -würden, und ich dann mit dem Gewehr ins Schilf fiele.</p> - -<p>Ich ließ einige Neger auf die Leiter steigen, damit sie sich davon -überzeugten, daß die Elefanten ganz ruhig aussahen und keine Gefahr zu -ahnen schienen.</p> - -<p>Wenn ich unten im Schilf stand und die Elefanten nicht sah, hatte ich -allerdings selbst ein Gefühl von Unsicherheit.</p> - -<p>Der kranke Elefant stand günstig und zeigte mir, als ich gegen den Wind -näher ging, schräg von vorne die Fläche seines Kopfes.</p> - -<p>Aber nach welcher Seite würde die Herde nach dem Schuß ausbrechen? -Würden die Tiere in Wut kommen und mich suchen? Möglich war das nach -den Schauergeschichten, die hier und da erzählt werden.</p> - -<p>Ich stellte mich oben auf die Leiter und schoß.</p> - -<p>Der Elefant blieb stehen; die übrigen stürmten davon. Nur mit Mühe -brachte ich die Neger dazu, zu bleiben und meine Leiter festzuhalten. -Aber die Leiter wackelte jetzt so, daß ich keinen ganz sicheren Schuß -abgeben konnte; ich wurde hitzig und schoß abwechselnd auf den Kopf und -die Schulter, weil die Schulter ein größeres Ziel bot.</p> - -<p>Der Elefant blieb wie verzaubert stehen.</p> - -<p>Auf den zweiunddreißigsten Schuß, einen Kopfschuß, brach er in die Knie -zusammen.</p> - -<p>Ich atmete auf: das war ja wie eine Warnung für später; wenn dieser -Elefant nicht den Schuß in den Fuß gehabt hätte, wäre er mir dreißigmal -verloren gegangen!</p> - -<p>Er lag so da, daß er von vorne wie lebend aussah, wenn<span class="pagenum"><a id="Seite_240"></a>[S. 240]</span> ich die großen -Gehöre nach vorne drücken ließ; ich hätte ein sehr imposantes Bild -machen können, wenn meine Platten nicht alle gewesen wären. Am nächsten -Tage war ich dabei, als die Zähne ausgeschlagen wurden, und studierte -den Kopf des Elefanten und die Wirkung meiner Schüsse.</p> - -<p>Das Aushauen der Zähne war eine langwierige Arbeit, viel mühsamer -als ich gedacht hatte. Die Haut, das Fleisch und die Knochenmassen -um die Zähne mußten entfernt werden, und da immer nur wenige Leute -gleichzeitig arbeiten konnten, dauerte es über vier Stunden, bis die -Zähne zum Transport fertig dalagen.</p> - -<p>Wenn der Neger einen Elefanten schießt, wartet er so lange, bis die -Knochenhaut, die den Zahn umgibt, fault und die Zähne in den Alveolen -locker werden, so daß er sie mühelos herausziehen kann. Darauf muß er -beinahe vierzehn Tage warten, und wird sich dazu wohl bei dem erlegten -Elefanten eine Hütte bauen, um seine kostbare Beute zu bewachen.</p> - -<div class="sidenote">Schlechte Schüsse; Enttäuschung.</div> - -<p>Nach der Erfahrung mit dem Elefanten, der erst auf den -zweiunddreißigsten Schuß fiel, beschloß ich, die Elefantenjagd fortan -zu unterlassen; entweder war ich unfähig oder mein Gewehrkaliber -reichte für Elefanten nicht aus. Ich hatte keine Lust, Elefanten krank -zu schießen und noch weniger, den Vorwurf bodenlosen Leichtsinns zu -verdienen; denn Leichtsinn, nicht Mut ist es, wenn jemand sich in -Gefahr begibt, ohne sich und seiner Waffe trauen zu können.</p> - -<p>Einen Monat hindurch fehlte mir auch jede Zeit zur Jagd, dann aber -hatte ich eine ganz unerwartete Begegnung mit einem Elefanten und -lernte an einem Tage, wie es zu machen sei, einen Elefanten mit einem -einzigen Stahlmantelgeschoß zu töten.</p> - -<p>Ich ging mit zwei Boys auf einem Negerpfad, der in Schlangenlinien -durch dichten Busch führte. Hie und da standen üppige Dumpalmen, -und hohes Gras neigte sich von beiden Seiten in den Weg. Als wir um -einen Palmstrauch bogen, stand plötzlich ein Elefant dicht vor uns. -Die Boys liefen weg und auch mir blieb nichts anderes übrig, als -zurückzuspringen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg241ill"> - <img class="w100" src="images/pg_241_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Der wilde Elefant, der mich wütend verfolgte, fiel nach -dem zehnten Schuß.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_241_ill_gross.jpg" id="pg_241_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Auch der Elefant war erschrocken, hob den Kopf, streckte den<span class="pagenum"><a id="Seite_243"></a>[S. 243]</span> Rüssel -geradeaus nach vorne und trottete in den Busch. Ich folgte ihm, -stieg auf einen Baum, um nicht zuviel Zeit mit dem Suchen der Spur -zu verlieren und sah den Elefanten, als er das jenseitige Ufer eines -etwa vierhundert Meter breiten Sumpfes hinaufstieg und in die Büsche -hineinging. Ohne Zögern sprang ich zu Boden und arbeitete mich durch -den Sumpf, erreichte das jenseitige Ufer und stieg die Böschung hinauf: -als der Elefant ganz unerwartet wieder vor mir stand. Der einzige -Neger, der mit mir war, rief: „<span class="antiqua">anakuja</span>“<a id="FNAnker_22" href="#Fussnote_22" class="fnanchor">[22]</a> und lief davon. Ich -war in einer schwierigen Lage; hinter mir der Sumpf, zehn Schritt vor -mir der Elefant.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg243ill"> - <img class="w100" src="images/pg_243_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Das Heraushauen der Elfenbeinzähne aus dem Schädel -ist eine schwere, langwierige Arbeit. Bei diesem Elefanten wurde die -Arbeit durch die Lage des Tieres erleichtert; es war zusammengebrochen -ohne auf die Seite zu fallen, und so konnten die Schwarzen an beiden -Zähnen gleichzeitig arbeiten. — An dem Elefanten steht die Leiter, die -ich mir schnell hatte zusammenbinden lassen, um über das große Gras -hinwegsehen zu können. —</p></div> -</div> - -<p>Schnell riß ich das Gewehr hoch und schoß auf den Kopf<span class="pagenum"><a id="Seite_244"></a>[S. 244]</span> des Elefanten, -repetierte und schoß den zweiten Schuß auf den Rüsselansatz, als der -Rüssel schon dicht vor mir war; dann sprang ich schräg nach links an -dem Elefanten vorbei, weil ich wußte, daß ich in dem Sumpf verloren -gewesen wäre.</p> - -<div class="sidenote">Vom Elefanten verfolgt.</div> - -<p>Der Elefant war hinter mir, ich hörte die Tritte, sprang völlig aufs -Geratewohl zur Seite und schoß den dritten Schuß auf den Kopf des -Elefanten.</p> - -<p>Ich sah über dem Grase nur den Rücken und den Kopf mit den gewaltigen -Gehören. Wieder stand der Elefant, hob den Rüssel und stieß einen -lauten Ton aus, der so klang, als wenn eine Straßenbahn sich schrill in -einer Kurve scheuert.</p> - -<p>Noch zwei Schuß in fieberhafter Schnelligkeit auf den Gehöreingang!</p> - -<p>Patronen: Die Taschen sind leer! „Ali!“ „Ali!“ „Risassi!“<a id="FNAnker_23" href="#Fussnote_23" class="fnanchor">[23]</a></p> - -<p>Der Elefant ist wieder hinter mir.</p> - -<p>Ich laufe. An einem Busch pralle ich mit Ali zusammen; der wirft den -Patronengürtel hin; ich hebe den Gürtel auf, laufe, springe, reiße zwei -Ladestreifen aus der Ledertasche, lasse den Gürtel wieder fallen, lade. -Ich sehe den Elefanten auf Alis Spur und schieße fünfmal; da bleibt der -Elefant stehen, dreht sich im Kreise, schlägt mit dem Rüssel in die -Luft, trompetet in wilder Wut und fällt langsam auf die rechte Seite. —</p> - -<p>Es ist kein Zweifel, daß dieser Elefant mich angenommen hat. Ich hatte -ihn zweimal überrascht, und darüber war er ärgerlich; er mußte mich als -seinen Verfolger erkennen, er war gereizt. Er hatte nach meinen ersten -Schüssen zweimal die Richtung geändert, muß also wohl andere Absichten -gehabt haben, als nur davonzulaufen.</p> - -<p>Obgleich mir nicht Zeit blieb, an die Gefahr zu denken oder gar Furcht -zu empfinden, kann ich doch eins als etwas Unangenehmes schildern: -fortlaufen zu müssen, dem Gegner den Rücken zu kehren und das Geräusch -seiner Tritte hinter sich zu hören.</p> - -<p>Erhöht wurde die unangenehme Lage noch dadurch, daß man<span class="pagenum"><a id="Seite_245"></a>[S. 245]</span> in dem hohen -Grase stellenweise nicht sehen konnte, wohin der Elefant lief.</p> - -<p>Nach einer Weile erschienen beide Boys wieder auf der Bildfläche. -Wenige Schritte von der Stelle, an der der Elefant gefallen war, -lag ein alter Elefantenschädel, und ich kam auf den glücklichen -Einfall, diesen Schädel neben den Elefanten legen zu lassen, genau zu -vergleichen und zu messen, um zu lernen, wohin und wie ich schießen -müsse, um das Gehirn zu treffen.</p> - -<p>Wer sich nämlich auf der grauen Fläche am Kopfe des Elefanten -zurechtfinden will, muß den Schädel unter der Decke erkennen und das -große Gebilde wie mit Röntgenstrahlen durchschauen. Das lernte ich -an diesem Tage und übte mich in den fünf Stunden, die ich bei dem -Elefanten und dem Schädel zubrachte, durch dauerndes Vergleichen so, -daß ich aus jeder Richtung wußte, wieviel Knochen und Fleischmasse mein -Geschoß zu durchschlagen hatte.</p> - -<p>Ich ließ mir mein Skizzenbuch und Bleistifte holen und machte -Zeichnungen des Elefantenschädels in allen verschiedenen Stellungen. -Diese Mühe — es war übrigens eine lehrreiche und nützliche -Beschäftigung — machte sich belohnt, und selten bin ich mit mir selbst -zufriedener gewesen als an dem Tage, an dem ich den nächsten Elefanten -anpirschte und auf fünfzehn Schritt mit einem einzigen Schuß tötete.</p> - -<p>Mittlerweile kamen meine Träger und zwei ganz alte Männer, deren Brust- -und Rückenhaut in vielen Falten auf dem Körper lag. Sie bauten sich -eine kleine Hütte und blieben tagelang bei dem Elefanten, um Fleisch zu -essen.</p> - -<p>Wenn ich eitel wäre, müßte ich aufzeichnen, was Ali im Lager über -meinen Mut erzählte, wie ich geschossen hätte, bis der Elefant mich -beinahe faßte, wie ich immer wieder stehen geblieben sei um zu -schießen. Das „<span class="antiqua">hakimbii</span>“ („er läuft nicht weg“) ging von Mund zu -Mund, und mir konnte es nur recht sein, wenn die Neger daran glaubten; -denn mit einem Feigling gehen sie weder auf die Jagd noch ins Gefecht.</p> - -<p>Übrigens gewann Alis Schilderung noch bedeutend, als er dagegen -vormachte, wie ein anderer Europäer vor Jahren auf<span class="pagenum"><a id="Seite_246"></a>[S. 246]</span> eine -Riesenentfernung auf Elefanten geschossen habe. Ali markierte den -Europäer, ein andrer den Boy des Europäers. Der Europäer legte die -Mündung des Gewehres auf die Schulter seines Boy, um sicher zu zielen -und ging dabei immer rückwärts, wobei er ängstlich um sich blickte und -fragte: „<span class="antiqua">Nipige? nipige?</span>“ (Soll ich schießen?)</p> - -<p>So gewann ich also auf Kosten eines Unbekannten, der mir, wenn er dies -lesen sollte, verzeihen möge, daß ich die Schwarzen gewähren ließ und -nichts tat, um sein Ansehen wiederherzustellen.</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="sidenote">Elefanten durchqueren den Strom.</div> - -<p>Eines Tages kamen Leute und meldeten, zwei Elefanten seien gegen Morgen -durch den Fluß gegangen und ständen jetzt nahe bei einem Dorfe im Busch.</p> - -<p>Ich ließ ein Maultier satteln und machte mich auf den Weg, um zu sehen, -was daran wahr sei.</p> - -<p>Nach zwei Stunden erreichte ich die Stelle, wo die Elefanten den Strom -verlassen hatten. Die Fährten waren deutlich; ringsum sah man, wo das -Wasser von den großen Tierleibern herabgetropft war.</p> - -<p>Es war kein Zweifel, daß die Tiere durch den Strom gekommen waren. Aber -wie? geschwommen?</p> - -<p>„Nein, der Elefant ist (zu) schwer,“ sagten die Neger und behaupteten, -er sei ganz unter Wasser gewesen; nur das Rüsselende habe herausgesehen.</p> - -<p>Ich füge nichts hinzu; es ist in jedem Falle merkwürdig, auch wenn es -eine Lüge der Neger sein sollte.</p> - -<p>Da die Neger sagten, die Elefanten ständen ganz in der Nähe, folgte ich -der Fährte. Nach kurzer Zeit — ich war noch gar nicht darauf gefaßt — -standen plötzlich beide Elefanten vor mir.</p> - -<p>Sie hatten schlanke, dünne Zähne; es waren Kühe und ich hatte nicht -die Absicht sie zu schießen — wie ich überhaupt nie eine Elefantenkuh -geschossen habe. —</p> - -<p>Die Neger sagten mir in ihrer eigentümlichen Ausdrucksweise „<span class="antiqua">shauri -yako, lakini mali</span>“. („Wie du willst; aber die Zähne sind sehr -wertvoll!“)</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_247"></a>[S. 247]</span></p> - -<p>Ich ging zum Strome zurück und ließ mir ein Boot holen, nahm eine -Bastleine mit einem Stein, fuhr über den Fluß und lotete bis zu -achtzehn Fuß Wassertiefe; der Wasserstand war in der Zeit schon -ziemlich hoch.</p> - -<p>Da die Elefanten etwa elf Fuß hoch waren, müssen sie entweder -geschwommen sein oder, wie die Neger sagten, wirklich den Rüssel als -Luftleitung hochgehalten haben. Leider habe ich selbst nie Elefanten im -Strome gesehen.</p> - -<p>Zu Fuß Elefanten zu folgen, ist eine anstrengende, oft vergebliche -Mühe; (zu Pferde wäre es eine Kleinigkeit). Das merkte ich, als ich -Elefanten photographieren wollte. Ich mußte dazu an die Plätze gehen, -wo die Elefanten bestimmt nachts ästen. Dort blieben aber die Tiere bei -Tage nicht, sondern zerstreuten sich in verschiedene, ganz unbestimmte -Richtungen und ich mußte ihnen dann folgen, bis gutes Licht zum -photographieren war.</p> - -<p>Die ersten Aufnahmen — die ich für die allerbesten zu halten Grund -hatte — mißlangen vollständig, weil ich noch nicht dreist genug war -und jedesmal zu früh zur Büchse griff, wenn der Elefant mir gefährlich -wurde.</p> - -<p>So war ich eines Morgens einem Elefanten schon in der Dunkelheit -gefolgt und ging hinter ihm her, um ihn zu photographieren, sobald es -hell genug würde.</p> - -<div class="sidenote">Allein mit dem Riesen.</div> - -<p>Ich ging ganz alleine; hatte die Büchse in der Hand und die Kamera -umgehängt.</p> - -<p>Meine Leute hatten den Auftrag, mir erst nach Tagesanbruch zu folgen.</p> - -<p>Ich wollte ganz alleine sein, weil ich dann von niemand gestört wurde -und weil es für jemand, der seine Sinne zusammennimmt, bei Jagd auf -gefährliches Wild wirklich das Sicherste ist, allein zu gehen; denn -viele Leute, viele Fehler.</p> - -<p>Damit aber die Neger meiner Fährte schnell und sicher folgen konnten, -hatte ich mir die Taschen mit Papierschnitzel gefüllt, die ich von Zeit -zu Zeit fallen ließ.<a id="FNAnker_24" href="#Fussnote_24" class="fnanchor">[24]</a> Diese Vorsichtsmaßregel war<span class="pagenum"><a id="Seite_248"></a>[S. 248]</span> sehr wichtig, -da ich auch die Gewohnheit hatte, Gegenstände, die mir lästig wurden, -abzulegen und in der Fährte liegen zu lassen, damit meine Leute sie -mitnähmen, und weil man einen Unfall haben kann, bei dem schnelle Hilfe -nötig ist.</p> - -<p>Der Elefant ging ganz langsam durch den Busch und kam in eine offene -Ebene mit kurzem, saftigen Gras. Ich war meist nur vierzig Schritt -hinter ihm.</p> - -<p>Er blieb oft stehen und nahm mit dem Rüssel Gras auf. Dabei krümmte er -das untere Ende des Rüssels wie eine Sichel, raffte die Halme zusammen, -riß ein Bündel ab und steckte es in den Mund.</p> - -<p>Über eine Stunde war es schon hell, da machte ich die erste Aufnahme -(auf fünfzig Schritt, schräg von hinten).</p> - -<p>Zum Glück ließ ich die Kassette auf der Erde liegen — ich band ein -Taschentuch daran, deckte Gras über die Kassette um sie vor Sonnenlicht -zu schützen und ließ das Taschentuch darunter hervorsehen, damit die -Neger, die meiner Fährte folgten, darauf aufmerksam würden.</p> - -<p>So wurde diese Aufnahme wenigstens gerettet.</p> - -<p>Ich hatte jetzt nur noch eine Doppelkassette (zwei unbelichtete -Platten). Als der Elefant einen ganz sanften Abhang hinanstieg, lief -ich nach rechts und photographierte ihn von der Seite.</p> - -<p>Da sah ich einen anderen Elefanten von links kommen und blieb stehen, -um zu beobachten, wann sich die Tiere gegenseitig bemerken würden. Als -sie etwa vierzig Schritt voneinander entfernt waren, blieb der Elefant, -dem ich folgte, stehen und wartete, bis der andere dicht vor ihm -vorübergegangen war. Dann aber drehte er sich ganz ohne Veranlassung -plötzlich um, so daß ich genau vor ihm stand, und spreizte beide Ohren. -Ich hatte die große Ruhe, jetzt die Kamera zu heben, zu zielen und zu -knipsen. Der Schlitzverschluß rollte auffallend laut; der Elefant hob -den Rüssel und schnaubte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_249"></a>[S. 249]</span></p> - -<p>Er hatte mich bemerkt.</p> - -<p>Ich stand fünfundzwanzig Schritt vor ihm; was tun?</p> - -<p>Ich ließ die Kamera ins Gras fallen, hob schnell die Büchse und schoß. -Der Elefant brach vorne zusammen und rollte tot auf die Seite.</p> - -<p>War es ein Gegner? War dies Aug in Auge mit dem Riesen ein Moment, in -dem es sich um Leben oder Tod handelte?</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg249ill"> - <img class="w100" src="images/pg_249_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Der Elefant ging in kurzem Grase. Ich war fünfzig -Schritt hinter ihm, als ich die erste Aufnahme machte.</p></div> -</div> - -<p>Ich weiß es nicht; jedenfalls gehört es zu den seltensten Erlebnissen, -auf Wurfweite in ganz freiem Terrain mit einem wilden Elefanten allein -zu sein und von ihm bemerkt zu werden.</p> - -<p>Leider ist die obenstehende Aufnahme die einzige von den dreien, die -gelungen ist. Die beiden anderen, auf die ich mich monatelang freute, -habe ich nie wieder gesehen und ich weiß nicht, wodurch die Platten -verdorben sind; vielleicht wurden sie beschädigt, als ich die Kamera -hinwarf.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_250"></a>[S. 250]</span></p> - -<p>Ein solcher Verlust ist sehr schwer zu vergessen; denn es gibt -keine besseren Beweise für die Wahrheit von Jagderlebnissen, als -Photographien, die in die Erlebnisse mitten hinein führen und einen -Teil der Aufregung und Gefahr schildern. Photographien sind viel -wertvollere Erinnerungen, als die Jagdtrophäen selber!</p> - -<p>Leider fehlten mir oft Platten, so daß ich manche Gelegenheit, -wertvolle Aufnahmen zu machen, vorübergehen lassen mußte.</p> - -<div class="sidenote">Pirschzeichen und Fährtenfolge.</div> - -<p>Eines Tages aber hatte ich sechs gefüllte Doppelkassetten und war -in einer Gegend, in der Elefanten frisch zu spüren waren. Kurz vor -Sonnenaufgang gingen zwei Elefanten nahe bei meinem Zelte vorbei. -Schnell stand ich auf und bereitete alles vor, um zusammen mit -Unteroffizier Lauer die Fährte aufzunehmen, sobald es hell würde.</p> - -<p>Fünf Stunden lang folgten wir der Fährte in heißem Sonnenbrand, ohne -auszuruhen. Je höher die Sonne stieg, um so schwieriger war es, das -Alter der Fährte zu bestimmen, was notwendig war, weil oft andere, -ältere Fährten dazwischen kamen, denen zu folgen natürlich zwecklos -gewesen wäre.</p> - -<p>Wenn ich zum Beispiel zwei Fährten vergleiche: Ich nehme an, die eine -ist von gestern früh, die andere von heute nach Sonnenaufgang. Es ist -Trockenzeit; kein Regen; aber nachts fällt Tau.</p> - -<p>Dann ist die Fährte von gestern früh den ganzen Tag über von der Sonne -beschienen worden; die Bruchstellen abgebrochener Blätter und Gräser -sind dadurch getrocknet. Danach ist der Nachttau in die Fährte gefallen -und hat alles gleichmäßig mit Feuchtigkeit benetzt.</p> - -<p>Die Fährte von heute früh dagegen ist trocken, weil der Huf des -Wildes die Tauschicht durchbrochen und den trockenen Sand von unten -heraufgewühlt hat; abgerissene Blätter aber zeigen nasse, also frische -Bruchstellen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg251ill"> - <img class="w100" src="images/pg_251_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ich ging bis auf acht Meter hinan. Der größere Elefant -hatte sich hingeworfen und schnarchte.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_251_ill_gross.jpg" id="pg_251_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Das sind die Unterschiede zwischen zwei Fährten von verschiedenem -Alter. Je höher aber die Sonne steigt, um so feiner werden diese -Unterschiede; denn auch die heute früh abgebrochenen Blattstengel -fangen an zu trocknen und der Tau verdunstet. Das<span class="pagenum"><a id="Seite_253"></a>[S. 253]</span> macht dann oft -viel Kopfzerbrechen. Aber es gibt für den aufmerksamen Fährtensucher -auch dann noch viele Merkmale, mit deren Beschreibung ich den deutschen -Jäger langweilen würde — und meine übrigen Leser vielleicht noch mehr. -—</p> - -<p>(Bald findet man eine Schramme an einem Baum, an einer Stelle, die nach -Westen liegt; ist diese Wunde an der Haut des Baumes so frisch, daß man -annehmen kann, die Nachmittagssonne des vorigen Tages habe nicht darauf -geschienen, so wird man sie mit den Elefanten von heute in Verbindung -bringen.) Andere wichtige Merkmale sind: der Zustand der Losung; -Wassertropfen und Schlamm an Stellen, wo der Elefant durch einen Sumpf -gegangen ist. Aus alledem geht hervor, daß der Jäger, wenn er eine -Fährte beurteilen will, an die Witterung der letzten Tage denken muß -und daß er die Veränderungen kennen muß, denen eine Fährte unterworfen -ist.</p> - -<p>Wenn man einer Fährte schon meilenweit gefolgt ist, kennt man sie meist -schon genau an der Größe und Form der Fußabdrücke, an dem Schrank und -der Entfernung der Tritte voneinander, so daß es dadurch wieder etwas -leichter wird, Fehler zu vermeiden.</p> - -<p>Je länger man einer Fährte folgt, um so stärker wird der Wunsch, Erfolg -zu haben; es ist so, als ob man viel Kapital in eine Sache gesteckt -hat und es nicht ganz verlieren will. Deshalb ist es sehr ärgerlich, -wenn man nach fünf Stunden an eine Stelle kommt, wo die Fährten so -undeutlich kreuz und quer gehen, daß niemand aus noch ein weiß.</p> - -<p>So ging es uns heute, und mein Begleiter, der mir sagte, er kenne -solche Sachen, wie ich sie hier machte, nur aus dem Lederstrumpf, -glaubte nicht an den Erfolg und hatte längst den Mut verloren.</p> - -<p>Als die exakte Methode (von dem letzten mit Sicherheit beobachteten -Fußabdruck den folgenden zu suchen und keinen zu überspringen) zu -keinem Resultat führte, ließ ich in größerer Entfernung suchen und da -fanden wir die Fährte wieder.</p> - -<p>Wir kamen aus der Schilfebene in hohen Buschwald mit hartem Boden. Die -Fährten der großen, schweren Tiere waren<span class="pagenum"><a id="Seite_254"></a>[S. 254]</span> hier wirklich kaum zu sehen; -die Schalen einer kleinen Antilope drücken sich im Boden deutlicher ab, -als die breiten, weichen Kissen<a id="FNAnker_25" href="#Fussnote_25" class="fnanchor">[25]</a>, die der Elefant unter den Füßen -trägt, und er geht damit so leise, daß man ihn kaum hört.</p> - -<p>Auf unserm Wege erlebten wir noch einen Zwischenfall: Ich sah auf einem -Baume einen Geier sitzen und schickte einen Neger hin, der nachsehen -sollte, ob ein Stück Wild dort gefallen sei. Der Neger kam entsetzt -zurück und führte uns zu der Leiche eines Mannes, der offenbar erst -in der letzten Nacht getötet worden war. Die linke Brust war häßlich -zerfleischt. Deutliche Fährtenabdrücke im Staube verrieten den Täter: -einen starken Löwen.</p> - -<p>Später erfuhren wir den Zusammenhang:</p> - -<p>Der Löwe hatte den Neger in der Nacht aus einer Hütte geholt, die vier -Kilometer von dem Platz entfernt war, an dem wir den Toten fanden.</p> - -<p>Ein Bote benachrichtigte die Neger des Dorfes, die schon, bis an die -Zähne bewaffnet, der Fährte des Löwen gefolgt waren, die Verfolgung -aber aus Feigheit aufgegeben hatten und sich statt dessen an Pombe -betranken.</p> - -<div class="sidenote">Bei den Elefanten.</div> - -<p>Wir folgten der Fährte der Elefanten weiter und kamen in ein Tal, in -dem uns eine scharlachrote Blätterwand schon von weitem auffiel. In -Deutschland ist der Herbst die Jahreszeit der bunten Blätter, in Afrika -offenbar der Frühling, der Anfang der Regenzeit. Man denke sich die -zarte, blutrote Farbe junger Eichentriebe von Baum zu Baum fortgesetzt -auf eine weite Strecke hin; darunter das satte Grün junger Gräser: so -war das Bild, das wir hier sahen.</p> - -<p>Sieben und eine halbe Stunde waren wir unterwegs, als wir das rote Tal -durchquerten und auf der anderen Seite plötzlich die Elefanten vor uns -sahen. Der eine stand mit dem Kopf im dichten Laub eines Baumes, der -andere außerhalb im Schatten.</p> - -<p>In dieser Stellung lohnte es nicht, eine Aufnahme zu machen; deshalb -wartete ich geduldig und verabredete mit meinem Begleiter,<span class="pagenum"><a id="Seite_255"></a>[S. 255]</span> wie wir es -anstellen wollten, heute eine Reihe guter Elefantenbilder zu machen.</p> - -<p>Ich wollte ohne Gewehr an die Elefanten hinangehen, um zu -photographieren, er sollte mit der Büchse bereitstehen, um im Notfalle -zu schießen.</p> - -<p>Wir setzten uns ganz gemütlich hin und frühstückten in der seltenen -Nachbarschaft zweier Elefanten mit einer Ruhe, als hätten wir den -Erfolg schon in der Tasche.</p> - -<p>Endlich bewegten sich die Elefanten; der außerhalb des Baumes stehende -drängte den anderen zur Seite. Nun hatten sie beide nicht in dem Laub -des Baumes Platz und gingen weiter.</p> - -<p>Da kamen sie in den Sonnenschein und blieben, wie schlaftrunken, schon -an dem nächsten, hochstämmigen Baume stehen, der sehr wenig Schatten -gab. Das war mir sehr willkommen.</p> - -<p>Der Wind war gleichmäßig, so daß ich nicht zu fürchten brauchte, -bemerkt zu werden.</p> - -<div class="sidenote">Photographische Aufnahmen.</div> - -<p>Ich ließ meine Büchse an einem Strauch stehen und schlich langsam mit -der Kamera dem Elefanten näher. Als ich auf etwa fünfzehn Schritt hinan -war, warf sich der rechtsstehende, größere Elefant plötzlich hin und -begann laut zu schnarchen.</p> - -<p>Diesen Augenblick völliger Unbefangenheit benutzte ich, um mich den -Tieren auf acht Meter zu nähern; ich stellte die Entfernung an der -Kamera ein und machte eine Aufnahme. (<a href="#pg251ill">Abbildung Seite 251.</a>) Von dem -liegenden Elefanten sah ich nur die Wölbung des Leibes; ich hielt -deshalb die Kamera hoch über den Kopf, um unter allen Umständen -wenigstens eine Spur von dem Schläfer auf der Platte zu bekommen als -Beweis, daß der Elefant auch in der Wildnis liegend schläft, wenn er -sich sicher fühlt. Auf der <a href="#pg251ill">Abbildung Seite 251</a> sieht man denn auch die -Wölbung des Leibes und die Säulen die nach rechts liegen. (Der Elefant -lag auf der rechten Seite; der Rüssel zu mir her. Dicht vor mir im -Grase hörte ich das Schnauben zu meinen Füßen.)</p> - -<p>Der stehende Elefant hielt Wache. Er schlug sich die Gehöre in -gleichmäßigem Takt nach vorn über die Luser, um die Insekten zu -verscheuchen und dem Rüssel Wind zuzufächeln. Mit dem Schwanz vertrieb -er die Insekten hinten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_256"></a>[S. 256]</span></p> - -<div class="blockquot"> - -<p>Auf dem Bilde sieht man die riesigen Gehöre, in denen dicke -Blutadern laufen; unter dem linken „Ohrläppchen“ sieht der -Elfenbeinzahn hervor. Die Hautfalten sind recht deutlich zu -erkennen; dies, ebenso wie die unscharfen Gräser im Vordergrunde -sind dem Kenner ein Anhalt dafür, zu beurteilen, wie nahe ich dem -Elefanten war. (<a href="#pg251ill">Seite 251.</a>)</p></div> - -<p>Nach einer Zeit von etwa zwanzig Minuten wandte sich der stehende -Elefant dem liegenden zu und stieß ihn mit seinen Zähnen an. Darauf -erhob sich der Schläfer und war noch nicht ganz hoch, als sich der -andere schon träge fallen ließ und mit wahrer Wollust schnarchte.</p> - -<p>Der große Elefant war so aufgestanden, daß er jetzt breit zu mir stand -und es war jetzt ein Wagnis, ihm näher zu gehen, weil ich das Auge des -Elefanten genau sah und unter dem Eindruck stand, als ob er mich auch -sehen müsse; ich stand zehn Schritt von dem Elefanten, dessen Auge auf -mich gerichtet war und redete mir ein, daß dies Auge blind sei.</p> - -<p>Ich duckte mich nieder und kroch noch einmal zu Lauer zurück, um die -belichteten Kassetten abzuliefern und genau zu verabreden, was Lauer -tun sollte, wenn der Elefant mich plötzlich bemerkte.</p> - -<p>Es waren Stunden, die verdienen, geschildert zu werden; denn so -dreist mit dem riesigen Wild umzugehen, hieß für uns wenigstens mit -Vorurteilen brechen, die sich aus allem, was wir bisher gehört hatten, -bei uns eingeprägt hatten. Es hieß auf das eigene Geschick und auf die -Dummheit<a id="FNAnker_26" href="#Fussnote_26" class="fnanchor">[26]</a> (oder Unaufmerksamkeit) der Elefanten bauen. Aber ein -mächtiger Ehrgeiz trieb mich: Der Gedanke diese Bilder später zeigen zu -können.</p> - -<p>Der stehende Elefant faßte mit dem Rüssel Grasbüschel und schlug sich -damit unter den Körper. Der Rüssel, die Gehöre, der Schwanz waren -dauernd in Bewegung.</p> - -<p>Der Elefant nahm mit dem Rüssel Erde auf und warf sie sich über den -Rücken; dann legte er den Rüssel über den rechten Zahn und wickelte ihn -sogar ganz herum.</p> - -<p>Lauer und ich photographierten uns jetzt gegenseitig, mit der Büchse -vor dem Elefanten stehend (siehe das dem Buch <a href="#frontis">vorgeheftete Bild</a>).</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_257"></a>[S. 257]</span></p> - -<p>Es wird wohl das erstemal sein, daß ein Jäger vor einem afrikanischen -Elefanten stehend photographiert wurde: daß Wild und Jäger auf -derselben Platte gezeigt werden, während der Elefant nichts davon ahnt.</p> - -<p>Als ich wieder dicht vor dem Elefanten stand, erhob sich plötzlich der -zweite, kleinere, und reckte den Kopf und Rüssel hoch in die Luft, — -er gähnte —. Diese merkwürdige Stellung wollte ich festhalten, hob -den Apparat schnell und knipste, kam aber einen Augenblick zu spät; -denn wie die <a href="#pg261ill">Abbildung Seite 261</a> zeigt, hat der Elefant im Moment der -Aufnahme den Rüssel bereits nach hinten gelegt, und weil ich mit einem -zu kurzen Ruck abknipste, ist das Bild ein wenig „verwackelt“.</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>Die <a href="#pg261ill">Abbildung Seite 261</a> ist leider nicht ganz scharf. Die Gehöre -des nächststehenden Elefanten sind in Bewegung. Das Auge ist zu -erkennen, ebenso der linke Zahn. Von dem zweiten Elefanten, der -sich gerade aufrichtet, sieht man nur den linken Zahn hoch oben in -der Luft und den nach hinten gebogenen Rüssel.</p></div> - -<p>Jetzt standen beide Elefanten Rücken an Rücken, wie die -<a href="#pg263ill">Abbildung Seite 263</a> zeigt.</p> - -<p>Als ich meine zwölf Platten belichtet hatte, nahm ich die Büchse zur -Hand, ging zur Sicherheit auf etwa dreißig Schritt zurück und wollte -versuchen, wann die Elefanten auf mich aufmerksam würden, wenn ich mich -absichtlich bemerkbar machte.</p> - -<p>Wenn ich über den Wind gegangen wäre, hätten sie mich sofort gewittert; -darüber war kein Zweifel. Auch war mir klar, daß der Elefant aufmerksam -auf mich werden mußte, wenn ich heftige, schnelle Bewegungen gemacht -hätte.</p> - -<p>Wir standen beide vor einem kleinen Busch und fielen nicht allzusehr -auf; dennoch ist es merkwürdig, wie spät uns die Elefanten bei den -nun folgenden Versuchen wahrnahmen, wie lange es dauerte, bis sie -mißtrauisch wurden.</p> - -<p>Ich pfiff zuerst die Signale einiger Vögel.</p> - -<p>Jedesmal hielt der uns zunächst stehende Elefant die Gehöre einen -Augenblick still, setzte aber das Klappen fort, sobald ich verstummte.</p> - -<p>Auch den Kehrreim des „Star“ von Oskar Straus hörte sich der Elefant -mit stillstehenden Gehören an und beruhigte sich darüber.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_258"></a>[S. 258]</span></p> - -<p>Als ich das ganze Lied pfiff, drehte er sich halb um, auf mich zu.</p> - -<p>Einen ganz geringen Verdacht, daß das Pfeifen von einem fremden Vogel -herrühre, hatte er schon, und als ich ein anderes Lied anfing, wandte -er mir den Kopf ganz zu, spreizte die Gehöre, hob den Rüssel hoch über -den Kopf, wie um Wind zu suchen und stieß einen schwachen, trompetenden -Ton aus. Dann drehte er sich um, und beide Elefanten gingen.</p> - -<div class="sidenote">Spaziergang hinter einem Elefanten.</div> - -<p>Nun lief ich hinterdrein und schrie laut, um die Elefanten zu reizen. -Anfangs beschleunigten sie ihre Tritte, dann drehten sie sich um und -prusteten unwillig. Sofort blieb ich stehen und war still, so daß die -Elefanten wieder keinen Anhalt hatten, wo und wer ich war. Sie trabten -so schnell davon, daß ich das Spiel aufgeben mußte.</p> - -<p>Todmüde, aber sehr zufrieden mit dem Erfolg des Tages kamen wir erst -gegen neun Uhr am Abend ins Lager.</p> - -<p>Gewiß hatte ich mehr von meinen Bildern erwartet als ich einige Monate -später auf den entwickelten Platten sah (ich entwickelte damals noch -nicht selbst im Zelt); aber schon diese Bilder fanden großes Interesse; -waren es doch die getreuesten Urkunden für das, was ich erlebt und -gesehen hatte.</p> - -<p>Zum Glück plagte mich damals noch keine Sorge, ob ich die wertvollen, -kaum zu ersetzenden Aufnahmen auch heil bis dorthin bringen würde, wo -die ersten fertigen Kopien dem Kamerajäger die Beruhigung geben, daß -seine Trophäe für alle Zeiten gerettet ist; ich schlief fest und gut -nach den Anstrengungen der Fährtenfolge.</p> - -<p>Am nächsten Morgen lag dicker Nebel über dem Fluß und den weiten -Schilfniederungen des Tals.</p> - -<p>Ich war lange vor Sonnenaufgang unterwegs, um zu pirschen und kam -in einen Wald von Mangobäumen, in dem es stark nach faulenden -Mangofrüchten und nach Elefantenlosung roch.</p> - -<p>Ein Neger ging vor mir, er wollte mich an eine Stelle führen, wo ein -starker Buschbock sei.</p> - -<p>Plötzlich bückte er sich, wandte sich um und sagte:</p> - -<p>„<span class="antiqua">Eh! bana!</span>“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_259"></a>[S. 259]</span></p> - -<p>Er war mit dem Fuß gegen einen Berg Elefantenlosung gestoßen und hatte -gefühlt, daß sie noch warm war.</p> - -<p>Da ging ich ganz vorsichtig weiter und hörte plötzlich ein lautes -Schütteln vor mir in den Bäumen; dann raschelten Dutzende von Früchten -durch die Zweige und Blätter hernieder und klatschten auf den Boden: -Affen oder Elefanten!</p> - -<p>Ich blieb stehen. Das Schütteln wiederholte sich etwa alle fünf -Minuten. Allmählich wurde es heller und ich sah unter den dunklen -Bäumen, zwischen säulenartigen Stämmen einen großen Elefanten stehen.</p> - -<p>Er ging auf einen starken Baum zu, hob den Kopf, nahm den Stamm -zwischen die beiden langen, hellgelben Zähne, legte den Rüssel an dem -Stamm entlang senkrecht nach oben und brachte den Baum durch Vor- -und Zurückwiegen seines ungeheuren Körpers in Bewegung. Die Früchte -prasselten nieder. Der Elefant ging mit kleinen, langsamen Schritten -rund um den Baum, nahm mit dem Rüssel die Früchte einzeln auf und -steckte sie in den Schlund.</p> - -<p>Er wiegte sich gemütlich auf den Säulen<a id="FNAnker_27" href="#Fussnote_27" class="fnanchor">[27]</a> hin und her; die großen -Ohren bewegten sich langsam, wie Segel, die bei Flaute an den Mast -schlagen.</p> - -<p>Er ging zum nächsten Baum und begann dasselbe Geschäft. Dann ging er -weiter; ich folgte ihm, auf den Zehen laufend, mit geschultertem Gewehr -wie eine Schildwache, so dicht, daß ich die Ausführung der bekannten -Wette für möglich hielt, dem Elefanten unbemerkt einen Kreidestrich auf -den Hinterschenkel zu machen!</p> - -<p>Der Elefant ging zwischen hohem Gras auf einem ausgetretenen Wege. Ein -kleiner Elefant kam „uns“ auf diesem Wege entgegen. Mein Vordermann -blieb stehen, bis der andere mit ihm Kopf an Kopf stand und die -Elfenbeinzähne zusammenklappten. Wohl dreißig Sekunden standen sie so, -ohne daß einer Lust zeigte auszuweichen. Dann ging mein Elefant weiter -und<span class="pagenum"><a id="Seite_260"></a>[S. 260]</span> schob den kleinen rückwärts, bis er nach der Seite auswich und nun -auf mich zukam.</p> - -<p>Ich ging vom Wege ab und drückte mich seitlich in das Gras, war aber -höchstens zwanzig Schritt weit gegangen, als ich mich niederducken -mußte; denn der Elefant war schon zu nahe und ich glaubte, daß er mich -sehen und hören müsse, wenn ich weiterging.</p> - -<p>Der Elefant ging ganz ruhig auf dem Wege; aber als sein Rüssel über -die Stelle schlenkerte, wo meine letzte Fährte war, schnaubte er und -lief erschreckt nach der andern Seite. Dort verschwand er zwischen den -Büschen.</p> - -<p>Zum Glück hatte der andere Elefant nichts davon gemerkt.</p> - -<p>Ich folgte ihm wieder und traf nach etwa einer Stunde mit zwei anderen -Elefanten zusammen, die beide nur den rechten Zahn hatten.</p> - -<div class="sidenote">Rappantilope und Löwen.</div> - -<p>Da sah ich plötzlich den Kopf einer Rappantilope hundert Schritt von -mir aus dem Grase herüberäugen. Ich hatte noch keine dieser schönen -Antilopen geschossen, ließ sofort von dem Elefanten ab und gab der -Rappantilope einen Schuß auf den Stich. Deutlich hörte ich den -Kugelschlag und der Bock stürmte in rasender Flucht in das Schilf -hinein. Ich wußte recht genau, wie er getroffen war und daß er nicht -weit gehen würde, wollte aber die Schweißfährte doch erst nach einer -Stunde aufnehmen, um den Bock nicht zu verlieren und pirschte deshalb -weiter.</p> - -<p>Ich hatte gerade die Kamera in der Hand, um einen merkwürdigen -Termitenhügel zu photographieren und suchte nach einem günstigen -Standpunkt im Schilf, als dicht vor mir ein Knurren ertönte und meine -Begleiter gleichzeitig mit dem Schreckensruf „<span class="antiqua">simba</span>“<a id="FNAnker_28" href="#Fussnote_28" class="fnanchor">[28]</a> -zurückstürzten. Ich sprang schnell auf den Termitenhügel zu, stieß die -Kuppe ab und stellte mich mit der Kamera obendrauf, konnte aber den -Löwen nur noch eben im Grase verschwinden sehen.</p> - -<p>Da raschelte es hinter mir und ein zweiter Löwe suchte in dem dichten -Grase das Weite.</p> - -<p>Pech! hätte ich doch wenigstens schnell zur Büchse gegriffen, aber ich -dachte wirklich, ich könnte eine Aufnahme machen!</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg261ill"> - <img class="w100" src="images/pg_261_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Hinter dem ersten Elefanten richtete sich der zweite -auf, hob den Rüssel hoch in die Luft und krümmte ihn nach hinten.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_261_ill_gross.jpg" id="pg_261_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg263ill"> - <img class="w100" src="images/pg_263_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die beiden Elefanten blieben unter einem hohen Baume -stehen, der sehr wenig Schatten bot.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_263_ill_gross.jpg" id="pg_263_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_265"></a>[S. 265]</span></p> - -<p>Jetzt krabbelten mir die fleißigen Termiten an den Beinen hoch und -zwackten mich und, um bei meinem Ärger Seelenruhe zu heucheln, -betrachtete ich die Höhle, die sichtbar geworden war, weil die Kuppe -des Hügels fehlte.</p> - -<div class="figcenter illowe18" id="pg265ill"> - <img class="w100" src="images/pg_265_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Gehörn einer Rappantilope.</p></div> -</div> - -<p>Wie aus einem Schlot stieg heiße Luft daraus hervor. Die kleinen, -dickköpfigen Termiten, in deren Staatswesen Liebe und Arbeit so streng -getrennt sind, kamen herauf und brachten aus der dunklen Tiefe neue -Erde, um den Schaden auszubessern. Zwischen den Arbeitern standen, -wie Schutzleute im Straßengewühl, Aufseher mit großen Kopfzangen, -ermunterten die Ankömmlinge, wiesen ihnen die Richtung des Weges an und -trieben Säumige, die ihren Baustein schon angeklebt hatten und sich an -der frischen Luft verpusten wollten, zu beschleunigter Rückkehr an.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_266"></a>[S. 266]</span></p> - -<p>Ich zeigte meinen Leuten den „<span class="antiqua">Nyampara</span>“ (Aufseher) und die -fleißigen Arbeiter — nicht ohne ein Gefühl der Wehmut, daß auf unseren -Plantagen die großen Zangen schon beinahe rudimentär geworden sind.</p> - -<p>Ich war einer Büffelfährte gefolgt und dabei in die Nähe des Lagers -gekommen, und hatte keine Lust, den Rappbock selbst zu suchen: deshalb -schickte ich einige Askari und Neger hin. Die kamen gegen Abend wieder -und sagten, der Bock sei nicht zu finden und setzten hinzu, ich hätte -vorbeigeschossen.</p> - -<p>Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen!</p> - -<p>So mußte ich denn am nächsten Morgen selbst hinaus, erlegte ganz in der -Frühe einen Riedbock und einen Buschbock und kam gegen acht Uhr an die -Stelle, wo ich die Rappantilope geschossen hatte.</p> - -<p>Da saßen auch schon Geier auf einem Baume und als ich näher kam, -erhoben sich gegen vierzig dieser afrikanischen Totverweiser von einer -Stelle, wo mein Bock lag; kaum hundert Meter vom Anschuß: die Neger -waren doch einmal wieder überführt worden, daß ich niemand ausschickte, -wenn ich nicht getroffen hatte, und daß sie unzuverlässig arbeiteten.</p> - -<p>Der Bock war nur an den Lichtern, dem Geäse und an anderen leicht -zugänglichen Stellen angefressen.<a id="FNAnker_29" href="#Fussnote_29" class="fnanchor">[29]</a></p> - -<p>Ich hatte jetzt drei sehr verschiedene Antilopen im Lager beisammen: -den Buschbock,<a id="FNAnker_30" href="#Fussnote_30" class="fnanchor">[30]</a> den Riedbock<a id="FNAnker_31" href="#Fussnote_31" class="fnanchor">[31]</a> und die bunte Rappantilope.<a id="FNAnker_32" href="#Fussnote_32" class="fnanchor">[32]</a></p> - -<p>Die Rappantilope war besonders schön. Der Reichtum an verschiedenen -Haarfarben, von schwarz über rotbraun bis weiß, war auffallend. Der Bug -und Rücken waren schwarz; Hals, Kopf und Luserspitzen rot, die Luser -innen weiß. Die Grundfarbe des Kopfes war schwarz, dazwischen liefen -weiße und rote Linien. Der Hals und Rücken waren bis dreiviertel der -Körperlänge von einer dunklen Mähne bedeckt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_267"></a>[S. 267]</span></p> - -<p>Es gab auch Elefantenjagden, die gar nichts Besonderes boten: ein Schuß -aus kurzer Entfernung; der plumpe Riese sinkt zusammen und, wenn er -nicht allein war, laufen die übrigen davon.</p> - -<div class="sidenote">Die Poesie des afrikanischen Weidwerks.</div> - -<p>Über die Landschaft, den Himmel und die Umgebung, in der die Jagden -stattfanden, könnte ein deutscher Jäger mit tiefer Empfindung -schreiben; und es ist ein Wahn, zu glauben, dem afrikanischen Weidwerk -fehle die Poesie. Was ist Poesie beim Weidwerk?</p> - -<p>Poesie ist etwas rein Subjektives.</p> - -<p>Der Mensch trägt es hinein in einen Gegenstand; dann ist es darin.</p> - -<p>Dem Jäger ist das Wild untrennbar von der Umgebung, in der es lebt; dem -deutschen Jäger der Rehbock untrennbar vom deutschen Wald. Da er das -Ausland nicht kennt, sind für ihn ausländische Tiere nur Zoologika. -Hinter Eisenstangen kennt er die großen Elefanten, die trägen -Nashörner, die schlanken, großäugigen Giraffen, die plumpen Nilpferde -und die vielen Antilopen, (die man unmöglich unterscheiden kann!) und -die — ein verächtliches Achselzucken — schwarze Hornknüppel auf dem -Kopfe tragen.</p> - -<p>Anschauung fehlt. Und wer von afrikanischen oder indischen Jagden -erzählt, darf nicht vergessen, erst die Natur zu schildern, in der das -mächtige Leben sich harmonisch entwickelt. Sonst können sich seine -Zuhörer nicht von dem Bilde der Menagerie losmachen; denn daher allein -stammt ihre Anschauung.</p> - -<p>Ist ihre Phantasie geschickt in die weiten Steppen hineingelockt, auf -die steinigen Hügel oder in die großen Sümpfe, dann werden sie auch -mit „regsamem Sinn den tiefen und mächtigen Eindruck empfinden, den -die Fülle des Lebens erzeugt“;<a id="FNAnker_33" href="#Fussnote_33" class="fnanchor">[33]</a> dann werden sie fühlen, daß ein -lebensfroher Mensch sich auch einer fremden Natur angliedern kann, als -sei er in ihr groß geworden, dann wird der deutsche Jäger das Vorurteil -aufgeben, die Liebe zum Wild beginne unter den deutschen Kiefern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_268"></a>[S. 268]</span></p> - -<p>Nein: Weidwerk, genau wie es in der Heimat besteht, beginnt da, wo der -Mensch anfängt, die Tiere zu kennen und ihre Gewohnheiten innerhalb der -wundervollen Natur zu verstehen.</p> - -<p>An afrikanischen Jagden interessiert das Publikum nur zweierlei:</p> - -<p>Die Gefahr (deren Begriff sich in Verbindung mit dem Schwarzwild -mühsam im deutschen Wald hält) und ungeheure Strecken (die doch nur zu -rechtfertigen sind, wo sie der Jäger als Heger, als Züchter aufzeichnen -kann, nicht aber in der Wildnis, wo das paradiesische Leben sich seit -Urzeit selbst reguliert, wo jeder zu große Eingriff ein Raub ist und -das Wildbret zwecklos verfault).</p> - -<p>Eins war jedesmal groß: der Tod eines Elefanten.</p> - -<p>Die letzte Bewegung geht durch den Riesenleib. Kurz danach stoße ich -ihn mit dem Fuße an: eine träge, leblose Masse.</p> - -<p>Ist es nicht das Herrlichste, was ich ihm nahm, das Wunderbarste: das -Leben?</p> - -<p>Unwiederbringlich!</p> - -<p>Allein mit dem Toten.</p> - -<p>Hier endet ein uraltes Leben, und weit sehe ich im Geiste die Reihe -seiner Ahnen zurück.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_20" href="#FNAnker_20" class="label">[20]</a> „Posten!“ -</p> -<p> -„Ja?!“ -</p> -<p> -„Was ist das für ein Lärm?!“ (Man beachte die Klangmalerei, die in dem -Wort <span class="antiqua">kělḗlě</span> liegt!) -</p> -<p> -„Elefant!“</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_21" href="#FNAnker_21" class="label">[21]</a> Ndofu = Elefant.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_22" href="#FNAnker_22" class="label">[22]</a> „Er kommt.“</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_23" href="#FNAnker_23" class="label">[23]</a> Risassi = Patronen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_24" href="#FNAnker_24" class="label">[24]</a> Ein Zufall war es, daß die Zeitschrift, die ich zu -solchen Zwecken zerschnitt, „Brücke zur Heimat“ hieß. Dies damals neue -Blatt bekamen wir jedesmal in vier Exemplaren, und während ich einmal -schnippelte, fiel mir ein, daß die Papierschnitzel recht gut eine -„Brücke zur Heimat“ werden konnten, wenn ich mich auf ihrer Spur zu -meinem Lager zurückfand und so vielleicht Hunger und Durst entging. -Wir nannten die sinnreiche Einrichtung der Schnitzeljagd seitdem immer -„Brücke zur Heimat“.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_25" href="#FNAnker_25" class="label">[25]</a> Von zwei Meter Umfang!</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_26" href="#FNAnker_26" class="label">[26]</a> Welch plumper Ausdruck!</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_27" href="#FNAnker_27" class="label">[27]</a> So nennen die Afrikaner sehr schön die Beine des -Elefanten, weil „Läufe“ dem Sprachgefühl zu zierlich und zu leicht -klingt.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_28" href="#FNAnker_28" class="label">[28]</a> <span class="antiqua">simba</span> = Löwe.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_29" href="#FNAnker_29" class="label">[29]</a> Verzeihung: angeschnitten.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_30" href="#FNAnker_30" class="label">[30]</a> Siehe -<a href="#pg175ill">Bild Seite 175</a>; 1.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_31" href="#FNAnker_31" class="label">[31]</a> -<a href="#pg175ill">Seite 175</a>; 3.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_32" href="#FNAnker_32" class="label">[32]</a> -<a href="#pg265ill">Seite 265.</a></p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_33" href="#FNAnker_33" class="label">[33]</a> A. v. Humboldt: Ansichten der Natur.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_269"></a>[S. 269]</span></p> - -<div class="figcenter illowe24" id="pg269ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_269_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Schädel eines Nashorns, das ich am Paregebirge im August -1906 erlegte.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Nashornjagd">Nashornjagd.</h2> - -</div> - -<div class="sidenote">Nashörner.</div> - -<p>Als ich die Elefantenbilder gemacht hatte und gezeigt, daß sich ein -sorgfältiger Pirschjäger dem afrikanischen Elefanten ebensogut mit der -Kamera wie mit der Büchse nähern kann, fanden sich viele, die sagten: -„Ja, aber das Nashorn, das sollten Sie mal vor die Büchse kriegen, da -wird Ihnen anders!“</p> - -<p>Und es würde mir wahrscheinlich heute noch geantwortet, daß die -Hauptbeschäftigung des Nashorns sei, Menschen aufzuspießen, und -daß ich mit diesem leibhaftigen Satan zusammenkommen müsse, um zu -erfahren, wie einem Kulturmenschen zumute wird, wenn er einem Nashorn -„in der Wildnis“ gegenübersteht: wenn ich nicht selbst Nashörnern -gegenübergestanden hätte.</p> - -<p>Berichte nervöser Männer sind an solcher Meinung schuld!</p> - -<p>Ich freue mich deshalb, daß ich Nashörner geschossen, beob<span class="pagenum"><a id="Seite_270"></a>[S. 270]</span>achtet -und photographiert habe, und daß außer dem Gorilla, den ich selbst -noch für den gefährlichsten Gegner eines Jägers halte, kein Tier der -Fauna Afrikas übrig ist, auf das ich nicht gejagt habe und über dessen -Verhalten ich nicht selbst in der kurzen mir zu Gebote stehenden Zeit -Erfahrungen gesammelt habe.</p> - -<p>Die Nashörner sind Pflanzenfresser und haben keinen Grund, dem Menschen -nach dem Leben zu trachten, solange sie sich nicht belästigt und -angegriffen fühlen.</p> - -<p>Dann allerdings beginnt die Gefahr, für die jeder, der von Jugend -auf dem Weidwerk huldigt und Soldat gewesen ist, doch wohl genügend -gerüstet sein dürfte!</p> - -<p>Vergeblich bin ich mit der Kamera dem satten und deshalb -menschenscheuen Massailöwen nachgelaufen; ich habe keine Bilder -mitbringen können, weil die wenigen Löwen, die ich mit eigenen Augen -sah, flüchteten; scheuer waren, als alle anderen Tiere.</p> - -<p>Aber Nashörner habe ich noch gefunden und photographiert.</p> - -<p>Und von der erfolgreichsten Pirsch auf diese starken, ungeheuren -Dickhäuter will ich erzählen.</p> - -<p>Während noch vor drei Jahren am Kilimandscharo Nashörner in der offenen -Steppe ein geradezu häufiges Wild waren, habe ich lange suchen müssen, -bis ich das erste Nashorn in so freiem Terrain traf, daß ich es -photographieren konnte.</p> - -<p>Die Buren haben sich durch den leichten Verdienst locken lassen und -haben die Nashörner niedergeknallt, wo sie irgend zu erreichen waren. -Meist töteten sie die Tiere nur um die Hörner mitzunehmen.</p> - -<p>Als ich nach Arusha kam, begegnete mir kurz vor dem Städtchen ein Neger -mit fünf Doppelhörnern, die sein „Herr“ erbeutet hatte. Das längste -Horn war handlang. Einige waren so klein, daß beide Hörner zusammen -noch nicht ein Pfund wogen. Für ein Pfund Horn wird am Kilimandscharo -vier Mark gezahlt; für den Preis eines Hasen wird ein solch wertvolles, -riesiges Tier getötet! Und alle fünf Nashörner brachten dem glücklichen -Schützen vierzig Mark ein; das ist soviel, wie er<span class="pagenum"><a id="Seite_271"></a>[S. 271]</span> nach dem Jagdgesetz -für jedes einzelne Tier Schußgeld an den Staat zahlen müßte.</p> - -<p>Aber ich will hier nicht von den Buren sprechen; sonst müßte ich auch -ihre großen Vorzüge und alle ihre Fehler nennen und dazu fehlt mir der -Raum. Außerdem glaube ich, hätten hundertundzwanzig Deutsche, unter -denselben Bedingungen (in derselben wirtschaftlichen Lage) an den Meru -gesetzt, nicht anders gehandelt, als die Buren es taten; und wenn jeder -einzelne nur soviel geschossen hätte, wie ein reisender Sportsmann -schießt, dann wären die Nashörner ja auch schon vernichtet. Die weißen -Männer sind den natürlichen Schätzen eines Landes gegenüber nicht -besser als jene Horden König Etzels. Darüber wollen wir uns nicht mehr -wundern. Und wenn von dreien, die hinausgehen, zweie erzogen sind, so -wird der dritte, unerzogene allein imstande sein, zu vernichten. Die -andern werden ihm bald helfen, weil ihre Enthaltsamkeit „doch nichts -nutzt“.</p> - -<p>Es war während einer Jagdreise, die ich im Herbst 1906 in die -Massaisteppe machte; ich hatte sechzig Neger und keinen Europäer mit -mir.</p> - -<p>An einem einsamen Berge in der Steppe hatte ich mein Lager -aufgeschlagen, um ungestört Löwen und Nashörner photographieren zu -können. Tagelang war ich vergeblich umhergestreift, ließ aber den Mut -nicht sinken, weil ich die Gegend täglich besser kennen lernte; weil -Löwen da waren und Nashörner zur Tränke kamen.</p> - -<p>Eines nachts schlief ich dem Berge gegenüber in einem trockenen -Flußbett und erwachte, wie gewöhnlich, kurz vor Sonnenaufgang.</p> - -<p>Schnell weckte ich die Neger, die mit mir gehen sollten, und ging auf -den Berg los.</p> - -<p>Ich kam zu der ersten Wasserstelle, fand aber dort keine Spuren und -ging am Rande der Busch- und Graszone zu der zweiten Wasserstelle.</p> - -<p>Die roten Böcke,<a id="FNAnker_34" href="#Fussnote_34" class="fnanchor">[34]</a> die ich täglich sah, standen wieder nahe beim -Wasser.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_272"></a>[S. 272]</span></p> - -<p>Sollte ich auch heute keinen Erfolg haben? Ich blieb stehen; stumm -standen auch meine Neger da.</p> - -<p>Hoch über mir starrte die Steinkuppe des Berges kalt und unbewölkt in -den flimmernden Äther. Die letzten Sterne konnte ich gerade noch sehen, -wie sie herabsahen auf erwachende Menschen, auf Tiere, die zur Ruhe -gingen. Dann goß die Sonne ihr Licht über die krausen Baumwipfel und -traf mich noch nicht, denn ich stand im Schatten des Berges.</p> - -<p>Es wird ein Tag wie viele andere; der müde Mittag kommt, der Hoffnung -und Kraft ganz klein sieht und der Abend, der neue Wünsche weckt für -den nächsten Morgen; der nächste, der bringt die Erfüllung!</p> - -<p>Der Speerträger weckte mich aus meinen Träumen. „Weiter,“ sagte er -halb fragend, halb ermunternd. Und als läge alle Schuld des Mißlingens -bisher an uns, an mir und meinen Leuten, ermahnte ich sie noch einmal -und sagte in ernstem Ton: „Schari, ich trage die Büchse selbst; du -trägst nur das Doppelglas und gibst es mir, sobald ich stehen bleibe. -Hamiß, du bleibst dicht bei mir mit der Kamera und — hab keine Angst!“</p> - -<p>„Pangani, Muarico, Kinassa und Garehia, ihr haltet die Fährte, wenn -wir eine finden. Ihr andern alle bleibt etwas zurück. Keinen Laut! und -hinlegen, sobald Wild vor uns ist!“</p> - -<p>Die Übersicht wurde weiter. Ich schickte einen Massai in die Ebene; der -sollte langsam in derselben Richtung gehen, wie wir, Bäume besteigen -und ausgucken, ob Löwen zum Walde gingen oder Nashörner vom Walde in -die Ebene.</p> - -<p>Bald waren wir unterhalb der Stelle, an der ein Bergbach versickert.</p> - -<p>Muarico zupfte mich am Rock. „Nashorn,“ flüsterte er, „kommt vom -Wasser, geht in die Ebene.“</p> - -<p>„Nieder,“ winkte ich meinen Leuten; außer Muarico hatte keiner etwas -gesehen.</p> - -<p>Ich drückte mich so schnell, als es ohne Geräusch möglich war, an die -Büsche hinan, auf die Muarico zeigte. Der kam nicht mit; er hatte vom -letzten Male genug!</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg273ill"> - <img class="w100" src="images/pg_273_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Das Nashorn stand so, daß ich die Gestalt bis zu den -Füßen sehen konnte, fünfzehn Schritt vor mir.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_273_ill_gross.jpg" id="pg_273_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Aber ich fand einen ausgetretenen Wechsel mit der ganz<span class="pagenum"><a id="Seite_275"></a>[S. 275]</span> frischen -Fährte eines Nashorns, konnte den schmalen, grasfreien Pfad fünfzig -Schritt weit hinabsehen und wußte, daß das Tier auf dem Heimweg war.</p> - -<p>Ich sagte meinen Leuten, daß ich dem Wechsel folgen wollte und daß ich -das Nashorn so lange beobachten müsse, bis die Sonne hoch genug sei zum -Photographieren.</p> - -<p>Die Fährte war so deutlich, daß ich, ihr folgend, laufen konnte.</p> - -<p>Bevor ich die offene Steppe erreichte, sah ich den Massai von unten -gelaufen kommen. Er meldete, das Nashorn — er mußte ja dasselbe Tier -gesehen haben — gehe langsam in die Steppe.</p> - -<p>„Hat es Wind?“</p> - -<p>„Nein.“</p> - -<div class="sidenote">Hinter dem Nashorn.</div> - -<p>Ich lief so schnell ich konnte; als ich aus dem Walde kam, sah ich das -Tier. Endlich was ich ersehnte: Ein Nashorn, das mich nicht witterte, -in offener Steppe; also ganz in meiner Macht. Von mir hing es nun ab, -von meiner Kunst, unbemerkt zu bleiben und das Tier nach Herzenslust zu -beobachten, wie ich es früher mit dem Elefanten getan hatte.</p> - -<p>Ich ließ die Leute in weiter Entfernung folgen, damit auch wechselnder -Wind dem Tiere nicht Witterung bringen könnte.</p> - -<p>Alle Umstände waren für meinen Zweck günstig: Die Sonne hatte ich -im Rücken, den Wind im Gesicht. Und das schien so zu bleiben; denn -der schmale, ausgetretene Wechsel, in dem das Tier ging, behielt die -Richtung nach Westen.</p> - -<p>Ich ging siebzig Schritt hinter dem Nashorn. In dem ganz offenen -Terrain sah ich jede Bewegung des Dickhäuters. Er ging durch ein -trockenes Flußbett, blieb am anderen Ufer stehen und knabberte Zweige -von einem Dornstrauch. Dann ging er weiter und hielt den Kopf gesenkt. -Alle zweihundert Schritte blieb er stehen, stellte sich, wie sichernd, -halb quer zum Weg und näßte.<a id="FNAnker_35" href="#Fussnote_35" class="fnanchor">[35]</a></p> - -<p>Eine halbe Stunde ging es so weiter.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_276"></a>[S. 276]</span></p> - -<p>Grantgazellen, die nahe am Wege standen, äugten neugierig auf den -plumpen Gesellen und auf mich, sein Gefolge. Sie flüchteten nicht; wir -sahen zu harmlos aus.</p> - -<p>Von links kam ein Rudel Zebras mit dem Wind; zwölf bunte Steppenpferde. -Sie mußten mit dem Nashorn zusammentreffen.</p> - -<p>Als sie mich auf hundert Schritt hatten, sicherten sie. Das Nashorn -ging weiter. Ich mußte folgen; denn ich durfte das Tier nicht aus den -Augen verlieren und mußte vermeiden, mit ihm unverhofft nachher wieder -zusammen zu treffen.</p> - -<p>Als ich den Zebras näher kam, wurden sie flüchtig; die trockenen Gräser -knisterten und Steinchen gaben peitschenden Klang. Das Nashorn stutzte, -hob den Kopf und richtete die beiden Trichterohren nach dem Geräusch -hin.</p> - -<p>Als das Klappern der Hufe hinterm Hügel verklang, stand das Tier noch -einen Augenblick bewegungslos, wie um zu überlegen. Es glaubte vor sich -die Gefahr, die es selbst nicht wahrgenommen hatte, die aber die Zebras -durch das Auge erkannt hatten.</p> - -<p>Als sich nichts mehr rührte, bog das Nashorn mit rechtsum von seinem -Pfad ab und hielt eine westliche Richtung, genau in den Wind.<a id="FNAnker_36" href="#Fussnote_36" class="fnanchor">[36]</a></p> - -<p>Der Wind wehte mir jetzt gerade ins Gesicht und trug auch den im -trockenen Grase stärkeren Schall meiner Tritte hinter mich.</p> - -<p>Es war beinahe acht Uhr, als die Sonne sich frei über die Wolken hob.</p> - -<div class="sidenote">Mit der Kamera bei dem Nashorn.</div> - -<p>Ich spannte die Kamera, ging auf mein Ziel los und machte die erste -Aufnahme auf fünfundzwanzig Schritt.</p> - -<p>Während ich die Kassetten wechselte, ließ ich das Tier nicht aus den -Augen.</p> - -<p>Es gehört eine ruhige Hand dazu und auch ein ruhiges Herz,<span class="pagenum"><a id="Seite_277"></a>[S. 277]</span> dicht vor -einem Stück Wild mit den Ledertaschen, den Kassetten und dem Apparat -lautlos zu „arbeiten“, wenn man noch dazu die Büchse umgehängt hat. Ich -hatte alle Griffe so in der Übung, daß auch nicht das geringste Klappen -hörbar war. Selbst das Spannen des Verschlusses geschah lautlos, indem -ich, ähnlich wie man es bei einer Hahnflinte in der Nähe des Wildes -macht, beim Spannen den Abzug drückte.</p> - -<p>Ich ging näher und wartete mit der Kamera im Anschlag, bis das Nashorn -den Kopf hob, und die beiden Hörner gut zu sehen waren.</p> - -<p>Da knipste ich und blieb bewegungslos stehen, weil ein kleiner Vogel, -der sich gerade auf die Schulter des Nashorns gesetzt hatte, aufflog, -als der Schlitzverschluß rauschte. Das Rhinozeros hielt im Kauen inne -und horchte. Nach einigen Sekunden beruhigte es sich wieder und ging -langsam weiter.</p> - -<p>Ich aber hatte in diesem Augenblick die Aufnahme gemacht, die auf -<a href="#pg273ill">Seite 273</a> wiedergegeben ist.</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>Die muskulöse, kräftige Gestalt des Nashorns kommt darauf gut zum -Ausdruck. Auf der Schulter sitzt der kleine Vogel.</p></div> - -<p>In dem ungleichmäßigen, niedrigen und trockenen Grase standen einzelne -grüne Schlingpflanzen, die das Nashorn aufnahm.</p> - -<p>Ich war jetzt so nahe, daß ich das Kauen hörte und machte eine Aufnahme -schräg von hinten. (<a href="#pg283ill">Abbildung Seite 283.</a>)</p> - -<div class="blockquot"> - -<p>An der Umgebung, den Büschen im Hintergrund, kann man sehen, daß -dieses Bild kurz nach der <a href="#pg273ill">Aufnahme Seite 273</a> gemacht ist.</p></div> - -<p>Dann ging ich vorsichtig zu meinen Leuten zurück und holte mir neue -Kassetten.</p> - -<p>Die Neger waren weniger erstaunt als entrüstet über meine Dreistigkeit. -„<span class="antiqua">Haifai bana</span>,“ sagten sie: „das hat keinen Zweck,“ und Muarico -machte ein sehr ernstes Gesicht und sagte, ich würde dabei getötet -werden.</p> - -<p>Als ich mich wieder mit aller Vorsicht in die Nähe des Nashorns -gepirscht hatte und ihm folgte, durchquerte ich eine kleine Talmulde -mit kniehohem, hellem, ganz trockenem Grase.</p> - -<p>Das Nashorn stand am Ende des Tales, so daß ich die Gestalt bis zu den -Füßen hinab sehen konnte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_278"></a>[S. 278]</span></p> - -<p>Noch eine Aufnahme.</p> - -<p>Da hob das Tier den Kopf und zog unwillig den Wind durch die Nüstern.</p> - -<p>Ich hatte gerade den linken Fuß angezogen, um ihn vorzusetzen.</p> - -<p>Wie ein Erzbild stand der Koloß vor mir und horchte gespannt.</p> - -<p>Ich durfte mich nicht rühren; aber es knisterte unter mir! Sollte der -Hund mir gefolgt sein? Nein, mein Fuß machte automatische Schwingungen -unter mir, und ich traute mich nicht, ihn in dem trockenen Grase -niederzusetzen.</p> - -<p>Es ist ein verwünschter Augenblick.</p> - -<p>Windstille: Das Nashorn wird mich hören. — Da kommen Madenhacker, -kleine Vögel, angeflogen, setzen sich auf den Rücken des Nashorns -und flattern an den Ohren, picken an der Flanke in einer handgroßen -Wunde<a id="FNAnker_37" href="#Fussnote_37" class="fnanchor">[37]</a> und fliegen plötzlich mit lautem Gezwitscher nach den -nächsten Bäumen; dann kehren sie zurück und beunruhigen das Tier durch -ihr Umherflattern.</p> - -<p>Ich kann nicht daran zweifeln, daß die kleinen Vögel ihren Gastgeber -vor einer Gefahr warnen, die er mit seinen Sinnen nicht erkennt. Er -fängt auch nicht wieder an zu äsen.</p> - -<p>Plötzlich wendet er sich ganz mir zu. Ich stehe ohne Deckung; nicht ein -Strauch ist zwischen mir und dem Ungetüm.</p> - -<p>Ich bemerke plötzlich, daß der Wind, der erst immer schwächer wurde, -mir leise, aber stetig im Nacken weht, und diese Erkenntnis bringt mir -einige Sekunden, in denen in mir der Wunsch, weit weg von hier zu sein, -den Reiz der Gefahr zu überwiegen droht.</p> - -<p>Ich rühre mich nicht. — Vielleicht wird sich das Nashorn noch einmal -beruhigen. Aber nein, der Wind kommt stärker durch: ich bin verraten, -ich fühle mich entdeckt! Was wird geschehen?</p> - -<p>Jetzt zieht das Tier noch einmal laut den Wind durch die Nüstern und -tritt unruhig hin und her. Ich bücke mich kurz, lasse die Kamera ins -Gras fallen und fasse die Büchse. —</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_279"></a>[S. 279]</span></p> - -<p>Es ist mir klar, daß ich stehen bleiben muß, um das Tier bis zum -letzten Augenblick zu täuschen.</p> - -<p>An Verstecken war nicht zu denken und kein Baum in der Nähe, auf den -ich hätte flüchten können.</p> - -<p>Das Tier geht einmal nach links, dann nach rechts, es scheint zu äugen, -doch seinen Augen nicht zu trauen.</p> - -<p>(„<span class="antiqua">He dont believe his eyes</span>,“ sagte der Bur nicht oft so, in -reinem Englisch?)</p> - -<p>Da gibt ihm die Nase Gewißheit; im Galopp stürmt es auf mich los, bei -jedem Sprung wild fauchend und prustend. Den Kopf hat es tief gesenkt.</p> - -<div class="sidenote">Ein Nashorn erlegt.</div> - -<p>Ich gehe ganz ruhig in Anschlag, lasse das wütende Tier nahe -herankommen, schieße auf den Kopf und springe im nächsten Augenblick -zur Seite. Die Schnelligkeit des Tieres ist so groß, daß es an mir -vorbeisaust.</p> - -<p>Schnell folgen fünf Schüsse hinter die Schulter.</p> - -<p>Das Nashorn bleibt stehen, dreht sich im Kreise und bricht zusammen.</p> - -<p>Ein starker Blutstrom floß aus den Nüstern. —</p> - -<p>Meine Leute johlten in weiter Ferne; ich sah sie von den Bäumen steigen.</p> - -<p>Es war zehn Uhr; die Kamera war unversehrt, und ein starker -Nashornbulle zur Strecke.</p> - -<p>Ohne Grund nimmt kein Nashorn den Menschen an. Dies Tier war mit der -Nase tief auf dem Erdboden in seiner eigenen Fährte zurückgestürmt. -Daraus glaube ich, sein Verhalten erklären zu können: es hat den -Störenfried, den es dreimal schon vermutet hatte, vertreiben wollen.</p> - -<p>Ich hatte den Eindruck, daß das Nashorn, auch wenn ich nicht geschossen -hätte, schnurgerade an mir vorbeigestürmt wäre und mir kein Leids getan -hätte.</p> - -<p>Bis zum Mittag kamen fast alle meine Leute.</p> - -<p>Das Nashorn wurde in viele Fleisch- und Felllasten zerlegt.</p> - -<p>Am Nachmittage ging ich zu meinem großen Lager am Bergbache zurück und -erwartete ungeduldig den Abend, um die seltenen Aufnahmen entwickeln zu -können.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_280"></a>[S. 280]</span></p> - -<p>Am 9. September 1906, abends um acht Uhr, erschienen die Umrisse des -plumpen Tiers, das ich noch am Morgen desselben Tages lebend so dicht -vor mir hatte, auf der Platte. Ich ließ die Platten, als sie endlich -zum Trocknen auf dem Bett lagen, nicht aus den Augen und schrieb in -meiner Müdigkeit nur das Datum und die Uhrzeit in mein Tagebuch, als ob -dieser schöne Jagderfolg ein historischer Moment sei.</p> - -<p>Um zwei Uhr in der Nacht packte ich die getrockneten Platten in den -Blechkoffer und ging zu Bett.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_34" href="#FNAnker_34" class="label">[34]</a> Impallahantilopen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_35" href="#FNAnker_35" class="label">[35]</a> Hier mache ich für alle Fährtensucher die Bemerkung, daß -dies Pirschzeichen beim Nashornbullen anders ausfällt als bei anderem -männlichen Wild.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_36" href="#FNAnker_36" class="label">[36]</a> Es ist anzunehmen, daß die Flucht der Zebras dem Nashorn -eine Warnung war; denn die Zebraherde ist vor mir flüchtig geworden, -und hätte sich um das Nashorn allein wahrscheinlich gar nicht gekümmert. -</p> -<p> -Das Nashorn merkte also, daß die Zebras beunruhigt waren und schlug -deshalb eine andere Richtung ein.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_37" href="#FNAnker_37" class="label">[37]</a> Die Wunde ist auf dem -<a href="#pg273ill">Bilde Seite 273</a> zu sehen.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_281"></a>[S. 281]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg281ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_281_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Hohe Mangobäume stehen am Fluß; ihre dunklen Kronen -spiegeln sich in dem glatten Wasser. So hoch wie die Elefanten mit dem -Rüssel reichen können, sind die Äste der sonst bis zur Erde belaubten -Bäume herabgerissen. Die steilen Uferböschungen sind durch Schluchten -unterbrochen, in denen Flußpferde und Elefanten zum Wasser gehen.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Am_mittleren_Rufiyi">Am mittleren Rufiyi.</h2> - -</div> - -<p>Doch wieder zurück in die Aufstandszeit!</p> - -<p>Einen Monat blieb ich in der kleinen Befestigung am Flusse, ohne daß -die Aufständigen versuchten, mich anzugreifen oder nach Norden über den -Fluß zu gehen.</p> - -<p>In den Matumbibergen, die südlich vom Rufiyi liegen, war inzwischen -ein Militärposten eingerichtet worden; mehrere Abteilungen der -Schutztruppe operierten im Kilwabezirk, der sich nach Süden an den -Mohorrobezirk anschließt. Nie kam es zu einer gemeinsamen Aktion, weil -die Nachrichten zwischen den Streitkräften zu spärlich waren und man -nicht wußte, ob man mit der Anwesenheit einer Truppe an irgend einem -Punkte bestimmt rechnen konnte. Nachrichten aus Westen sagten, daß auch -im Mahengebezirk Aufstand sei.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_282"></a>[S. 282]</span></p> - -<p>So war die Lage, als ich eines Tages den Befehl bekam, ich solle -die Boma in Mayenge einem Unteroffizier übergeben, zur Küste -zurückkehren und die Führung einer in Mohorro eintreffenden -Abteilung Marineinfanterie übernehmen. Hiermit schien meine Zeit -im Aufstandsgebiet beendet zu sein; ich nahm Abschied von den -Unteroffizieren und von dem Platze, der mir inzwischen so vertraut -geworden war, und fuhr in einem großen Boote stromab.</p> - -<p>An vielen wohlbekannten Stellen kam ich vorbei, und war gegen Abend -bereits nahe bei dem Orte Ndundu, wohin ich die Matrosen und die Träger -mit den Zelten und der Kochlast vorausgesandt hatte. Da erschien auf -der Höhe eines Uferhanges in den Büschen ein Neger und hielt einen -Brief hoch; „barua“<a id="FNAnker_38" href="#Fussnote_38" class="fnanchor">[38]</a> rief er fast atemlos.</p> - -<p>Das Boot suchte eine Landungsstelle; ich ergriff den Brief. Es war ein -Schreiben des Akiden von Kooni, desselben Arabers, dem ich schon oft -zuverlässige Meldungen zu danken hatte. Er schrieb, in der Landschaft -Mtanza seien die Aufständigen versammelt und bedrohten die Bewohner der -umliegenden Dörfer, die ihnen Lebensmittel geben müßten, obwohl sie -sich mir unterworfen hätten; sie seien ohne jeden Schutz, ich solle -doch schnell zur Hilfe kommen. Dazu schrieb der Unteroffizier aus -Mayenge, er bitte mich um Erlaubnis gegen das Lager der Aufständigen -vorzugehen, fühle sich aber eigentlich nicht stark genug, da der -Gegner, nach den Aussagen von Spähern, durch Wapoporo aus dem -Mahengebezirk verstärkt sei. Große Eile sei not; denn die Aufständigen -wollten wieder nach dem Nordufer hinübergehen, und noch nie seien die -Boten in solcher Aufregung zurückgekommen, wie diesmal.</p> - -<p>Ich unterbrach die Weiterreise und schickte einen Eilboten nach -Mohorro, mit der Mitteilung, daß ich auf meinen Posten zurückkehren -müsse.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg283ill"> - <img class="w100" src="images/pg_283_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ich folgte dem Nashorn auf den Fußspitzen, es nahm -Schlingpflanzen vom Erdboden auf.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_283_ill_gross.jpg" id="pg_283_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg285ill"> - <img class="w100" src="images/pg_285_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Flußufer in der Nähe von Panganya, dem guten -Baumwolland. Der Boden ist ungemein fruchtbar, und kann, wenn es nötig -sein sollte, künstlich bewässert werden.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Allein im Aufstand.</div> - -<p>Mein Boot sandte ich nach Ndundu weiter, um der Karawane den Befehl zu -bringen, mir sofort zu folgen. Ich selbst ging in Begleitung zweier -Neger auf dem Ufer denselben weiten<span class="pagenum"><a id="Seite_285"></a>[S. 285]</span> Weg zurück, den ich am Tage so -bequem im Boote sitzend gekommen war.</p> - -<p>Nach siebenstündigem Marsch in der Dunkelheit überfiel mich große -Müdigkeit und Hunger, und ich hielt in einer kleinen Ortschaft, um -die nachfolgende Karawane abzuwarten. Ich ließ ein großes Feuer -anzünden und legte mich daneben, um von den Mücken ungestört schlafen -zu können. Aber, gewohnt einen Askariposten in der Nacht im Lager zu -sehen, fühlte ich mich heute doch in einer gewissen Unsicherheit, hier -mitten im Aufstandsgebiet unter völlig fremden Negern allein; ich -schlief nicht, obwohl ich die Augen schloß. Zwei Stunden nach meinem -Eintreffen erschien der lange Sudanese Bachid Said; hinter ihm die -erwarteten Träger und bald darauf auch die drei Matrosen, die mir vom -Bussarddetachement noch geblieben waren. Um drei Uhr am Morgen legte -ich mich in mein Feldbett, um noch zwei Stunden zu schlafen. Als ich -erwachte, war es noch dunkel; starker Tau<span class="pagenum"><a id="Seite_286"></a>[S. 286]</span> lag auf den Kissen und -tropfte vom Moskitonetz auf die Bettdecke. Um fünf Uhr wurde der Marsch -fortgesetzt.</p> - -<p>Gegen Mittag erreichte ich die Boma.</p> - -<p>Der Nachmittag und der Abend gingen hin, mit Fortschaffen der Vorräte -und Vorbereitungen für den Abmarsch. Ein großes Boot mit leeren -Munitionsgefäßen, Jagdtrophäen und anderen entbehrlichen Dingen wurde -stromab nach Ndundu geschickt; (als ich die Sachen später von den -Negern zurückforderte, fehlte nicht ein einziges Stück. Das scheint ein -gutes Zeugnis für die Ehrlichkeit dieser Neger zu sein). Noch bevor wir -aufbrachen, ging der Akide Melicki mit zwei Eingeborenen auf Kundschaft -und kam in der Nacht mit der Nachricht zurück, das Südufer werde von -Vorposten der Aufständigen bewacht.</p> - -<p>Nachdem meine ermüdeten Begleiter ausgeruht hatten, wurde die Boma -gegen Mittag des folgenden Tages vollständig geräumt; dann setzte -die Expedition auf das Nordufer über und marschierte bis gegen Abend -in westlicher Richtung weiter. Zum Abendbrot ließ ich zwischen den -Mangobäumen von Kooni kurze Zeit halten und dann auf dem hohen Ufer -weiter marschieren, bis wir gegen ein Uhr in der Nacht von den Führern -zum Fluß hinabgeführt wurden.</p> - -<p>Die Stelle kannte ich noch nicht; so weit war ich bei dem ersten -Streifzug nicht gekommen. Wir durchquerten einen seichten Wasserarm und -gingen durch tiefen Sand bis zu einer Düne, an deren Abhang das dunkle -Wasser des Flusses entlangfloß.</p> - -<p>Plätze wie diese sind für ein Lager sehr günstig; wir lagerten wie -auf einer Insel, und ein einziger Posten konnte die breite, helle -Sandfläche übersehen, die uns vom Walde trennte.</p> - -<p>Die Feldbetten wurden aufgestellt, wir aßen ein Stück Brot und -schliefen bis gegen drei Uhr am Morgen; dann wurden wir Europäer als -die letzten über den Fluß auf das feindliche Ufer übergesetzt.</p> - -<p>Die Führer versicherten mir, wir hätten Zeit genug, um noch vor -Tagesanbruch das Lager der Aufständigen zu erreichen.</p> - -<p>Ich schärfte allen auf das strengste ein, sich still zu ver<span class="pagenum"><a id="Seite_287"></a>[S. 287]</span>halten, -ging selbst, wie gewöhnlich, an der Spitze und beobachtete die Führer -genau, weil ihnen nie ganz zu trauen war.</p> - -<div class="sidenote">Ein mißglückter Überfall.</div> - -<p>Um auf keinen Fall bemerkt zu werden, verließ ich sofort den -ausgetretenen Weg; wir gingen im Gänsemarsch durch Schilf, über freie -Sandflächen, auf denen sich Flußpferde jagten, und durch abgeerntete -Matamafelder.</p> - -<p>Unter einem großen Baume brannte ein Feuer; wir gingen auf fünfzig -Schritt daran vorbei. Ein Mann erhob sich, nahm ein großes, brennendes -Holzscheit, hielt es über den Kopf und sah scharf nach uns herüber. -Wir blieben einige Minuten stehen; in der langen Linie der sechzig -Menschen hörte man nicht das leiseste Geräusch. Dann gingen wir -weiter. Die toten Matamastengel krachten unter unseren Füßen, doch -der leuchtende Wächter blieb mit seiner Fackel stehen; er mochte das -Geräusch Flußpferden zuschreiben, wenngleich er noch immer zweifelnd -und angestrengt herüber starrte.</p> - -<p>Plötzlich stieß mein Fuß an einen weichen Gegenstand; es war ein mit -Kafferkorn gefüllter Sack. Ich fürchtete, daß ein Mann uns bemerkt und -den Sack fortgeworfen habe.</p> - -<p>Besorgt sah ich auch, als wir unaufhörlich weitermaschierten, nach dem -östlichen Himmel, der schon heller wurde; die Gräser vor uns traf das -erste schwache Licht. Ich drängte vorwärts; denn die Lagerfeuer waren -noch nicht zu sehen!</p> - -<p>Aber die Eile nutzte nicht mehr; der Tag brach herein. Hinter -weiten, kahlen Sandflächen mit Schilfinseln standen in der Ferne die -Mangobäume, bei denen das Lager der Wapoporo sein sollte.</p> - -<p>Jetzt merkte ich woran ich war: die Führer hatten Angst gehabt, bei -Nacht in die Nähe der Aufständigen zu gehen und hatten uns, weil wir so -früh aufgebrochen waren, auf Umwege geführt. Mein Plan war vereitelt; -(ich hatte gehofft, die Lagerfeuer in der Dunkelheit zu finden und mich -in der Nähe verstecken zu können, um bei Tagesanbruch einen plötzlichen -Überfall auszuführen) trotzdem liefen wir weiter, kamen in ein Dorf und -auf einen Kreuzweg mit frischen Fußabdrücken im Staub.</p> - -<p>Als wir dem Wege folgten, fielen aus dem hohen Schilf Schüsse.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_288"></a>[S. 288]</span></p> - -<p>Wir waren in einer ungünstigen und gefährlichen Stellung und liefen -vor, bis wir in freie Flächen kamen, die mit kniehohem, blaublühendem -Unkraut dicht bestanden waren.</p> - -<p>Posten der Aufständigen stiegen von den Bäumen und eine Schar -Bewaffneter zog sich hinter einem Hügel in den Busch hinein. Kurz -darauf fanden wir das verlassene Lager. Über siebzig Bettstellen -standen auf einem Hügel; mehr als hundert Lagerfeuer brannten, und -Töpfe mit Essen standen darüber. Auch ein kleines Gehöft dicht bei dem -Feldlager zeigte Spuren, daß dort viele Menschen gehaust hatten.</p> - -<p>Durch die Schuld der Führer war der Überfall mißglückt. Anders wäre -es wahrscheinlich gekommen, wenn ich eine Karte von der Gegend gehabt -hätte, aus der ich mir selbst eine Anschauung über die Entfernung hätte -bilden können, oder wenn der Akide bei mir gewesen wäre, dem ich mehr -trauen durfte als den feigen Negern.</p> - -<p>So war eine gute Gelegenheit, den Aufständigen eine Schlappe -beizubringen, verpaßt worden.</p> - -<div class="sidenote">In dem verlassenen Lager.</div> - -<p>Hier, wie in den umliegenden Dörfern, fanden wir eine ganze Anzahl -kleiner Vorratshäuser, die erst in diesem Jahre gebaut zu sein -schienen, und mit Matamaähren und anderen Kornfrüchten vollgestopft -waren. Nach meiner Schätzung waren in dem verlassenen Lager allein 170 -Tons Getreide zusammengeschleppt.</p> - -<p>Wahrscheinlich hatten die Aufständigen eine gewisse Freude daran -gehabt, mit ihren großen Flinten in die Dörfer der Umgegend zu gehen -und die Eingeborenen zu zwingen, ihre Ernte zu dem Kriegslager -hinzuschaffen. Viele Kürbisse lagen in einer Hütte.</p> - -<p>Große Tontöpfe mit „Pombe“<a id="FNAnker_39" href="#Fussnote_39" class="fnanchor">[39]</a>, standen dort und ließen auf das Leben -der Krieger schließen; Reste von Hühnern und Tauben zeigten, daß die -Räuber es auch an „<span class="antiqua">kitǒḗo</span>“, an der nötigen Zukost, nicht -hatten fehlen lassen.</p> - -<p>Vielleicht aber wurde den einst so tapferen das Wohlleben<span class="pagenum"><a id="Seite_289"></a>[S. 289]</span> verderblich. -Der kriegerische Geist wenigstens schien ihnen etwas abhanden gekommen -zu sein; denn sie flohen allzu schnell, als wir ihnen nahe kamen.</p> - -<p>Den Tag über blieb ich in dem Lager der Aufständigen und erwartete die -Trägerkarawane mit den Proviantlasten.</p> - -<p>Nach den Anstrengungen der Nacht waren wir müde und hungrig; ich -aß geröstete Maiskörner und schlief einige Stunden auf einer -Negerbettstelle im Schatten eines Palmblattdaches.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg289ill"> - <img class="w100" src="images/pg_289_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Negerdorf am mittleren Rufiyi. Hütten mit schattigen -Vorhallen; Mangobäume und Zuckerrohr. Die Wege auf dem humosen -Alluvialboden sind in der Trockenzeit hart wie eine Tenne.</p></div> -</div> - -<p>Patrouillen steckten in der Umgegend die Hütten in Brand und brachten -neue Vorräte an Getreide.</p> - -<p>Von Zeit zu Zeit erschienen in der Ferne Aufständige, um zu -kundschaften, und gingen in weitem Bogen um uns herum, bis sie einige -Geschosse fliegen hörten und das Weite suchten; der Verlust der großen -Vorräte schien ihnen sehr schmerzlich zu sein.</p> - -<p>Gegen Abend ließ ich als Zeichen für die Karawane ein<span class="pagenum"><a id="Seite_290"></a>[S. 290]</span> großes Haus -anstecken. Außerdem saßen zwei Neger hoch oben in einem Baum und sahen -vergeblich nach den Trägern aus.</p> - -<p>Als die Flammen und der Rauch in die Baumkrone hineinwehten, ließen -sich die beiden Ausguckposten zur Freude aller Zuschauer wie reife -Früchte durch die Zweige hindurch zur Erde fallen.</p> - -<p>Das brennende Haus bot einen wunderschönen Anblick; die roten und -gelben Flammen ergriffen das trockne Strohdach; glühende Reste stürzten -in das dunkle Innere. Dann brannten die Dachsparren und Pfeiler und -brachen der Reihe nach zusammen.</p> - -<p>Statt der Karawane erschienen von neuem Aufständige und sandten uns aus -ihren Vorderladern einige heiße Eisenkugeln herüber.</p> - -<p>Inzwischen war ringsum das trockene Gras in Brand geraten und eine -feurige Linie kroch weiter und weiter in den Busch hinein. Vor dem -Feuer sahen wir deutlich die Gestalten von Aufständigen und konnten -trotz der späten Stunde ziemlich sichere Schüsse abgeben.</p> - -<p>Wir hatten uns bereits aus Matten und Türen Lagerstellen für die Nacht -gebaut und einen Windschutz errichtet, als die Trägerkolonne endlich -ankam. (Erst um vier Uhr am Nachmittag hatte sie den Befehl bekommen, -nachzufolgen; die am Morgen entsandten Boten gestanden ein, aus Furcht -nicht gegangen zu sein.)</p> - -<p>Jetzt hatten wir Abendbrot, Zelte und Betten; Hunger, Durst und -Müdigkeit waren bald vergessen.</p> - -<div class="sidenote">Schutz der Landschaft Mtanza.</div> - -<p>Am nächsten Morgen führte der Akide, der inzwischen eingetroffen war, -die Expedition durch weite, fruchtbare Flächen nach dem Hauptdorfe -der Landschaft Mtanza. Das Dorf wurde, wie die meisten Ortschaften -der Gegend, einfach nach dem Dorfschulzen benannt: „<span class="antiqua">Kwa Jumbe -Mgonza</span>“. (Beim Jumben Gonsa) oder kurz: „<span class="antiqua">Jumbe Mgonza</span>“, -womit der Ort gemeint ist, dessen Oberhaupt der Jumbe ist.</p> - -<p>Von jetzt an war Mtanza mein Hauptquartier. Etwa hundert Meter vom Ufer -des breiten Stromes entfernt, schlug ich unter<span class="pagenum"><a id="Seite_291"></a>[S. 291]</span> einem großen Baume -die Zelte auf, ohne zu wissen, daß ich mich auf vier Monate hätte -einrichten können.</p> - -<p>Der Platz entsprach den Anforderungen, die ich bei der augenblicklichen -Lage stellen mußte. Rundum wohnte eine zahlreiche Bevölkerung, deren -Unterstützung ich brauchte, um meine Expedition zu verpflegen und die -Ansiedelung der Aufständigen zu fördern; die Bewohner von Mtanza waren -Mitte August durch die nach dem Norden vordringenden Aufständigen mit -in die Aufstandsbewegung hineingezogen worden und hatten bei Kipo, wie -sie selbst eingestanden, die größten Verluste erlitten, da sie damals -als Ortskundige an der Spitze der Aufständigen gingen. Nun trieben sie -weiter die Politik, die ihnen als Grundbesitzern die beste schien: sich -dem Stärkeren anzuschließen.</p> - -<p>Auf einem Ritt durch die nahen Dörfer überzeugte ich mich mit -Befriedigung, daß hier noch Hab und Gut zu schützen sei; große Vorräte -von Getreide lagen in den Häusern. Ich war erstaunt über die Ausdehnung -der Schamben und konnte an den zahlreichen, starken Strunken auf den -abgeernteten Feldern sehen, wie reich die Ernte gewesen sein mußte.</p> - -<p>Weiber und Kinder waren nicht in den Dörfern, und als ich gegen Abend -zurückritt, waren auch die Männer verschwunden; endlos erschien mir -die Reihe der einförmigen Lehmhütten, aus denen kein Laut kam und kein -Feuerschein herausfiel.</p> - -<p>Hinter den Häusern floß der Strom, in dem Flußpferde laut brüllten.</p> - -<p>Am nächsten Morgen fuhr ich in aller Frühe auf das Nordufer, um zu -sehen, wo die Flüchtlinge hausten. Ich fand einen kleinen, malerisch -von hohem Wald umgebenen See. Im hellen Sonnenschein ruhten Flußpferde; -Krokodile entfernten sich von den Ufern und zeigten dann ihre Köpfe in -der Mitte der Wasserfläche. Die Verstecke der Eingeborenen lagen in -dichtem Gebüsch, schwer zugänglich und durch Dornen geschützt. Viele -Flüchtlinge kampierten auf einer Insel, die vom Wasser des Stromes -umspült wurde. In der verflossenen Nacht war dorthin ein Krokodil -gekommen und hatte ein kleines Kind geraubt. (Die Neger hatten aus -Furcht vor den Aufständigen keine Lagerfeuer gebrannt.) In<span class="pagenum"><a id="Seite_292"></a>[S. 292]</span> kleinen -Gruppen saßen die Frauen um die Feuer herum. Alles Hausgerät stand -dabei; jede Familie hatte Körbe mit Mehl, Matten, geflochtene Teller, -Löffel und anderes Holzgerät, das im Negerhaushalt gebraucht wird. Mein -Erscheinen im Lager der Flüchtlinge erregte etwas Verlegenheit, wie -unverkennbar auf allen Gesichtern zu lesen war.</p> - -<p>Der Ombascha Chuma nahm eine militärische Haltung an und sagte im -Hinblick auf die Leute: „Sie haben bei Kipo gegen uns gekämpft.“</p> - -<p>„Du meinst, deshalb fürchten sie uns?“</p> - -<p>„Nein, vielleicht sind sie noch feindlich.“</p> - -<p>Er sagte das als Mahnung zur Vorsicht und weil er hoffte, ich würde die -Neger jetzt noch bestrafen; dafür sind die Askari immer.</p> - -<p>Ich half einem kleinen Bengel das Mäulchen voll Matamabrei stopfen und -sagte dazu scherzhaft: „iß nur tüchtig, damit du stark wirst und später -die große Flinte halten kannst, wenn ihr wieder Aufstand machen wollt“.</p> - -<p>Da lachten die Erwachsenen und wurden zutraulicher.</p> - -<p>Mehrere Boote begleiteten mich auf das Südufer zurück; die Männer -kamen zu meinem Zelt und baten mich, in Mtanza zu bleiben und sie zu -schützen. Ich versprach, eine Boma anzulegen, wenn alle in ihre Häuser -zurückkehrten, die Äcker bestellten, mir täglich Lebensmittel zum Kauf -anboten, und auch Boten- und Trägerdienste zu den in Friedenszeiten -üblichen Löhnen übernehmen wollten. Zu alledem waren diese Vertreter -der Landschaft gerne bereit.</p> - -<p>Als ich in der Frühe des nächsten Tages am Ufer badete, standen die -Menschen am Fluß, packten ein und aus, und riefen nach Booten.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg293ill"> - <img class="w100" src="images/pg_293_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Unterworfene Neger arbeiten auf einer Baumwollpflanzung, -um während der Hungersnot Brot zu verdienen.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_293_ill_gross.jpg" id="pg_293_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p>Der Wald hatte viele beherbergt: Mütter mit kleinen verängstigten -Kindern an der Hand und Säuglingen auf dem Rücken. Ich sah die Einbäume -hin- und herfahren und wurde nicht müde, den Leuten zuzusehen; lag doch -in dem Zutrauen dieser Menschen für mich ein Erfolg: mit Hilfe dieser -Neger, die den Wert ihrer<span class="pagenum"><a id="Seite_295"></a>[S. 295]</span> Ländereien zu kennen schienen, hoffte ich -den Rufiyi bis zu den Panganischnellen hinauf in die Hand zu bekommen.</p> - -<p>Das ist mir nicht vollständig gelungen; ich scheiterte an der Roheit -der Wapogoro, die sich als ganz scheue, hinterlistige Buschbewohner -entpuppten; aber die Aufständigen sind wenigstens nicht mehr nach -Norden über den Rufiyi gegangen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg295ill"> - <img class="w100" src="images/pg_295_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Am Flusse saßen auf einem umgekehrten Einbaum vier -Askarifrauen und warteten auf ihre Männer, die auf dem anderen Ufer -patrouillierten.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Friedensarbeit.</div> - -<p>Wochenlang hielt mich friedliche Tätigkeit in Mtanza; rund herum -bauten die Askari kleine Hütten, und ich erlaubte ihnen, ihre Weiber -heraufkommen zu lassen, weil ich das friedliche Leben in dem Orte -betonen wollte; ich gab mir den Eingeborenen gegenüber den Anschein, -als ob ich den Aufstand für beendet hielte. Die Zeit, die ich im Lager -in Mtanza zubrachte, war für mich sehr wertvoll; ich habe dort einen -Einblick in das Tun und Treiben der Schwarzen gehabt. Was nun kam, war -Friedensarbeit, die nur selten durch kleine, aber anregende Streifzüge -nach Lederstrumpfart unterbrochen wurde.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_296"></a>[S. 296]</span></p> - -<p>Meine Befehle erlaubten mir nicht, große Kriegszüge zu machen. Dazu war -ich auch zu schwach; denn die Linie, die ich mit drei Unteroffizieren, -zwei Matrosen und sechsundzwanzig Askari bewachen sollte, war 180 -<span class="antiqua">km</span> lang. — Die Mündung des Rufiyi wurde durch die Seesoldaten -in Mohorro gesichert; den Posten zwischen Mtanza und Mohorro mußte ich -zeitweilig besetzen; von Mtanza aus war es mir möglich, mit dem Strom -in einer Nacht 80 <span class="antiqua">km</span> zurückzulegen, so daß ich die obere Hälfte -der gefährdeten Linie selbst schützen konnte. — Nur dadurch, daß ich -über große Strecken hin, friedliche Ansiedelungen ins Leben rief, -konnte ich mit meiner kleinen Streitmacht die Aufgabe erfüllen.</p> - -<p>Die Rebellen standen immer noch unter dem Eindruck der Verluste, die -sie zu Beginn des Aufstandes erlitten hatten, und überschätzten meine -Macht. Schnell sprach es sich außerdem bei den Negern herum, daß ich -jedem Schutz gewährte, der sich unterwarf.</p> - -<p>Es galt, möglichst bald den alten Einfluß der Regierung wieder -herzustellen; um in ihrem Sinne wirken zu können, unterhielt ich -deshalb Fühlung mit dem Bezirksamt und bemühte mich, über alle Vorgänge -auf beiden Ufern des Stromes Klarheit zu bekommen.</p> - -<p>Ich fand Eingeborene, die eine Art von Polizeidienst übernahmen und -bezahlte sie dafür. (Meine Askari mochte ich zu solchen Aufträgen nicht -verwenden; denn sie waren weniger ortskundig, wurden leicht erkannt und -dann von vornherein mit Mißtrauen angesehen.) Alle Neger, die das Dorf -passierten, ließ ich mir von den Polizisten vorführen. Es waren nicht -allzuviele; denn der Verkehr vom Kissakkibezirk war gering und ging zum -großen Teil auf dem Nordufer entlang, wo nicht alle Waldwege bewacht -werden konnten.</p> - -<div class="sidenote">Die Postboten.</div> - -<p>Meine Boten brauchten nach Mohorro vier Tage und bekamen für den Weg -1,30 Mk. Ich sah einmal an dem Datum von Telegrammen, daß ein Bote fünf -Tage gegangen war anstatt vier; er gebrauchte die Entschuldigung, er -habe einmal stundenlang nach einem Boot rufen müssen, um über den Fluß -zu setzen. Das durfte ich ihm glauben; denn ich hatte selbst schon -Gelegenheit gehabt, beides zu bewundern: die Ausdauer eines Mannes,<span class="pagenum"><a id="Seite_297"></a>[S. 297]</span> -der übersetzen wollte und nach einem Boot rief und die Dickfelligkeit -eines anderen, der am jenseitigen Ufer bei seinem Einbaum hocken blieb.</p> - -<p>Die Boten bekamen allerlei Nebenaufträge der Askari, und ein oder der -andere kleine Soldatenboy begleitete sie. Hierbei liefen klassische -Beispiele von unpraktischem Sinn und Dickköpfigkeit unter.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg297ill"> - <img class="w100" src="images/pg_297_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Frauen der Askari beim Frisieren. Die ‚<span class="antiqua">bibi</span>‘ -am weitesten links hat Ziernarben auf dem rechten Arm. Ganz rechts -sitzt eine Msukuma mit kurz geschorenem Haar. In der Hütte hockt ein -Askariboy am Kochfeuer. Man beachte die Stellung der Füße!</p></div> -</div> - -<p>Askari Fataki schickte seiner Bibi ein Tuch mit vier Pishi Reis nach -Mohorro; zugleich erhielt der Bote vom Askari Mursat Geld, um vier -Pishi Reis in Mohorro zu kaufen und nach Mtanza zu bringen. Beide -Aufträge mußten pünktlich ausgeführt werden; der Bote schleppte vier -Pishi hinunter und brachte vier andere zurück. Vergeblich versuchte -ich, dem Negerhirn einzureden, daß das Resultat dasselbe sei, wenn -Fataki dem Mursat seine vier Pishi Reis verkaufe und seiner Gattin das<span class="pagenum"><a id="Seite_298"></a>[S. 298]</span> -Geld schicke; Fataki glaubt, sein Reis sei besser als der, den seine -Bibi in Mohorro bekomme, und Mursat will durchaus Reis aus Mohorro -kaufen. Um diesem Eigensinn nachzukommen, muß der Bote zehn Pfund acht -Tage lang mit sich schleppen — (die gleichen Dinge geschehen übrigens -in großem Maßstabe im Welthandel; dort sind es Prinzipienfragen, -vielleicht auch hier)!</p> - -<p>Abends nach Eintritt der Dunkelheit gab ich einmal einem Manne den -Befehl, einen Brief nach Mohorro zu bringen. „Soll ich etwa allein -gehen? es ist Nacht, da müssen zwei gehen!“ <em class="gesperrt">Müssen</em>, denn einer -allein fürchtet sich; gehen zwei, so fühlt sich jeder durch den anderen -geschützt; keiner sperrt die Augen auf, und dann laufen sie einfach los.</p> - -<p>Wenn ein Bote ankommt — er trägt den Brief meist in einem gespaltenen -Stock eingeklemmt und hält ihn hoch, damit er nicht gegen Büsche -streift oder sonst wo Schaden leidet — so folgen ihm wohl ein Dutzend -Bengels.</p> - -<p>Die Ankunft eines „Barua“ ist für die Schwarzen ein Ereignis; mit -dummdreisten Mienen bleiben sie in geziemender Entfernung stehen und -beobachten die Wirkung der Nachrichten auf den Leser. Auch versuchen -sie, Lohn dafür zu erhalten, daß sie den Boten begleitet haben.</p> - -<p>Übrigens war die Ankunft eines Briefes und die Ansammlung von Zuhörern -stets eine gute Gelegenheit, Gerüchte unter das Volk zu bringen. Ich -nutzte das gründlich aus; wenn die Aufständigen von den anderen Truppen -so oft Prügel gekriegt hätten, wie ich es verkündete, wären sie wohl -beinahe ausgerottet!</p> - -<p>Die Mittel, mit denen Frieden gestiftet wurde, waren eben -mannigfaltiger Art.</p> - -<p>In Mtanza hatte ich auch Gelegenheit, das Eheleben der Schwarzen kennen -zu lernen.</p> - -<div class="sidenote">Die Frauen der Askari.</div> - -<p>Jeder Askari darf sich nur eine Frau halten. Die für die Wahl einer -Lebensgefährtin maßgebenden Gründe sind merkwürdig. Für äußere -Schönheit kommen unter anderm vor allem große Ohren in Betracht. Die -Ohrmuscheln werden in der Jugend durchlöchert und die Löcher allmählich -erweitert, bis drei möglichst große, aus Papier gerollte Pflöcke darin -Platz haben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_299"></a>[S. 299]</span></p> - -<p>Im übrigen muß sich das Weib, um dem Manne zu gefallen, gut kleiden -und frisieren können, darf recht viel Zeit dazu verwenden, muß aber -auch für das Essen sorgen; und dazu vor allen Dingen ist Sauberkeit -und Sorgfalt notwendig. (Die gewöhnlichen Arbeiten verrichtet der -Askariboy, der für sich wieder einen neuen, sehenswerten Teil des -Lagerlebens bildet.)</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg299ill"> - <img class="w100" src="images/pg_299_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Poshoausgabe.</p> - -<p>Sanitätsunteroffizier Lauer verteilt Getreide an die Askari, die -zum Teil in bequemen, häuslichen Kleidern (Baumwolltuch und Hemd) -einhergehen. Bei einem Askari erkennt man Flicken, die sorgfältig -auf das sehr wenig haltbare Khakizeug aufgenäht sind. Zerrissen oder -schmutzige Kleider sind diesen Negern zuwider. Sobald sie von Märschen -ins Lager kommen, ziehen sie sich um und beginnen zu waschen und zu -nähen.</p></div> -</div> - -<p>Mit großer Leichtigkeit werden Ehen geschlossen und aufgelöst. Die -Folge davon ist, daß man von den Schwarzen meist den Eindruck hat als -ob sie in glücklicher Ehe lebten. Sobald das Verhältnis der Gatten -nämlich unerträglich wird, gehen sie auseinander.</p> - -<p>Dies gilt nur von den freien Suaheliweibern. Dauernder ist<span class="pagenum"><a id="Seite_300"></a>[S. 300]</span> die -Verbindung wohl, wenn für die Frau eine Kaufsumme gezahlt wurde. (Am -Rufiyi zahlte der Mann etwa dreißig Rupie.) Hat die Frau ein Kind, -so ist sie mehr wert; denn das Kind kann, wie mir ein Vertrauensmann -sagte, später die kleineren Kinder beaufsichtigen, wenn die Mama auf -dem Felde arbeitet.</p> - -<div class="sidenote">Der Askariboy; Hausbau.</div> - -<p>Anforderungen besonderer Art werden an den Askariboy gestellt. Seine -Haupttugend ist eine große Begeisterung für den Soldatenberuf, die -ihren Grund hat in Abneigung gegen das stille Leben im Heimatdorf. -Abenteuerlust und Anspruchslosigkeit und die allen Negern gemeinsame -Abneigung gegen regelmäßige Arbeit zeichnet ihn aus. Er bekommt zu -essen, was übrig bleibt, hat aber im Kriege manchmal Gelegenheit, -recht viel auf die Seite zu bringen. Er bekommt gelegentlich ein -Kleidungsstück geschenkt; doch wenn der Tag da ist, an dem er seinen -Lohn fordert, wird ihm als Antwort: „Du hast mir einen Teller -zerbrochen, hast jeden Tag viel zu viel gegessen und deine Arbeit war -miserabel — ich kann dir keinen Lohn geben!“ Dann sitzt der kleine -Kerl noch einen halben Tag in niedergeschlagener Stimmung im Lager und -— sucht sich einen anderen Dienst.</p> - -<p>Als mehrere Wochen verflossen waren, ohne daß kriegerische -Unternehmungen stattfanden, schickte ich die letzten drei Matrosen, -die ich bis dahin noch mit mir hatte, zur Küste, weil ich sie nicht -unnütz dem Fieber und anderen Krankheiten aussetzen wollte. Die Leute -hatten außerdem die Rückkehr an Bord sehr nötig; denn ihre Kleidung war -stark mitgenommen. Gleichzeitig sandte ich Sergeant Kühn nach Mayenge, -sodaß ich von jetzt an mit Sanitätsunteroffizier Lauer, dem Arzt meiner -Expedition, alleine war.</p> - -<p>Da die Rücksicht auf die Europäer fortfiel, konnte ich jetzt viel -weitere Märsche machen als bisher. — Die Askari sind sehr anspruchslos -und man braucht ihretwegen keine große Trägerkolonne mitzunehmen; sie -versehen nach anstrengendem Marsche den Wachdienst, gehen Patrouille, -beaufsichtigen die Träger, brauchen nur einmal am Tage zu essen (was -sie essen ist leicht mitzunehmen) und schlafen zu ebener Erde, ohne -Bett, Moskitonetz und Zeltdach. —</p> - -<p>Unter den weitstehenden Ästen des großen Baumes, bei dem<span class="pagenum"><a id="Seite_301"></a>[S. 301]</span> wir -unser Lager aufgeschlagen hatten, ließ ich ein Haus bauen. Ich war -überrascht, wie schnell ein Gebäude fertig wurde, das allen Ansprüchen -genügte.</p> - -<p>Jeder Neger ist Baumeister und an Übung fehlt es ihm nicht, da er oft -gezwungen ist, neu zu bauen oder auszubessern, was Insekten, Hochwasser -oder Feuer zerstören.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg301ill"> - <img class="w100" src="images/pg_301_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Mein Haus stand neben einem großen Baum. Rundum bauten -sich die Askari und Träger Hütten.</p> - -<p>(Die senkrechtstehenden Rohrstangen sind bis zu acht Meter lang.)</p></div> -</div> - -<p>Eines Tages trommelte der Jumbe das Dorf zusammen. Männer und Knaben -kamen und hörten den Befehl: „Ihr werdet jetzt dem Bana Kubwa<a id="FNAnker_40" href="#Fussnote_40" class="fnanchor">[40]</a> ein -Haus bauen, damit er bei uns bleibt.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_302"></a>[S. 302]</span></p> - -<p>Ein Platz wurde abgesteckt; dann fuhren die Neger mit Beilen auf -das Nordufer und brachten aus dem Walde Pfähle und Balken und große -Pfeiler, die sich am Ende gabelten und deshalb geeignet waren, das -Dachgebälk zu tragen. Es wurden Löcher in die Erde gegraben, um die -Pfähle hineinzustellen. — Bei dieser Arbeit lockert der Neger den -Boden mit einem kleinen Stück Holz und hebt die Erde mit der Hand -aus, so daß das Loch nicht größer wird, als es sein muß, um den -Pfahl aufzunehmen. — Schon am zweiten Abend stand das Gerippe des -Hauses fertig da. Jetzt wurde vom Flusse starkes Rohr geholt und -die Dachsparren mit den beinahe armstarken, bis acht Meter langen -Stengeln belegt, die die Stelle von Bambusrohr vertraten. Bei dem -ganzen Bau wurde kein einziger Nagel oder Zapfen verwandt, sondern alle -Verbindungen durch Bastbänder hergestellt, die aus den Blattrippen -der Dumpalme geflochten waren. Die horizontal liegenden Balken ruhten -in gegabelten Pfeilern. Über die Rohrstengel der Dachbedeckung wurden -Blätter einer Fächerpalme gelegt und, ebenso einfach wie geschickt -befestigt, indem die Stiele durch einen Einschnitt angekerbt und -etwas aufgespalten wurden, so daß ein Haken entstand, der über den -Rohrstengel hinüberfaßte. In der Mitte des Hauses blieb eine große -Halle frei; auf der einen Seite waren meine Wohnräume, auf der anderen -die des Unteroffiziers.</p> - -<p>Die Wände bestanden aus Fachwerk von Rohrbekleidung mit dazwischen -gestopfter, toniger Erde. Die Fensteröffnungen wurden durch Läden aus -Rohrstengeln geschlossen; Türen brauchten wir nicht.</p> - -<p>Rund um das Haus entstanden die Hütten der Askari, die Küche mit -der Wohnung für die Boys, der Hühnerstall und ein Eselstall. Später -ließ ich um das ganze Lager Wall und Graben ziehen und einen hohen -Pallisadenzaun errichten, an dessen Eingang die Wache ein Schutzdach -erhielt.</p> - -<div class="sidenote">Am Strom.</div> - -<p>Bei Sonnenaufgang war ich jeden Morgen am Fluß, um zu baden. Ein -Schwimmbad durfte ich freilich nicht nehmen, weil die Krokodile -zahlreich waren; ich mußte mich darauf be<span class="pagenum"><a id="Seite_303"></a>[S. 303]</span>schränken, mir einige Eimer -voll Wasser über den Kopf zu gießen, während ich am Ufer stand.</p> - -<p>Die Morgenstunde am Strom war für mich stets ein großer Genuß. Es -war jedesmal gleich schön, zu sehen, wie der breite Fluß unter die -aufgehende Sonne floß. Über die glänzende Flut fuhren Einbäume mit -Negern, die im Walde des Nordufers Holz holen oder Honig suchen -wollten; aus den Hütten stieg blauer Rauch, der in den dürren Blättern -der Palmdächer entlangkroch. Tauben flogen von ihren Nachtquartieren -herüber in die Felder.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg303ill"> - <img class="w100" src="images/pg_303_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Askarifrauen kommen mit irdenen Töpfen vom Wasser in den -Pallisadenzaun der Boma. Manche sind schlank und schön gewachsen; um so -auffallender sind dann die langen Arme, die an Menschenaffen erinnern, -und die großen, breitgetretenen Füße.</p></div> -</div> - -<p>Als in den späteren Monaten die ersten Regenschauer gefallen waren und -die Feuchtigkeit der Luft zunahm, lagen morgens oft weiße Nebelmassen -über dem Strom. Oft auch schwirrte es über den Schilfinseln von -unzähligen Schwalben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_304"></a>[S. 304]</span></p> - -<p>Pünktlich um sechs Uhr wurden die Askari geweckt. Dann gingen die -Frauen mit großen Töpfen zum Ufer und holten Wasser. Um acht Uhr begann -der Dienst, das Exerzieren und die Arbeiten an der Befestigung. Diese -Arbeit sollte eigentlich eine Strafe sein, aber die Neger wurden kaum -beaufsichtigt und stellten sich dennoch pünktlich zur Arbeit ein, weil -sie Essen dafür bekamen.</p> - -<p>Zum Revierdienst, den Sanitätsunteroffizier Lauer gegen neun Uhr -abhielt, kamen immer mehr Eingeborene und verlangten „<span class="antiqua">dawa</span>“, -wobei sie auf den kranken Körperteil zeigten. Wunden waren bei ihnen -gut zu behandeln und heilten schnell. Bei inneren Krankheiten aber -konnten die Neger nicht verstehen, daß sie wiederkommen sollten; sie -ließen sich einmal Arznei geben und glaubten dann gesund zu sein. Die -Askari waren schon verständiger; sie kamen immer wieder, um Chinin zu -nehmen, wenn sie Fieber hatten.</p> - -<p>Schlimm waren die Wunden von Pfeilschüssen. So kam ein Mann, dem die -Pfeilspitze mit abgebrochenem Schaft noch in einer häßlich aussehenden -Öffnung zwischen den Rippen steckte; die Spitze mit den Widerhaken -wurde herausgeschnitten, ohne daß der Neger ein Zeichen von Schmerz von -sich gab.</p> - -<p>Mit Giftpfeilen getroffene Menschen starben, wenn das Gift frisch war, -in wenigen Stunden. Um die Wirkung des Pfeilgiftes zu erläutern wurde -mir erzählt, ein alter Jäger sei bis dicht an einen Löwen hinangegangen -und habe ihm einen Giftpfeil in die Seite geschossen; der Löwe, der -vorher noch nicht verwundet war, sei nach mehreren Schritten tot -umgefallen; das Gift hatte zufällig eine Ader getroffen, die nach dem -Herzen führte.</p> - -<div class="sidenote">Schlangen.</div> - -<p>Die Eingeborenen mischten das Pfeilgift aus dem Saft von bestimmten -Pflanzen und echtem Schlangengift.</p> - -<p>Bißwunden von Schlangen habe ich nie gesehen.</p> - -<p>Schlangen waren am Rufiyi nicht gerade häufig, wurden nur aber oft -gebracht, weil ich die Negerjungens, die mir halfen, meine Sammlungen -von Käfern und Insekten zu vervollständigen, anhielt, mir alles -Ungeziefer zu bringen, was auf den Feldern getötet wurde. Ich habe im -Laufe der Zeit eine Anzahl Schlangen<span class="pagenum"><a id="Seite_305"></a>[S. 305]</span> beobachtet, möchte aber, wenn -ich es erzähle, nicht den Eindruck erwecken, als ob die mir selbst -unheimlichen Tiere dort eine alltägliche Erscheinung wären.</p> - -<p>Unser Haus lag an einer Stelle, die besonders reich mit Schlangen -gesegnet war. In den Zweigen des großen Baumes konnte man gelegentlich -einem Streit zusehen, den kleine schwarzweiße Vögel mit einer -silberweißen Schlange führten. Das Reptil ringelte sich träge durch die -kleinen Äste der Zweige, während die Vögel unter lautem Gezwitscher um -seinen Kopf herum flatterten und sich im Vertrauen auf ihre Gewandtheit -dicht bei ihm hinsetzten, um auszuruhen. Am häufigsten waren: eine -rotbraune Schlange und die grüne Baumschlange, die besonders, wenn sie -auf den Blättern der Bananen liegt, schwer zu sehen ist.</p> - -<p>Beim Pürschen traf ich einmal in hohem Grase eine der gefährlichen -und giftigen Puffottern; sie lag zusammengeringelt auf einer freien -Stelle und schlief. Ich schnitt mir einen Stock ab, schlug sie tot und -streifte sie; denn die Haut der Puffotter ist bunt gemustert und läßt -sich gut zu einem Gürtel verarbeiten.</p> - -<p>Eine Riesenschlange schoß Unteroffizier Lauer mitten im Buschwald; mit -einer anderen hatten wir eine geradezu unglaubliche Begegnung: Wir -gingen in hohem Grase auf einem schmalen Pfad; ich voran, hinter mir -Lauer. Da ich eifrig nach Wild aussah, achtete ich nur halb auf den -Weg. Plötzlich rief mein Begleiter erschrocken: „Herr Oberleutnant!“ -Ich drehte mich hastig um und sprang zur Seite, weil er das Gewehr -im Anschlag ungefähr auf meine Füße gerichtet hatte. Ich sah, wie -ein dicker Ast, über den ich eben hinweggestiegen war, sich bewegte: -es war eine Riesenschlange, die quer über den Weg kroch, und von der -nur der mittlere Teil des Körpers auf dem Wege zu sehen war, weil das -Schwanzende noch auf der einen, der vordere Teil schon auf der anderen -Seite des Weges im Schilf verborgen war. Als Lauer schoß, kam auch der -Kopf der Schlange aus dem Grase zurück und fuhr mit geöffnetem Rachen -dem Schützen entgegen, der schnell zurücksprang. Jetzt schoß ich und -traf dicht unter den Kopf; die Schlange verschwand im Grase, und wir -fanden sie nicht.<a id="FNAnker_41" href="#Fussnote_41" class="fnanchor">[41]</a></p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_306"></a>[S. 306]</span></p> - -<p>Mein Begleiter machte mir nun vor, wie ich den linken Fuß gehoben und -etwas weiter als gewöhnlich nach vorne gesetzt hatte, um über den -vermeintlichen Baumstamm hinwegzusteigen.</p> - -<p>Wir waren beide überzeugt, daß uns niemand diese Geschichte glauben -würde.</p> - -<p>Früher habe ich mich einmal über ein Bild in Gordon Cummings „<span class="antiqua">Lion -hunter of South Africa</span>“ gefreut: Cumming und ‚Kleinboy‘ ziehen -am Schwanz einer Schlange, die in einen Steinspalt zu verschwinden -droht. Dies ist gar nicht so grob aufgeschnitten, wie man wohl glaubt -(Cumming kann es sonst ganz gut!); ich selbst hatte ein Erlebnis, aus -dem ich sah, daß seiner Darstellung sehr wohl wirkliche Eindrücke -zugrunde gelegen haben mochten. Ich wurde eines Tages gerufen, als -eine anderthalb Meter lange, graue Schlange über den Hof meiner Boma -kroch. Die Neger hinderten die Schlange mit Stöcken daran, in einem -Schlupfwinkel zu verschwinden; plötzlich aber glitt sie mit dem Kopf in -ein kleines Mauseloch, das niemand beachtet hatte. Ich sprang schnell -hinzu und faßte zum großen Entsetzen der Neger den Schwanz der Schlange -mit beiden Händen. Gefahr war nicht dabei, auch wenn die Schlange -giftig gewesen wäre; denn das Mauseloch war so eng, daß das schlanke -Reptil gerade hineinpaßte, und rückwärts kann keine Schlange kriechen, -weil sich dabei die Schuppen abspreizen und es verhindern. So zog ich -auch diesmal ohne Erfolg, mußte loslassen, und die Schlange verschwand -ganz in der Erde.</p> - -<div class="sidenote">Ameisen; Sandflöhe.</div> - -<p>Häufig sah man in Mtanza die Schlangen auch in dem Palmstroh der -Dachbedeckung des Hauses kriechen und hörte sie nachts wenn sonst alles -still war. Es war dann ratsam, nicht barfuß im Dunkeln umherzugehen; -denn außer Schlangen soll man Skorpione oder bissige Ameisen immer -fürchten, und Sandflöhe, die man beim Barfußgehen unfehlbar bekommt, -sind auch lästig.</p> - -<p>Der Biß der „Siafu“, der angriffslustigen Ameise, ist im Verhältnis zu -der Größe und Unschädlichkeit des Insekts von überraschender Wirkung. -Man kann sonst sehr ruhige Menschen tanzen sehen, wenn eine Ameise sie -auf dem Rücken zwackt. (Menschen, die eine gewisse Zurückhaltung vor -der Tür des Zahn<span class="pagenum"><a id="Seite_307"></a>[S. 307]</span>arztes nicht leicht überwinden, sollten versuchen, -ob sie lernen, sich von einer Ameise freiwillig und aus Wissensdrang -kneifen zu lassen.)</p> - -<p>Der Sandfloh bildet eine Plage hauptsächlich auf den Karawanenstraßen. -Auch ich hatte manchmal Sandflöhe in den Zehen und zwar jedesmal, -wenn ich bei einer Wasserjagd barfuß gegangen war, wobei mich die -kleinen Tiere entweder im Boot oder an den von vielen Negern betretenen -Landungsstellen befallen hatten. Zuerst macht sich der Sandfloh dadurch -bemerkbar, daß er an der Stelle, wo er sitzt, ein nicht unangenehmes -Jucken verursacht. Die Stelle, an der der Plagegeist in der Haut -wohnt, rötet sich, und plötzlich kommt einem der Gedanke: es ist -ein „<span class="antiqua">funza</span>“. Der Boy wird gerufen, und der entfernt das kaum -sichtbare, kleine schwarze Pünktchen sorgfältig mit einer Nähnadel.</p> - -<p>Der Sandfloh stammt aus Südamerika, ist von da vor mehreren Jahrzehnten -nach Westafrika eingeschleppt worden und kommt erst seit Mitte der -neunziger Jahre in Ostafrika vor. Das befruchtete Weibchen bohrt sich -mit Vorliebe in die Haut unter den Fußnägeln ein. Nach einigen Tagen -wird der Hinterleib so groß wie eine Erbse, und es gehört dann ein -besonderes Geschick dazu, die Eier bei der Nadeloperation sämtlich -herauszubekommen. Bei den Negern sieht man oft Verunstaltungen der -Füße und Hände infolge von Entzündungen, die aus Sandflohstichen -hervorgegangen sind.</p> - -<p>Ich hatte auf solche Verletzungen ein Augenmerk und sah zufällig -eines Tages einen merkwürdigen Fall von Vererbung. Bei einem Mann -war die vierte Zehe des rechten Fußes verkrüppelt und hing ohne -Kochenverbindung etwas zurückstehend auf der Haut des Fußes. Er sagte, -dies sei von Jugend auf so gewesen, und stellte mir seinen Sohn vor, -bei dem der vierte Finger der linken Hand, angeblich seit seiner -Geburt, verkrüppelt und steif war; das vorderste Gelenk des Fingers -schien zu fehlen.</p> - -<p>Unsere Hauptnahrung in der Aufstandszeit war Reis. Das Mittagsessen -bestand gewöhnlich aus gekochtem oder gebratenem Huhn, Reis und -Mohogoknollen; zeitweilig aber war an Konserven kein Mangel und dann -gab es eingemachtes Gemüse,<span class="pagenum"><a id="Seite_308"></a>[S. 308]</span> Würstchen, Sardinen, Hering, Sprotten, -Käse und Kompott. Auf die meisten Konserven verzichtet man aber gerne, -wenn Hühner, Eier, Bananen und andere Früchte im Lande zu bekommen sind.</p> - -<p>An die Mohogoknollen hatten wir uns sehr gewöhnt; sie ersetzten uns -die Kartoffeln. Meist aßen wir sie zerrieben und in Fett gebraten. Die -ersten Kartoffeln, die ich danach vorgesetzt bekam, schmeckten mir fade.</p> - -<p>Von den Landesprodukten haben wir ferner mit Vorliebe gegessen: grünen -Mais, Ananas, Mangos, die leider nur kurze zeitlang zu haben sind und -die seltenen Tomaten. Mit Matamamehl habe ich mich nicht befreunden -können. Die einheimischen Bohnen schmecken bitter.</p> - -<p>Sehr ungern entbehrte man Brot aus Weizen- und Roggenmehl, Kaffee und -Zucker, und wenn einer dieser Genüsse ausging, fühlten wir es sofort.</p> - -<p>Auf das Brotbacken verstehen sich die schwarzen Köche gut. Es ist -einfacher als man glaubt, und Backöfen sind dazu nicht nötig; ein -eiserner Topf mit dem aufgegangenen Teig wird ringsum auf dem Deckel -mit glühenden Holzkohlen bepackt, bis das Brot durchgebacken ist. -Da konservierte Butter nicht gut schmeckt, ißt man mit Zwiebeln -ausgebratenes Schweineschmalz oder Flußpferdfett dazu. Zu hellem -Weizenbrot schmeckt auch Jam oder Fruchtgelee.</p> - -<div class="sidenote">Teurung.</div> - -<p>Sehr bald wurden die Eier in der Umgegend knapp, und wenn die -Eingeborenen von weit her ein halbes Dutzend anbrachten, waren sie -meist alle schlecht. Die Kornfrüchte stiegen im Preise und schließlich -war überhaupt nichts mehr zu bekommen: es hieß einfach: „<span class="antiqua">njaa</span>“, -„es ist Hungersnot.“</p> - -<p>Da wurde ich auf den farbigen Händler aufmerksam, der im Dorfe einen -kleinen Laden hatte, und Baumwolltücher, Glasperlen, Salz, Öl und -Getreide an die Eingeborenen verkaufte. Ein großes Haus, das neben -seinem Laden lag, war, als ich einige Monate vorher zum ersten -Male nach Mtanza kam, bis unters Dach mit gefüllten Getreidesäcken -vollgepfropft gewesen; jetzt war es leer. Der schlaue Inder hatte das -Getreide zur Küste geschafft, und ließ, als die Hungersnot begann, -Sack für<span class="pagenum"><a id="Seite_309"></a>[S. 309]</span> Sack wieder heraufholen. Er verkaufte denselben Negern, die -ihm fünf Monate vorher <em class="gesperrt">achtzehn</em> Pishi Matamakorn für eine Rupie -gegeben hatten, jetzt <em class="gesperrt">ein</em> Pishi für denselben Preis.</p> - -<p>So teuer konnte kein Neger auf die Dauer sein täglich Brot bezahlen. -Es war auch unmöglich, die Askari bei diesen Preisen zu verpflegen; -für den Askari ist 10 Heller (13 Pfennig) Verpflegungsgeld (täglich) -festgesetzt; ich mußte deshalb in Mohorro Getreide bestellen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg309ill"> - <img class="w100" src="images/pg_309_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Am Flußübergang bei Mtanza. Askari, Frauen und Boys.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Hungersnot.</div> - -<p>Die Eingeborenen litten bereits unter der Hungersnot, und man merkte, -daß sich die Zahl der Einwohner in den Dörfern lichtete; die Neger -gingen in Bezirke, in denen die Not geringer sein sollte.</p> - -<p>Für die Zurückbleibenden waren die Mangofrüchte eine willkommene Hilfe. -Als die Zeit der Reife näher kam, zogen die Neger zu hunderten in die -Mangowälder der Umgegend.</p> - -<p>Alle Mangobäume sind von Menschenhand gepflanzt und bezeichnen deshalb -meist die Plätze, an denen Neger gewohnt<span class="pagenum"><a id="Seite_310"></a>[S. 310]</span> haben, die aus irgend einem -Grunde ausgewandert sind. In der Regel ist Trinkwasser in der Nähe. Die -Eingeborenen konnten deshalb in der Zeit der Mangoreife ihre Wohnsitze -nach den nahrungspendenden Mangowäldern verlegen und richteten dort im -Busch kleine Feldlager ein.</p> - -<p>Aus Stangen bauten sie kleine Hütten, deckten Gras darüber und legten -rundum einen Zaun von Dornzweigen, um sich gegen Raubtiere zu schützen. -Das ganze hieß „Boma Porini“: das Lager im Walde.</p> - -<p>Solche Dornverhaue, mit kleinen Hütten, traf ich oft an, wenn ich -in der Umgegend umherstreifte, und da ich selbst kein Verächter der -Mangofrüchte war, schlug ich auch wohl mein Zelt unter den schattigen, -dunkeln Bäumen auf.</p> - -<p>Eines Abends saß ich an einem solchen Platze vor meinem Zelte und -schrieb.</p> - -<p>Die hohen, alten Stämme standen ringsum in saftigem Grase; unter -den fruchtbeladenen Ästen war das Gras niedergetreten und der Boden -mit Kernen und ausgepreßten Schalen der Früchte bedeckt. Ein süßer -Geruch erfüllte die Luft. Hoch oben in den Zweigen schüttelten noch -immer einige Neger; Frauen und Kinder sammelten die niedergefallenen -Früchte in Körbe. Auf dem schmalen Fußpfad, der sich durch das Wäldchen -hindurchwand, kamen Dutzende von Negern mit gefüllten Bastsäcken. -Kleine, nackte Kinder liefen hinterher; in jeder Hand eine Mango und -mit abschreckend angeschwollenen Bäuchen, zu denen die dünnen Beinchen -schlecht paßten.</p> - -<p>Die Mangofrüchte waren schon so reif, daß sie von selbst herabfielen. -Ununterbrochen raschelte es in den Blättern und dann schlug eine -saftige Frucht auf das Sonnensegel des Zeltes oder gar auf meinem Tisch -auf; das wurde so unleidlich, daß ich mich schließlich in das Zelt -zurückzog.</p> - -<p>Ob auch die Löwen jetzt Hungerszeit hatten?</p> - -<p>In dieser Nacht wenigstens kam der wachhabende Askari, der mein -Interesse an den Tieren kannte, an mein Zelt und flüsterte hinein: -„<span class="antiqua">Bwana, simba analia karibu</span>“ (Herr, der Löwe<span class="pagenum"><a id="Seite_311"></a>[S. 311]</span> brüllt in der -Nähe). Und ich hörte noch mehrmals die tiefe Stimme des Gefürchteten.</p> - -<p>Am nächsten Morgen sah ich, daß zwei starke Löwen dicht an meinem Zelt -vorbeigegangen waren und fand, als ich den Fährten folgte, ganz in der -Nähe die frischen Reste eines Riedbockes: den Kopf und einen Hinterlauf.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg311ill"> - <img class="w100" src="images/pg_311_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Bald hatte ich in meinem Lager eine große Sammlung -selbsterbeuteter Antilopengehörne. In der Mittagszeit ließ ich sie -oft hinauslegen, um die Schädel zu bleichen. Die Hörner wurden -mit Petroleum abgerieben, um sie fest zu erhalten und vor Käfern -zu schützen, die ihre Eier gern in den Raum zwischen Horn und -Knochenzapfen ablegen (die Larven bohren dann große Löcher in die -Hornmasse).</p></div> -</div> - -<p>Der Mangoreichtum der Umgegend hielt leider nicht allzulange vor; nach -mehreren Wochen waren die Bäume abgeerntet, und die hungrigen Menschen -mußten sich nach anderen Nahrungsmitteln umsehen.</p> - -<p>Die Bewohner ganzer Ortschaften vereinigten sich jetzt zu gemeinsamem -Fischfang in entlegenen Tümpeln. Andere gruben<span class="pagenum"><a id="Seite_312"></a>[S. 312]</span> eßbare Wurzeln im Wald -oder sammelten die kümmerlichen Rispen wilder Steppengräser.</p> - -<p>Ratten wurden in länglichen, aus Bast geflochtenen Röhren gefangen, -gebraten und gegessen. Alte, stumpfsinnige Leute füllten sich den Magen -mit Schlamm und Gras; ja, ich sah einen Neger, der lebende Ameisen mit -der Hand vom Wege aufnahm und in den Mund steckte.</p> - -<p>Immer öfter kamen die Eingeborenen zu mir und baten, ich sollte ihnen -Wild schießen; sie müßten sonst auswandern, wenn sie nicht Hungers -sterben wollten.</p> - -<p>Da beschloß ich eines Tages, den Leuten zu helfen und einen Elefanten -zu schießen. Ich wollte zu gleicher Zeit mit einem Vorurteil brechen, -das sich seit einigen Jahrzehnten in dieser Gegend eingebürgert hatte: -daß Elefantenfleisch nicht eßbar sei. Da ich selbst schon einige der -großen Dickhäuter erlegt hatte, nahm ich Unteroffizier Lauer mit, der -gerne einen Elefanten schießen wollte, sich aber dazu allein nicht -genug Jagderfahrung zutraute.</p> - -<p>Wir gingen an einen Platz, an dem ich öfter Elefanten gesehen hatte, -ohne ihnen etwas zu Leide zu tun. Dort angekommen, waren wir kaum eine -Viertelstunde gepürscht, als ein großer Elefant vor uns stand, mit nur -einem, jedoch sehr starken Zahn.</p> - -<p>Ich beschrieb meinem Begleiter am Kopf des Riesen genau die Stelle, -auf die er schießen sollte. Er ging bis auf zwanzig Schritt hinan; ich -stand hinter ihm, um nötigenfalls mitschießen zu können. Aber es war -nicht nötig; Lauer schoß ganz ruhig, und der Elefant brach auf der -Stelle zusammen: die Jagd war beendet.</p> - -<div class="sidenote">Elefantenfleisch als Nahrung.</div> - -<p>Wir gingen zu unsern Zelten und machten es uns bequem. Da kamen, wie -wir erwarteten, die Neger, denen ich Fleisch versprochen hatte und -fragten, ob ich nicht einige Antilopen schießen wollte?</p> - -<p>„Nein, erst wenn der Elefant aufgegessen ist.“</p> - -<p>„Wir essen kein Elefantenfleisch.“</p> - -<p>„Dann habt ihr auch keinen Hunger.“</p> - -<p>„Wir sterben vor Hunger, aber Elefant zu essen, ist nicht Sitte.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_313"></a>[S. 313]</span></p> - -<p>Murrend zogen sie von dannen, blieben aber in der Nähe des Lagers.</p> - -<p>Ich wußte, daß diese Leute sich nur vor einander schämten, von dem -Fleisch zu essen; jeder einzelne fürchtete den Spott des anderen.</p> - -<p>Jetzt kam der Koch und sagte, um uns hineinzulegen, mit unschuldigem -Gesicht: „Was soll ich kochen? Fleisch ist nicht da!“</p> - -<p>„Hat das Tier, das ich geschossen habe, kein Fleisch?“</p> - -<p>„Ja: Elefant!“ sagte er geringschätzig.</p> - -<p>„Na also; brate das!“</p> - -<p>Anfangs ging ein Lächeln und Zähnefletschen durch die Zuschauer; sie -waren erstaunt, daß wir Elefantenfleisch essen wollten. Dann sagte -einer das Wort: „<span class="antiqua">mzungu</span>“, und auf allen Gesichtern lag wieder -Ruhe.<a id="FNAnker_42" href="#Fussnote_42" class="fnanchor">[42]</a></p> - -<p>„Er ist ein Weißer“ soll nämlich heißen: Als weißer Mann kann er tun, -was wir nicht tun dürfen. („Weil wir es nicht vertragen oder weil es -sich für uns nicht schickt.“)</p> - -<p>Der Unteroffizier und ich waren die ersten, die von dem Fleisch -kosteten. Es war grobfaserig, schmeckte aber als Beefsteak nicht -schlecht.</p> - -<p>Ich befahl auch den Boys, sie sollten davon essen, damit sie den -übrigen Negern ein gutes Beispiel gäben.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_314"></a>[S. 314]</span></p> - -<p>Sie sahen sich gegenseitig mißtrauisch an, um sich zu versichern, daß -jeder der andern auch essen würde; keiner wollte der einzige sein.</p> - -<div class="sidenote">Die Neger schämen sich.</div> - -<p>Schließlich aßen sie; aber einer schämte sich dabei so sehr, daß ihm -die Tränen in die Augen traten.<a id="FNAnker_43" href="#Fussnote_43" class="fnanchor">[43]</a></p> - -<p>Als ich sagte, ich würde alle zwingen, das Fleisch zu essen, griffen -sie endlich zu; es schmeckte ihnen, und so entstand eine recht frohe -Stimmung.</p> - -<p>Ich hatte es also doch erreicht, daß die „<span class="antiqua">dasturi</span>“, die -scheinbar unerbittliche Gewohnheit, ihre steinernen Gesichtszüge zu -einem warmen Lächeln verzog; Frauen und Kinder fanden sich bei dem -erlegten Elefanten ein und füllten ihre Körbe mit den Fleischstreifen, -die ihnen von den Männern zugeworfen wurden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_315"></a>[S. 315]</span></p> - -<p>Bald führte ein ausgetretener Weg von der Landstraße (einem Fußweg) -durch das Gras nach dem Elefanten hin. Die Schwarzen trockneten das -Fleisch und konnten so wochenlang davon leben.</p> - -<p>In anderen Gegenden Afrikas verhalten sich die Eingeborenen ganz -anders, als ich es hier geschildert habe:</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg315ill"> - <img class="w100" src="images/pg_315_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>In der Ebene des Rufiyi.</p> - -<p>Das starke Schilf zeugt von der Fruchtbarkeit des Bodens. Die Neger -sind dabei, es umzuhauen, weil Baumwolle gesät werden soll.</p></div> -</div> - -<p>Wenn ein Elefant geschossen ist, verbreitet sich die Kunde davon -sehr schnell im Lande und der Andrang der Abnehmer des Fleisches ist -so stark, daß sich Parteien bilden, die regelrechte Kämpfe um den -Elefanten aufführen. In wenigen Stunden ist von dem etwa achtzig -Zentner schweren Koloß nichts übrig, als die Knochen, und oft erinnert -ein frisches Grab in der Nähe des Platzes an den Ausgang eines Kampfes, -den rohe Menschen in ihrer Gier führten.<a id="FNAnker_44" href="#Fussnote_44" class="fnanchor">[44]</a></p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_316"></a>[S. 316]</span></p> - -<p>Als die sogenannte kleine Regenzeit näher kam, begannen die -Eingeborenen fleißig an ihren Feldern zu arbeiten; Busch, Sträucher und -Schilfgras wurde ausgerodet, auf Haufen geworfen und angezündet.</p> - -<p>So blieben die Äcker einige Wochen liegen, dann räumten die Frauen auf -und bearbeiteten die Fläche mit einer breiten, kurzstieligen Hacke. -Da alles auf dem Felde zu tun hatte, wurden die Häuser zugeschlossen. -Selbst die kleinen Kinder mußten mit, und meist trugen die Frauen bei -der Arbeit noch einen Säugling auf dem Rücken. Die größeren Kinder -saßen am Rande des Ackers. Dabei soll es oft vorkommen, daß ein -unbewachtes Kind vom Leoparden geraubt wird.</p> - -<p>Die Landwirtschaft der meisten Neger ist nicht sehr intensiv. Das -Land ist fruchtbar und dünn bevölkert, so daß der Neger nach Bedarf -neue Flächen unter Kultur nehmen kann, wenn der alte Acker nicht mehr -trägt. In der Ebene wird daher derselbe Acker drei oder viermal, in den -Bergen höchstens zweimal nacheinander bebaut. Dies richtet sich nach -der Güte des Bodens und der Getreideart, die gesät werden soll. Gedüngt -wird nicht; außer einigen Ziegen und Schafen haben die Eingeborenen am -Rufiyi auch kein Vieh.</p> - -<div class="sidenote">Die Feldfrüchte.</div> - -<p>Angebaut wird Reis, Mais, Matama und Mohogo. An tieferen Stellen wird -vor allem Reis gesät, weil Reis die Nässe gut verträgt und sogar -besonders gut gedeiht, wenn er zeitweilig ganz im Wasser steht. An -höheren Stellen säen die Neger Mais und Matama. Bei der außergewöhnlich -hohen Überschwemmung, die ich im Jahre 1905 miterlebte, verfaulte der -Mais, kurz bevor er reifte, auf dem Felde. Dadurch wurde die Hungersnot -noch empfindlicher; denn Hunderte von Menschen hatten mit hungrigem -Magen auf diese Frucht gewartet.</p> - -<p>Die anspruchsloseste und am leichtesten anzubauende Frucht ist der -Mohogo (Maniok). Ein kleiner Stock, in die Erde gesteckt, entwickelt -sich in wenigen Monaten zu einem hohen Busch, der in der Erde -zahlreiche, eßbare Knollen bildet. Wie oft haben meine Leute auf -weiten Märschen ihren Hunger in einem Mohogofelde gestillt: mit einem -kräftigen Ruck wurde der Busch aus<span class="pagenum"><a id="Seite_317"></a>[S. 317]</span> der Erde gehoben und, wenn er -dabei nicht abbrach, die Knollen abgerissen und geschält und das weiße -Fleisch verzehrt.</p> - -<p>Außer den genannten Früchten werden in der Nähe der Häuser in geringen -Mengen angepflanzt: Zuckerrohr, Bananen, Ananas, Tomaten, niedrige und -hohe Bohnensträucher und Rizinusstauden; an günstigen Stellen auch -Tabak für den eigenen Gebrauch.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg317ill"> - <img class="w100" src="images/pg_317_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Nach sechs Wochen kam ich wieder an den Platz, wo ich -den Elefanten geschossen hatte; Löwen und Hyänen, Geier und Marabu -hatten soweit aufgeräumt, daß fast nur die riesigen Knochen übrig -waren, auf denen die Haut in Fetzen hing.</p> - -<p>Im Haushalt der Natur ging selbst die faule Flüssigkeit, die aus dem -Kadaver herauslief, nicht verloren; denn Millionen von Larven wälzten -sich darin und dienten kleinen Vögeln zur Nahrung.</p></div> -</div> - -<p>In den Getreidefeldern findet man hie und da eine Kürbisstaude, und -für den Export werden, auf Anregung der Kommunen, Erdnuß und Baumwolle -angepflanzt.</p> - -<p>Von Geräten für den Ackerbau kennt der Neger nur die Hacke und einen -mit einem Stück Eisen beschlagenen Stock zum<span class="pagenum"><a id="Seite_318"></a>[S. 318]</span> Jäten von Unkraut; -außerdem Messer und Beil zum Roden des Busches.</p> - -<p>Im Reinhalten der bebauten Äcker von Unkraut habe ich überall großen -Fleiß gesehen. Auch der Maniok erfordert diese Mühe; denn das Unkraut -gedeiht in dem mit der Hacke gelockerten Boden nach dem Regen üppig.</p> - -<p>Daß trotz der Menge der Früchte und der Hilfsquellen, die der findige -Eingeborene aus den Wäldern an wilden Früchten, Honig und eßbaren -Wurzeln hat, die Hungersnot so häufig und verderblich auftritt, hat -seine besonderen Ursachen. Vor allem liegt es daran, daß der Neger -nicht mehr baut, als er bis zur nächsten Ernte unbedingt nötig hat. -Kommt dann aber einmal durch Überschwemmung, Heuschrecken oder Dürre -eine Mißernte, so trifft sie ihn völlig unvorbereitet.</p> - -<p>Als Entschuldigung für diese Sorglosigkeit mag es gelten, daß sich -Getreide in den Tropen sehr schwer aufbewahren läßt; der Neger kennt -noch keine Mittel und besitzt noch keine Vorkehrungen, um Korn in -großen Mengen gegen Feuchtigkeit und tierische Feinde zu schützen. Die -Körner werden von Ameisen angefressen, oder, wie der Mais, von einem -kleinen Rüsselkäfer angebohrt, so daß sie zum mindesten ihre Keimkraft -verlieren. In geringen Mengen konservieren die Eingeborenen Maiskörner, -indem sie die an den Kolbenblättern zusammengebundenen Kolben im -Dachgebälk der Wohnhütten aufhängen und beständig unter Rauch halten; -doch das ist wenig und im allgemeinen verkauft der Neger den Überschuß -über den nächsten Bedarf billig an den Inder.</p> - -<p>Die Regierung förderte den Anbau von Baumwolle und Erdnüssen bei den -Eingeborenen und glaubte hiermit einen Weg gefunden zu haben, ihnen zu -gesunden Erträgen aus der Landwirtschaft zu verhelfen; denn das sind -Produkte, die der Neger leicht konservieren könnte, und die ihm einen -Gewinn sichern, weil sie vermutlich nicht durch den Laden des indischen -Zwischenhändlers gehen, sondern unmittelbar an die Entkernungsanlagen -und Kommunen verkauft werden. Aber wenn der Neger bei einer Mißernte an -Kornfrüchten gezwungen ist, seine Nahrungsmittel vom Inder zu beziehen, -dann ist er diesem doch wieder ausgeliefert.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_319"></a>[S. 319]</span></p> - -<div class="sidenote">Der Inder schädigt den Ackerbau.</div> - -<p>Wie wichtig es ist, daß europäische Händler und Unternehmer sich an dem -Aufkauf von Körnerfrüchten beteiligen, zeigt folgende, in Ostafrika -ganz bekannte Tatsache: Bei einer großen Ernte kaufen die Inder das -Getreide zu Spottpreisen von den Eingeborenen, die ja meist bei dem -Händler in der Kreide stehen und deshalb an ihn verkaufen müssen. -Dieses Getreide wird nun nicht etwa auf den Markt gebracht; der Inder -verkauft es vielmehr wieder an die Eingeborenen, sorgt aber dafür, daß -der Preis recht hoch wird, dadurch, daß er künstlich Mangel hervorruft. -So sollen die indischen Kleinhändler sehr oft an der Hungersnot -unmittelbar schuld sein, indem ihre Krämertaktik die Landwirtschaft der -Eingeborenen unterbindet!</p> - -<p>In den Pflanzzeiten verkauft der Inder sehr ungern Sämereien an -Eingeborene; allenfalls kann der Neger schlecht keimfähige, verdorbene -Ware bekommen und muß dafür einen hohen Preis zahlen. Der schlaue -indische Händler kennt eben nur sein Geschäft und hat an dem Lande kein -Interesse; wenn er nun großen Vorrat an Getreide hat, sucht er darauf -hinzuwirken, daß der Neger wenig erntet, in Not kommt und bei ihm -kauft. Alle Inder sollen sich hierin einig sein.<a id="FNAnker_45" href="#Fussnote_45" class="fnanchor">[45]</a></p> - -<p>Die Folge dieser Handlungsweise ist dann eine Steigerung der Löhne, -die den europäischen Unternehmern, den Plantagen, den Kommunen und der -Kolonialverwaltung zur Last fällt.</p> - -<p>In dieser Darstellung scheint eine gehässige Übertreibung zuungunsten -der Inder zu liegen; wer aber die Inder gesehen hat, weiß die Wahrheit -darin zu finden.</p> - -<p>Sie sind Handelsleute, wie sie im Buche stehen; bleiche Schmarotzer, -für die es in Ostafrika kein Land, keine Scholle, keine Heimat gibt. -(Die ackerbautreibende Kaste kommt nicht zu uns, da die britische -Regierung ihr die Auswanderung verbietet. Das ist sehr schade.)</p> - -<p>Selbst wo die Inder sich, wie in Sansibar, in den Grundbesitz der -Araber hineingedrängt haben, glaubt man, wenn man sie sieht, den -Eindruck der Bodenständigkeit zu vermissen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_320"></a>[S. 320]</span></p> - -<p>Unstet sehen sie aus; wie das Geld, das durch ihre Finger geht.</p> - -<p>Nur die Geldsäcke, das Geld von der schmutzigen Kupfermünze aus der -Hand des nackten Waniamwezi bis zum Scheck auf die <span class="antiqua">Chartered Bank of -India</span> in der Ebenholztruhe neben harmlosen Bohnen und Kwemenüssen: -das ist ihre Heimat.</p> - -<p>Vielleicht klingt auch das zu heftig; der Gedanke, daß Deutschland -eine große Kolonie mit schwerem Geld unter seinen Schutz nimmt, damit -Händler fremder Rasse ungeziemenden und dem Lande schädlichen Gewinn -daraus ziehen, ist unerquicklich; wir haben selbst fleißige Männer -genug, denen der Handelsgewinn aus dem natürlichen Reichtum des Landes -zu gönnen wäre, und nur an Orten, deren Klima dem Weißen verderblich -wird, ist der Inder nicht immer zu entbehren, zur Vermittelung der -Ausfuhr einheimischer Produkte.</p> - -<p>So sagen die, die an ihrem eigenen Geldbeutel die lästige Konkurrenz -des geschmeidigen, bedürfnislosen Inders erfahren haben.</p> - -<p>Die Firmen, die ihr Geschäft auf den indischen Kleinhändler -zugeschnitten haben und die das viel getadelte Kreditsystem stützen, -sagen, der Inder hole doch wenigstens etwas aus dem Lande heraus; wenn -er ein Geschäft dabei mache, solle man es ihm gönnen. Dafür lebe er -jahrelang so einfach.</p> - -<p>Und dann wird man gefragt: „Wollen Sie sich hinstellen und stundenlang -mit einer Bibi um ein Baumwollentuch handeln? Wollen Sie Mais, Matama, -Öl und Perlenketten verkaufen? Wollen Sie? Na, also! Der Weiße ist doch -dazu zu fein.“</p> - -<p>Ich aber dachte mir, daß ich es schon einrichten wollte, und so werden -viele denken.</p> - -<div class="sidenote">Wahre Kulturarbeit.</div> - -<p>Sowie kein Inder im Lande wäre, würde sich kein Arbeitgeber scheuen und -kein Ansiedler zu fein sein, einen Laden zu halten, in dem der Neger -alles billig bekommt, vom Baumwollentuch bis zur Nähnadel. Jeder dritte -Suaheli eignet sich jetzt schon dazu, eine „<span class="antiqua">duka</span>“ zu verwalten -und täglich Abrechnung zu machen!</p> - -<p>All die wertvollen Produkte aber: Elfenbein, Gummi, Kopal, Getreide, -Baumwolle, Ölfrüchte, Schildpatt, Wachs könnte der Europäer aufkaufen -und würde, wenn er es versteht, die Neger anständig zu bezahlen (selbst -wo größerer Gewinn dem Natur<span class="pagenum"><a id="Seite_321"></a>[S. 321]</span>kinde leicht abzuringen wäre), bald das -Vertrauen ganzer Stämme haben, würde viele Arbeiter in seine Nähe -locken und eine wahre Kulturarbeit leisten können.</p> - -<p>So denken viele ihre Lebensaufgabe da draußen; aber die Kunst der -Erziehung und des Regierens, die in manchem Ansiedler als eine edle, -vielversprechende Kraft steckt und nach Betätigung drängt, wird zu -leicht unterdrückt durch die Ungunst der Verhältnisse und setzt sich -dann um in Resignation, in Bitterkeit — ja, leider sogar in Alkohol.</p> - -<p>Im Jahre 1905, während des Aufstandes, hatte ich Gelegenheit, selbst -Beobachtungen über Ernte, Getreideausfuhr, indische Krämertaktik und -Hungersnot anzustellen.</p> - -<p>Der Aufstand begann im August, nachdem überall eine besonders reiche -Ernte eingekommen war. Die Inder kauften das Getreide zu Spottpreisen -in ungeheuren Quantitäten und verschifften es nach der Küste, sobald -die Truppen in der Gegend die Ruhe wieder hergestellt hatten. Überall -waren große Vorräte in den Dörfern; aber der Versuch, die Inder zu -veranlassen, einen Teil dieser von ihnen erworbenen Vorräte im Lande zu -behalten, um für die Truppen und die Eingeborenen später Getreide zur -Verfügung zu haben, hatte nur zur <em class="gesperrt">Folge, daß die Inder ihre Vorräte -mit möglichster Beschleunigung zur Küste brachten</em>, um künstlich -einen Mangel herbeizuführen und den Preis zu steigern.</p> - -<p>Man konnte es ihnen ja gar nicht verdenken; denn ihre Aufgabe ist es -ja, in möglichst kurzer Zeit recht viel Geld aus dem Lande zu ziehen -und dann nach Indien zurückzugehen. Die Entwickelung des Landes kann -ihnen ganz gleichgültig sein.</p> - -<p>So mußte ich später das wenige Korn, das der Inder Sack für Sack wieder -heraufbrachte, achtzehnmal teurer bezahlen, als es drei Monate vorher -gekostet hatte. Den Eingeborenen fehlten die Mittel, solche Preise -zu zahlen und sie litten furchtbar unter der Hungersnot. Auch eine -Expedition des Hauptmanns von Wangenheim, die die Verbindung mit dem -hartbedrängten Mahenge herstellen sollte, scheiterte hauptsächlich an -dem Nahrungsmangel. Die Träger waren durch Hunger entkräftet und die -Expedition<span class="pagenum"><a id="Seite_322"></a>[S. 322]</span> mußte umkehren, weil die Flüsse so angeschwollen waren, daß -man nicht vorwärts gehen konnte. Ein Europäer ertrank. Der Wildreichtum -half über die größte Not hinweg.</p> - -<p>Es ist kaum glaublich, wie schwierig das Reisen (und also auch der -Buschkrieg) in der Regenzeit ist, im Vergleich zur Trockenzeit. Ich sah -es immer wieder, daß die Jahreszeit meine ersten Streifzüge, die ich -mit den Matrosen machte, ungemein begünstigt hatte.</p> - -<p>Da waren die Flußübergänge kurz, die Bäume und Sträucher kahl; das Gras -lag dürr am Boden und brauchte, wenn man weite Übersicht haben wollte, -nur angesteckt zu werden. Mücken gab es fast gar nicht; Nahrung überall.</p> - -<div class="sidenote">Regenzeit und Hungersnot.</div> - -<p>Anders in der Regenzeit! Ganze Ebenen standen unter Wasser; selbst bei -Kipo, wo freies Terrain mich im August so begünstigt hatte, stand jetzt -das Gras so hoch und die Büsche waren so dicht belaubt, daß ein Gefecht -wie das am 21. August ganz ausgeschlossen gewesen wäre; die Gegend war -nicht wieder zu erkennen. In Flußbetten, durch die wir noch im November -trockenen Fußes gegangen waren, tobte das Wasser. Dazu kam der Mangel -an Nahrungsmitteln, der Hunger.</p> - -<p>Die Neger können Hungersnot meisterhaft ertragen, weil sie an diese -seit Jahrhunderten regelmäßig wiederkehrende Plage gewöhnt sind.</p> - -<p>Ein gewisser Stumpfsinn, eine fast zufriedene Ergebung in den Zustand -wirken so beruhigend auf den Zuschauer, daß ihm der Schrecken gar nicht -so nahe geht und er das rechte Mitleid kaum empfindet.</p> - -<p>Eigentümlich war die Haltung der Neger dem Bezirksamt gegenüber. Die -Kommunen haben einen Notstandsfond, aus dem für die Eingeborenen -Getreide gekauft wird, ohne daß sie es zu bezahlen brauchen. Sie sollen -nur kommen und es sich holen. Das taten die trotzigen Bergbewohner in -Matumbi und Kitschi nicht, obwohl sie sich unterworfen hatten; sie -zogen es vor, in Massen zu verhungern!</p> - -<p>Williger waren die Rufiyileute, und ich sagte mir, wenn jemand Hunger -litt, dann sollten es nicht die Neger sein, die sich<span class="pagenum"><a id="Seite_323"></a>[S. 323]</span> mir unterworfen -hatten, sondern die Aufständigen! Deshalb faßte ich den Plan, die -Mohogoäcker der Aufständigen in den Bergen abzuernten.</p> - -<div class="sidenote">Ein Raubzug.</div> - -<p>An einem bestimmten Tage wurden alle freundlichen Neger zur Boma -bestellt.</p> - -<p>Boten gingen an die Jumben, jeder, der mitmachen wollte, sollte sein -Messer, einen Sack und für zwei Tage Essen mitbringen.</p> - -<p>Achthundert Menschen fanden sich zur bestimmten Zeit ein; aber keiner -hatte etwas zu essen bei sich. Sie vertrauten alle darauf, daß ich Wild -schießen würde.</p> - -<p>Zwei Tage konnte es dauern, bis wir die ersten Mohogoschamben -erreichten, und ob ich Wild bekommen würde, war nicht sicher; ich brach -schleunigst auf, weil die Leute immer hungriger wurden.</p> - -<p>Die Neger wurden in Gruppen zu fünfzig Mann unter die Jumben oder -andere Leute, die Autorität (kräftige Arme und ein großes Maul) hatten, -verteilt; ich hielt eine Ansprache, in der ich den Plan erläuterte -und um Disziplin bat, damit es uns gelinge, recht viel zu fressen -einheimsen zu können.</p> - -<p>Alle waren meiner Meinung und ich ging schnell voraus, fünf Stunden -weit.</p> - -<p>Dann bestimmte ich einen Lagerplatz.</p> - -<p>Es waren noch zwei Stunden bis zur Dunkelheit. In dieser Zeit wollte -ich Wild schießen, soviel ich bekommen könnte und sandte auch -Unteroffizier Lauer aus, mit dem Auftrage, Fleisch für das hungrige -Volk zu schaffen.</p> - -<p>Wie ich es gemacht habe, das darf sich der ausmalen, der ähnliche -Reviere kennt, der weiß, daß jedes Rudel angepürscht sein will und daß -zwischen zwei Schüssen ein Weg liegt zum nächsten Rudel, der zu Fuß -zurückgelegt werden muß; den Leser will ich mit der Jagdschilderung -nicht ermüden.</p> - -<p>Kurz: Als es dunkel war, lagen auf der Strecke drei Wasserböcke, zwei -Swallah, zwei Riedböcke, eine Kuhantilope und ein Warzenschwein.</p> - -<p>Lauer hatte drei Kuhantilopen und zwei Wasserböcke geschossen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_324"></a>[S. 324]</span></p> - -<p>Also zusammen vierzehn Stück Wild! Und das war für die vielen Menschen -noch zu wenig.</p> - -<p>Todmüde saß ich im Lehnstuhl.</p> - -<p>Wohl hundert Feuer brannten; an jedem saßen ein halbes Dutzend Neger. -Auf dünne Stöcke hatten sie Fleischstücke aufgereiht und ans Feuer -gestellt; von Zeit zu Zeit schnitten sie ein Stück ab und steckten es -in den Mund.</p> - -<p>Zwei Weiße und achthundert Neger; war es nicht ein tolles Unternehmen?</p> - -<p>Wir sahen uns das Bild noch einmal von weitem an: die hellen Feuer, -die vielen Gestalten und die Bäume, die von unten beleuchtet wurden; -darüber der dunkle Himmel mit kleinen, silbern blinkenden Sternen.</p> - -<p>Am dritten Tage in der Frühe erreichten wir die ersten Schamben.</p> - -<p>Das Abernten ging sehr schnell; die hungrigen Leute fielen wie -Heuschrecken darüber hin. Große Pflanzungen, in denen der Mohogo so -üppig stand, daß Menschen darin nicht zu sehen waren, lagen in kurzer -Zeit am Boden.</p> - -<p>Die Neger schnitten den Mohogo in Scheiben und trockneten ihn an -der Sonne. So konnten sie große Mengen mitnehmen. Auch zerstampften -sie die Knollen in großen Holzmörsern und trockneten den Brei auf -ausgebreiteten Tüchern, bis er weiß wurde, wie Mehl.</p> - -<p>Die Dörfer hier lagen hoch in den Bergen, wo kein Wasser war; die -Brunnen waren oft drei Stunden von den Hütten entfernt.</p> - -<p>Der Akide sagte, die Frauen dieser Neger seien jeden Morgen sechs -Stunden unterwegs, um einen Topf Wasser zu holen.</p> - -<p>Das Wasser läuft außerdem so spärlich nach, daß nur wer zuerst kommt, -gleich einen vollen Topf schöpfen kann; jede will deshalb die erste -sein und sie stehen in der Nacht auf, um bei Tagesgrauen am Brunnen zu -sein.</p> - -<p>Wozu ist diese Mühe? Weshalb wollen die Leute nicht in der Nähe des -Wassers wohnen, wo der Boden nicht schlechter ist als oben?</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_325"></a>[S. 325]</span></p> - -<p>Aus alter Gewohnheit meiden sie die Wasserstellen, die jeder Räuber zum -Lager begehrt.</p> - -<p>Wie das Wild, das nur auf Minuten und mit scheuer Vorsicht zur Tränke -kommt, ja sich ganz vom Wasser entwöhnt, um nicht eine leichte Beute -des Löwen zu werden.</p> - -<p>Wir hatten unsere Not, es so einzurichten, daß wir täglich in die Nähe -eines Brunnens kamen. Manchen Negern genügte der Saft, den sie mit den -Mohogoknollen aufnahmen, und sie tranken gar kein Wasser.</p> - -<p>Mit Mohogomehl reich beladen, kehrte die große Räuberbande nach acht -Tagen aus den Bergen zurück und zerstreute sich.</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="sidenote">Ein Schauri.</div> - -<p>Ich will auch ein Schauri schildern, das ich abhielt.</p> - -<p>Die meisten Schauri handelten von Diebstahl und von Schulden; heute -aber handelte es sich um etwas anderes: um Mord, fahrlässige Tötung, -versuchten Selbstmord, Mißbrauch der Amtsgewalt und anderer Substantiva.</p> - -<p>Es war nämlich folgendes geschehen:</p> - -<p>Ein Neger mit Namen Dibagila kam und sagte mit Ruhe: „Die Askari -schießen auf Menschen; mein Bruder ist erschossen!“</p> - -<p>Ich schickte eine Patrouille aus; die kam nach einer Stunde wieder und -brachte auf Bettstellen zwei Verwundete: den Askari Manika und ein Weib.</p> - -<p>Dem Askari war der rechte Oberschenkel zerschossen; klaffend hing das -Muskelfleisch hinunter. Das Weib hatte einen Schuß durch das Fleisch -überm rechten Knie.</p> - -<p>Sanitätsunteroffizier Lauer war in Mayenge, um Sergeant Kühn -zu behandeln, der Fieber hatte. Ich ging deshalb selbst an die -Verbandkästen und verband die entsetzlichen Wunden, nachdem ich -eingedrungene Stofffetzen herausgezogen hatte. Die gleichgültigen -Gesichter der Patienten erleichterten mir die Arbeit. Das Weib -schimpfte ununterbrochen.</p> - -<p>Darauf versuchte ich festzustellen, was vorgefallen war. Und nun mußte -ich meinen ganzen Spürsinn ins Feld führen, um Wahrheit von Lüge zu -trennen. Die beiden Askari sagten, ein Schenzi habe geschossen und mit -demselben Schuß den Askari<span class="pagenum"><a id="Seite_326"></a>[S. 326]</span> und das Weib getroffen; das Weib, es sei -von dem einen Askari angeschossen worden. (Der Dibagila, der nachher -Hauptzeuge wurde und alles wußte, stand jetzt noch dabei und schwieg!)</p> - -<p>Ich überlegte: die Wunde des Askari war so, daß der Schuß aus nächster -Nähe abgegeben sein mußte. (Ich hatte schon einmal einen Mann gesehen, -der sich selbst erschossen hatte; an die Wunde mußte ich denken.) Das -Weib hatte eine gewöhnliche Schußwunde, mit glattem Schußkanal.</p> - -<p>Ich ließ meinen Esel satteln und ritt, obwohl ich durch einen -Dysenterieanfall aufs Äußerste ermattet war, in der Sonnenglut selbst -zu dem Tatort, der eine Stunde entfernt war. Die Augenzeugen waren mit.</p> - -<p>„Da hat der Schenzi gesessen, der geschossen hat. Hier hat der Askari -gestanden — du siehst den Blutfleck, Bana — und da unten hat dieselbe -Kugel die Frau getroffen.“</p> - -<p>Aha! Da haben wir die Lüge: also fliegt eine Kugel im rechten Winkel -weiter, wenn sie einen Askariknochen trifft! Daß der <span class="antiqua">Bana kubwa</span> -sich die Mühe mache, hierherzureiten, daran habt ihr Lügner wohl nicht -gedacht?</p> - -<p>Ich schickte alle anderen Leute weg und ließ mir von dem Dibagila, der -offenbar aus Furcht vor den Askari nicht gesprochen hatte, erzählen, -wie es gewesen sei. Dibagila hält seine ausgestreckten Arme dicht -an den Körper, als ob ein Tuch sie an Bewegung hindere, bewegt die -Schultern und den Oberkörper in eigentümlicher Weise und zeigt mit -den Kopf in die Richtungen. Seine Stimme ist schneidend, doch tönend; -er spricht dramatisch, bisweilen sehr laut: „Es kam einer zu mir, der -Salim bin Mtambo, und sagte: ‚Dein Bruder ist am Fluß erschossen, -er ist ins Wasser gestürzt! — baß‘“ — (Dies ‚baß‘ dient zur -Interpunktion beim Sprechen und ist der Erzählung der Schwarzen eigen.) -„Ich lief hin. Es war Blut am Boot. Ich sprang ins Wasser, schwamm -umher, konnte nichts finden; dann folgte ich den Askari und sagte: -‚Mein Bruder ist erschossen, ich gehe zur Boma und sage es dem <span class="antiqua">Bana -kubwa</span>.‘</p> - -<p>Askari Manika antwortete: ‚Wenn der <span class="antiqua">Bana kubwa</span> erfährt, daß -ich deinen Bruder erschoß, läßt er mich aufhängen; ich will<span class="pagenum"><a id="Seite_327"></a>[S. 327]</span> sagen, -ein Schenzi habe auf mich geschossen und werde mich selbst ins Bein -schießen.‘</p> - -<p>Er drehte sein Gewehr um, setzte die Mündung auf sein Bein, schoß und -fiel hin.</p> - -<p>Der andere ging dann ins Dorf und schoß auf ein Weib.</p> - -<p>Ich fragte: Weshalb tust Du das?</p> - -<p>Er sagte: ‚Ich schieße bloß so!‘“</p> - -<p>Am Nachmittag wurden viele Zeugen geladen und Schauri abgehalten. Das -heißt eigentlich waren es nur Vernehmungen, denn verurteilen konnte ich -den unglücklichen Askari doch nicht, der sich selbst gerichtet hatte. -Unter dem großen Baume saßen Hunderte von Negern und hörten zu, was da -vorne gelogen wurde.</p> - -<p>Gelogen wird immer, manchmal empfiehlt es sich aber auch, die Wahrheit -zu lügen. Der Richter muß dann nicht denken, daß der Neger die Wahrheit -sagt, um die Wahrheit zu sagen, nein, er sagt etwas, weil er für -vorteilhaft hält, es zu sagen; zufällig ist es die Wahrheit.</p> - -<p>Ein Askariboy war in der Kunst, den Mzungu zu belügen (das ist der -Inhalt des Schauris) noch nicht gewandt genug und sagte auf jede Frage -nur „hapana“ oder „sijui“.</p> - -<p>Ein anderer Zeuge, ein Pogoro, konnte gar nicht sprechen; trotzdem -bekamen die Dolmetscher alles aus ihm heraus, was sie hören wollten. -(Ähnlich dachte ich mir den „klugen Hans“, von dem damals gerade in den -Zeitungen die Rede war.)</p> - -<p>Der Pogoro stierte mich an mit Augen, denen man ansah, daß sie mehr von -der Glut des nächtlichen Feuers als vom Studium gerötet waren.</p> - -<p>Er hob das Kinn, wenn die zudringlichen Dolmetscher die Antwort „ja“ -von ihm haben wollten. (Er hätte auch mit dem Fuße scharren können.)</p> - -<p>Nach ihm kamen drei Frauen an die Reihe. Ein bildhübsches Geschöpf war -dabei. Sie begleitete ihre Reden mit weichen, schönen Bewegungen. Ein -kleines, ahnungsloses Kindchen beschäftigte sich gleichzeitig an ihrer -linken Brust.</p> - -<p>Plötzlich wandten sich alle um: Auf einer Bettstelle wurde der Tote -angebracht. Man hatte ihn im Flusse treibend gefunden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_328"></a>[S. 328]</span></p> - -<p>Der Schuß war unterm Schlüsselbein durch die rechte Schulter gegangen, -Krokodile hatten schon eine Hand abgefressen.</p> - -<p>Als alle Zeugen geredet hatten, entließ ich die Versammlung.</p> - -<p>Das ganze Ereignis sah jetzt so aus: Die beiden Askari waren an den -Fluß gekommen und wollten nach einer Insel hinüber. Sie sahen einen -Mann im Boote und riefen, er solle das Boot herbringen; der hörte nicht.</p> - -<p>Da schoß der Askari Manika, um ihn aufmerksam zu machen, und traf -unglücklicherweise.</p> - -<p>Der Mann fiel über Bord und wurde nicht mehr gesehen.</p> - -<p>Die Askari kehrten nach einer Weile um. Leute hatten gesehen, was -geschehen war.</p> - -<p>Der Dibagila folgte den Askari.</p> - -<p>Da bekam der Askari Manika Angst vor Strafe und schoß sich selbst ins -Bein.</p> - -<p>Der andere schoß, um die Verwirrung noch größer zu machen; sie hatten -also einfach Krieg gespielt! — — — — — — — — — — — — — — -— — — — — —</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_38" href="#FNAnker_38" class="label">[38]</a> barua = Brief.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_39" href="#FNAnker_39" class="label">[39]</a> Ein aus Kaffernkorn gebrautes, berauschendes Getränk.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_40" href="#FNAnker_40" class="label">[40]</a> „<span class="antiqua">Bana kubwa</span>“ wird unterwürfig eigentlich nur -der genannt, der etwas zu sagen hat, und den die Weihe des Amtes -über andere Europäer erhebt. Da sich aber die Boys unter sich jetzt -schon gegenseitig „<span class="antiqua">bana</span>“ (Herr) anreden, darf jeder weiße Mann -beanspruchen „<span class="antiqua">bana kubwa</span>“ (wörtl. hochangesehener Herr, also -„Exzellenz“) genannt zu werden, ohne daß man ihm den Vorwurf machen -müßte, er leide an Größenwahn.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_41" href="#FNAnker_41" class="label">[41]</a> Ich habe später noch zwei Riesenschlangen geschossen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_42" href="#FNAnker_42" class="label">[42]</a> Ähnlich beruhigt sich der Neger über alle Maschinen, die -er nicht versteht, und die als fertige Einrichtung aus Deutschland -kommen, mit dem Wort „<span class="antiqua">kazi uleya</span>“: es ist Europäerarbeit. Die -wunderbarsten Instrumente; Grammophone, Kaleidoskope können ihn wohl -vergnügen, machen ihm aber kein Kopfzerbrechen. Anders ist es mit -Dingen, die er beurteilen zu können glaubt; Körperkraft, Gewandtheit -und Geschicklichkeit bewundert er auch beim Europäer. -</p> -<p> -Auch dafür erlebte ich Beispiele: Am Paregebirge zeigten mir meine -Träger einmal einen Mann, der auf den Händen lief. Als der Mann sich -eine Weile produziert hatte, sagten sie, „das können die Europäer -nicht“. Darauf zeigte ich ihnen, daß ich es besser konnte als der Mann, -und nun sprachen sie tagelang von nichts anderem. Ebenso bewunderten -sie mich, wenn ich über einen breiten Graben sprang oder im Wasser -mit ausgestrecktem Körper auf dem Rücken schwamm, was ihnen ganz -unerklärlich war.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_43" href="#FNAnker_43" class="label">[43]</a> Wie stark die Einbildung auch bei den Negern den -Geschmack beeinflußt, zeigt folgendes Beispiel: -</p> -<p> -Ich gab einmal Negern Schokolade zu essen, was sie nicht kannten. Es -schmeckte ihnen sehr gut. Einer fragte: „Was ist das, was wir gegessen -haben?“ -</p> -<p> -„Schweineblut mit Zucker,“ antwortete ich zum Scherz. -Entsetzt wandten sie sich ab. Nachher kamen sie zurück und fragten, ob -das wahr sei; einigen sei so übel geworden, daß sie es wieder von sich -gegeben hätten. -</p> -<p> -Als ich ihnen versicherte, ich hätte ihnen nur zeigen wollen, wie -töricht sie manchmal seien, sagten sie: „Du wolltest uns also nur Ekel -machen“ und einer setzte grinsend hinzu, er freue sich, daß er die -Schokolade noch im Bauche habe. -</p> -<p> -Übrigens wird im Haushalt der Europäer gern gesehen, daß sich diese -Neger von bestimmten Speisen und Getränken fernhalten. Sie verschmähen -Alkohol — ganz im Gegensatz zu dem Neger der Westküste, der guter -Abnehmer schlechter Spirituosen ist — bleiben selbst als Köche und -Diener der Messen und Restaurants bei ihrem Reis mit Zukost und nehmen -nichts von den Speisen der Europäer. Allenfalls naschen sie von der -Butter, die sie sehr lieben, und dagegen schützen sich die findigen -Hausfrauen in Daressalam, indem sie vor den Augen der Boys einen Löffel -Schweineschmalz in jede neugeöffnete Butterdose hineintun. Wer neu -nach Ostafrika kommt und auf Märschen gerne und reichlich ißt, weil -sein Appetit gut angeregt wird, wundert sich wohl, daß die Neger den -vielen Mahlzeiten zusehen können und selbst nur einmal am Tage essen; -die Erklärung dafür geben die Schwarzen selber sehr nett, indem sie dem -Europäer schmeichelnd sagen: „Du mußt auch mehr denken und hast mehr -Kräfte als wir, deshalb brauchst du andere Nahrung.“</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_44" href="#FNAnker_44" class="label">[44]</a> Vgl. Dominik: Kamerun.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_45" href="#FNAnker_45" class="label">[45]</a> Vgl. Deutsch-Ostafrikanische Zeitung Juni 1907.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_329"></a>[S. 329]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Ein_Streifzug">Ein Streifzug.</h2> - -</div> - -<p>Der Aufstand schien in dem Gebiet, in dem ich zu tun hatte, zu Ende -zu sein. Tausende von Eingeborenen hatten sich unterworfen, hatten -Kriegssteuer gezahlt und Waffen abgegeben und bauten jetzt friedlich -ihren Acker. Nur in ganz entfernten Tälern, wohin noch kein Askari -gekommen war, spielten die Schenzi noch hartnäckig Krieg.</p> - -<p>Wie Kinder; wenigstens hörten sich die Schilderungen von Kundschaftern -so an. Eine alte Frau, die aus der Gefangenschaft der Schenzi entlaufen -war, erzählte, die Krieger hätten sich aus Antilopen- und Zebrafell -Schilde gemacht und hätten, da die alten nichts taugten, zu neuen -Göttern gebetet. Menschenopfer, unerhört seien gefallen, und im frommen -Kreise habe man das Blut einer alten Frau getrunken. Auch sie habe man -schlachten wollen, deshalb sei sie davongelaufen und habe fünf Tage -lang nur Schlamm gegessen, um sich zu ernähren; denn sie habe auf dem -Marsche alle Menschen meiden müssen.<a id="FNAnker_46" href="#Fussnote_46" class="fnanchor">[46]</a></p> - -<p>Immer öfter regnete es in dieser Zeit. Bald war die große Regenzeit -zu erwarten, von der die Neger sagten, sie verändere das Land so, daß -das Reisen noch mal so schwer sei wie jetzt; ich hielt es deshalb für -gut, noch vorher einige Streifzüge in das Land zu machen und lieh den -Kundschaftern willig mein Ohr.</p> - -<p>Eines Tages saßen wir in dem neuen, fertigen Hause und sahen dem Regen -zu, der von dem Palmblattdach niederströmte,<span class="pagenum"><a id="Seite_330"></a>[S. 330]</span> als der wachhabende -Ombascha vom Pallisadentor her einen bärtigen, alten Neger anbrachte, -der einen abgetragenen, völlig durchnäßten Gehrock anhatte.</p> - -<p>Schlimme Nachrichten brachte der alte Mann: Weit oben am Rufiyi, hinter -den Panganischnellen, seien sehr böse Schenzi (<span class="antiqua">wakali sana</span>), -die von Tag zu Tag wilder würden. Der Zauberer Hongo sei bei ihnen und -mache sie unverletzlich; er gebe ihnen Mittel gegen die Geschosse der -Askari.</p> - -<p>Der breitnasige Alte wollte uns den Weg zeigen.</p> - -<p>Am nächsten Morgen marschierte ich ab.</p> - -<p>In den ersten Tagen ging es immer an den Fluß entlang; durch Ebenen mit -hohem Gras und Mangobäumen, Schamben und Dörfern am Wasser.</p> - -<p>Weit im Norden tauchte ein Gebirge mit schroffen Höhen auf: die -Uluguruberge.</p> - -<p>In verlassenen Dörfern traf ich mehrmals Wasserböcke, denen das Kraut, -das auf dem Ackerboden wuchs, besonders zu schmecken schien.</p> - -<p>Während in allen friedlichen, mir unterworfenen Dörfern auf einer aus -Untermast und Stenge zusammengesetzten Stange ein weißes Tuch wehte, -war in den Dörfern, deren Bewohner sich einmütig zum Feinde erklärten, -mitten auf dem Platz vor dem Hause des Jumben ein Topf so eingegraben, -daß der obere Rand mit dem Erdboden abschnitt.</p> - -<p>Tagelang sahen wir keinen Menschen; um so mehr Wild: außer Flußpferden -und Krokodilen auch Wasserböcke und ganze Herden von Swallahantilopen.</p> - -<p>Wir kamen an Berge, die der Rufiyi in tiefem Bett durchbrochen hat, -verließen jetzt das Ufer des Stromes und stiegen in wunderschöner, -wilder Landschaft zwischen Felsen empor.</p> - -<p>Ich schoß eine Kuhantilope, die sich ein Horn abgestoßen hatte; eine -Hornplatte bedeckte die Bruchstelle über dem Knochen. -(<a href="#pg180ill">Abbildung Seite 180.</a>)</p> - -<p>Der Führer brachte uns zu einem Dorfe an einem Abhang, der sich wieder -zum Rufiyi senkte. Unten lagen die Felder der Eingeborenen. Der Fluß -strömte über viele Steine und sein<span class="pagenum"><a id="Seite_331"></a>[S. 331]</span> Bett verengte sich mehr und mehr. -Wir hatten die Schnellen umgangen.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg331ill"> - <img class="w100" src="images/pg_331_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Panganischnellen des Rufiyi. Der Strom durchbricht -hier, um die Ebene zu erreichen, einen steinigen Höhenzug. Wie -ein großes Trümmerfeld, von Steinen bedeckt, lag das Bett in -der Trockenzeit da; in der Mitte tobte das Wasser in einer tief -eingegrabenen, zwanzig Meter breiten Rinne.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">An den Stromschnellen des Rufiyi.</div> - -<p>In den Abendstunden ging ich zu den Stromschnellen, die auf mich den -Eindruck eines Naturwunders machten, weil ich so sehr an den breiten -Strom gewöhnt war, wie er zwischen flachem Schwemmland träge dahinfloß. -Hier waren seine Wassermassen wie von einer gewaltigen Hand in ein -enges Bett gepreßt und tobten schäumend gegen die blank polierten -Steine.</p> - -<p>Ich stellte mich auf eine Steinplatte, die über das tosende Wasser -hinüberreichte und photographierte.</p> - -<p>Was wäre Menschenkraft in dem Strudel dort unter mir, in der wilden -Bewegung!</p> - -<p>Ich merkte, daß ich in einer furchtbaren Gefahr geschwebt hatte: ich -hatte, als ich durch das Diopter meiner Kamera sah,<span class="pagenum"><a id="Seite_332"></a>[S. 332]</span> das Bestreben -gehabt, etwas zurückzutreten, um einen schönen großen Stein, der vor -mir lag, mit auf das Bild zu bekommen. Zum Glück vergaß ich nicht ganz, -wo ich stand, und sah mich noch einmal um: nur eines Fußes Breite hätte -ich zurückzutreten brauchen um abzustürzen!</p> - -<p>Wie leicht kann man sich im Eifer vergessen!</p> - -<p>Das war ein Augenblick, an den ich immer wieder denken muß.</p> - -<p>(Der Seemann wird überhaupt das Gefühl nicht los, daß die Bergsteigerei -„unseemännisch“ sei. Da sind keine sicheren Wanten, kein Pferd und kein -Jackstag! Die Steine wackeln und die Grasbüschel reißen aus, wenn man -sich daran festhalten will!)</p> - -<p>Einige Tage später kamen wir an eine Stelle, wo der Weg den Fluß wieder -verließ und sich nach einer anderen Richtung wandte. Die Führer sagten, -wir hätten einen weiten, wasserlosen Wald vor uns. Deshalb versteckte -ich alle entbehrlichen Lasten im Busch und gab den freigewordenen -Trägern Wasser zu tragen.</p> - -<p>Dann folgten wir dem Wege in den Wald hinein.</p> - -<p>Unsere Führer schienen recht mutig zu sein. Da war der breitnasige -Alte, in seinem grauen Gehrock, und ein anderer junger Neger, dessen -Eltern die Aufständigen entführt hatten. Wut schien sie zu beseelen. -Sie zeigten von selbst eine gewisse Vorsicht und taten überlegen, -als ich ihnen sagte, wir müßten betretene Wege meiden, ein einziger -Schenzi, der zufällig durch den Wald streifte, könnte unsern Plan -vereiteln. Auch vermieden sie, bei Tage über Blößen zu gehen, die von -andern Abhängen aus sichtbar waren.</p> - -<p>Die weiße Farbe meines Maskatesels beunruhigte mich; am liebsten -hätte ich ihn mit nassem Lehm eingerieben oder in dichtem Busch -zurückgelassen.</p> - -<p>Als der Wald lichter wurde, machten wir halt. Alle legten sich hin; die -Reittiere grasten hinter einem kleinen Hügel. Bei jedem Tier hockte -ein Neger und haute ihm mit Zweigen über den Kopf, sowie es anfangen -wollte, zu wiehern.</p> - -<p>Es ist zu verräterisch, dies Wiehern! Und ist der Esel erst einmal -dabei, dann dauert es eine halbe Minute lang. Meist<span class="pagenum"><a id="Seite_333"></a>[S. 333]</span> sprang das halbe -Lager auf, wenn ein Esel nur den ersten, gepreßten Atemzug tat, der das -Konzert jedesmal einleitet.</p> - -<p>Impallahantilopen kamen äsend auf uns zu.</p> - -<p>Als es dunkel wurde, gingen wir weiter und erreichten eine Höhe, auf -der das Zelt leise aufgeschlagen wurde.</p> - -<div class="sidenote">Auf Kundschaft in der Nacht.</div> - -<p>Ich ging am Abend um acht Uhr mit dem Akiden, dem Betschausch und -zwei Führern Patrouille. Es war sehr hell; der Halbmond schien, und -Monduntergang war erst um Mitternacht zu erwarten.</p> - -<p>An einem sandigen Fluß machten wir halt. Die Führer legten sich auf die -Erde und horchten; sie behaupteten, Menschen zu hören. Auch ich vernahm -in der Ferne ein Stimmengewirr.</p> - -<p>Plötzlich erhob sich auch dicht vor uns, unterhalb des Flußbettes, -lauter, harmloser Gesang, und es schien ratsam, nicht weiter -vorzugehen, um nicht bemerkt zu werden.</p> - -<p>Wir gingen vorsichtig zurück und um zwölf Uhr nach Monduntergang zum -zweiten Male in die Richtung auf das Dorf. Nun gelang es mir, die Lage -der einzelnen Hütten festzustellen.</p> - -<p>Es herrschte tiefe Stille. Einige Wachtfeuer brannten.</p> - -<p>Befriedigt über das Resultat meiner Erkundung kehrte ich um und -erklärte dem Unteroffizier meinen Plan: Ich wollte eine halbe Stunde -vor Sonnenaufgang in die Nähe des Dorfes gehen. Bis dahin wollten wir -schlafen; doch schon um drei Uhr wachte ich auf, weil ein heftiger -Regen auf das Zelttuch niederprasselte und mir kam der Gedanke, den -Regen zu benutzen, um unbemerkt an das feindliche Lager hinanzugehen. -Schnell ließ ich antreten.</p> - -<p>Unter der Wolke wurde der Himmel wieder hell; der Regen konnte nicht -mehr lange anhalten; doch prasselte er so laut auf die Blätter nieder, -daß wir ungehört bis in die Nähe des Dorfes laufen konnten.</p> - -<p>Den Betschausch schickte ich mit fünf Askari nach einigen Häusern, die -abseits im Busch lagen. Fünf andere Askari beauftragte ich, sich an -dem Wege, den die fliehenden Feinde voraussichtlich nehmen müßten, zu -verstecken. Ich selbst ging mit Unteroffizier Lauer und zwölf Askari -unmittelbar auf das Hauptlager los. Außer den Askari hatte ich zehn -Träger, besonders<span class="pagenum"><a id="Seite_334"></a>[S. 334]</span> flinke Kerle, mit; die sollten Gefangene machen. — -Die Askari können in ihrer Ausrüstung nicht schnell genug laufen. —</p> - -<p>Dicht vor den Häusern machten wir halt und legten uns auf dem Wege -nieder.</p> - -<p>Kurz danach hörte der Regen auf.</p> - -<p>Vorsichtig ließ ich die einzelnen Askari im Busch an das Lager -hinankriechen und befahl jedem einzelnen, sich ein günstiges Ziel zu -suchen und den ersten Schuß abzuwarten. Wenn jeder geschossen hätte, -sollten alle vorstürzen und mitten in das Lager hinein, so daß keiner -der Schenzi Zeit habe, sein Gewehr zu spannen.</p> - -<p>Plötzlich stieß mich Lauer an und zeigte nach hinten. Ungefähr hundert -Schritt hinter uns brannte ein Lagerfeuer auf, an dem drei Gestalten -saßen! Nur der laute Regen hatte es möglich gemacht, daß wir unbemerkt -zwischen die Posten und das Lager kamen.</p> - -<p>Mir wollte es anfangs nicht in den Sinn, daß die Männer, die dort in so -greifbarer Nähe hockten, uns nicht gesehen haben sollten; aber diese -Wächter hätten selbst Geräusch von unserer Seite nicht beachtet und -geglaubt, es käme von ihren eigenen Leuten.</p> - -<p>Allmählich wurde es heller; Männer kamen aus den Hütten; andere erhoben -sich von Bettstellen, die im Freien um Holzfeuer herum standen. Ich -konnte genau sehen, wie sie ihre Gewehre abwischten und mit ihren -Pfeilen und einer Bierflasche hantierten.<a id="FNAnker_47" href="#Fussnote_47" class="fnanchor">[47]</a> Sie unterhielten sich -laut.</p> - -<p>Lauer, zwei Askari und ich lagen auf dem offenen Wege; als es immer -heller wurde und wir uns nicht rühren durften, war das Licht wie ein -Verräter; ich hatte das Gefühl, als zeigte jemand auf uns: „Da, da sind -sie!“ Und die Spannung wuchs von Minute zu Minute.</p> - -<p>Die Männer, die hinter uns am Feuer gesessen hatten, waren plötzlich -verschwunden; wir wußten nicht, wo sie geblieben waren. Das Feuer -brannte noch hell und ein langer Stock stand an dem Baume.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_335"></a>[S. 335]</span></p> - -<p>Ein Mann verließ das Dorf und ging in die Schamba; aber nicht auf -unserm Wege.</p> - -<div class="sidenote">Überfall beim Morgengrauen.</div> - -<p>Endlich knatterte es in der Ferne; die Neger wurden unruhig, sprangen -auf und drängten aus den Hütten heraus.</p> - -<p>Schnell erhob ich mich und erschoß einen langen Neger, der mir am -nächsten stand. Alle Askari waren aufgesprungen und schossen; dann -stürmten wir aus den Büschen hinaus, in das Lager hinein.</p> - -<p>Die Bilder, Eindrücke, kurzen Überlegungen wechselten in den nächsten -Minuten so schnell, daß ich sie nicht festhalten konnte und noch -weniger beschreiben kann.</p> - -<p>Die Aufständigen drückten ihre Flinten ab und flohen so schnell sie -konnten.</p> - -<p>Lauer lief nach links; mir folgten drei oder vier Askari.</p> - -<p>Im Laufen kann man nicht schießen; auch nicht auf kurze Entfernung. Ich -muß stehen bleiben und schieße. Dann wieder wild drauflos!</p> - -<p>Mein Boy Hassani ist dicht hinter mir und hält mir nach jedem Schuß -einen neuen Ladestreifen mit fünf Patronen unter die Nase: „<span class="antiqua">Bana, -bana!</span>“ (Er glaubt, ich hätte verschossen.)</p> - -<p>Links von mir läuft ein Neger, deutet auf seinen Fuß und ruft: -„<span class="antiqua">Nimekwisha kupigwa.</span>“<a id="FNAnker_48" href="#Fussnote_48" class="fnanchor">[48]</a> — Entsetzlich! — dann stürzt er, -durch die Brust geschossen, vornüber und schlägt mit den Armen um sich.</p> - -<p>Hinter dem Dorf lag ein weites, abgeerntetes Mohogofeld. Darin liefen -die mit Gewehren Bewaffneten und zeigten uns nur den Rücken. Andere, -die große Bogen, Köcher und Pfeile trugen, blieben schon hinter den -Häusern in niedrigem Gebüsch und hinter bewachsenen Erdhügeln stehen. -Giftpfeile schwirrten.</p> - -<p>Bald wurde dem Gefecht ein Ende gemacht durch die Dreistigkeit -meiner Träger, die hinter den Fliehenden herliefen und mit dem -<span class="antiqua">rungu</span><a id="FNAnker_49" href="#Fussnote_49" class="fnanchor">[49]</a> auf jeden einschlugen, der sich nicht gefangen geben -wollte.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_336"></a>[S. 336]</span></p> - -<p>Obwohl ich die Träger rote Mützen hatte aufsetzen lassen, um sie -von den Aufständigen zu unterscheiden, fürchtete man jetzt, in dem -Durcheinander eigene Leute anzuschießen. Deshalb kehrte ich zum Dorfe -zurück, wohin alle Gefangenen gebracht wurden.</p> - -<p>Im Dorfe lagen die Leichen der Gefallenen.</p> - -<p>Es war nicht schön, daß wir jetzt das Dorf plündern mußten; ich wäre -gern weggegangen und hätte in meinem Zelte, fern von dem wüsten Bilde -von Tod und Zerstörung, ausgeruht und gefrühstückt.</p> - -<p>Aber wir mußten die Hütten in Brand stecken und dazu war es doch gut, -daß sich meine hungrigen Leute, die ich auf den Raub vertröstet hatte, -vorher herausholten, was sie an Lebensmitteln finden konnten. Hühner- -und Taubeneier wurden angebracht. Töpfe mit Pombe; Mehl, Mais und Reis. -Bald waren auch die Askariboys zur Stelle, und nun begann ein Plündern, -an dem man die Rohheit dieser Menschen kennen lernen konnte.</p> - -<p>Lauer und ich achteten darauf, daß wenigstens die Leichen nicht -verstümmelt wurden; ich ließ sie aus den Häusern hinaustragen, bevor -Feuer angelegt wurde.</p> - -<p>Mehr konnten wir nicht tun. Schonung der Tiere zu fordern oder auch nur -Anstoß zu nehmen an Rohheiten, wäre unnütz gewesen.</p> - -<p>Die Hühner und Tauben waren von den Häusern nicht wegzutreiben, so sehr -waren sie „domestiziert“.</p> - -<p>Die Neger verfolgten sie; griffen sie. Die Tiere flüchteten unter die -Dächer oder flogen auf den Dachfirst; die Verfolger warfen mit Stöcken -oder Steinen nach ihnen und ließen sie ruhig weiter leben, wenn Glieder -gebrochen waren.</p> - -<p>„<span class="antiqua">Chakula tu</span>,“ „es ist ja nur etwas zu fressen,“ war die Antwort, -wenn man schalt.</p> - -<p>Als die Hütten schon brannten, lief ein Hund, den die Askari gefangen -hatten, wieder in eine Hütte zurück, heulte kläglich und verbrannte.</p> - -<p>(Die knechtische Abhängigkeit von dem Herrn, das blinde Vertrauen zu -dem Ernährer, das die Selbständigkeit tötet, muß<span class="pagenum"><a id="Seite_337"></a>[S. 337]</span> in allen Geschöpfen -außerordentlich leicht zu entwickeln sein. Es ist auch im Sklaven -wieder zu finden, ist unwürdig und darf doch nur vorsichtig angetastet -werden, wo es einmal besteht, weil es Voraussetzung eines besonderen -Lebens geworden ist.)</p> - -<div class="sidenote">Wie der Schenzi lebt.</div> - -<p>Ich war hier zum erstenmal in einem Orte, an dem die Neger alles -zurückgelassen hatten, was sie in Frieden und Krieg gebrauchen.</p> - -<p>Da standen die Hütten mit allem Hausgerät; die Hühnerställe, der -Taubenschlag und die Vorratshäuschen mit Matamakorn. Hacken, Beile und -Drillbohrer wurden aus den Hütten gebracht. So konnte ich mir denn ein -Bild von dem Leben des Buschnegers machen.</p> - -<p>Vom Händler kauft er nur Tücher, Salz, Waschblau, Seife und Nähnadeln. -Alles andere macht er sich selbst, und hat deshalb auch immer etwas zu -tun; er ist gar nicht so faul, wie wir ihn uns denken.</p> - -<p>Die Feldarbeit ist seine Hauptbeschäftigung; er baut Matamakorn, -Bergreis, Mais, Mohogo und Kürbisse. Er wohnt mitten in seinem Felde -und beschäftigt sich immer etwas damit; ob er nun Unkraut aushackt, -Schädlinge fernhält oder neues Land vorbereitet. Die Zeit der Ernte -kann ihm nicht entgehen, denn er kennt jede Staude auf seinem Felde; er -lebt mit den Pflanzen, wie der Viehzüchter mit seinem Vieh.</p> - -<p>Zur täglichen Arbeit gehören Wasser- und Brennholzholen und -Essenkochen; am Hausgerät und am Hause selbst ist immer etwas -schadhaft. Da müssen neue Töpfe geformt werden, weil die alten -zerbrechen; der große Holzmörser, in dem das Getreide zerstampft -wird, die Holzteller, Löffel, Bettstellen, Hackenstiele fordern eine -geduldige Schnitzarbeit, und der Neger streift tagelang im Wald umher, -um passendes Holz zu finden. Da er nämlich vom Tischlerhandwerk nicht -viel versteht, die Anwendung von Leim nicht kennt<a id="FNAnker_50" href="#Fussnote_50" class="fnanchor">[50]</a> und ungern mit -Zapfen und Nute arbeitet, holt er sich am besten alles fertig aus dem -Wald oder schnitzt es aus einem einzigen Stück. So entstehen denn die -plumpen,<span class="pagenum"><a id="Seite_338"></a>[S. 338]</span> törichten Stühle und Bänke, die großen Trommeln und Mörser -und auch die riesigen Boote, mit dem „<span class="antiqua">cheso</span>“ (einem scharfen -Beil mit quergestellter Schneide) ausgehöhlte Bäume; die Pfeiler, -Türpfosten, Dachsparren aber liefert der Wald fertig in jeder Größe, -und das Geschick des fleißigen Bautischlers besteht nur darin, den -Pfosten so auszuwählen, daß die Gabelung an der rechten Stelle sitzt.</p> - -<p>Gebaut wird immerzu, und wenn Haus, Taubenschlag und Vorratshäuschen -fertig sind; wenn der Hof eingezäunt ist, kommen kleine Geisterhüttchen -für die Toten an die Reihe.</p> - -<p>Außer dem Hausgerät fertigt der Neger an: Pfeile, Bogen und Köcher; -Fischreusen; Stellnetze zum Absperren der abfließenden Regenbäche und -Flechtwerk zu allen möglichen Zwecken: Stricke, Matten, Körbe und -Säcke aus Blattrippen kleiner Fächerpalmen; Wildnetze und Tauwerk aus -gebleichten Baumfasern.</p> - -<p>Alles dies ist nicht für die Dauer, und das Leben des Schenzi ist ein -ununterbrochener Kampf mit Überschwemmung, Dürre, Wildschaden und -Fäulnis; mit Ratten, Käfern und weißen Ameisen (die ihm über dem Kopf -das Dach seiner Hütte zu feinstem Sägemehl zerkleinern, wenn er das -ewige Feuer ausgehen läßt).</p> - -<p>Aber mit diesem Kampf und der Sorge erkauft er sich etwas, was die -Weisen aller Zeiten ein großes Gut genannt haben: die Einsamkeit, -Selbständigkeit und Freiheit.</p> - -<p>Nicht, daß er ganz ungesellig wäre: nein, abends im Dorfe wird die -Trommel gerührt, Pombe getrunken, geraucht und getanzt.</p> - -<div class="poetry-container s5"> -<div class="poetry"> - <div class="stanza"> - <div class="verse indent0">„Kurz abgesehen vom Steuerzahlen</div> - <div class="verse indent0">Läßt sich dies Glück nicht schöner malen,</div> - <div class="verse indent0">Worauf denn auch der Satz beruht:</div> - <div class="verse indent0">Wer einsam lebt, der hat es gut.“</div> - </div> -</div> -</div> - -<p>Steuer zahlen: Ich kann mir vorstellen, daß diese Neger nicht einsehen -wollten, weshalb sie Pombesteuer zahlen sollten, wenn sie ihr -Matamakorn gären ließen, um es als Bier zu trinken. Was merkten die -von der Macht des Europäers? Alle Jahr einmal kam der Akide und rief: -„<span class="antiqua">Heia!</span> bringt Geld her, zahlt eure Hüttensteuer.“</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_339"></a>[S. 339]</span></p> - -<p>Und weshalb sollten sie kein Wild mehr mit Netzen fangen?</p> - -<p>Es ist nicht schwer, zu verstehen, daß diese Leute sich dem Aufstand -gerne anschlossen und man braucht nicht nach <em class="gesperrt">Schuld</em> zu fragen, -wenn man die Ursachen des Aufstandes sucht.</p> - -<p>Ein Askari war schwer verwundet; er hatte einen Schuß in die Brust -bekommen und die Kugel war noch drin.</p> - -<p>Sanitätsunteroffizier Lauer verband ihn. Es war wenig Hoffnung; aber -Lauer sagte, daß es gut werden könne, wenn der Mann mit dem sauberen -Verbande schnell nach Mohorro gebracht würde, wo er gute Behandlung -habe.</p> - -<p>Deshalb sandte ich den Betschausch und zehn Askari sofort nach Mtanza, -mit dem Auftrage, den Verwundeten so schnell als möglich in einem Boote -zur Küste zu schicken.</p> - -<p>Die Boma in Mtanza mußte schleunigst wieder besetzt werden; denn ich -fürchtete, daß die Aufständigen meine Abwesenheit benutzten, um einen -Einfall in die friedlichen Gebiete am Rufiyi zu machen.</p> - -<p>Ich hatte nur noch Unteroffizier Lauer und zehn Askari bei mir und -schleppte vierundzwanzig Gefangene mit, darunter neunzehn Weiber, die -nicht schnell gehen konnten.</p> - -<div class="sidenote">Die Gefangenen befreit.</div> - -<p>In der folgenden Nacht lagerte ich, um nicht bemerkt zu werden, ohne -Feuer im Busch. Am Morgen erwachte ich, als ein Askari in mein Zelt -kam und meldete, die Gefangenen seien weg und alle Askari hinter ihnen -her. Erschrocken und entrüstet ging ich aus dem Zelt und fand erst -keine Erklärung für das Verhalten der Askari und dafür, daß weder Lauer -noch ich etwas gehört hatten. Wir setzten uns auf die Kochkiste und -warteten, bis es hell wurde und die Askari einzeln wieder ankamen.</p> - -<p>Gegen drei Uhr am Morgen hatte der Posten gesehen, daß die Gefangenen, -die gebunden neben unserm Zelt lagen, davonliefen. Er hatte schnell -die Askari geweckt und die waren sofort aufgesprungen und hinterdrein -gelaufen. Nur ein alter Sudanese, der schlecht laufen konnte, blieb und -weckte uns, als die Askari schon außer Rufweite waren.</p> - -<p>Auf wen sollte ich böse sein?</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_340"></a>[S. 340]</span></p> - -<p>Schließlich waren wir zufrieden, daß man uns nicht meuchlings ermordet -hatte.</p> - -<p>Die Gefangenen waren doch alle gebunden gewesen; und jetzt lagen -die Fesseln zerschnitten da! Es mußte also wohl jemand im Busch -herangekrochen sein, sich zwischen die Gefesselten gelegt und ein -Messer von Hand zu Hand gegeben haben!</p> - -<p>Natürlich machte ich mir Vorwürfe, daß ich im Busch gelagert hatte, -anstatt einen freien Platz zu suchen; aber auch das hätte seine -Nachteile gehabt!</p> - -<p>Kurz, die Lehre, die man daraus ziehen kann, war: geht’s gut, dann war -alles recht, und auf jede Überlegung, die man vorher machte, ist man -stolz; geht’s schief, dann kommen Vorwürfe.</p> - -<p>Und war nicht die Hälfte von alledem was ich getan hatte im Vertrauen -auf Glück unternommen?</p> - -<p>Als die Askari alle wieder zur Stelle waren und der drollige Askari -Nyati<a id="FNAnker_51" href="#Fussnote_51" class="fnanchor">[51]</a> als letzter mit finsterem Ernst einen ängstlichen Pogoro -anbrachte, mußten wir sogar herzlich lachen; denn der Askari hielt -seinem Gefangenen eine Strafpredigt, wobei er alle Stimmregister, die -auf einem Kasernenhof gehört werden, der Reihe nach zog. Er machte -dabei ein ungemein überlegenes Gesicht und kaute nachlässig an einem -Grashalm, während er den Unglücklichen fixierte, der kein Wort davon -verstand.</p> - -<p>Der Schluß der Predigt war das mit geschlossenen Zähnen, wie in -Erbitterung gesprochene Wort: „Schuain“.<a id="FNAnker_52" href="#Fussnote_52" class="fnanchor">[52]</a></p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="sidenote">Tierleben an den Schnellen.</div> - -<p>Zwei Tage später näherten wir uns wieder den Bergen von Kibambawe.</p> - -<p>Oft blieb ich stehen und sah voll Genuß auf das Landschaftsbild. Sanft -fiel hier das steinige, offene Gelände zu dem Rufiyi ab. Jenseits des -Stromes zog sich der Buschwald bis zu den Bergen in weiter Ferne. Der -wilde Strom rauschte dort unten über Steine und schlängelte sich wie -ein bleifarbenes Band in die Berge hinein, die er durchbrochen hat, um -der Tiefebene und dem Ozean zuzueilen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_341"></a>[S. 341]</span></p> - -<p>Zwischen den Bäumchen erschien eine Herde Hundsaffen; Paviane, die mit -ängstlichen, und doch unverschämten Blicken nach uns herüberäugten.</p> - -<p>Ich ließ mir die Büchse eines Askari geben und schoß einen der -verhaßten Feinde der Landwirtschaft.</p> - -<p>Darauf wurden die kleinen der Herde flüchtig; die größeren zogen sich -nur langsam unter lautem Gezeter zurück.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg341ill"> - <img class="w100" src="images/pg_341_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Flußlandschaft am oberen Rufiyi. Ein schlanker, -kräftiger Neger stand vorne in dem Einbaum und stieß das Boot mit dem -Upondo, einer dünnen Stange vorwärts. Er hob den Upondo nicht nach -jedem Stoß aus dem Wasser (wie ich es bisher überall gesehen habe), -sondern dreht ihn jedesmal um. Überhaupt schienen mir die Neger hier -oben flinker und geschickter zu sein.</p></div> -</div> - -<p>Ich ging vom Wege ab und traf in hügeligem und bewaldeten Terrain ein -Rudel Swallahantilopen; sie standen malerisch an einem Abhang zwischen -hohen Steinen.</p> - -<p>Ich sah einen starken, roten Bock mit langen Hörnern dabei und schoß -ihn; er machte einige Fluchten und brach zusammen. Zwei Träger trugen -ihn zum Lager.</p> - -<p>Das Rudel war im Umsehen zwischen den Felsblöcken verschwunden.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_342"></a>[S. 342]</span></p> - -<p>Ich folgte dorthin und stieg, durch Klippen gedeckt, auf eine Höhe.</p> - -<p>Unter mir lag eine kleine, grüne Wiese zwischen Steinabhängen; darin -standen auf höchstens fünfzig Schritt etwa zwölf rote, blanke Böcke mit -stolzen Gehörnen.</p> - -<p>Gefesselt von diesem Anblick ließ ich mich von dem Rudel von einem Tal -in das andere führen und sah plötzlich den Fluß mit breiten, steinigen -Ufern unter mir.</p> - -<p>Auf den tongrauen, glänzenden Steinplatten standen Impallahantilopen; -zwischen ihnen gingen Paviane einher; es war ein seltsames Bild, dies -Zusammenleben zweier so verschiedener Tierarten.<a id="FNAnker_53" href="#Fussnote_53" class="fnanchor">[53]</a></p> - -<p>Am jenseitigen, steilen Ufer hinauf flüchtete ein Rudel Wasserböcke in -weiten, kräftigen Sprüngen.</p> - -<p>Der Fluß durchströmte jetzt in der Trockenzeit ein tiefes, -tunnelartiges Bett in der Mitte des gewaltigen Steintals.</p> - -<p>Eine große Flußpferdherde ruhte unbeweglich in dem Wasser und die -Rücken der Tiere sahen aus, wie die Steine in ihrer Umgebung.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Drei Tage später kam ich in Mtanza an. Die Aufständigen hatten meine -Abwesenheit benutzt und waren auf eine Insel eingefallen, hatten -geplündert und Weiber geraubt. Zu gleicher Zeit war Bezirksamtmann Graß -von Mohorro aufgebrochen; ich traf ihn in Mayenge und wir machten einen -Zug in den westlichen Teil der Kitschiberge.</p> - -<p>Da unsere vertrauenswürdigen Kundschafter, die wir vorausgeschickt -hatten, es diesmal mit ihren Landsleuten gut meinten, sahen wir nur -verlassene Dörfer.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg343ill"> - <img class="w100" src="images/pg_343_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ein alter Hundsaffe mit starker Mähne; ein Auge und fast -alle Zähne fehlten ihm.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_343_ill_gross.jpg" id="pg_343_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_46" href="#FNAnker_46" class="label">[46]</a> Ist das lang auf Deutsch zu schreiben! Anders auf -Kisuaheli: man spricht ein paar Stichworte, sieht sich an und versteht -sich. Viel neues gibt es ja auch nicht zu sagen; jeder kennt die -Gegend, das Leben und was einem alles passieren kann. (Der Mpogoro -redet überhaupt nichts und kommt doch durch.)</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_47" href="#FNAnker_47" class="label">[47]</a> Wahrscheinlich gossen sie frisches Gift auf die -Pfeilspitzen; wir fanden die Flasche nach dem Gefecht; es war braune -Flüssigkeit darin.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_48" href="#FNAnker_48" class="label">[48]</a> Ich bin schon getroffen!</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_49" href="#FNAnker_49" class="label">[49]</a> <span class="antiqua">Rungu</span> = eine kleine Holzkeule, die manche Träger -als Waffe mit sich führen.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_50" href="#FNAnker_50" class="label">[50]</a> Vogelleim kennt er natürlich; ich fand hier im Dorfe -einen Topf voll!</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_51" href="#FNAnker_51" class="label">[51]</a> „Büffel.“</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_52" href="#FNAnker_52" class="label">[52]</a> „Schwein.“</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_53" href="#FNAnker_53" class="label">[53]</a> Tiermaler Wilhelm Kuhnert hat dasselbe an derselben -Stelle beobachtet und reizende Skizzen davon mitgebracht.</p></div> - -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_345"></a>[S. 345]</span></p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg345ill"> - <img class="w100 mtop3" src="images/pg_345_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Am Ufer des Rufiyi.</p></div> -</div> - -<h2 class="nopad" id="Rueckkehr_zur_Kueste">Rückkehr zur Küste.</h2> - -</div> - -<p>Eines Tages kam ich mit einer müden Truppe nach Mtanza zurück und sagte -zu Lauer: „Ich komme so früh, weil ich mit Ihnen den heiligen Abend -feiern will.“</p> - -<p>„Ich habe gestern schon gefeiert“, antwortete Lauer. Und er hatte recht -getan; ich hatte mich verspätet.</p> - -<p>Aber wir feierten noch einmal: Eine Flasche Rotwein, ein Topf heißen -Wassers und einige Sansibarnelken. Dazu mehrere Löffel Zucker.</p> - -<p>Weihnachten war es trotzdem nicht.</p> - -<p>Man kann übrigens das Datum leicht vergessen, wenn man im Busch -lebt und ein paarmal nicht Tagebuch schreibt. Bald marschiert man -morgens, bald abends oder gar in der Nacht. Das Zelt steht an -vielen verschiedenen Plätzen, und das zurückrechnende Hirn kann die -zugehörigen Tage nicht mehr finden.</p> - -<p>Oft helfen die Boys oder Askari, oder der Bote, der ein<span class="pagenum"><a id="Seite_346"></a>[S. 346]</span> Telegramm -bringt, wird gefragt, wieviel Tage er gegangen sei; wie oft er -geschlafen habe?</p> - -<p>Mich hat es nie sehr gekränkt, wenn ich den Irrtum merkte. Es ist ein -Zeichen großer Freiheit, wenn man das Datum vergessen darf ohne Schaden -davon zu haben.</p> - -<p>Wie würdig waren auch die Schenzi, die von der Stundenzahl des Tages -nichts wußten und die auf die Frage:</p> - -<p>„Wie lange geht man von hier bis Turuma?“ antworteten: „Wenn du jetzt -weggehst, bist du bei Sonnenuntergang da.“</p> - -<p>Sie zeigten den Weg, den die Sonne zurücklegt, das war ihre Zeit.</p> - -<p>Oder sie sagten: „Wenn die Hähne krähen“, und in anderen Gegenden: -„Wenn der Tau die Gräser verläßt.“</p> - -<p>Glückliches Volk!</p> - -<div class="sidenote">Überschwemmung.</div> - -<p>Es war jetzt die Zeit, wo sich die ersten großen Regengüsse des Innern -am Wasserstand des Stromes bemerkbar machten.</p> - -<p>Oft war die Wasserfläche mit unzähligen grünen Schwimmpflanzen bedeckt, -die sich in den Teichen gebildet hatten und jetzt hinweggespült wurden, -wenn sich das steigende Wasser von neuem in die alten Betten ergoß. Wir -fuhren in großen Einbäumen stromab und sahen, daß weiter unten eine -furchtbare Überschwemmung herrschte. Ganze Landstriche waren schon von -den Eingeborenen verlassen; durch die Hütten strömte das Wasser.</p> - -<p>Zufällig fanden wir noch eine kleine Insel, die noch nicht ganz -überschwemmt war, und konnten dort übernachten.</p> - -<p>Am nächsten Morgen fuhren wir weiter und trieben in schneller Fahrt an -einer Hütte vorbei, als unser Bootssteurer hinüberrief: „Vater, bist du -noch da?“</p> - -<p>Und eine Stimme antwortete: „Ja“.</p> - -<p>Der Alte saß im Dachgebälk der Hütte, während das Wasser unten -hindurchströmte.</p> - -<p>Als wir fragten, weshalb er nicht auch fliehe, sagte unser Bootssteurer -nur: „<span class="antiqua">mzee</span>“, was heißen kann, „er ist sehr alt und kann deshalb -nicht mehr recht mit“, oder „es lohnt sich für ihn nicht mehr zu -fliehen, er ist ja doch nicht mehr viel wert.“</p> - -<p>Auf den weiten Wasserflächen war von den Flußpferdherden<span class="pagenum"><a id="Seite_347"></a>[S. 347]</span> nichts zu -merken. Die Tiere, die in der Trockenzeit auf kleine Teiche und auf den -nicht allzubreiten Fluß beschränkt sind, verteilten sich jetzt auf ein -großes Gebiet.</p> - -<p>Die Boma in Mayenge war rings von Wasser umgeben. Das Wasser hatte den -Befestigungsgraben so verbreitert, daß ein kleiner Fluß entstanden war, -in dem die Boys Wettspiele trieben.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg347ill"> - <img class="w100" src="images/pg_347_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Im Anfang des Jahres 1906 war am Rufiyi eine -Überschwemmung, wie seit vielen Jahren keine beobachtet wurde; der -Mais, auf den die hungrigen Neger warteten, verfaulte auf den Feldern -und die Hütten stürzten ein.</p></div> -</div> - -<p>Ich hatte das Vergnügen, in Mayenge mit acht indischen Händlern -abzurechnen, deren Getreide ich in ihren Läden hatte beschlagnahmen -lassen, um es der notleidenden Expedition des Hauptmanns v. Wangenheim -entgegenzuschicken. Manji Virji, Ganji Naranji, Emraji Damudal, -Kilanjee und andere appetitliche Gesellen kamen; nur einer fehlte; -gerade der, von dem behauptet wurde, daß er trotz dem Aufstand am -meisten Gummi aus den Bergen einhandelte und den Aufständigen dafür -gab, was sie brauchten, um den Krieg fortzusetzen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_348"></a>[S. 348]</span></p> - -<p>Ich kann aus dieser für mich und die beiden Unteroffiziere ungemein -anstrengenden, schweren Zeit, in der wir abwechselnd an Dysenterie und -Fieber litten, erzählen, wie empörend für mich das Bewußtsein war, daß -die Inder aus allem, was wir taten, ihren Vorteil zogen. Nahmen wir den -Aufständigen ihre Nahrung weg, um sie zur Unterwerfung zu zwingen, dann -bekam der Inder den wertvollen Gummi um so billiger — für ein kleines -Quantum Matamakorn. Der Verdacht lag außerdem immer nahe, daß diese -Händler mit Pulver und Zündhütchen einen einträglichen Handel trieben.</p> - -<p>Ich fragte mich in dieser Zeit wiederholt, für wen wir eigentlich -das Land haben, für wen wir die Opfer an Leben, Gesundheit und Geld -bringen? Es schien mir so, als ob es für diese farbigen Händler sei, -die mit treuherzigen Mienen dem Bezirksamt noch meldeten, wieviel -Tausende sie durch den Aufstand verloren hätten. (Wahrscheinlich, um -betrügerisch Bankerott zu machen und mit dem vielfachen Gewinn in ein -anderes Gebiet zu verschwinden, wo sie dann wieder als arme Schlucker -auftreten.)</p> - -<p>Waren wir nicht an allen Ecken und Enden die Betrogenen? Beinahe das -Werkzeug der Inder?</p> - -<p>Macht uns denn Liebe blind gegen diese Leute? Und haben wir keine -Ahnung davon, wie weit und wie reich an Schlupfwinkeln das Gebiet ist, -in dem sich der Geschäftssinn eines unanständigen, gewissenlosen, -vaterlandslosen Händlers bewegt?</p> - -<p>Ich wünsche anderen, daß sie die Schmach nicht erleben, die ich -empfand, als ich mich bei meiner monatelangen Tätigkeit betrogen -glaubte.</p> - -<p>Mein Ärger entlud sich auf den widerspenstigen Inder. Der Unteroffizier -sagte mir rechtzeitig, daß dieser selbe Inder den Bezirksamtmann einmal -gereizt und eine Ohrfeige dafür bekommen habe. Darauf habe sich der -Inder beim Gouvernement beschwert und der Bezirksamtmann habe eine -ziemlich hohe Geldstrafe zahlen müssen. Ich nahm mir deshalb vor, dem -Inder diese Genugtuung nicht zu gönnen.</p> - -<p>Als der Mann mit Gewalt geholt worden war, benahm er sich so -herausfordernd, daß ich ihn durch die Askari aus dem<span class="pagenum"><a id="Seite_349"></a>[S. 349]</span> Lager -hinausbefördern ließ und ihm riet, in vierundzwanzig Stunden aus der -Gegend zu verschwinden, weil ich ihn für einen gefährlichen Schmuggler -hielte.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg349ill"> - <img class="w100" src="images/pg_349_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Den Graben, der um das Lager herumgezogen war, hatte das -Wasser stark verbreitert; die Boys schwammen darin um die Wette.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Marsch in der Regenzeit.</div> - -<p>Von Mayenge aus wollte ich zu Fuß in die Berge, aber dicht hinter -der Boma mußten wir bereits übersetzen. Das nahm zwei Stunden in -Anspruch, da die meisten Neger nicht schwimmen konnten und wir nur ein -Boot hatten. Ich ließ die Träger vorangehen, bis das Wasser so tief -wurde, daß nur die Köpfe heraussahen. Ein drolliges Bild: Über dem -Wasserspiegel lauter Köpfe mit Lasten.</p> - -<p>Zuerst schickte ich zwei Askari und einen Teil der Gewehre hinüber. Der -Betschausch und ein anderer Askari versuchten zu schwimmen, ermüdeten -aber mitten im Strom, weil jeder einen Gurt mit hundert Patronen -umhatte. Auf ihre Hilferufe schwammen Lauer und ich so schnell wir -konnten hinzu und halfen ihnen zum Ufer zurück.</p> - -<p>Man glaubt nicht, wie ungeschickt sich die Leute anstellten! Ich -verteilte die Askari im Wasser und ließ das Boot von Hand zu Hand -stoßen; nur durch das tiefe Wasser wurde gerudert. Bei jeder Fahrt -mußten sich einige Träger an dem schwimmenden Boot festhalten und -wurden so hinübergebracht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_350"></a>[S. 350]</span></p> - -<p>Am schneidigsten benahmen sich noch die kleinen Askariboys; sie -schwammen mit großem Geschick. Alle anderen Leute fielen Lauer und mir -zur Last.</p> - -<p>Die Schwarzen waren sehr erstaunt über unsere Schwimmkünste; besonders -bewunderten sie das Schwimmen auf dem Rücken mit anliegenden Armen und -ausgestreckten Beinen, und fanden keine Erklärung dafür.</p> - -<p>Das strömende Wasser und die Furcht vor den Krokodilen verwirrte die -Neger; um vorwärts zu kommen, mußten wir in der Hitze alles selbst -machen: Lasten im Boot verteilen, das Boot halten, die nassen Kerls -hineinheben, Ertrinkenden und Gefährdeten helfen und sogar nach -verlorenen Gegenständen tauchen.</p> - -<p>Es war wirklich ein gräuliches Gefühl, in der gelben, undurchsichtigen -Flut zu schwimmen, wo die Gefahr, vom Krokodil gepackt zu werden, so -nahe lag!</p> - -<p>Und es war eigentlich ein Leichtsinn, daß wir uns der Gefahr aussetzten.</p> - -<p>Die Rohrstengel stachen uns durch das dünne Zeug, die Sonne glühte und -die stinkenden Neger mit ihren unschlüssigen Gesichtern konnten einem -das letzte bißchen Energie rauben!</p> - -<p>Trotzdem ging uns der Humor nicht aus, und Lauer wußte es geschickt -einzurichten, daß die größten Angsthasen bis zuletzt zurückblieben.</p> - -<p>Dann wurden sie alle in das Boot gepackt und saßen zitternd darin, -während es hinüberfuhr; doch ehe das Boot ganz am andern Ufer war, -warfen wir es plötzlich um und die ganze Gesellschaft strampelte in dem -flachen Wasser umher.</p> - -<p>Am Ufer stand ein kleiner Askariboy, der sein Tüchlein vermißte. Er -schämte sich sehr und weinte.</p> - -<p>Zwei Stunden marschierten wir noch, dann mußten wir uns eingestehen, -daß wir zu müde waren und lagerten mitten im Buschwald.</p> - -<p>Am nächsten Morgen gingen wir weiter.</p> - -<p>Jetzt, nach dem ersten Regen, war der Wald grün und kam mir im -Blätterschmuck ganz fremd vor. Gegen das dunkle Laub<span class="pagenum"><a id="Seite_351"></a>[S. 351]</span> fielen die hellen -Stämme auf, während früher das gelbe Gras, die Stämme und Äste in allzu -vielem Licht das Auge blendeten.</p> - -<p>Die Mangobäume waren abgeerntet. Im Boden sah man nur wenige -Wildfährten.</p> - -<p>Von dem reichlichen Regen der letzten Wochen stand auch auf den -Anhöhen Wasser. Auf dem Marsch mußten wir einen See durchwaten, der -mitten im Walde lag. Wir zogen die Schuhe aus und gingen auf der -anderen Seite barfuß weiter. Leider haben wir das auch in den nächsten -Tagen fortgesetzt und die Erfahrung gemacht, daß man erst lernen -muß, auf schmalen Pfaden bei Tage und bei Nacht barfuß zu gehen, -ohne sich die Füße zu verletzen; angebrochene Fußnägel, schmerzhafte -Hautabschürfungen und Dornstiche waren die Folge.</p> - -<p>Die Aufständigen hatten überall Mohogopflanzungen und wohnten in -kleinen Hütten seitab im Walde. Die Dörfer selbst, die mitten in den -Pflanzungen lagen, waren verlassen und wurden von den Negern offenbar -nur benutzt, so lange sie in den Feldern arbeiteten.</p> - -<p>An Früchten waren da: Bananen, kleine Bohnen, Mais mit halbreifen -Kolben und vor allem Mohogo. Für unsere Abendtafel fand sich auch eine -reife Ananas.</p> - -<p>In den nächsten Tagen ging es über Berge und Täler, von einer Pflanzung -zur andern.</p> - -<p>Selten wurden Menschen angetroffen; einige, die sich zur Wehr setzten, -wurden erschossen, andere gefangen genommen.</p> - -<p>In einem Hause stand ein Topf mit frisch gebratenen Ratten. Daneben ein -Sack mit kleinen Früchten, die wie Äpfel schmeckten und einen großen -Kern hatten.</p> - -<div class="sidenote">In den Schamben von Kitschi.</div> - -<p>Wir fanden auch eine kleine Antilope, die im Netz gefangen worden -war. Von dem Mohogo, der überall in den Schamben reichlich gedieh, -hatten die Aufständigen noch kaum gegessen. Hie und da standen junge -Kokospalmen, die auf Befehl des Bezirksamts gepflanzt worden waren.</p> - -<p>Am zweiten Abend lagerte ich auf einer Höhe in einer großen -Mohogopflanzung, deren Fläche sanft zu der Rufiyiebene abfiel. Ich -hatte eine weite Aussicht über den Wald, auf die<span class="pagenum"><a id="Seite_352"></a>[S. 352]</span> Ebene und den Fluß. -Es regnete und ich beschäftigte mich damit, behaglich dem Regen -zuzusehen und aufzupassen, daß das Wasser, das von den Zelttüchern -abfloß, in Töpfen aufgefangen wurde.</p> - -<p>Drei gefangene Weiber, die tüchtig zu essen bekamen, lachten und -schienen sehr zufrieden zu sein. Auch ein kleines Kind war dreist und -zutraulich. Wer kennt aber die Neger aus — morgen sind sie weggelaufen!</p> - -<p>Ein alter Mann wurde beim Gummisammeln gefangen genommen. Als er ins -Lager kam, fragte ich ihn nach der Stimmung im Lande und auch nach den -Ursachen ihrer Unzufriedenheit.</p> - -<p>Er brachte freimütig alle Klagen vor. Dann wickelte er aus seinem Tuch -zwei Gummikugeln und bat mich, ihm Tabak dafür zu geben.</p> - -<p>Als er den Tabak erhielt, war er nicht zufrieden. Er behauptete, es sei -nicht genug und stellte zum großen Ergötzen der Askari, gefangen und -gebunden, auf der „Wache“ sitzend, laut Vergleiche an zwischen dem Wert -des Gummi und dem des Tabaks.</p> - -<p>Der Unteroffizier klagte über Unwohlsein, er hatte Dysenterie. Ich -selbst war todmüde nach den Anstrengungen des letzten Tages und hatte -Kopfschmerzen. In der Nacht entstand Lärm und Schüsse fielen. Ich -wickelte mich aus dem Moskitonetz, griff zur Büchse und sah, wie im -Dunkeln ein Trupp Menschen aus dem Lager lief.</p> - -<p>Kurz darauf brachten sie den Gefangenen angeschleppt, der rief. „Mein -Anzug!“ Damit meinte er das kleine Baumwolltuch, das er um die Hüften -trug. Neben mir stand der Unteroffizier. Ich dachte nicht daran, daß -er auch krank war, befahl ihm, nachzusehen, daß der Gefangene besser -gebunden wurde und legte mich sofort wieder hin.</p> - -<p>Der Mann schrie weiter und ich hörte, wie die Askari versuchten, ihn -zu beruhigen. Er wimmerte eintönig und die Askari lachten darüber. -Allmählich wurde er still und nur die Wache unterhielt sich leise.</p> - -<p>Am nächsten Morgen wurde mir gemeldet, der Gefangene sei tot.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_353"></a>[S. 353]</span></p> - -<div class="sidenote">Die schwarzen Mitbrüder.</div> - -<p>An dem Toten war nichts zu erkennen, woraus ich auf die Ursache seines -Todes schließen konnte. Sanitätsunteroffizier Lauer war vor Schwäche -nicht imstande, den Leichnam zu untersuchen. Hunderte von Ameisen -krabbelten über den Körper des Toten. Ich konnte nur feststellen, daß -seine schwarzen Brüder ihn recht fest gebunden hatten, um vorzubeugen, -daß er noch einmal wegliefe, und ich konnte leider den abscheulichen -Verdacht nicht los werden, daß die Wache ihn einfach erstickt habe, -damit er Ruhe hielt.</p> - -<p>Ein Verhör der Posten führte zu nichts; sie sagten, der Mann sei -eingeschlafen und gegen Morgen tot gewesen.</p> - -<p>Das war ein neuer Ärger und wieder eine der traurigen Erfahrungen mit -der Gleichgültigkeit und Roheit der Schwarzen, der nur vorgebeugt wird -durch den Europäer.</p> - -<p>Was hatten wir uns eigentlich, während wir so müde und krank waren, -bei dem eintönigen Klagen und Wimmern des Gefangenen gedacht? Nichts! -Für Verstellung hatte ich es gehalten, um so mehr, als die Askari noch -dazu lachten! Aber jetzt kam es mir wieder in Erinnerung; ich legte ihm -eine tiefere Bedeutung bei und machte mir Vorwürfe, nicht nachgesehen -zu haben. Das zeigt, daß es ganz von uns abhängt, wieweit wir Mitleid -empfinden wollen und daß unsere Teilnahme verschieden sein kann, je -nachdem, wie wir die Leidensäußerungen, die wir hören, auffassen.</p> - -<p>Im Wurm, in der Ameise, die zerdrückt wird und sich krümmt, glauben wir -kein Bewußtsein suchen zu müssen. Bald im Büffel, der todwund röchelt, -auch nicht.</p> - -<p>Nur wenn der Mensch, der in unseren Tönen klagt, seine Schmerzen -schildert, dann ergreift es uns — wenn wir wollen. Jeder kann mit -leiden soviel er will; bis auf Pflanzen und Steine kann er hinabgehen.</p> - -<p>Aber wissen muß er, ob nicht oft tatkräftiges Handeln mehr Elend aus -der Welt schafft als verzehrendes Leid.</p> - -<p>Ich selbst merkte an meiner Aufregung, daß die Anstrengung der letzten -Zeit mich verändert hatte.</p> - -<p>Am Nachmittage wurden noch mehrere Gefangene gebracht.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_354"></a>[S. 354]</span></p> - -<p>Die fragten, weshalb wir ihnen Essen gäben, wo sie doch geschlachtet -werden sollten?</p> - -<p>(Das hatten die Zauberer ihnen eingeredet.)</p> - -<p>Meine Füße schmerzten an mehreren Stellen; trotzdem ging ich gegen -Abend mit einer Patrouille in den Wald.</p> - -<p>Ich ließ mir die Gummilianen zeigen, die wild im Walde wachsen und den -Reichtum der Berge bilden.</p> - -<p>In lichtem Buschwald zog ein Stück Wild über eine Anhöhe. Ein -gewaltiger Hirsch. Durch mein Doppelglas erkannte ich auf dem grauen -Tierkörper weiße Streifen; es war ein Kudu.</p> - -<p>Das Tier stand und scheuerte sich mit den hellen Spitzen seiner hohen, -gewundenen Hörner in der Flanke.</p> - -<p>Wie gerne hätte ich dies in Ostafrika seltene Tier verfolgt, aber es -ging nicht; die Schenzi waren nahe.</p> - -<p>Als ich weiterging, fand ich in einem Dorf eine kleine Werkstatt, in -der die Schenzi die Feuersteinschlösser ihrer Gewehre zu Hahnschlössern -mit Zündhütchen umarbeiteten! Geschickt geschnitzte Gewehrschäfte lagen -da; Bohrer, Feilen und anderes Handwerkszeug.</p> - -<p>Die Lehrer der Völkerkunde sprechen von dem kriegerischen Geist, -der die Bewohner der Steppe von den Bewohnern des Fruchtlandes -unterscheidet. Auch diese Kitschileute, die in den Bergen wohnen und -ihre Feldfrüchte in jedem Jahre auf einem anderen, neugerodeten Land -bauen, stehen der Zivilisation ferner als die Rufiyileute und sind -deshalb sehr wohl mit den Steppenbewohnern zu vergleichen. Kriegerisch -sind sie, während die Ackerbürger am Fluß sehr schnell zur Unterwerfung -neigten.</p> - -<p>Als wir aus den Bergen zurückkamen und die Ebene wieder erreichten, -blieb ich noch eine Nacht am Ufer des Flusses, der Boma bei Mayenge -gegenüber. Mein Zelt stand auf der Höhe zwischen den Trümmern eines -niedergebrannten Dorfes.</p> - -<div class="sidenote">Flußpferd im Mondschein.</div> - -<p>Der Mond schien, als mir mitten in der Nacht gemeldet wurde, ein großes -Flußpferd komme die Dorfstraße herunter. Es war nahe beim Lager und -ging hinter einer Häuserwand vorbei, an die ich leise hinanschlich.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_355"></a>[S. 355]</span></p> - -<p>Das plumpe Tier kam dicht an mir vorbei. Der Mondschein glänzte auf -seinem runden Rücken. Es kümmerte sich nicht um mich oder die Zelte. — -Lagerfeuer brannten nicht. —</p> - -<p>Am Morgen regnete es in Strömen. Trotzdem lag der Askari Nyati, der -Klown, immer noch unter seiner Decke im Freien auf einigen Pfählen -und schlief. Als er aufstand, zeigte er den andern, daß er kaum naß -geworden wäre, weil er sich unter seiner Decke nicht gerührt habe und -das ganze Wasser abgelaufen sei.</p> - -<div class="figcenter illowe29" id="pg355ill"> - <img class="w100" src="images/pg_355_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Großes Kudu aus Usagara.</p></div> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_356"></a>[S. 356]</span></p> - -<p>Auf alten Wegen, die ich aus der Trockenzeit kannte, ging ich pirschen. -Überall stand Wasser und das Gras war sehr hoch.</p> - -<p>Wenn ein Stück Wild aufgejagt wurde, hörte man die Sprünge an dem -plätschernden Wasser.</p> - -<p>Mit Mühe gelang es mir, einen Riedbock zu erlegen.</p> - -<p>Ich kehrte zum Fluß zurück, fuhr zur Boma hinüber und saß schon am -Mittage mit meiner Truppe in einer kleinen Dhau um nach Panganya zu -fahren, wo Herr Wiebusch, ein Angestellter des Kolonialwirtschaftlichen -Komitees, eine Pflanzung anlegen wollte, wozu er mich um Arbeiter bat.</p> - -<p>Wir hatten unerhört gegen den Strom anzukämpfen.</p> - -<p>An einer Stelle wurde der Bug des Schiffes so plötzlich von einer -stärkeren Strömung zur Seite gedrückt, daß er das Schilf der -Uferböschung unter sich schob. Wir wurden erst wieder flott, als alle -ins Wasser sprangen und auf schwimmenden Inseln, bis an die Brust im -Wasser stehend, den Bug an einer Leine freiholten. Zum Glück waren -unsere Kleiderkisten in demselben Boot und wir konnten uns gleich -wieder trockene Sachen anziehen.</p> - -<p>Mein rechtes Bein war von den entzündeten Wunden so angeschwollen, daß -ich in Panganya mehrere Tage liegen mußte. Glücklicherweise ging die -Entzündung durch nasse Verbände bald zurück.</p> - -<p>Herr Wiebusch hatte mehrere hundert Hacken mitgebracht, um Land für -Baumwolle vorzubereiten. Es fehlte ihm an Arbeitern. Für Geld hätte -er in dieser Zeit auch keine bekommen; da er aber Korn von der Küste -heraufbrachte, hatte er in dieser Hungerzeit das beste Zahlungsmittel. -Jeden Jumben, der kam und über die Not klagte, schickte ich mit seinen -Negern nach der Baumwollpflanzung.</p> - -<p>Nach einigen Tagen war dort ein reges Leben. Mehrere hundert Neger -schwangen die langstieligen Hacken und rodeten das kräftige Schilfgras. -Gegen abend kamen sie zur Poschoausgabe.</p> - -<p>Ich blieb eine ganze Woche bei Herrn Wiebusch. Tagsüber sah ich -der Arbeit zu, las und schrieb; abends ver<span class="pagenum"><a id="Seite_357"></a>[S. 357]</span>sammelten wir die -„Baumwollschüler“, junge Neger aus allen Teilen der Kolonie, um uns, -und ließen Theater spielen, tanzen und singen.</p> - -<p>Die Verschiedenheit der Tänze und Gesänge war recht auffallend; jeder -Stamm fand seine Gesänge ernst und schön und die des Nachbarstammes -schon komisch.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg357ill"> - <img class="w100" src="images/pg_357_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Überschwemmung in der Schilfniederung der Rufiyiebene. -Die Dhau mit den Askari.</p></div> -</div> - -<div class="sidenote">Kranke Träger.</div> - -<p>Eines Tages kamen sechzehn kranke Träger an, die von der Expedition des -Hauptmanns v. Wangenheim entlassen worden waren.</p> - -<p>Der Zustand ihrer Wunden war entsetzlich; sie verbreiteten -Fäulnisgeruch.</p> - -<p>Bei den schlechten Verkehrsverhältnissen kamen die Leute, die sich zum -Teil nur mit Hilfe von Stöcken langsam fortschleppten nicht schnell -genug vorwärts und fürchteten, daß ihr Poscho zu Ende sei, bevor sie -Mohorro erreichten.</p> - -<p>Da konnte ich nun wirklich einmal wohltätig sein!</p> - -<p>Wangoni waren es, die sicherlich der Expedition gute Dienste geleistet -hatten. Sie bekamen Wasser und Seife. Ihre Wunden wurden gewaschen, -desinfiziert und mit den geringen Mitteln, die wir noch hatten, -verbunden. Dann bekamen die Leute ordentlich<span class="pagenum"><a id="Seite_358"></a>[S. 358]</span> zu essen. Schließlich -wurde ein großes Boot zum Fluß geschafft, die Leute hineingetragen und -Matten darüber gedeckt zum Schutz gegen die Sonne.</p> - -<p>Als das Boot vom Ufer ablegte und mit dem Strome schnell davon -trieb, hatte ich das Gefühl, ein gutes Werk getan zu haben; so -kamen die Kranken in einem Tage ans Ziel, während sie sonst an -unzähligen Flußläufen vergeblich nach Booten hätten rufen können und -wahrscheinlich verhungert wären.</p> - -<p>Nur einer ist unterwegs gestorben.</p> - -<p>In dieser Zeit sprachen wir viel über die Landwirtschaft.</p> - -<p>Die Frage, ob man sich in einem fremden oder besser fernen und neuen -Lande ansiedeln soll, ist gewiß schwer zu beantworten.</p> - -<p>Was sehr dazu reizt, ist der Gedanke, als einer der ersten in ein -Gebiet zu kommen, dem vielleicht eine große Entwickelung bevorsteht.</p> - -<p>Vielleicht!</p> - -<p>Da beginnt das Zaudern. Man soll sich für ein Gebiet entscheiden. -Und wer erst einmal irgendwo angefangen hat, muß bei der Sache -bleiben; denn die Jahre tätigen Schaffens, die Zeiten des frischen -Unternehmungsgeistes sind kurz, und von Glück kann der sagen, der in -dieser Zeit zwar schwer und mit Enttäuschungen gearbeitet hat, aber -nicht umsonst seinem Ziele treu blieb.</p> - -<p>Nun ist Deutsch-Ostafrika ein Land, das jeden, der es mit offenen Augen -gesehen hat, lockt; denn die wirtschaftlichen Möglichkeiten sind groß. -So auch in dem Gebiet des Rufiyi. Da das Land als ungesund galt, sind -zwar die Missionen fern geblieben, die ja sonst in vielen Gegenden -die ersten landwirtschaftlichen Versuche gemacht und so den Ansiedler -vorgearbeitet haben.</p> - -<p>Die Erfahrungen mit dem Klima sind deshalb noch gering, sind aber -wichtig, weil danach Saat- und Erntezeiten in allen Teilen des Landes -verschieden fallen.</p> - -<div class="sidenote">Landwirtschaft am Rufiyi.</div> - -<p>Das Bezirksamt am Rufiyi und das kolonialwirtschaftliche Komitee machen -seit einiger Zeit Versuche.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_359"></a>[S. 359]</span></p> - -<p>Es kommt jedoch in diesem Gebiet nicht nur darauf an, die Regenzeiten -zu wissen, sondern auch die Zeit, den Umfang und die Dauer der großen -Überschwemmungen.</p> - -<p>Ein Hochwasser, wie es im Anfang des Jahres 1906 in den Küstengebieten -Ostafrikas war, wird wohl so leicht nicht wieder kommen. (Es war eine -nützliche Warnung; sogar die Brücken der Bahn über den Kingani hatte -man zu niedrig geplant und der Fehler konnte noch mit geringem Verlust -verbessert werden.)</p> - -<p>Wer sich im Küstengebiet ansiedeln will, muß sich die Gegend seiner -Wahl erst zu allen Jahreszeiten ansehen, wenn ihm nicht das Bezirksamt, -eine Mission oder ein anderer Ansiedler gleich einen günstigen Platz -vorschlagen kann.</p> - -<p>Auch ich habe einige wunderschöne Plätze in der Trockenzeit für gut -gehalten und sah in der Regenzeit, daß sie große Fehler hatten.</p> - -<p>Solange ein Land nicht gründlich erschlossen ist, kommt es für den -Einzelnen darauf an, mit Brückenbauten, Dämmen und schwierigen -Wegebauten möglichst zu sparen und eine möglichst billige, dauernde -Verbindung mit der Küste zu haben.</p> - -<p>Hindernisse sind Sümpfe und abflußlose Talmulden, während ständig -fließende, schiffbare Gewässer nicht trennen, sondern verbinden.</p> - -<p>Der Rufiyi wird in wenigen Jahren das Land erschließen, sobald der -Dampfer der Kommune Mohorro, der schon bestellt ist, fährt.</p> - -<p>Dann wird man auch bald von den Eigenschaften des Stromes mehr wissen -und die notwendigsten Regulierungen vornehmen können.</p> - -<p>Jetzt verlegt der Strom sein Bett andauernd, wenn auch die Verschiebung -der Sinkstoffe, das Wandern der Sandbänke nach ganz bestimmten Gesetzen -vor sich geht.</p> - -<p>Auf der langen Linie, in der der Rufiyi das niedrige Land durchströmt, -wiederholt sich unausgesetzt dieselbe Erscheinung: das strömende Wasser -stößt sich an einer Biegung, reißt Erde los und führt sie mit sich fort.</p> - -<p>Die leichteren Stoffe bleiben im Wasser und sinken erst ganz<span class="pagenum"><a id="Seite_360"></a>[S. 360]</span> an der -Mündung, wo der Fluß sich in hundert Armen zu einem Delta verbreitet -und deshalb langsamer strömt; die schweren Stoffe setzen sich nach -kurzer Zeit ab, häufen sich und bilden ein neues Hindernis, eine hohe -Sandbank, an der sich der Fluß stößt und die er umgeht. Der Strom läuft -deshalb in ununterbrochener Schlangenlinie.</p> - -<p>Sehen wir uns den Strom an irgendeiner Stelle an: jetzt haben wir -rechts das tiefe, schnellfließende Wasser an steilem Ufer, dessen -Profil graue Tonschichten und rote, eisenhaltige Erde zeigt. Oben -auf der Höhe steht hohes Schilfgras; eine Maispflanzung und große -Bananenstauden werden bald herabstürzen. Links ist eine Sandbank und -dahinter das höhere, alte Ufer, an dem der Strom aber nur in der -Regenzeit entlangfließt.</p> - -<p>Vierhundert Meter weiter unten bekommt der Strom eine ganz schwache -Ablenkung nach links; da haben sich Sinkstoffe abgesetzt und bilden -unter dem hohen Ufer neues Land. Der Strom stößt sich hier bald und -nimmt seine Richtung auf die hohe, alte Sandbank am linken Ufer, die -ein Erzeugnis der Hochwasserzeit ist, unterwühlt sie und trägt ihre -Körnchen mit sich bis zu dem nächsten alten Ufer derselben Seite, setzt -sie bald wieder ab, stößt sich und wendet sich ärgerlich wieder dem -rechten Ufer zu; aber dort beginnt dieselbe Enttäuschung!</p> - -<p>Dem Talent freie Bahn! seufzt er; zerstört, wo er seine Kraft -hinwendet, wird schnell dessen, was er den Ufern nimmt, überdrüssig, -läßt es fallen und wird zuletzt ganz flach und breit, wo er das Meer -gewinnt.</p> - -<p>Mehrmals führt ihn sein Lebensweg auch noch im Tiefland an echte, alte -Berge hinan, die aus dem Alluvialboden herausragen.</p> - -<p>Dann wäscht er Steine hervor — eine Jugenderinnerung.</p> - -<p>Das ist der Fluß, dessen Unterlauf jetzt schon hundertachtzig Kilometer -ins Land hinein schiffbar ist. Seine zerstörende Macht wird bald -gebändigt werden und das Wasser wird genutzt werden, um Baumwollfelder -zu berieseln. Es scheint sich nämlich schon herauszustellen, daß -künstliche Bewässerung für Baumwolle in Ostafrika unentbehrlich ist.</p> - -<div class="figcenter illowe40" id="pg361ill"> - <img class="w100" src="images/pg_361_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Ein Leopard tötete einen Mann und wurde bei der Leiche -erlegt.</p></div> - <p class="grossbild"><a href="images/pg_361_ill_gross.jpg" id="pg_361_ill_gross" rel="nofollow">⇒<br /> - GRÖSSERES BILD</a></p> -</div> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_363"></a>[S. 363]</span></p> - -<p>Man spricht ferner davon, die Berge oberhalb der Landschaft Kibambawe -und die oben beschriebenen Schnellen durch eine Bahn zu umgehen, um -die große, fruchtbare Mangaebene und ihre schiffbaren Ströme mit dem -unteren Rufiyi zu verbinden.</p> - -<div class="sidenote">Stauwehr; Viehzucht.</div> - -<p>Ja, es wird nur eine Frage der Zeit sein, ob an den Schnellen ein -großes Stauwehr gebaut wird, damit die ungeheuren Wassermassen, die -sich in der Regenzeit durch das enge Tor wälzen, für das weite, -trockene Gebiet südlich des Rufiyi nutzbar gemacht werden. Das im -vorigen Kapitel gezeigte Profil des Flußbettes scheint dazu einzuladen, -von beiden Seiten auf dem festen Steinfundament an die tiefe Rinne -hinanzubauen, um zuletzt die Rinne selbst (als Freiwasser) zu -überbrücken.</p> - -<p>Aber das sind Pläne, die der Zukunft gehören und deren Ausführung viel -Geld kostet.</p> - -<p>Sicher ist, daß man sich nicht mit dem Kulturland am Strom begnügen, -sondern durch künstliche Bewässerung größere Landteile nutzbar machen -wird.</p> - -<p>Daß Viehzucht in einzelnen Gebieten möglich ist, beweisen die Herden -der Kommune Mohorro und des wirtschaftlichen Komitees. Neben den -Äckern wächst außerdem Schilfgras in großen Mengen und kann zu Kompost -genommen werden.</p> - -<p>Die Fruchtfolge ist nach den neuesten Versuchen am günstigsten, wenn -jedes Feld zweimal Baumwolle trägt; im zweiten Jahre aber schon gedüngt -wird. Im dritten Jahre wird Mais und Klee gesät, im vierten Jahre steht -der Klee noch als Viehfutter. Im fünften folgt wieder Baumwolle. Also -eine Vierfelderwirtschaft.<a id="FNAnker_54" href="#Fussnote_54" class="fnanchor">[54]</a></p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="sidenote">Kaisers Geburtstag. Notizen.</div> - -<p>Wenn ich diesmal nicht selbst den Kalender gewußt hätte, wäre mir -Kaisers Geburtstag doch nicht entgangen, denn als ich am 26. Januar -eine Patrouille auf zwei Tage wegsandte, fragten<span class="pagenum"><a id="Seite_364"></a>[S. 364]</span> die Askari, ob -nicht ein Tag genüge, morgen sei ja Festtag (<span class="antiqua">sikur kun ya bana -Kaiser</span>). An dem Tage bekommt jeder Askari eine Rupie extra.</p> - -<p>Auch die Plantagenarbeiter mußten mitfeiern. Am Tage wurden Wettspiele -gemacht und die ganze Nacht hindurch unausgesetzt die große Trommel -geschlagen.</p> - -<p>Feuer brannten, und in gleichmäßigen Pausen wiederholte sich der -Chorgesang der Tänzer und Tänzerinnen.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Die Neger einiger in der Nähe liegender Dörfer waren auf Büffeljagd -ausgegangen.</p> - -<p>Der Gedanke, eine solche Jagd mitzumachen, war für mich sehr -verlockend; leider konnte ich es nicht und ließ mir nur erzählen, wie -die Eingeborenen die Büffel jagen.</p> - -<p>Die Büffel stehen in der Trockenzeit, wenn das Gras der Ebene hart -und dürr wird, gern an kleinen Seen und Bächen im Busch; sobald aber -der erste Regen das junge Gras hervorlockt, ziehen sie sich in die -Niederungen.</p> - -<p>Dann kommt es oft vor, daß nach großen Regengüssen weite Gebiete vom -Strom überschwemmt werden und die Büffel plötzlich, von Wasser rings -umgeben, auf einer Insel gefangen sind.</p> - -<p>Dorthin gehen die Eingeborenen und verleiden den Tieren den Aufenthalt, -bis sie das trennende Wasser durchschwimmen.</p> - -<p>Sofort sind die Neger mit Einbäumen hinter ihnen und verfolgen -die Tiere, die im Wasser ungeschickt sind, mit Speerwürfen und -Pfeilschüssen.</p> - -<p>Vor allem junge Tiere fallen ihnen dabei zum Opfer.</p> - -<p>Die Regierung schützt die Büffel, und es war den Eingeborenen nicht -erlaubt, Büffel zu jagen; in der Zeit der Hungersnot aber mußte man ein -Auge zudrücken. Die Erhaltung der Menschen war wichtiger als Wildschutz.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Unser letzter Esel ging ein. Es ist schrecklich, wenn man nicht helfen -kann. Tsetsekrankheit natürlich, denn wir sind ja<span class="pagenum"><a id="Seite_365"></a>[S. 365]</span> mehrmals in Gegenden -gekommen, wo die Fliege gesehen wurde, die die kleinen tierischen -Parasiten überträgt.</p> - -<p>Die Tsetsekrankheit und das Texasfieber sind die großen Hindernisse, -die der Viehzucht und dem Transportwesen entgegenstehen.</p> - -<p>Welch verlockende Kulturaufgaben, diese Feinde zu bekämpfen!</p> - -<p>Wunderbar ist es, daß bei all den großen Krankheiten ein Insekt die -abscheuliche Aufgabe übernommen hat, die kleinen Parasiten dem Blut der -Säugetiere einzuimpfen. Und immer nur ein ganz bestimmtes Insekt!</p> - -<p>Mit einer gewissen Ehrfurcht muß man sie ansehen: die Anopheles, die -kleine Mücke, deren Weibchen als Überträger des Malariaparasiten bisher -das tropische Afrika gesperrt hat; die <span class="antiqua">Glossina morsitans</span>, -die die Haustiere des Menschen haßt, und deren Schwester — durch -die Schlafkrankheit — Zentralafrika entvölkert, in der Zeit, wo die -Kulturmenschheit die Hände nach dem volkreichen Uganda ausstreckt, -um Arbeiter zu suchen; und endlich die träge, dickleibige Zecke, den -Boophilus, der auf den Weideplätzen auf die Rinder wartet, um ihnen -Blut zu nehmen und das Texasfieber zu geben.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Die Kunst, Leder herzustellen, habe ich mir übrigens leichter -gedacht, als sie ist. In der Trockenzeit hat sich alles bewährt; die -Kistendeckel aus Antilopenfell, die Tasche für den photographischen -Apparat, die Hausschuhe aus Wasserbockfell und die Fellteppiche; jetzt -fängt es an zu stinken. Und ich habe nun alle die mir unentbehrlich -gewordenen Gegenstände in Alaun und Salz gepackt.</p> - -<p>Die Neger hier können kein Leder bearbeiten. Hätte ich einen Neger von -der Westküste hier!</p> - -<p>Wie lange habe ich probieren müssen, um mir nur haltbare Schuhbänder zu -schneiden! Endlich konnte ich es: Buschbockfell in ganz feine Streifen -geschnitten, gut gesalzen und gegerbt.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_366"></a>[S. 366]</span></p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Briefe! Der Ombascha Chuma gibt mit ein ‚Barua‘, das ein Bote aus -Mohorro mitgebracht hat. Ich soll es ihm vorlesen.</p> - -<p>Von Askari Kisusa, der verwundet im Hospital liegt. Inhalt: „Grüße an -Abdallah, der noch eine Rupie von mir bekommt; und ich will von Sefu -zwei Rupie; und die Bibi des Mzee schuldet mir noch 18 Pesa für Reis.“ -Dann folgen Grüße an alle, die dem Kranken einfielen.</p> - -<p>Deshalb läßt der Ombascha die Askari antreten, nimmt den Zettel und -sagt: „Es ist ein Brief von Kisusa gekommen, er schreibt: Grüße an...“ -Jetzt nennt er, vom rechten Flügel anfangend, die Namen einzeln und -sieht zwischendurch immer wieder auf den Zettel, als ob er lesen könne. -Dann sagt er: „Weg-treti.“</p> - -<p>Ich diktierte Briefe an Jumben, die nur arabische Schrift lesen -konnten, und ließ mir das Diktierte nachher vorlesen. Dabei kam heraus, -daß diese Schreiben einen ganz besonderen Stil hatten. Das Hauptmerkmal -war, daß alles mehrmals wiederholt wurde. Aber auch Ausdrücke kamen -vor, die besonders auffielen. „Du sollst gut aufpassen,“ hieß: „sieh -mit beiden Augen.“</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Als Hohlmaß für Getreide haben die Neger den Pischi (zu vier Kibaba). -Sie stellen das Maß hin und füllen soviel hinein und darauf, als nicht -über die Ränder hinunterläuft. Als ich fragte, weshalb sie nicht glatt -abstrichen, sagten sie, der Bezirksamtmann hätte das so erlaubt; früher -habe man noch ganz anders gemessen: da habe man beide Arme um den Rand -gehalten.</p> - -<p>So sind sie: sie wollen mit dem Bewußtsein vom Markte gehen, für ihr -Geld etwas mehr bekommen zu haben, als ihnen zustände; ja, sie hassen, -glaube ich, instinktiv das eherne Gesetz, das sich brüstet, gerecht zu -sein, wenn es gleichmäßig ist.</p> - -<p>Mit ihrer Arbeit ist es ähnlich. Sie arbeiten gut, wenn ich anerkenne, -was meinem ganzen Wesen noch fremd ist: daß es nicht nur eine Pflicht -gibt zu arbeiten, sondern auch eine zu faulenzen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_367"></a>[S. 367]</span></p> - -<p>„Sechs Tage sollst du arbeiten und jeden Morgen auf die Minute -anfangen.“</p> - -<p>Wo?</p> - -<p>Vielleicht in einem härteren Klima, wo der Boden nicht so willig -hergibt, was Menschenhand ihm abringt; hier gibt es andere Gesetze!</p> - -<hr class="tb" /> - -<div class="sidenote">Leopardenjagd.</div> - -<p>Als ich glaubte, wieder marschfähig zu sein, setzte ich die Reise von -Panganya nach Mtanza fort, mußte mich aber den letzten Teil des Weges -auf einer Kitanda (Bettstelle) tragen lassen, weil die Wunden sich -wieder aufscheuerten. Bei der Auswahl der Bettstelle machte ich die -Entdeckung, daß an den Stellen, wo die harten Baststricke, mit denen -das Gestell bespannt ist, sich kreuzen, oft Läuse wohnen!</p> - -<p>Ich war kaum im Lager angekommen, hatte gebadet und meine schmerzenden -Füße verbunden, als ein Mann gelaufen kam und sagte, sein Bruder sei -von einem Leoparden getötet worden. Der Leopard sei noch bei dem Toten!</p> - -<p>Es war auf dem Nordufer; ich nahm mein Gewehr und Patronen, humpelte -zum Boot, fuhr hinüber und ließ mich vorsichtig zu der Stelle führen.</p> - -<p>Der Schwarze zeigte: „Er ist da.“</p> - -<p>Ich sah nichts.</p> - -<p>Plötzlich sprang ein Leopard ins Gebüsch.</p> - -<p>Er hatte im Grase bei der Leiche gelegen.</p> - -<p>Jetzt sah ich den Toten.</p> - -<p>Er lag unter einem ziemlich starken Baum. Der Hals war zerfleischt.</p> - -<p>Der Neger sagte, sein Bruder wäre auf den Baum gestiegen, um Honig -herabzuholen; der Leopard habe oben in der Krone gesessen und sei ihm -ins Genick gesprungen; da sei sein Bruder tot herabgestürzt.</p> - -<p>Der Leopard würde zurückkommen, ich solle bei dem Toten die Falle -stellen.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_368"></a>[S. 368]</span></p> - -<p>Das tat ich, ging etwa achtzig Schritte ab und blieb an einem Baumstamm -sitzen.</p> - -<p>Nach kaum einer Viertelstunde sah ich den Leoparden plötzlich bei -dem Toten. Ich hob behutsam die Büchse und zielte. Da klappte es, -das Fangeisen war zugeschlagen. Ich lief hinzu und blieb auf dreißig -Schritt stehen.</p> - -<p>Der Leopard sprang mit der schweren Falle hin und her, fauchte und biß -auf die eisernen Bügel.</p> - -<p>Ich gab ihm einen Blattschuß; er verendete.</p> - -<p>Zwei Askari kamen auf meinen Schuß herzu, der eine sagte, es wären wohl -noch mehr Leoparden da; ein „<span class="antiqua">chui</span>“ sei nie alleine. Deshalb -stellte ich das Eisen noch einmal, ließ den Leoparden mitnehmen und -ging zum Boot zurück, während die Askari auf Anstand blieben.</p> - -<p>Als ich im Lager ankam, hörte ich schon ihr Schnellfeuer und bald -darauf kamen sie mit dem zweiten Leoparden.</p> - -<p>Beide Leoparden waren männlich.</p> - -<p>Der geschlagene Mann war gerächt und ich befahl, ihn zu begraben, was -die Neger jedoch nicht ohne Schutz einer starken Askaripatrouille tun -wollten.</p> - -<p>Sie hätten ihn auch nicht begraben, wenn ich es nicht befohlen hätte.</p> - -<hr class="tb" /> - -<p>Auch in der Umgegend von Mtanza hatte das Hochwasser die Landschaft -verändert.</p> - -<p>In flachen Tälern, die früher gar nicht auffielen, floß jetzt der Strom -in ungeheurer Ausdehnung und schloß Menschen und Tiere auf kleine -Inseln ein.</p> - -<p>Während früher überall leere Boote gelegen hatten, wurde jetzt jeder -kleine Einbaum gebraucht, um den schwierigen Verkehr aufrecht zu halten.</p> - -<p>Das Wasser floß durch die Maisfelder. Viele Enten, Gänse, Reiher und -Taucher schwammen auf dem flachen Wasser und flogen in den Abend- -und Morgenstunden zu hunderten über der Ebene. Unzählige Holztauben -flatterten in allen Feldern.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_369"></a>[S. 369]</span></p> - -<div class="sidenote">Abreise.</div> - -<p>Während ich zur Abreise rüstete und das Lager auflöste, war ich oft mit -der Schrotflinte in den Feldern, um Enten und Tauben zu schießen. Dabei -kam ich einmal an eine Hütte, von der aus ein Boot mich über einen -tiefen Wasserarm brachte. Der Fährmann warnte mich, als ich die Hände -über Bord hielt und sagte, ein ganz gefährliches Krokodil sei in der -Nähe; das Tier habe schon viele Menschen geholt; vor kurzem erst seinen -Vater und seinen Bruder. Er selbst hatte eine große Wunde von dem Biß -des Krokodils, das versucht hatte, ihn aus dem Boot zu ziehen. In der -Trockenzeit, sagte er, sei das Tier in einem ganz kleinen Teiche; es -sei fast nie zu sehen und richte seit Jahren schon Schaden an.</p> - -<p>Das war ganz in der Nähe meines Lagers und niemand hatte bisher davon -erzählt, weil, wie mir dieser Mann sagte, gegen das Ungetüm doch nichts -zu machen sei! Wie schade: zu gerne hätte ich das gefährliche Tier -erlegt; doch es war nur in der Trockenzeit möglich.</p> - -<p>Der Tag der Abreise kam.</p> - -<p>Das Lager wurde geräumt; das große Haus und die Hütten zwischen den -Wellengräben und Pallisaden blieben nun leer zurück.</p> - -<p>Ein Teil der Leute mußte auf dem Nordufer über Land gehen, weil -nicht genug Boote da waren. Die Neger stellten sich beim Rudern so -ungeschickt an, daß Lauer und ich selbst die kurzen Ruder nahmen und -unter großer Anstrengung mehrmals hin- und herruderten.</p> - -<div class="sidenote">Fieber.</div> - -<p>Als wir am Nachmittage stromab fuhren, fühlten wir in allen Gliedern -große Mattigkeit, gegen die wir energisch anzukämpfen versuchten. -Deshalb gingen wir gegen Abend ans Ufer und machten einen Pirschgang -bis zur Dunkelheit.</p> - -<p>Wir schossen zwei Riedböcke und ein Wildschwein und kehrten zu den -Booten zurück.</p> - -<p>Die Mattigkeit nahm zu; der Appetit fehlte. Ich kam zu der Überzeugung, -daß ich Malariafieber hatte, und nahm Chinin.</p> - -<p>Mein Begleiter hatte noch kein Fieber und glaubte deshalb (wie viele, -die im Anfang damit verschont blieben), er bekomme<span class="pagenum"><a id="Seite_370"></a>[S. 370]</span> es nicht.<a id="FNAnker_55" href="#Fussnote_55" class="fnanchor">[55]</a> Er -sagte, es könne auch ein Erkältungsfieber sein und nahm kein Chinin.</p> - -<p>Es ist ein Unglück, wenn die Europäer einer Expedition krank sind. Es -ist, als ob die Spannkraft aller Neger sofort nachlasse, wenn der Weiße -von einer Krankheit gedemütigt wird. Die Neger verlieren den Glauben an -ihn. Bummelei und Ärgernis treten auf und Mißerfolge erhöhen das Leiden -des Weißen.</p> - -<p>Ein Posten schlief auf Wache, so daß ich ihm sein geladenes Gewehr -wegnehmen konnte.</p> - -<p>Die Wache bei den Booten hatte auch nicht aufgepaßt; ein ganzes Boot -mit Lasten fehlte am Morgen.</p> - -<p>Das Marschieren wurde uns an diesen Tagen sehr schwer. Es war kein Wind -und die Sonne brannte auf den Sumpf hernieder, während wir meilenweit -bis an die Knie im Wasser und durchweichten Boden wateten. Da war es -oft, als wollte das Herz seinen Dienst versagen und man hatte den -Wunsch, sich lang im Wasser hinzulegen.</p> - -<p>Mein Begleiter war ganz still; wir konnten uns gegenseitig wenig Mut -abgeben.</p> - -<p>An dem Abend dieses Tages erreichte mein Fieber den Höhepunkt. Mit -glühend heißen Schläfen lag ich im Zelt und kühlte mit nassen Tüchern.</p> - -<p>Die Boys zeigten ihr Mitgefühl dadurch, daß sie nahe bei unseren Zelten -die Trommel zum Tanze schlugen. Es war mir eine Qual das zu hören, aber -ich fand nicht den Entschluß, es zu verbieten. Ja, es beruhigte mich -innerlich geradezu, durch den Lärm an dies trotzige, gedankenlose Leben -erinnert zu werden.</p> - -<p>Glücklicherweise hatten wir das fließende Wasser wieder<span class="pagenum"><a id="Seite_371"></a>[S. 371]</span> erreicht und -konnten am nächsten Tage die Boote benutzen. Lauer mußte gestützt -werden; er nahm immer noch kein Chinin.</p> - -<p>Mit unglaublicher Schnelligkeit trieben wir an überschwemmten Dörfern -vorbei: die Borassuspalmen von Mayenge tauchten aus Nebelschleiern auf.</p> - -<p>Da lagen die Berge von Kitschi; noch eine Biegung des Stromes, an der -die Eingeborenen Nothütten gebaut hatten, dann waren wir in Mayenge.</p> - -<p>Hier war der kranke Unteroffizier Kuehn gerade von Feldwebel Münch -abgelöst.</p> - -<p>Auch diese Boma wurde geräumt und wir fuhren zwei Stunden weiter -stromab zu einer hohen Landzunge, auf der ich einen Platz für das neue -Bezirksamt am Rufiyi aussuchen wollte.</p> - -<p>Die nächsten Nächte wären für uns Kranke schlimm gewesen, wenn -nicht Feldwebel Münch mit bewundernswerter Geduld und Sicherheit -unsere Pflege übernommen hätte. Er gab uns das Chinin zerstoßen in -Oblaten. Ich wurde schnell besser, weil in mir das Gift den Kampf -mit den Parasiten schon aufgenommen hatte; bei Lauer aber war das -Fieber zu weit vorgeschritten, er war kaum imstande das Chinin -hinunterzuschlucken.</p> - -<p>Er litt sehr, phantasierte und sprach von Schwäche und Sterben; aber -Münch ließ sich nicht beirren und sagte ganz ruhig: „Machen Sie doch -keine Witze.“</p> - -<p>Ich habe oft daran denken müssen, daß solcher Zuspruch besser ist, als -hilfloses, sichtbares Mitleid!</p> - -<p>Trotz seiner Erfahrung mit dem Fieber — Münch hatte monatelang an -Schwarzwasserfieber gelitten — durften wir uns unserm Pfleger nicht -ganz anvertrauen, wenn es möglich war, Mohorro in diesem Zustande zu -erreichen.</p> - -<p>Ich fühlte mich wieder frisch. Ein großes Boot wurde ausgerüstet und am -Abend Lauers Bett hineingestellt. Ich lag dahinter im Lehnstuhl; die -Askari und Neger folgten in neun anderen Booten.</p> - -<p>Der Mond war aufgegangen, als die Boote vom Ufer ablegten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_372"></a>[S. 372]</span></p> - -<p>Lautlos trieb die kleine Flotte auf dem Strom.</p> - -<p>Ich zog mein Buch aus der Tasche und schrieb. Elf Uhr.</p> - -<p>Am Ufer brennt ein Feuer; da übernachten Flußschiffer und schwatzen -fröhlich und laut. Es klingt übers Wasser in der stillen Nacht und -sie hören unsere Boote nicht, die leise plätschernd nahe bei ihnen -vorbeitreiben.</p> - -<p>Kein Wölkchen ist am Himmel. Die Sterne stehen über mir. Das Mondlicht -glänzt auf den Blättern der Büsche.</p> - -<p>Dahinter erhebt sich der Wald und die Berge. Ein hoher Sandrücken -kommt näher; er neigt sich weit über den Strom. Auf der Höhe steht ein -plumper Affenbrotbaum.</p> - -<p>Es ist so still als ob die Natur ihren Atem anhält.</p> - -<p>Da dröhnt vom Berge herab deutlich durch die Stille eine einzige, tiefe -Löwenstimme; ein Ruf an die Nacht, die nur im Schweigen Antwort gibt.</p> - -<p>„Simba“ flüstert der Neger hinter mir.</p> - -<p>Schwach saß ich im Lehnstuhl und war erfüllt von den wundervollen -Eindrücken, die wie eine Abschiedsfeier auf mich wirkten. Ich dachte -zurück an vergangene Bilder, an stille Nächte, in denen der Mond schien.</p> - -<p>Ich sah auf den Kranken, legte ihm die Kissen zurecht und schloß sein -Moskitonetz. Dann streckte ich mich im Boot lang aus und schlief.</p> - -<p>Manchmal erwachte ich aus festem Schlaf, wenn das Boot auf eine -Sandbank auflief und von den Baharias wieder abgeschoben wurde. Einmal -stieß das Boot auf einen Baumstamm, der im Wasser lag. Es wurde von der -Kraft der Strömung in den Zweigen hochgehoben und schlug quer, sodaß -das Wasser, das ihm sonst fördernde Kraft war, plätschernd gegen die -Bordwand drängte.</p> - -<p>Oft dröhnte die tiefe Stimme eines Flußpferdes aus nächster Nähe; ein -kurzer Zuruf der Leute, eine gewaltsame Wendung des Bootes, und weiter -ging es in gleichmäßiger Ruhe.</p> - -<div class="sidenote">Wieder an der Küste.</div> - -<p>Gegen vier Uhr am Morgen wurde ich geweckt. Wir waren in Ndundu. Die -Neger alarmierten das Dorf. Der Akide kam. Strohfackeln brannten.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_373"></a>[S. 373]</span></p> - -<p>Aus dem fensterlosen Seitenraum eines Hauses wurden Lasten -herausgeschleppt, die ich dem Akiden zum Aufbewahren gesandt hatte.</p> - -<p>Noch war dunkle Nacht. Aber der Vollmond stand schon tief am Himmel und -der Morgen war nahe, als ich weiterfuhr, und die Gruppe der Neger mit -ihren Fackeln am Ufer zurückblieb.</p> - -<p>Ich wußte eine reine Freude vor mir: auf dieser Fahrt das erste Licht -des Tages kommen zu sehen.</p> - -<p>Und es kam. Die Ufer schimmerten im Morgenlicht. Bäume und Hütten -nahmen Form und Farben an. Helles Licht breitete sich über das Wasser -aus. Wölkchen zogen von der See herüber und unterbrachen die Strahlen.</p> - -<p>Als es Tag war hörten wir das laute Treiben der Menschen.</p> - -<p>Die Boote landeten am Ufer von Mosmene, wo Händler ihre Lasten -aufgestapelt hatten und fleißige Hände bei der Arbeit waren, Frachten -umzuladen.</p> - -<p>Der Aufstand lag hinter mir; ich war wieder an der Küste.</p> - -<div class="footnotes"> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_54" href="#FNAnker_54" class="label">[54]</a> Über die wirtschaftlichen Aussichten in diesen Gebieten -findet man Näheres in dem Buche: Hermann Paasche, Deutsch-Ostafrika. -Verlag von E. A. Schwetschke und Sohn, und in den Berichten des -Kolonialwirtschaftlichen Komitees.</p></div> - -<div class="footnote"> - -<p><a id="Fussnote_55" href="#FNAnker_55" class="label">[55]</a> Man findet die wunderlichsten Theorien bei Menschen, die -kein Fieber bekommen. Einer sagt: er passe auf, daß ihn keine Mücke -steche (sehr gut; es ist aber nur ein Teil der Schutzmaßregeln!), ein -anderer: er fühle das Fieber kommen und trinke dann eine Flasche Sekt, -dann sei er sicher. Wirkliche Konfusion bestand, bevor man das Wesen -der Malaria kannte, und in den alten Reisewerken bekommen die Reisenden -von starkem Kaffee z. B. Fieber. Es gibt Menschen, die oft Malaria -hatten und die immun geworden sind.</p></div> - -</div> - -<div class="figcenter illowe4_5" id="pg373deco"> - <img class="w100 padtop3" src="images/pg_373_deco.jpg" alt="Dekoration" /> -</div> - -<div class="chapter"> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_374"></a>[S. 374]</span></p> - -<h2 class="nobreak" id="Verzeichnis">Verzeichnis<br /> -<span class="s6">häufig vorkommender in Deutsch-Ostafrika allgemein -gebrauchter Fremdwörter.</span></h2> - -</div> - -<div class="blockquot hang1_5"> - -<p>Akide = Ältester der farbigen Bevölkerung einer Stadt oder -Landschaft.</p> - -<p>Askari = Soldat der Schutztruppe.</p> - -<p>Bana (Bwana) = Herr.</p> - -<p>Barua = Brief.</p> - -<p>Betschausch = schwarzer Feldwebel.</p> - -<p>Bibi = Mädchen; Frau.</p> - -<p>Boma = befestigter Platz, Regierungssitz.</p> - -<p>Dhau = Segelfahrzeug.</p> - -<p>Goanesen = Leute aus Goa (Vorderindien); Mischlinge von Portugiesen -mit Indern.</p> - -<p>Jumbe = Dorfältester.</p> - -<p>Kopra = Fleisch der Kokosnuß.</p> - -<p>Kiongozi = Führer; Name der in Tanga erscheinenden Suahelizeitung.</p> - -<p>Kanicki = blaues Baumwolltuch.</p> - -<p>Kofia = Mütze.</p> - -<p>Mohogo = Maniok, Gemüsestrauch mit stärkemehlreichen Knollen.</p> - -<p>Matama = Negerhirse (Setaria).</p> - -<p>Makuti = Palmblatt.</p> - -<p>Ngambo = das jenseitige Ufer.</p> - -<p>Ngoma = Trommel, Tanz.</p> - -<p>Ombascha = Gefreiter der Schutztruppe.</p> - -<p>Pesa = Kupfermünze; 64 Pesa = 1 Rupie (jetzt 100 Heller).</p> - -<p>Poscho = die tägliche Essensration für Askari und Träger.</p> - -<p>Pori = Busch; das Pori ist der Ort, wo sich die Schenzis dauernd, -andere Leute nur vorübergehend aufhalten. Man lagert „Porini“ = wo -keine Hütten sind, im unbewohnten Busch.</p> - -<p><span class="pagenum"><a id="Seite_375"></a>[S. 375]</span></p> - -<p>Pischi = ein Hohlmaß für Getreide.</p> - -<p>Rupie = Silbermünze: deutsche Rupie = 1,34 Mk.</p> - -<p>Schamba = Pflanzung, Acker.</p> - -<p>Schensi = der Buschbewohner.</p> - -<p>Wangoni = Nachkommen der in Deutsch-Ostafrika Mitte des vorigen -Jahrhunderts eingewanderten Sulukaffern.</p></div> - -<div class="chapter"> - -<h2 class="nobreak" id="Druckfehlerberichtigung">Druckfehlerberichtigung.</h2> - -</div> - -<p class="hang1_5"><a href="#pg173ill">Seite 173.</a> In der Unterschrift des Bildes muß es heißen: -Schwarzfersenantilope statt Schwarzharfenantilope.</p> - -<p class="hang1_5"><a href="#pg226ill">Seite 226.</a> In der Unterschrift des Bildes muß es heißen:... der -Zahn beginnt schon, wo er in der Knochenhöhlung des Oberkiefers -sitzt, <em class="gesperrt">sich zu winden</em>; der Schädel muß also...</p> - -<div class="figcenter illowe20" id="pg376ill"> - <img class="w100 padtop1 mtop3" src="images/pg_376_ill.jpg" alt="" /> - <div class="caption"><p>Die Arbeiterfrage in Ostafrika.</p></div> -</div> - -<p class="s5 center padtop5"><span class="bbox">Druck von A. W. Hayn’s Erben, Potsdam.</span></p> - -<hr class="full" /> - - - - - - - - -<pre> - - - - - -End of the Project Gutenberg EBook of Im Morgenlicht., by Hans Paasche - -*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK IM MORGENLICHT. *** - -***** This file should be named 63601-h.htm or 63601-h.zip ***** -This and all associated files of various formats will be found in: - http://www.gutenberg.org/6/3/6/0/63601/ - -Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online -Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This -file was produced from images generously made available -by The Internet Archive) - -Updated editions will replace the previous one--the old editions will -be renamed. - -Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright -law means that no one owns a United States copyright in these works, -so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United -States without permission and without paying copyright -royalties. 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It -exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations -from people in all walks of life. - -Volunteers and financial support to provide volunteers with the -assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's -goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will -remain freely available for generations to come. In 2001, the Project -Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure -and permanent future for Project Gutenberg-tm and future -generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see -Sections 3 and 4 and the Foundation information page at -www.gutenberg.org - - - -Section 3. 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Email contact links and up to -date contact information can be found at the Foundation's web site and -official page at www.gutenberg.org/contact - -For additional contact information: - - Dr. Gregory B. Newby - Chief Executive and Director - gbnewby@pglaf.org - -Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg -Literary Archive Foundation - -Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide -spread public support and donations to carry out its mission of -increasing the number of public domain and licensed works that can be -freely distributed in machine readable form accessible by the widest -array of equipment including outdated equipment. Many small donations -($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt -status with the IRS. - -The Foundation is committed to complying with the laws regulating -charities and charitable donations in all 50 states of the United -States. 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Donations are accepted in a number of other -ways including checks, online payments and credit card donations. To -donate, please visit: www.gutenberg.org/donate - -Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. - -Professor Michael S. Hart was the originator of the Project -Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be -freely shared with anyone. For forty years, he produced and -distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of -volunteer support. - -Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed -editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in -the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not -necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper -edition. - -Most people start at our Web site which has the main PG search -facility: www.gutenberg.org - -This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, -including how to make donations to the Project Gutenberg Literary -Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to -subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. - - - -</pre> - -</body> -</html> diff --git a/old/63601-h/images/cover.jpg b/old/63601-h/images/cover.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index d85cf2e..0000000 --- a/old/63601-h/images/cover.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/63601-h/images/frontis.jpg b/old/63601-h/images/frontis.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 index 53feb1c..0000000 --- a/old/63601-h/images/frontis.jpg +++ /dev/null diff --git a/old/63601-h/images/frontis_gross.jpg b/old/63601-h/images/frontis_gross.jpg Binary files differdeleted file mode 100644 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